Parlament Österreich

 

 

 

Stenographisches Protokoll

 

 

 

Bild des Parlamentsgebäudes

 

 

799. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

 

Donnerstag, 21. Juli 2011

 

 


Stenographisches Protokoll

799. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 21. Juli 2011

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 21. Juli 2011: 9.02 – 21.00 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Volksgruppengesetz geändert wird

2. Punkt: Bundesverfassungsgesetz, mit dem zur Stärkung der Rechte der Gemeinden das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert wird (24. StVO-Novelle)

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Führerscheingesetz geändert wird (14. FSG-Novelle)

5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßengesetz 1971 geändert wird

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Gesetz über die externe Qualitätssicherung im Hochschulwesen und die Agentur für Qualitätssicherung und Akkreditierung Austria (Hochschul-Qualitätssicherungsgesetz – HS-QSG) und ein Bundesgesetz über Privat­universitäten (Privatuniversitätengesetz – PUG) erlassen werden sowie das Fach­hochschul-Studiengesetz (FHStG), das Bildungsdokumentationsgesetz, das Ge­sund­heits- und Krankenpflegegesetz, das Hebammengesetz und das MTD-Gesetz geändert werden (Qualitätssicherungsrahmengesetz – QSRG)

7. Punkt: Erklärung der Republik Österreich über den Einspruch gegen den Beitritt der Kirgisischen Republik zum Übereinkommen zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Beglaubigung

8. Punkt: Bundesgesetz über die Förderung der Elektrizitätserzeugung aus erneuerbaren Energieträgern (Ökostromgesetz 2012 – ÖSG 2012)

9. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Transparenz von Preisen für Erdöl, Mineralölerzeugnisse, Gas, Strom und Arzneimittel sowie der Preisauszeichnungsvorschriften (Preistransparenzgesetz) geändert wird

10. Punkt: Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG über eine Änderung der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG über die Einführung der halbtägig kostenlosen und verpflich­tenden frühen Förderung in institutionellen Kinderbetreuungseinrichtungen


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 2

11. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz, das Schulunter­richtsgesetz, das Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz und das Hochschulge­setz 2005 geändert werden

12. Punkt: Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG über den Ausbau der ganztägigen Schulformen

13. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Rechtspersönlichkeit von religiösen Bekenntnisgemeinschaften geändert wird

14. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über äußere Rechtsverhältnisse der griechisch-orientalischen Kirche in Österreich geändert wird

15. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Nationalbankgesetz 1984 und das Finanz­marktaufsichtsbehördengesetz geändert werden

16. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Flugabgabegesetz, das Einkommen­steuer­gesetz 1988, das Körperschaftsteuergesetz 1988, das Umsatzsteuergesetz 1994, das Gebührengesetz 1957, das Versicherungssteuergesetz 1953, das Kommunalsteuer­ge­setz 1993, das Neugründungs-Förderungsgesetz, das Familienlastenausgleichsge­setz 1967, die Bundesabgabenordnung, das Glücksspielgesetz, das Zollrechts-Durch­füh­rungsgesetz und das EU-Finanzstrafvollstreckungsgesetz geändert werden (Abgaben­änderungsgesetz 2011 – AbgÄG 2011)

17. Punkt: Vereinbarung zwischen dem Bund, den Ländern und den Gemeinden über eine Weiterführung der stabilitätsorientierten Budgetpolitik (Österreichischer Stabilitäts­pakt 2011)

18. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Finanzausgleichsgesetz 2008, das Gesund­heits- und Sozialbereich-Beihilfengesetz und das Bundesfinanzgesetz 2011 geändert werden

19. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über Investmentfonds (Invest­mentfondsgesetz 2011 – InvFG 2011) erlassen sowie das Bankwesengesetz, das Wertpapieraufsichtsgesetz 2007, das Immobilien-Investmentfondsgesetz, das Finanz­marktaufsichtsbehördengesetz, das Pensionskassengesetz, das Betriebliche Mitar­bei­ter- und Selbständigenvorsorgegesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz, das Ein­kommensteuergesetz 1988, das EU-Quellensteuergesetz, das Konsumentenschutz­gesetz und das Finanzsicherheiten-Gesetz geändert werden

20. Punkt: Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung des Staates Katar zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhin­derung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll

21. Punkt: Änderung der Anhänge I und II des Übereinkommens betreffend die Prüfung und Bezeichnung von Edelmetallgegenständen

22. Punkt: Bundesgesetz über die Gewährung eines Bundeszuschusses und sonstiger Förderungen aus Anlass der 90. Wiederkehr des Jahrestages der Volksabstimmung in Kärnten

23. Punkt: Bundesgesetz über die Gewährung eines Zweckzuschusses an das Bundesland Burgenland aus Anlass der 90-jährigen Zugehörigkeit zu Österreich

24. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Kriegsmaterialgesetz geändert wird

25. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Erleichterung von Ambulanz- und Rettungsflügen


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 3

26. Punkt: Kündigung der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Kärnten über einen gemeinsamen Hubschrauber-Rettungsdienst

27. Punkt: Kündigung der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Oberösterreich über einen gemeinsamen Hubschrauber-Rettungsdienst

28. Punkt: Kündigung der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Vorarlberg über einen gemeinsamen Hubschrauberdienst

29. Punkt: Kündigung der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Wien über einen gemeinsamen Hubschrauberdienst

30. Punkt: Kündigung der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Tirol über Hubschrauberdienste

31. Punkt: Kündigung der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Salzburg über einen gemeinsamen Hubschrauber-Rettungsdienst

32. Punkt: Kündigung der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Steiermark über einen gemeinsamen Hubschrauber-Rettungsdienst

33. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Aktiengesetz, das Spaltungsgesetz, das EU-Verschmelzungsgesetz, das GmbH-Gesetz, das SE-Gesetz, das Firmenbuchgesetz, das Depotgesetz, das Kapitalberichtigungsgesetz und das Gerichtsgebührengesetz geändert werden (Gesellschaftsrechts-Änderungsgesetz 2011 – GesRÄG 2011)

34. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch (StGB) und das Staatsanwalt­schaftsgesetz geändert werden

35. Punkt: Bundesgesetz, mit dem die Strafprozessordnung 1975 geändert wird

36. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Ermächtigung zur Über­nahme der Rückerstattung der Kühlgeräteentsorgungsbeiträge erlassen und das Bun­desgesetz zur Rückführung der Kühlgeräteentsorgungsbeiträge der Konsumenten aufgehoben wird

37. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, das Bundespfle­gegeldgesetz, das Verbrechensopfergesetz, das Poststrukturgesetz und das Bundes­behin­dertengesetz geändert werden (Pflegegeldreformgesetz 2012)

38. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Pflegefonds eingerichtet und ein Zweck­zuschuss an die Länder zur Sicherung und zum bedarfsgerechten Aus- und Aufbau des Betreuungs- und Pflegedienstleistungsangebotes in der Langzeitpflege für die Jahre 2011, 2012, 2013 und 2014 gewährt wird

39. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz, das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz, das Bauarbeitenkoordinationsgesetz, das Ar­beitsinspektionsgesetz 1993 und das Verkehrs-Arbeitsinspektionsgesetz 1994 geän­dert werden

40. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesbezügegesetz, das Allgemeine Sozial­versicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozial­ver­sicherungsgesetz und das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert werden

41. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesbahn-Pensionsgesetz und das Bundesgesetz über die Beschäftigung parlamentarischer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (Parlamentsmitarbeiterinnen- und Parlamentsmitarbeitergesetz) geändert werden

42. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Krankenanstalten und Kuranstalten geändert wird


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 4

43. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Obersten Sanitätsrat (OSR-Gesetz) erlassen und das Gesetz betreffend die Organisation des öffentlichen Sanitätsdienstes geändert wird

44. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Apothekerkammergesetz 2001 geändert wird

45. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Arzneiwareneinfuhrgesetz 2010 geändert wird

46. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Gesundheits- und Ernährungssicher­heits­gesetz geändert wird

*****

Inhalt

Bundesrat

Antrittsansprache der Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth .................................. 17

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten Dr. Johannes Kyrle gemäß Artikel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Erteilung der Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Internationalen Organisation für Wanderung über die Errichtung von Büros in Wien durch den Herrn Bundespräsidenten ............................. 37

Personalien

Verhinderungen .............................................................................................................. 17

Aktuelle Stunde (9.)

Thema: „Die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik nach 2013 – Chancen und Herausforderungen für Österreich“ ............................................................................................................. 19

Redner/Rednerinnen:

Georg Keuschnigg ................................................................................................. ..... 20

Klaus Konrad .......................................................................................................... ..... 22

Franz Pirolt .............................................................................................................. ..... 24

Bundesminister Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich ..............................................  25, 35

Elisabeth Kerschbaum ........................................................................................... ..... 29

Martin Preineder ..................................................................................................... ..... 31

Michael Lampel ....................................................................................................... ..... 32

Gerd Krusche .......................................................................................................... ..... 33

Bundesregierung

Vertretungsschreiben .................................................................................................. 37

Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Aufenthalt eines Mitgliedes der Bundesregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union .............................................................. 39

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse .......................................................................... 40

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................. 37


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 5

Verhandlungen

1. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2011 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Volksgruppengesetz geändert wird (1220 d.B. und 1312 d.B. sowie 8525/BR d.B.)                         40

Berichterstatter: Josef Saller ........................................................................................ 40

Redner/Rednerinnen:

Staatssekretär Dr. Josef Ostermayer ................................................................... ..... 41

Landeshauptmann von Kärnten Gerhard Dörfler .............................................. ..... 44

Ana Blatnik .............................................................................................................. ..... 50

Karl Petritz ............................................................................................................... ..... 52

Franz Pirolt .............................................................................................................. ..... 54

Dr. Jennifer Kickert ................................................................................................ ..... 55

Stefan Schennach ................................................................................................... ..... 57

Efgani Dönmez, PMM ............................................................................................. ..... 58

Annahme des Antrages des Berichterstatters, 1. gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfassungs­mäßige Zustimmung zu erteilen ................................................. 59

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2011 betreffend ein Bun­desverfassungsgesetz, mit dem zur Stärkung der Rechte der Gemeinden das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird (1213 d.B. und 1313 d.B. sowie 8526/BR d.B.) ...................................................................................... 59

Berichterstatter: Josef Saller ........................................................................................ 59

Redner/Rednerinnen:

Dr. Jennifer Kickert ................................................................................................ ..... 60

Mag. Gerald Klug .................................................................................................... ..... 60

Gottfried Kneifel ..................................................................................................... ..... 62

Hermann Brückl ...................................................................................................... ..... 63

Ewald Lindinger ...................................................................................................... ..... 64

Georg Keuschnigg ................................................................................................. ..... 65

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 66

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2011 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert wird (24. StVO-Novelle) (1205 d.B. und 1303 d.B. sowie 8527/BR d.B.) ................................................................................................................. 66

Berichterstatter: Werner Stadler ................................................................................... 66

Redner/Rednerinnen:

Karl Boden ............................................................................................................... ..... 66

Christoph Kainz ...................................................................................................... ..... 67

Johann Ertl .............................................................................................................. ..... 69

Elisabeth Kerschbaum ........................................................................................... ..... 69

Bundesministerin Doris Bures ............................................................................. ..... 70

Manfred Gruber ...................................................................................................... ..... 72

Kurt Strohmayer-Dangl ......................................................................................... ..... 73

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 74


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 6

4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2011 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Führerscheingesetz geändert wird (14. FSG-Novelle) (1203 d.B. und 1304 d.B. sowie 8528/BR d.B.)   ............................................................................................................................... 74

Berichterstatter: Werner Stadler ................................................................................... 74

Redner/Rednerinnen:

Gerd Krusche .......................................................................................................... ..... 74

Ewald Lindinger ...................................................................................................... ..... 76

Elisabeth Kerschbaum ........................................................................................... ..... 77

Elisabeth Greiderer ................................................................................................ ..... 78

Bundesministerin Doris Bures ............................................................................. ..... 79

Wolfgang Beer ........................................................................................................ ..... 80

Kurt Strohmayer-Dangl ......................................................................................... ..... 81

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 82

5. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2011 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundesstraßengesetz 1971 geändert wird (1204 d.B., 1442/A, 1423/A und 1307 d.B. sowie 8529/BR d.B.)      ............................................................................................................................... 82

Berichterstatter: Werner Stadler ................................................................................... 82

Redner/Rednerinnen:

Gerd Krusche .......................................................................................................... ..... 82

Karl Boden ............................................................................................................... ..... 83

Elisabeth Kerschbaum ........................................................................................... ..... 84

Anneliese Junker .................................................................................................... ..... 85

Bundesministerin Doris Bures ............................................................................. ..... 86

Wolfgang Beer ........................................................................................................ ..... 87

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 88

6. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2011 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem ein Gesetz über die externe Qualitätssicherung im Hoch­schulwesen und die Agentur für Qualitätssicherung und Akkreditierung Austria (Hochschul-Qualitätssicherungsgesetz – HS-QSG) und ein Bundesgesetz über Privatuniversitäten (Privatuniversitätengesetz – PUG) erlassen werden sowie das Fachhochschul-Studiengesetz (FHStG), das Bildungsdokumentationsgesetz, das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz, das Hebammengesetz und das MTD-Gesetz geändert werden (Qualitätssicherungsrahmengesetz – QSRG) (1222 d.B. und 1318 d.B. sowie 8520/BR d.B. und 8530/BR d.B.) ............................... 88

Berichterstatterin: Notburga Astleitner ........................................................................ 89

Redner/Rednerinnen:

Mag. Reinhard Pisec .............................................................................................. ..... 89

Josef Saller .............................................................................................................. ..... 90

Dr. Jennifer Kickert ................................................................................................ ..... 91

Christian Füller ....................................................................................................... ..... 92

Bundesminister Dr. Karlheinz Töchterle ............................................................. ..... 93

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 94

7. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2011 betreffend Erklärung der Republik Österreich über den Einspruch gegen den Beitritt der Kirgisischen


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 7

Republik zum Übereinkommen zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkun­den von der Beglaubigung (1210 d.B. und 1346 d.B. sowie 8531/BR d.B.)                       94

Berichterstatter: Christoph Kainz ................................................................................. 94

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 94

8. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2011 betreffend ein Bun­desgesetz über die Förderung der Elektrizitätserzeugung aus erneuerbaren Energieträgern (Ökostromgesetz 2012 – ÖSG 2012) (1223 d.B. und 1302 d.B. sowie 8521/BR d.B. und 8532/BR d.B.) ........................................................ 94

Berichterstatterin: Anneliese Junker ............................................................................ 95

Redner/Rednerinnen:

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ..... 95

Dr. Magnus Brunner, LL.M .................................................................................... ..... 96

Johann Kraml .......................................................................................................... ..... 98

Elisabeth Kerschbaum ........................................................................................... ... 100

Friedrich Hensler .................................................................................................... ... 102

Johann Schweigkofler ........................................................................................... ... 103

Ferdinand Tiefnig .................................................................................................... ... 104

Wolfgang Beer ........................................................................................................ ... 105

Bundesminister Dr. Reinhold Mitterlehner ......................................................... ... 106

Cornelia Michalke ................................................................................................... ... 109

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, 1. gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfassungs­mäßige Zustimmung zu erteilen ............................................... 111

9. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2011 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Transparenz von Preisen für Erdöl, Mineralölerzeugnisse, Gas, Strom und Arzneimittel sowie der Preis­auszeichnungsvorschriften (Preistransparenzgesetz) geändert wird (1224 d.B. und 1301 d.B. sowie 8533/BR d.B.) ............................................................................. 111

Berichterstatterin: Anneliese Junker .......................................................................... 111

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 111

10. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2011 betreffend Verein­barung gemäß Art. 15a B-VG über eine Änderung der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG über die Einführung der halbtägig kostenlosen und verpflichtenden frühen Förderung in institutionellen Kinderbetreuungseinrichtungen (1225 d.B. und 1270 d.B. sowie 8534/BR d.B.) .................................................................................................... 111

Berichterstatter: Ferdinand Tiefnig ............................................................................ 112

Redner/Rednerinnen:

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ... 112

Franz Wenger .......................................................................................................... ... 113

Johanna Köberl ....................................................................................................... ... 114

Efgani Dönmez, PMM ............................................................................................. ... 115

Bundesminister Dr. Reinhold Mitterlehner ......................................................... ... 116


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 8

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 118

Gemeinsame Beratung über

11. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2011 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz, das Schulunterrichtsgesetz, das Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz und das Hochschulgesetz 2005 geändert werden (1209 d.B. und 1265 d.B. sowie 8535/BR d.B.)                            118

Berichterstatterin: Mag. Bettina Rausch .................................................................... 119

12. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2011 betreffend Verein­barung gemäß Artikel 15a B-VG über den Ausbau der ganztägigen Schulformen (1253 d.B. und 1266 d.B. sowie 8536/BR d.B.)               ............................................................................................................................. 118

Berichterstatterin: Mag. Bettina Rausch .................................................................... 119

Redner/Rednerinnen:

Dr. Jennifer Kickert ................................................................................................ ... 119

Christian Füller ....................................................................................................... ... 120

Notburga Astleitner ................................................................................................ ... 121

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ... 123

Bundesministerin Dr. Claudia Schmied .............................................................. ... 124

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 11, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 125

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 12, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 125

13. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2011 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Rechtspersönlichkeit von religiösen Bekenntnisgemeinschaften geändert wird (1256 d.B. und 1267 d.B. sowie 8537/BR d.B.) ........................................................... 125

Berichterstatter: Johann Schweigkofler .................................................................... 125

Redner/Rednerinnen:

Jennifer Kickert ....................................................................................................... ... 126

Elisabeth Grimling .................................................................................................. ... 127

Bundesministerin Dr. Claudia Schmied .............................................................. ... 127

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 128

14. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über äußere Rechtsverhältnisse der griechisch-orientalischen Kirche in Österreich geändert wird (1542/A und 1268 d.B. sowie 8538/BR d.B.) ........................................................ 128

Berichterstatter: Johann Schweigkofler .................................................................... 128

Redner/Rednerinnen:

Elisabeth Grimling .................................................................................................. ... 128

Mag. Bettina Rausch .............................................................................................. ... 129

Bundesministerin Dr. Claudia Schmied .............................................................. ... 129

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 130


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 9

15. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Nationalbankgesetz 1984 und das Finanzmarkt­aufsichtsbehördengesetz geändert werden (1202 d.B. und 1319 d.B. sowie 8557/BR d.B.) .................................................................................... 130

Berichterstatter: Michael Lampel ............................................................................... 130

Redner:

Franz Perhab ............................................................................................................... 131

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 131

16. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2011 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Flugabgabegesetz, das Einkommensteuergesetz 1988, das Körperschaftsteuergesetz 1988, das Umsatzsteuergesetz 1994, das Gebüh­rengesetz 1957, das Versicherungssteuergesetz 1953, das Kommunalsteuer­ge­setz 1993, das Neugründungs-Förderungsgesetz, das Familienlastenausgleichs­gesetz 1967, die Bundesabgabenordnung, das Glücksspielgesetz, das Zoll­rechts-Durchführungsgesetz und das EU-Finanzstrafvollstreckungsgesetz geän­dert werden (Abgabenänderungsgesetz 2011 – AbgÄG 2011) (1212 d.B. und 1320 d.B. sowie 8524/BR d.B. und 8558/BR d.B.) ............................. 131

Berichterstatter: Michael Lampel ............................................................................... 131

Redner/Rednerinnen:

Mag. Reinhard Pisec .............................................................................................. ... 132

Dr. Angelika Winzig ................................................................................................ ... 133

Elisabeth Kerschbaum ........................................................................................... ... 133

Wolfgang Beer ........................................................................................................ ... 134

Friedrich Reisinger ................................................................................................. ... 135

Bundesministerin Mag. Dr. Maria Theresia Fekter ............................................. ... 136

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 138

Gemeinsame Beratung über

17. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2011 betreffend Verein­barung zwischen dem Bund, den Ländern und den Gemeinden über eine Weiter­führung der stabilitätsorientierten Budgetpolitik (Österreichischer Sta­bi­litäts­pakt 2011) (1206 d.B. und 1324 d.B. sowie 8559/BR d.B.)                  138

Berichterstatter: Manfred Gruber ............................................................................... 139

18. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2011 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Finanzausgleichsgesetz 2008, das Gesundheits- und Sozialbereich-Beihilfengesetz und das Bundesfinanzgesetz 2011 geändert wer­den (1211 d.B. und 1325 d.B. sowie 8560/BR d.B.)                     138

Berichterstatter: Manfred Gruber ............................................................................... 139

Redner/Rednerinnen:

Mag. Reinhard Pisec .............................................................................................. ... 139

Mag. Harald Himmer .............................................................................................. ... 140

Johann Kraml .......................................................................................................... ... 142

Bundesministerin Mag. Dr. Maria Theresia Fekter ............................................. ... 143

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ... 144


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 10

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 17, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 144

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 18, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 145

Gemeinsame Beratung über

19. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über Investmentfonds (Investment­fondsgesetz 2011 – InvFG 2011) erlassen sowie das Bankwesengesetz, das Wertpapieraufsichtsgesetz 2007, das Immobilien-Investmentfondsgesetz, das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz, das Pensionskassengesetz, das Betrieb­liche Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetz, das Versicherungs­aufsichts­gesetz, das Einkommensteuergesetz 1988, das EU-Quellensteuer­ge­setz, das Konsumentenschutzgesetz und das Finanzsicherheiten-Gesetz geän­dert werden (1254 d.B. und 1326 d.B. sowie 8561/BR d.B.) .............................................. 145

Berichterstatter: Michael Lampel ............................................................................... 145

20. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2011 betreffend Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung des Staates Katar zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuer­umgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll (1201 d.B. und 1329 d.B. sowie 8562/BR d.B.) ............................................ 145

Berichterstatter: Michael Lampel ............................................................................... 145

21. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2011 betreffend Änderung der Anhänge I und II des Übereinkommens betreffend die Prüfung und Bezeich­nung von Edelmetallgegenständen (1228 d.B. und 1330 d.B. sowie 8563/BR d.B.) .................................................................................... 145

Berichterstatter: Michael Lampel ............................................................................... 145

Redner/Rednerinnen:

Mag. Reinhard Pisec .............................................................................................. ... 146

Edgar Mayer ............................................................................................................ ... 147

Johann Kraml .......................................................................................................... ... 148

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 19, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 149

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 20, 1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen .............. 149

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 21, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 149

Gemeinsame Beratung über

22. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2011 betreffend ein Bun­desgesetz über die Gewährung eines Bundeszuschusses und sonstiger Förderungen aus Anlass der 90. Wiederkehr des Jahrestages der Volksabstim­mung in Kärnten (1218 d.B. und 1327 d.B. sowie 8564/BR d.B.) ............ 149

Berichterstatter: Manfred Gruber ............................................................................... 150


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 11

23. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2011 betreffend ein Bun­desgesetz über die Gewährung eines Zweckzuschusses an das Bundesland Burgenland aus Anlass der 90-jährigen Zugehörigkeit zu Österreich (1219 d.B. und 1328 d.B. sowie 8565/BR d.B.) ......................................... 149

Berichterstatter: Manfred Gruber ............................................................................... 150

Redner/Rednerinnen:

Franz Pirolt .............................................................................................................. ... 150

Bundesministerin Mag. Dr. Maria Theresia Fekter ............................................. ... 151

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 22, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 152

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 23, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 152

24. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2011 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Kriegsmaterialgesetz geändert wird (1260 d.B. und 1335 d.B. sowie 8539/BR d.B.)                        152

Berichterstatter: Kurt Strohmayer-Dangl .................................................................. 152

Redner/Rednerinnen:

Dr. Jennifer Kickert ................................................................................................ ... 152

Günther Köberl ....................................................................................................... ... 154

Mag. Muna Duzdar .................................................................................................. ... 155

Bundesministerin Mag. Dr. Maria Theresia Fekter ............................................. ... 157

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 158

Gemeinsame Beratung über

25. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2011 betreffend Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Erleichterung von Ambulanz- und Rettungsflügen (1122 d.B. und 1336 d.B. sowie 8540/BR d.B.) .................................. 158

Berichterstatter: Christoph Kainz ............................................................................... 159

26. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2011 betreffend Kündigung der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Kärnten über einen gemeinsamen Hubschrauber-Rettungsdienst (1144 d.B. und 1337 d.B. sowie 8541/BR d.B.) .................................. 158

Berichterstatter: Christoph Kainz ............................................................................... 159

27. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2011 betreffend Kündigung der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Oberösterreich über einen gemeinsamen Hubschrauber-Rettungsdienst (1145 d.B. und 1338 d.B. sowie 8542/BR d.B.) .................................. 158

Berichterstatter: Christoph Kainz ............................................................................... 159

28. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2011 betreffend Kündigung der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Vorarlberg über einen gemeinsamen Hubschrauberdienst (1146 d.B. und 1339 d.B. sowie 8543/BR d.B.) ........................................................... 158


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 12

Berichterstatter: Christoph Kainz ............................................................................... 159

29. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2011 betreffend Kündigung der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Wien über einen gemeinsamen Hubschrauberdienst (1147 d.B. und 1340 d.B. sowie 8544/BR d.B.) ........................................................... 158

Berichterstatter: Christoph Kainz ............................................................................... 159

30. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2011 betreffend Kündigung der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Tirol über Hubschrauberdienste (1148 d.B. und 1341 d.B. sowie 8545/BR d.B.) .................................................................................................... 158

Berichterstatter: Christoph Kainz ............................................................................... 159

31. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2011 betreffend Kündigung der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Salzburg über einen gemeinsamen Hubschrauber-Rettungsdienst (1150 d.B. und 1342 d.B. sowie 8546/BR d.B.) .................................. 159

Berichterstatter: Christoph Kainz ............................................................................... 159

32. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2011 betreffend Kündigung der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Steiermark über einen gemeinsamen Hubschrauber-Rettungsdienst (1151 d.B. und 1343 d.B. sowie 8547/BR d.B.) .................................. 159

Berichterstatter: Christoph Kainz ............................................................................... 159

Redner/Rednerinnen:

Johann Ertl .............................................................................................................. ... 160

Josef Saller .............................................................................................................. ... 161

Efgani Dönmez, PMM ............................................................................................. ... 162

Inge Posch-Gruska ................................................................................................. ... 163

Bundesministerin Mag. Dr. Maria Theresia Fekter ............................................. ... 164

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 25, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 166

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 26, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 166

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 27, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 166

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 28, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 166

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 29, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 166

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 30, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 166

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 31, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 166

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 32, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 167


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 13

33. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2011 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Aktiengesetz, das Spaltungsgesetz, das EU-Verschmel­zungsgesetz, das GmbH-Gesetz, das SE-Gesetz, das Firmenbuchgesetz, das Depotgesetz, das Kapitalberichtigungsgesetz und das Gerichtsgebührengesetz geändert werden (Gesellschaftsrechts-Änderungsgesetz 2011 – GesRÄG 2011) (1252 d.B. und 1278 d.B. sowie 8548/BR d.B.) .................................................................................................... 167

Berichterstatter: Stefan Schennach ........................................................................... 167

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 167

Gemeinsame Beratung über

34. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2011 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch (StGB) und das Staatsanwalt­schafts­gesetz geändert werden (1507/A und 1279 d.B. sowie 8549/BR d.B.) ............................................................................................................... 167

Berichterstatter: Christian Füller ................................................................................ 168

35. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2011 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem die Strafprozessordnung 1975 geändert wird (1580/A und 1280 d.B. sowie 8550/BR d.B.)                  167

Berichterstatter: Christian Füller ................................................................................ 168

Redner/Rednerinnen:

Hermann Brückl ...................................................................................................... ... 168

Dr. Magnus Brunner, LL.M .................................................................................... ... 169

Dr. Jennifer Kickert ................................................................................................ ... 169

Mag. Muna Duzdar .................................................................................................. ... 170

Bundesministerin Mag. Dr. Beatrix Karl .............................................................. ... 171

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 34, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 172

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 35, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 172

36. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2011 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Ermächtigung zur Übernahme der Rückerstattung der Kühlgeräteentsorgungsbeiträge erlassen und das Bun­desgesetz zur Rückführung der Kühlgeräteentsorgungsbeiträge der Konsumen­ten aufgehoben wird (1389/A und 1281 d.B. sowie 8551/BR d.B.) .................................... 173

Berichterstatter: Stefan Schennach ........................................................................... 173

Redner/Rednerinnen:

Elisabeth Kerschbaum ........................................................................................... ... 173

Mag. Christian Jachs .............................................................................................. ... 174

Monika Kemperle .................................................................................................... ... 175

Bundesministerin Mag. Dr. Beatrix Karl .............................................................. ... 176

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 177

37. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2011 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, das Bundespflegegeld­ge­setz, das Verbrechensopfergesetz, das Poststrukturgesetz und das Bundes­


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 14

behindertengesetz geändert werden (Pflegegeldreformgesetz 2012) (1208 d.B. und 1287 d.B. sowie 8522/BR d.B. und 8552/BR d.B.) ....................................................................... 177

Berichterstatterin: Mag. Muna Duzdar ....................................................................... 177

Redner/Rednerinnen:

Hermann Brückl ...................................................................................................... ... 178

Mag. Gerald Klug .................................................................................................... ... 179

Efgani Dönmez, PMM ............................................................................................. ... 180

Bundesminister Rudolf Hundstorfer ................................................................... ... 181

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, 1. gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfassungs­mäßige Zustimmung zu erteilen ............................................... 183

38. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Pflegefonds eingerichtet und ein Zweckzuschuss an die Länder zur Sicherung und zum bedarfsgerechten Aus- und Aufbau des Betreuungs- und Pflegedienstleistungsangebotes in der Langzeitpflege für die Jahre 2011, 2012, 2013 und 2014 gewährt wird (Pflegefondsgesetz – PFG) (1207 d.B. und 1286 d.B. sowie 8553/BR d.B.) ............................................................................................................... 183

Berichterstatterin: Mag. Muna Duzdar ....................................................................... 184

Redner/Rednerinnen:

Reinhard Todt ......................................................................................................... ... 184

Gregor Hammerl ..................................................................................................... ... 185

Efgani Dönmez, PMM ............................................................................................. ... 187

Ferdinand Tiefnig .................................................................................................... ... 187

Josef Saller .............................................................................................................. ... 188

Bundesminister Rudolf Hundstorfer ................................................................... ... 189

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 190

39. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2011 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz, das Arbeit­nehmerInnenschutzgesetz, das Bauarbeitenkoordinationsgesetz, das Arbeitsinspektionsgesetz 1993 und das Verkehrs-Arbeitsinspektionsgesetz 1994 geändert werden (1221 d.B. und 1300 d.B. sowie 8523/BR d.B. und 8554/BR d.B.) ............................................................................................................... 190

Berichterstatterin: Monika Kemperle ......................................................................... 191

Rednerin:

Mag. Muna Duzdar ..................................................................................................... 191

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 192

Gemeinsame Beratung über

40. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2011 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundesbezügegesetz, das Allgemeine Sozialversiche­rungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialver­sicherungsgesetz und das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert wer­den (1544/A und 1308 d.B. sowie 8555/BR d.B.) ............................................................................................................................. 192


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 15

Berichterstatterin: Monika Kemperle ......................................................................... 192

41. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesbahn-Pensionsgesetz und das Bundesgesetz über die Beschäftigung parlamentarischer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (Parlamentsmitarbeiterinnen- und Parlamentsmitarbeitergesetz) geändert werden (1309 d.B. sowie 8556/BR d.B.) ...................................................................... 192

Berichterstatterin: Monika Kemperle ......................................................................... 192

Redner/Rednerinnen:

Cornelia Michalke ................................................................................................... ... 193

Johann Schweigkofler ........................................................................................... ... 194

Efgani Dönmez, PMM ............................................................................................. ... 194

Edgar Mayer ............................................................................................................ ... 195

Bundesminister Rudolf Hundstorfer ................................................................... ... 197

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 40, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 198

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 41, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 198

42. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2011 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Bundesgesetz über Krankenanstalten und Kuran­stalten geändert wird (1200 d.B. und 1348 d.B. sowie 8566/BR d.B.) ............................................................................................................... 198

Berichterstatter: Friedrich Hensler ............................................................................. 198

Redner/Rednerinnen:

Johanna Köberl ....................................................................................................... ... 199

Martina Diesner-Wais ............................................................................................. ... 200

Bundesminister Alois Stöger, diplômé ............................................................... ... 200

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 201

43. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2011 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Obersten Sanitätsrat (OSR-Gesetz) erlassen und das Gesetz betreffend die Organisation des öffentlichen Sanitätsdienstes geändert wird (1226 d.B. und 1352 d.B. sowie 8567/BR d.B.) ............................................................................................................................. 201

Berichterstatter: Friedrich Hensler ............................................................................. 201

Redner/Rednerinnen:

Gerd Krusche .......................................................................................................... ... 202

Bundesminister Alois Stöger, diplômé ............................................................... ... 202

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 203

Gemeinsame Beratung über

44. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2011 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Apothekerkammergesetz 2001 geändert wird (1474/A und 1358 d.B. sowie 8568/BR d.B.)                        203

Berichterstatter: Friedrich Reisinger ......................................................................... 203


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 16

45. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2011 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Arzneiwareneinfuhrgesetz 2010 geändert wird (1475/A und 1359 d.B. sowie 8569/BR d.B.)                       203

Berichterstatter: Friedrich Reisinger ......................................................................... 203

Redner/Rednerinnen:

Johanna Köberl ....................................................................................................... ... 204

Friedrich Hensler .................................................................................................... ... 204

Gerd Krusche .......................................................................................................... ... 205

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 44, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 205

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 45, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 205

46. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2011 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Gesundheits- und Ernährungssicherheitsgesetz geändert wird (1227 d.B. und 1360 d.B. sowie 8570/BR d.B.) ....................................................................................................................................... 205

Berichterstatter: Friedrich Reisinger ......................................................................... 206

Redner/Rednerinnen:

Adelheid Ebner ....................................................................................................... ... 206

Martina Diesner-Wais ............................................................................................. ... 207

Gerd Krusche .......................................................................................................... ... 208

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 208

Eingebracht wurden

Anfragen der Bundesräte

Monika Mühlwerth, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur betreffend mögliches Mobbing durch die Direktorin am BG Baben­bergerring Wiener Neustadt (2834/J-BR/2011)

Dr. Jennifer Kickert, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend die Causa Michail Golowatow (2835/J-BR/2011)

Gottfried Kneifel, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Veröffentlichungspflicht in der „Wiener Zeitung“ (2836/J-BR/2011)

Anfragebeantwortung

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Bundesräte Hermann Brückl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abschaffung von Gerichtstagen an Standorten ehemaliger Bezirksgerichte (2619/AB-BR/2011 zu 2828/J-BR/2011)


 


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 17

09.01.41Beginn der Sitzung: 9.02 Uhr

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 799. Sitzung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 798. Sitzung des Bundesrates vom 30. Juni 2011 ist aufgelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Als verhindert gemeldet sind die Mitglieder des Bundesrates Hans-Jörg Jenewein und Peter Mitterer.

*****

Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, Sie heute hier als Präsidentin des zweiten Halbjahres begrüßen zu dürfen, und möchte die Gelegenheit nutzen, einige Eckpunkte meiner Präsidentschaft kurz zu skizzieren. Lassen Sie mich zuvor aber noch ein paar Gäste begrüßen, die heute hier unter uns sind und deren Anwesenheit mich besonders freut.

Ich freue mich besonders, dass meine Vorvorvorvorvorgängerin Präsidentin außer Dienst Annelie Haselbach zu uns gekommen ist. Herzlich willkommen! Danke, dass du hier bist! (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

Ich freue mich, dass ein ehemaliger Präsident und langlangjähriges Mitglied dieses Bundesrates, Bürgermeister Ludwig Bieringer, extra aus Salzburg angereist ist. Es ist mir eine große Ehre, dass du hier bist. Danke! (Allgemeiner Beifall.)

Ich freue mich auch, dass der Herr Landtagsdirektor aus Salzburg, Herr Hofrat Dr. Edtstadler, im Raum ist, auch wenn ich ihn gerade nicht sehe. – Hier! Herzlich willkommen, Herr Dr. Edtstadler! (Allgemeiner Beifall.)

Ich begrüße auch Mitglieder meiner Familie, und es ist mir auch ein besonderes Anliegen, Frau Gabriele Reisenberger persönlich hier zu begrüßen. Herzlich willkom­men! (Allgemeiner Beifall.)

Und natürlich begrüße ich auch Sie, werte Zuschauerinnen und Zuschauer vor den Fernsehschirmen, die Sie heute diese Übertragung live miterleben können. Ich weiß, die heutige Sitzung ist eine lange Sitzung – über 140 Rednerinnen und Redner haben sich bereits zu Wort gemeldet, und es werden mit Sicherheit im Laufe des Tages noch mehr werden –, aber sie ist auch eine sehr wichtige Sitzung. Dennoch, auch wenn ich weiß, dass es eine lange Sitzung sein wird, werde ich nun die Gelegenheit nützen, einige Dinge zu meinem Vorsitz, dem Vorsitz von Salzburg, hier zu umreißen.

09.04.25Antrittsansprache der Präsidentin

 


9.04.26

Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Über­nahme des Vorsitzes für das zweite Halbjahr erfolgt in einer Zeit, in der die Kritik am Bundesrat zwar nicht verstummt ist, aber dennoch, so habe ich das Gefühl, ein bisschen leiser geworden ist. Dennoch muss ich mit Bedauern sagen, Forderungen nach einer Abschaffung des Bundesrates gibt es immer wieder; das scheint irgendwie ein „Hobby“ von Landeshauptleuten zu sein. (Heiterkeit.)

Ich möchte hier klarstellen: Eine Abschaffung des Bundesrates ist kontraproduktiv und würde eine Entkoppelung von Politik und Bürgerinnen und Bürgern bedeuten, denn ich bin überzeugt davon, dass Föderalismus in der österreichischen Demokratie das


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 18

Bindeglied des Bundes zu den Ländern und zu den Gemeinden ist. (Allgemeiner Beifall.)

Ich glaube mit Ihnen einer Meinung zu sein, wenn ich sage, ohne den Bundesrat kann bürgernahe und somit verständliche und nachvollziehbare Politik im Sinne der Bür­gerinnen und Bürger nicht gemacht werden.

Ich frage mich: Möchte man tatsächlich jenen Teil der Legislative aufgeben, der zuletzt für eine nicht unwesentliche Systemänderung in Österreich gesorgt hat? Denn: Im Gegensatz zu bloßer Ankündigung einer Verwaltungsreform hat der Bundesrat mit seiner Initiative für verstärkte Gemeindekooperationen auch tatsächlich ein positives Ergebnis für eine einfachere, kostensparende und zukunftsweisende Verwaltung erreicht. Und das dient allen Bürgerinnen und Bürgern dieses Staates, denn sie alle, wir alle leben in einer Gemeinde, in einer Kommune oder in einer Stadt.

Die heutige Abstimmung über diesen Punkt, sehr geehrte Damen und Herren, bedeutet Erfolg für den Bundesrat, denn wir haben damit bewiesen, dass wir über Parteigrenzen hinweg im Sinne der Sache arbeiten. An dieser Stelle gilt mein Dank auch meinem Vorgänger, Präsident Gottfried Kneifel, unter dessen Vorsitz der Weg für den heutigen Erfolg geebnet wurde. Herzlichen Dank! (Allgemeiner Beifall.)

Aber Diskussionen soll man sich niemals verschließen, und deshalb bin ich selbst­verständlich dafür, eine breite und offene Diskussion in Bezug auf mögliche Ver­änderungen des Bundesrates auch weiterhin zu führen, wie zum Beispiel über ein tatsächliches Vetorecht. Die Vorschläge dazu werde ich jetzt nicht aufzählen. Sie sind Ihnen alle lange bekannt. Sie sind erarbeitet und konkretisiert worden unter meinem Vorgänger, dem Salzburger Vorgänger als Bundesratspräsident, Manfred Gruber aus Gastein, also nunmehr vor viereinhalb Jahren. Es liegt nur daran, sie umzusetzen. Danke auch für deine damalige Initiative! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten von ÖVP und Grünen.)

Werte Damen und Herren! Die Initiative für eine Gesetzesnovelle der Gemein­de­kooperationen war sicher nicht der letzte Vorstoß für verbesserte und bürgernahe Strukturen. Wir wollen im Bundesrat weiterhin Motor und treibende Kraft sein. Ein bis zwei Selbständige Anträge pro Halbjahr sind das Ziel, wo wir auch heiße Eisen anpacken und Lösungen zu drängenden Fragen erarbeiten wollen.

Ein solches Vorhaben in meiner Präsidentschaft ist die verfassungskonforme Ein­richtung von Bildungsdirektionen in allen Bundesländern. Die dafür notwendige Ände­rung der Bundesverfassung muss bis Ende des Jahres endlich in die Realität umge­setzt werden. Ein kleiner, aber wichtiger Schritt der Verwaltungsreform auf dem Weg zu einer modernen Bildungspolitik!

Wichtig ist mir auch die enge Zusammenarbeit mit der Vorsitzenden der Landeshaupt­leutekonferenz Gabi Burgstaller, deren Arbeitsschwerpunkte und Vorhaben, wie zum Beispiel im Bildungsbereich, im Gesundheitswesen und bei der Vereinheitlichung des Jugendschutzes, wichtige Initiativen darstellen. Auch die Zwischenevaluierung der über 300 Vorschläge der Länder für eine Verwaltungsreform müssen wir uns gemeinsam anschauen.

Auf der europäischen Ebene wird der erfolgreiche und initiative Kurs des Bundesrates in Bezug auf die Subsidiaritätsprüfung nach dem Vertrag von Lissabon fortgesetzt. Der Bundesrat wird in Zukunft noch besser als bisher in enger Abstimmung mit den Land­tagen die starke Stimme der Länderinteressen in Europa darstellen. Ent­sprechende Initiativen sollen den Europaausschüssen der Landtage ermöglichen, diesbezüglich auch wirklich konkrete Beschlüsse zu fassen.


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 19

Sehr geehrte Damen und Herren! Die jüngsten Beispiele und Initiativen zeigen, was gelebter Föderalismus bedeutet und wem er dient: den Menschen in diesem Land, die ihre Interessen vertreten und ihre Anliegen über Parteigrenzen hinweg durch uns umgesetzt sehen wollen.

Diese Kontinuität in der Zusammenarbeit garantiere ich. Um die genannten Vorhaben umzusetzen, müssen die Vorsitze halbjährlich wie Zahnräder ineinandergreifen. Das wird durch eine Troika von Vorgänger, Amtsinhaberin und Nachfolger erreicht werden.

Zu guter Letzt möchte ich noch einen weiteren für mich wohlklingenden Dreiklang anstimmen: Zum ersten Mal in der Geschichte, werte Damen und Herren, sind mit Nationalratspräsidentin Prammer, Landeshauptfrau Gabi Burgstaller als Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz und mit mir als Präsidentin des Bundesrates drei zentrale Positionen in weiblicher Hand. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten von ÖVP, FPÖ und Grünen.)

Ich bedanke mich besonders für den überwältigenden Applaus der Männer in diesem Raum. Danke schön! (Heiterkeit.)

Für mich, Kolleginnen und Kollegen, ist das ein starkes Zeichen, das wir eman­zipatorischen Frauen, aber auch Männer, uns auch von den Abgeordneten des Nationalrates in Sachen Änderung der Bundeshymne wünschen, und zwar von allen, denn schließlich ist es uns Parlamentarierinnen und Parlamentariern ja durchaus bewusst, wie mächtig Sprache sein kann, ja wie mächtig Sprache ist.

In diesem Sinne und im Sinne einer modernen Gegenwart und Zukunft freue ich mich also auf die weitere gute, engagierte und zukunftsgerichtete Zusammenarbeit hier im Bundesrat mit meinen Vizepräsidenten, mit allen Fraktionen, Fraktionsvorsitzenden, aber auch mit denen, die ohne Fraktion hier im Hause sitzen, mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Bundesratskanzlei, ja mit Ihnen allen, werte Kolleginnen und Kollegen, und ich danke Ihnen bereits jetzt für Ihre konstruktiven Beiträge und Lösungsvorschläge. Auf ein gutes Jahr 2011 in der zweiten Hälfte! (Allgemeiner Beifall.)

9.12

09.12.13Aktuelle Stunde

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir gelangen nun zur Aktuellen Stunde betref­fend

„Die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik nach 2013 – Chancen und Herausforderungen für Österreich“

mit dem Herrn Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich, den ich hiermit noch einmal herzlich willkommen heiße. (Allgemeiner Beifall.)

Der Ablauf gestaltet sich im Sinne der in der Präsidialkonferenz getroffenen Verein­barung: Zunächst kommt je eine Rednerin oder ein Redner pro Fraktion zu Wort, deren Redezeit jeweils 10 Minuten beträgt. Dann folgt die Stellungnahme des Herrn Bun­desministers, die ebenfalls 10 Minuten nicht überschreiten soll. Sodann folgt eine Red­nerin beziehungsweise ein Redner der Bundesräte ohne Fraktion und dann je eine Rednerin oder ein Redner der Fraktionen mit einer jeweils 5-minütigen Redezeit. Zuletzt kann noch eine abschließende Stellungnahme des Herrn Bundesministers erfolgen, die nach Möglichkeit 5 Minuten nicht überschreiten soll.


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 20

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Keuschnigg. Ich erteile es ihm und mache noch einmal darauf aufmerksam, dass entsprechend der Vereinbarung in der Präsidialkonferenz die Redezeit 10 Minuten beträgt. – Bitte schön.

 


9.13.28

Bundesrat Georg Keuschnigg (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher an den Fernsehschirmen! Das Thema der Aktuellen Stunde lautet: Gemeinsame Agrarpolitik – Chancen und Risken für die österreichische Land­wirtschaft. Ich darf ganz offen und ehrlich sagen, dass uns diese Neuausrichtung der Gemeinsamen Agrarpolitik durchaus große Sorgen macht und dass der Begriff „Risken“ in diesem Titel seine Berechtigung hat. Seit Wochen und Monaten bereitet man sich intensiv auf diese neuen Verhandlungen vor, wird eine Strategie erarbeitet, werden hinter den Kulissen Partner gesucht, um für die österreichische Landwirtschaft eine bestmögliche Ausgangslage zu erreichen.

Warum diese Sorge? – Weil die österreichische Landwirtschaft derzeit anerkannter­maßen eine führende Rolle in Europa im Hinblick auf eine kleinstrukturierte, ökoso­ziale, umweltgerechte, flächendeckende Landwirtschaft innehat und Österreich derzeit im Vergleich zu den anderen europäischen Mitgliedstaaten mit Abstand den größten Anteil der Budgetmittel für die ländliche Entwicklung ausgibt. Wir haben durch eine Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts auch den Beweis dafür, dass diese Strategie der österreichischen Agrarpolitik im Hinblick auf Impulse für die ländliche Entwicklung, für den ländlichen Raum als Ganzes auch von Erfolg gekrönt ist. Wir haben in Österreich im Unterschied zu allen anderen Mitgliedstaaten im ländlichen Raum deutlich höhere Wirtschaftswachstumsraten, und das beweist, dass dieser Mittelfluss ganz einfach den Wirtschaftsstandort, den Lebensstandort am Land stärkt.

Die Gemeinsame Agrarpolitik ist der wesentliche Hebel, das ganz entscheidende politische Instrument, um das auch in Zukunft so zu halten.

Wir haben im Jahr 1994 – ich darf Sie kurz in die jüngere Geschichte entführen – bei den österreichischen Bauern mit einem sogenannten Europavertrag um ihr Vertrauen für den Beitritt zur Europäischen Union geworben, und dieser Europavertrag ist mit sehr diversifizierten Instrumenten eingehalten worden: Mit dem ÖPUL, dem Programm für eine umweltgerechte Landwirtschaft, mit den Ausgleichszulagen für die Berg­gebiete, mit den Marktordnungszahlungen – sehr kompliziert, jeweils nach Branche unterschiedlich – hat man dieses Vertrauen nicht nur damals beim EU-Beitritt, sondern auch in den letzten drei Finanzperioden durchgehalten und hat es immer einhalten können. Jetzt geht es einfach darum, dass wir dieses Vertrauen des Sektors in die gemein­same Politik der Bundesländer, der Republik Österreich und der Europäischen Union auch für die Zukunft gewährleisten.

Wir hatten vor wenigen Wochen hier im Hohen Haus eine Enquete, bei der alle politischen Parteien vertreten waren, bei der Bauernorganisationen vertreten waren, Bäuerinnen und Bauern, im Nationalratssitzungssaal, und bei dieser Enquete ist beklagt worden – ich sage: zu Recht; ich stehe auch hinter dieser Zahl –, dass Österreich in den letzten Jahren 50 000 landwirtschaftliche Betriebe verloren hat. Ich sage aber dazu – das ist damals nicht im entsprechenden Ausmaß zum Ausdruck gekommen –: Ohne diese Politik, die wir in den letzten Jahren und Jahrzehnten ge­macht haben, ohne diesen agrarpolitischen Mix aus Direktzahlungen, aus Inves­titions­zahlungen, aus Bildung, aus Sektorentwicklung, hätten wir 100 000 und mehr Betriebe verloren. Ich glaube daher, wir haben eine sehr erfolgreiche Politik gemacht, und diese Politik steht jetzt erneut auf dem Prüfstand.


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 21

Es ist mir hier ein großes Anliegen, anknüpfend an diese Enquete im Nationalrat, die gedacht war, in Österreich sozusagen einen gewissen Schulterschluss zustande zu bringen, die wesentlichen politischen Kräfte auf eine Linie zu bringen, die die Sorge um den ländlichen Raum insgesamt im Blick hat, diese Diskussion auch hier im österreichischen Bundesrat weiterzuführen. Es geht um sehr viel für die österreichische Landwirtschaft, und wir brauchen die volle Konzentration bei diesen Verhandlungen.

Ich darf ganz kurz zur Ausgangslage etwas sagen: Was verdienen eigentlich die Menschen in der Landwirtschaft? – Ich habe mir den letzten verfügbaren Grünen Bericht, jenen mit den Zahlen des Jahres 2009, angesehen. Ich darf Ihnen sagen, pro Arbeitskraft wurden im Jahr 2009 in der österreichischen Landwirtschaft 1 210 € im Monat verdient. In meinem Bundesland, im Bundesland Tirol, wo zugegebenermaßen sehr viele Bergbauern zu Hause sind, hat das Jahr 2009 ein monatliches Einkommen von 858 € gebracht. Jetzt kann man dazusagen, das war ein Krisenjahr für die heimische Landwirtschaft. Sie lesen ja in den Zeitungen die Rallyes der Agrarpreise, auf und ab. Das war ein sehr schwieriges Jahr. Aber auch im Durchschnitt von 2005 bis 2009 hat das Einkommen der Landwirtschaft in Tirol 1 053 € betragen. Um 1 000 € pro Monat erhalten also diese Bergbetriebe das Land grün – inklusive aller Direktzahlungen, das ist alles eingepreist. Das heißt also, in der Landwirtschaft wird sehr viel gearbeitet um eigentlich sehr bescheidene Einkommen.

Warum betone ich die Risken bei den derzeitigen Verhandlungen über den mehr­jährigen Finanzrahmen? – Es werden damit immerhin die Weichen für sechs oder sieben Jahre, von 2014 bis 2020, gestellt. Wir haben je nach Interpretation einen Geldstand von plus/minus null Prozent oder bis zu minus 10 Prozent – je nachdem, wie man das interpretiert; das ist derzeit eine Expertenfrage. Aber auf das kommt es gar nicht an. Allein wenn man plus/minus null von der finanziellen Bedeckung ausgeht, heißt das: Sieben Jahre lang keine Gehaltserhöhung, sieben Jahre lang kein Ausgleich für die Inflation. Das ist aber nur ein Aspekt davon.

Der zweite Aspekt ist, dass das nur ein erster Vorschlag ist und dass dieser Vorschlag darauf beruht, dass die Europäische Union im Vergleich zur bisherigen Finanzperiode um 5 Prozent mehr ausgibt als bisher.

Meine Damen und Herren, Sie alle haben das in den Zeitungen gelesen, dieses Thema ist in Europa heftig umstritten: Derzeit weiß noch niemand, ob die Eigenmittel­aufbringung der Europäischen Union mit der Finanztransaktionssteuer und dem Mehrwertsteueranteil zustande kommt, auf der all diese Zahlen beruhen. – Das heißt: In Wahrheit stehen wir vor einer großen Unbekannten beziehungsweise vor einer gewissen Hypothek, und wir werden darauf achten müssen, was geschieht, wenn die politische Entscheidungsfindung in Europa eine andere Richtung einnimmt.

Ich darf Sie noch mit einer Zahl an das Problem der ländlichen Räume heranführen. Die Statistik Austria hat im vergangenen Jahr Bevölkerungsprognosen für die nächsten 25 Jahre und 50 Jahre veröffentlicht. Ich beziehe mich jetzt auf die Jahre 2010 bis 2034, und in Bezug auf diese Zeit wurde für viele ländliche Räume eine Abwan­derungstendenz festgestellt.

Ich habe mir insbesondere zwei Tiroler Bezirke angesehen, nämlich den Bezirk Lienz und den Bezirk Landeck. In diesen Bezirken wird die erwerbstätige Bevölkerung in der Altersspanne von 15 bis 64 laut dieser Prognose um 15 bis 17 Prozent abnehmen. Wenn man dann noch die Ballungsräume – weil diese Statistik nur den gesamten Bezirk berücksichtigt – herausrechnet, dann werden wir in gewissen Tälern und Tal­schaften 25 bis 30 Prozent an Bevölkerung verlieren, und mit der Bevölkerung geht aus diesen Räumen, wenn man die entsprechenden Finanzausgleiche berücksichtigt, auch das Geld.


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 22

Sie merken also allein an dieser Zahl: Die Gemeinsame Agrarpolitik ist ein ganz entscheidender Hebel, um diese Räume zu halten. Die Agrarpolitik ist entscheidend dafür, dass dieses Land grün und gepflegt bleibt, dass die Infrastrukturen auf dem Land erhalten bleiben, dass der Wirtschaftsstandort auf dem Land intakt bleibt und dass die Lebensqualität auf dem Land gewährleistet wird.

Wir können in diesem Bereich keine Kürzungen brauchen, und dafür werden wir in den nächsten Monaten und Jahren kämpfen. Man muss nämlich dazusagen, dass es noch sehr lange dauern wird, bis entsprechende Entscheidungen kommen. Wir werden aber jedenfalls ganz entschieden um eine Politik kämpfen, die diese ländlichen Räume auch sicher in die Zukunft trägt und die für ein blühendes, schönes Österreich sorgt. Dafür steht diese Agrarpolitik. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

9.23


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Konrad zu Wort. – Bitte. (Bundesrat Todt in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Bundesrates Konrad –: Alles Gute!)

 


9.23.18

Bundesrat Klaus Konrad (SPÖ, Steiermark): Geschätzte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Vorweg möchte ich sagen: Wenn Österreich zum Agrarindustriestaat werden soll, dann können wir so weitermachen wie bisher. Dann sind wir auf dem richtigen Weg. Wenn Österreich aber ein Land der Vielfalt und der Qualität bleiben soll, dann müssen wir an der Förderpolitik etwas ändern! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bun­desräten der Grünen.)  

Die Land- und Forstwirtschaft hat volkswirtschaftliche, beschäftigungs- und umwelt­politische sowie touristische Bedeutung, vor allem dient sie aber der Versorgung mit Nahrung. Der Versorgungsgrad mit landwirtschaftlichen Produkten ist durchaus ein wichtiges Thema. Ich habe mir das angeschaut: Beim Wein haben wir zum Beispiel 85 Prozent Deckung, obwohl wir alle glauben, dass es in diesem Bereich in Österreich eine Überproduktion gibt. Bei Obst beträgt der Deckungsgrad 69 Prozent und bei Gemüse 60 Prozent.

Man sieht also: Im Nahrungsmittelproduktionsbereich gilt es auch, einige Themen zu bearbeiten und zu schauen, wie man die Versorgungssicherheit gewährleisten kann. Wir reden immer von der Versorgungssicherheit mit Energie, also von der Ener­gieautarkie. Ich meine aber, dass es Österreich auch guttut, zu einer Nahrungs­mittelautarkie zu kommen, denn die entsprechenden Ressourcen haben wir.

Wie sieht die Entwicklung der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe aus? – Erfreu­licherweise hat die Zahl der Biobetriebe in den vergangenen Jahren, von 2000 bis 2010, von 19 027 auf 22 132 zugenommen. Das ist der Lichtblick! – Ich muss jetzt rasch ein paar Statistiken heraussuchen. – Nicht erfreulich ist hingegen die Entwick­lung der Betriebe an sich, und die Zahlen sprechen für sich.

Schauen wir uns die Entwicklung von 1990 bis 2007 an: 1990 gab es 49 063 Betriebe in der Größe von 5 bis 10 Hektar, 2007 waren es nur mehr 34 000. 1990 gab es 54 000 Betriebe in der Größe von 10 bis 20 Hektar, 2007 waren es 37 000 Betriebe.

Anders verläuft die Entwicklung bei den größeren Betrieben: 1990 gab es 10 500 Betriebe in einer Größe von 50 bis 100 Hektar, jetzt gibt es über 15 000 Betriebe in dieser Größe; und 1990 gab es 3 400 Betriebe in einer Größe von 100 bis 200 Hektar, jetzt sind es 4 600. Und auch die Betriebe mit einer Größe von über 200 Hektar haben um 10 Prozent zugelegt. (Bundesrat Tiefnig: Wie ist die Statistik der Lebensmittel­


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 23

preise?) Du kannst dir die Statistiken gerne anschauen! (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Tiefnig.) – Ich nehme an, diese Statistiken sind richtig, denn ich habe sie von der Webseite des Lebensministeriums heruntergeladen!

Der Weg ist eindeutig: Die kleinen Betriebe werden weniger, und die Großbetriebe werden mehr. Der Trend ist eben so: Je kleiner der Betrieb, desto schneller stirbt er. Je größer der Betrieb, desto länger lebt er.

Der Strukturwandel, sehr geehrte Damen und Herren, ist schon lange im Laufen. Wie schon einmal gesagt: Wenn Österreich zum Agrarindustriestaat werden soll, dann können wir so weitermachen. (Zwischenruf des Bundesrates Kainz.) Herr Kollege, wenn wir das wollen, dann machen wir so weiter. (Zwischenruf des Bundesrates Tiefnig.) Wenn wir aber Vielfalt und Qualität erhalten wollen, dann brauchen wir – dieser Meinung war auch schon der Vorgänger – eine klein strukturierte Landwirtschaft und müssen wir in der Förderpolitik etwas ändern. (Demonstrativer Beifall der Bundesrätin Kerschbaum.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Diese Entwicklung ist nicht gottgewollt, sondern man kann etwas dagegen tun. Welche Maßnahmen wären da möglich? Wichtig ist eine Deckelung. Diese Diskussion haben wir schon einmal kurz im landwirtschaftlichen Ausschuss geführt. Ich würde mir wünschen, dass man sich dieser Frage einer Deckelung der Betriebsförderungen auch im Nationalrat, im Ministerium und in anderen Bereichen annimmt! (Beifall bei der SPÖ.)

Kollege Keuschnigg hat das auch schon ein bisschen in diese Richtung angesprochen: Es sind eine bessere fördertechnische Berücksichtigung des Faktors Arbeit sowie weitere Unterstützungen im Bereich der Veredelung der landwirtschaftlichen Betriebe vonnöten. Sehr geehrte Damen und Herren! Das ist ein ganz wichtiger Punkt! Wenn wir wollen, dass für die landwirtschaftlichen Produkte etwas bezahlt wird, dann wird es nicht genug sein, Rohstoffe zu produzieren, sondern dann müssen wir Endprodukte produzieren. Diesbezüglich sind wir auf dem richtigen Weg. Das geschieht vielfach schon. Aber wir müssen diesen Weg konsequent weiter beschreiten, und dazu brauchen wir auch eine Verbesserung der Bildungsstruktur in der Landwirtschaft.

Herr Minister, ich kann mich daran erinnern, dass es bei der letzten Sitzung, in der wir einander begegnet sind, um die Mittel in den landwirtschaftlichen Fachschulen gegangen ist. Leider sind diese Mittel noch nicht gekommen, und ich würde mir wünschen, dass diese kommen! In der Steiermark kommt es nämlich bereits zu den ersten Schulschließungen, und ich glaube, Kollege Keuschnigg, dass dieser Weg gerade im Sinne einer ländlichen Entwicklung nicht der richtige ist!

Wichtig sind auch eine weitere Unterstützung der Biobetriebe und der umweltnahen Produktion, eine weitere Verbesserung im Bereich der Landwirte als Energielieferanten mit dazugehörigem Ressourcenmanagement sowie eine weitere Verstärkung – das ist auch ganz wichtig für die Tiroler und für die ganze Republik! – des touristischen Segments im Bereich der Land- und Forstwirtschaft.

Sehr geehrte Damen und Herren, mir ist vollkommen klar: Es gibt nur begrenzte Fördermittel, und diese werden in Zukunft eher geringer als mehr sein. Deshalb wiederhole ich: Ohne diese Deckelung im landwirtschaftlichen Förderbereich wird es nicht funktionieren. Wenn wir die Großbetriebe so weiterfördern, dann werden wir nur Großbetriebe bekommen. Daher müssen wir die Fördermittel deckeln! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der Grünen.)

Abschließend: Der land- und forstwirtschaftliche Sektor ist von großer Bedeutung für uns und unser Land. Lassen Sie uns deshalb im Interesse der Bäuerinnen und Bauern


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 24

und im Interesse der Menschen in Österreich gemeinsam an einer guten Entwicklung arbeiten! – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten von ÖVP und Grünen.)

9.29

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Pirolt zu Wort. – Bitte.

 


9.30.36

Bundesrat Franz Pirolt (FPÖ, Kärnten): Guten Morgen, Frau Präsidentin! Guten Morgen, Herr Bundesminister! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Ich habe mir heute, als ich um halb fünf in der Früh von Kärnten weggefahren und ins Morgengrauen hinein­gefahren bin, die Produktionsgebiete und Produktionsstätten genau angeschaut. Ich glaube, das ist eine repräsentative Auswahl der österreichischen Bauern, und man kann sehen: Die Felder sind gepflegt. Alles ist sauber. Man ist rundherum an der Arbeit.

Aber letzten Endes trügt dieser Schein durchaus ein bisschen. Kleine und kleinere Betriebe haben in den letzten Jahrzehnten ihr Wirken aufgegeben. Sie haben teilweise die Produktionen zurückgefahren, sind aus der intensiveren in die extensive Wirtschaft gerutscht, und es wird ihnen letzten Endes, wenn man nichts für sie tut, nur übrig bleiben, zuzusperren. Das wird weiterhin so sein.

Der Agrarkommissar hat am 12. April 2010 eine Umfrage gestartet, und die Bürger in Europa, die sich für Agrarpolitik interessieren, wurden eingeladen, Ideen einzubringen und Kommentare abzugeben, wie die künftige Agrarpolitik ausschauen soll. Es sind 5 500 Beiträge eingegangen, davon 400 aus Österreich, und interessanterweise stammen von diesen 5 500 Beiträgen nur 93 von den Interessenvertretern. – Das mag nicht unbedingt eine repräsentative Zahl sein, weil sich ja jeder Bürger beteiligen kann, trotzdem verwundert das sehr.

Es hat eine Bereinigung der Betriebsstrukturen stattgefunden, die, wie ich glaube, durchaus notwendig war, aber letzten Endes gab es auch eine starke Bürokratie­verschärfung. Ich nehme jetzt nur mein Beispiel: Ich bin noch Nebenerwerbsbauer für 3 000 €, und man muss jedes Jahr einen wahren Zirkus mitmachen. Es gibt einige Kontrollen im Jahr, was einen großen Zeitaufwand bedeutet, und letzten Endes stehen die Dokumentationspflichten in keinem Verhältnis zu den Output aus dem Betrieb.

Im ländlichen Raum erfolgt dadurch eine Ausdünnung an Bauern. Ich kann das auch auf meine Gemeinde herunterbrechen: Der Stadtkern als solcher erhält seine Einwoh­nerzahl, und wir verlieren Bevölkerung ausschließlich draußen im ländlichen Raum.

Was bedeutet das für die Zukunft? – Es ist sicherlich Aufgabe der EU, entsprechende Mittel bereitzustellen, und es ist letzten Endes Aufgabe des Bundes, der Länder und  – nicht zu vergessen! – auch der Gemeinden, bei Kofinanzierungen dabei zu sein. Ich nenne wiederum nur meine Gemeinde: Sie hat 2 200 Einwohner, 100 Quadratkilometer Flächennetz und 140 Quadratkilometer ländliches Wegenetz. Das will etwas heißen! Wir investieren jährlich in dieser Gemeinde rund 350 000 € für das Wegenetz, das draußen für die Bauern gebraucht wird. Letzten Endes brauchen das aber nicht nur die Bauern, sondern das ist Infrastruktur für jeden Touristen und für alle Bürger in diesem Lande, und wenn wir nicht bereit sind, das abzusichern, dann gibt es keine Option, draußen zu bleiben.

Die Agrarpolitik wurde vorhin angesprochen. Die Fördermittel müssen in anderen Kanälen fließen. Derzeit bekommen nämlich 5 Prozent der europäischen Großbetriebe zirka 50 Prozent der Mittel, und das wird sich auf Dauer so nicht halten können! Eine Verteilungsgerechtigkeit, die letzten Endes nicht unbedingt nur die Produktion begüns­


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 25

tigt, sondern den Arbeitsplatz Bauernhof insgesamt im Auge haben muss, ist aus meiner Sicht, Herr Bundesminister, beinahe unumgänglich! (Beifall bei der FPÖ.)

Im Zusammenhang mit Betriebsstruktur können wir diesen „Arbeitsplatz Bauernhof“ definieren. Es ist dies ein lebensfähiger Bauernhof von, wie ich meine, mittlerer Größe, der sinnvollerweise entsprechend abgesichert werden muss, damit die Menschen vom Betrieb leben können. Und sie werden nur dann draußen leben, wenn sie ent­sprechende Einkommen erwirtschaften können, und das ist derzeit, so wie es jetzt funktioniert, nicht der Fall!

Wir brauchen nicht unbedingt überall Weltmarktpreise, wenn die Produkte, die hier erzeugt werden, letzten Endes zu 95 Prozent regional verbraucht werden. Und wenn man hört, dass wir in großen Bereichen der Produktion in der österreichischen Land­wirtschaft gar keine Lebensmittelabsicherung gewährleisten können, dann muss man sich schon fragen, ob man diesbezüglich auf dem richtigen Weg ist! Außerdem werden wir, so lange auf dieser Welt Spekulation mit Lebensmitteln stattfinden kann, wohl auch darüber nachdenken dürfen, ob man nicht wieder eine Preissicherheit herstellen sollte, die – wie ich einmal sagen möchte – verordnet sein könnte.

Die Agrarausgaben im Europabudget werden geringer werden. Das ist auch sicher. Die Agrarförderung nach 2013 bedingt für den Bund eine Erweiterung der Kofinanzierung. Es wird eine Umverteilung zwischen den Ländern in Europa stattfinden. Auch diesfalls wird man sehr wachsam sein müssen, damit wir unsere Mittel weiterhin behalten können. Für Österreich bedeutet das letzten Endes ein Minus von rund 5 bis 7 Prozent der Mittel.

Die Reformen müssen aber auch beim Bauern ankommen. Das bedeutet, dass schöne Absichtserklärungen letzten Endes kein Vieh füttern. Entscheidend wird vielmehr sein, wie die Transferleistungen beim Bauern ankommen, damit die Bauern letzten Endes für die Gesellschaft die Landschaftsgärtner sein können und gesichert sind.

Diese einfachen Ziele sollte die GAP haben: Obergrenzen einziehen und die Bürokratie auf ein nötiges, erträgliches Maß zurückfahren, um den Arbeitsplatz Bauernhof auch hinkünftig als solchen erhalten zu können. (Beifall bei der FPÖ.)

9.37


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gelangt nun Herr Bundesminister Berlakovich. – Bitte.

 


9.37.29

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Zuerst richte ich meine herzliche Gratulation an Sie zur Übernahme dieser Funktion! Nachdem ich selbst sowohl in einem Gemeinderat, in einem Landtag und in einer Landesregierung war und all diese politischen Ebenen kenne, halte ich sehr viel vom Wechselspiel der Körperschaften. Wenn das ein sinnvoller, konstruktiver Dialog ist und es nicht zu einem überzogenen Zentralismus versus übertriebenen Föderalismus kommt, was uns sicherlich nicht weiterbringt, dann kann dabei einiges für die Republik herausschauen! In diesem Sinne wünsche ich Ihnen für Ihre Tätigkeit alles Gute!

Herzlichen Dank, dass Sie hier hochwertige österreichische Lebensmittel präsentieren! Ich lese auf diesem Schokoladetaler die Aufschrift „Salzburger Landtag“: Also, dass der so süß ist, hätte ich mir nicht gedacht! Das ist aber super, denn Schokolade beruhigt die Nerven, und das ist für die politische Debatte ziemlich von Vorteil!

Zum Thema: Die Gemeinsame Agrarpolitik ist in aller Munde, und das zu Recht. Es gibt zwei Politikbereiche, die vergemeinschaftet sind, zum einen die Regionalpolitik der


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 26

Europäischen Union mit Gio Hahn als verantwortlichem Kommissar und zum anderen die Gemeinsame Agrarpolitik, und es macht auch Sinn, dass dieser Sektor, der für Europa nach wie vor von zentraler Bedeutung ist, auf europäischer Ebene gemeinsam bewirtschaftet wird, damit es nicht zur Wettbewerbsverzerrung und zu einem unnötigen Förderwettlauf der Mitgliedstaaten untereinander kommt. Das heißt, die Gemeinsame Agrarpolitik in ihrer Ausrichtung auf europäischer Ebene soll auch weiter Bestand haben.

Ab 2014 bis 2020 gibt es eine neue Finanzperiode und auch eine Reform der Ge­meinsamen Agrarpolitik, und dabei geht es auch für Österreich um sehr viel. Uns geht es um einen Mehrfachnutzen, zum einen um die Absicherung der österreichischen Landwirtschaft und gewisser Perspektiven für die Bäuerinnen und Bauern in Österreich. Es geht aber auch um die Dynamik im ländlichen Raum. Wir brauchen dort zusätzliches Wachstum, um auch, wie wir gehört haben, Besiedelung zu sichern, und wir müssen uns in Richtung einer hochwertigen Lebensmittelproduktion bewegen, die in einer Welt, in der es immer mehr in Richtung Massenproduktion geht, von ent­scheidender Bedeutung ist. Es geht aber auch um Sicherheit für die Konsumentinnen und Konsumenten. Diese sollen auch als Steuerzahler einen Vorteil aus dieser Gemeinsamen Agrarpolitik haben.

Die Diskussion wird seit zwei Jahren intensiv geführt, weil die Vorbereitungsphase läuft, und Österreich – das kann ich Ihnen berichten – ist in allen Gremien, in allen Arbeitsgruppen dabei; wir haben ja sehr viel Expertise.

Es ist auch wichtig, eine Standortbestimmung vorzunehmen. Ja, es stimmt, es hören Agrarbetriebe auf. Es hat immer einen Strukturwandel gegeben, und der ist auch notwendig in einem dynamischen System. Niemand von uns hat Interesse daran, eine Käseglocke über den Agrarsektor zu stellen und zu sagen: Alles soll so bleiben wie bisher! Das muss ein dynamischer Sektor sein. Das ist ein Sektor, der sich auch am Markt behaupten muss. Aber wir haben den Strukturwandel verlangsamt auch als ein Ergebnis dieser Gemeinsamen Agrarpolitik.

Die Bilanz kann sich meiner Meinung nach sehen lassen. Wir haben in Österreich nach wie vor eine der kleinststrukturierten Landwirtschaften in Europa, das heißt, eine der vielfältigsten Landwirtschaften, und zwar nicht nur in den Gunstlagen, sondern auch in schwierigen Regionen, im Berggebiet, im hochalpinen Raum – im vollen Bewusstsein, dass es schwer ist, das dort aufrechtzuerhalten.

Wir haben auch eine der jüngsten Landwirtschaften in Europa: Bis zum 35. Lebensjahr sind wir an der zweiten Stelle. Und unsere Landwirtschaft ist weiblich: 40 Prozent der Betriebe werden von Frauen geführt. Es wäre der Agrarsektor nicht vorstellbar, wenn die Frauen nicht eine zentrale Rolle spielten und auch eine wichtige Führungsfunktion in den Betrieben hätten. Die Frauen sind auch oft mehrfach belastet, weil sie zusätzlich die Familie betreuen, alte Menschen pflegen und Ähnliches. Daher ist ein Teil meiner Politik auch, das Augenmerk darauf zu legen, die Situation der Bäuerinnen zu verbessern, sie von der Mehrfachbelastung zu entlasten.

Wir haben in der Biolandwirtschaft etwas erreicht, was wir im Fußball nicht erreichen: Wir sind Bioweltmeister. Kein Staat der Erde hat so viel biologische Landwirtschaft wie wir – auch ein Ergebnis der Agrarpolitik. Dass Sie da keinem Irrtum aufliegen: Es war das Umsteigen der Großbetriebe auf Biolandwirtschaft der Grund dafür, warum wir so einen hohen Anteil haben – 20 Prozent der Fläche. Der Grund war, dass 200, 300, 400 Hektar große Betriebe auf Bio umgestiegen sind, gerade in der Ackerbauregion. Also nicht, dass Sie glauben, nur die Kleinen, Lieben, Netten sind Bio, sondern in Wirklichkeit haben wir diese Marktstärke, weil große Betriebe umgestiegen sind – dank einem Bioaktionsprogramm, weil wir Märkte abdecken wollen. Wenn heimische Kon­


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 27

sumenten verstärkt Bio nachfragen, dann ist es das Ziel der Agrarpolitik, diesen Markt abzudecken. Mein Ziel ist es, dass wir den Tisch der Menschen mit Biolebensmitteln, mit konventionellen, mit österreichischen Lebensmitteln decken. (Beifall bei der ÖVP, bei Bundesräten der SPÖ sowie des Bundesrates Zangerl.)

Auch zum Selbstversorgungsgrad ein ganz offenes Wort: Natürlich muss es Ziel sein, dass wir möglichst viele Lebensmittel im eigenen Land erzeugen, aber bitte: Gemüse und Obst sind saisonale Produkte. Wir können die Saison verlängern, indem wir Glashäuser errichten, und, und, und, aber wir müssen uns davon lösen, dass wir ganz­jährig Gemüse und Obst anbieten können, gerade im Zusammenhang mit der Klimaschutzdebatte. Denken Sie an die spanischen Gurken und daran, wie es geheißen hat, Gurken müssen zu jeder Zeit auf dem Tisch sein! Die können wir in Österreich nicht produzieren, denn es ist einem Biobetrieb verboten, im Glashaus Derartiges zu produzieren; das ist aufgrund der Richtlinien so. Also müssen wir in der Debatte auch ehrlich sein und sagen, dass wir nicht zu jeder Jahreszeit alles produzieren können, wiewohl es natürlich richtig ist, dass wir möglichst viel im eigenen Land produzieren wollen.

Wir wurden auch für unsere Agrarpolitik gelobt. Kommissionspräsident Barroso hat vor Kurzem gesagt, der Weg, den Österreich seit Jahren geht, nämlich eine ökologische, nachhaltige Landwirtschaft, ist vorbildlich für Europa, denn das, was wir schaffen, ist beides. Ich habe das zuletzt mit der englischen Landwirtschaftsministerin besprochen, die sagt, angesichts der steigenden Weltbevölkerung brauchen wir mehr Nahrungs­mittel, und wir müssen auch in Europa mehr produzieren.

Österreich beweist, dass beides geht. Wir schaffen es, die österreichische Bevölkerung zu ernähren, mehr Lebensmittel – zum Beispiel Milch, Getreide, Fleisch – zu produ­zieren, als wir in Österreich brauchen, und gleichzeitig auf die Umwelt, auf die Ökologie Rücksicht zu nehmen. Deswegen, meine ich, muss von der Reform der Agrarpolitik auch der Steuerzahler profitieren. Er soll wissen, was er für sein Geld bekommt: eine intakte Natur und hochwertige Lebensmittel. Das ist für den Tourismus ganz wichtig, auch im alpinen Raum. Diesen Weg wollen wir im Sinne einer zukünftigen Gemein­samen Agrarpolitik fortsetzen.

Wir haben schon einiges erreicht, aber es ist dieses Annähern an das Verhand­lungsziel ein großer Hürdenlauf. Im Herbst des vergangenen Jahres hat Kommissar Cioloş, der Agrarkommissar, das sogenannte Optionenpapier präsentiert. Da ist uns einiges bereits gelungen. Es wollen manche Staaten in Europa eine einheitliche Flächenprämie.  Das kommt nicht, und das ist auch gut so, denn wir haben in unterschiedlichen Staaten eine unterschiedliche Kaufkraft, eine unterschiedliche Ein­kommenssituation, da kann es keine einheitliche Flatrate geben. Das kommt also nicht.

Es wollte die Kommission ursprünglich die Bergbauernunterstützung aus der zweiten Säule in die erste Säule transferieren. Das hätte bedeutet, keine Kofinanzierung und schwerste Verluste für die Bergbauern. Das haben wir nicht zugelassen, und das findet auch nicht statt. Die Berglandwirtschaft und die Unterstützung im alpinen Raum, das ist eine zentrale Säule der österreichischen Agrarpolitik, weil wir auch dort Besiedlung sichern wollen.

Wie geht es weiter? – Wir haben eine Grundsatzposition der europäischen Agrar­minister erreicht. Das war nicht einfach, weil die osteuropäischen Länder mehr Geld haben wollen. Wir haben trotzdem eine Grundsatzposition erreicht, die lautet, dass wir eine starke Agrarpolitik wollen. Weiters soll die Agrarpolitik grüner werden. Ich unterstütze die Kommission in diesem Anliegen, weil das auch im Interesse der


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 28

Bevölkerung in Europa ist: eine ökologischere Agrarpolitik. Greening ist angedacht, wobei die Kommission noch genau sagen muss, was sie sich darunter vorstellt.

Wir wollen auch die Berglandwirtschaft und die Jungbauern unterstützen, wir brauchen aber auch Flexibilität bei der Prämiengestaltung, damit wir unterschiedliche Regionen unterstützen können. Und, weil hier über das Thema Sichern von Marktpreisen disku­tiert wurde: Das, was wir wollen, was aber einige andere Staaten in Europa – zum Beispiel die Skandinavier und die Briten – nicht wollen, sind Marktsteuerungs­instru­mente. Ich bekenne mich dazu, weil es einen Sinn hat, dass man bei Überschüssen eingreifen kann: Intervention und private Lagerhaltung.

Die finanzielle Vorschau ist auf dem Tisch. Alle Sektoren in Europa bekommen mehr Geld, nur bei der Landwirtschaft gibt es eine Kürzung, und das akzeptiere ich nicht. Es kann nicht sein, dass die EU sagt: Wir haben bis 2020 eine Strategie des nachhaltigen Wachstums!, und dann ist jener Sektor in Europa, der für Nachhaltigkeit steht oder nachhaltig werden muss, nämlich die Land- und Forstwirtschaft, nicht dabei und bekommt die Mittel gekürzt. – Das geht nicht!

Ich ersuche Sie auch, dass Sie diese Zahlungen an die Bauern nicht mit Sozial­leistungen verwechseln, im Sinne von Verteilungsgerechtigkeit, sondern das ist ein Leistungsprogramm: Wer mehr für die Umwelt tut, zum Beispiel ein Biobauer, der bekommt mehr. Wer in der Landwirtschaft nichts für die Umwelt tut, der bekommt gar nichts. Das ist ein Leistungsprogramm, und das soll erhalten bleiben. Man soll einem Bauern nicht Geld geben, weil er ein Bauer ist, sondern er muss eine Leistung erbringen, und die Bauern wollen ja auch Leistung darstellen. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Zangerl.)

Wir haben das auch beim Agrarministerrat vergangenen Dienstag diskutiert. Da besteht noch sehr viel Diskussionsbedarf, denn die nächste Hürde ist, wenn es jetzt ums Agrarbudget geht, wie dieses unter den Mitgliedstaaten verteilt wird. Die ost­europäischen Staaten wollen mehr Geld haben, und die Nettozahlerländer wollen angesichts der Eurokrise/Griechenland weniger einzahlen. Das heißt, es liegt noch sehr viel Diskussion vor uns.

Ich bemühe mich um Partnerschaften. Ich habe mit Deutschland und Frankreich eine Partnerschaft, und auch mit unseren Nachbarstaaten in Mitteleuropa. Wir müssen stark auftreten, um unsere Interessen, die österreichischen Interessen dort gemeinsam umzusetzen. Wir sind auf einem guten Weg. Wichtig ist, dass nicht so extreme Kürzungen kommen, wie von Haushaltskommissar Lewandowski in Aussicht gestellt: 25 bis 30 Prozent. Das wäre letal für die heimische, nachhaltige Agrarpolitik gewesen; da hätte es ein Bauernsterben sondergleichen gegeben. Das haben wir verhindert, aber trotzdem gibt es eine Kürzung.

Mir geht es nicht darum – dass Sie mich nicht missverstehen! –, dass man sagt, die Landwirtschaft soll immer noch mehr Geld bekommen, sondern ich brauche Leistungsprogramme, weil die Marktpreise auch angesichts steigender Lebensmittel­preise trotzdem nicht exorbitant höher werden, denn gleichzeitig steigen die Kosten für Energie, Dünger, Pflanzenschutz und Maschinen. Das heißt, die Preiserhöhungen werden teilweise aufgefressen, daher brauchen wir Ökoprogramme wie zum Beispiel unser Umweltprogramm und unser Bergbauernprogramm, mit denen wir zusätzlich Leistung abgelten.

Wir haben schon – und damit möchte ich schließen – einen Arbeitsplatzbezug, und das ist auch richtig. Es bekommen größere Betriebe nicht die volle Prämie. Da wird jetzt schon gekürzt, sowohl im Berggebiet als auch im flachen Land. Da brauchen wir einen Ausgleich, das ist richtig. Diesen Weg wollen wir weitergehen, weil ein größerer Betrieb einfach eine bessere Fixkostenstruktur hat und besser agieren kann.


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 29

Auf jeden Fall ist das Ziel der Agrarpolitik, dass die Bauern Sicherheit und Planbarkeit für die nächsten Jahre bekommen und dass die Konsumenten auch einen Vorteil haben, nämlich eine ökologische Landwirtschaftspolitik, die hochwertige Lebensmittel sichert.

Im Herbst geht die intensive Diskussion ums Budget für die nächsten ein bis eineinhalb Jahre weiter. Ich freue mich auf weitere anregende Diskussionen und nehme gerne Vor­schläge mit, sodass wir unseren österreichischen Weg in Europa weitergehen können. Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP, bei Bundesräten von SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Zangerl.)

9.48


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Ich mache darauf aufmerksam, dass die Redezeit aller weiteren Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der Aktuellen Stunde nach Beratung in der Präsidialkonferenz 5 Minuten nicht übersteigen darf.

Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte.

 


9.49.01

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Gemeinsame Agrarpolitik hat in Österreich und EU-weit sicherlich vieles verändert, in erster Linie durch Förderpolitik, und es ist nicht immer alles nur positiv, was sich da verändert hat.

Ein Bereich, den ich fast als eine der wichtigsten Änderungen sehe, ist der Wandel des Bildes vom Landwirt, von der Bäuerin und vom Bauern vom Nahrungsmittel­produ­zenten mehr oder weniger hin zum Subventionsexperten. – Das ist leider so. Wenn man mit der Bevölkerung redet, kommt das oft auch so herüber.

Ich kenne viele Bauern, ich kenne aber keinen Großgrundbesitzer. Alle Bauern, mit denen ich rede, sagen mir, eigentlich würden sie lieber von ihren Produkten leben und weniger von Förderungen, Subventionen oder Ausgleichszahlungen – wie auch immer man es bezeichnen mag. Eigentlich hätten sie lieber einen Marktpreis, von dem sie leben können, zu dem sie ihre Produkte verkaufen können und ihre Leistung abgegolten bekommen.

Der zweite Punkt, der sich im Vergleich zu der Zeit, bevor wir der Europäischen Union beigetreten sind, geändert hat: Die Preise für Lebensmittel in den Supermärkten sind nicht massiv gestiegen, sondern zum Teil sogar gesunken beziehungsweise eher gleich hoch geblieben. Das ist einerseits eine Fördergeschichte, auf der anderen Seite liegt das aber auch – das wurde heute bereits erwähnt – an diesem Weg in Richtung Industrialisierung der Landwirtschaft. Auch wenn wir derzeit in Österreich relativ kleinflächige Betriebe haben, ist auch in Österreich die Tendenz zu spüren und zu bemerken, dass es doch eher in Richtung größere Betriebe geht.

Der dritte Punkt, der sich sehr stark geändert hat, ist eben die Exportorientierung im Vergleich zu früher. Ich kann mich noch daran erinnern, dass es Quoten gegeben hat und dass wirklich Wert darauf gelegt wurde, dass wir in allen Bereichen eine Selbst­versorgung gewährleisten können.

Sie haben vorhin schon angeschnitten, wir seien ja so gut und wir produzieren sogar mehr, als wir brauchen, gerade beim Fleisch. Das Fleisch ist ein Beispiel, das das sehr deutlich macht: Wir produzieren mehr, als wir selbst konsumieren – und wir konsumieren viel zu viel –, aber das, was wir für die Produktion brauchen, nämlich die Futtermittel, wird massiv importiert. Das ist ein Ungleichgewicht. Es ist natürlich gut für die Wertschöpfung in unserem Land. Das Fleisch können wir relativ teuer verkaufen, die Futtermittel sind relativ billig – relativ. (Ruf bei der ÖVP: Sehr relativ!) – Alles ist


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 30

relativ, aber das höherwertige Produkt, das Produkt mit der höheren Wertschöpfung ist sicherlich das Fleisch.

Es ist eben einerseits eine Umweltfrage, aber andererseits muss man schon auch sagen, dass die Gentechnikfreiheit von Futtermitteln bei den Importen auch bei uns nicht unbedingt immer gewährleistet ist. Das andere Thema neben der Wertschöpfung ist die Selbstversorgung. Weil Sie vorhin gesagt haben, das, was wir hier überreicht bekommen haben (die Rednerin weist auf die Schokoladetaler mit der Aufschrift „Salzburger Landtag“, die verteilt wurden), seien hochwertige österreichisches Lebens­mittel: Ich habe sicher nichts gegen Schokolade, ich mag Schokolade, und ich weiß, sie ist gut für die Nerven, aber was da drinnen ist: Nougatcreme, Reiscrispkörnchen umhüllt mit Milchschokolade – also allzu viel österreichische Landwirtschaft steckt da nicht drinnen! (Bundesminister Dipl.-Ing. Berlakovich: Ein österreichisches Produkt! Bundesrat Kneifel: Schokolademanufaktur in Salzburg!)

Das ist auch das Problem, das wir bei diesem dritten Punkt haben. Wir setzen auf den Export und schauen, dass wir da möglichst brillieren, aber auf der anderen Seite können wir ... (Neuerliche Zwischenbemerkung von Bundesminister Dipl.-Ing. Berlakovich.) – Sie haben vorhin erwähnt, „hochwertige österreichische Lebensmittel“, deshalb wollte ich das nur hinzufügen. (Bundesminister Dipl.-Ing. Berlakovich: Ein österreichisches Produkt!) Das ist so ein bisschen der Unterschied.

Wenn es jetzt 2013 zu einer Änderung der Agrarpolitik kommt, dann ist es mir wichtig, dass sich vor allem im System etwas ändert, dass neue Herausforderungen, die vor der Tür stehen, einfach in Angriff genommen werden.

Die neuen Herausforderungen sehe ich einerseits in der Umweltpolitik. Sie haben es schon erwähnt: Klimawandel, Humusverlust – das ist auch ein Thema, über das leider sehr selten gesprochen wird –, Verlust der Biodiversität und nicht zuletzt das öster­reichische Trinkwasser, das durch die Landwirtschaft nicht immer an Qualität gewinnt. Die Antwort auf diese Frage ist biologische Landwirtschaft. Sie haben schon gesagt, wir sind in diesem Bereich Weltmeister. Unser Ziel sollte aber sein, dass biologische Landwirtschaft der Standard wird. Das brauchen wir jetzt einmal, was die Umwelt betrifft, und zwar europaweit. Wichtig ist auch, dass wir, wenn wir schon Vorreiter in diesem Bereich sind, die anderen mitziehen und unseren Anteil auch noch ausbauen.

Ein zweiter Bereich, eine weitere Herausforderung, die wir zu bewältigen haben, ist auch schon angesprochen worden, nämlich die Spekulation mit Lebensmitteln. Früher hat man das nur aus den Hollywood-Filmen gehört, die Spekulation mit Schweine­bäuchen und Weizen. Inzwischen ist das auch schon in Europa gang und gäbe. Ein wichtiger Schritt, um das zu verhindern, ist mehr oder weniger auch ein Schritt weg vom Exportwahn. Wir müssen in erster Linie dafür sorgen, dass wir, wie Sie so schön gesagt haben, unseren Tisch decken. Natürlich wird es auch immer Import und Export geben, aber nicht massiv gefördert.

Der dritte Punkt ist die Ressourcenknappheit, die Energie. Der Bauer als Energiewirt ist ein Schlagwort, das es schon länger gibt, und den Bauer als Energiewirt hat es auch schon vor dem fossilen Zeitalter gegeben. Ich denke, das fossile Zeitalter wird bald aus sein, darauf müssen wir uns besinnen. Wir haben heute das Ökostromgesetz zu beschließen, das ist erfreulich. Wir dürfen endlich unsere Hand heben, ich freue mich schon darauf! (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Dönmez.)

Auf der anderen Seite gibt es neben den Förderungen auch die Kostenwahrheit für die Konkurrenz. Es ist mir insofern ein bisschen unverständlich, wenn gerade der Agrarministerrat, der ja auch für die Bauern als Energiewirte steht, die Kostenexplosion beim ITER mehr oder weniger abfedert und jetzt bei den Endlagerfragen wieder weiche


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 31

Richtlinien mehr oder weniger durchwinkt und auch bei der Haftung ziemlich weich bleibt.

Ich denke, es geht nicht nur um die Förderung, sondern auch die Kostenwahrheit ist bei fossiler und Atomenergie ein wichtiges agrarpolitisches Ziel. Ich bin mir ganz sicher, dass die Arbeit in der Landwirtschaft nicht ausgehen wird, keine Frage. Wichtig ist, dass durch eine richtige Agrarpolitik in Europa die richtigen Weichen gestellt wer­den, und zwar hin zu fairen Preisen der Produkte für die Landwirte, hin zu einer nachhaltigen Landwirtschaft und hin zu einer Wertschätzung für die Landwirte und Landwirtinnen, indem einfach qualitativ hochwertige Produkte angeboten werden. Damit geht auch einher, dass es für die Menschen wieder deutlich wird, was ein Bauer ist – ein/e Lebensmittelproduzent/in oder ein/e Subventionsabrechner/in? – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie des Bundesrates Schennach.)

9.55


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Preineder. – Bitte.

 


9.56.08

Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Geschätzte Kollegen im Bundesrat! Wenn wir heute die EU-Agrarpolitik und die Chancen und Herausforderungen für Österreich diskutieren, dann müssen wir uns ein bisschen die Vergangenheit in Erinnerung rufen, etwa dass mit dem EU-Beitritt auf die Landwirtschaft in Österreich ein System zugekommen ist, das die Landwirte primär nicht wollten und das geheißen hat, Reduktion der Preise in etwa um die Hälfte. Allen Bauern werden höhere Preise und keine Förderungen – Ausgleichszahlungen, um es richtig zu sagen – lieber. Das war eben das System, und mit dieser Reduktion der Produktpreise gab es Ausgleichszahlungen, die aber auch – und das muss man ebenfalls offen sagen – bei den Konsumenten angekommen sind.

Wenn wir den Vergleich ziehen, dass 1995 ein österreichischer Haushalt 23 Prozent seines Einkommens für Lebensmittel ausgegeben hat und es im vergangenen Jahr nur mehr 12 Prozent waren, dann ist das in etwa die Hälfte, und das ist nachvollziehbar.

Wenn wir heute von höheren Lebensmittelpreisen sprechen, dann sind das nicht die Preise, die direkt bei den Bauern ankommen, weil ja auch die Produktionskosten und die Verarbeitungskosten entsprechend gestiegen sind.

Wenn wir Kontinuität in der Landwirtschaft wollen, dann müssen wir das System auch in etwa in der Form fortschreiben, und wenn wir das System fortschreiben wollen, dann brauchen wir auch die entsprechenden Mittel. Ich bin dem Europäischen Parlament dankbar, das einen Beschluss gefasst hat, dass der Finanzrahmen in derselben Höhe beibehalten werden soll und dass es zu keiner Kürzung im Landwirtschaftsbudget kommen darf.

Es wird über mehr Gerechtigkeit diskutiert, ob europaweit eine einheitliche Betriebs­prämie eingeführt werden soll, und ich glaube, auch da gilt es, den anderen Staaten mitzuteilen, dass wir in Österreich andere Strukturen haben. Bei uns gibt es keine industrielle Landwirtschaft, meine Damen und Herren, und wenn wir diskutieren, ob ein Betrieb mit 5 oder mit 100 Hektar klein oder groß ist, dann sollten wir das einmal mit der europäischen Landwirtschaft vergleichen, wo Olivenhaine mit 500 Quadratmeter Fläche solchen mit 5 000 Hektar gegenüberstehen. Wir sind kleinstrukturiert und sollten in Österreich nicht zu stark differenzieren, sondern gemeinsam unsere Interes­sen vertreten.

Europa und die europäische Agrarpolitik sollen grüner werden. Die österreichische Landwirtschaft ist eine sehr umweltgerechte, und wir haben den höchsten Anteil an


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 32

Bio-Landwirten. Wir wollen einen noch höheren Anteil, Frau Kollegin Kerschbaum, nur: Die Konsumenten werden mit ihrem Kaufverhalten entscheiden, ob mehr Bio-Produkte erzeugt werden können oder nicht. Wir wollen diesen hohen Standard im Umwelt­bereich entsprechend beibehalten, und dazu muss es auch in Zukunft Maßnahmen seitens der EU geben, die über den Normalstandard hinausgehen.

Wir brauchen Ausgleichszahlungen für benachteiligte Gebiete, weil wir davon in Österreich sehr viele haben und weil sie im Prinzip mit der Pflege dieser Berggebiete, dieser benachteiligten Gebiete auch die Basis für den Tourismus und den Frem­denverkehr schaffen.

Was wir aber neben Ausgleichszahlungen, neben Umweltleistung nicht außer Acht lassen sollten, ist der Bereich des Marktes, weil Bauern vom Markterlös leben wollen. Auch da brauchen wir verstärkte Maßnahmen in Richtung Marktorientierung, eine verstärkte Stabilisierung der Märkte. Da wird die Lagerhaltung ein wesentlicher Teil sein – die private und auch die öffentliche, weil Nahrungsmittel nicht Spekula­tionsobjekte werden dürfen, weil da, glaube ich, auch das europäische System mit einer Steuer einsetzen darf, sodass Spekulationsgewinne beziehungsweise der Aktienhandel entsprechend besteuert werden und damit vielleicht auch Geld für die Landwirtschaft hereinkommt.

Unlängst fand eine Tagung zum Thema Entwicklung, Entwicklungshilfe und Nahrungs­mittelproduktion in der Welt statt, und ein Vertreter der WTO hat dort eine für mich interessante These aufgestellt, nämlich: Wir brauchen, um die Welt zu ernähren, ent­sprechende Preise, die die Produktion anreizen. Ich glaube, das wäre langfristig ein richtiger Weg. Die Landwirtschaft sollte sich nicht so stark am internationalen Markt orientieren, sie sollte stärker europäisch werden, und sie sollte auch stärker regional werden. Dieser regionale Bezug wird Gott sei Dank von unseren Konsumenten auch entsprechend geschätzt, und es werden regionale Lebensmittel in der Region angeboten, erworben und konsumiert. Ich habe gestern bei dem Ökokreis Harbach hautnah miterleben können, dass das auch regional funktionieren kann.

Die EU-Agrarpolitik wird entsprechend zu gestalten sein. Die österreichischen Bauern werden die Herausforderungen auch nach 2013 annehmen, wenn die Chancen von Europa entsprechend gestaltet werden. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

10.01


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Lampel. – Bitte.

 


10.01.39

Bundesrat Michael Lampel (SPÖ, Burgenland): Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Sehr geschätzter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen des Bundes­rates! In Österreich besteht seit Jahrzehnten gesellschaftlicher Konsens dahin gehend, dass die kleinstrukturierte, kleinbäuerliche Landwirtschaft in Form von Familien­betrieben die Grundlage für die Sicherstellung rückstandsfreier, hochqualitativer, regio­nal­typischer Lebensmittel darstellt. Da natürlich gerade die Bioproduktion und die klein­strukturierte Landwirtschaft höhere Produktionskosten verursachen, ist eine diesbe­zügliche Forcierung dieser Förderung auch in der Strategie der gemeinsamen Agrarpolitik nach 2013 unbedingt erforderlich.

Daher brauchen wir eine Agrarpolitik mit Verteilungsgerechtigkeit. Es kann nicht sein, dass 20 Prozent der Landwirte 80 Prozent der Ausgleichszahlungen erhalten. Wir brauchen Gerechtigkeit in der Verteilung der GAP-Gelder, denn die Gesellschaft, die


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 33

Konsumentinnen und Konsumenten erwarten sich von einer gemeinsamen Agrarpolitik nachhaltig produzierte und qualitativ hochwertige, gesunde Lebensmittel.

Dementsprechend ist auch der Umweltfaktor in der Landwirtschaft von besonderer Bedeutung und sollte beziehungsweise muss auch eine der Grundbedingungen bei der Vergabe von Förderungen sein. Daher müsste meiner Ansicht nach zum Beispiel auch der Bau von industriellen Tierstallungen im Einklang mit der Umwelt stehen. Damit meine ich auch zum Beispiel den Schutz des Grundwassers.

Wie die Entwicklung in der industriellen Landwirtschaft in Österreich jedoch in manchen Regionen zeigt, sollte nicht weiter projektbezogen agiert werden, sondern die Landwirtschaft muss künftig in ihrer Gesamtheit betrachtet werden, und deshalb sollten die Umweltargumente, zum Beispiel von betroffenen Wasserversorgern, ebenfalls in allen landwirtschaftlichen Projektplanungen automatisch einbezogen und berücksichtigt werden, was leider selten der Fall ist. In derart sensiblen Gebieten muss dem Umwelt­faktor ein entsprechend hoher Stellenwert eingeräumt werden, denn wir haben schlussendlich auch die Pflicht, das Grundwasser zu sichern und für künftige Generationen zu schützen.

Als Bürgermeister in einer dieser sensiblen Regionen – der Raum Lichtenwörth ist ja manchen ein Begriff – kenne ich die Problematik zur Genüge und habe daher zusammen mit engagierten Bürgerinnen und Bürgern dem Herrn Umweltminister am vergangenen Montag persönlich ein Paket von 4 380 Unterschriften übergeben kön­nen, durch die sich die Bürgerinnen und Bürger einer ganzen Region für den Schutz des Trinkwassers ausgesprochen haben.

Dieses Beispiel allein zeigt, wie wichtig eine Lösung der Umweltproblematik in der Landwirtschaft ist. Daher ist es umso mehr erforderlich, dass Umwelterwägungen in der gemeinsamen Agrarpolitik nach 2013 in gleichem Ausmaß wie wirtschaftliche und soziale Faktoren berücksichtigt werden, damit die Lebensqualität der Menschen in ländlichen Lebensräumen auch künftig weiter sichergestellt werden kann.

Bei der vor Kurzem abgehaltenen Enquete des Nationalrates zum Thema „Gemein­same Agrarpolitik nach 2013 – Chancen und Herausforderungen für Österreich“ wurde auch der Begriff „grüne Landwirtschaft“ des öfters erwähnt. Deshalb soll und muss die zukünftige Agrarpolitik nicht nur durch die Themenbereiche gekennzeichnet sein, die mein Kollege Klaus Konrad bereits erwähnt hat, sondern auch durch strenge, mess­bare Umweltstandards aus Konsumentinnen- und Konsumentensicht, damit die Agrarpolitik der Bezeichnung „grüne Landwirtschaft“ einigermaßen gerecht wird.

Sie selbst, sehr geschätzter Herr Bundesminister, haben ja vorher in Ihrem kurzen State­ment gesagt: Die Landwirtschaft in Österreich soll grüner werden. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

10.05


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Krusche. – Bitte.

 


10.06.00

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minister! Meine Damen und Herren! Das Jahr 2013 beziehungsweise eigentlich 2014 hat etwas von einem Damoklesschwert an sich, das über der Landwirtschaft und über unseren Bauern hängt. Jeder weiß, dass sich etwas ändern wird, dass der Status quo in der Form wahrscheinlich nicht mehr aufrechterhalten werden kann. Jeder glaubt, dass es nur schlechter werden kann, da der Fördertopf insgesamt – und jener für Österreich wahrscheinlich im Besonderen – kleiner werden wird.


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 34

Sie, Herr Bundesminister, haben in einer APA-Aussendung vor zwei Tagen und auch heute wieder gesagt, dass die ursprünglich geplanten Kürzungen von 25 bis 30 Pro­zent nicht mehr aktuell seien und erfreulicherweise nicht so dramatisch sein werden. Diese Aussage ist natürlich für den einzelnen Bauern wenig hilfreich, der vielleicht vor der Frage steht, ob er seinen Betrieb weiterführen oder aufgeben soll oder ob er sich die dringend notwendige Ersatzanschaffung eines Traktors, die er über Jahre finanzieren muss, leisten kann. Auch Ihr geplanter Schwerpunkt in der Fischzucht wird die Probleme der meisten Bauern wahrscheinlich nicht lösen.

Sie haben auch gesagt, die Diskussion geht die nächsten ein- bis eineinhalb Jahre weiter. Herr Bundesminister, das Jahr 2014 kommt sehr rasch auf uns zu – in zweieinhalb Jahren. So wie es ausschaut, wird diese Diskussion bis kurz vor diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen sein, und das ist genau das, was wir nicht brauchen. Sie haben ja selber gesagt, Planungssicherheit für unsere Bauern wäre ganz wesentlich.

Es wäre in diesem Zusammenhang natürlich auch an der Zeit, den Konsumenten zu vermitteln, dass die Bauern nicht einfach am Tropf des Steuerzahlers und der EU hängen, sondern für harte Arbeit einen gerechten Lohn erhalten, aber vor allem wäre es auch wichtig, den Bauern selbst diesbezüglich das nötige Selbstwertgefühl wiederzugeben.

Wenn heute 1 Liter Red Bull – Red Bull bekommt übrigens auch Agrarfördermittel – 6 € kostet und 1 Liter Milch nicht einmal 1 €, wovon der Bauer nur einen Bruchteil erhält, dann stellt man sich schon die zugegebenermaßen provokante Frage, ob die Relationen da wirklich noch passen.

Wenn man auch weiß, dass 45 Prozent der EU-Beiträge in Österreich in die euro­päische Agrarpolitik fließen, ergibt sich die nächste Frage, nämlich ob diese Gelder nicht vielleicht in Österreich besser aufgehoben wären. Vielleicht ändert sich dieser Prozentsatz ja jetzt zugunsten Griechenlands, aber das ist auch keine wirklich erfreuliche Aussicht.

Wenn 37 Prozent der Betriebe im unteren Förderbereich mit durchschnittlich etwa 2 200 € pro Betrieb liegen und damit vom gesamten Topf aber nur 7 Prozent lukrieren, am oberen Ende jedoch 1 Prozent aller Betriebe 10 Prozent des Volumens mit durchschnittlich 78 000 € erhalten, schreit das geradezu nach einer Deckelung, meine Damen und Herren!

Diese gegenwärtige Förderpraxis führt unweigerlich – das wurde heute bereits mehrmals angesprochen – zu einer Industrialisierung der Landwirtschaft mit Groß­betrieben und zu einem Bauernsterben mit unabsehbaren Folgen nicht nur für die Landwirtschaft, sondern auch für Ökologie und Tourismus, aber auch für den Katastrophenschutz. Ich sage nur: ungemähte Almwiesen.

Überall wird von Verteilungsgerechtigkeit gesprochen, nur in der Landwirtschaft soll das tabu sein. Wenn Montecuccoli, der Präsident der Land&Forst Betriebe Österreich, meint, wer mehr Leistung erbringt, der soll mehr Förderung erhalten, dann muss ich sagen, wenn man sich dieser Argumentation anschließt, müssen wir die Steuer­progression und alle sozialen Staffelungen bei Transferleistungen sofort abschaffen. (Beifall bei der FPÖ.)

Bei aller Bedeutung der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik sollte man sich doch ernsthaft – gerade wir hier im Bundesrat – fragen, ob unsere sicher nicht hundert­prozentige, aber weitgehende Selbstversorgungsfähigkeit mit qualitativ hochwertigen Produkten und die kleinstrukturierte Landwirtschaft nicht wirklich eher ein Fall für zumindest teilweise Subsidiarität und damit souveräne Entscheidungen wären. In


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 35

Anbetracht steigender Preise – 8,2 Prozent laut Arbeiterkammer binnen drei Monaten – wäre es vielleicht eine wesentliche und auch dringendere Aufgabe der EU, endlich etwas gegen das Spekulationsunwesen zu unternehmen und sich nicht so sehr mit einem Verbot der Brettljause zu beschäftigen oder darauf zu achten, dass sich ja keine Schwalben im Stall aufhalten. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

10.11


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu einer abschließenden Stellungnahme hat sich Herr Bundesminister Berlakovich zu Wort gemeldet. Bevor ich ihm das Wort erteile, begrüße ich ganz herzlich Herrn Staatssekretär Dr. Ostermayer und den Herrn Landeshauptmann von Kärnten Gerhard Dörfler. Herzlich willkommen bei uns im Bundesrat! (Allgemeiner Beifall.)

Ich bitte nun Herrn Bundesminister Berlakovich um seine abschließende Stellung­nahme. Ich darf darauf hinweisen, dass die Redezeit nunmehr auch für Sie 5 Minuten beträgt. – Bitte.

 


10.12.25

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich: Frau Präsidentin! Ich werde mich bemühen, im Zeitplan zu bleiben, aber ich möchte auf ein paar Dinge eingehen, weil Kollegin Kerschbaum sich gewundert hat, dass wir die Richtlinie betreffend Atommüllendlager im Agrarministerrat beschließen. Frau Kollegin, Sie wissen ja, wie die Regularien sind. Das war ein A-Punkt, und A-Punkte werden im jeweils nächsten Ministerrat behandelt; also wenn die Justizminister oder die Innenminister anwesend gewesen wären, so hätten diese das beschlossen. Diesmal haben die Umweltminister verhandelt, und ich kann Ihnen sagen, Österreich hat sich so wie Schweden und Luxemburg der Stimme enthalten. Wir halten es zwar für richtig, dass Europa endlich sagt, dass jeder einzelne Mitgliedstaat definiert, wie er seinen atomaren Restmüll lagert – bisher ist das alles nur zwischengelagert –, also endlich Farbe bekennt und sagt, wohin damit, aber wir waren doch dagegen, weil uns der Export des Atommülls zu wenig streng geregelt wurde. Deshalb haben wir uns der Stimme enthalten. An sich ist das eine sinnvolle Sache, weil es zu mehr Kostenwahrheit im Bereich der Atomkraft im Sinne der öster­reichischen Politik: Raus aus der Atomkraft, hinein in die Erneuerbaren!, beiträgt.

Es wurde von Spekulation gesprochen. Wir sind in einem sehr intensiven Diskussions­prozess. Im Vorjahr fand bei der OECD eine Tagung der Agrarminister statt – nach zwölf Jahren wieder –, bei der das Thema Spekulation sowohl von der OECD als auch von der FAO, der Welternährungsorganisation, abgelehnt wurde. Sie haben gesagt, das stelle kein Problem dar. – Für mich völlig unverständlich! Die FAO, die sich um die Welternährung kümmern muss! Wenn die Agrarmittelpreise steigen, haben die Entwick­lungsländer ein Ernährungsproblem. Mittlerweile ist man dort klüger geworden. Wir sind jetzt dabei, einen sehr schwierigen Bereich zu ordnen, aber es ist sicher noch viel Diskussion notwendig.

Auch der Begriff „industrielle Landwirtschaft“ ist gefallen, und ich ersuche Sie dringend, mit diesem Begriff vorsichtig zu sein. Industrielle Landwirtschaft hört sich sehr plakativ an. Wir haben in Österreich keine industrielle Landwirtschaft und wollen sie auch nicht. Wir reden von ganz anderen Dimensionen. In Norddeutschland zum Beispiel haben zwei große Milchkonzerne fusioniert und produzieren jetzt 6,8 Milliarden Kilo Milch. Wenn wir Österreichs gesamte Milchwirtschaft zusammenfassen, kommen wir auf 2,8 Milliarden Liter Milch. Ein deutscher Betrieb: 6,8 Milliarden Kilo. – Das heißt, die Dimensionen sind ganz andere.

Wir wollen eine Landwirtschaft, die im Einklang mit der Natur wirtschaftet. Ja, die Strukturen werden größer, weil die Marktpreise das erforderlich machen, aber wir


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 36

wollen natürlich keine industrialisierte Landwirtschaft, sondern eine Landwirtschaft, die auch Akzeptanz findet. Sie (in Richtung FPÖ), Herr Kollege, haben gesagt, diese Aus­sage sei für die Bauern wenig hilfreich. – Tatsache ist, dass heute niemand seriös sagen kann, wie im Jahr 2014 die Bedingungen sein werden. Ich weiß, dass das jeder Bauer wissen will, aber jeder wäre ein Scharlatan, der den Bauern diesbezüglich etwas vormacht. Das kann man nicht sagen, weil die Diskussion noch nicht so weit ist.

Wir haben lediglich festgehalten, dass Budget-Kommissar Lewandowski gesagt hat, er wolle den Agrarbereich um 25 bis 30 Prozent kürzen, und das haben wir verhindert. Wir haben hinter den Kulissen intensiv verhandelt, dass es nicht so weit kommt. Insofern ist die jetzige Kürzung eine erfreulich geringere, wenn auch noch immer zu stark.

Ich sage noch einmal: Mein Ziel, unser Ziel mit Partnerländern ist, dass nicht nur in Österreich ökologische Landwirtschaft betrieben wird, sondern auch in Europa. Wir sind dort auf einem Scheideweg. Es gibt schon Tendenzen hin zu mehr Produktion und in Richtung Massentierhaltung, Massenproduktion. – Wir wollen das nicht, und dieser Kampf ist nicht gewonnen.

Ich glaube, dass es notwendig ist, dass sich Europa in Richtung einer ökologisch nachhaltigen Landwirtschaft entwickelt, und das wird mit weniger Geld nicht gehen, weil der Markt das nicht hergibt. Wir möchten den Bauern so bald wie möglich Bedingungen nennen, aber der Zeitplan der Europäischen Union sieht eben eineinhalb Jahre Diskussion vor. Ich habe mir das nicht gewünscht, aber das ist Faktum den Zeitablauf betreffend. Dass wir diese Zeit intensiv nützen werden, das ist klar.

Abschließend, weil der Kollege von der FPÖ das Thema Fischerei, die Entwicklung der Fischerei angesprochen hat: Das ist für Österreich nicht so. Österreich hat sich bisher im Agrarministerrat, wenn es um Fischereipolitik gegangen ist, wenig eingemischt. Für die großen Meeresländer, die Spanier, die Mittelmeerländer, die Skandinavier, geht es, wenn es um Fangquoten geht, um sehr viel Geld und um sehr viel Macht. Ich stelle nur fest, dass in Österreich die Konsumenten immer kritischer werden und fragen, woher die Fische kommen, ob auch nachhaltig gefischt worden ist. Die Meere werden leergefischt, 75 Prozent der Bestände sind überfischt, und der Rest, der nicht verwert­bar ist, wird ins Meer geworfen; tote Meeresfauna. – Das akzeptiere ich ebenso wenig wie andere Kollegen aus den Binnenländern.

Ich sehe das als eine Chance für die österreichische Fischereiwirtschaft, mehr zu erzeugen, Alpenlachs, Saibling, Forellen zum Beispiel. Wir werden den Bedarf an Fisch in Österreich nicht abdecken können, aber ich sehe das als eine Chance für ein paar kleinere Betriebe, für die österreichische Teichwirtschaft neue Marktanteile zu gewinnen. Daher ersuche ich Sie, dieses Thema auch ernst zu nehmen, weil das eine Perspektive nicht für alle, aber doch für einige wenige ist.

In diesem Sinne herzlichen Dank! Ich wünsche Ihnen, Frau Präsidentin, und dem Bun­desrat noch eine sehr intensive Tagung. Ich glaube, es gibt 141 Redner, die Nächsten folgen sogleich. – Ich wünsche trotzdem einen schönen Sommer. Alles Gute! (Allge­meiner Beifall.)

10.17


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Herr Minister, herzlichen Dank! Auch ich darf Ihnen einen schönen Sommer wünschen.

Die Aktuelle Stunde ist nunmehr beendet.


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 37

10.17.35Einlauf und Zuweisungen

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Hinsichtlich der eingelangten, vervielfältigten und verteilten Anfragebeantwortung 2619/AB und

jenes Verhandlungsgegenstandes, der gemäß Artikel 42 Abs. 5 Bundes-Verfassungs­gesetz nicht dem Mitwirkungsrecht des Bundesrates unterliegt, beziehungsweise

jenes Schreibens des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten gemäß Artikel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend die Aufnahme von Verhand­lungen mit der Internationalen Organisation für Wanderung über die Errichtung von Büros in Wien sowie

der Mitteilungen des Ministerratsdienstes des Bundeskanzleramtes betreffend

den Aufenthalt der Bundesministerin für Inneres, Frau Mag. Johanna Mikl-Leitner, vom 16. Juli bis 6. August 2011 in Florida bei gleichzeitiger Beauftragung der Bundes­ministerin für Finanzen Dr. Maria Fekter vom 16. bis 25. Juli und vom 27. Juli bis 6. August 2011 beziehungsweise der Bundesministerin für Justiz Dr. Beatrix Karl für den 26. Juli 2011 mit ihrer Vertretung beziehungsweise

den Aufenthalt des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer vom 21. Juli bis 15. August 2011 in Kroatien bei gleichzeitiger Beauftragung des Bundesministers für Gesundheit Alois Stöger, diplô mit seiner Vertretung und

den Aufenthalt des Bundeskanzlers Werner Faymann am 21. Juli 2011 innerhalb eines EU-Mitgliedstaates

verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

Die schriftlichen Mitteilungen haben folgenden Wortlaut:

Anfragebeantwortung (siehe S. 16)

*****

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG:

                                                                                                                                     „Der Generalsekretär

                                                                                                                 für auswärtige Angelegenheiten

                                                                                                                                         Dr. Johannes Kyrle

Herrn

Präsidenten des Bundesrates

Gottfried Kneifel

Parlament, Karl Renner Ring 1-3                                                                                   28. Juni 2011

1017 WIEN                                                                            GZ: BMeiA-I9.8.33.02/0005-I.2a/2011

Sehr geehrter Herr Präsident!

Im Auftrag von Bundesminister Dr. Michael Spindelegger unterrichte ich Sie gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG, dass aufgrund des Vorschlages der Bundesregierung vom 21. Juni 2011 (Pkt. 18 des Beschl.Prot. Nr. 106) der Herr Bundespräsident am 22. Juni 2011 die Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Internationalen Organisation für Wanderung über die


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 38

Errichtung von Büros in Wien erteilt hat. Die Aufnahme dieser Verhandlungen wird ehestmöglich erfolgen.

Zur näheren Information lege ich eine Kopie des Vortrages an den Ministerrat bei.

Mit meinen besten Grüßen

Beilage“

„BUNDESMINISTERIUM FÜR

EUROPÄISCHE UND INTERNATIONALE

ANGELEGENHEITEN

BMeiA-I9.8.19.12/0021-I.2/2011

Abkommen zwischen der Republik Österreich und der

Internationalen Organisation für Wanderung über die

Errichtung von Büros in Wien; Verhandlungen

Vortrag

an den

Ministerrat

Die Internationale Organisation für Wanderung (International Organization for Migra­tion, IOM), deren Gründungsmitglied Österreich ist (BGBl. Nr. 133/1990), unterhält seit 1954 ein Büro in Österreich. Ursprünglich unter dem Namen "Zwischenstaatliches Komitee für die Auswanderung aus Europa" versteht sich IOM als globale Organisation für Migration und setzt sich zusammen mit zwischenstaatlichen und Nicht-Regie­rungsorganisationen für faire und humane Migrationspolitik ein.

Da in den letzten Jahren eine Neustrukturierung IOMs durchgeführt wurde, die mit der Einrichtung eines Regionalbüros für Ost- und Südosteuropa und Zentralasien mit entsprechendem Personalstand (zusätzlich zum bestehenden Länderbüro in Wien) verbunden ist, besteht das Bedürfnis nach einer umfassenden Regelung des Status der Büros der IOM in Wien. Die derzeit gültige Verordnung der Bundesregierung vom 11. November 1980 betreffend die Einräumung von Privilegien und Immunitäten an das Zwischenstaatliche Komitee für Auswanderung, BGBl. Nr. 530/1980 idF BGBl. Nr. 584/1987, entspricht nicht den geänderten Bedürfnissen Österreichs und der IOM. Daher ist nun in Aussicht genommen, ein Amtssitzabkommen mit IOM zu verhandeln, mit dem Privilegien und Immunitäten an die IOM-Büros und deren Mitarbeiter/innen im selben Umfang wie an Büros von internationalen Organisationen vergleichbarer Größe eingeräumt werden sollen.

Für die Verhandlungen über das Abkommen wird die nachstehende österreichische Delegation in Aussicht genommen:

Gesandter Mag. Gregor Schusterschitz               Bundesministerium für europäische und

Delegationsleiter                                                                                internationale Angelegenheiten

Gesandter Mag. Gerhard Zettl                                  Bundesministerium für europäische und

Stv. Delegationsleiter                                                                       internationale Angelegenheiten

Attachée Mag. Nadia Kalb                                           Bundesministerium für europäische und

                                                                                                                  internationale Angelegenheiten


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 39

Die mit der Verhandlung dieses Abkommens verbundenen Kosten finden ihre Be­deckung in den Budgetansätzen des entsendenden Ressorts.

Das Abkommen wird gesetzändernden und gesetzesergänzenden Charakter haben und daher gemäß Art. 50 B-VG der Genehmigung durch den Nationalrat unterliegen.

Der Nationalrat und der Bundesrat werden gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG von der Auf­nahme der Verhandlungen unverzüglich unterrichtet werden.

Ich stelle daher den

Antrag,

die Bundesregierung wolle dem Herrn Bundespräsidenten vorschlagen, die Mitglieder der österreichischen Delegation in der oben angeführten Zusammensetzung zu Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Inter­nationalen Organisation für Wanderung über die Errichtung von Büros in Wien zu bevollmächtigen.

Wien, am 15. Juni 2011

SPINDELEGGER m.p.“

*****

Schreiben des Bundeskanzlers betreffend Aufenthalt des Bundeskanzlers in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union:

                                                                                          „BUNDESKANZLERAMT: ÖSTERREICH

                                                                                                                                  WERNER FAYMANN

An die

Präsidentin des Bundesrates

Mag. Susanne NEUWIRTH

Parlament

1017Wien

                                                                                                                               GZ 350.100/0013-1/4/11

                                                                                                                                  Wien, am 18. Juli 2011

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

Ich beehre mich, Ihnen mitzuteilen, dass ich mich am 21. Juli 2011 im Ausland, aber innerhalb eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, aufhalten werde.

Mit den besten Grüßen“

*****

Beschluss des Nationalrates, der gemäß Art. 42 Abs. 5 B-VG nicht dem Mitwirkungs­recht des Bundesrates unterliegt:


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 40

Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2011 betreffend ein Bundesgesetz betreffend die Veräußerung von unbeweglichem Bundesvermögen (1214 und 1310/NR der Bei­lagen)

*****

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weiters ist der Kulturbericht 2010 der Bun­desministerin für Unterricht, Kunst und Kultur eingelangt, der dem Ausschuss für Unterricht, Kunst und Kultur zur Vorberatung zugewiesen wurde.

Ebenso eingelangt ist der Tätigkeitsbericht der Schienen-Control GmbH 2010, der dem Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie zur Vorberatung zugewiesen wurde.

Eingelangt sind und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Be­schlüsse des Nationalrates, die jeweils Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind. Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlossen und schriftliche Ausschuss­berichte erstattet.

Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Behandlung der Tagesordnung

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Aufgrund eines mir zugekommenen Vor­schlages beabsichtige ich, die Debatte über die Tagesordnungspunkte 11 und 12, 17 und 18, 19 bis 21, 22 und 23, 25 bis 32, 34 und 35, 40 und 41 sowie 44 und 45 unter einem zu verhandeln.

Wird dagegen eine Einwendung erhoben? – Das ist nicht der Fall. Wir werden daher so vorgehen.

Wir gehen in die Tagesordnung ein.

10.20.231. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Volksgruppengesetz geändert wird (1220 d.B. und 1312 d.B. sowie 8525/BR d.B.)

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir kommen zum 1. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Saller. Bitte um den Bericht.

 


10.20.38

Berichterstatter Josef Saller: Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Herr Landes­hauptmann! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Volksgruppengesetz geändert wird.

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor. Ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 41

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gelangt Herr Staatssekretär Dr. Ostermayer. – Bitte.

 


10.21.27

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Josef Ostermayer: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte! Sehr geehrte Gäste! Ich bin mit der Frau Präsidentin mit dem Frühflieger aus Bregenz zurückgekommen, denn ich muss sagen, es war und ist mir eine ganz besondere Freude, zu diesem Tagesordnungspunkt hier vor Ihnen reden zu dürfen. Das ist heute insofern für mich neu, als ich mich normalerweise in einer Debatte erst nach einigen Rednern zu Wort melde. Neu ist auch, dass ein Landeshauptmann neben mir hier auf der Regierungsbank sitzt. Herr Landeshauptmann Dörfler hat vorhin gefragt, ob wir getrennt sitzen müssen, und daraufhin haben wir entschieden, da wir so viel Zeit mit dem Thema „Ortstafeln“ miteinander verbracht haben, können wir auch hier nebeneinander sitzen. (Allgemeiner Beifall.)

Wir reden über ein Thema, das mich persönlich über einen Zeitraum von ungefähr zwei Jahren beschäftigt hat. Ich war in diesem Zeitraum etwa zwei Tage pro Monat damit befasst, habe viel Zeit davon auch in Kärnten verbracht. Wir haben schlussendlich – das Ende im Verhandlungsprozess war der 26. April 2011 – ein Ergebnis gefunden, das damals alle drei Vertreter der Slowenen-Organisationen, der Herr Landeshaupt­mann und ich am Ende eines von mehreren Acht-Stunden-Marathons unterschrieben haben. Dass sich danach ein bisschen etwas geändert hat, ist bedauerlich, aber dass es im Nationalrat eine solch breite Zustimmung gegeben hat, ist sehr erfreulich.

Ich gehe jetzt nicht mehr ins Detail, es ist schon so viel darüber geredet worden, sondern spreche nur ganz wenige Eckpunkte an. Wir haben, was das Symbolthema anlangt, das 56 Jahre lang ein intensiv diskutiertes Thema nicht nur in Kärnten, son­dern in Österreich war, mit 164 Ortstafeln eine Lösung gefunden. Das sind mehr, als ich im November letzten Jahres als Rahmen abgeschätzt habe, so viele wie noch bei keiner Lösung davor, und auch viel mehr Ortschaften und Bewohner in diesen Ortschaften als je zuvor. – Das ist der eine Teil.

Der andere Teil: Wir haben uns darauf verständigt, dass wir bei der Amtssprache Erweiterungen vornehmen. Es gibt einen Kompromiss, der damals intensiv ausver­handelt wurde. Wir haben Regelungen getroffen über die sogenannte Abstimmungs­spende, die auch heute noch auf der Tagesordnung steht, wobei es um die Frage der Zukunft geht.

Ich habe immer gesagt, die Frage der Ortstafeln hat einerseits Symbolcharakter, ist Thema der Vergangenheit, natürlich mit einer Lösung für die Zukunft, wenn man aber die Sloweninnen und Slowenen in Kärnten unterstützen will, dann geht es auch um die Frage der Bildung, also um eine zweisprachige Musikschule, um zweisprachige Kindergärten, Gemeinde-/Privatkindergärten, um die Förderung von kulturellen Aufga­ben. Wir haben ein Dialogforum vereinbart, das auf Landesebene eingerichtet wird. Wir haben also einerseits versucht, Vergangenheit zu bewältigen, die ja in hohem Ausmaß auch mit starken Traumatisierungen verbunden ist. Die diesjährige Bachmann-Preis­trägerin Maja Haderlap, die übrigens heute am Abend im MuseumsQuartier liest, hat vor eineinhalb Wochen ihr Buch veröffentlicht, in dem es genau um dieses Thema geht – Partisanen, die Frage des Verhältnisses von slowenischsprachiger zu deutsch­


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 42

sprachiger Bevölkerung –, das auch wir sehr intensiv zu besprechen hatten und besprochen haben.

Es war ein hartes Ringen – wir haben es geschafft. Es ist schön, dass ich jetzt hier stehen und reden und dann dabei sein darf, wenn Sie darüber abstimmen.

Zu den Details ist, wie bereits erwähnt, viel gesagt worden. Es gibt ein Zitat von Cicero, das da lautet: „Keine Schuld ist dringender als die, Dank zu sagen.“ – Das ist jetzt auch jener Moment, in dem ich dem nachkommen will.

Zuallererst möchte ich mich beim Herrn Bundeskanzler bedanken. Er hat mir vor etwa zwei Jahren den Auftrag gegeben, mich dieses Themas anzunehmen. Damals hat er zwei Dinge vorgeschlagen und auch öffentlich gemacht, nämlich zum einen, dass wir beabsichtigen, das Thema „Ortstafeln“ bis zum Jahr 2012 zu lösen. Das ist damals kurz kritisiert worden als ein quasi Wegschieben; im Nachhinein wissen alle, von Parteienvertretern bis zum Kärntner Diözesanbischof, dass das eine extrem g’scheite Idee war, sich Zeit zu geben, um dieses Thema aufzuarbeiten.

Die zweite Empfehlung, die er mir gegeben hat, war, nicht wieder Runde Tische wie in der Vergangenheit zu veranstalten, bei denen die Partner, deren Meinungen weit auseinanderliegen, dann quasi das Gesicht verlieren würden, sondern Einzelge­spräche zu führen. Das war der viel zeitaufwendigere Weg, aber wir haben diesen Weg gewählt, und er war letztendlich erfolgreich.

Bedanken möchte ich mich aber auch bei Herrn Vizekanzler und Außenminister Michael Spindelegger. Er war in der Bundesregierung sozusagen mein Ansprech­partner, und es war immer möglich, ihn vertraulich über den Stand der Gespräche zu informieren. Es ist nichts nach außen gedrungen. Diese Vertraulichkeit war ein ganz besonders wichtiges Moment in diesen Verhandlungen, weil es ja darum ging, das Vis-à-vis nicht zu überfordern, sondern gemeinsam in vielen Gesprächen von zwei Polen ausgehend die Mitte zu erreichen, die „Mitte der Brücke“, wie der Herr Landes­hauptmann immer wieder auch gesagt hat.

Auf Ebene der Landespolitik gibt es zwei Personen, bei denen ich mich auch ganz besonders bedanken will; eine davon sitzt neben mir. Ich habe mit Herrn Landeshaupt­mann Dörfler schon sehr früh Gespräche führen können, wobei ebenso Vertraulichkeit gegolten hat. Das, was wir ausgemacht haben, blieb in unserem Kreis, damit wir den Verhandlungsprozess nicht durcheinanderbringen. Er hat einen sehr weiten Weg zurückgelegt. Er hat es auch geschafft, dass seine Partei mitgeht. Er hat mir immer gesagt, ich könne mich darauf verlassen, dass die Dinge, die wir ausmachen, dann auch durchgesetzt werden können, auch in der eigenen Partei durchgesetzt werden können. Ich möchte mich erstens für dieses Vertrauen, zweitens für diese Handschlag­qualität ganz besonders bedanken. – Lieber Gerhard, vielen herzlichen Dank! (Allge­meiner Beifall. – Der Redner reicht Landeshauptmann Dörfler die Hand.)

Es gibt aber noch jemanden in der Kärntner Landespolitik, bei dem ich mich auch ganz besonders bedanken will, nämlich Herrn Dr. Peter Kaiser, Landeshauptmann-Stell­vertreter. Man muss, wenn man sich das Ganze anschaut, sehen, dass sehr viele Bürgermeister jener 24 Gemeinden, in denen die Ortschaften liegen, wo zweisprachige Ortstafeln aufgestellt werden, SPÖ-Bürgermeister sind, die auch nicht immer ein sorgenfreies Verhältnis zu diesem Thema hatten, und Peter Kaiser hat mich in vielen Gesprächsrunden immer dabei unterstützt, auch jene Bürgermeister, die Sorgen geäußert haben, mit auf den Weg zu nehmen. Am Ende sind sie dann alle dazu gestanden.

Ganz besonders bedanken möchte ich mich natürlich auch bei den Vertretern der Kärntner Sloweninnen und Slowenen. Zwei, die auch bis zum Ende zum Kompromiss


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 43

gestanden sind, sind Marjan Sturm und Bernard Sadovnik. Sie waren auch bei der Nationalratssitzung anwesend. Sie waren immer sehr vertrauensvolle, sehr kon­struk­tive Gesprächspartner. Es war von Anfang an klar, sie wollen eine Lösung dieses Sym­bolthemas, denn die Lösung dieses Symbolthemas ist sozusagen die Eröffnung einer guten, kooperativen, gemeinsamen, besseren Zusammenarbeit, eines entsprechenden Zusammenlebens zwischen den slowenischsprachigen und deutschsprachigen Teilen der Kärntner Bevölkerung.

Auf der anderen Seite gibt es die sogenannten Heimatverbände. Da hat es lange Zeit sehr starken Widerstand gegen eine Lösung gegeben, die über 149 – das war so eine Zahl – Ortstafeln hinausgeht. Dort gibt es eine Person, die ganz besonders hilfreich war: der frühere Landeshauptmannstellvertreter Rudi Gallob und Sprecher von „Unser Kärnten“, der immer viel Verständnis aufgebracht und viel im Hintergrund gearbeitet hat, dass wir zu dem Ergebnis kommen konnten, zu dem wir letztendlich gekommen sind. Wir haben uns in Wien getroffen, wir haben uns auch in einer Konditorei in Lavamünd getroffen. Also es haben sehr viele Gespräche stattgefunden, er hat uns immer unterstützt und ist am Ende auch zu dieser Lösung gestanden.

Die Bürgermeister habe ich schon erwähnt: Es waren 24 Bürgermeister – 23 Bür­germeister und eine Bürgermeisterin –, die in mehreren Runden miteinander und in vielen Einzelrunden ihre Sorgen, teilweise auch ihre Bedenken geäußert haben. Wir haben immer gesagt: Wenn wir diese Lösung zustande bringen, dann stehen wir alle dazu, dann ist das nicht nur eine Last, die die einzelnen Bürgermeister zu tragen oder zu argumentieren haben, sondern die wir gemeinsam tragen.

Beispielhaft erwähne ich zwei von ihnen. Der eine ist der Landtagsabgeordnete Jakob Strauß aus Sittersdorf – Žitara vas heißt es auch –, der sehr intensiv und konstruktiv mitgewirkt hat. Der andere ist Franz Josef Smrtnik aus Bad Eisenkappel, Železna Kapla. Das ist jener Ort, aus dem auch Maja Haderlap herkommt, die ich vorhin erwähnt habe. Das sind die beiden Gemeinden, wo wir am 16. August symbolhaft – der Herr Bundeskanzler, der Herr Landeshauptmann und sonstige Personen – Ortstafeln aufstellen werden. Das ist auch schon mit den Bürgermeistern vereinbart. (Vizepräsident Mag. Himmer übernimmt den Vorsitz.)

Auch allen anderen Gemeinde-, Bezirks-, Landes-, Bundespolitikern, Volksgruppen­vertretern und Heimatverbändevertretern, die ich jetzt nicht genannt habe, will ich natürlich Dank sagen; auch den vielen Bürgerinnen und Bürgern für das extrem positive Feedback, das es gegeben hat. Ich werde – und ich traue mich, das wirklich zu sagen – in meinem politischen Leben wahrscheinlich nie mehr so viele positive Reaktionen aus der Bevölkerung bekommen wie in diesem Fall. Das hat natürlich auch mit der symbolischen und historischen Aufladung dieses Themas zu tun.

Ich möchte wirklich auch persönlich Dank jenen Menschen sagen, die sonst nicht erwähnt werden, die aber ganz Wesentliches beigetragen haben. Das waren einerseits Mitarbeiter aus dem Büro des Herrn Landeshauptmannes. In diesen vielen, vielen Stunden, die wir miteinander verbracht haben, war immer eine gewisse Kerngruppe dabei, die mitgearbeitet hat: Nicole Beclin, Dr. Larissa Herzog-Sternath, die hier ist, Mag. Johannes Graber, Dr. Gerfried Arko und Dr. Glantschnig aus dem Amt der Kärntner Landesregierung.

In meinem Büro beziehungsweise im Kabinett des Bundeskanzlers waren es meine persönliche Assistentin, Petra Scharaditsch und mein Büroleiter Niko Gretzmacher, der auch hier sitzt, der mich immer entlastet hat, wenn ich in Kärnten unterwegs war.

Zur Tourgruppe sozusagen gehörten Elvira Franta, meine Pressesprecherin, Marcin Kotlowski und Mag. Jürgen Meindl, der auch anwesend und stellvertretender Kabinett­chef des Bundeskanzler ist – bald kann man sagen: war, denn nachdem wir die


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 44

Kärnten-Geschichte abgeschlossen haben, geht er als Botschafter nach Bern. Und auch Dr. Gerhard Hesse, Chef des Verfassungsdienstes, ist immer mit seiner Kompetenz, wenn solche Fragen aufgetaucht sind, bereitgestanden. Wir hatten auch einen Fahrer, Herrn Obradovic, der uns immer in einem silbernen VW-Bus, der sozusagen der Tourbus war, den wir uns vom Außenministerium ausgeborgt haben, sicher nach Kärnten, durch Kärnten und wieder zurück gebracht hat.

Wie gesagt: Wir haben die umfangreichste, die beste Lösung aus all den Vorschlägen, die es bisher für die Kärntner Slowenen und Sloweninnen gegeben hat und die umsetzbar waren, erreicht. Es war natürlich ein dezidiertes Ziel, die Volksgruppe zu fördern, zu unterstützen. Das ist uns gemeinsam gelungen.

Ich habe vorhin Maja Haderlap als eine der Kärntner Autorinnen genannt. Ich möchte noch einen anderen kurz nennen. Florjan Lipuš, der auf Slowenisch schreibt, hat ein berühmt gewordenes Buch geschrieben: „Der Zögling Tjaž“, übersetzt von Peter Handke. Dort kommt in den ersten 14 Sätzen übrigens achtmal das Wort „Dörfler“ vor, im Sinne von „Dorfbewohner“. (Heiterkeit.) Und Florjan Lipuš hat vor einem Jahr etwas gesagt, das mir auch im Nachhinein noch einmal aus dem Herzen spricht. Ich bin oft gefragt worden, wie wir diese Lösung zustande gebracht haben. Es war – und ich sage das wirklich so – ein Ergebnis der Kraft des Gespräches und ein Ergebnis, wo sich die Vernunft durchgesetzt hat.

Und Lipuš hat vor ungefähr einem Jahr geschrieben: Die Vernunft hat bei den meisten Menschen ein Entwicklung erfahren. – So hat er es formuliert. Dem schließe ich mich voll an.

Dem ist nichts mehr hinzuzufügen, außer einer Bitte: dass Sie ein besonders schönes Signal setzen und dieses Ergebnis möglichst einstimmig annehmen. – Vielen Dank. (Allgemeiner Beifall.)

10.36


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächstem erteile ich Herrn Landeshaupt­mann Dörfler das Wort. – Bitte, Herr Landeshauptmann.

 


10.36.30

Landeshauptmann von Kärnten Gerhard Dörfler: Herr Präsident! Herr Staats­sekretär! Geschätzte Damen und Herren! Ich darf herzlich Grüß Gott sagen und möchte gleich zum „Dorfbewohner“ kommen. Ich bin tatsächlich ein Dorfbewohner, wohne in der Gemeinde Himmelberg, in der Ortschaft Werschling. Werschling ist ein slowenischer Ortsname, heißt übrigens „Anhöhe“. So gesehen hat Lipuš durchaus recht gehabt.

Ich möchte vielleicht ein letztes Mal dieses Thema auch etwas im Rückblick betrachten, denn ich glaube, es ist heute wichtig, wenn Sie diesem Gesetz Ihren Segen geben – möglichst einstimmig, das wäre auch meine Bitte –, dass man schon diesen Sonderfall Kärnten auch beleuchten muss: Warum war es so schwierig? Viele meinen aus der Entfernung, das sei unverständlich. Aber wenn man die Geschichte dieses Themas, dieses Landes und letztendlich zweier Weltkriege, die damit verbun­den sind, erörtert, erläutert und versucht zu durchblicken, dann weiß man, warum es derartige Verwundungen gegeben hat, warum es erst 56 Jahre nach dem Staatsvertrag dann Gott sei Dank möglich war, eine Lösung zu finden.

Ich würde meinen, mit Josef Ostermayer und mir war es so, dass Vertrauen statt Misstrauen sozusagen die Botschaft und der Zugang zum Thema waren. Die Chemie hat in unseren ersten Gesprächen, die letztes Jahr um diese Zeit etwa stattgefunden haben, gestimmt, wo ich jedenfalls erkannt habe, einen außergewöhnlichen Menschen kennenlernen zu dürfen, wo man nicht Eitelkeit und Misstrauen hatte, wer schneller ist,


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 45

wer die Schlagzeile produzieren wird, sondern ein klares Ziel gemeinsam vereinbart hat. Und dieses Vertrauen war letztendlich die Grundlage und genau der Gegenpol zum Misstrauen, das es jahrzehntelang rund um die Kärntner Frage gegeben hat.

Es gibt das Buch „Der Sonderfall“ zur Kärntner Zeitgeschichte. Das hat der ehemalige KTZ-Chefredakteur Hellwig Valentin geschrieben. Er hat sie von 1918 bis zum Jahr 2004 beleuchtet. Ich würde sie von 1914 bis 2011 kurz beleuchten wollen. Dann wird man wahrscheinlich verstehen, warum diese Lösung auch so schwierig war.

Sommer 1914: Sarajevo. Interessant ist, dass ein Kärntner Diplomat als Hoher Reprä­sentant seit einiger Zeit in Sarajevo tätig ist. Das Attentat auf Thronfolger Franz Ferdinand war letztendlich der Auslöser für das Ende des alten Europa, aber es gab auch – aus heutiger Sicht kann man das absolut bestätigen – eine dramatische Auswirkung auf den Süden Österreichs, besonders auf Kärnten und die Steiermark.

1914 bis 1918: der Erste Weltkrieg. Das Aus für die Habsburgermonarchie.

August 1918: Gründung des slowenischen Nationalrates in Laibach.

17. Oktober 1918: Der slowenische Nationalrat beschließt umfassende Gebietsan­sprüche an Österreich. Zuerst wurde ganz Kärnten beansprucht, später reduzierte Laibach seine Gebietsansprüche auf etwa ein Drittel der Landesfläche beziehungs­weise auf die Hälfte der Kärntner Landesbevölkerung.

11. November 1918: Die provisorische Kärntner Landesversammlung beschließt den Beitritt zum Staat Deutsch-Österreich. Kärnten wünscht die republikanische Staats­form.

Einen Tag später, 12. November 1918: In Wien ruft die Nationalversammlung Deutsch-Österreich als demokratische Republik aus. Das heißt, Kärnten hat einen Tag, bevor sich Österreich als demokratische Republik aufgestellt hat, schon ein Bekenntnis zu dieser demokratischen Republik abgegeben.

November 1918: Die SHS-Verbände besetzen viele Orte im Südosten Kärntens. Am 30. November 1918 überschreiten die SHS-Truppen die Drau und besetzen die Be­zirks­hauptstadt Völkermarkt. Auch die Landeshauptstadt Klagenfurt wird das erste Mal massiv bedroht.

1. Dezember 1918: Gründung des Königreiches der Serben, Kroaten und Slowenen, des sogenannten SHS-Staates.

5. Dezember 1918: Die Kärntner Landesversammlung fasst den Beschluss zum bewaffneten Widerstand, zum Kärntner Abwehrkampf. Landesverweser Dr. Arthur Lemisch, Landesbefehlshaber Ludwig Hülgerth, Kärntner Freiwilligenverbände und Volkswehreinheiten befreien große Teile des Landes.

Zum Kärntner Abwehrkampf ist zu sagen: Natürlich sind wir in Kärnten zu Recht dankbar dafür, dass es diesen Abwehrkampf gegeben hat, denn ohne ihn würde aus meiner Sicht die Republik Österreich unter Umständen so, wie wir sie heute, im Jahr 2011, erfreulicherweise und Gott sei Dank haben, vielleicht nie stattgefunden haben. Man denke nur daran, dass man in Vorarlberg und Tirol durchaus daran dachte, sich mit Deutschland oder der Schweiz zu verbinden. Auch in Salzburg und sogar in der Steiermark gab es Sorgen und Ängste und bereits so etwas wie private Abstimmungen darüber, ob sich zum Beispiel die Steiermark Bayern anschließen sollte.

Das heißt, Kärnten hat mit diesem Abwehrkampf letztendlich nicht nur die Grundlage dafür geschaffen, dass es ein ungeteiltes Kärnten und ein Ja zu Österreich gegeben hat, sondern hat mit Sicherheit auch einen wesentlichen und wahrscheinlich Kern­bei­


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 46

trag dafür geliefert, dass wir diese Zweite Republik auch im Jahr 2011 stolz erleben dürfen.

Jänner 1919 – und das war entscheidend –: Die Miles-Kommission bereist Kärnten. Durch die Kämpfe zur Jahreswende 1918/19 wird die Aufmerksamkeit einer amerika­nischen Studienkommission auf die Kärntner Frage gelenkt. Ende Jänner 1919 bereist eine amerikanische Delegation unter der Leitung von Sherman Miles Kärnten. Die amerikanischen Experten, durchwegs ausgezeichnete Fachleute, versuchen, sich ein objektives Bild von der Stimmung der Bevölkerung zu machen. Ihr Abschlussbericht, der die Haltung der amerikanischen Friedensdelegation in Paris entscheidend beein­flussen wird, fällt eindeutig zugunsten Österreichs aus.

Ich zitiere aus dem Miles-Bericht, aus Archivmaterial:

„Hinsichtlich der nationalen Wünsche überzeugte uns unsere Untersuchung, dass die Mehrheit der Bevölkerung zwischen der Drau und den Karawanken die österreichische Herrschaft bevorzugt. Die herausragende Tatsache ist eine große Zahl von Slowenen, die ausdrücklich die österreichische Herrschaft bevorzugen und deren politische Überzeugung ein ungeteiltes Kärnten ist. Der Slowene, der kein Jugoslawe sein will, ist eine merkwürdige Erscheinung, an die wir niemals geglaubt hätten, wenn wir ihm nicht selbst begegnet wären, und noch dazu in großer Zahl.“

Das ist der Miles-Bericht; US-Präsident Wilson setzt dann gegen den Widerstand der anderen alliierten Mächte für Kärnten eine Volksabstimmung durch. Das war eine amerikanische Hilfe, die es möglich gemacht hat, nach den Entscheidungen im Lande, nach dem Start des Abwehrkampfes zu einer Lösung zu kommen. Und heute ist unsere Dankbarkeit insofern im Gebäude der Kärntner Landesregierung festgehalten, als es dort eine entsprechende Tafel gibt, mit der Herrn Präsidenten Wilson und auch Herrn Sherman Miles gedankt wird.

Die Kärntner Volksabstimmung hat ein klares Ja zu Österreich ergeben. 60 Prozent haben für den Verbleib bei Österreich gestimmt. Dabei muss man auch festhalten, dass, obwohl es in diesem Gebiet 70 Prozent slowenischsprachige beziehungsweise windische Kärntner gegeben hat, insgesamt 60 Prozent für Österreich gestimmt haben. Und dafür sind wir in Kärnten dankbar. Deshalb wird auch alle Jahre der 10. Oktober – das ist unser Landesfeiertag –, auch heute noch, mit großer Dankbarkeit, mit großem Respekt gefeiert.

Dann kam die wohl schwierigste Zeit – in der Zwischenkriegszeit gab es zwar einige Jahre Not, aber Frieden –: der Zweite Weltkrieg. Das war wahrscheinlich, wenn man es rückblickend betrachtet, die größte Verwundung, die man einerseits der Kärntner Volksgruppe, aber auch dem Land insgesamt zugefügt hat, nicht nur den Österreichern insgesamt.

In der Zeit der NS-Diktatur ist unseren slowenischsprachigen Landsleuten schweres Unrecht angetan worden. Im April 1942 wurden mehr als tausend Menschen von ihren Bauernhöfen in Kärnten vertrieben und in Umsiedlerlager nach Deutschland deportiert. Das muss man sich vorstellen, was da der Volksgruppe angetan wurde! Da gibt es nichts daran herumzudeuteln: Dass das auch die Geburtsstunde für die Partisanen­tätigkeit in Kärnten war, ist natürlich eine bedauerliche Abrechnung – eine Zeit der Ab­rechnung, die natürlich im Lande auch Furchtbarkeiten vor Ort gebracht und letzt­endlich schon auch das Ziel verfolgt hat, dass Kärnten wieder ein Teil oder erst recht ein Teil Jugoslawiens werden soll.

Die jugoslawischen Gebietsforderungen blieben jedoch aufrecht. Trotzdem war es dann glücklicherweise so, dass sich Tito mit Stalin zerkracht hat und diese Gebiets­an­


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 47

sprüche aufgegeben werden mussten. Das war ein Streit, der positiv für Kärnten und Österreich ausgegangen ist.

Im Grenzgebiet herrschte jahrelang ein Klima der Angst. Man muss wissen, dass nach den Friedensverhandlungen sechs Jahre lang bis zum Staatsvertrag große Unsicher­heit auch im Süden Kärntens vorhanden war und die Menschen natürlich – das kann man sich heute alles nicht vorstellen, aber ich habe auch mit vielen Zeitzeugen gesprochen – ständig in einer Phase der Unsicherheit – über Jahre! – Sorgen hatten, dass dieses Kärnten immer noch Ängste dahin gehend hatte, dass es leider geteilt werden soll.

Dann kam die Zeit zwischen 1970 und 1980, ich habe sie einmal als die Zeit des Schmierens, der Bomben und des Ortstafelsturms bezeichnet.

1970: 50 Jahre Kärntner Volksabstimmung, große Feierlichkeiten, aber auch der Beginn eines gewissen aktionistischen Ortstafelbeschmierens, Gebäudebeschmierens. Das hat dann dazu geführt, dass Bruno Kreisky und Hans Sima das 1. Ortstafelgesetz am 6. Juli 1972 beschlossen haben. 205 Ortschaften hätten damals zweisprachig be­schildert werden sollen.

Was darauf folgte, war leider Gottes auch ein Unverständnis der Menschen, weil sie im Gegensatz zum Jahr 2011 nicht auf die Reise der politischen Entscheidung mitge­nommen wurden. Dann kam der Ortstafelsturm, der ja von Menschen aus allen politischen Richtungen mit inszeniert wurde; das war nicht ein parteipolitischer Ortstafelsturm, sondern es hat auch einen für heute nicht nachvollziehbaren, aber verständlichen Sturm gegeben, was wieder zu Eskalationen geführt hat.

Die Bomber sind aktiv. Das war in der Zeit von 1972 bis 1977. Mehr als 20 Anschläge wurden in Kärnten verübt und haben natürlich zu schwersten Auseinandersetzungen geführt, beziehungsweise wurde das Unverständnis verstärkt statt abgebaut.

1976: Das 2. Ortstafelgesetz unter Bundeskanzler Bruno Kreisky wurde im Parlament einstimmig beschlossen. Die damalige Basis war 25 Prozent Volksgruppenanteil für zweisprachige Ortstafeln, das hat damals 91 Ortschaften bedeutet.

Dann kam aus meiner Sicht die sogenannte ruhige Zeit von 1980 bis 2000. Ich darf daran erinnern, dass 1990 die zweisprachige HAK in Klagenfurt gegründet wurde. 1990 hat Jörg Haider das Volksgruppenbüro im Amt der Kärntner Landesregierung als Servicestelle für unsere Kärntner Volksgruppe gegründet.

Am 25. Juni 1991 erklärt Slowenien seine Unabhängigkeit.

2001 – das war mein erstes Gesetz, das ich als damals junger Quereinsteiger umge­setzt habe –: das Gesetz zur Förderung der privaten mehrsprachigen Kindergärten in Kärnten.

Dazu kommt noch, dass am 1. Mai 2004 Slowenien der EU beigetreten ist.

2000 bis 2010: Nach der Phase der Ruhe flammt ein Streit wieder auf. Es ist bekannt, dass damals der Ratgeber Dr. Khol aus Tirol dem Schnellfahrer und Provokateur Dr. Rudi Vouk einen Rat gegeben hat, mit diesen Provokationen eine Entscheidung herbeizuführen – eine Entscheidung, die für manche unverständlich ist, denn ich halte fest, dass für mich der Nationalrat und der Bundesrat gesetzgebende Organe der Republik Österreich sind und nicht die Verfassungsrichter. Sie haben sich in zwei Entscheidungen auch schlichtweg vertan. In St. Kanzian wäre damals, im Jahr 2001, eine Ortstafel ohne Aufschrift gestanden. Man hat die deutschsprachige Aufschrift auf­gehoben, aber nicht dafür gesorgt, dass es eine konkrete Umsetzung einer zwei­sprachigen Ortstafel geben soll.


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 48

Ich darf auch daran erinnern, dass es bezüglich Bleiburg-Ebersdorf eine Entscheidung gegeben hat, die auf einer falschen Verordnung aufgebaut war. Ich muss mir einfach als Landespolitiker auch erwarten dürfen, dass Verfassungsrichter ihre Entscheidun­gen auf einer rechtskonformen Verordnung aufbauen, was da jedoch nicht der Fall war, was ja dann auch zum sogenannten Verrücken der Ortstafeln geführt hat. In Wirk­lichkeit war es das Herstellen eines Rechtszustandes, dass man aus zwei falsch verordneten Ortstafeln vier richtig verordnete umgesetzt hat. Das hat der VfGH nur nicht erkennen wollen oder nicht dürfen – wie auch immer.

Die gescheiterten Lösungen sind ausreichend bekannt. 141 Schüssel/Haider mit Öffnungsklausel; 158 im sogenannten Karner-Papier und 163 im Gusenbauer-Initiativ­antrag.

2010/2011: ein neuer Start, ein neues Ziel, wie ich schon gesagt habe. Die Grundlage war mit Herrn Staatssekretär Ostermayer Vertrauen statt Misstrauen. Das war wahr­scheinlich die wichtigste Botschaft nach innen, auch an alle Verhandlungspartner, egal, ob an die Kärntner Heimatverbände, die Kärntner Volksgruppe, die Parteichefs in Kärnten, vor allem auch die Bürgermeister, die vor Ort die Lastenträger der Umsetzung des Themas sein werden. Aber auch da haben wir gemeinsam mit Staatssekretär Ostermayer dafür gesorgt, dass monatelange Bereisungen, Aufklärungsarbeit, Gespräche, Hintergrundgespräche, upgedatete Gespräche, damit man weiß, was der eine zum anderen sagt, dazu geführt haben, dass tatsächlich nach dieser anfänglichen Phase, die durchaus von Misstrauen und der Sorge, dass es wieder zu einer Eska­lierung kommt, geprägt war, ein guter Start hingelegt wurde.

Bundeskanzler Faymann hat am 10. Oktober 2010 bei den Verhandlungen bezie­hungsweise bei der Feier „90 Jahre Kärntner Volksabstimmung“ gemeint, es wird keine Lösung ohne Kärnten geben.

Es war klug vom Herrn Bundeskanzler, in dieser Frage den besten Mann, nämlich Dr. Josef Ostermayer, einzusetzen. Das war eine weise und kluge Entscheidung, das kann ich heute mit Fug und Recht behaupten. Dr. Ostermayer versteht Kärnten und hat sich alle Zeit dafür genommen, um über Monate die Vorgespräche zu führen und letztendlich im November 2010 auch die Eckpfeiler für die Lösung bekanntzugeben, die da waren: Es muss ein Verfassungsgesetz sein. Es wird keine Öffnungsklausel geben, damit es auch dauerhaft eine Streitbeilegung gibt. Es gibt keine Minderheitenfest­stellung, weil die Volksgruppe das ablehnt und das politisch nicht mehrheitsfähig ist. Das war auch für meine Partei durchaus eine große Herausforderung, weil wir ja immer eine Minderheitenfeststellung verlangt haben, denn wenn ich mich auf etwas einige, dann sollte ich wissen, auf welcher Basis ich aufbaue. Da sieht man schon, dass wir tatsächlich einen weiten Weg gegangen sind, ich persönlich, aber vor allem auch meine Partei, um letztendlich eine Lösung zu erarbeiten. Und wir haben uns damals verständigt, dass die Lösung zwischen 141 und 163 Ortstafeln sein soll.

2011: zwei Freunde, ein Ziel – so würde ich das bezeichnen. Ich meine, dass die Chemie, die zwischen uns beiden entstanden ist, sozusagen der Kitt in schwierigen Pha­sen war, denn in Wahrheit waren wir schon in der ersten großen Verhand­lungsrunde eher im Straßengraben als in Richtung Ziel unterwegs. Es war viel Geduld notwendig. Man musste sich viel anhören. Man musste Forderungen diskutieren, die eigentlich indiskutabel sind. Aber die Geduld, die wir hatten, war letztendlich der richtige Weg zum Ziel. Dass wir niemanden vor die Tür gesetzt haben, dass wir auch die Forderungen und Positionen von vielen Beteiligten, die teilweise absolut unver­ständlich waren, ausreichend diskutiert haben, eher Stunden länger als eine Minute zu kurz – das war letztendlich genau dieses Konstrukt. Wir haben nie etwas nach außen getragen, damit es keine Wunden bei Vertretern irgendwelcher Standpunkte im Außenfeld gibt.


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 49

Die Lösung stand unter dem Motto „keine Sieger, keine Verlierer, Sieger muss Kärnten sein“ und „die Mitte der Brücke“.

Vielleicht noch ganz kurz: Es gibt drei Bauteile. Bauteil eins: das Kreisky-Gesetz 1976 mit den 91 Ortschaften plus den zwei verordneten Ortschaften Bleiburg und Ebersdorf, die sogenannten 93 Ortstafeln. Bauteil zwei: alle Verfassungsgerichtshof-Entschei­dun­gen. Ich darf Ihnen mitteilen, dass es auch eine Ortschaft unter 10 Prozent gibt, beispielsweise Buchbrunn in der Gemeinde Eberndorf. Bauteil drei: die Mitte der Brücke mit 17,5 Prozent. Auch dort waren wir großzügig. Wir haben alle kleinen Ortschaften von 15 bis 20 Prozent der Regelung mit 17,5 Prozent zugeordnet.

2011, das historische Jahr. Wir haben vier Gipfel veranstaltet. Wie gesagt, der Weg zum Gipfel war nicht immer einfach, aber wenn man eine kluge Seilschaft im positiven Sinne miteinander entwickelt, dann ist das Memorandum die Grundlage für ein kluges, gutes und hinsichtlich Quantität und Qualität richtiges Gesetz gewesen.

Das Jahr 2011 darf durchaus als historisches auch im Umfeld bezeichnet werden. Dass die Republik Slowenien 20 Jahre jung ist, ist schön. Dass genau im Jahr 2011 Maja Haderlap aus der südlichsten Gemeinde Österreichs den Bachmann-Literaturpreis gewinnt, ist erfreulich und auch ein Zeichen dafür, wie Kärnten wirklich funktioniert. Der Bürgermeister der südlichsten Gemeinde Österreichs hat nicht nur zur Ortstafellösung extrem viel beigetragen, sondern erstmals wurde jemand Bürger­meister in Kärnten, der auf der EL, der Enotna Lista, kandidierte – vor einem Jahr noch undenkbar. Er hat wirklich einen großen Beitrag auch zur Lösung mit eingebracht, weil er natürlich auch als Bürgermeister und Mitglied des Rates sieht, dass er als Bürgermeister für alle Menschen da zu sein hat, wie auch ein Bundespolitiker oder Landespolitiker für alle seine Bürger da zu sein hat.

Paco Wrolich, ein Kärntner Slowene, ist Präsident des Radsportverbandes. Marijan Velik ist Präsident des Sportpresseklubs. Hans Mikl ist der neue Kammeramtsdirektor der Landwirtschaftskammer. Sie sehen also, dass in Kärnten auch jeder Kärntner Slowene und jede Kärntner Slowenin – Ana Blatnik sitzt im Bundesrat – seine beziehungsweise ihre Karrierechancen uneingeschränkt hat und haben muss.

Wichtig war auch, dass wir nach den Verirrungen des Ortstafelsturms 1972 die Menschen, obwohl politisch leider umstritten, Gott sei Dank und erfreulicherweise mit auf diese Reise der Entscheidung genommen haben. Über 33 Prozent der Landes­bürgerinnen und ‑bürger haben an der Bürgerbefragung teilgenommen und haben mit Verfassungsmehrheit, mit rund 70 Prozent klargestellt, dass sie diese Lösung mittragen und wollen. Ich bin dankbar dafür, weil es auch ein Zeichen ist, dass die Kärntner Bevölkerung ohne großen Aufwand – man vergleiche nur andere Instrumente sogenannter Bürgermeinungen, ich will jetzt nicht sagen, wo, die mit Millionenaufwand getragen 35 Prozent Teilnahmequote gebracht haben – daran interessiert war, an dieser Lösung teilzunehmen, und sie hat sie mitgetragen. Deshalb bin ich eine große Sorge los, die dahin ging, dass es 2011 wieder zu irgendwelchen Eskalationen kom­men könnte.

Wir beide sind die Garanten dafür und haben gezeigt, dass Politiker über Partei­grenzen hinweg, wenn es um eine wichtige, entscheidende Sache geht, so etwas wie eine ehrliche Freundschaft auch leben und den Menschen signalisieren und zeigen, dass Freundschaft besser ist als aufrüstende Emotionen und somit wieder Eskalation.

Ich darf mich bei dir, Josef, herzlich bedanken. Du bist, wie ich es gesagt habe, ein großer Kärnten-Versteher, ein Mann mit Wissen – Staatssekretär Josef Ostermayer war bestens vorbereitet, es gab nichts, das er nicht wusste –, ein Mann mit Geduld und Zeit – es hat noch nie ein Bundespolitiker in diese Frage und in dieses Bundesland so


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 50

viel Zeit investiert, aber es hat sich gelohnt; danke, Josef! –, ein Mann, dessen Wort hält.

Ich darf mich aber auch beim Herrn Vizekanzler Michael Spindelegger bedanken. Auch mit ihm habe ich letzten Sommer in Kärnten gesprochen. Ich habe ihm versichert, weil man mir das ja nicht zugetraut hat – ich habe in spannenden Zeiten sozusagen auch meinen Beitrag zu diesem Thema geleistet, aber mir war es ein wichtiges Anliegen –, ich habe mir am Abend des Wahltages, am 1. März 2009, gesagt, diese Frage hast du für dein Land zu lösen. Daher bin ich sehr froh, dass es mit Michael Spindelegger bereits letzten Spätsommer ein ehrliches, offenes Gespräch gegeben hat und wir auch mit einem Handschlag auseinandergegangen sind, dass er dafür sorgen wird, dass seine Partei in Kärnten sozusagen in der Position des eher schweigenden Mitarbeitens das mitträgt. Dafür auch unserem Vizekanzler Michael Spindelegger ein herzliches Dankeschön.

Ich möchte mich aber auch bei Heinz-Christian Strache bedanken, der mir am 10. Oktober 2010 – in Kärnten 90 Jahre Volksabstimmung, in Wien die Gemeinde­ratswahlen – am Telefon versichert hat, wenn es eine Lösung gibt, die wir in Kärnten mit Staatssekretär Ostermayer beziehungsweise mit der Bundesregierung zustande­bringen, wird er seine Stimme dafür zur Verfügung stellen. Das heißt, die Verfas­sungsmehrheit war gesichert.

Ich bedanke mich aber auch bei den Grünen, die die Vorgangsweise in dieser Frage immer sehr genau beobachtet haben. Es ist erfreulich, dass von 183 National­rats­abgeordneten doch 180 mit dabei waren. Auch ein Zeichen von Grün, dass man diese gute Lösung, die zustande gekommen ist, unterstützt hat.

Ich bedanke mich bei einem persönlichen Freund, Stefan Petzner, der für das BZÖ als Wissender in Kärnten auch dafür Sorge getragen hat, dass auch Orange mit dabei ist. Danke, Stefan!

Ich bedanke mich besonders bei Bundespräsident Heinz Fischer, der mir quasi in allen Begegnungen, die wir hatten, besonders bei der Angelobung nach der Wahl ans Herz gelegt hat, diese Frage lösen zu wollen. Herr Bundespräsident! Ich darf Ihnen sagen, ich habe gemeinsam mit Staatssekretär Ostermayer mein Versprechen auch eingelöst.

Ich bedanke mich aber auch beim slowenischen Staatspräsidenten Danilo Türk, der in seinen Aussagen diese Lösung auch mitträgt und mit unterstützt hat.

Somit ist „Der Sonderfall“ Kärnten, das Buch von 1914 bis 2011, geschlossen. Der Streit ist zu Ende. Wir schreiben ein neues Buch. Eine neue Zeit bringt ein neues Buch unter dem Motto „miteinander in eine gemeinsame Zukunft“.

Josef, ich darf mich herzlich bei dir bedanken, dass wir dieses Buch schreiben dürfen. (Allgemeiner Beifall.)

10.58


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste gelangt Frau Bundesrätin Blatnik zu Wort. – Bitte, Frau Kollegin.

 


10.58.54

Bundesrätin Ana Blatnik (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Gospod president! Herr Staatssekretär! Gospod državni sekretár! Herr Landeshauptmann! Gospod deželni glavar! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Drage poslušalke in poslušalci! Liebe Kolle­ginnen und Kollegen! Drage kolegice in kolegi!

Ich bin heute sehr stolz, und zwar stolz deswegen, weil wir ein Gesetz beschließen, das mir ein großes Anliegen ist. Es ist ein Gesetz, das Ausdruck von Gemeinsamkeit in Kärnten symbolisiert. Ich bin Europäerin, ich bin Österreicherin, ich bin Kärntnerin, ich


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 51

bin Kärntner Slowenin. Kärnten ist meine Heimat. Kärnten ist eine Heimat, wo zwei Sprachen und zwei Kulturen zu Hause sind. Kärnten ist Vielfalt, und Vielfalt ist eine Stärke in der modernen Gesellschaft. Vielfalt ist auch die Stärke der Kärntner Gesell­schaft.

Wir in Kärnten leben in einem gemeinsamen Raum des Wirtschaftens, in einem gemeinsamen Raum des Arbeitens. Ganz egal, welche Sprache wir sprechen, ganz egal, ob wir der Mehrheitsbevölkerung angehören oder der slowenischen Volksgruppe: Was brauchen wir Kärntner und Kärntnerinnen? – Wir brauchen für die Zukunft ein gemeinsames Kärnten, ein Kärnten des Vertrauens, ein Kärnten, in dem Gemein­samkeit im Vordergrund steht. Wir brauchen ein Kärnten des Miteinander – und kein Kärnten der Vorurteile, des Nebeneinander, des Gegeneinander und des Misstrauens.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn uns das gelingt, dass wir ein Kärnten des Miteinander und der Gemeinsamkeit leben – und nicht nur davon reden –, dann sind Vertrauen und Aufgeschlossenheit für Kärnten garantiert.

Es geht da wirklich nicht um Verlierer und Gewinner. Es geht da nicht um Macht. Und es kann nur einen Sieger geben, nämlich mein Heimatland Kärnten und alle, die da zu Hause sind.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Slowenische und das Deutsche werden in 164 Ortschaften in Kärnten sichtbar gemacht. Es geht mir um ein Sichtbarmachen nicht nur in einem engen Kreis, sondern es wird ein Sichtbarmachen stattfinden von Lavamünd bis Hermagor. Und das ist positiv.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zweisprachige Ortstafeln sind kein Privileg der Kärnt­ner Slowenen und Sloweninnen, denn zweisprachige Ortstafeln gehören allen Kärntnerinnen und Kärntnern. Und zweisprachige Ortstafeln sind ein Symbol dafür, dass da zwei Kulturen und zwei Sprachen leben.

Für mich ist ein Kärnten ohne diese beiden Sprachen einfach nicht mehr vorstellbar. Für mich als Kärntner Slowenin wird heute nicht ein Schlussstrich gezogen, sondern eine neue Seite aufgeschlagen, und zwar eine neue Seite der Gemeinsamkeit.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es hat sich viel verändert in Kärnten – das wurde heute schon gesagt –: Es haben sich Plattformen gegründet, die ein Ziel haben, nämlich das Gemeinsame in den Vordergrund zu stellen.

Ich möchte in diesem Zusammenhang die Kärntner Konsensgruppe erwähnen, ebenso zwei Personen, nämlich Herrn Dr. Marjan Sturm, den Obmann des Zentral­verbandes, sowie Herrn Dr. Josef Feldner, den Obmann des Kärntner Heimatdienstes, die gemeinsam ein Buch geschrieben haben, früher aber Kontrahenten waren. Der Titel dieses Buches: „Kärnten neu denken.“

Genauso möchte hier Maja Haderlap erwähnen, die den Bachmann-Preis bekommen hat. Und erwähnen möchte ich hier auch sehr viele gemeinsame kulturelle Veran­staltungen, so zum Beispiel „Dober vecer sosed“/ „Guten Abend, Nachbarn“. Das sind Zeichen des Miteinander, und diesen Weg müssen wir fortschreiten!

Endlich kommt’s noch – oder wie es unser Herr Bundespräsident gesagt hat: „Die Zeit ist reif!“/ „Čas je zrel!

Nach 56 Jahren wurde in der Ortstafelfrage nun endlich eine Kompromisslösung gefunden, die vom Großteil der Kärntnerinnen und Kärntner befürwortet wird. Natürlich: Bei einem Kompromiss muss man Abstriche machen, und zwar alle Seiten, jeder und jede, wenn man eine Lösung will. Ich, liebe Kolleginnen und Kollegen, will eine Lösung, und ich gehöre zu den Kärntner Sloweninnen und  Slowenen, die diese Kompromisslösung befürworten und begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 52

Ich sage hier auch ganz offen: Es tut mir leid, dass der Rat der Kärntner Slowenen dieser Kompromisslösung nicht zustimmt. Um einen Kompromiss auszuverhandeln, braucht man sehr viel Geduld, sehr viel Zähigkeit, Weitblick, Offenheit und selbstver­ständlich auch den Glauben an eine positive Lösung.

Es wurden dazu, wie schon gesagt, sehr, sehr viele Verhandlungen geführt, und in diesen Verhandlungen ist es den Chefverhandlern gelungen – Herrn Staatssekretär Dr. Josef Ostermayer, Herrn Landeshauptmann Gerhard Dörfler, Herrn Landeshaupt­mann-Stellvertreter Dr. Peter Kaiser, den Bürgermeistern und auch einer Bürger­meisterin, aber auch den slowenischen Organisationen –, aus dem Ortstafelstreit eine Ortstafellösung zu machen.

Dafür möchte mich recht, recht herzlich bedanken. Danke vielmals/hvala lepa!

Dir, lieber Herr Staatssekretär Ostermayer, möchte ich besonders danken für deine Sensibilität in dieser Fage, denn ohne Sensibilität würde es keine Lösung geben. Danken möchte ich dir auch für dein Fingerspitzengefühl, für deine von mir sehr bewunderte Sachlichkeit. Du warst der Richtige am richtigen Platz zur richtigen Zeit. Danke vielmals/hvala lepa! (Allgemeiner Beifall.)

(Bundesrätin Blatnik setzt ihre Ausführungen in slowenischer Sprache fort.)

Danke vielmals/hvala lepa! (Allgemeiner Beifall.)

11.07


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt nun Herr Bundesrat Petritz. – Bitte.

 


11.07.53

Bundesrat Karl Petritz (ÖVP, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Lieber Herr Landeshauptmann von Kärnten Gerhard Dörfler! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Bundesrätinnen und Bundesräte! Liebe Kärntnerinnen und Kärntner, die heute vor den Fernsehschirmen sitzen und dieser Debatte hier folgen! Vorerst möchte ich Herrn Landeshauptmann Gerhard Dörfler auch dafür danken, dass er heute durch seine Anwesenheit hier im Bundesrat zum Ausdruck bringt, wie wichtig ihm der Bundesrat als zweite Kammer des Parla­ments ist. Dafür ein herzliches Dankeschön! (Allgemeiner Beifall.)

Zu den historischen Ausführungen unseres Herrn Landeshauptmannes hier noch ein paar Gedanken von meiner Seite. Für Kärnten, für mich als Kärntner Bundesrat, ist dieser heutige Tag wirklich ein Tag der Freude, wenn hier im Bundesrat, in der zwei­ten Kammer des österreichischen Parlaments, auch der legistische Schlusspunkt unter ein Thema gesetzt wird, das unser Bundesland Kärnten jahrzehntelang belastet und auch sein Image nach außen hin beschädigt hat.

Der Frage zweisprachiger topographischer Aufschriften mag hoher Symbolwert zuerkannt werden, für das Überleben einer Volksgruppe jedoch sind ganz andere Fragen von Bedeutung.

In Kärnten zeigt sich schon lange ein sehr positives Verhältnis gegenüber der slowe­nischen Volksgruppe und deren Sprache. Das belegt das kontinuierliche Wachstum der Anmeldungen zum zweisprachigen Unterricht. Aber der Großteil der angemeldeten Kinder stammt aus rein deutschsprachigen Familien, die im zusätzlichen Spracherwerb für ihr Kind eine Bereicherung sehen.

Die Zahl der muttersprachlich slowenischen Kinder hingegen ist auf niedrigeres Niveau gefallen. Es ist daher zu hoffen, dass sich die Volksgruppenvertreter, insbesondere Dr. Inzko, in nächster Zeit nach einer Lösung umsehen, um dieses Niveau zu heben, und dass diese bald zustande kommt, denn ohne die verstärkte Pflege des Slo­


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 53

wenischen als Familiensprache wird auch ein ganzer Wald von zweisprachigen Aufschriften die Volksgruppe nicht retten können.

Das Ringen um topographische Bezeichnungen ist nicht auf Kärnten allein beschränkt, meine Damen und Herren, sondern es hat in der einen oder anderen Form nationale Auseinandersetzungen in vielen Ländern und Regionen Europas gegeben. In vielen Regionen tobten derartige Auseinandersetzungen, und das reicht bis in die heutige Gegenwart, sei es in Frankreich mit seinen vielen unzufriedenen Volksgruppen, zum Beispiel in der Bretagne, oder sei es in Mazedonien, dessen EU-Beitrittskan­didaten­status durch den endlosen ungelösten Streit über den Staatsnamen blockiert ist. Griechenland bekämpft das noch immer.

Auch hinsichtlich Südtirol besteht in dieser Frage nur die Illusion harmonischer Zwei­sprachigkeit. In Wirklichkeit ist die Frage der Topographie die einzige ungelöste Frage des Autonomieabkommens, denn die italienischen Namen – großteils Erfindungen des italienischen Faschisten Ettore Tolomei – werden von den deutschsprachigen Süd­tirolern alles andere als geliebt.

In Kärnten, meine sehr verehrten Damen und Herren, streitet man seit rund 130 Jahren über zweisprachige Topographie. Vor dem Ersten Weltkrieg forderten die Kärntner Slowenen die zweisprachige Beschriftung von Bahnhöfen ein. In der Zeit der süd­slawischen Besetzung wurden 1918 bis 1920 alle deutschen Aufschriften im öffent­lichen Raum radikal entfernt.

Nach der Volksabstimmung von 1920 sah sich Kärnten als Teil der deutsch orientierten Republik Österreich. Zweisprachige Topographie in Gebieten anderssprachiger Volks­gruppen war damals auch keine verbreitete völkerrechtliche Norm.

In der NS-Zeit wurde der öffentliche Gebrauch der slowenischen Sprache gänzlich verboten. Die jugoslawischen Besatzer im Mai 1945 begannen wiederum, deutsche Aufschriften zu entfernen.

Nach einem vierjährigen Ringen gegen jugoslawische Gebietsansprüche wurden diese 1949 in Paris fallengelassen, und der Artikel 7 wurde als Schutzklausel für die slowe­nischen und kroatischen Volksgruppen in Österreich formuliert. Als der österreichische Staatsvertrag 1955 endlich in Kraft trat, wurden zwar wesentliche Bestimmungen des Artikels 7 rasch umgesetzt, nicht jedoch die sehr unbestimmt gehaltenen Formulie­rungen zu den Ortstafeln.

Seit dem ersten Lösungsversuch im Jahre 1972 sind mehrere österreichische Bundes­regierungen an dieser Frage gescheitert. Nicht vergessen sollte man allerdings, dass in Kärnten immerhin schon seit 1977 zahlreiche zweisprachige Ortstafeln stehen.

Viele Verbesserungen für die slowenische Volksgruppe wurden in den letzten 20 Jahren im Konsens und ohne großes Getöse erreicht. Die Aktionen eines rasenden Advokaten – das wurde vom Kärntner Landeshauptmann schon angesprochen – und die Reaktion unserer Verfassungshüter darauf haben zahlreiche Irritationen ausgelöst und das Klima ganz gewiss nicht verbessert. Umso erfreulicher ist es, dass es nach wiederholten Anläufen endlich gelungen ist, die Ortstafelfrage mit der breitesten denkbaren Verfassungsmehrheit einer Lösung zuzuführen.

Die Schwierigkeiten, die sich bei der Lösung dieser Frage immer wieder ergaben, haben ihren geschichtlichen Hintergrund, der allen Anwesenden bekannt ist und auf den ich nicht näher eingehen möchte. Auch im übrigen Österreich wurde die Prob­lematik viele Jahre hindurch eher nicht verstanden, und die deutschsprachige Kärntner Bevölkerung und auch die Kärntner Politiker wurden trotz ihres Bemühens um eine Lösung dieser Frage vielfach ungerechter harscher Kritik ausgesetzt. Aus meiner eigenen Erfahrung – ich bin 26 Jahre Bürgermeister, wenn auch nicht im gemischt­


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 54

sprachigen Gebiet – weiß ich aber, dass das Verhältnis zwischen der slowe­nisch­sprachigen und deutschsprachigen Bevölkerung in der Regel von Freundschaft geprägt war und ist.

Die Kärntner Politiker haben schon immer die Wünsche der slowenischsprachigen Volksgruppe sehr ernst genommen. Ich denke da etwa an das Schul- und Kinder­gartenwesen oder an die Förderungen im Kultur- und Sportbereich, aber auch an die Maßnahmen, was den Wirtschaftsstandort im Südkärntner Raum und die Infrastruktur anbelangt. Da hat unser Landesrat Martinz als EU-, Agrar- und Gemeindereferent gemeinsam mit unserem Landeshauptmann viel zu einem gedeihlichen Miteinander beigetragen. So konnte letztendlich die Aufteilung der Abstimmungsspende – zu 50 Prozent direkt an die betroffenen Gemeinden und zu 50 Prozent auf die slowe­nischsprachige Volksgruppe – einvernehmlich beschlossen werden.

Es darf daher festgestellt werden, dass Lösungen, die auch in Zukunft Bestand haben, sehr oft eines bestimmten Umfeldes und eines geschichtlichen Reifeprozesses und der Einsicht bedürfen, dass die Lösungen politischer Probleme nicht gegen den Willen der Mehrheits-, aber auch nicht gegen den Willen der Minderheitsbevölkerung, sondern nur im Konsenswege gefunden werden können. Die unmittelbare Einbeziehung der Bevölkerung und das Werben um Verständnis für bestimmte Lösungen waren schließlich jene Mittel, die zum nunmehr vorliegenden Ergebnis führten.

Es war ein mühevoller Weg. Allen, die zu diesem Ergebnis beigetragen haben und von den Extremstandpunkten abgegangen sind, um diesen Konsens zu ermöglichen, ein herzliches Dankeschön.

Unser Landeshauptmann Gerhard Dörfler hat – und ich sehe es so: es ist eigentlich sein persönlicher Erfolg! – gemeinsam mit Staatssekretär Ostermayer, bei dem ich das verstehe, da er ein Burgenländer ist und somit auch mit solchen Dingen zu tun hat, und mit allen anderen Verhandlungspartnern – Volksgruppen und Kärntner Heimat­verbän­den – sowie mit allen anderen Parteien und auch mit unserem Herrn Vizekanzler Dr. Spindelegger und den Bürgermeistern dazu beigetragen, dass dieses Ergebnis zustande gekommen ist. Ich darf euch beiden (in Richtung Landeshauptmann Dörfler und Staatssekretär Dr. Ostermayer) recht herzlich gratulieren.

Wir hoffen, dass mit dieser Regelung, die ja nicht nur Ortstafeln beinhaltet, jedweder Streit beigelegt ist und Vorurteile und Ängste auf Dauer der Vergangenheit angehören.

Die slowenische Bevölkerung unseres Landes, die zweisprachig aufgewachsen ist, möge weiterhin auch ein kulturelles, gesellschaftliches und wirtschaftliches Bindeglied zwischen Kärnten und Slowenien sein.

Ich werde aus den von mir genannten Gründen diesem Gesetzentwurf meine Zustim­mung geben. – Recht herzlichen Dank! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und FPÖ sowie von Landeshauptmann Dörfler und Staatssekretär Dr. Ostermayer.)

11.19


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt nun Herr Bundesrat Pirolt. – Bitte.

 


11.19.27

Bundesrat Franz Pirolt (FPÖ, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Lieber Herr Landeshauptmann! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Professor Erwin Ringel hat einmal in einer Abhandlung über die Kärntner Seele gemeint, Kärnten sei gefährlich schön. Ich glaube, Herr Staatssekretär, Sie haben bei Ihren Reisen in Kärnten festgestellt: Kärnten ist schön! (Staatssekretär Dr. Ostermayer: Ja!)


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 55

Man kann heute aus Kärntner Sicht entspannt hier am Rednerpult stehen, denn man kann durchaus auf eine gute Minderheitenpolitik, und zwar auch auf eine solche in der Vergangenheit, verweisen.

Das Ganze hat zwei Sichtweisen: eine, die nach innen gerichtet ist, und eine, die nach außen gerichtet ist. Im Grunde genommen hat sich die Bevölkerung – egal, ob slowe­nisch oder kärntnerisch-deutsch – immer verstanden. Es war im Wesentlichen ein Konflikt der Funktionäre. Es ist letzten Endes via Medien ein Bild entstanden, das in Wirklichkeit so nicht wahrnehmbar war. So war es nach Darstellung diverser Medien beinahe ein bewaffneter Konflikt. Dann hat man sozusagen drei Weise nach Kärnten entsandt, und alle haben feststellen können, es ist die Minderheitenpolitik in Kärnten nicht so schlecht, wie es nach außen hin dargestellt wird.

Aber vielleicht hat ein politischer „Betriebsunfall“ in Kärnten diese Sichtweise ein wenig verstärkt. Eines ist aber ganz klar: Es bedarf eines sorgsamen Umgangs mit den Menschen, mit den Volksgruppen. Wir dürfen es nicht mehr zulassen, dass Keile zwischen die einzelnen Volksgruppen getrieben werden. Ich meine, dabei werden wir von der jetzigen Bundesregierung durchaus gut unterstützt. Ich hoffe, dass das auch weiterhin der Fall sein wird, damit Undiplomaten und schnell Fahrende, die man vielleicht Verkehrspsychologen zuführen sollte, nicht wieder in dieses erloschene Feuer Funken hineinschmeißen.

Die Volksbefragung an sich war auch in Kärnten eine sehr differenzierte Ange­legenheit, wovon ich der Meinung bin – und die letzten Ereignisse haben das gezeigt –, dass sie notwendig war, damit alle Personen in Kärnten verstehen und wissen, dass letzten Endes die Bevölkerung Ruhe haben will, um dieses gemeinsame Kärnten auch entsprechend leben zu können.

Es wird vielleicht das Ganze noch weitere Fragen aufwerfen, die zu beantworten sein werden, etwa was den Umgang mit dem öffentlichen Slowenien, letztendlich was die deutschen Minderheiten in Slowenien anbelangt. Auch da wäre vielleicht eine Volksgruppenfeststellung nicht ganz verkehrt.

Wir sind in Kärnten sicherlich weiter als bis zur Mitte der Brücke gegangen. Das ist ein guter Weg, den kann man gehen. Als Mehrheit kann man diese Großzügigkeit und Referenz durchaus erweisen. Wir möchten uns auf Augenhöhe mit unseren slowenischen Freunden bewegen. Wir haben viel getan im Bereich des Schulwesens. Es ist auch viel getan worden im Bereich der Kunst und Kultur.

Erwähnenswert ist vielleicht noch, Herr Landeshauptmann: Es hat einmal einen Protokollchef in Kärnten gegeben, Vladimir Smrtnik, einen Burschen, der ebenfalls für den Konsens stand. (Landeshauptmann Dörfler: Auch mein Büroleiter ist Kärntner Slowene!) Auch dein Büroleiter ist Kärntner Slowene. Und in Straßburg hatten wir die Ehre und das Vergnügen, die Slowenischen Kulturtage abhalten zu können. Diese Veranstaltung war sehr gut besucht und letzten Endes für die Bevölkerung eine große Bereicherung.

Wir werden heute diesem Gesetzentwurf mit Freude zustimmen. Noch einmal: Kärnten ist schön! (Beifall bei FPÖ, SPÖ und ÖVP.)

11.24


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt nun Frau Bundesrätin Dr. Kickert. – Bitte.

 


11.24.12

Bundesrätin Dr. Jennifer Kickert (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Herr Landeshauptmann! Werte Kolleginnen und Kollegen! 56 Jahre nach dem Staatsvertrag, zehn Jahre nach der teilweisen Aufhe­


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 56

bung des Volksgruppengesetzes liegt nun jetzt ein neues Gesetz vor, das die zwei­sprachigen topographischen Aufschriften in Verfassungsrang heben wird und die Amtssprache und die Volksgruppenförderungen regelt.

Ich möchte zur deutlich spürbaren Feierlaune, die heute hier herrscht, einen Kontra­punkt setzen – einen Kontrapunkt durchaus im musiktheoretischen Begriff einer Ge­gen­stimme.

Seit 56 Jahren wird der Staatsvertrag in einem wesentlichen Punkt nicht erfüllt, nämlich in dem der Minderheitenrechte. Seit Jahrzehnten herrscht im sogenannten Ortstafelkonflikt Gehässigkeit gegenüber der slowenischsprachigen Volksgruppe und politische Willkür. Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes wurden mit politischen Possen hochrangiger Landespolitiker umgangen, und das auch durchaus unter – ich zitiere – „penetranter Missachtung“ geltenden Rechts.

All diese Rahmenbedingungen haben die Situation, in denen die Verhandlungen geführt wurden, geprägt, sie sehr schwierig gemacht – die Rahmenbedingungen, in denen auch die jetzige Lösung gefunden worden ist. Ich anerkenne ausdrücklich, dass dieser gefundene Kompromiss ein guter Kompromiss ist, eine gute Lösung, eine ausgesprochen tragfähige Basis für alle weiteren Entwicklungen, die in die Zukunft weisen. Und die Vernunft hat tatsächlich Entwicklung erfahren, wie der Herr Staatssekretär schon erwähnt hat.

Jetzt wird also den Volksgruppen das zugestanden, was ihnen eigentlich ohnehin zugestanden hätte. Aber leider passiert auch das in den Details nicht ohne politische Willkür, auf die ich wahrscheinlich als einzige Rednerin heute eingehen werde: zum Beispiel die Streichung der Ortschaft Dobein in der Gemeinde Keutschach aus der Ortstafelliste, und das, obwohl der Anteil der slowenischsprachigen Bevölkerung dort über 17,5 Prozent liegt. Ebenso kurios ist die Sonderregelung zu den Amtssprachen für Eberndorf und St. Kanzian. In diesen beiden Orten wird die Verwendung der slowe­nischen Amtssprache für EU-Bürger und -Bürgerinnen ermöglicht – nicht aber für die ansässige Bevölkerung!

Schließlich muss man schon auch bedenken, dass die Änderung dieses Volksgruppen­gesetzes nicht nur die slowenischsprachigen Kärntner und Kärntnerinnen betrifft, sondern alle Volksgruppen in Österreich, und zwar die Kroaten und Ungarn im Bur­genland ebenso wie die Slowenen in der Steiermark. Obwohl sie von diesen Regelungen betroffen sind, wurden sie nicht mit einbezogen. (Staatssekretär Dr. Ostermayer: Das ist falsch!) Sie konnten nicht einmal Stellungnahmen abgeben. Sie wurden lediglich über die vollendeten Tatsachen informiert, und das übrigens, wie mir salopp mitgeteilt wurde, deshalb, weil sie – wieder ein Zitat – „nicht Teil des Problems“ waren.

Zusammenfassend möchte ich einen Vergleich mit einer Redewendung machen. Es gibt eine Redewendung, in der gesagt wird: „Das Gute ist der Feind des Besseren.“ – Die Sache, nämlich die Stärkung der Rechte der Volksgruppen, hätte sich das Beste verdient. Kärnten und auch Österreich hätte sich das Beste verdient.

Daher werden die Grünen dieser Vorlage nicht ihre ungeteilte Zustimmung geben. Ich werde diese aus den oben genannten Gründen ablehnen. (Beifall der Bundesräte Kerschbaum und Dönmez.)

11.29


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt nun Herr Bundesrat Schennach. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 57

11.29.06

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geschätzter Herr Staatssekretär! Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Ich habe mich als Europa-Sprecher meiner Fraktion zu diesem Tagesordnungspunkt zu Wort gemeldet, weil es, würden wir es ins Tirolerische übersetzen müssen, ja eine Art Streitbeilegung ist. Der Konflikt der Kärntner Ortstafeln hatte nie die Tragik der Südtirol-Debatte, in der dann Österreich eine tatsächliche Streitbeilegungserklärung abgeben musste.

Aber ein ganz, ganz wichtiger Streit wird damit quasi innerösterreichisch beigelegt, und das ist ein wichtiges Signal auch in Europa, denn das ist ja nicht etwas, was so selten ist. Wir haben die Dänen in Schleswig-Holstein, wir haben die Deutschen, die Schlesier in Polen, wir haben die Deutschen in Dänemark, wir haben die Ladiner und die Deutschsprachigen in Südtirol, wir haben in Istrien durchgehende Zweisprachigkeit, nämlich Italienisch/Slowenisch, Italienisch/Kroatisch, wir haben das Baskenland. Wir haben die schwedischen Finnen in Schweden, aber wir haben zum Beispiel auch, was man sich gar nicht mehr vorstellen kann, die weitestgehende Minderheitenregelung – das muss man hier nicht kennen – auf den Åland-Inseln. Das sind Inseln auf finnischem Staatsgrund, auf denen Schweden leben, wo das finnische Gesetz gar nicht gilt, sondern wo auf finnischem Boden das schwedische Gesetz gilt.

Das heißt also, Europa ist ein Kontinent mit einer Gemeinschaft von starken regionalen Sprachen und von vielen, vielen Minderheiten, die durch die Charta der Regional- und Minderheitensprachen ein ganz besonderes Augenmerk bekommen, und das ist wichtig. Es ist wichtig, weil es zur Identität gehört. Ich finde es so wichtig, dass man von einer Minderheitenfeststellung Abstand genommen hat, weil man Minderheiten nicht zählt. Mehrheiten haben nicht das Recht, Minderheiten zu zählen.

Ich kann mich erinnern, als ich als Zwanzigjähriger nach Wien gekommen bin, gab es eine Diskussion über eine Volkszählung, bei der auch die Sprache festgestellt wurde, und, Herr Landeshauptmann, als Tiroler habe ich damals in Wien Slowenisch angekreuzt, als Ausdruck dessen, dass man Minderheiten einfach nicht zählt.

Noch etwas an Sie beide (in Richtung Regierungsbank): Ich habe nicht gewusst, dass wir einen Tom Cruise in der Regierung haben, denn als der Bundeskanzler mit seiner Menschenkenntnis Staatssekretär Ostermayer damit beauftragt hat, muss das ja irgendwie eine Mission Impossible gewesen sein. Wirklich mein tief empfundenes Kompliment für dieses Gespür! Und auch an Sie, Herr Landeshauptmann: Vom Ortstafelverrücken zu der Fähigkeit, einen Kompromiss zu finden, ist auch ein langer und ein bemerkenswertere Weg – auch dafür mein tief empfundenes Kompliment!

Aber für uns hier als Bundesrat ist, glaube ich, schon noch etwas wichtig, und da möchte ich Sie ein bisschen korrigieren, Herr Landeshauptmann, nämlich dass ein doppelter Respekt hergestellt wurde: ein Respekt vor den Höchstgerichten – den hat man in dieser Frage vermisst, denn es gehört sich in unserem Staatsgefüge, dass der Verfassungsgerichtshof den Respekt bekommt, den er verdient; jetzt ist der Respekt vor den Höchstgerichten hergestellt –, aber auch der Respekt vor dem Bundes­prä­sidenten, und verschiedenste Bundespräsidenten haben auf diese ungelöste Frage hin­gewiesen.

Viele haben heute die 56 Jahre angesprochen. – Ich würde es vielleicht anders sagen: 91 Jahre nach der Österreichtreue der Slowenen ist es ein Dankeschön, denn vor 91 Jahren hat in einem anderen Teil Österreichs auch eine Volksabstimmung statt­gefunden, und aus Ödenburg wurde Sopron. Diese Treue, in einem überwiegend slowenischsprachigen Gebiet mit knapp 60 Prozent für Österreich zu votieren, das halte ich wirklich für einen Augenblick, über den wir auch heute froh sein dürfen.


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 58

Meine Damen und Herren, man sollte natürlich Folgendes nicht vergessen: Ein Österreich ohne seine autochthonen Minderheiten, also ohne die Slowenen in Kärnten, ohne die Slowenen in der Steiermark und ohne die Ungarn im Burgenland, sowie ohne die Kroaten im Burgenland, ohne die Tschechen in Wien, aber auch ohne unsere jüngste Volksgruppe, die Roma und Sinti, und den neuen Minderheiten ist undenkbar. Sie alle zusammen bilden unser Österreich, und deshalb bin ich für diesen gefundenen Kompromiss so dankbar, wie ich auch Ihnen beiden (in Richtung Landeshauptmann Dörfler und Staatssekretär Dr. Ostermayer) dankbar bin, dass Sie die Größe gehabt haben, diesen Kompromiss zu finden. Und ich appelliere von hier aus auch an den Rat der Kärntner Slowenen, sich irgendwann doch auch unter diesem Kompromiss einzufinden, so wie die beiden anderen Slowenenorganisationen auch. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP, bei Bundesräten der FPÖ sowie des Bundesrates Zangerl.)

11.34


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt nun Herr Bundesrat Dönmez. – Bitte.

 


11.35.18

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Wertes Präsidium! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Geschätzte Kolle­ginnen und Kollegen! Ich werde dieser Gesetzesvorlage zustimmen. Dies ge­schieht jedoch nicht aus der Überzeugung, dass es sich hier um eine zukunfts­weisende und für alle Beteiligten sinnstiftende Lösung handelt, vielmehr bin ich mit dem Resultat nur deswegen zufrieden, weil es endlich ein Ende darstellt.

Mit dem ausgehandelten Kompromiss treten wir in eine neue Phase ein. In der Post-Ortstafel-Phase in Kärnten gehört das parteipolitische Süppchen-Hochkochen auf dem Rücken der Menschen, die in einem gemischtsprachigen Gebiet wohnen, hoffentlich der Vergangenheit an.

Ich bin Österreicher und gleichzeitig bin ich doch ein wenig anders als andere Öster­reicher und Österreicherinnen. Das sind aber bei näherer Betrachtung alle Öster­reicherInnen: Wir sind alle typische ÖsterreicherInnen und doch jeder und jede für sich ein wenig anders und etwas Besonderes.

Das ist natürlich eine Herausforderung für die Politik. Das ist, genau genommen, die größte Herausforderung, die an uns gestellt wird: nicht, es allen recht machen zu wollen, sondern für alle möglichst faire und gleichzeitig für die gesamte Gesellschaft nutzbringende Lösungen herbeizuführen.

Die Ortstafelfrage ist nun gelöst. Um dem Grundgedanken des Volksgruppengesetzes gerecht zu werden, gibt es hier noch breiten Raum für Verbesserungen. Ich kann mich aber mit dieser Politik der kleinen Schritte zufrieden geben, zumindest was die Ortstafeln in Kärnten anlangt, weil ich mir erwarte, dass wir zukünftig mehr Energie für andere Themen aufbringen können.

Die Basis politischen Handelns ist der respektvolle Umgang miteinander. Für mich stehen die neuen zweisprachigen Ortstafeln für diesen Respekt. Sie kennzeichnen ein Gebiet, in dem Menschen zusammenleben, die verschiedene Muttersprachen sprechen. Die Funktion einer Ortstafel ist doch, mir anzuzeigen, wo ich mich befinde.

Dass in einem Gebiet, wo viele Menschen zweisprachig sind, auch zweisprachige Ortstafeln stehen, ist eine logische Konsequenz. Darum ja zu dieser Entscheidung, darum ja zu dieser Vorlage und ein „Hvala lepa!“ an Sie, Herr Staatssekretär, ein „Hvala lepa!“ an Sie, Herr Landeshauptmann. – Danke. (Beifall bei Grünen, SPÖ und ÖVP sowie bei Bundesräten der FPÖ.)

11.38



BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 59

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? (Landeshauptmann Dörfler: Wir könnten noch viel dazu sagen!) – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Der gegenständliche Beschluss bedarf nach Artikel 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungs­gesetz der Zustimmung des Bundesrates bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder des Bundesrates und einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen.

Zunächst stelle ich die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mitglieder des Bundesrates fest.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erhe­ben, ist somit angenommen.

Nun lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss gemäß Artikel 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist ebenfalls die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit unter der Berücksichtigung der besonderen Beschlusserfordernisse angenommen. (Allgemeiner Beifall.)

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

11.40.182. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2011 betreffend ein Bundesver­fassungs­gesetz, mit dem zur Stärkung der Rechte der Gemeinden das Bundes-Verfas­sungsgesetz geändert wird (1213 d.B. und 1313 d.B. sowie 8526/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen nun zum 2. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Saller. – Bitte um den Bericht.

 


11.40.41

Berichterstatter Josef Saller: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2011 betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem zur Stärkung der Rechte der Gemeinden das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 19. Juli 2011 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich danke für die Berichterstattung.

Bevor wir in die Debatte eingehen, darf ich noch einmal auf die freiwillig vereinbarte Redezeitbeschränkung auf 5 Minuten aufmerksam machen, die wir in der Feierstunde des vorigen Gesetzes nicht so hart gehandhabt haben.


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 60

Als erste Rednerin gelangt Frau Bundesrätin Dr. Kickert zu Wort. – Bitte.

 


11.41.41

Bundesrätin Dr. Jennifer Kickert (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Noch­mals: Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Im vorlie­genden Gesetzesantrag sind, wie wir alle wissen, weil wir ihn ja schon einmal behandelt haben, folgende Neuerungen vorgesehen: Bezirksverwaltungsbehörden dür­fen sprengelübergreifend zusammenarbeiten und unter bestimmten Voraussetzun­gen behördliche Zuständigkeiten übertragen. Gemeinden können sich zu Gemeindever­bän­den zusammenschließen, und zwar zur Besorgung aller Angelegenheiten im Wir­kungsbereich dieser Gemeinden. Und – auch das ist nicht zu vernachlässigen – Zusammenschlüsse sollen auch über Bundesländergrenzen hinweg möglich sein.

All diesen Neuerungen stehen wir Grünen, wie ich bereits in meiner Wortmeldung zum Antrag am 1. Juni gesagt habe, positiv gegenüber. Wir begrüßen Verwaltungs­koope­rationen, die zu administrativen Vereinfachungen und vielleicht auch zu mehr Effizienz führen – oder auch führen können.

Trotz Ihres Appells, Kollege Klug, diesem Gesetzesantrag aus dem Bundesrat des historischen Momentums wegen die Zustimmung nicht zu verweigern, bleiben wir Grünen aus demokratiepolitischen Gründen bei der Ablehnung. Wir kritisieren weiterhin die etwas schwache Formulierung, dass die Organe der Gemeindeverbände nach demokratiepolitischen Grundsätzen zu bilden sind. Eine Stärkung der Kontrolle, zum Beispiel durch den Gemeinderat, aber auch durch andere Möglichkeiten, wäre unserer Meinung nach sinnvoll gewesen.

Vor eineinhalb Monaten habe ich an dieser Stelle meiner Hoffnung Ausdruck verliehen, dass im Zuge der Beratungen im Nationalrat noch Änderungen oder Verbesserungen gemacht werden könnten. Leider gab es weder zu den Fragen noch zu unseren Vorschlägen eine inhaltliche Auseinandersetzung im Verfassungsausschuss des Natio­nal­rates. Somit werden wir möglicherweise mit neun unterschiedlichen landes­gesetz­lichen Regelungen zu den entsprechenden Gemeindeverbandsgesetzen enden, was sicherlich gerade die Zusammenschlüsse über Ländergrenzen hinweg nicht wirklich erleichtern wird.

Auch diesmal, finde ich, hätte sich die Sache das Beste verdient, daher trotz der – zugegebenen und unterstützenswerten – Verbesserungen eine Kontrastimme. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

11.44


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Mag. Klug. – Bitte.

 


11.44.52

Bundesrat Mag. Gerald Klug (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen, vor allem aber sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher und vor allem sehr geehrte Bürgermeisterinnen und Bürgermeister! Wir führen die Gesetzesinitiative des Bundesrates zum Ausbau der Gemeindekooperationen heute erfolgreich ins Finale. Mit dieser Gesetzesinitiative wird es zukünftig – freiwillig – möglich sein, auf der kommunalen Ebene zwischen den Gemeinden in Österreich sowohl politisch als auch wirtschaftlich, aber vor allem auch im hoheitlichen Bereich stärker zusammenzuarbeiten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die breite Zustimmung vonseiten zahlreicher Bürger­meisterinnen und Bürgermeister in Österreich bereits zum Start unserer Gesetzes­initiative hat uns eigentlich im Willen bestärkt, diese Initiative auch rasch erfolgreich zu Ende zu führen. Sehr viele Bürgermeisterinnen und Bürgermeister waren nicht nur von


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 61

der Initiative begeistert, sondern sie haben sich auch schon überlegt, mit welchen Gemeinden sie auf dieser Ebene in Zukunft verstärkt zusammenarbeiten können. Und diesem Wunsch, diese Initiative bald ins Ziel zu bringen, wollen wir heute gemeinsam gerne nachkommen.

Ich möchte die Gelegenheit aber auch ergreifen, werte Kolleginnen und Kollegen, und an dieser Stelle meine Hoffnung zum Ausdruck bringen, dass insbesondere der Städte- und der Gemeindebund den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern vor allem von Kleingemeinden in absehbarer Zeit helfend zur Seite schreiten, und zwar mit Vertrags­schablonen, aber natürlich auch mit Musterverträgen, weil es gerade diese Bürger­meis­terinnen und Bürgermeister sehr schwer haben, sich auch mit diesen adminis­trativen Dingen näher auseinanderzusetzen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sicherlich wäre das eine gute Gelegenheit, deutlich zu sagen, dass wir heute mit dieser Gesetzesinitiative für die Gemeinden, aber dahinter stehend in Wahrheit auch für alle Bundesländer eine ganz tolle Verwaltungs­reform auf die Reise schicken – eine ganz tolle Verwaltungsreform, die sich erst in Zukunft ganz stark auswirken wird. Sicherlich, die materiellen oder finanziellen Eins­chät­zungen, was diese Verwaltungsreform in der Praxis auch tatsächlich bringen wird, mögen sehr unterschiedlich sein. Ich persönlich möchte durchaus davon ausgehen, dass wir mit dieser Verwaltungsreform die Milliarden-Euro-Grenze mittelfristig er­reichen werden.

Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Erlauben Sie mir an dieser Stelle vielleicht auch etwas ganz Grundsätzliches zu Stilfragen anzumerken: Wir haben das gut und seriös bei uns im Bundesrat diskutiert, gut vorbereitet, und wenn wir uns dann anschauen, wie diese Gesetzesinitiative des Bundesrates von einzelnen Vertretern des BZÖ im Nationalrat nicht nur nicht inhaltlich abgelehnt, sondern wie ihr mit einer Generaldiffamierung des gesamten Bundesrates politisch begegnet wird, dann sage ich an dieser Stelle ganz deutlich: Das weise ich auf das Schärfste zurück! (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie bei Bundesräten der FPÖ.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, sicherlich, es kommt schon einmal vor, dass man in der Politik mit generellen Diffamierungen umzugehen lernen muss, das soll auch schon per E-Mail vorgekommen sein, aber wenn eine Oppositionspartei oder Vertreter davon im Verfassungsausschuss des Nationalrates, in dem wir auch vertreten waren, die Gelegenheit gehabt hätten, eine inhaltliche Diskussion zu führen, dann hätte man dort auch diese Gelegenheit wahrnehmen können.

In diesem Sinne, liebe Kolleginnen und Kollegen, möchte ich mit meinem Beitrag zu dieser Verwaltungsreform nicht überziehen. Es ist heute nicht der Tag – es wäre eine schöne Gelegenheit; ich könnte aus der Steiermark noch einiges zum Thema Verwal­tungsreform ins Treffen führen –, hier allzu weit auszuholen. Wir freuen uns gemein­sam, dass es heute gelingt, diese Initiative für die Bürgermeisterinnen und Bürgermeis­ter erfolgreich abzuschließen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das politische Signal, das heute vom Bundesrat meines Erachtens unstrittig ausgeht – unstrittig! –, sind zwei Dinge: Zum Ersten schließen wir heute eine erfolgreiche Verwaltungsreform ab, und zum Zweiten können sich 2 357 Bürgermeisterinnen und Bürgermeister in ganz Österreich auch in Zukunft darauf verlassen, im Bundesrat eine starke Stütze zu haben.

Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Start frei für mehr Zusammenarbeit bei den österreichischen Gemeinden! – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie der Bundesrätin Michalke.)

11.49



BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 62

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Kneifel. – Bitte.

 


11.50.33

Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Staats­sekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Besucherinnen und Besucher aus Niederösterreich, herzlich willkommen hier im Bundesrat! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ich habe vorhin mit hohem Respekt und mit großem Interesse die Antrittsrede der neuen Präsidentin des Bundesrates verfolgt, die angekündigt hat, den von uns allen beschrittenen Weg eines Reformkurses und einer starken Stimme der Regionen als Bundesrat fortzusetzen. Was die Ankündigung betrifft, als nächstes Thema die Bildungsdirektionen anzugehen, so werden wir uns das genau ansehen, und wenn es eine Vorlage gibt, die entsprechend befürwortet werden kann, werden wir uns diesem Thema sicherlich nicht verschließen.

Ich halte auch die Ankündigung der Frau Präsidentin für sinnvoll, eine Art Troika einzurichten, weil der Bundesrat sich alle sechs Monate eigentlich selbst köpft. Der Bundesrat hat im Gegensatz zum Nationalrat kein kontinuierliches Gesicht in der Öffentlichkeit, und ich halte diese Maßnahme für sinnvoll, um eine gewisse Kontinuität zumindest in den Aktivitäten zu setzen und diese entsprechend zu optimieren, wenn schon das Gesicht wechselt. Die Themen aber sollen mit Kontinuität, mit Ehrgeiz und mit Engagement fortgesetzt werden. Das halte ich für sehr positiv. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Zum Inhalt der heutigen Vorlage ist von meinem Vorredner schon sehr viel gesagt worden. Ich glaube, dass – um noch eine Ergänzung zu bringen – diese Begleitung inten­siv sein muss für die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, soll diese Geset­zesvorlage erfolgreich sein und soll sie sich in mehr Effizienz und Bürokratieabbau niederschlagen.

Ich möchte hier ganz besonders die Initiative des oberösterreichischen Gemeinde­landesrates Max Hiegelsberger erwähnen, wonach Gemeinden, die kooperieren wollen, durch einen Moderator auf diesem Weg begleitet werden sollen. Das ist gut, denn es ist ein Anreiz, mehr zu kooperieren. Ich bitte, diesem Beispiel auch in den anderen Bundesländern zu folgen, weil ich glaube, dieses Gesetz ist das eine, aber das Umsetzen, das Verwirklichen dieses Rahmens ist das andere. Und da braucht es unsere Begleitung und auch unseren Einsatz als Bundesrätinnen und Bundesräte, wollen wir unseren selbstgewählten Anspruch auch erfüllen, starker Partner der Re­gionen und der Gemeinden in diesem Lande zu sein. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Brückl.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Reformprozess muss weitergehen; das hat ja auch die Frau Präsidentin angekündigt. Ich halte es für sinnvoll, dass wir darüber hinaus insbesondere die nur mehr steinzeitlich begründbaren gegenseitigen Zustim­mungsrechte von Bund und Ländern endlich aufgeben. Das ist wirklich nur aus einer Zeit zu begründen, in der gegenseitiges Misstrauen herrschte. Ich habe das gestern auch in einem „Standard“-Interview so bezeichnet. Ich habe mich gefreut, als Herr Landeshauptmann Dörfler heute gesagt hat, wir brauchen in dieser Republik mehr Vertrauen als Basis für zukünftige Reformen. Wir müssen einfach darauf vertrauen, dass das Land seine Verpflichtungen erfüllt, dass die Gemeinden ihre Verpflichtungen erfüllen, dass der Bund seine Aufgabe ordentlich erledigt und dass wir nicht immer über die Schulter schauen und fragen müssen: Macht der das wirklich gut? Passt das eh so, wie wir das haben wollen?

Wir müssen einander einfach mehr Vertrauen entgegenbringen. Diese Zustimmungs­rechte gehören weg! (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 63

Es ist ein Anachronismus, dass der Ministerrat ein Gesetz eines Landtages geneh­migen muss! Ein Landtag ist eine autonome Einrichtung – er braucht nicht die Gouver­nante Bund, um zu jedem Landesgesetz ihr Okay zu geben. Es wird ohnedies kaum wahrgenommen, aber es ist eben eine Frist von acht Wochen, bis das Gesetz kundgemacht werden kann, und es erfordert auch viel Bürokratie. Diese antiquierten Zustimmungsrechte sollten wir also endlich bereinigen.

Und eines, meine sehr geschätzten Damen und Herren, müssen wir bei allen Maß­nahmen der Bürokratie- und Verwaltungsreform zur Kenntnis nehmen: Jeder Bürger dieser Republik lebt nicht nur in der Republik, jeder Bürger lebt in einer Gemeinde, jeder Staatsbürger lebt in einem Bundesland. Und Zahler ist nicht das Land, die Gemeinde oder der Bund, sondern es gibt in dieser Republik einen Zahler, das ist der Staatsbürger und die Staatsbürgerin. Und denen sollten wir uns verpflichtet fühlen, wenn wir darangehen, Reformprozesse in dieser Republik umzusetzen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

11.56


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Brückl. – Bitte.

 


11.56.55

Bundesrat Hermann Brückl (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es war zweifellos eine gute Idee, eine gute Sache, als wir hier im Bundesrat vor wenigen Wochen den Beschluss gefasst haben, dem Nationalrat ein Gesetz zur Stärkung der Rechte der Gemeinden, auch mit der Möglichkeit zur Zusammenarbeit über Bundesländergrenzen hinweg und auch im hoheitlichen Bereich, zur Beratung und Beschlussfassung zu übermitteln. Es war sicherlich ein bemerkenswerter und ein außergewöhnlicher Schritt, weil das nicht zur Tagesordnung gehört – oder gehört hat bis zu diesem Tag. Aber es war notwendig.

Es war auch notwendig, weil ich der festen Meinung bin, dass damit auch der Bun­desregierung signalisiert wurde, dass sie gerade im Bereich der Verwaltungsreform auch etwas weiterbringen muss, dass hier mehr geschehen muss, dass es hier keinen Stillstand geben darf, denn Stillstand ist Rückschritt. Man muss das Reformtempo – mein Vorredner hat es schon gesagt – etwas erhöhen, und es muss mehr weitergehen.

Wir werden diesem Gesetz natürlich auch heute zustimmen, aber es gibt in der Diskussion der letzten Wochen einen Punkt, der mir in diesem Zusammenhang etwas zu wenig hervorgehoben, zu wenig betont wurde. Da heißt es nämlich unter anderem im Gesetz:

„Die Organe der Gemeindeverbände, die Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbe­reiches der Gemeinde besorgen sollen, sind nach demokratischen Grundsätzen zu bilden.“

Dagegen ist nichts zu sagen, dass man diese Gemeindeverbände bildet, allerdings – und das möchte ich hervorheben – darf diese Bildung, diese Schaffung von Gemein­deverbänden nicht dazu führen, dass wir damit neuerlichen Verwaltungsaufwand verursachen, dass wir damit neuerliche Kosten verursachen, dass dadurch verstärkt Bürokratie entsteht.

Am Beispiel Oberösterreich erklärt: Es gibt in Oberösterreich – unsere Abgeordneten wissen das – Sozialhilfeverbände, es gibt Bezirksopferverbände, es gibt Abwasser­beseitigungsverbände, und, und, und. Und alle diese Verbände verursachen natürlich Kosten: Kosten für Räumlichkeiten, Personalkosten für Mitarbeiter, Sitzungsgelder für Obleute, für Vorstände, Mitglieder von Vollversammlungen und so weiter. Ein Beispiel: Der Obmann eines Bezirkssozialhilfeverbandes in Oberösterreich erhält eine monat­


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 64

liche Aufwandsentschädigung, die sich zwischen 800 und 1 200 € bewegt. Auch die Vorstandsmitglieder erhalten eine Entschädigung; diese ist zwar ein bisschen nied­riger, aber sie bekommen eine. Das, glaube ich, darf nicht das Ziel dieses Gesetzes sein: Dass wir zwar versuchen, hier zu vereinfachen, dass wir versuchen, hier zu entbürokratisieren – das ist ja eine hervorragende Sache –, aber wenn es dann tatsächlich dazu kommt, bilden wir Gemeindeverbände, die plötzlich ein Eigenleben entwickeln, das einfach viel zu viel kostet, wobei natürlich der Effekt, den wir erzielen wollten, verloren geht. (Vizepräsident Todt übernimmt den Vorsitz.)

Abschließend, werte Kolleginnen und Kollegen, möchte ich noch einmal meiner Hoff­nung Ausdruck verleihen, dass der unter der Präsidentschaft meines Vorredners Gottfried Kneifel eingeschlagene Weg, dass der Bundesrat sozusagen aktiv ins tagespolitische Geschehen eingreift, auch künftig weitergegangen wird.

Wir stimmen natürlich – ich habe es schon gesagt – diesem Gesetzesvorschlag zu. (Beifall bei FPÖ, ÖVP und SPÖ.)

12.00


Vizepräsident Reinhard Todt: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Lindinger. – Bitte.

 


12.01.00

Bundesrat Ewald Lindinger (SPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Liebe Kollegin­nen! Liebe Kollegen! Herr Staatssekretär! – Herr Staatssekretär Ostermayer, eines möchte ich noch zum vorhergehenden Tagesordnungspunkt sagen: Wir haben das auch von Oberösterreich aus einer gewissen Entfernung, mit einem gewissen Abstand betrachtet, aber trotzdem möchte ich dir und allen anderen, die zu dieser Lösung beigetragen haben, gratulieren. Ich habe auch in Kärnten eine befreundete Gemeinde, und uns war es auch wichtig, dass diesbezüglich in Österreich einmal Ruhe einkehrt – und nicht nur in Kärnten. Gratuliere, Herr Staatssekretär!

Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen! Herr Kollege Brückl, schön, dass ihr auch diesem Gesetzesvorschlag die Zustimmung erteilt, aber ein wenig mehr Information wäre schon notwendig gewesen. Gerade dieses Gesetz ermöglicht in Zukunft den Gemeinden mehr Zusammenarbeit, auch in den Verbänden. Ich als Bürgermeister weiß, wenn wir die sogenannten Vollversammlungen abhalten, wo der Voranschlag beschlossen wird – vom Abfallverband, vom Sozialhilfeverband, vom Wegeerhal­tungs­verband, vom Reinhalteverband, vom Wasserverband –, haben wir schon Zeitprob­leme, um diese zu koordinieren. Wir wählen dann fast immer einen Tag, wo wir dann alle Verbändeversammlungen durchführen, aber in Zukunft wird es uns auch ermög­licht, diese Verbände zusammenzuführen zu einem Verband. Es sitzen ja in allen Verbänden und Vorständen, die es gibt, ohnehin fast immer dieselben Personen.

Und ganz wichtig ist, dass wir auch bezirksüberschreitend diese Verbände gründen können und zusammenarbeiten können, was in vielen Bereichen schon möglich ist. Aber auch länderüberschreitend ist es möglich, denn es gibt einige Länderecken, die mehr Verbindung haben zu einem anderen Bundesland, weil es sich eben regional oder topographisch so ergibt. Gerade dieser Beschluss ermöglicht uns das, und natür­lich war auch die Wirtschaftskrise in den Gemeinden ein Motor bei der Diskussion zu diesem Tagesordnungspunkt: mehr Kooperation, mehr Zusammenarbeit.

In Oberösterreich haben wir schon auf einige Beispiele verweisen können, wo sich das sehr positiv ausgewirkt hat. In vielen Gemeinden werden zum Beispiel die Bauhöfe zusammengelegt. In vielen Gemeinden hat es im Bereich des Agenda-Prozesses eine Zusammenarbeit gegeben im Bereich des Innviertels, wo sieben Gemeinden ein Koope­rationsprojekt durchgeführt haben, indem sie die Dienstleistung zusammen­gelegt haben, indem sie die Verwaltung zusammengelegt haben. Aber jeder sitzt in


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 65

seinem Bereich – der Bürger spürt hiervon nichts. Es wird das Ganze durch EDV unterstützt, sodass hier Experten aus allen Bereichen Auskünfte geben können.

Geschätzte Damen und Herren! Ein wesentlicher Faktor ist auch der Einkauf in den Gemeinden. Wenn wir zum Beispiel nur daran denken, wie viel Streusalz für die Straßen in den Gemeinden verwendet wird: Wenn einer kauft, dann muss er 140 oder 150 € für die Tonne zahlen, aber wenn mehr kaufen, dann reduziert sich der Preis auf bis zu 70 oder 80 €. Das ist nur ein kleines Beispiel.

Oder: Es gibt sehr viele Kleinstgemeinden, die einen Mitarbeiter im Bauhof haben, und mit einem Mitarbeiter im Bauhof kann man halt nur das System erhalten, in der Volksschule die Birne herausschrauben oder den Wasserhahn abdichten oder solche Kleinigkeiten, die der Bauhofmitarbeiter macht. Bei einer Kooperation der Bauhöfe kön­nen aber auch größere Erledigungen gemacht werden und kann hier besonders effizient gearbeitet werden.

Es gibt bei uns ein Gemeindeamt für vier Gemeinden. Dieses gemeinsame Amts­gebäude wurde auch im Rahmen einer Verwaltungsgemeinschaft errichtet. Drei Feuerwehren haben sich zusammengeschlossen und ein Feuerwehrzeughaus errichtet. Es gibt gemeinsame Freizeiteinrichtungen, bei den Bädern gibt es Koope­rationen, ebenso bei den Jugendzentren. Es bestehen in Oberösterreich zehn Verwal­tungsgemeinschaften mit bis zu vier Gemeinden, 24 Gemeinden mit zwei Verwaltungs­gemeinschaften, also wo jeweils zwei Gemeinden beisammen sind. Es gibt eine Reihe von Bauhofkooperationen und Kooperationen mit Dienstleistungszentren.

Geschätzte Damen und Herren! Um im Gemeindebereich zu sparen, muss heute nicht mehr über Zusammenlegung nachgedacht werden, denn es gibt bereits mehr als 300 freiwillige Kooperationen. Erfolgreiche gemeindeübergreifende Zusammenarbeit wird in Oberösterreich in Form von Verwaltungsgemeinschaften bei Bauhöfen, bei der Kinderbetreuung, der Wasserversorgung, der Abwasserentsorgung gelebt. Im Sozial­bereich, wissen wir, gibt es seit Jahrzehnten in der Altenpflege und -betreuung sowie in der Jugendwohlfahrt Kooperationen über die Sozialhilfeverbände.

Geschätzte Damen und Herren! Dieses Gesetz stärkt die Gemeinden, und ich hoffe, dass es in Zukunft auch die Finanzen stärkt. (Beifall bei der SPÖ.)

12.06


Vizepräsident Reinhard Todt: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Keuschnigg. – Bitte.

 


12.07.10

Bundesrat Georg Keuschnigg (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf ersuchen, die Debatte zu diesem Tagesordnungspunkt um einen kleinen Aspekt zu erweitern.

Die österreichischen Gemeinden stehen vor einer großen Herausforderung. Aber der Blick auf die Finanz- oder, besser gesagt, Schuldensituation als solche greift insgesamt zu kurz. Seit Jahren bereits erleben wir international, aber auch in Österreich eine massive Verstädterung, mit der Folgewirkung, dass in den Räumen abseits der Bal­lungsgebiete Wirtschaftskraft, Finanzkraft, Kaufkraft verloren gehen. Umso wichtiger ist es, dass wir mit Gesetzen wie diesem die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass jede Chance, die sich ergibt, um Potenziale zu heben, genutzt werden kann und dass auch neue Möglichkeiten kostengünstig und praktisch realisiert werden können.

Wenn heute ein Gemeindeverband, ein Abwasserverband, der sich mit Grabungsar­beiten sehr gut auskennt, auch die Versorgung mit Telekommunikationsleitungen übernehmen kann, und wenn man das in der Gemeinde oder im Verband so für richtig befindet, dann ist das, glaube ich, sehr gut und für die Zukunft eine Chance, notwendige Dinge schneller, auf kürzerem Wege zu erledigen.


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 66

Wir müssen aber auch weiter daran arbeiten und solche praktischen Politikfelder weiter betreuen. Wir brauchen in den ländlichen Regionen eine andere, eine neue Politik mit dem Ziel, dass eine gleichwertige Daseinsversorgung für alle Bürgerinnen und Bürger und in allen Regionen für die Zukunft sichergestellt werden kann. Ich meine damit die Pflege, ich meine damit die Kinderbetreuung, ich meine damit die Mobilität, vor allem aber meine ich die Bildungsangebote und die Arbeitsplätze. Das ist ein Thema, das uns im Zusammenhang mit der Politik für die Gemeinden noch über Jahre sehr intensiv befassen wird.

Mit dem jetzt zu beschließenden Gesetz leistet der Bundesrat einen Beitrag zur aktiven Weiterentwicklung der Gemeinden und der Regionen, und ich hoffe, wir können auch in Zukunft manchen Beitrag dazu leisten, dass das so fortgeführt wird. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

12.09


Vizepräsident Reinhard Todt: Weitere Wortmeldungen dazu liegen mir nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen damit zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Ich stelle die Stimmenmehrheit fest. Der Antrag ist somit ange­nommen.

12.10.323. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert wird (24. StVO-Novelle) (1205 d.B. und 1303 d.B. sowie 8527/BR d.B.)

 


Vizepräsident Reinhard Todt: Wir kommen zum 3. Punkt der Tagesordnung.

Wir verabschieden Herrn Staatssekretär Ostermayer und begrüßen bei uns im Hause Frau Bundesministerin Doris Bures. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Stadler. Bitte um den Bericht.

 


12.11.02

Berichterstatter Werner Stadler: Geschätzte Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verkehr, Innovation und Technologie über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher sogleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vorlage am 19. Juli 2011 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Reinhard Todt: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist als Erster Herr Bundesrat Boden. – Bitte.

 


12.11.45

Bundesrat Karl Boden (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren! Das


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 67

Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie hat in den letzten Wochen und Monaten sehr viele Maßnahmen gesetzt, um einerseits die Verkehrssicherheit zu erhöhen und andererseits auch die Zahl der schweren Verkehrsunfälle, vor allem aber die Zahl der Verkehrstoten zu reduzieren. Laut den statistischen Berichten der letzten Wochen dürfte das sehr gut gelungen sein. Frau Bundesministerin, dafür ein herzliches Dankeschön.

Das, was wir heute hier beschließen, ist eine weitere Maßnahme in diese Richtung: Ab 1. Jänner 2012 soll, wenn sich auf Autobahnen und Autostraßen ein Stau bildet, eine Rettungsgasse freigemacht werden, um zu gewährleisten, dass die Einsatzfahrzeuge so schnell wie möglich an den Unfallort kommen. Wenn Einsatzfahrzeuge um eine Minute schneller am Unfallort sind, so erhöht das die Überlebenschance der Verletzten um 10 Prozent.

Wir haben heute in der Früh in den Nachrichten gehört, dass bei Verkehrsunfällen immer wieder auch Hubschrauber eingesetzt werden. Der Hubschraubereinsatz bei Verkehrsunfällen ist wesentlich zurückgegangen, bei Arbeitsunfällen und Unfällen im Haushalt werden jedoch vermehrt Hubschrauber eingesetzt.

In unseren Nachbarländern Deutschland, Schweiz und Tschechien gibt es die Rettungsgasse schon. Dort hat man damit sehr positive Erfahrungen gemacht. Diese Rettungsgasse trägt wesentlich dazu bei, Verkehrstote zu verhindern.

Natürlich wird es wichtig sein, darüber zu informieren, seitens der Asfinag und auch der Autofahrerklubs die wesentlichen Informationen weiterzugeben, um die Bevöl­kerung dahin gehend zu informieren, dass die Autofahrer, wenn sich auf Autobahnen ein Stau bildet, links und rechts an den Fahrbahnrand fahren, sodass sich in der Mitte eine Rettungsgasse bildet.

Man kann sich derzeit schon auf der Homepage des Roten Kreuzes darüber informieren, was ab 1. Jänner auf uns zukommt. Aber ich glaube, die Asfinag wird im Rahmen ihrer umfangreichen Informationen noch sehr genau darüber informieren.

Natürlich ist auch für den Fall, dass Rettungsgassen von Autofahrern benützt werden, die nicht dazu berechtigt sind, um den Stau schneller zu überwinden, im Gesetz vorgesorgt. Es wird Strafen von 72 € bis 2 180 € geben.

Frau Bundesminister, ich glaube, auch diese Maßnahme wird wesentlich zur Verkehrssicherheit beitragen. Und ich darf für meine Fraktion festhalten: Wir werden der Rettungsgasse gerne unsere Zustimmung geben. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie der Bundesrätin Kerschbaum.)

12.15


Vizepräsident Reinhard Todt: Zu Wort gemeldet ist als Nächster Herr Bundesrat Kainz. – Bitte.

 


12.15.31

Bundesrat Christoph Kainz (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Kollege Ertl, ich hätte dir gerne den Vortritt gelassen, aber lassen wir es so, wie es ausgemacht ist, das ist ganz gut so.

Ich freue mich und möchte, bevor ich auf diesen Tagesordnungspunkt eingehe, auch als Bürgermeister noch auf den vorhergegangenen Tagesordnungspunkt eingehen, nämlich die Möglichkeit der Gemeindekooperation, die wir Bürgermeister außenordent­lich begrüßen. Ich denke, es ist kein Zufall, dass der Amtsleiter der Gemeinde Hof am


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 68

Leithaberge, ein Freund, Herbert Medwenitsch, mit Freunden heute hier ist, weil er als Amtsleiter sehr genau weiß, was Gemeindekooperation bedeuten kann. Ich darf dich hier im Bundesrat sehr, sehr herzlich begrüßen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Ich denke, dass die Rettungsgasse ein weiterer Ansatz ist, die Verkehrssicherheit in diesem Land zu erhöhen, vor allem die Einsatzzeit der Rettungskräfte zu verringern. Mein Vorredner hat es auch gesagt, die Einsatzzeit zu verringern bedeutet letztendlich auch, Menschenleben zu retten.

Die Rettungsgasse ist eine Maßnahme, die in unseren Nachbarländern bereits seit Jahren erfolgreich praktiziert wird. Meine Gemeinde Pfaffstätten hat eine Partner­gemeinde in Deutschland, und ich habe das dort schon jahrelang beobachtet.

Ich erinnere mich noch sehr gut an eine Diskussion mit deutschen Gästen, die in unserer Gemeinde zu Besuch waren, mit denen wir auf der A 2 Richtung Süden unterwegs waren – das muss ungefähr im Jahr 2005 gewesen sein – und die mich da gefragt haben, warum bei uns in Österreich die Rettungsgasse nicht praktiziert wird. Damals war ich noch Mitglied im Nationalrat und auch im Verkehrsausschuss, und dort haben wir diese Maßnahme auch schon einmal andiskutiert.

Ich bin froh, dass diese Maßnahme heute gesetzlich umgesetzt wird. Ich denke, dass diese Maßnahme nicht nur in Deutschland funktioniert, sondern auch bei uns innerhalb kürzester Zeit umgesetzt werden wird, so wie auch die Maßnahme, dass man die Warnblinkanlage einschaltet, wenn man in einen Stau kommt – das ist zwar nicht gesetzlich verankert, aber, wie ich glaube, auch vernünftig.

In den letzten Jahren wurden sehr viele erfolgreiche Initiativen eingeleitet, die die Verkehrssicherheit erhöht haben. Die Verkehrsunfallstatistik weist daher für das Jahr 2010 ein sehr erfreuliches Ergebnis auf, nämlich dass die Zahl der tödlich Verunglückten auf Österreichs Straßen um 13 Prozent zurückgegangen ist. Ich meine daher, dass das der richtige Weg ist, weil wir damit auch Menschenleben retten können.

Der heutige Gesetzesbeschluss zeigt für mich aber auch die Kernaufgabe der Politik auf, nämlich für das Leben, das Zusammenleben der Menschen jene Voraussetzungen zu schaffen, dass wir das positiv umsetzen können.

Die Rettungsgasse ist eine Maßnahme, die auch von den Rettungskräften gefordert wurde, nämlich von Feuerwehr und Rotem Kreuz, weil sie in der Praxis tagtäglich erkennen mussten, dass durch die Verparkung des Pannenstreifens die Fahrt zum Einsatzort erschwert wird.

Ich möchte von dieser Stelle aus, auch weil wir heuer das Europäische Jahr des Ehrenamtes feiern, den Rettungskräften sehr herzlich Danke sagen, nämlich jenen, die tagtäglich draußen – in vielen Bereichen auch freiwillig – ihren Dienst versehen und ihre Arbeit hervorragend meistern.

Diese Rettungsgasse wird es ermöglichen, dass die Einsatzfahrzeuge im Durchschnitt um 4 Minuten schneller am Einsatzort sein werden.

Ich denke, der heutige Beschluss ist richtig, und bedanke mich bei allen, die hier daran mitgewirkt haben.

Es gibt den Spruch: Wer schnell hilft, hilft doppelt! – Dieser Spruch gilt in diesem Fall ganz besonders, weil es da um das Wohl der Menschen geht, darum, ob Menschen­leben gerettet werden können. Deswegen hat dieser Spruch in diesem Zusammen­hang zweifellos einen besonderen Stellenwert.


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 69

Ich weiß, dass die Asfinag in diesem Land hervorragende Arbeit leistet, und darf die ASFINAG um eine hervorragende Öffentlichkeitsarbeit in diesem Zusammenhang bitten. Ich glaube, die ist notwendig, damit die Rettungsgasse am 1. Jänner des kommenden Jahres erfolgreich zum Wohle der Menschen umgesetzt werden kann. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie der Bundesrätin Kerschbaum.)

12.19


Vizepräsident Reinhard Todt: Zu Wort gelangt nun Herr Bundesrat Ertl. – Bitte.

 


12.20.13

Bundesrat Johann Ertl (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Auch wir werden der Rettungsgasse unsere Zustimmung geben, denn das Schlachtfeld Straße zeigt immer wieder, wie schwer es Einsatzfahrzeuge haben oder haben können, zum Unfallort vorzudringen.

Blaulichtorganisationen und die Autofahrerklubs fordern schon seit Jahren die Ret­tungsgasse. Nun ist es endlich so weit, dass wir hier dem unsere Zustimmung geben können. Ich freue mich, dass damit nach jedem Unfall ein schnelles Vorrücken der Einsatzkräfte zum Unfallort möglich sein wird und dass durch jede Minute, die die Rettungsorganisationen rascher am Unfallort sind, Leben gerettet werden können.

Ein herzliches Dankeschön an die Einsatzorganisationen und an die vielen Freiwilligen, die in den Einsatzorganisationen beschäftigt sind. Ich bin sehr froh darüber, dass wir in Österreich ein solch hohes Maß an Freiwilligen haben, die zur Verfügung stehen.

Eine kleine Kritik betreffend den Pannenstreifen muss ich doch noch anbringen. Der Pannenstreifen darf in Zukunft im Falle eines Unfalles auch befahren werden. Aber der Pannenstreifen dient ja, wie der Name schon sagt, für Autopannen.

Stellen Sie sich vor, Sie fahren mit einem Auto 130 km/h auf der Autobahn, das Lenkrad beginnt zu zittern, und Sie müssen auf den Pannenstreifen ausweichen. Sie weichen also auf den Pannenstreifen aus, bremsen das Auto langsam runter, eine Vollbremsung ist bei 130 km/h auf dem Pannenstreifen bei einer Reifenpanne nicht möglich, Sie bremsen das Auto langsam herunter, und plötzlich sehen Sie vor sich – Sie fahren noch 60, 70 km/h – ein kleines Radarkästchen stehen. Ein Zurückfahren auf die erste Fahrbahn ist unmöglich. Was werden Sie machen? – Sie werden über diesen Radarkasten drüberfahren. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Genau.

Jeder Autofahrer muss bei einer Panne sein Auto absichern, muss eine Warnweste anziehen, muss ein Pannendreieck aufstellen, muss die Warnblinkanlage einschalten – aber dieses Radargerät steht komplett unscheinbar mitten auf dem Pannenstreifen. Und da stellt sich natürlich die Frage: Wer bezahlt den Schaden, wenn es da zu einem Unfall kommt? – Danke. (Beifall bei der FPÖ. – Ruf bei der SPÖ: Warnwesten für Radarkästen!)

12.22


Vizepräsident Reinhard Todt: Zu Wort gelangt nun Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte.

 


12.22.59

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist schon sehr vieles gesagt, ich brauche nicht mehr viel dazu zu sagen. Ich kann prinzipiell alles unterschreiben, was schon gesagt worden ist, bis auf den Schluss der Rede des Kollegen Ertl, denn ich habe, ehrlich gestanden, jetzt nicht ganz verstanden, worin da das Problem liegt. Das unterschreibe ich halt nicht, aber alles andere. (Bundesrat Ertl: Bist du keine Autofahrerin?)


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 70

Auch wir werden gerne diesem Gesetz und der Bildung der Rettungsgasse zustimmen, wobei für uns wichtig ist, dass das nicht heißt, dass dann alle automatisch auf dem Pannenstreifen stehen dürfen, wenn es Stau gibt, denn das wäre eher kontraproduktiv.

Als zweiten Punkt möchte ich noch kurz anmerken: Ich finde den Grund, dass das überhaupt notwendig geworden ist, eigentlich dramatisch und traurig, denn im Prinzip gibt es ja die Variante, dass die Rettungsfahrzeuge über den Pannenstreifen zufahren können sollten. Manchmal gibt es keinen Pannenstreifen, ist schon klar (Bundesrat Boden: Was ist, wenn ein Auto auf dem Pannenstreifen steht?), aber es ist eigentlich traurig, dass es derart viele Autofahrerinnen und Autofahrer gibt, die das verhindern. Ich denke, Rücksichtnahme ist eines der obersten Gebote beim Autofahren. Im Stau kommt man sowieso nicht weiter. Wir kennen sie alle, es ist eine eigene Spezies, die glauben, sie müssten im Stau noch die letzten Zentimeter ausnutzen, und damit den Rettungskräften im Weg sind.

Es ist traurig, dass es so ist, und das sollte Anlass sein, weiter darüber nachzudenken, wie man auch im Straßenverkehr ernsthaft an den Kavalieren arbeitet und nicht nur an den Kavaliersdelikten.

Dieser Gesetzesvorlage stimmen wir, wie gesagt, gerne zu. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von ÖVP und SPÖ.)

12.24


Vizepräsident Reinhard Todt: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Bures. Ich erteile es ihr.

 


12.24.50

Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Doris Bures: Herr Prä­sident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich freue mich wieder einmal, dass es im Bereich der Verkehrssicherheit über alle Parteigrenzen hinweg einen solch breiten Konsens gibt.

Ich bedanke mich in diesem Zusammenhang für die Pakete, die wir zum Thema Verkehrssicherheit schon gemeinsam beschlossen haben. Es waren jene Pakete, mit denen wir klar gesagt haben: Autofahren in alkoholisiertem Zustand und extremes Rasen sind keine Kavaliersdelikte! Damit gefährdet man sein eigenes Leben und das Leben Unschuldiger.

Wir haben gesetzliche Maßnahmen getroffen, um auch deutlich zu machen, dass es, wie gesagt, kein Kavaliersdelikt ist, wenn man sich verantwortungslos im öffentlichen Raum, auf den Straßen Österreichs bewegt.

Wir haben ein zweites Paket geschnürt, bei dem es um die schwächsten Verkehrs­teilnehmer gegangen ist: um die Kinder und um die Radfahrer. Es ist wichtig, dass überall dort, wo wir Kinder im Verkehr schützen können, nichts unversucht zu lassen. Wir haben ja erst kürzlich auch die Radhelmpflicht für Kinder unter zwölf Jahren ein­geführt.

All diese Maßnahmen, die wir gesetzlich gesetzt haben, zeigen heute Wirkung. Wir haben einen Rückgang bei den Unfallzahlen, aber es erfordert ein permanentes Aus­einandersetzen mit dem Thema Gefahren im öffentlichen Raum, Gefahren auf Österreichs Straßen, damit das keine einmalige Entwicklung ist, sondern dazu führt, dass wir einen Rückgang bei der Zahl der Unfallopfer auf Österreichs Straßen tatsächlich erreichen.

Es erfordert Gesetze, die der Nationalrat und der Bundesrat beschließen, aber natür­lich auch eine Kontrolle der Gesetze, denn ein Gesetz ist nur so gut, wie seine Einhaltung auch kontrolliert wird. Daher bedanke ich mich in diesem Zusammenhang


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 71

auch ganz besonders bei der Exekutive. Wir haben gemeinsam Kampagnen gesetzt, auch was die Einhaltung von Verkehrsregeln, der Straßenverkehrsordnung betrifft, und auch durch Schwerpunktsetzungen gemeinsam tatsächlich einiges erreicht.

Es ist aber auch etwas, was Sie, Frau Bundesrätin, angeschnitten haben, gefordert, nämlich insgesamt eine Bewusstseinsänderung. Es geht darum, dass jeder und jede einzelne von uns etwas dazu beitragen kann, dass die Straßen sicherer werden und dass es weniger Unfälle gibt.

Das heißt, im Mittelpunkt all der Maßnahmen in der Verkehrspolitik ist natürlich das Thema Verkehrssicherheit gestanden und wird auch in Zukunft dort stehen. Was wir heute beschließen, ist etwas, wo man handeln muss, wenn trotzdem etwas passiert.

Wir wissen, wir können viele Maßnahmen setzen, aber wir können nicht verhindern, dass es zu Unfällen kommt. Daher bin ich sehr froh, dass wir heute eine Maßnahme beschließen, die dazu beiträgt, dass, wenn trotzdem etwas passiert, so schnell wie möglich geholfen werden kann.

Ich habe die Diskussion über die Einführung von Rettungsgassen, eine neue Straßen­verkehrsordnung, durch die ein Weg für die Einsatzkräfte – Polizei, Feuerwehr, Rettung – freigemacht werden muss, mit diesen Einrichtungen natürlich intensiv diskutiert, also mit der Polizei, der Feuerwehr, den Rettungsorganisationen und dem Kuratorium für Verkehrssicherheit. Wir haben uns internationale Beispiele angesehen, und es zeigt sich, dass die Rettungskräfte mit der Einführung der Rettungsgasse in Zukunft die Chance haben, schneller am Unfallort zu sein, als das über die Befahrung des Pannenstreifens heute der Fall ist.

Ich habe diese Diskussion auch mit Unfallchirurgen geführt, die mir Folgendes erzählt haben: Eine Minute schneller am Unfallort zu sein bedeutet eine um 10 Prozent höhere Überlebenschance nach einem schweren Verkehrsunfall.

Und wenn man, wie es heißt, aufgrund dieser Regelung im Schnitt um 4 Minuten schneller am Unfallort ist, dann ist es, glaube ich, ein Gebot der Stunde, solch eine Maßnahme umzusetzen.

Neben der Entscheidung über Leben und Tod geht es auch um Unfallfolgeschäden, Verletzungsgrade et cetera. Je schneller nach einem Unfall ärztliche Behandlung erfolgen kann, desto höher sind die Überlebenschancen und desto geringer sind mög­licherweise Unfallfolgeschäden.

Daher bedanke ich mich für diesen breiten Konsens bei der Beschlussfassung, weil wir heute anderen helfen, nämlich den Blaulichtorganisationen. Wir helfen mit der heutigen Maßnahme der Feuerwehr, der Rettung, der Exekutive, der Polizei, selbst schneller helfen zu können. Das ist eine gute Sache, und, wie gesagt, herzlichen Dank für den breiten Konsens.

Was wir jetzt machen müssen, ist natürlich, die Autofahrerinnen und Autofahrer darüber zu informieren, wie das funktioniert. Aber ich bin davon überzeugt, dass es mit einer Kampagne im Herbst – auch mit den Fahrschulen, mit denen wir ja eng kooperieren – wie in anderen europäischen Ländern gelingen wird, dass wir schneller am Unfallort sind und damit möglicherweise auch menschliches Leid verhindern. Herzlichen Dank für diese enge Kooperation und die breite Zustimmung! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

12.30


Vizepräsident Reinhard Todt: Zu Wort gelangt nun Herr Bundesrat Gruber. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 72

12.30.36

Bundesrat Manfred Gruber (SPÖ, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es wurde eigentlich so ziemlich alles, was man zu diesem Thema sagen kann, von meinen Vorrednerinnen und Vorrednern bereits gesagt, und die Frau Bundesminister hat das jetzt noch abgerundet. Erlauben Sie mir trotzdem einige kurze Anmerkungen.

Ich möchte betonen – darauf wurde auch schon hingewiesen –, dass die Verkehrs­politik an und für sich bei der Frau Bundesminister in sehr guten Händen ist! Wir haben in den letzten Monaten wirklich die verschiedensten positiven Sachen hier im Parla­ment beschlossen, wobei es eben nicht nur um Kontrolle und um Strafen gegangen ist, sondern auch darum, eine Bewusstseinsänderung bei den Autofahrern herbeizuführen. Ein verantwortungsbewusstes Verhalten im Straßenverkehr trägt am meisten dazu bei, dass Unfälle eventuell schon im Vorfeld vermieden werden können.

Wir haben uns in den letzten Sitzungen mit sogenannten Hochrisikolenkern auseinan­der­gesetzt, also Leuten, die mit einer Geschwindigkeit von 100 km/h durch Ortsgebiete fahren, und Leuten, die mit einem Tempo von 180 km/h auf Autobahnen dahinbrausen oder in stark alkoholisiertem Zustand ihre Mitbürgerinnen und Mitbürger gefährden. Dieses Verkehrsverhalten muss man in einem Bereich ansiedeln, wo man sagt: Das sind schon lange keine Kavaliersdelikte mehr! Daher sind dementsprechende Strafen, die damit auch beschlossen worden sind, von hoher Wertigkeit.

Eine zweite wichtige Maßnahme ist, dass wir uns in verschiedenen Bereichen der modernen Technologie bedienen. So ist es mit Radarmessungen von vorne ermöglicht worden, in Zukunft Autoraser, die glauben, dass unsere Autobahnen für sie Renn­strecken sind, auch zur Verantwortung zu ziehen. Natürlich geschieht all das im Rah­men des Datenschutzes, aber ich glaube, dies ist ein ganz wichtiges Signal.

Erst vor Kurzem haben wir hier beschlossen, dass wir uns für die schwächsten Ver­kehrs­teilnehmer einsetzen wollen; das sind die Fußgängerinnen und Fußgänger, die Radfahrer und natürlich unsere Kinder. Auch das ist ein wichtiger Schritt in diese Rich­tung gewesen. Alles ist damit verbunden, dass wir möglichst viele Unfälle auf unseren Straßen verhindern und das Unfallpotenzial reduzieren.

Bei dieser Regierungsvorlage – es wurde ja schon angesprochen – geht es nicht darum, Unfälle zu vermeiden, sondern es geht darum, dann, wenn ein schrecklicher Unfall passiert ist, möglichst rasch zu helfen. Wir haben schon gehört, was 1 Minute bewirkt. Wir wissen aus der Realität in Deutschland, dass in Wirklichkeit anscheinend 4 Minuten zustande kommen, um die man schneller am Unfallort ist, wenn es Ret­tungsgassen gibt. Was das bedeutet, was die Überlebenschancen betrifft, und was das nachher für die Rehabilitation bedeutet, brauche ich hier nicht mehr zu erwähnen, das ist auch schon gesagt worden. Es ist also eine gute Sache.

Mit dem Pannenstreifen habe ich mich natürlich auch auseinandergesetzt, weil ja die Undiszipliniertheit der österreichischen Autofahrer gegeben ist. Man erlebt das selbst, wenn man sehr viel auf Autobahnen unterwegs ist. Gibt es einmal einen kurzen Stau, dann geht es schon rechts auf dem Pannenstreifen dahin, einer nach dem anderen!

Da muss ich auch sagen, dass ich ebenfalls der Meinung war, man müsste eher diese Undiszipliniertheit auf dem Pannenstreifen abschaffen, dann könnte man sich die Rettungsgasse ersparen. Nur ist da ein Denkfehler drinnen, Frau Kollegin. (Bundes­rätin Kerschbaum: Das habe ich nicht gemeint! Ich habe gemeint, deshalb ...!) Wenn etwas passiert und auf dem Pannenstreifen ein Lkw steht, der wirklich eine Panne hat, dann kommt man gar nicht mehr hin! Dann kommt man über den Pannenstreifen nicht hin, und man hat die Rettungsgasse nicht.


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 73

Ich habe mich dann zurückgenommen und mir gedacht, dass die Rettungsgasse letzten Endes doch einen Sinn hat – wenn auch ein Pannenstreifen im ersten Moment sinnvoller wäre, dass man unter Umständen zu einem Unfallort kommt. (Bundesrat Mayer: Radar ...!) Ja, das Radar – das kann ich leider nicht ganz nachvollziehen. Ich bin nur froh, dass das nicht nur für Autobahnen, sondern auch für Schnellstraßen gilt. Dass es sich bewährt hat, sieht man in unseren Nachbarstaaten.

Ich gehe auch davon aus, dass es eine umfassende Information geben muss, über die ASFINAG, über die Autofahrerklubs. Man sollte dabei vielleicht nicht vergessen, dass man, weil auf unseren Straßen sehr viele Ausländer unterwegs sind, das auch sprachlich in diese Richtung bringt, damit diese Leute ebenfalls darüber Bescheid wissen, was sie zu tun haben, wenn es auf der Autobahn oder auf einer Schnellstraße zu einem Stau kommt.

In diesem Sinne – mein Kollege Boden hat es schon gesagt – werden wir dieser Vor­lage zustimmen. Ich bedanke mich noch einmal bei allen, die dazu beigetragen haben, und wünsche allen eine gute Fahrt! – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie der Bundesrätin Kerschbaum.)

12.35


Vizepräsident Reinhard Todt: Zu Wort gelangt als Nächster Herr Bundesrat Strohmayer-Dangl. – Bitte.

 


12.36.01

Bundesrat Kurt Strohmayer-Dangl (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Es ist wirklich schon sehr viel gesagt worden, ich möchte nur mehr auf zwei Punkte eingehen. Ich glaube, mit dieser Maßnahme wird es uns gelingen, die Zahl der Verkehrstoten, die ja in den letzten 30 Jahren von 2 000 auf 700 zurückgegangen ist, noch weiter zu minimieren. Das ist, glaube ich, das wichtigste Anliegen.

Ich möchte aber als früherer aktiver Polizist, der selbst auf Autobahnen tätig war, darauf hinweisen, dass unsere Autobahnen großteils an die Grenzen der Leistungs­fähigkeit gekommen sind. Diese Verkehrsverdichtung führt natürlich zu einem Mehr an Verkehrsunfällen, und es wird für die Rettungskräfte immer schwieriger, in diesem dichten Verkehr rasch an die Unfallstelle zu gelangen. Dies wird durch die Rettungs­gasse mit Sicherheit leichter werden.

Allerdings bedarf die praktische Umsetzung der Rettungsgasse einer umfassenden Information und Bewusstseinsbildung, da bereits die ersten Lenker nach einem Verkehrsunfall richtig reagieren müssen. Sie müssen beidseitig zur Seite fahren, denn es nützt nichts, wenn es einen halben Kilometer lang keine Rettungsgasse gibt, sich der Verkehr verdichtet und das übliche Bild von nervösen Autofahrern, von einem Verkehrschaos unmittelbar nach der Unfallstelle eintritt.

Darum: Bitte, eine wirklich umfassende Informations- und Aufklärungskampagne für diese Rettungsgasse! Und den Einsatz von Verwaltungsstrafen, bitte, wirklich nur im Ausnahmefall, denn es wird sicher einer längeren Eingewöhnungsphase bedürfen, um Rettungsgassen auch in der Praxis ordnungsgemäß durchzubringen.

Abschließend: Die Rettungsgassen sind ein Meilenstein im Hinblick auf unsere Aut­obahnen, auf das Erreichen der Unfallstelle. Es ist dies sicher eine wesentliche Erleich­terung für die Einsatzkräfte von Polizei, Rettung und Feuerwehr, wobei ich die letzten beiden anführen möchte: Diese Damen und Herren machen ihre Arbeit freiwillig unter größtem Einsatz, mit größter Motivation! Ich glaube, es ist ein zusätzliches Zeichen im Jahr der Freiwilligen, auch für diese Freiwilligen die Rettungsgasse zu schaffen, damit


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 74

sie nicht nur angespannt ihre Arbeit an der Unfallstelle machen, sondern auch schnel­ler zu dieser gelangen können.

Wir stimmen dieser Gesetzesänderung sehr gerne zu. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

12.38


Vizepräsident Reinhard Todt: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Ich stelle die Stimmeneinhelligkeit fest. Der Antrag ist somit ange­nommen.

12.39.014. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Führerscheingesetz geändert wird (14. FSG-Novelle) (1203 d.B. und 1304 d.B. sowie 8528/BR d.B.)

 


Vizepräsident Reinhard Todt: Wir kommen zu Punkt 4 der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Stadler. – Bitte um den Bericht.

 


12.39.18

Berichterstatter Werner Stadler: Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Der Bericht des Ausschusses für Verkehr, Innovation und Technologie über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Führerscheingesetz geändert wird, liegt in schriftlicher Form vor; daher komme ich sogleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vorlage am 19. Juli 2011 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Reinhard Todt: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Krusche. Ich erteile es ihm.

 


12.40.01

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Hohes Präsidium! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Meine Damen und Herren! Jetzt ist es mit dem breiten Konsens wieder vorbei. (Bundesrat Gruber: Immer, wenn du zu reden anfängst!) – Na, du wirst dich heute noch wundern! – Ich habe bereits im Ausschuss auf einen Widerspruch hingewiesen:

Einerseits wird durch die mehrphasige Ausbildung das Lenken schwerer Motorräder erst mit einem höheren Alter als bisher ermöglicht. Das ist gut so und in Anbetracht der enormen Anzahl von Unfällen mit Zweirädern durchaus im positiven Sinne für die Verkehrssicherheit. Andererseits aber dürfen nunmehr bereits 16-Jährige Motorräder mit bis zu 125 Kubikzentimetern lenken. Damit wird eigentlich wieder genau das Gegenteil einer Steigerung der Sicherheit erreicht! Es wird nämlich eine unerfahrene, in jugendlichem Leichtsinn oft an Selbstüberschätzung leidende Gruppe von Verkehrs­teilnehmern einem erhöhten Risiko ausgesetzt.


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 75

Aber wirklich erschüttert hat mich eigentlich die Antwort im Ausschuss: Es sei klar, dass dies mehr Tote zur Folge haben könne, aber eine diesbezügliche EU-Richtlinie müsse umgesetzt werden – das muss man sich wirklich auf der Zunge zergehen lassen! –, und da man sich dieser Gefahr bewusst sei, habe man ja bei der Ausbildung gegengesteuert, wird argumentiert (Zwischenruf des Bundesrates Stadler), mit mehr Fahrstunden und einem einstündigen Gespräch mit einem Verkehrspsychologen und Fahrlehrer.

Meine Damen und Herren, ich weiß nicht, welche Experten sich diese Alibi-Maßnahmen ausgedacht haben. Eines weiß ich aber sicher: Sie haben keine Ahnung von der Psyche eines 16-Jährigen, der samstags nachts, vielleicht mit einem Mädel auf dem Sozius, von einer Disco zur anderen rasen will!

All die Änderungen in diesem Bereich haben neben diesem sicherheitstechnisch wirklich bedenklichen Aspekt auch noch weit weniger gefährliche Auswirkungen, aber immerhin unangenehme: Sie führen zu einer Verteuerung. Der Mopedführerschein – dieser neue „AM“ – wird sich um zirka 40 € verteuern. Das erscheint vielleicht als nicht viel, aber wenn man die Zielgruppe betrachtet – Jugendliche, häufig im ländlichen Raum, die auf dem Weg zu ihrer Lehrstelle oder in die Schule auf das Moped angewiesen sind –, so ist das doch eine erhebliche Verteuerung. Auch die bereits erwähnte Ausweitung von Fahrstunden und dieses Gespräch werden zu zusätzlichen Kosten führen.

Weil wir schon beim Abkassieren sind: Selbstverständlich wird auch die große Masse der Verkehrsteilnehmer, die Führerscheingruppe-B-Besitzer, ebenfalls zur Kasse gebeten. Die verpflichtende Neuausstellung des Führerscheins alle 15 Jahre kostet nach derzeitigem Stand pro Ausstellung ungefähr 45 €. Ich weiß allerdings nicht, ob da noch ein Körberlgeld für das Finanzministerium übrig bleibt oder ob alles durch den zusätzlichen Verwaltungsaufwand aufgefressen wird. So sieht aber Bürokratieabbau und Verwaltungsvereinfachung nach unseren Vorstellungen nicht aus!

Auch das wird wieder mit mehr oder weniger fadenscheinigen Argumenten begründet: Ein einheitliches Dokument in Europa erleichtere die Arbeit der Exekutive bei der Verfolgung von Verkehrsübertretungen. – Ich kann auch mit meinem alten rosa Schein derzeit beispielsweise in den USA ein Auto lenken, und, glauben Sie mir, die dortige Polizei wird sich nicht davon abschrecken lassen, mich entsprechend zu bestrafen, auch wenn ich ein altes Papier habe. Aber abgesehen davon könnte man dieses Problem der Umstellung auf das Scheckkartenformat auch mit einer einmaligen Umstellungsfrist lösen und müsste das nicht gleich alle 15 Jahre vorschreiben.

Ein weiteres Argument für ebendiese 15-jährige Frist lautet, dass sich das Aussehen der Personen nach 15 Jahren ändert. Frau Bundesminister, solange bei uns jemand mit einem Nudelsieb auf dem Kopf einen Führerschein bekommt, erübrigt sich dieses Argument! (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ.)

Was bleibt also unter dem Strich? – Fadenscheinige Argumente: weil wieder einmal eine EU-Richtlinie umgesetzt werden muss! Gerade wenn wir am heutigen Tag, meine Damen und Herren, nach Brüssel schauen, so hat, glaube ich, diese EU wahrlich andere Probleme als sich um einheitliche Führerscheinregelungen zu kümmern und sich dafür starkzumachen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

12.45


Vizepräsident Reinhard Todt: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Lindinger. Ich erteile es ihm.

 



BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 76

12.45.25

Bundesrat Ewald Lindinger (SPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Frau Bundes­minis­terin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Kollege Krusche, so schaut er aus. (Der Redner hält einen Führerschein im Scheckkartenformat in die Höhe.) Wahr­scheinlich wirst du deinen Führerschein nicht mehr erkennen, er wird wohl auch schon mehr als 30 Jahre alt sein. (Bundesrat Gruber: Er ist da noch drauf mit dem Erstkom­munionsbild!)

Ich habe also freiwillig investiert, um den Fragen der Exekutive zu entgehen: „Sind Sie das wirklich?“ (Heiterkeit bei der SPÖ.) Ich habe das auch gerne gemacht, denn er ist handsam, passt in jedes Geldtascherl und ist nicht verwechselbar, weil jeder Bankomat den Führerschein zurückgeben wird, da er nicht über die notwendigen Daten verfügt, die ein Bankomat braucht.

Aber, Kollege Krusche, noch ein Irrtum: Ich war auch in den Vereinigten Staaten, habe dort ein Leihauto genommen und bin einige Wochen damit gefahren. Ich habe einen internationalen Führerschein lösen müssen, den mir der ARBÖ ausgestellt hat, um die Berechtigung dafür zu erhalten, ein Leihauto zu mieten. Das rosarote Papierl, dieser zerfledderte Führerschein, der nach 30, 35 Jahren schon so aussieht (Bundesrat Gruber: Wie eine Ziehharmonika!), hat in den Vereinigten Staaten nicht genügt (Bun­desrat Krusche: Das ist aber schon lange her, dass du drüben warst! Brauchst du jetzt nicht mehr!) zum Erlangen einer Miete eines Leihwagens.

Diese Novelle zum Führerscheingesetz ist sicher eine wesentliche Neuerung. Was mich auch freut, ist, dass gerade im Bereich des Mopeds Veränderungen, Verbesse­rungen geschaffen wurden. Den Berechtigungsumfang hätten wir uns schon vor langer Zeit gewünscht, bis 125 Kubikzentimeter, dass wir auch mit dem 16. Lebensjahr mit einem sogenannten Vespa-Roller hätten fahren dürfen; es war damals leider nicht so. Da haben wir uns mit den 50 Kubikzentimetern zufriedengeben müssen. Dies ist jetzt erleichtert worden.

Aber wesentlich ist, dass der Direktzugang zu den höherklassigen Motorrädern auf das 24. Lebensjahr festgesetzt wurde. Das ist ein wesentlicher Punkt in diesem Gesetz, dass hier etwas verändert wird.

Es wird natürlich viele Ausstellungen von Neu-Führerscheinen in dieser Zeit geben. Ich glaube, zirka 300 000, hat man geschätzt, werden jährlich neu ausgestellt und werden dann auch verlängert werden müssen. In 15 Jahren verändert sich ein Mensch sicherlich.

Aber was nicht im Gesetz ist: Kollege Krusche, wir sind ja auch in einem Alter, in dem wir sagen, es könnte doch sein, dass ein ärztlicher Test uns den Zugang zum Führer­schein verweigert. Das ist nicht drinnen, dass älteren Personen der Zugang zum Führerschein erschwert wird. (Bundesrat Krusche: Habe ich auch nicht behauptet!) Es ist die Freiwilligkeit für jeden gewahrt.

Es ist für die Exekutive wesentlich leichter, die Daten eines Fahrzeuglenkers rasch zu erheben, indem man die Daten gut leserlich verfügbar hat. Ich hoffe, dass er 15 Jahre hält, dass diese Daten rasch leserlich sind und dass hier auch eine Verbesserung gegeben ist.

Sehr positiv finde ich auch, dass für sogenannte Mopedautos ab 2013 ein Führer­schein der Klasse „AM“ gemacht werden muss.

Frau Bundesminister! Besorgniserregend sind für mich derzeit die schweren Unfälle – das hat aber nichts mit diesem Führerscheingesetz zu tun – von PS-starken Boliden, von jungen Menschen, die mit diesen Autos schwere Unfälle haben. Es hat in Oberösterreich schon Diskussionen darüber gegeben, dass wir auch hier altersmäßig


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 77

Zugangsbeschränkungen machen. Aber das ist ein sehr langer Diskussionsprozess, den wir vielleicht im Zuge von Unfällen aktualisieren und in Gang setzen.

Die Novelle des Führerscheingesetzes bringt zahlreiche Neuerungen und leistet durch Änderungen beim Motorrad- und Mopedführerschein einen großen Beitrag zur Verkehrssicherheit. Jeder Beitrag zur Erhöhung der Verkehrssicherheit auf Österreichs Straßen ist wichtig und kann Verkehrstote verhindern. Vielleicht können die Freiheit­lichen auch noch ihre Zustimmung zu dieser Gesetzesnovelle geben. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

12.50


Vizepräsident Reinhard Todt: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Kersch­baum. Ich erteile ihr dieses.

 


12.50.58

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben in diesem Fall ein ähnliches Problem wie die FPÖ, nämlich mit der Senkung des Zugangsalters zu Leichtmotorrädern. Diese kann meiner Meinung nach keinesfalls zur Verkehrssicherheit beitragen, selbst wenn man vielleicht bei der Schulung etwas verbessert.

Ich würde schon noch eines anmerken: Warum brauchen denn die Kids in diesem Alter ein Moped? – Weil sie einfach flügge werden. Sie wollen fortgehen. Das ist so das Alter, mit 16 fängt man an fortzugehen, vielleicht ein bisschen weiter weg. Und es gibt eben sehr viele Bereiche, wo man nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs sein kann. Ausgenommen in Wien und vielleicht den anderen größeren Städten kann man das leider vergessen.

Es wäre ein ganz wichtiger Beitrag zur Verkehrssicherheit, dass Jugendliche mit 16, wenn sie am Abend fortgehen, ohne Moped nach Hause kommen können – ein Anliegen an Sie, das der Verkehrssicherheit wirklich viel mehr dienen würde als die Senkung des Zugangsalters.

Die Befristung des Führerscheins ist prinzipiell kein Problem. Es wäre nur meiner Meinung nach schon sinnvoll, wenn man sagt, nach 15 Jahren schaut man sich einmal den Gesundheitszustand an oder macht vielleicht ein kleines Fahrsicherheitstraining, damit man wieder einmal überprüfen kann, wie fahrtauglich man wirklich ist.

Ich muss anmerken, mein Kind hat vor Kurzem den L 17 angestrebt, und ich habe einmal diesen Computertest gemacht. Ich sage jetzt das Ergebnis nicht, aber es war leicht erschreckend. Ich habe dann mit dem Bezirkspolizeikommandanten geredet, der gemeint hat, es gehe den meisten Leuten so – also das liegt vielleicht auch an den Fragen. Aber allgemein denke ich mir, dass eine kleine Auffrischung nach 15 Jahren nicht schaden kann – und wenn man sich sowieso den Führerschein holen muss, warum macht man nicht auch vielleicht eine kleine Auffrischung dazu?

Ein Punkt, der uns fehlt, ist ein Punkt, den die Volksanwaltschaft immer wieder einge­bracht hat, nämlich bei den gesundheitsbedingten Befristungen von Führerscheinen die Gebühren zu erlassen. Das ist in diesem Fall leider auch wieder nicht vorgesehen. Das ist auch ein Punkt, der uns an dieser Gesetzesänderung stört, und deshalb werden wir diesmal nicht zustimmen. – Danke. (Beifall des Bundesrates Dönmez.)

12.53


Vizepräsident Reinhard Todt: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Greiderer. Ich erteile ihr dieses.

 



BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 78

12.53.28

Bundesrätin Elisabeth Greiderer (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Diese Gesetzesänderungen, die wir heute beschließen werden, sind deswegen notwendig, weil eine EU-Richtlinie – die dritte Führerscheinrichtlinie – umzusetzen ist, auch bei uns in Österreich. Diese Umsetzung beinhaltet einige Punkte, die ich jetzt noch einmal zusammenfassen möchte.

Das sind die Vereinheitlichung des EU-Scheckkartenführerscheins und die Befristung des A- und B-Führerscheins auf 15 Jahre. Beim A-Führerschein werden neue Klassen eingeführt, auf die ich dann noch zu sprechen komme. Der direkte Einstieg in die schwere Klasse beim Motorrad ist dann erst mit 24 Jahren möglich. Es wird eine verpflichtende Weiterbildung bei den Führerscheinprüfern geben – also Qualitätssiche­rung, Aus- und Weiterbildung bei der Führerscheinprüfung selber –, und keine verpflichtenden Gesundheitschecks für Seniorinnen und Senioren.

Ich möchte jetzt auf die A-Führerscheinklassen eingehen und ein paar Argumente herausarbeiten, über die ich heute noch nichts gehört habe. Es ist so, dass es ab 2013 für 16-Jährige möglich sein wird, direkten Zugang zu Leichtmotorrädern bis 125 Kubik­zentimeter zu haben. Allerdings sei betont, dass sich beim klassischen Mopedführer­schein, den es seit langer Zeit gibt, nichts ändern wird. Es ist weiterhin möglich, ihn mit 15 Jahren oder mit 16 zu machen, bei 15-Jährigen mit der Zustimmung der Eltern. Es steht also jedem frei, welchen Führerschein er mit 16 machen möchte.

Es ist auch so, dass es in einigen Ländern diese Führerscheinklasse mit 16 schon länger gibt – und zwar in Deutschland, in Italien und in Frankreich – und dies bestens funktioniert. Wenn ich immer wieder Kritik höre: Um Gottes willen, 16-Jährige sollten ja nicht mit einem Leichtmotorrad fahren dürfen!, aber wählen dürfen die Jungen mit 16 schon, da frage ich mich, was das für ein Widerspruch ist. Außerdem sollen wir den jungen Menschen auch endlich einmal etwas zutrauen und nicht immer kritisieren. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

Herausarbeiten möchte ich auch noch kurz den Unterschied zwischen der Moped­ausbildung und der Ausbildung für ein 125er-Leichtmotorrad. Es ist so, dass für den Mopedführerschein nur sechs Theoriestunden vorgeschrieben sind, nach denen eine Art Multiple-Choice-Test gemacht wird, und acht Fahrstunden. Der Gesetzgeber hat bereits im Jahr 2009 die Anzahl der Fahrstunden von sechs auf acht erhöht, damit auch beim Mopedführerschein zwei Stunden verpflichtend im fließenden Verkehr und auf der Straße zu fahren sind.

Jetzt gegenübergestellt: Beim 125er-Leichtmotorradführerschein ist sehr wohl ein kompletter Theoriekurs mit 34 Theoriestunden notwendig. Es müssen zwölf Fahrstun­den gemacht werden, davon der Großteil im fließenden Verkehr. Eine Theorie- und eine praktische Prüfung müssen abgelegt werden, und weiters ist neuerdings auch noch ein Kurs für eine Risikoabschätzung vorgeschrieben, also ein Gespräch mit den Fahrlehrern und den Fahrprüfern. Das wurde neu eingeführt.

Noch ein paar Argumente: Ich denke, wenn man den 16-Jährigen ermöglicht, den Leichtmotorradführerschein zu machen, dann kommen sie von den frisierten Mopeds weg, die ja sehr häufig unterwegs sind. Das muss man auch einmal sagen. Weiters haben diese Motorräder ein höheres Gewicht, ein besseres Fahrwerk, bessere Bremsen, und dadurch sind sie auch sicherer.

Wir haben vergessen, dass es bis zum Jahr 1998 immerhin ja schon einmal den AK- und den AJ-Führerschein gegeben hat. Diese Fahrzeuge haben auch 100 km/h fahren können, und das Geschrei war riesengroß, wie man diese Möglichkeit abgeschafft hat.


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 79

Ich verstehe die Sorgen der Eltern sehr gut – sie sorgen sich natürlich um die Sicher­heit der Jungen –, möchte aber auch noch auf die Möglichkeit des L-17-Führerscheins hinweisen, der ja bereits jetzt schon mit 16 begonnen werden konnte. Jetzt kann man den Leichtmotorradführerschein in Verbindung mit dem L-17-Führerschein beginnen. Ich denke, dass Eltern im Gespräch mit den jungen Leuten und wenn sie 3 000 Kilometer mit dem Auto fahren – vielleicht auch parallel zum Leichtmotorrad­führerschein – sehr wohl abwägen und in ihrer Verantwortung sehr wohl überwachen, wie sicher der Sohn oder die Tochter im Straßenverkehr ist.

Ich glaube, diese Möglichkeit, bei der jeder wählen kann, ob er mit dem Leichtmotorrad oder mit dem Auto fährt, ist eine sehr gute Möglichkeit, über die ich heute leider zu wenig gehört habe.

Ganz kurz noch zu den Stufen: Wenn ich den Führerschein A1 gemacht habe, kann ich nach zwei Jahren den Führerschein A2 machen, nach weiteren zwei Jahren den Führerschein A3. Durch die stufenweise Einführung ist es nicht mehr möglich, einen Direkteinstieg auf schwere Motorräder ohne entsprechende Praxis zu machen.

Ich denke, alles in allem können wir dem Gesetz guten Gewissens zustimmen. Es ist ein großer Beitrag zur Verkehrssicherheit. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

12.59


Vizepräsident Reinhard Todt: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Bures. Ich erteile ihr dieses.

 


12.59.36

Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Doris Bures: Herr Vorsitzender! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe den Ausführungen des Herrn Bundesrates Lindinger im Zusammenhang mit dem Nutzen eines EU-einheitlichen Scheckkartenführerscheins eigentlich nichts hinzuzufügen. Ich habe eigentlich auch den Ausführungen von Frau Bundesrätin Greiderer bezüglich der Fragen der Verkehrssicherheit und der zukünftigen Ausbildung, die man machen muss, um Leichtmotorräder mit 16 fahren zu dürfen, als Verkehrsministerin nichts hinzuzufügen, weil beide es auf den Punkt gebracht haben.

Beim Führerschein handelt es sich um ein Dokument. Wir haben derzeit in Europa 110 verschiedene Dokumente. Viele von uns haben den rosa Schein noch eingesteckt – mit einem Bild, bei dem die Ähnlichkeit nicht immer im entsprechenden Ausmaß gegeben ist. Es ist ein Dokument, so wie alle anderen, bei denen es selbstverständlich ist, dass man sie verlängern lässt – man muss einen Reisepass verlängern, man muss einen Personalausweis verlängern. Und daher haben wir die längstmögliche Frist – nämlich 15 Jahre – ausgewählt und vorgeschlagen.

Es stimmt auch – und ich finde das richtig –, dass wir keine Zwangsgesundheits­unter­suchungen durchführen werden. Wir werden das Angebot legen, dass freiwillige ano­nyme Gesundheitschecks angeboten werden, bei denen man überprüfen kann, wie die Reaktionsfähigkeit ist und wie es mit der Sehfähigkeit aussieht, weil wir natürlich alles tun, damit die Menschen so sicher wie möglich unterwegs sind.

Bei der Ausbildung für die Leichtmotorräder geht es darum, dass wir alles unter­nehmen, um die beste Ausbildung zu haben. Es wird nicht nur eine – jetzt schon gute – Mopedausbildung sein, die wir hier festlegen, mit den zusätzlichen zwei Stunden im fließenden Verkehr, die wir erst beschlossen haben. Es wird auch eine Regelung geben, dass bei der Führerscheinausbildung zwölf Stunden im fließenden Verkehr gefahren werden müssen und dass es statt sechs 34 Theoriestunden geben muss.


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 80

Das heißt, das Kuratorium für Verkehrssicherheit und alle Verkehrsexperten sagen, dass es ganz entscheidend ist, dass wir die bestmögliche Ausbildung zur Verfügung stellen. Die Gesetzesvorlage sieht das auch so vor. Ich habe bei den Reden gemerkt, dass die Mehrheit dieses Hauses dahintersteht. Der Minderheit kann ich nur sagen: Überdenken Sie es noch einmal!

Ich bin davon überzeugt – und wir werden das natürlich auch laufend untersuchen –, dass das ein weiterer Mosaikstein für mehr Verkehrssicherheit ist und die beste Ausbildung für jene, die auf den Straßen unterwegs sind. An den Bundesrat der FPÖ: Nicht alles, was die EU beschließt, ist schlecht. Das ist eine gute Richtlinie. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

13.02


Vizepräsident Reinhard Todt: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Beer. Ich erteile ihm dieses.

 


13.02.49

Bundesrat Wolfgang Beer (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Um gleich an die Ausfüh­rungen der Frau Ministerin anzuknüpfen: Nicht alles ist schlecht, was von der EU kommt. Es ist halt in Österreich eine lieb gewonnene Tradition, dass sehr viele Men­schen mit Führerscheinen mit einem Jugendbildnis herumfahren.

Dieses Erneuern – alle 15 Jahre – war jetzt im Gesetz noch nicht explizit vorgesehen, aber es stand drinnen, dass ein eindeutiges Erkennen der Person, die den Führer­schein besitzt, gegeben sein muss. Wenn man mit 18 Jahren den Führerschein macht und dann mit 45 aufgehalten wird, ist nicht mehr sehr viel Ähnlichkeit vorhanden, glaube ich. Daher ist es wirklich ganz gut, dass man alle 15 Jahre seinen Führerschein erneuert und somit keine Probleme hat, wenn man in eine Polizeikontrolle kommt.

Abgesehen davon ist es so, dass ja alle Führerscheine, die bis zum Jahr 2013 ausgestellt werden, noch bis zum Jahr 2033 Gültigkeit haben. Das sind immerhin noch 20 Jahre. Also die Älteren, die diese Tradition des Jugendbildnisses gerne beibehalten wollen, haben noch die Möglichkeit, 20 Jahre jünger auszusehen.

Herr Krusche! Es wurde – weil ich auch in diesem Ausschuss war – im Ausschuss nicht gesagt, dass es mehr Tote geben wird. (Abg. Krusche: Kann!) – Auch nicht kann. (Abg. Krusche: ... mitgeschrieben! ... mitgeschrieben!) Von Toten haben wir im Ausschuss nicht gesprochen. Wir haben von der Unfallhäufigkeit gesprochen (Abg. Krusche: Wörtlich mitgeschrieben!), und da wurde von den Beamten gesagt, es kann zu einer Erhöhung kommen – aber wir haben nicht über Tote gesprochen.

Erstaunlich sind aber die Beispiele Deutschland und Frankreich, die da eine Vorreiter­rolle gespielt haben, vor allem Frankreich. Frankreich hatte in den siebziger Jahren so etwas Ähnliches wie den AJ- und AK-Führerschein, sodass man als Jugendlicher auch mit einer etwas höheren Kubikzahl und etwas mehr PS fahren konnte. In Frankreich war eigentlich kein eklatanter Anstieg der Unfallzahlen zu beobachten, so wie auch in Deutschland kein Anstieg zu beobachten ist.

Wer sagt, dass ein 16-Jähriger mit einem Motorrad mit 125 Kubik und maximal 11 kW sehr gefährdet ist, der ist nie mit einem Motorrad gefahren. Als Einspuriger ist man mit einem Fahrzeug, das 40, 45 oder 50 km/h fährt, der langsamste. Und gerade als Einspuriger ist man sehr oft froh, wenn man die Möglichkeit hat, ein wenig Gas zu geben und aus Gefahrensituationen zu entkommen. Das Ganze kann eigentlich nur der Verkehrssicherheit dienen, da ja auch begleitende Maßnahmen gesetzt werden und die Jugendlichen einer Überprüfung ihrer Verkehrstauglichkeit unterzogen werden.


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 81

Sehr zu begrüßen ist, dass bei den Einspurigen die stärkeren Motorräder – über 35 kW – erst ab dem 24. Lebensjahr gefahren werden dürfen. Diese Motorräder sind meistens rennstreckentauglich, und es gehört schon einiges dazu, um diese Motor­räder auch wirklich zu beherrschen.

Beim AM-Führerschein hat sich – das wurde auch schon gesagt – nichts verändert. Man kann ihn ab 15 machen, wenn die Eltern zustimmen; wenn die Eltern nicht zustim­men, erst ab dem 16. Lebensjahr. Ich glaube, es ist dann aber obsolet – außer es ist eine Preisfrage – und es ist naheliegend, dass man sich ein stärkeres Motorrad nimmt und komfortabler fährt. Wenn man beobachtet, wie zwei Personen auf einem Moped fahren, dann hat man schon sehr viel Mitleid mit den Jugendlichen.

Ich glaube, dass wir hier wieder einen Schritt in die richtige Richtung gemacht haben und alles in allem wieder zu einer Verbesserung der Verkehrssicherheit kommen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

13.07


Vizepräsident Reinhard Todt: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Strohmayer-Dangl. Ich erteile ihm dieses.

 


13.07.57

Bundesrat Kurt Strohmayer-Dangl (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzter Herr Prä­sident! Frau Minister! Ich habe heute das Los des Letztredners hiezu, wobei zu beiden Tagesordnungspunkten schon ziemlich alles gesagt wurde. Ich möchte aber doch auf Kollegen Krusche eingehen: Ich glaube, gerade die Beschränkung der Gültigkeit auf 15 Jahre gibt meinen Kollegen bei der Exekutive eine immer größere Sicherheit, dass jene Menschen, bei denen eine Verkehrskontrolle durchgeführt wird, auch tatsächlich auf dem Bild des Führerscheins identifizierbar sind. Ich glaube, das ist gut so.

Der alte Führerschein gilt, wie gesagt, ohnehin noch bis 2033 – also eine wirklich großzügige Übergangsfrist. Ein sehr großer Vorteil ist meiner Meinung nach auch, dass für die normale Verlängerung des Führerscheins keine verpflichtende Gesundheits­untersuchung, kein Gesundheitscheck verlangt wird.

Zur Neuregelung des Mopedführerscheins – dass man ab 2013 mit 16 schon ein 125-Kubik-Leichtmotorrad lenken kann – möchte ich sagen, dass ich vor 30 Jahren den Führerschein AJ gemacht habe. Im Unterschied zum AK-Führerschein hat man damals das schwarze Taferl bekommen und durfte schon bis zu 100 km/h fahren. Ich kann sagen, meine Zündapp ging damals sicher schneller als so manches 125-Kubikzen­timeter-Fahrzeug von heute. (Bundesrat Gruber: Ein alter Friseur!) Also ich bin überzeugt, dass die Jugendlichen mit 16 Jahren dementsprechend auch mit einem 125-Kubik-Leichtmotorrad umgehen können. (Bundesrat Boden: ... Polizist! – Heiterkeit bei Bundesräten der SPÖ.)

Sehr, sehr wichtig ist der stufenweise Zugang bis 24 Jahre zu einem wirklich leistungsstarken Motorrad. Wenn man sich die Verkehrsunfallstatistik anschaut, dann ist es eine absolut richtige Regelung, dass man stufenweise auf ein starkes, leis­tungsfähiges Motorrad hintrainiert wird, und ich glaube, mit 24 Jahren kann man auch mit jedem Motorrad sicher unterwegs sein, wenn man eine dementsprechende Praxis nachweisen kann.

Ein absolut wichtiger Punkt ist die Neuschaffung der Klasse AM, Führerschein für Mopedautos, ab 2013. Das ist eine längst notwendige Maßnahme, denn wenn man sich jetzt anschaut, wie beziehungsweise unter welchen Umständen manche Lenker tatsächlich mit einem Mopedauto fahren, dann ist das teilweise kriminell. Auf lange Sicht wird dem durch die Einführung dieses Führerscheines AM Einhalt geboten, und das ist, glaube ich, eine wichtige und gute Sache.


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 82

Alles in allem beschließen wir heute bereits die zweite Maßnahme für eine Steigerung der Verkehrssicherheit: vorhin die Rettungsgasse auf Autobahnen, jetzt die Führer­scheingesetzänderung mit vielen, vielen wichtigen positiven Änderungen. Wir stimmen diesem Gesetz gerne zu. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

13.10


Vizepräsident Reinhard Todt: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Damit kommen wir zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Danke. Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit ange­nommen.

13.11.265. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßengesetz 1971 geändert wird (1204 d.B., 1442/A, 1423/A und 1307 d.B. sowie 8529/BR d.B.)

 


Vizepräsident Reinhard Todt: Wir gelangen zum 5. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Stadler. Bitte um den Bericht.

 


13.11.41

Berichterstatter Werner Stadler: Herr Präsident! Frau Ministerin! Geschätzte Kolle­ginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verkehr, Innovation und Technologie über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßengesetz 1971 geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vorlage am 19. Juli 2011 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Reinhard Todt: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Krusche. Ich erteile ihm dieses.

 


13.12.27

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Hohes Präsidium! Frau Bundesminister! Meine Damen und Herren! Grundsätzlich positiv zu bewerten sind bei dieser Vorlage die Maßnahmen hinsichtlich Sicherheitsmanagement, Sicherheitsaudit und Sicherheits­analyse. Am Rande sei nur erwähnt, dass es sich dabei wiederum nicht um die guten eigenen Ideen handelt, sondern um die Umsetzung einer EU-Richtlinie, und das auch noch mit Verspätung. – Aber gut.

Ein Wermutstropfen dabei ist allerdings, dass es sich nur um Straßen handelt, die Bestandteil des TEN-Netzes sind, und es wäre ein mutiger Schritt gewesen, diese Regelungen auf das gesamte hochrangige Straßennetz in Österreich anzuwenden.

Aber gar nicht anfreunden kann ich mich mit den sogenannten Einsparungen von angeblich 519 Millionen € durch den Trick, einige Schnellstraßen in Landesstraßen umzufunktionieren. Dies bedeutet lediglich, dass diese Straßen nunmehr anderen, niedrigeren Standards unterliegen und die Kosteneinsparungen in Wahrheit zu Lasten der Sicherheit erfolgen.


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 83

Sie, Frau Bundesminister, scheinen hier eine Anleihe bei einem Ihrer Vorgänger aus Ihrer Fraktion der SPÖ genommen zu haben. Das erinnert mich nämlich fatal an die Sparvariante der Süd Autobahn im Wechselabschnitt, die Bundesminister Sekanina zu verantworten hat. Er hat damit einen der unfallträchtigsten Autobahnabschnitte in Öster­reich geschaffen. Und wenn Sie jetzt beteuern, dass diese Vorschläge von Experten unter den Gesichtspunkten Zweckmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit und Sparsam­keit erarbeitet wurden, so frage ich mich, warum dieselben Experten vor wenigen Jahren noch für diese Abschnitte hochrangige Straßen für notwendig erachtet haben.

Weitere 890 Millionen € werden durch die Streichung der A24 in Wien und den Nordabschnitt der A26 in Linz eingespart. Gerade Letzteres – es wundert mich, dass sich keine Oberösterreicher hier zu Wort gemeldet haben – erscheint mit ein Schild­bürgerstreich der Extraklasse, denn hier fährt man eine Autobahn gegen den Pöstlingberg und die Verkehrspolitik in Oberösterreich gegen die Wand. (Bundes­rat Kraml: Wo fährst du denn da in Oberösterreich? – Bundesrat Boden: Er fährt einen Umweg!) Durch den fehlenden Ringschluss wird das Linzer Verkehrsproblem nicht gelöst werden. Und irgendwann wird man nicht umhin können, das nachholen zu müssen, allerdings dann um Jahre zu spät. Das ist vergleichbar mit der zweiten Röhre des Pfändertunnels, wo auch alle sagen, das kommt mindestens zehn Jahre zu spät. (Bundesrat Kneifel: Die oberösterreichischen Probleme kennen die Oberösterreicher besser!) – Nein, offensichtlich nicht. (Widerspruch bei der ÖVP. – Bundesrat Kneifel: Da brauchen wir keine Nachhilfe von euch!)

Kurzfristige Einsparungen werden hier politisch schöngeredet und der volkswirt­schaft­liche Schaden, der durch die ... (Bundesrat Kneifel: Da können wir uns schon selber helfen!) – Wir müssen ja auf euch schauen, wenn ihr euch nicht selber um euch kümmern könnt. Die Steirer müssen auf alle schauen. (Ironische Heiterkeit bei der ÖVP.) Was die täglichen Staus auf den Straßen an Schaden und an Kosten verur­sachen und auch die größere Unfallhäufigkeit, all das wird offensichtlich nicht bewertet.

Abschließend möchte ich noch einen weiteren Punkt, der uns zu dieser Ablehnung geführt hat, anführen, nämlich die Verordnungsermächtigung zum Thema Gebühren. Es sollen vornehmlich Gebühren für ministerielle Leistungen im Rahmen der Genehmi­gungsverfahren weiterverrechnet werden können. Das wird hauptsächlich die ASFINAG treffen. Und das ist wieder so ein Taschenspielertrick, bei dem die Kosten von der einen Tasche in die andere verschoben werden, denn durch die erzwungene Aufnahme der ausgelagerten Schulden in die Gesamtschulden des Haushaltes wird der Trick ja nicht so wirklich funktionieren.

Was bleibt unterm Strich? – Ein Mehraufwand an Verwaltung und Bürokratie durch die Gegenverrechnung, also eigentlich Mehrkosten. Wenn Sie das unter zweckmäßig, wirtschaftlich und sparsam verstehen, dann ist das Ihre Sache. Wir haben dazu eigentlich andere Vorstellungen und werden deshalb nicht zustimmen. (Beifall bei der FPÖ.)

13.17


Vizepräsident Reinhard Todt: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Boden. Ich erteile es ihm.

 


13.17.19

Bundesrat Karl Boden (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Wie sich schon im Nationalrat bei der Debatte herausgestellt hat, zeigt sich das auch hier und heute: Gibt es Investitionen seitens des Bundesministeriums, dann sind die Freiheitlichen dagegen, gibt es Ein­sparungen, dann sind die Freiheitlichen ebenfalls dagegen. (Bundesrätin Mühlwerth: Sinnvoll muss es sein!) Also diese Debatte hat es bereits im Nationalrat gegeben.


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 84

Geschätzte Damen und Herren! In Zeiten der Finanz- und der Wirtschaftskrise, welche auch an Österreich nicht spurlos vorbeigegangen ist, muss auch das Bundesminis­terium für Verkehr, Innovation und Technologie Einsparungen tätigen. Durch sinnvolle Evaluierungen bestimmter Projekte konnten jetzt Maßnahmen gesetzt und, wie wir schon gehört haben, fast 520 Millionen € eingespart werden. Im Ministerium hat man sich ganz genau angeschaut, welche Projekte dafür herangezogen werden können, vor allem hat man auch überlegt, wie sich der Verkehr in den nächsten Jahren entwickeln soll. Ich glaube, es ist ja ganz wichtig, dass wir auch in die Zukunft schauen.

In diesem Sinne wurden Prioritäten gesetzt und einige Zurückstufungen vorgenommen. Autobahnen und Bundesstraßen werden auf Landesniveau zurückgesetzt und verur­sachen daher in ihrer Entstehung wesentlich weniger Kosten. Wie heißt es so schön im Volksmund? – „Not macht erfinderisch.“ Daher begrüßen wir sinnvolle Einsparungen bei Bauten, die wir in Zukunft nicht brauchen oder noch nicht brauchen.

Wir geben dieser Novelle sehr gerne unsere Zustimmung. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

13.19


Vizepräsident Reinhard Todt: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Kersch­baum. Ich erteile ihr dieses.

 


13.19.31

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! (Zwischenruf des Bundesrates Kneifel.) – Kannst du dir nicht vorstellen, warum wir dagegen sind? – Also wir sind jetzt aus anderen Gründen als die FPÖ dagegen, möglicherweise aus konträren Gründen. Ich hätte die zusammengefasst in einem leicht abgewandelten Spruch, der da lautet:

Wenn das letzte Dorf eine Autobahnabfahrt hat und die letzte Grünfläche asphaltiert ist, dann werdet ihr bemerken, dass man ohne Treibstoff nicht fahren kann!

Es stimmt, es sind einige Ausbauprojekte wieder einmal hintangestellt worden – das ist erfreulich –, das ist aber bei Weitem nicht alles, was man unserer Meinung nach streichen könnte.

Ich denke da etwa an eine A5, wo bei der Grenze ungefähr zehntausend Fahrzeuge pro Tag unterwegs sind – das ist nicht wirklich ein Grund für eine Autobahn –, ich denke an eine S8, die künftig doch rasch gebaut werden soll und wo das Land Nieder­österreich sogar vorfinanzieren will. Ich habe jetzt auch wieder Stimmen gehört, die eine Waldviertelautobahn fordern. Jedes Dorf braucht eine Autobahn. Zumindest in Niederösterreich ist es so, und es ist halt leider so, dass da dem Landeshauptmann von Niederösterreich auch sehr oft nachgegeben wird. (Bundesrat Kainz: Er ist halt erfolgreich und setzt sich durch! Und es geht auch um die Mobilität der Bevölkerung!)

Asphalt alleine macht noch keine Mobilität, vor allem wenn man sich anschaut, wie sich Mobilität entwickeln wird. Benzin wird immer teurer, E-Mobilität ist auch noch Zukunfts­musik, und zu einem flächendeckenden Ersatz für Benzinmotoren wird es hoffentlich nie kommen. Also Benzin wird immer teurer, viele Leute können es sich gar nicht mehr leisten. Es gibt für viele Menschen keine Alternativen, das gilt gerade auch für das Waldviertel. Ich habe in letzter Zeit einmal versucht, in einer vernünftigen Zeit nach Gmünd zu komme. Das ist ein Ding der Unmöglichkeit, denn da gibt es nur noch vier Verbindungen am Tag.

Eine Zustimmung zu einem Bundesstraßengesetz kommt für die Grünen nur dann in Frage, wenn man ernsthaft einmal eine Klimaverträglichkeitsprüfung für all diese Autobahnprojekte macht, die im Anhang des Bundesstraßengesetzes stehen, nämlich


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 85

wirklich eine ernsthafte Klimaverträglichkeitsprüfung. (Bundesrat Boden: Also brauchen wir eine Waldviertelautobahn!) – Ja, genau. Die Frage ist: Wie viele Autobahnen brauchen wir noch, wenn wir immer weniger Autos haben werden, weil sich die Leute diese nicht mehr leisten können? Die Autobahn ins Waldviertel brauchen wir sicher nicht.

Also Voraussetzung zur Zustimmung der Grünen zu so einer Vorlage wäre, dass ernsthaft eine Klimaverträglichkeitsprüfung für alle Bundesstraßen angesetzt wird, die neu gebaut werden sollen, und dass es mindestens genauso hohe und intensive Investitionen in die Alternativen gibt, sprich in die Bahn. Die sehe ich nach wie vor nicht. Es gibt ein paar Großprojekte, aber im Kleinen wird massiv und überall gekürzt. (Bundesrat Kainz: Mariazellerbahn!) – Ja, die Mariazellerbahn. (Bundesrat Kainz: Es fahren zu wenig Menschen mit der Bahn!) In der Wachau gibt es nur mehr Touristen und keine Menschen, die dort leben.

Weil der Kollege von der FPÖ vorhin erwähnt hat, dass die Autobahnen so viel sicherer sind als die Bundesstraßen, möchte dazu noch bemerken, dass das daran liegen mag, dass auf Autobahnen keine schwächeren Verkehrsteilnehmer unterwegs sind. Das ist aber auch ein Vorteil der Bundesstraßen, dass sich auf diesen eben auch schwächere Verkehrsteilnehmer bewegen können. Also insofern ist es auch ein Nachteil der Autobahn, dass man dort einfach mit einem Moped oder mit einem Rad oder zu Fuß nicht unterwegs sein kann.

Zu Ihrem Problem mit den Gebühren für die Genehmigungsverfahren: Ich sehe nicht die Gebühren für die Genehmigungsverfahren als Taschenspielertrick, ich habe eher ein Problem mit der Tatsache, dass Genehmigungsverfahren wie Umweltverträglich­keitsprüfungen für einen Autobahnbau, wo also ein Projekt der ASFINAG geprüft wird, vom Bundesministerium für Verkehr durchgeführt werden, da doch das Bundes­ministerium für Verkehr mehr oder weniger indirekt der Auftraggeber für die Autobahn ist. Das ist ein Taschenspielertrick, nicht dass ich Gebühren verrechne für das, was einfach an Aufwand entsteht, womit ich etwas mehr Kostenklarheit schaffe. Also das wäre nicht mein Problem.

Wir haben an und für sich komplett konträre Begründungen für unsere Ablehnung. Vielleicht werden Sie es schaffen, irgendwann unsere Zustimmung zu erkaufen, indem Sie wirklich eine Klimaverträglichkeitsprüfung machen. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

13.23


Vizepräsident Reinhard Todt: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Junker. Ich erteile ihr dieses.

 


13.24.02

Bundesrätin Anneliese Junker (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätz­te Frau Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich glaube, diese Gesetzesnovelle beinhaltet zwei große Punkte: Das ist einmal die Einführung des Sicherheitsmana­gements für TEN-Strecken, das Zweite ist die Herausnahme von Strecken aus dem Bundesgesetz. Dazu muss ich eigentlich der Frau Minister gratulieren, denn die Einsparungen, die dadurch entstehen, kommen ja dann wieder der Bevölkerung zugute.

Die Evaluierung, die in dem Bereich gemacht wurde – die Herausnahme betrifft Oberösterreich, Burgenland und Wien –, ist auf Wirtschaftlichkeit, auf Umwelt­verträg­lichkeit, aber auch auf die Mobilität der Bevölkerung heruntergebrochen worden. Man hat diese drei Punkte berücksichtigt, und ich denke doch, wenn die Umwelt, die Wirtschaftlichkeit und die Mobilität der Bevölkerung mit diesen Projekten zufrieden­ge­


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 86

stellt werden, dann ist eigentlich das erreicht worden, was man infrastrukturmäßig braucht.

Tirol hat ja auch eine Evaluierung erfahren. Wir waren am Anfang nicht ganz glücklich damit, und es ist ziemlich spannend gewesen. In der Zwischenzeit wissen wir die harte Verhandlungstaktik der Frau Ministerin zu schätzen. Und das ist ihr auch da wieder gelungen. Sie hat mit den Bundesländern hart verhandelt, und die Bundesländer sind zufrieden, die Bevölkerung ist zufrieden. Was wollen wir mehr?

Ich darf der Frau Bundesministerin zu ihrem Verhandlungsgeschick gratulieren und den Projekten eine rasche Umsetzung wünschen. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

13.26


Vizepräsident Reinhard Todt: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Bures. Ich erteile ihr dieses.

 


13.26.19

Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Doris Bures: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was den einen zu viele Straßen sind, sind den anderen zu wenige Straßen. Tatsache ist, dass die Verkehrsinfrastruktur nie ein Wunschkonzert sein kann, sondern dass man nach ganz objektiven Kriterien vorgehen muss. Die objektiven Kriterien, wie man die Infrastruktur eines Landes opti­mal ausbaut, sind natürlich davon geprägt, welches Verkehrsaufkommen wir haben wie die Verkehrsprognosen für die Zukunft aussehen und welche Maßnahmen wir noch wirtschaftlicher und sparsamer setzen können. Entscheidend ist natürlich auch, welche Verkehrspolitik man vertritt.

Dazu noch einmal ein klares Wort: Ich habe eine klare Linie, nämlich die, dass ich eine Verlagerung von der Straße auf die Schiene möchte, dass mehr Tonnagen auf der Schiene transportiert werden. Ich möchte nicht, dass das auf den österreichischen Straßen stattfindet. Das ist auch der Grund dafür, warum wir Investitionen in unter­schiedlichen Höhen tätigen. Man sagt ja immer so schön, das Budget ist das in Zahlen gegossene Programm. In der Verkehrspolitik kann man das eins zu eins ablesen. Wir investieren nämlich in den Ausbau einer modernen Eisenbahn, also einen öffentlichen, umweltfreundlichen Verkehrsträger, in den nächsten Jahren doppelt so viel wie in den Bereich der Straße.

Im Bereich der Straße geht es nicht darum, ob man jetzt der Feind oder der Befür­worter der Straßen ist. Wir wissen, dass die Frage, wie die Mobilität in einem Land ist, wichtig für den Wirtschaftsstandort, wichtig für die Beschäftigten, aber auch wichtig für die Mobilität der Menschen ist. Auch die OECD meint zu der Frage: Was macht die Attraktivität eines Landes aus?, dass es wichtig ist, wie die Infrastruktur aussieht, wie der öffentliche Verkehr ausschaut und wie die Straßeninfrastrukturnetze tatsächlich beschaffen sind.

Ich glaube, von dem muss unser Handeln geprägt werden, nämlich dass wir mit einer Infrastruktur auf der einen Seite den Bedürfnissen der Wirtschaft, auf der anderen Seite den Bedürfnissen der Bevölkerung, was Mobilität betrifft, gerecht werden. Auf der dritten Seite stellt sich immer mehr eine zentrale Herausforderung, nämlich dass wir diese Mobilität so umweltfreundlich wie nur irgendwie möglich organisieren müssen – ob das der öffentliche Verkehr ist, oder ob das Investitionen auch in neue Technologien wie Hybridmotoren, Elektromotoren et cetera sind.

Was die Frage betrifft, wo wir im Bereich der Straßeninfrastruktur Einsparungen vornehmen können, versteht, glaube ich, jeder, dass wir, wenn wir ein Budget konsolidieren, auch im Bereich der Straße noch einmal einen Prozess aufsetzen müssen. Das habe ich vor zwei Jahren getan. Damals haben wir noch einmal ge­


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 87

schaut, welche Projekte wir sparsamer, möglicherweise mit anderen Zeitplänen oder redimensioniert anbieten können – unter der Voraussetzung, intelligente, bedarfs­ge­rechte Verkehrslösungen auch für die Pendlerinnen und Pendler und die Wirtschaft zur Verfügung zu stellen, unter der Voraussetzung, dass in vielen Bereichen Orte und Menschen, die dort leben, vom Verkehr entlastet werden müssen, dass wir versuchen, rasch auch Entlastungen von Orten durch Umfahrungen zu erreichen. Und das Ganze bei größtmöglicher Sparsamkeit!

Daher ist es richtig, dass wir diesen Prozess aufgesetzt haben, mit dem Ergebnis, dass nicht jede intelligente, bedarfsgerechte Verkehrslösung auch eine Autobahn sein muss.

Daher kommen wir zu einem Einsparungspotential von 519 Millionen €, welches heute beschlossen wird. Das führt nicht dazu, dass eine Straße nicht gebaut wird und gute Verkehrslösungen auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben werden, sondern dazu, dass wir sagen, dass wir bei den Straßen nicht immer die XXL-Variante brauchen. Wir können stattdessen durch Ortsumfahrungen, durch Redimensionierungen gute Ver­kehrs­lösungen für die Bevölkerung, für die Entlastung der Menschen in gewissen Regionen anbieten. Das war auch das Ziel dieses Prozesses, den wir aufgesetzt haben.

Spezielle Sicherheit durch Überprüfungen ist natürlich ein weiterer Mosaikstein zu den beiden vorherigen Tagesordnungspunkten. (Präsidentin Mag. Neuwirth übernimmt den Vorsitz.)

Mir ist es noch wichtig, zu sagen, dass wir trotz dieser enormen Reduzierung der Kosten im Bereich der Straße, die wir auch mit dem heutigen Beschluss vornehmen – zu der ich zu 100 Prozent stehe –, so viel wie noch nie in der Zweiten Republik in die Straßeninfrastruktur investieren. Wir investieren in den nächsten Jahren nach den Bauprogrammen jährlich 1 Milliarde € in den Ausbau der Straßen, davon mehr als die Hälfte in Maßnahmen, die der Verkehrssicherheit und der Erhaltung des Bestandes dienen. Es geht uns nicht immer nur um den Neubau, sondern auch darum, die Straßennetze, die wir derzeit haben, noch sicherer zu machen. Daher haben wir das höchste Investitionsvolumen für die nächsten Jahre.

All das, zusammen mit den hohen Investitionen, führt dazu, dass wir Wachstum generieren, Beschäftigung sichern und die Mobilität und Lebensqualität in unserem Land heben. Das Ganze geschieht auch unter dem Blickwinkel der Wirtschaftlichkeit und damit der Sparsamkeit. Alle Menschen müssen, wenn sie in die Geldbörse greifen, jeden Euro zweimal umdrehen. Daher machen wir das in diesem Bereich auch – nicht kaputtsparen, sondern intelligent sparen. Die Vorlage sieht das auch so vor. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

13.32


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Beer zu Wort. – Bitte.

 


13.32.34

Bundesrat Wolfgang Beer (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Minis­terin! Herr Minister! Evaluierungen bei Straßenbauprojekten wurden durchgeführt. Eine davon wurde hier angesprochen, und zwar ein Projekt in Oberösterreich. Ich muss sagen, bei dem Projekt in Oberösterreich kenne ich mich nicht besonders gut aus, weil ich aus Wien komme. Wenn ich aber etwas darüber wissen möchte, werde ich meine oberösterreichischen Kollegen fragen und nicht einen steirischen Kollegen. (Heiterkeit bei der SPÖ. – Bundesrat Gruber: Jawohl!)

Es ist immer sehr leicht, irgendwelche Beispiele herauszunehmen und sie negativ zu bringen. Zufälligerweise ist auch die A24, die Verbindungsspange Rothneusiedl, als


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 88

Beispiel dabei. Das ist ein Wiener Projekt, das auch gestrichen wurde. Sehen wir uns die Geschichte dieser Spange an: Das läuft eigentlich schon seit acht Jahren. In diesem Bereich soll ein Güter- und Frachtenbahnhof errichtet werden. Dieser Güter- und Frachtenbahnhof wurde einmal als kleiner Bahnhof geplant, dann ist er ein bisschen größer geworden. Dann haben wir gesagt, dass wir, wenn das ein Verteiler­zentrum ist, schon eine Verbindung brauchen würden, damit man irgendwie auf die Südosttangente auffahren kann. Die Verkehrsplaner haben sich hingesetzt und gesagt, dass eine Verkehrsspange nach Rothneusiedl von der Hansson-Kurve her geradezu ideal wäre. Dann wurde dieser Bahnhof wieder umgeplant. In der Zwischenzeit ist die S1 entstanden. Jetzt hat man sich noch einmal hingesetzt.

Gott sei Dank führt man Evaluierungen durch. Wenn man das nicht tun würde, wäre man in unserer Zeit ein wenig falsch beheimatet, weil Projekte sich ändern, Situationen sich ganz einfach verändern und sich andere Umstände ergeben. Darum ist es gut, zu evaluieren und sich alles noch einmal anzuschauen. Man hat jetzt eine Lösung gefunden: Der Bahnhof wurde wieder ein Stückchen verschoben, man macht eine Anbindung direkt an die S1. Von der S1 hat man dann genauso die Möglichkeit zu verteilen. Man erspart sich nur diese lange Spange von der Hansson-Kurve bis zum neuen Güter- und Frachtenbahnhof. Ich meine, das ist sehr sinnvoll.

Warum bringt man nicht so ein Beispiel? Aber es ist klar, dass man, wenn man dagegen und gegen alles ist, sich irgendetwas herauspicken muss, von dem man sagen kann, dass es schlecht ist. Man fährt dort gegen eine Wand oder gegen einen Berg oder irgendetwas – furchtbare Vorstellungen, die aber nicht wirklich ... (Bun­desrätin Mühlwerth: Ihr sagt immer, dass alles, was die Opposition sagt, ...!) – Wir sagen immer nur das, das eigentlich war und das ihr immer wieder vergesst. (Bun­desrätin Mühlwerth: Jammere nicht!) Ihr wart ja nie irgendwo dabei. – Wurscht.

Es ist jedenfalls so, dass bei den Bundesstraßen durch die Veränderungen, den Bau und die Ausführungen der Straßen eine Menge Geld eingespart werden kann. Dieses Geld kommt uns allen zugute: der Umwelt, den Autofahrern und nicht zuletzt unserer Ökobilanz. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

13.36


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen somit zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Bevor wir zum 6. Punkt der Tagesordnung kommen, begrüße ich Herrn Wissen­schaftsminister Dr. Töchterle ganz herzlich bei uns im Bundesrat. Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

Ich bedanke mich bei der Frau Verkehrsministerin und wünsche einen schönen Sommer! (Bundesministerin Bures: Danke! Das wünsche ich Ihnen auch!)

13.37.226. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Gesetz über die externe Qualitätssicherung im Hochschulwesen und die Agentur für Qualitätssicherung und Akkreditierung Austria (Hochschul-Qualitäts­sicherungsgesetz – HS-QSG) und ein Bundesgesetz über Privatuniversitäten


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 89

(Privatuniversitätengesetz – PUG) erlassen werden sowie das Fachhochschul-Studiengesetz (FHStG), das Bildungsdokumentationsgesetz, das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz, das Hebammengesetz und das MTD-Gesetz geändert werden (Qualitätssicherungsrahmengesetz – QSRG) (1222 d.B. und 1318 d.B. sowie 8520/BR d.B. und 8530/BR d.B.)

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir gelangen nun zum 6. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Astleitner. Ich bitte um den Bericht.

 


13.37.33

Berichter­statterin Notburga Astleitner: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Bundesminister! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2011 betreffend ein Bun­des­gesetz, mit dem ein Gesetz über die externe Qualitätssicherung im Hochschul­wesen und die Agentur für Qualitätssicherung und Akkreditierung Austria (Hochschul-Qualitätssicherungsgesetz – HS-QSG) und ein Bundesgesetz über Privatuniversitäten (Privatuniversitätengesetz – PUG) erlassen werden sowie das Fachhochschul-Studien­gesetz (FHStG), das Bildungsdokumentationsgesetz, das Gesundheits- und Kranken­pflegegesetz, das Hebammengesetz und das MTD-Gesetz geändert werden (Quali­tätssicherungsrahmengesetz – QSRG).

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme deshalb gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Wissenschaft und Forschung stellt nach Beratung der Vorlage am 19. Juli 2011 den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Mag. Pisec. – Bitte.

 


13.38.59

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Agentur für Qualitätssicherung und Akkreditierung Austria löst die ursprüngliche Dreiteilung im tertiären Bildungssektor – aufgeteilt auf öffentliche Universitäten, Privatuniversitäten und Fachhochschulen – auf und bündelt alles in einer einzigen Agentur. Wir Freiheit­liche glauben aber, dass die Standards in diesem Bildungssektor zu unterschiedlich und zu wertvoll sind, um alles in einer einzigen Agentur zu bündeln und von denselben Personen Evaluierung, Zertifizierung und Quality Audits durchführen zu lassen. Wir glauben, dass auf die Unterschiedlichkeit der Standards Wert gelegt werden müsste.

Im Ausschuss wurde berichtet, dass diese neue Agentur, diese Bündelung aller Standards in einer Agentur, Vorbildwirkung in Europa haben werde. Das glaube ich nicht.

Wenn man sich dieses Gesetz genau ansieht, sieht man, dass diese Agentur aus einem Board von 14 Mitgliedern besteht. Der Name „Board“ kommt übrigens aus der Wirt­schaft, und es gibt die Faustregel, dass ein Board nicht aus einer zweistelligen Mitglie­derzahl bestehen soll. Dieses Board besteht also aus 14 Mitgliedern, und es gibt eine Generalversammlung mit 23 Mitgliedern. Es ist also dafür gesorgt, dass der Verwal­tungs­aufwand ziemlich steigen wird und die Effizienz teilweise nicht erreicht werden wird.

In diesem Organigramm kommt es zu einer Vermengung von Politik, Wissenschaft und Lehre. Das ist einmalig in Österreich.


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 90

Sehr geehrter Herr Minister, Sie waren ja Rektor einer öffentlichen Universität, und ich glaube, Sie sind auch dafür, dass die Autonomie von Wissenschaft und Forschung festgeschrieben bleibt. Das ist wesentlich. Mit diesem Gesetz ist das nicht mehr garantiert, denn die Nominierung und Bestellung von Mitgliedern wird vom zuständigen Ministerium durchgeführt.

Auch diese Agentur unterliegt den European Standards and Guidelines for Quality Assurance. Die Schaffung eines unabhängigen Akkreditierungsrates, der von politi­schen Instanzen frei sein muss – frei sein sollte –, wird empfohlen. Das ist mit diesem Gesetz jedoch nicht garantiert.

Festgeschrieben wird auch, dass fast die Hälfte des Boards aus dem Ausland stam­men sollte. Offensichtlich legen Sie Wert auf die Wertschätzung des Auslandes. Gehen wir einmal ins Ausland, gehen wir in die westliche Schweiz, wie findet das dort statt? – Das Schweizer Modell für Akkreditierung und Qualitätssicherung gilt als Best-Practice-Modell und nicht diese Agentur, die wir gerade auf die Beine gestellt haben.

In der Schweiz erfolgt die Nominierung der Mitglieder nicht von den Ministerien, sie erfolgt von der Schweizerischen Universitätskonferenz. Das Board hat nicht 14 Mit­glieder, sondern nur neun. Sie fällen die Entscheidungen unabhängig und frei.

Da in diesem Gesetz vorgeschrieben wird, dass die Hälfte der Mitglieder Ausländer sein müssen, stellt sich für mich die Frage, warum nicht gleich eine ausländische Qualitätssicherungs- und Akkreditierungsagentur beauftragt werden kann, wie zum Beispiel die schweizerische. Diese hat auch die Akkreditierung für Deutschland bekommen. Um diese könnten wir uns doch bemühen. Sie wäre auf jeden Fall unabhängiger und kostengünstiger als die soeben errichtete Agentur und die Autonomie der Universitäten – ein wesentlicher Grundsatz freiheitlicher Politik – bliebe erhalten.

Wissenschaft, Forschung und Lehre müssen unabhängig und frei bleiben. Daher lehnen wir Freiheitliche dieses Gesetz ab. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

13.43


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster ist Herr Bundesrat Saller zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


13.43.18

Bundesrat Josef Saller (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bun­des­minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Qualitätssicherungsgesetz stellt die Weichen für eine qualitätsorientierte Weiterbildung.

Wichtig ist, dass Qualität sich immer weiterentwickelt, nicht stehen bleibt, sondern weiter ausgebaut wird. Im Hochschulbereich wird auf europäischer Ebene seit vielen Jahren im Rahmen der Bologna-Reformen intensiv diskutiert. Wichtig ist, dass man mit öffentlichen und auch privaten Mitteln sorgsam, leistungsorientiert und verantwor­tungs­voll umgeht.

Wir haben eine etwas andere Sicht als der Vertreter der FPÖ: Das Gesetz bedeutet keinen Eingriff in die Autonomie. Viele Studien belegen, dass die Universitäten dann am besten sind, wenn sie ihre Schwerpunkte und Ziele selbst, autonom definieren können. Bei dieser externen Qualitätssicherung geht es um andere Dinge, einige Fragen sind: Wie geht die Hochschule mit den Studierenden um? Wie gestaltet sie die Prozesse im Bereich der Lehre? Wie finden aktuelle Entwicklungen Einfluss? Wie sind Zielsetzungen und Organisation zu vereinbaren? Das sind nur einige der wichtigen Fragen, die gestellt und beantwortet werden müssen.


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 91

Ein zweijähriger Diskussionsprozess wird nunmehr beendet. Fachhochschulbeirat, Akkreditierungsrat und AQA bündeln die Kräfte. Die Schaffung eines gemeinsamen Rahmens für externe Qualitätssicherung und die Errichtung einer neuen sektorenüber­greifenden Einrichtung, der Agentur für Qualitätssicherung und Akkreditierung Austria, finden breite Akzeptanz.

Das Ganze – das darf man nicht vergessen – ist auch ein wichtiger Beitrag zur Verwaltungsreform.

Dank gebührt den vorangegangenen Ministern Hahn und Karl und dem jetzigen Minister Dr. Töchterle mit seiner Beamtenschaft dafür, dass dieses Gesetz jetzt wirklich in der Zielgerade ist. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

13.45


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste gelangt Frau Bundesrätin Dr. Kickert zu Wort. – Bitte.

 


13.46.02

Bundesrätin Dr. Jennifer Kickert (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Kolleginnen und Kollegen! Was wäre denn von einem neuen Qualitätssicherungsgesetz zu erwarten? – Ziemlich logisch: Es sollte wohl deutliche Verbesserungen in der Umsetzbarkeit und in der Transparenz bringen. Ver­gleiche zwischen einzelnen Fachrichtungen oder Standorten sollten möglich werden – eine Art sektorenübergreifendes System, wie es so schön heißt. Qualitätssicherung sollte dadurch implementiert werden.

Diesem Anspruch wird diese Regelung unserer Meinung nach nicht gerecht. Wie meine beiden Vorredner schon ausgeführt haben, werden zwar drei Institutionen zusammengefasst, gleichzeitig wird aber eine Vielzahl von neuen Organen geschaffen: Board, Beirat, Kuratorium, Generalversammlung, Geschäftsstellen – alle mit leider nicht besonders gut definierten Aufgabenstellungen. Es gibt zum Beispiel bei den Qualifikationsprofilen für die Board-Mitglieder schwammige Formulierungen und kaum tatsächliche Aufgaben für das Kuratorium, das nur rein beratend ist.

Obwohl die Qualitätssicherung an Universitäten, Fachhochschulen und Privatuniver­sitäten jetzt zusammengefasst wird, werden für alle drei Bereiche weiterhin unter­schiedliche Verfahren der Qualitätssicherung angewandt. Das kritisieren nicht nur wir, sondern auch der Akkreditierungsrat. Diese Verfahren bleiben ohne sachliche Recht­fer­tigung unterschiedlich.

Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass zwar drei Bereiche der tertiären Bildung zusam­mengefasst werden, ein vierter, nämlich die Pädagogischen Hochschulen, aber fehlt.

Insgesamt ist zu befürchten, dass für die Universitäten ein erheblicher Mehraufwand entstehen wird. Auch die Unabhängigkeit der zukünftigen Qualitätssicherungsagentur ist unserer Meinung nach nicht gewährleistet, wenn das Board zwar weisungsfrei über Akkreditierungen, über Verlängerungen von Studienlehrgängen oder Ähnliches entscheiden darf, jede dieser Entscheidungen aber einer Genehmigung durch das Ministerium bedarf. Unabhängigkeit sähe unserer Meinung nach eine Spur anders aus. Daher können wir diesem Gesetz nicht zustimmen. (Beifall des Bundesrates Mag. Pisec.)

13.48


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Füller zu Wort. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 92

13.49.01

Bundesrat Christian Füller (SPÖ, Steiermark): Frau Präsidentin! Herr Bundesminis­ter! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Der uns heute vorliegende Gesetzentwurf ist einer, der über viele Monate Gegenstand langer Vorbereitungen war und in langen Verhandlungen unter Einbeziehung von vielen Betroffenen überarbeitet wurde. Heute liegt uns ein Ergebnis vor, mit dem wir unserer Meinung nach zufrieden sein können und das wir als gutes Ergebnis bezeichnen können.

An diesem Gesetzesvorhaben haben bisher drei Minister mitgewirkt: Minister Hahn, Ministerin Karl und jetzt Herr Minister Töchterle.

Es geht um eine gemeinsame Qualitätssicherungseinrichtung für unsere Hochschulen mit einem einheitlichen Verfahren und europäischen Standards. Der Geltungsbereich erstreckt sich über alle dem Wissenschaftsministerium unterstehenden Hochschulen, also Universitäten, Fachhochschulen und Privatuniversitäten.

Gerade die Ausbildung der Pädagoginnen und Pädagogen ist derzeit ein großes Handlungsfeld im Zuge einer umfassenden Bildungsreform, daher ist es unumgänglich, für diesen speziellen, neuen Bereich entsprechend abgestimmte Regelungen auszuarbeiten.

Die Unabhängigkeit – das wurde mehrmals angesprochen – ist unserer Meinung nach gewährleistet, aber ich möchte trotzdem einige Worte der Nationalratsabgeordneten Andrea Kuntzl aus der Debatte des Nationalrates zitieren. Sie hat Folgendes gesagt:

Ich möchte ... darauf hinweisen, dass ich bei allem Bekenntnis zur Autonomie und zur Unabhängigkeit derartiger Einrichtungen schon auch davor warnen möchte, dass sich die Politik immer mehr selbst entmündigt. Wir alle sollten Interesse daran haben, wichtige bildungspolitische Entscheidungen letztlich auch politisch zu diskutieren und politisch treffen zu können.

Ich kann mich dieser Meinung nur anschließen und bin davon überzeugt, dass es noch weitere Bereiche gibt, wo wir dies verstärkt andiskutieren sollten.

Ebenfalls unter diesem Tagesordnungspunkt findet sich die Änderung des Fachhoch­schul-Studiengesetzes. Wir gehen von wesentlichen Verbesserungen in den Bereichen aus.

Erstens: In den berufsbegleitenden Studiengängen sind nun längere Studiendauern möglich, um eine bessere Vereinbarkeit mit einem Beruf zu ermöglichen.

Zweitens: Die Abschaffung der sogenannten pauschalierten Materialkosten gehört ebenfalls dazu. Diese hätte man beinahe auch als versteckte Studiengebühren ansehen können.

Drittens: Die Gebühren für das Aufnahmeverfahren werden verboten.

Viertens: Erstmals wird die Mitbestimmung der Studierenden und Lehrenden ent­sprechend verankert.

Fünftens: Die Bestimmungen für Frauenförderungen in den Fachhochschulen und Privatuniversitäten werden ausgeweitet.

Abschließend möchte ich hier festhalten, dass uns die Qualitätssicherung in den österreichischen Hochschulen ein besonderes Anliegen ist. Dafür ist es ebenfalls notwendig, die österreichischen Hochschulen finanziell abzusichern, um allen jungen Menschen, die es wollen, eine entsprechende Ausbildungsmöglichkeit zu geben und Ausbildungschancen zu garantieren. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

13.52



BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 93

Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gelangt Herr Bundesminister Dr. Töchterle. – Bitte.

 


13.52.14

Bundesminister für Wissenschaft und Forschung Dr. Karlheinz Töchterle: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Bundesräte! Gerade weil die Universitäten, die Fachhochschulen, die Privatuniversitäten in eine autonome Situation entlassen wur­den, in unterschiedlicher Form, ist es wichtig, sie über ein Qualitätssiche­rungs­rah­mengesetz auch politisch zu beobachten, zu steuern.

Autonomie ist gut und wichtig und hat in Österreich bereits einen erfolgreichen und international herzeigbaren Weg genommen, Autonomie kann aber nie unbegrenzt sein, weil immer noch der Geldgeber Staat natürlich auf die Qualität der Einrichtungen schauen muss und weil auch die Abnehmer der akademischen Absolventen die Sicherheit haben müssen, gleichbleibende Qualität zu haben beziehungsweise mit gleichbleibender Qualität rechnen zu können.

Deswegen sind Autonomie und Qualitätssicherung ein Zwillingspaar, das untrennbar miteinander verbunden ist; und dieses Qualitätssicherungsrahmengesetz leistet nun, glaube ich, einen ganz wesentlichen Beitrag dazu, dass die tertiären Einrichtungen in Österreich einem einheitlichen Qualitätssicherungsprozess unterzogen werden.

Es ist richtig, dass die Pädagogischen Hochschulen hier noch nicht dabei sind, und es wurde ganz treffend gesagt, dass es da eine neue Entwicklung gibt, die es zu beobachten gilt, und es wird sukzessive gelingen müssen, auch sie in diesen Prozess mit einzubeziehen.

Die Qualitätssicherung ist ein Teil des Bologna-Prozesses, und man kann sagen, dass dieses Gesetz ein Schlussstein dieses Bologna-Prozesses ist. Wobei es mir wichtig ist, zu betonen – auch gegenüber der angeklungenen Kritik –: Qualitätssicherung im Sinne von Qualität der Forschung und Qualität der Lehre ist nicht nur ein gesetzlich zu regelnder Prozess. Der wichtigste Kontrollor dieser Qualität ist immer noch die wissenschaftliche Gemeinschaft oder, wie man heute in Englisch sagt, the scientific community.

Nur wenn die Absolventen und die Forschungsergebnisse entsprechende internatio­nale Qualität haben, werden sie auch in der internationalen Forschungsgemeinschaft akzeptiert, und nur dann haben sie das Niveau, das österreichische Forschungs- und Wissenschaftseinrichtungen haben müssen, wenn sie international konkurrenzfähig und beachtet bleiben wollen.

Insofern ist natürlich auch die Internationalität der Gremien etwas Unabdingbares. Dass die Gremien komplizierter scheinen, als es manchen schlüssig scheint, ist auch darauf zurückzuführen, dass wir hier nun drei Einzelgremien zu einem großen Gremium vereinigen und dabei eine Fülle von Interessen berücksichtigen mussten, nämlich die Interessen der betroffenen Hochschuleinrichtungen, jene der verschie­denen Abnehmer und Beteiligten und jene der am tertiären Bildungsprozess Interes­sierten.

Insofern ist das Ganze natürlich eine sehr, sehr komplexe Materie, die in vielen, vielen Abstimmungsgesprächen nun zu einem, glaube ich, sehr gelungenen Gesetz zusam­mengefasst wurde.

Ich bedanke mich sehr bei meinen Vorgängern, die schon erwähnt wurden, nämlich dem Kollegen Hahn und der Kollegin Karl, die da wesentliche Vorarbeiten geleistet haben. Ich bin ja erst in der letzten Phase des Gesetzwerdungsprozesses als Minister eingetreten; ich konnte noch einige Dinge berücksichtigen.


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 94

Ich glaube, es ist ein gutes Gesetz, eines, auf dessen Basis wir im Hochschulbereich sehr, sehr gut weiterarbeiten können, und ich bin froh und bedanke mich bei allen, wenn dieses Gesetz am 1. März 2012 wie gewünscht und geplant in Kraft treten wird. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

13.56


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

13.56.537. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2011 betreffend Erklärung der Republik Österreich über den Einspruch gegen den Beitritt der Kirgisischen Republik zum Übereinkommen zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Beglaubigung (1210 d.B. und 1346 d.B. sowie 8531/BR d.B.)

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir kommen zum 7. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Kainz. Ich bitte um den Bericht.

 


13.57.15

Berichterstatter Christoph Kainz: Frau Präsidentin! Herr Minister! Ich erstatte Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2011 betreffend Erklärung der Republik Österreich über den Einspruch gegen den Beitritt der Kirgisischen Republik zum Übereinkommen zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Beglaubigung.

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 19. Juli 2011 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Danke für den Bericht.

Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen damit zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angeno­mmen.

13.58.058. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2011 betreffend ein Bundesgesetz über die Förderung der Elektrizitätserzeugung aus erneuerbaren Energieträgern (Ökostromgesetz 2012 – ÖSG 2012) (1223 d.B. und 1302 d.B. sowie 8521/BR d.B. und 8532/BR d.B.)

 



BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 95

Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir gelangen nunmehr zum 8. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Junker. Ich bitte um den Bericht.

 


13.58.15

Berichterstatterin Anneliese Junker: Geschätzte Frau Präsidentin! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Ich berichte aus dem Wirtschaftsausschuss über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2011 betreffend ein Bundesgesetz über die Förderung der Elektrizitätserzeugung aus erneuerbaren Energieträgern.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher zur Antragstellung:

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Danke für den Bericht.

Ich begrüße den Herrn Bundesminister Mitterlehner sehr herzlich hier bei uns im Bundesrat. Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erste gelangt Frau Bundesrätin Mühlwerth zu Wort. – Bitte.

 


13.59.29

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Ökostromgesetz ist sehr lange und sehr intensiv diskutiert worden, und zwar ausnahms- und dankenswerter­weise, muss man sagen, auch unter Einbindung der Opposition, was ja sonst nicht so selbstverständlich ist. Doch besteht der einzige Grund dafür, dass das diesmal geklappt hat, leider darin, dass die Regierung eine Zweidrittelmehrheit gebraucht hat. Dabei hat sich gerade bei dieser Diskussion gezeigt, dass entgegen den Behaup­tungen der Regierungsparteien, die Opposition hätte nie etwas Konstruktives einzu­brin­gen (Bundesrat Mag. Klug: Wir nicht ...!), da sehr wohl sehr viel Konstruktives – und da möchte ich namentlich natürlich meinen Kollegen Norbert Hofer erwähnen – eingeflossen ist, das sich auch im Gesetz wiedergefunden hat.

Daher sollten sich die Regierungsparteien einmal überlegen, ob sie immer so pauschal Vorschläge der Opposition ablehnen wollen oder ob es nicht doch gescheiter wäre, zumindest ab und zu auf die Vorschläge zu hören, darüber nachzudenken und sie gegebenenfalls in einen Gesetzesvorschlag einfließen zu lassen. Sie haben gesehen, es ist Ihnen diesmal kein Zacken aus der Krone gefallen.

Es ist sehr traurig, feststellen zu müssen, dass erst die Katastrophe von Fukushima passieren musste, damit das schneller gehen konnte, damit der Weg zum Ökostrom beschleunigt werden konnte. Es wird nämlich nicht erst in den letzten Wochen oder Monaten, sondern seit Jahren darüber diskutiert, wie wichtig der Umstieg auf erneuer­bare Energie wäre, dass dadurch Arbeitsplätze gesichert werden et cetera. Aber gut, besser spät als nie. Besser, Sie erkennen es spät als gar nicht, dass der Weg an der erneuerbaren Energie nicht vorbeiführt. (Bundesrat Hensler: Frau Kollegin, das wissen wir!)

Dass wir trotzdem nicht zustimmen werden (Heiterkeit bei der ÖVP) liegt daran, dass der Energiekonsument und der Steuerzahler einmal mehr zur Kasse gebeten werden. Es ist nämlich jener Steuerzahler, der für den europäischen Rettungsschirm zahlen muss, der in der Vergangenheit bei Gas und Strom schon sehr viele Erhöhungen in Kauf nehmen musste und dafür sehr tief in die Tasche hat greifen müssen.


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 96

Da mich jetzt die Kollegin Kerschbaum anschaut: Das ist auch für euch immer ein Grund zu sagen, das sollte jetzt eigentlich den Konsumenten nicht unbedingt mehr kosten. Trotzdem habt ihr diesmal zugestimmt. Das heißt, ihr seid dafür, dass der Steuer­zahler eben wieder etwas zahlen muss – selbst dann, wenn man sagt, man hat es gedeckelt. (Bundesrätin Kerschbaum: Konsumenten! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Es ist doch fast jeder Stromkonsument! Jetzt tut doch nicht so, als ob das nur eine kleine Minderheit wäre, die sich’s ohnehin leisten kann!

Wir bekennen uns zur erneuerbaren Energie, nur sind wir der Meinung, dass es die Aufgabe des Staates ist, dafür zu sorgen, dass wir auch saubere Energie haben. Und wir finden es nicht richtig, dass man den Steuerzahlern, die in der Vergangenheit schon genug berappen mussten, sagt, ihr müsst, wenn ihr einen sauberen Strom haben wollt, dafür in die Tasche greifen, zahlen. Der Umstand, dass es mit 20 € im Jahr für die sozial Schwachen gedeckelt ist, beruhigt uns auch nur ganz wenig, denn – wir haben das schon beim Armutsbericht und auch bei anderen Berichten diskutiert – es gibt gar nicht so wenig Menschen, die einen Euro dreimal umdrehen müssen und mit wenigen Euro pro Tag auskommen müssen!

Gestern im EU-Ausschuss hat die Vertreterin der Arbeiterkammer davon gesprochen, dass es in unserem Land 330 000 Menschen gibt, die es sich nicht leisten können, ausreichend zu heizen; und das ist etwas, wo wir sagen: Das kann es nicht sein! Daher ist das Gesetz zwar inhaltlich völlig in Ordnung, es ist auf dem richtigen Weg, aber wir sind dagegen, dass der Steuerzahler einmal mehr, auch wenn es noch so wenige Euro sind, belastet wird. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Kneifel: Stromabnehmer!)

14.04


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Dr. Brunner zu Wort. – Bitte.

 


14.04.16

Bundesrat Dr. Magnus Brunner, LL.M (ÖVP, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Also ich muss sagen, bei dieser Argumentation bin ich jetzt nicht mehr mitgekommen (Beifall bei der ÖVP), aber darauf komme ich vielleicht später noch einmal zu sprechen. (Bundesrätin Mühlwerth: Haben Sie einen Ohrenschaden?) – Entweder habe ich einen Ohrenschaden oder ich habe es nicht wirklich verstanden.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Dieses heute zu beschließende Ökostrom­gesetz mag vielleicht für uns heute im Bundesrat als Teil einer sehr ausführlichen Tagesordnung ein kleiner Schritt sein, aber im Großen ist es ein ganz bedeutender Schritt für die erneuerbare Energie in Österreich insgesamt.

Es ist bedauerlich – da haben Sie sicher recht, Frau Kollegin –, dass es eines brennenden Atomkraftwerkes bedurfte, dass es bei verschiedenen Interessengruppen zu einem Umdenken gekommen ist. Nicht beim Bundesminister, muss ich sagen, denn schon lange vorher haben die Gespräche des Ministers mit allen Branchen aus dem Bereich der erneuerbaren Energie und auch mit der Opposition begonnen. Das kann ich bestätigen, weil ich selber dabeigesessen bin. Der Minister hat also diesen Prozess bereits viel früher eingeleitet und sehr konstruktive Gespräche mit der Branche geführt. Ich erinnere an den Ökostromtag, der, glaube ich, mittlerweile schon eineinhalb Jahre zurückliegt.

Das Ökostromgesetz bringt allen was. Es können sich wirklich alle Gruppierungen wiederfinden: Die Umwelt, die Wirtschaft, alle profitieren von diesem Gesetz. Für sozial Schwächere werden auf verschiedene Art und Weise Deckelungen vorgesehen, die energieintensive Industrie wird entlastet. Und natürlich hat das jemand zu zahlen. Ich bin bei Ihrer Argumentation vorher deshalb nicht mitgekommen, Frau Mühlwerth, weil


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 97

Sie gesagt haben, inhaltlich ist es gut, aber es soll niemand zahlen. Das verstehe ich nicht. (Bundesrätin Mühlwerth: Na der Steuerzahler soll nicht schon wieder zur Kasse gebeten werden!) – Wer zahlt Förderungen in Österreich sonst? Es ist schon ein Unterschied, ob es der Steuerzahler ist oder der Energiekonsument, weil es am Verbrauch hängt. Am Schluss zahlt aber der Konsument, wobei mit diesen Deckelungen einige Gruppen entlastet worden sind. Darum verstehe ich diese ganze Diskussion nicht ganz.

Ich muss sagen, es ist in diesem Zusammenhang sehr erfreulich, dass die Grünen zum ersten Mal, zumindest seit ich in diesem Energieumfeld tätig bin, überhaupt einem Energiegesetz zustimmen. Das finde ich wirklich sehr beachtlich, die Grünen haben sich auch wirklich sehr konstruktiv in die Verhandlungen eingebracht. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Frau Kollegin Mühlwerth, du hast es erwähnt, Norbert Hofer hat in den Verhandlungen wirklich konstruktiv mitgearbeitet und sehr gute Überlegungen mit eingebracht. Umso bedauerlicher ist daher das Stimmverhalten der FPÖ im Nationalrat und heute wohl auch im Bundesrat. Aber ich gehe davon aus, dass zumindest die Kollegin Michalke heute mitstimmen wird, weil die Vorarlberger FPÖ und das Land Vorarlberg insgesamt dazu einen anderen Zugang haben, worüber ich sehr froh bin. Ich bin schon sehr gespannt, wie dein Stimmverhalten heute sein wird. (Heiterkeit bei der ÖVP. – Zwi­schenruf der Bundesrätin Michalke.)

Dem wichtigen Ziel des Herrn Bundesministers, bis ins Jahr 2015 bilanziell ohne Atomstrom zu sein, kommen wir mit diesem Gesetz ein Stück näher. Die Kernenergie ist gescheitert, das wissen wir alle. Daher setzt Österreich wohlweislich noch intensiver auf erneuerbare Energie, und dieses Gesetz ist wirklich ein großer Schritt in Richtung mehr Unabhängigkeit, mehr Sicherheit auch im Energiebereich, es leistet einen sehr wichtigen Beitrag zum Klimaschutz sowie zum Erhalt und Ausbau von Arbeitsplätzen in Österreich.

Ich glaube, dieses Gesetz wird einen enormen Boom auslösen – wir haben den Boom in den letzten Monaten ja schon gesehen, vor allem im Photovoltaik-Bereich – und diese Abhängigkeit von Atomstromimporten bis ins Jahr 2015 beenden. Ich freue mich auch, dass in diesem Gesetz einige Klarstellungen getroffen worden sind und adminis­trative Vereinfachungen enthalten sind. Es gibt natürlich immer noch weitere Ideen, die wir hoffentlich in einer nächsten Novelle einbringen werden können. Herr Minister, natürlich, das gebe ich als Ländervertreter zu, sind sich auch die Bundesländer nicht immer ganz einig, was solche administrativen Vereinfachungen betrifft.

Ich möchte zwei, drei Punkte, die aus meiner Sicht wirklich bemerkenswert sind, herausgreifen, um nicht zu lange zu reden. Es wurden erstmals in einem Öko­stromgesetz die Zielpfade mit den Vertretern der Branche definiert, abgestimmt und den zur Verfügung gestellten Mitteln entsprechend realistische Ausbauziele definiert. Ich glaube, auch das ist ein Novum in der Geschichte der Ökostromgesetz-Novellen.

Als einer der wichtigen Punkte ist sicherlich der Abbau der Warteliste zu erwähnen. Im Photovoltaikbereich waren wir mit der Warteliste mittlerweile im Jahr 2026, im übrigen Bereich im Jahr 2016. Diese Warteliste wird mit einem Angebot, mit geringen Ab­schlägen in das System einsteigen zu können, abgebaut. Ich gehe davon aus, dass dieses Angebot von den meisten Anlagenbetreibern auch angenommen wird, was man ihnen sicherlich auch empfehlen kann.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist natürlich auch die Ausweitung des Kontingents von bisher 21 Millionen € auf 50 Millionen €, die dann degressiv in zehn Jahren auf 40 Millionen reduziert werden. Ein weiterer riesengroßer Schritt ist vor allem auch die Aufstockung für Photovoltaik von bisher 2,1 Millionen € auf nunmehr 8 Millionen € im


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 98

Kontingent. Das alles ist eigentlich unglaublich, und es handelt sich um ein Gesetz, das es in dieser Form seit 2002 nicht mehr gegeben hat.

Nicht unerwähnt bleiben sollte auch der größte Brocken, wenngleich er in der Diskussion immer ein bisschen untergeht: Das gesamte Finanzierungssystem wird umgestellt. Es bedarf da natürlich eines großen Aufwands auch aufseiten der Netzbe­treiber, insbesondere noch in den nächsten Monaten bis zum Inkrafttreten. Diese Umstellung war auch aufgrund einer Entscheidung der EU-Kommission notwendig. Ich hoffe, dass diesmal die EU-Kommission schneller und auch in unserem Sinne ent­scheiden wird, und hoffe natürlich auch, dass es dieses Mal nicht mehr auch aus Österreich torpediert wird, wie es das letzte Mal leider der Fall war.

Eines ist in diesem Gesetz klar: Wir fördern hier nicht um der Förderung willen, sondern eben einerseits, um die Entwicklung in eine Zukunft auf der Grundlage erneuerbarer Energien zu beschleunigen, und andererseits natürlich auch, um wirt­schaftliche Impulse zu setzen. Gerade wir im Bundesrat als Ländervertreter müssen uns die großen wirtschaftlichen Impulse, auch was die regionale Wirtschaft betrifft, vor Augen führen: Vom Installateur bis zum Elektriker, alle profitieren davon.

Ich möchte mich abschließend an dieser Stelle neben dem Bundesminister auch bei den zuständigen Beamten im Ministerium, allen voran bei Dr. Haas, aber auch beim zuständigen Mitarbeiter im Kabinett des Bundesministers, bei Herrn Dr. Preiner, bedanken. Sie haben in den letzten Monaten wirklich Unwahrscheinliches geleistet, viele Gespräche auf allen Ebenen führen müssen und wesentlich zum Gelingen und zur Umsetzung dieses Meilensteins beigetragen.

Mit diesem Gesetz, glaube ich, werden die erneuerbaren Energien ein Kernstück in der österreichischen Energiepolitik. (Beifall bei der ÖVP, bei Bundesräten der SPÖ sowie der Bundesrätin Kerschbaum.)

14.12


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Werte Kolleginnen und Kollegen! Ihr habt wahrscheinlich mitgekriegt, dass mein Schaltpult momentan nicht funktioniert. Das hat Herrn Kollegen Brunner ermöglicht, 3 Minuten über die vereinbarte Zeit hinaus zu reden, ohne rotes Licht, das ihn angeblinkt hat. (Heiterkeit.) Wir werden versuchen, das trotzdem in den Griff zu bekommen. Ich bitte jedenfalls darum, die vereinbarten Rede­zeiten einzuhalten. Ich werde, wenn mir das gelingen sollte, wenn das funktioniert, ohne Blinkwarnung einfach das rote Licht einschalten, wenn die 5 Minuten um sind. Machen wir es einstweilen einmal so. Ansonsten muss ich mir dann irgendwann etwas anderes einfallen lassen, wenn es so nicht funktionieren sollte.

Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Kraml. – Bitte.

 


14.13.29

Bundesrat Johann Kraml (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich werde mich jetzt bemühen, diese 3 Minuten vom Kollegen Brunner wieder hereinzubringen. Ich würde vorschlagen, dass ihr hier mit einem Hammer arbeitet, wenn die Uhr schon nicht geht.

Ich war in diesem Haus auch schon Oppositionsredner, und wenn ich, hier am Red­nerpult stehend, hätte sagen müssen, Frau Kollegin Mühlwerth, dass das Gesetz inhaltlich völlig in Ordnung ist, aber ich nicht mitstimme, dann wäre ich mir ein bisschen blöd vorgekommen. (Beifall bei Bundesräten von SPÖ und ÖVP.)

Da denke ich mir: Wenn die Grünen diesem Gesetz zustimmen, dann wissen sie genau, wo es bei diesem Ökostromgesetz langgeht.


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 99

Insgesamt war das Ökostromgesetz aufgrund der Zweidrittelmehrheit keine einfache Geburt, und wir haben ja gesehen, vom Erstentwurf bis zu dem jetzt vorliegenden Gesetz hat sich einiges getan. Der Herr Bundesminister hat einige Male die Schatulle aufmachen und Geld auf den Tisch legen müssen, damit alle Forderungen erfüllt werden konnten. Und wenn es ein Gesetz so weit schafft, dass Medien von einem „Meilenstein“ schreiben, dann, denke ich mir, muss es ein gutes Gesetz sein, denn die Medien sind wirklich sehr kritisch, wenn es um Gesetze geht, die in der Bundes­regierung beschlossen worden sind.

Ich bin mir auch relativ sicher, dass die EU die Zustimmung geben wird – denn über einen Teil des Gesetzes muss ja eine Notifikation erfolgen –, und der Ministeriums­beamte hat im Ausschuss gemeint, dass bei gutem Wind – da hat er den „EU-Wind“ gemeint – damit zu rechnen ist, dass mit Februar 2012 alles über die Bühne gegangen ist.

Die Diskussion über die alternativen Energiequellen findet ja nicht nur bei uns statt, das ist ja in allen Ländern jetzt so, und es hat wirklich diesen tragischen Vorfall in Japan gebraucht, der uns umdenken hat lassen. Wenn man daran denkt, dass wir jetzt auf einmal davon reden, dass man bei den Abfällen der Atomkraftwerke, die ja alle noch nicht so richtig zu lagern sind, mit 100 000 Jahren rechnen muss, bis sich das irgendwann einmal irgendwie abgebaut hat, dann weiß man, wie gefährlich das alles ist.

Wir kennen auch den Schwenk, den die deutsche Bundesregierung da vollzogen hat, indem sie einige Wochen vor dem Vorfall in Japan noch eine Laufzeitverlängerung der AKWs im Bundestag beschlossen hat und es jetzt einen Beschluss zum Totalausstieg gibt. Ich glaube, dass das auch ein Zeichen dafür ist, dass es in vielen anderen Län­dern mit Atomkraftwerken jetzt zum Umdenken kommt.

Grundsätzlich geht es beim vorliegenden Ökostromgesetz erstens einmal um mehr Förderungen, zweitens um ambitioniertere Ziele, drittens um eine faire Kosten­vertei­lung und viertens um eine rasche Abarbeitung der vorliegenden Anträge.

Nun noch kurz zu den Förderungen. Die Förderung beträgt jetzt 50 Millionen € und wird jährlich um 1 Million € reduziert, und das über zehn Jahre, und ist wie folgt aufgeteilt: 8 Millionen € fließen in Photovoltaik, 10 Millionen € in die Biomasse bis 500 kW, 11,5 Millionen € entfallen auf die Windkraft, 1,5 Millionen € auf die Kleinwas­serkraft und 19 Millionen € auf den Resttopf. Zum Abbau der vorliegenden Ansuchen werden 80 Millionen € noch zusätzlich bereitgestellt, und bei der Photovoltaik gibt es dazu auch noch 28 Millionen €.

Klar ist gewesen, dass Ökostrom nicht etwas sein kann, das zur Gänze vom Steuerzahler bezahlt wird. Das ist schon klar, nur: Gewisse Kosten fallen einfach an, und wer Ökostrom in Anspruch nimmt, der hat auch ein bisschen mehr zu zahlen. Der Förderdeckel mit 1,70 € ist eine ausgezeichnete Sache, und ich halte diese Grenze bei den Haushalten, die an die Rundfunkgebühr gekoppelt ist, für eine sehr gute Lösung. Insgesamt müssen wir eben damit rechnen, dass Energie etwas teurer wird. Das ist nun einmal so.

Und es geht ja nicht nur darum, dass jetzt die Energie teurer wird und dass wir das Ökostromgesetz haben, sondern wir brauchen dann auch Energieeffizienz. Da liegt ja noch sehr viel Geld irgendwo herum; es gibt vieles, was man bei den Häusern und so weiter machen kann, wodurch wir uns einfach Energie ersparen. Das wird auch ein großer Brocken sein, der in der nächsten Zeit abzuarbeiten ist.

Die in der Novelle enthaltenen Maßnahmen werden dazu beitragen, die Ziele 2015 und 2020 zu erreichen, beispielsweise eine Erhöhung beim Wasserkraftstrom um


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 100

1 000 Megawatt, bei der Windkraft um 2 000 Megawatt, bei der Biomasse und beim Biogas um 200 Megawatt und bei der Photovoltaik um 1 000 Megawatt. Das kann natürlich auch noch alles angehoben werden. Kontrolliert wird das von der E-Control.

Ich glaube, dass wir (Präsidentin Mag. Neuwirth gibt das Glockenzeichen) – danke! – diesem Gesetz wirklich zustimmen können, weil es ein gutes Gesetz ist, ein Gesetz, das – ich habe es eingangs schon gesagt – in die richtige Richtung geht. Es wird nicht das letzte Mal sein, dass wir uns mit diesem Ökostromgesetz beschäftigen, das wird noch öfter der Fall sein. Die Zeiten ändern sich, und auch die Gesetze werden sich ändern müssen. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

14.19


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte.

 


14.19.15

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ja, ich freue mich wirklich, dass ich heute erstmals bei einem Ökostromgesetz zustimmen kann. Ich würde jetzt nicht nur sagen, es war keine leichte Geburt, sondern es war meiner Meinung nach eine ziemlich schwere Geburt. (Bundesrat Gruber: Eine Zangengeburt! – Bundesrat Kneifel: Aber ein Kaiserschnitt – das werden die schönsten Kinder!)

Magnus, weil du gesagt hast, es sind alle eingeladen worden mitzureden: Ein Punkt, der mich zum Beispiel an der vorigen Variante sehr gestört hat, ist, dass Stellung­nahmen genau von den Ökostrombetreibern nicht eingeholt worden sind im normalen Stellungnahmeverfahren. Da habe ich extra nachgeschaut, wer da eingeladen worden ist. Es waren sehr viele, die eingeladen worden sind, von der Wirtschaftskammer über die Arbeiterkammer und alle Möglichen, nur nicht die IG Windkraft und nur nicht die Photovoltaic Austria. Die waren nicht eingeladen, eine Stellungnahme zum Gesetz abzugeben. Also insofern – okay.

Aber jetzt sind wir zufrieden – und ich bin froh, dass es sich ausgezahlt hat, den Protest gegen die ersten Vorlagen zu initiieren und sich da auch mit anderen zu ver­binden, denn, ich kann mich erinnern, auch unser Landesrat Pernkopf hat ein Problem gehabt mit der ersten Vorlage des Gesetzes, wo es doch sehr viel weniger Förderung gegeben hätte und noch andere Hakerln im Gesetz drinnen waren, die man nicht so einfach hätte hinnehmen können –, glücklich und zufrieden. Ich meine, natürlich wäre es schön, wenn der Deckel ganz weg wäre, aber der Deckel ist jetzt doch enorm angehoben worden. Es gibt einiges mehr, viel mehr an Mitteln, es gibt viel mehr an Akutmitteln – denn wir haben ja schon gehört, die Wartelisten sind sehr lang und müssen abgebaut werden –, es gibt endlich einmal gesetzliche Mindestziele, die es bisher auch nicht gegeben hat, und die Vergabe wird jetzt doch nicht mit großartigen Ausschreibeverfahren verknüpft, wie es auch einmal der Plan war.

Und weil Frau Kollegin Mühlwerth das mit den Kosten für die Steuerzahler ange­sprochen hat: Ich denke, es ist ein großer Unterschied, ob es Kosten für die Steuerzahler sind oder Kosten für die EnergiekonsumentInnen, denn das hängt dann auch mit dem Konsum zusammen – je mehr Strom ich verbrauche, je mehr ich mein Verhalten ändere oder nicht ändere, dementsprechend werde ich Ökostromzuschlag zahlen oder nicht. Im Fall einer Steuer hingegen, wenn die SteuerzahlerInnen das zahlen müssten, wäre es entweder an das Einkommen gekoppelt oder man hätte überhaupt einen Fixbetrag. Das wäre nicht so günstig, und ich finde es schon richtig, dass es so ist, wie im Gesetz vorgesehen. (Bundesrätin Mühlwerth: Der Steuerzahler ist aber gleichzeitig ein Konsument!)


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 101

Was allerdings schon verbesserungswürdig wäre, was aber vielleicht in einem nächsten Schritt verbesserungswürdig ist: Der Zugang der – sagen wir einmal so – sozial schwächeren Menschen zu Energieeffizienzmaßnahmen ist natürlich nicht so einfach. Wenn ich jetzt mein Einfamilienhaus dämmen kann, dann gibt es eine Förde­rung, alles Mögliche dafür. Wenn ich hingegen in einer Mietwohnung wohne und vielleicht noch in einer kleinen, dann habe ich in Wirklichkeit einfach keine Chance, dass meine Wohnung saniert wird, wenn nicht mein Vermieter das will.

Also für sozial schwächere Menschen ist der Zugang zu Effizienzmaßnahmen derzeit nicht so einfach möglich. Und daran könnte, sollte, müsste man vielleicht noch arbeiten, dann wäre es vielleicht noch besser mit der Verteilung der Lasten, die dieses Ökostromgesetz sicher auch in einer Form mit sich bringt.

Und noch ein Punkt, quasi so nebenbei: Es wäre schön, wenn man nicht unbedingt für den Ökostrom zahlen müsste, denn in Wirklichkeit müsste man eigentlich für jenen Strom bezahlen, der nicht ökologisch, nicht alternativ erzeugt wird, also für Fossilstrom und Atomstrom. Es sollte also, so mehr oder weniger, statt eines Ökostromzuschlags einen „Schmutzstromzuschlag“ geben. Aber gut, das ist ein Detail am Rande, und ich bin natürlich auch mit einem Ökostromzuschlag nicht so unglücklich.

Dass die Erreichung der Ziele künftig evaluiert wird, finde ich auch sehr begrüßenswert und sehe das als eine positive Änderung. Deshalb, wie gesagt, denke ich, dass in den Verhandlungen insgesamt noch sehr viel an Kleinigkeiten und an größeren Kleinigkeiten verbessert werden konnte und dass wir deshalb jetzt wirklich guten Gewissens dem Gesetz zustimmen können.

Herr Minister, ich kann mir vorstellen, dass Ihnen das wahrscheinlich ein bisschen wehtut, was die Photovoltaik-Förderung betrifft. Ihre prinzipielle Einstellung zur Photo­voltaik habe ich ja schon des Öfteren gehört: dass das so teuer ist. Ich wollte Ihnen nur zur Beruhigung sagen: Es gibt ja diese Studien der Versicherungsforen Leipzig, wo drinsteht, wenn man Atomkraftwerke in dem Ausmaß, wie sie Gefahren darstellen, haftpflichtversichern würde, dann würde die Kilowattstunde allein 3 € an Haftpflicht­versicherung kosten. Das trifft uns nicht, denn wir haben ja zum Glück kein AKW. Es trifft uns nur dann, wenn irgendwo in der Umgebung ein AKW explodiert. Ich denke, so gesehen ist der Photovoltaikstrom gar nicht so hoch gefördert. Und wenn man beim Atomstrom dann noch die Kosten für Endlagerung und Dekommissionierung dazu­rechnet, dann kann man ruhigen Gewissens behaupten, dass der Atomstrom wahr­scheinlich um das Zigfache dessen gefördert wird, was für den Photovoltaikstrom in Österreich an Förderung aufgewendet wird.

Ich würde mir deshalb von Ihnen wünschen, dass Sie das Engagement, das Sie jetzt für den Ökostrom an den Tag gelegt haben, künftig auch gegen den Atomstrom an den Tag legen. Ich habe nämlich vor Kurzem eine Anfrage an Sie gestellt, was den Wett­bewerbsnachteil der österreichischen Stromanbieter durch eben diese Wettbewerbs­verzerrungen im AKW-Bereich betrifft, und Sie haben immer nur geantwortet, Sie haben keine Studie dazu. Ich denke, es wäre wichtig, dass man auf der einen Seite den Ökostrom fördert, aber auf der anderen Seite beim anderen Strom auch die Kostenwahrheit einfordert. Und dazu wäre es gut, wenn wir Studien hätten und wenn der Herr Energieminister diesbezüglich auch Zahlen aufzuwarten hätte.

Ökostromförderung – diese Förderung, so wie sie jetzt ist – ist eine Investition in die Zukunft: einerseits weil Investitionen in erneuerbare Energien immer Investitionen in die Zukunft sind und jeder Euro eine gute Investition ist, aber andererseits eben, weil es Arbeitsplätze betrifft, weil es den Klimaschutz betrifft, weil es die Handelsbilanz betrifft und ganz langfristig auch die Preisstabilität betrifft. Denn Abhängigkeiten wie: es dreht irgendjemand ein AKW ab, und deshalb wird der Strom teurer, und dann sagen


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 102

wir, wir machen eine Laufzeitverlängerung, deshalb wird der Strom billiger – das pas­siert einem einfach bei erneuerbaren Energien nicht. Und deshalb ist es wichtig, dass wir diese forcieren. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

14.25


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Hensler zu Wort. – Bitte.

 


14.25.44

Bundesrat Friedrich Hensler (ÖVP, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren des Bundesrates! Wir haben heute das Ökostromgesetz auf der Tagesordnung. Erlauben Sie mir, eingangs ein persönliches Wort zu sagen: Ich glaube, wenn man mit offenen Augen durch unser Heimatland fährt, kann man mit Fug und Recht sagen, wir leben in einem wunderbaren Land, hier gibt es großartige Menschen, und hier – ich sage „hier“ bewusst – ist unsere Umwelt noch in Ordnung. – Ja, meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist Realität und das ist Wirklichkeit.

Ich habe kürzlich einen Satz gelesen, der mich sehr beeindruckt hat, weil er punkt­genau auf das Ökostromgesetz passt, und der lautet: Umwelt, erneuerbare Energie trifft in die Herzen der Menschen. – Ja, das stimmt. Natürlich, es ist unbestritten, dass Alternativenergie in sehr vielen Bereichen auch Diskussionen hervorgerufen hat. Und ich sage es hier bewusst: Ich komme aus einer Region, meine sehr geehrten Damen und Herren, aus dem Bezirk Bruck an der Leitha, einem Bezirk, der nach Güssing eine Vorreiterrolle im Bereich Alternativenergie einnimmt. Geschätzter Herr Bundesminister, du warst ja selbst in meinem Bezirk. Dort gibt es nahezu 170 Windräder, vier Biogasanlagen, etliche Photovoltaikanlagen, und dort wurde natürlich dieses Öko­stromgesetz diskutiert.

Es ist sicher genauso ein Faktum, dass wir uns im Klaren darüber sein müssen, dass das den Konsumenten etwas kostet. Alternativenergie ist ganz einfach eine Grundvor­aussetzung. Und es ist genauso ein Faktum gewesen, dass gerade die Biogasanlagen in den letzten Jahren gewisse Probleme gehabt haben. Es war sicher nicht einfach, diesen Weg mit den Menschen zu gehen und darüber hinaus mit denjenigen, die solche Anlagen betreiben – und ich bin selbst einer, der an einer Biogasanlage beteiligt war –, dass hier diese Möglichkeit geschaffen wurde. 4 Cent Betriebskostenzuschuss, geschätzter Herr Bundesminister, das ist ein unheimlich wichtiger Faktor für die Zukunft der Existenz dieser Biogasanlagen.

Wir wollen in der Zukunft unabhängig von Atomstrom werden. Es wurde heute schon sehr treffend gesagt: Ja, es ist unheimlich wichtig, dass wir bis 2015 diesen Weg gehen. Und ich weiß auch, dass wir europaweit nur, glaube ich, 4 Prozent des Stroms beanspruchen, das ist ein relativ kleiner Anteil. Aber mit diesem Ökostromgesetz, geschätzter Herr Bundesminister, leiten wir einen Weg einer zielführenden Politik ein, die Alternativenergie und gleichzeitig Schonung der Umwelt forciert. Denn eines ist unbestritten: Wir haben von unseren Eltern den Grund und Boden und die Luft, alles geerbt, und wir wollen es auch gesund weitergeben. Und dafür ist es unheimlich wichtig, dass dieses Gesetz Realität und Wirklichkeit werden konnte.

Die vier Beine, auf denen wir stehen, wurden bereits erwähnt: Wasserkraft, Photo­voltaik, Windkraft und Biomasse. Gleichzeitig haben die Rahmenbedingungen – und das möchte ich auch erwähnen –, die durch dieses Gesetz geschaffen werden, aus meiner Sicht Vorbildwirkung für ganz Europa. Es wird durch dieses Gesetz die Warte­schleife massiv abgebaut und gleichzeitig die Möglichkeit geschaffen, dass jeder Einzelne aktiv in dieses Gesetz einsteigen kann.


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 103

Abschließend, geschätzter Herr Bundesminister, recht herzlichen Dank für Ihr Engage­ment für dieses Gesetz. Ich danke auch Herrn Landwirtschaftsminister Berlakovich, und ich möchte mich gleichzeitig auch bei den Grünen bedanken für ihr Engagement und ihre Unterstützung. Es ist das ein Gesetz im Interesse der Menschen, im Interesse der Bürger unseres Heimatlandes Österreich. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

14.30


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Schweig­kofler zu Wort. – Bitte.

 


14.30.31

Bundesrat Johann Schweigkofler (SPÖ, Tirol): Frau Präsidentin! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Frau Bundesrätin Mühlwerth hat gesagt, lieber zu spät als nie. Darauf darf ich antworten: Gut Ding braucht lang Weil!, sagt man bei uns zu Hause.

Schauen wir uns an, was auf dem Sektor der erneuerbaren Energie in den letzten Jahren weltweit geschehen ist! Mir ist vor Kurzem eine Statistik in die Hände gefallen, in der stand, dass im Jahre 2010 weltweit 243 Milliarden US-Dollar in erneuerbare Energie investiert wurden. Das waren um 30 Prozent mehr als im Jahr 2009. Interes­santerweise lag bei jenen Ländern, die am meisten in diese Energien investieren, China an der Spitze, an zweiter Stelle allerdings war schon unser Nachbarland Deutschland. Deutschland hat damals unter Rot-Schwarz, das muss man wirklich sagen, eine Energiewende geschaffen und unheimlich viel in diese erneuerbaren Energien investiert. Wer beispielsweise durch das bayrische Land, unser Nachbarland, fährt, der kann sehen, wie viele Kollektoren sich auf den Dächern dort befinden. Wir – das muss ich auch sagen – können jetzt wirklich auch von unseren deutschen Kollegen sehr gut lernen. 79 Milliarden beispielsweise sind in die Windkraftenergie geflossen. Man sieht, die Windkraftenergie kommt dem realen Marktpreis am nächsten, deshalb wird in diese am meisten investiert.

Es wurde schon gesagt, was das neue Gesetz bringt. Es bringt eine Anhebung des Fördervolumens. – An dieser Stelle habe ich nur eine kleine Bitte: Es fließen 10 Millionen mehr in die Biomasse-, Bioenergie, deshalb soll man wirklich darauf achten, dass die Biomasse aus Österreich kommt und nicht von irgendwo anders her!

Das Thema Biogasanlagen schmerzt immer ein bisschen. Im Bezirk Kitzbühel zum Beispiel haben wir eine Biogasanlage. Es wird hektarweise Mais angebaut, der zur Erzeugung von Strom verwendet wird. Das ist – wir haben heute schon über Ernährungs­sicherheit gesprochen – vielleicht nicht unbedingt der richtige und der beste Weg. Aber ich denke, der Herr Minister wird darauf achten, dass das nicht so weitergeht.

110 Millionen € mehr für den Rucksack, den wir abbauen müssen, ist absolut super, muss ich sagen.

Natürlich soll das Gesetz beschlossen werden, um eben mehr Strom zu bekommen. Das heißt, Österreich will bis zum Jahr 2020 mehr Strom aus der erneuerbaren Energie. Die derzeit ungefähr 11 Prozent sollen auf 25 Prozent des Stromverbrauchs angehoben werden, sodass wir dann letztendlich im Jahr 2020 mit den Großkraft­werken 85 Prozent unseres Stromverbrauches aus erneuerbarer Energie schaffen.

Besonders erwähnen – und mich dafür bedanken – möchte ich diese Ausgewogenheit bei der Belastung, denn es muss ja jemand bezahlen. Die Deckelung mit 20 € für einkommensschwache Haushalte finde ich ganz in Ordnung. Derzeit werden 35 € bezahlt, und das wird auf 53 € im Jahre 2015 ansteigen. Ich glaube, das ist sicherlich leistbar von den Haushalten. Die Deckelung und diese faire Aufteilung zwischen den


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 104

Konsumenten, der gewerblichen Wirtschaft, der Industrie sieht vor, dass 35 Prozent der Kosten die Haushalte bezahlen sollen und 65 Prozent letztendlich von der Industrie kommen. Eine sehr faire Aufteilung, daher auch Lob von allen Seiten.

Eine kleine Bitte habe ich noch in Bezug auf das Ansuchen, um eine Anlage bewilligt zu bekommen. Ich habe ein solches im letzten Jahr in der Gemeinde Oberndorf eingeleitet. Wir bauen eine Anlage mit 350 Quadratmetern Solarmodulen auf das Dach der Volksschule, aber der Weg dorthin, bis man die Förderung bekommt, ist weit. Erster Schritt – logischerweise –: Planung, nächster Schritt: die Baugenehmigung – gut, die gibt man sich selbst, das geht auch noch gut –, nächster Schritt: Ansuchen beim Bezirk nach dem Tiroler Elektrizitätsgesetz. Man muss anzeigen, dass man solch eine Anlage bauen will. Mit diesen Unterlagen geht es weiter zum Land. Dort braucht man die Anerkennung, dass das eine Stromanlage ist, dass damit Strom produziert wird. Dann geht es weiter zur TIWAG. Die TIWAG erteilt die Genehmigung dafür, dass man einspeisen darf. Letztendlich erfolgt noch das Ansuchen bei der OeMAG.

Wir haben 14 Monate gebraucht. Nach 14 Monaten war der Bescheid endlich da. – Dieses Verfahren sollte man vielleicht ein bisschen beschleunigen und auch entbürokratisieren. Es muss nicht jede Institution damit befasst werden.

Im Großen und Ganzen, muss ich sagen, ist das für die Photovoltaik und für die erneuerbare Energie ein wirklich tolles Gesetz. Danke schön dafür! Die Menschen sind, wie ich glaube, bereit, in die erneuerbare Energie zu investieren. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie des Bundesrates Zangerl.)

14.35


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Tiefnig zu Wort. – Bitte.

 


14.35.38

Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Europa hat nach der Katastro­phe in Fukushima über den Ausstieg aus der Nuklearenergie nachgedacht. In Öster­reich haben wir schon in den achtziger Jahren dieser Energie eine Absage erteilt. Sehr geehrter Herr Minister! Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen im Bun­desrat! Mit dem heutigen Ökostromgesetz schaffen wir Planungssicherheit, finanzielle Übersicht für den Bund und für die Konsumenten eine Kostendarstellung.

Planungssicherheit – die Zahlen wurden genannt, auf welche Höhe sich die Förderun­gen belaufen.

Auch die langen Wartezeiten für Anlagen bis zum Jahr 2026 werden abgebaut. Es werden 128 Millionen € fließen.

Und ein wichtiger Aspekt im Bioenergiebereich ist einfach, dass neue Jobs geschaffen werden. Es ist sicherlich eine positive Aussicht, dass über 10 000 neue Jobs durch die Biomasse, im Biomassebereich in Österreich geschaffen werden.

In Zeiten wie diesen, in denen auch finanzielle Unsicherheit herrscht, sind die Menschen bereit, in Biomasseanlagen zu investieren. Ich sehe das an der Grenze zu Bayern, wo sehr viel Geld in die Photovoltaik investiert worden ist. Ob das immer so sinnvoll gewesen ist, ist zu hinterfragen, aber die Wirtschaftlichkeit wird sich in den nächsten Jahren zeigen. Eine Shell-Studie belegt, dass die Energiepreise weltweit steigen und somit auch Photovoltaik auf lange Sicht entsprechend wirtschaftlich sein wird. Das bietet Sicherheit, und auch die Biomasse- und Biogasanlagenbetreiber bekommen finanzielle Sicherheit, und sie wissen auch, dass sie in Zukunft in solche Anlagen investieren können.


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 105

Für die Konsumenten begründet sich die Sicherheit darin, dass sie ungefähr wissen, wie hoch die Stromkosten sind. Mit dem Deckel von 20 € haben wir auch für diejenigen, die finanziell nicht so gut situiert sind, eine entsprechende Regelung geschaffen. Meiner Anschauung nach sind die Mehrkosten für Biomasseenergie sicherlich in der Energieeffizienz abzudecken.

Dank des Herrn Ministers gibt es auch wieder 100 Millionen € zusätzlich für die thermische Sanierung – Geld für die Bürgerinnen und Bürger.

Ich sage ein herzliches Dankeschön an alle Parteien, die sich heute an dieser Gesetzwerdung beteiligen. Es ist harte Arbeit gewesen. Ich danke Herrn Magnus Brunner, der mitverhandelt hat, aber der größte Dank gilt unserem Minister, der wieder weitreichende Maßnahmen getroffen hat, dass Österreich im Jahr 2050 energieautark sein kann. Mich wundert nur das Verhalten der Freiheitlichen. Aber gut, man kann dafür sein, dass man dagegen ist. – In diesem Sinne danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

14.38


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Beer zu Wort. – Bitte.

 


14.38.50

Bundesrat Wolfgang Beer (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Herr Minister! Sehr geehrte Bundesrätinnen und Bundesräte! Thema Ökostrom. – Ich glaube, Ökostrom wird uns noch etwas länger beschäftigen, und, Frau Kollegin Mühlwerth, die Forderung, dass der Konsument in diesem Bereich keine Mehrbelastung erfahren soll, wäre legitim, wenn diese Energieversorger in Staatsbesitz wären. Für mich persönlich sind Energielieferanten und Energieversorger ohnehin Betriebe, die nie hätten privatisiert werden sollen, weil sie ganz einfach zur Infrastruktur eines Landes und eines Staates gehören. Die Freiheitlichen brauchen aber keine Angst zu haben: Ich werde niemandem erzählen, dass Sie eine der treibenden Kräfte waren, Energielieferanten und Energieversorger zu privatisieren.

Im Jahre 2015 werden wir bereits ein Fördervolumen von 550 Millionen € erreicht haben. Das ist auch wichtig, um in diesem Bereich unabhängig zu sein, unabhängig von den fossilen Energieformen, weil die nicht unerschöpflich zur Verfügung stehen und auch immer teurer werden.

Wir haben in Österreich weder ausreichende Erdöl- noch Gasvorkommen, um uns selbständig versorgen zu können. Wir haben aber Windenergie, wir haben Wasser­energie, wir haben Solarenergie, und wir haben Biomasse-Energieerzeugung, die aber, wie ich glaube, über kurz oder lang auch ein wenig überdacht werden wird, weil es ganz einfach nicht gut ist, weil es ganz einfach moralisch nicht vertretbar ist, aus Nahrungsmitteln Energie zu erzeugen, wenn in anderen Bereichen dieser Erde Hungersnöte und Dürrekatastrophen vorherrschen. Wir haben auch Wind- und Solarenergie weiterzuentwickeln. Wenn man sich nämlich diese riesigen Windkraft­werke anschaut, muss man schon sagen, dass sie nicht unbedingt besonders schön sind. Es gilt die Aufforderung an die Technik, diese ein wenig kleiner und effizienter zu gestalten.

Diese Förderungen garantieren uns auch, dass wir Arbeitsplätze generieren können, und diese Arbeitsplätze wiederum sichern auch unseren Wohlstand.

Wir sind auch aufgerufen, neue Technologien zu erfinden, zu entwickeln. Wir sollten die Einsatzmöglichkeiten der bestehenden Technologien überprüfen und ausbauen. Wir waren führend im Bereich der Entwicklung neuer Energien. Wir sind zwar ein bisschen ins Hintertreffen geraten, haben aber noch immer einen sehr hohen


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 106

Stellenwert bei der Forschung im Bereich der Energieeffizienz: Wie verbrauchen wir weniger Energie? Wie schaffen wir es im Wohnbau, Häuser so zu gestalten, dass sie wenig Energie verbrauchen?

Österreich kann in diesen Bereichen wirklich noch sehr viel erreichen, sehr viel weiterentwickeln. Diese Förderungen und dieses Ökostromgesetz werden uns auf der Reise für eine bessere Welt unterstützen. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Zangerl.)

14.43


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gelangt nun Herr Bundesminister Dr. Mitterlehner. – Bitte.

 


14.43.22

Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, dass der heute hier vorliegende Gesetzesbeschluss wichtig ist, weil er, was die Inhalte anlangt, durch­aus auch vergleichbar ist mit den besten Regelungen, die international bestehen.

Was den Werdegang anlangt, der mehrfach angesprochen worden ist, so würde ich nicht sagen, dass das richtig ist: Gut Ding braucht Weile! Wir haben dieses Gesetz gerade in den letzten Wochen sehr intensiv verhandelt. Schauen Sie sich die Zeit­spanne von der Ministerratsvorlage bis zur Umsetzung im Ausschuss an! Das ging insgesamt relativ schnell.

Es ist auch nicht richtig, dass wir nicht alle, die in dem Bereich Zuständigkeiten haben, eingebunden hätten. Ganz im Gegenteil! Magnus Brunner hat es angesprochen, wir haben schon vor zwei Jahren damit begonnen, die Branche einzuladen, um zu be­sprechen, wie die Wunschvorstellungen, die Probleme, die Inhalte aussehen kön­nen.

Was die Begutachtung betrifft, so haben wir uns aus einem ganz einfachen Grund nicht an die Branchenvertreter gewandt: weil es einen Verband für erneuerbare Energie gibt, der die Stellungnahmen auch koordiniert hat. Das aber heißt nicht, dass wir dann, als die Stellungnahme vorlag, mit den jeweiligen Branchenvertretern nicht mehr ge­sprochen hätten. Ganz im Gegenteil! Ich habe mit Photovoltaik-, mit Biomasse-Vertretern, mit wem auch immer im Bereich Wasser persönlich verhandelt. Also ich meine, es erfolgte eine absolut umfassende Einbindung.

Gleiches gilt auch für die Oppositionsparteien. Natürlich war mir bewusst, dass wir bei dieser Materie breite Zustimmung brauchen, und diese haben wir angestrebt und im Wesentlichen auch erreicht. Daher danke ich allen Oppositionsparteien, auch der Freiheitlichen Partei, für die inhaltliche Einbringung. Es waren sehr konstruktive Gespräche. Aber wenn man  wie Frau Mühlwerth  sagt, ein Gesetz ist inhaltlich eigentlich vollkommen in Ordnung und man kann trotzdem nicht zustimmen, dann stellt sich natürlich eine Grundsatzfrage: Worauf ist das Gesetz ausgerichtet? – Natürlich darauf, dass wir nicht fördern um der Förderungen willen oder um irgendeinem Projektbetreiber ein Einkommen zu verschaffen, sondern wir fördern diese Tech­nologien, damit wir möglichst bald Marktreife erlangen. Der Förderungswerber wird nicht auf Dauer unterstützt, sondern er soll spätestens in 13, bei einigen Technologien in 15 Jahren Marktreife erreicht haben. Deshalb ist das so ausgerichtet.

Diese Förderungen muss aber auch jemand bezahlen, und da gibt es zwei Varianten. Der Steuerzahler kann es nicht, weil das laut EU-Recht eine Beihilfe wäre. Es gibt ein Land, das das gemacht hat, nämlich Spanien, aber es ist jetzt nicht mehr möglich und wird auch nicht mehr gemacht. Außerdem gibt es dabei ein Problem: Wenn der Staat in budgetäre Schwierigkeiten gerät, dann ist auf einmal die gesamte Förderung in Frage gestellt. Daher gibt es nur die andere Möglichkeit, und das ist so, wie wir


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 107

vorgehen: marktkonform, mit erhöhten, aber – das ist auch angesprochen worden – an den Verbrauch geknüpften Abwicklungen, sodass dann auch die entsprechende Zuschlagszahlung zum Strom zu leisten ist.

Ich würde sagen, das, was wir haben, ist eine Belastung, aber für den Konsumenten auch durchaus tragbar. Wir haben jetzt etwa 35 € im Schnitt gehabt, und das wird sich mit der 50-Millionen-Umsetzung auf knapp über 50 € pro Person beziehungsweise pro Verbraucher ausrichten; also eine Steigerung.

In diesem Zusammenhang muss man auch fragen, ob der Konsument bereit ist, das mitzutragen. Wir haben eine Befragung der Konsumenten durchgeführt und dabei festgestellt: Der Konsument ist bereit, etwas zu zahlen, wenn auf der anderen Seite Atomstromfreiheit erreicht wird. 80 Prozent der Konsumenten sind bereit, daran mitzuwirken. Daher würde ich sagen: Die Relation, die Sie angesprochen haben in der Diskussion, man will den Steuerzahler, Griechenland oder wen auch immer nicht belasten, ist in diesem Bereich nicht anwendbar.

Dennoch danke – wir haben das auch im Nationalrat erwähnt – für die inhaltliche Unterstützung, die sehr wertvoll war. Diese degressive Variante zum Beispiel, die 10 Millionen auch wieder abzubauen, ist eine sehr marktorientierte Variante und ist von der Freiheitlichen Partei gekommen. Dennoch wäre es mir lieber und dem Thema angemessen, hätten wir eine Fünf-Parteien-Einigung.

Worum geht es in der Sache selbst? Das ist relativ einfach und meiner Meinung nach das wichtigste Ziel. Wir wollen atomstromfrei sein. Bis zum Jahr 2015 können wir das erreichen, mehr als erreichen mit dem, was wir an Menge gefördert haben. Im Jahr 2020 gibt es einen weiteren Vorteil durch die Koppelung mit der Energiestrategie. In etwa über 80 Prozent haben erneuerbare Energie, was Strom anlangt, und 25 Prozent haben geförderten Strom. Das liegt in Relation zu anderen Staaten im Top-Bereich und ist relativ viel. Ich glaube, dass wir durchaus auch internationalen Ver­gleichen standhalten können.

Richtig ist – weil auch mehrfach angesprochen –, dass in der Energiestrategie steht, dass wir in der Relation Effizienz, also Sparen, und besser Verwenden zu erneuerbarer Energie eine Situation von 3 : 1 haben; drei Mal wichtiger als die erneuerbare Energie sind der Sparbereich, der Effizienzbereich. Mit diesem Gesetz erfolgt der erste Schritt, der nächste wird im Bereich Gebäudeerneuerung aber auch in der E-Mobility liegen. Also das Thema Effizienz geht genauso in Richtung Betriebe.

Sie, Frau Kerschbaum, haben den Atomstrom und sozusagen die Problematik der Internalisierung der externen Kosten – wie es so schön im Fachchinesisch heißt – angesprochen. Das ist für uns jetzt keine relevante vergleichbare Größe, denn, wie Sie selbst erwähnt haben, wir haben keinen Atomstrom. (Bundesrätin Kerschbaum: Wir haben das Risiko!) – Ja, das Risiko, aber man kann deshalb nicht die Kosten für Strom in Deutschland oder Frankreich mit jenen in Österreich vergleichen.

Wenn Sie die Photovoltaik ansprechen und glauben, ich hätte ein bestimmtes Verhält­nis zur Photovoltaik, indem ich meine, sie ist zu teuer, dann muss ich sagen, Sie haben insofern nicht ganz unrecht, als sie zu teuer war. Jetzt ist die Frage: Wie kann man bewirken, dass sich die Photovoltaik marktkonform entwickelt? – Da wird jeder sagen, indem man die Forschung unterstützt – das ist im Übrigen auch ein Schwerpunkt, den wir rund um dieses Gesetz haben –, aber zum Zweiten natürlich, indem man die Tech­nologieorientierung forciert, indem man eher einen bestimmten Druck auf die Kosten ausübt. Denn wenn man sehr hohe Förderungen hat, wird man technologisch keinen Anlass haben, etwas zu tun.


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 108

Das haben wir jetzt bewirkt; Sie sehen, wenn Sie die Töpfe anschauen, wo zwischen den einzelnen Branchen aufgeteilt wird, bleibt ein Resttopf in der Größenordnung von 19 Millionen € übrig. Dieser wird auch der Photovoltaik im Bereich der Netzparität zur Verfügung stehen. Das wird in etwa eine Größenordnung von 18 Cent sein. Das heißt, das hat den Sinn, dass wir möglichst bald bei der Photovoltaik auch in Richtung der Marktgestehungskosten kommen, also praktisch das, was der Konsument jetzt beim Händler oder beim Erzeuger zahlt, wird ziemlich bald die Photovoltaik kosten.

Jetzt werden Sie sagen, da muss man möglichst bald und noch mehr in diesem Bereich geben. Da hat man teilweise eine richtige Überlegung, aber meiner Meinung nach keine ganz richtige, denn die Photovoltaik wird in der Kostenentwicklung, dass sie nach unten geht, sowieso kommen. Jetzt kann ich fragen: Müssen wir da Trittbrett­fahrer sein und auf die Amerikaner, die Chinesen, die Inder warten? – Das ist unge­recht, würde ich sagen, wir sollen beides tun. Wir sollen selber durchaus forschen und unsere Kraft nutzen. Aber im Endeffekt ist auch die Kapazität unserer Autoindustrie im Forschungsbereich, im Zulieferbereich nicht davon abhängig, wie viele Autos wir in Österreich verkaufen, sondern wie gut die Betriebe sind.

Das sollte man auch bei dieser Diskussion sehen, wie auch immer wir jetzt von 2,1 Millionen auf 8 Millionen ausgeweitet haben. Die 8 Millionen sind de facto nur die Untergrenze. Also glaube ich sagen zu können, Photovoltaik ist in Österreich jetzt sehr gut unterstützt.

Betreffend Deutschland sollte man in der Diskussion – wie auch in der Slowakei, in Tschechien und in Spanien – nicht vergessen, dass die mittlerweile mit den Förde­rungen teilweise schon zurückgegangen sind, aber auch teilweise – fahren Sie einmal irgendwo durch die Slowakei! – Gesetze machen müssen, in denen verboten wird, dass man das auf Ackerflächen anbietet. Ich halte auch heute nichts davon, wenn ich Versuchsanlagen von großen Energieträgern sehe, die auf Feldern stehen. In Wirklich­keit sollte man dies auf Dächer beschränken; diese Möglichkeit haben wir jetzt. Wir haben eine Verordnungsmöglichkeit. Ich finde das sehr gut.

Was ist noch wichtig, um Sie zeitlich nicht allzu sehr zu strapazieren? – Ich glaube, dass die Warteliste abgebaut wird, das ist ausgesprochen positiv. Wir hatten bis zu zehn Jahre und darüber hinaus Wartefrist, nehmen jetzt, wenn ich das Wasser noch dazurechne, für die Investitionsentscheidungen nicht ganz 130 Millionen in die Hand, um diese Warteliste abzubauen – das auch zu vertretbaren Tarifen oder zu guten Investitionsförderungen.

Daher werden wir einerseits die Warteliste abbauen – und andererseits was machen? Diese interessante Frage muss ich schon noch beleuchten. Wir müssen die Problematik, ob wir einen Deckel brauchen oder nicht, potentialorientiert lösen.

Was meine ich? – Irgendjemand hat diesen oder jenen Landesrat zitiert, ja sogar die Landeshauptleutekonferenz hat einen Beschluss gefasst: Deckel auf. Die Branche hat aber nicht gewollt, dass wir den Deckel aufmachen. Warum? – Dann hätte nämlich der jeweilige Minister, der den Tarif verordnet, ja nur noch ein Steuerrad, und das Steuerrad wäre die Tarifentwicklung. Das heißt, er kann ja dann nicht im Prinzip alles fördern, sondern irgendetwas braucht man. Und um Kontinuität zu haben, ist es der Branche lieber, dass sie einen nach oben ausgeweiteten Deckel hat, denn dadurch hat man Planbarkeit.

Die zweite Angelegenheit, die eigentlich typisch österreichisch im positiven Sinne ist: Wir haben die Potentiale auf Basis einer Wifo-Studie, und auf der anderen Seite haben wir, auf Basis von genehmigungsfähigen Projekten ausgeleuchtet, dann einen ver­nünftigen Branchenmix gefunden. Jede Branche ist abgedeckt. Man kann ganz Österreich ja nicht damit betreiben, dass man sagt, man ist auf der einen Seite vom


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 109

Wind abhängig oder auf der anderen Seite von der Sonne abhängig. Beides gleichzeitig geht nicht immer. Daher ist der Branchenmix jedenfalls vernünftig. Was habe ich damit? – Ich glaube, eine äußerst vernünftige Ausrichtung auch im Sinne der Versorgungssicherheit.

Es kommt noch ein weiterer Aspekt dazu, der mehrfach angesprochen worden ist. Natürlich haben wir auch die Altanlagen im Biogasbereich abgesichert. Heute fragen viele: Haben die nicht kalkulieren können? – Im Endeffekt hat man dazumal die Tech­nologie noch nicht so einschätzen können. Es gab viele Reparaturnotwendigkeiten, Kessel nicht genau in dem Ausmaß, das man hätte haben sollen, denn dass sich 300 Betriebe verkalkulieren, das glaube ich nicht, sondern das war eine technologische Frage.

Es ist aber stimmiger, die Betriebe jetzt zu unterstützen, als neue Betriebe zu fördern und die anderen sozusagen in der Luft hängen zu lassen. Daher stehe ich auch zu dieser Lösung, was Biogas anbelangt. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Zangerl.)

Somit – darf ich in zwei Sätzen zusammenfassen – haben wir Folgendes: Wir werden bis zum Jahr 2015 atomstromfrei sein. Wir werden, was die neuen Technologien anbelangt, marktorientiert eine Zukunftschance für die österreichische Wirtschaft noch weiterentwickeln und ausbauen. Wir werden die Wartelisten abbauen. Daher werden wir insgesamt eines erreichen: dass hier ein total vergleichbares, nämlich mit anderen Ländern vergleichbares, Gesetz vorliegt, das uns aber im positiven Bereich an die Spitze bringen wird. – Ich danke für Ihre weitgehende Zustimmung. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Zangerl.)

14.55


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Es gibt noch eine Wortmeldung von Frau Bundesrätin Michalke. – Bitte.

 


14.55.29

Bundesrätin Cornelia Michalke (FPÖ, Vorarlberg): Da ich direkt angesprochen wurde, möchte ich meine Haltung erklären. Erstens glaube ich, dass es ein gutes Gesetz ist. Ich denke, dass es mit der Zusammenarbeit aller Parteien auch zu einem inhaltlich guten Papier geworden ist. Es hat im Vorfeld natürlich auch entsprechende Stellungnahmen des Landes Vorarlberg gegeben. Das Land Vorarlberg hat Forderun­gen gestellt. Diese Forderungen wurden zum Teil aufgenommen, sie wurden aber nicht alle aufgenommen.

Was meiner Meinung nach sehr positiv ist, ist Ihr Hinweis, dass wir in absehbarer Zeit atomstromfrei sein werden. Leider Gottes mussten wir gestern im EU-Ausschuss vom Botschafter aus Polen hören, dass Polen eine absolut andere Richtung einschlagen wird. Polen wird nicht Atomstrom aus maroden russischen Atomkraftwerken zukaufen wollen, sondern eher ein eigenes Atomkraftwerk bauen. Leider liegt Polen in unmittel­barer Nähe zu Österreich. Also es wäre vielleicht auch Kreativität auf der Ebene angesagt, dass man versucht, die Nachbarländer irgendwie auf eine solche Schiene hinzubringen.

Meine Haltung heute entspricht also der Haltung der Stellungnahme des Landes Vorarlberg. Positiv ist, dass zum Beispiel der Förderdeckel nicht, wie gefordert, aufgehoben wurde, sondern von 21 Millionen auf 50 Millionen angehoben wurde. § 5 Abs. 1 Ziffer 14 wurde leider oder Gott sei Dank nur teilweise umgesetzt: KLI.EN. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Brunner.) – Dazu hast du dich bei uns im Klub geäußert und hast uns erklärt, dass das eigentlich keine sinnvolle Forderung gewesen ist. Also ist es wahrscheinlich gut, dass es nur teilweise umgesetzt wurde.


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 110

§ 8 – da heißt es in der Stellungnahme –: „Eine Auflistung der einzureichenden Unterlagen (§ 8) entsprechend dem Inhalt des Anerkennungsbescheides (§ 9) ist zweckmäßig. Dies bedeutet, dass in § 8 auch die Vorlage von Unterlagen vorzusehen ist, aus welchen schlüssig abgeleitet werden kann, welche Maßnahmen zur Vermei­dung von Feinstaub bei Anlagen, die zumindest teilweise auf Basis von fester Bio­masse betrieben werden, getroffen werden.“ – Dies wurde nicht umgesetzt.

§ 18 Abs. 1: Die Abschläge wurden nicht gänzlich aufgehoben, wie gefordert.

§ 19 Abs. 2: Da wurden die Abschläge von 10 Prozent auf 8 Prozent bei Photovoltaik und von 2 Prozent nur auf ein Prozent bei Windkraft reduziert. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Dr. Mitterlehner.)

Und einer, so glaube ich, der wichtigen Punkte, ist der § 43. Da heißt es: „Bei der Förderung von neuen Technologien zur Ökostromerzeugung, für die die Technologie­fördermittel vorgesehen sind, sollte Wasserkraft nicht von vornherein ausgenommen werden. Auch bei der Wasserkraft gibt es sehr innovative technologische Ansätze und auch ertragsbezogene sowie ökologische Optimierungsmöglichkeiten. In diesem Zu­sam­menhang wären z.B. Effizienzberatungsprogramme für kleinere Wasserkraft­anlagen zu nennen.“

Das wurde auch nicht umgesetzt. (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.)

Insgesamt wäre es wünschenswert gewesen, wenn es vielleicht in diesem Papier auch eine kreative Vorstellung dessen gegeben hätte, wie die Preise anders auf den Endkunden umgelegt werden hätten können. Es ist uns wohl allen klar, dass Ökostromerzeuger selbstverständlich – und das ist auch, davon gehe ich aus, in Ordnung so – in einem knallharten Geschäftsfeld sind. Es wäre auch vorzusehen gewesen, dass man unter Umständen, wenn ein solcher Erzeuger, sagen wir einmal, schlechter dasteht – so wie es im Moment bei der KELAG und den Bundesforsten der Fall ist, die um einen Bankenausgleich ansuchen, und wenn man weiß, wer diese Ausfälle dann bezahlt, nämlich wieder der Endkunde –, eben vorsieht, dass dort eine Höchstgrenze eingezogen wird und solche Fälle nicht vom Endkonsumenten auf Umwegen von irgendwelchen Ausgleichen zu tragen sind, die solche Firmen dann machen könnten.

Das ist mein Zugang zur Ablehnung. (Bundesrat Dr. Brunner: In jedem Satz widersprochen!) – Die Ablehnung von der Stellungnahme. (Bundesrat Dr. Brunner: Einerseits zu teuer, ...!) – Nein. (Bundesrat Dr. Brunner: Na sicher!) – Wir haben nach­her Zeit. Ich erkläre dir das dann, vielleicht auf dem Heimflug. Okay, dann haben wir mehr Zeit. (Beifall bei der FPÖ.)

15.00


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen nun zur Abstimmung.

Der gegenständliche Beschluss bedarf nach Artikel 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungs­gesetz der Zustimmung des Bundesrates bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder des Bundesrates und einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen.

Ich stelle zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mitglieder des Bundesrates fest.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 111

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Nunmehr lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss gemäß Artikel 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit unter Berück­sichtigung der besonderen Beschlusserfordernisse angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

15.01.569. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Transparenz von Preisen für Erdöl, Mineral­ölerzeugnisse, Gas, Strom und Arzneimittel sowie der Preisauszeichnungs­vorschriften (Preistransparenzgesetz) geändert wird (1224 d.B. und 1301 d.B. sowie 8533/BR d.B.)

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir kommen zum 9. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Junker. Ich bitte um den Bericht.

 


15.02.11

Berichterstatterin Anneliese Junker: Sehr verehrtes Präsidentenpaar! Geschätzter Herr Minister! Meine Damen und Herren! Ich berichte aus dem Wirtschaftsausschuss über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Transparenz von Preisen für Erdöl, Mineral­ölerzeugnisse, Gas, Strom und Arzneimittel sowie der Preisauszeichnungsvorschriften geändert wird. (Vizepräsident Mag. Himmer übernimmt den Vorsitz.)

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher zur Antragstellung.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 19. Juli 2011 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke für die Berichterstattung.

Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

15.03.4810. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2011 betreffend Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG über eine Änderung der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG über die Einführung der halbtägig kostenlosen und verpflichtenden frühen Förderung in institutionellen Kinderbetreuungseinrichtungen (1225 d.B. und 1270 d.B. sowie 8534/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen zum 10. Punkt der Tagesordnung.


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 112

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Tiefnig. Ich bitte um den Bericht.

 


15.04.13

Berichterstatter Ferdinand Tiefnig: Der Bericht des Ausschusses für Familie und Jugend über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2011 betreffend Verein­barung gemäß Art. 15a B-VG über eine Änderung der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG über die Einführung der halbtägig kostenlosen und verpflichtenden frühen Förderung in institutionellen Kinderbetreuungseinrichtungen liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Daher komme ich zur Antragstellung, keinen Einspruch zu erheben. (Bundesrat Gruber: Das genügt!)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Mühlwerth. – Bitte.

 


15.04.55

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute tue ich mich wirklich ein bisschen schwer. (Bundesrat Mayer: Wir auch! – Bundesrat Gruber: Das kann ich mir nicht vorstellen! – Bundesrat Kraml: Inhaltlich alles in Ordnung, aber dagegen! – Heiterkeit der Rednerin.) – Es gibt ein paar Sachen, die grundsätzlich richtig sind und dennoch finden sie so, wie sie sind, nicht unsere Zustimmung.

Den Gratiskindergarten haben die Wiener Freiheitlichen schon vor über zehn Jahren gefordert. (Bundesrat Stadler: 15 waren es!) – Danke, dass es noch länger her ist, dass du meinem Gedächtnis ein wenig nachhilfst. Auf jeden Fall schon sehr, sehr lange, bevor die SPÖ in Wien bereit war, das überhaupt umzusetzen.

Jetzt könnte man sagen, der Umstand, dass die Vereinbarung bis 2013 verlängert wird, ist ja grundsätzlich zu begrüßen. Was wir aber nicht wollten, ist, dass ein Kindergarten­jahr vor Schuleintritt – also mit fünf – verpflichtend für alle ist.

Sie alle wissen, wir reden immer der Wahlfreiheit das Wort und sagen: Wer in den Kindergarten gehen will, wo es von den Eltern gewünscht ist, ist es in Ordnung. Aber es muss auch nicht sein. Man darf seine Kinder auch nicht in den Kindergarten schicken wollen.

Tatsache ist ja, dass 95 Prozent der Kinder ohnehin in den Kindergarten gehen, also das findet ja breite Zustimmung der Eltern. Wir wollten, dass jene verpflichtend in den Kindergarten gehen müssen, die nicht Deutsch können, sprich in der Regel die Zuwandererkinder, die sonst Nachteile in der Schule haben, und zwar für sich selbst, aber auch die anderen, die mit ihnen in der Klasse sitzen.

Wir haben uns aber auch immer vorstellen können, dass es jene österreichischen Kinder betrifft, die Sprachdefizite haben. Das ist jetzt anders beschlossen worden. In Wien, muss ich sagen, hat ja die SPÖ das vor der Wahl als Wahlzuckerl noch schnell eingeführt. Da muss ich als Wienerin schon sagen, dass die baulichen Möglichkeiten nach wie vor nicht in ausreichendem Maße vorhanden sind, dass die Anzahl der Kindergartenpädagoginnen nicht in ausreichendem Maße gegeben ist und es auch schwierig ist, diese zu bekommen.

Und man muss sich generell über die Ausbildung der Kindergartenpädagoginnen Gedanken machen, denn: Die Gründe, warum so viele Kindergartenpädagoginnen fehlen, sind ja vielseitig. Der eine ist eine relativ schlechte Bezahlung, weiters sind es zu große Gruppen, wie uns die Kindergartenpädagoginnen generell sagen, und die sonstigen Rahmenbedingungen, wie zum Beispiel, dass es keine Supervision gibt,


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 113

dass es keine fixen Elternsprechzeiten gibt, sondern alles im laufenden Betrieb stattfinden muss, was schwierig ist, wo die Kindergartenpädagoginnen immer sagen, das ist sehr belastend. Das sind nur ein paar Beispiele.

Warum ich die Ausbildung anspreche: Maximal 40 Prozent der Absolventinnen – es sind ja meistens Frauen, nur selten Männer – ergreifen dann auch tatsächlich diesen Beruf. Die meisten gehen entweder an die Universität oder machen etwas ganz anderes. Bei den Kollegs ist es genau umgekehrt. Jene, die ein Kolleg machen, ergreifen in der Regel dann auch diesen Beruf.

Das heißt, man muss darüber nachdenken, ob man mit der Ausbildung mit 15 an den Berufsbildenden Höheren Schulen nicht zu früh angesetzt hat, ob man das nicht auf später verlagert. Ich weiß, das ist jetzt im Rahmen der Pädagogischen Hochschulen et cetera im Gespräch – welche das umfassen soll, wie die Ausbildung starten soll. Das wäre wirklich ein wichtiger Schritt.

Ein weiteres Problem ist der grenzüberschreitende Besuch des Gratiskindergartens. Das ist vor allem ein Problem zwischen Wien und Niederösterreich, das nicht gelöst ist, aber da sage ich, Herr Minister, können wir uns nicht darauf beschränken – auch Sie nicht – zu sagen: Dieses grenzüberschreitende Problem müssen sich die zwei miteinander ausmachen. Jemand wohnt zum Beispiel in Niederösterreich, möchte sein Kind aber in Wien in den Kindergarten geben, weil dieser näher am Arbeitsplatz ist.

Ich glaube, in dem Fall ist auch der Bund gefragt, bei aller Liebe zum Föderalismus. Manchmal scheint es so zu sein, dass der Bund dann einmal das Wort ergreifen und sagen muss: So wird es gemacht!

Daher gibt es nach unserer Auffassung noch zu viele Baustellen in diesem Gesetz. Wir werden also nicht zustimmen. (Beifall bei der FPÖ.)

15.09


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Wenger. – Bitte.

 


15.10.00

Bundesrat Franz Wenger (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Ganz im Gegensatz zur Kollegin bin ich der Meinung, dass sich die gegen­ständliche Artikel-15a-Vereinbarung die Umsetzung verdient hat, und zwar deshalb, weil damit der im Jahr 2008 begonnene und erfolgreiche Weg beim Ausbau der Kinderbetreuung konsequent fortgesetzt werden kann. Das Ergebnis ist, dass sich die Betreuungsquote in allen Altersgruppen erhöht hat. Schon jetzt liegt Österreich in der Altersgruppe der 3- bis 6-Jährigen inklusive der Tageselternbetreuung mit nahezu 94 Prozent über dem Barcelona-Ziel. Es gibt auch Bundesländer, die bereits 100 Pro­zent Betreuungsquote haben.

Für die unter 3-Jährigen gab es durch die Ausbauinitiative zirka 12 000 Plätze mehr. Die entsprechende Betreuungsquote ist ebenfalls inklusive der Tageselternbetreuung seit Beginn dieser Bundesinitiative auf zirka 17 bis 18 Prozent im Jahr 2010 ange­stiegen. Allerdings sind noch weitere Anstrengungen notwendig, um das Barcelona-Ziel auch in dieser Altersgruppe letztendlich zu erreichen.

Daher wird auch der Bundeszuschuss an die Länder in einem Ausbauschwerpunkt für die unter 3-Jährigen bis zum Jahr 2014 verlängert. Damit können nunmehr rund 20 000 weitere bedarfsgerechte Betreuungsplätze geschaffen werden. Natürlich ist das auch ein wichtiger Weg, um dem Barcelona-Ziel auch in dieser Altersgruppe einen wesent­lichen Schritt näherzukommen.


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 114

Die aktuelle Kindertagesheimstatistik bringt im Ergebnis klar zum Ausdruck, dass mit der Förderoffensive des Bundes, der Kofinanzierung der Länder und auch der Mitfinanzierung durch die Gemeinden ein zukunftsorientierter und erfolgreicher Weg beschritten wurde. Der Bund unterstützt daher die Länder beim Ausbau der Kinder­betreuung auch in den Jahren 2011 bis 2014 mit 15 Millionen € pro Jahr. Dazu kommen 10 Millionen €, die noch heuer für bereits begonnene Projekte ausgeschüttet werden. Für die Finanzierung des verpflichtenden Kindergartenjahres stellt das Fami­lien­ministerium den Ländern bis 2014 jährlich 70 Millionen € zur Verfügung. Dafür geht der Dank schon auch an unseren Herrn Minister.

Gratis für die Eltern bedeutet Mehrkosten für Bund, Länder und Gemeinden, die ja zu einem hohen Prozentsatz Erhalter und Träger der Kinderbetreuungseinrichtungen sind. Als Bürgermeister stimme ich deshalb zu, weil die Gemeinden entlastet werden und deren jährlicher Abgang wesentlich reduziert werden kann. Eine bedarfsorientierte und qualitätsvolle Kinderbetreuung gehört zu den wichtigsten Zukunftsaufgaben.

Die zur Beschlussfassung vorliegende Artikel-15a-Vereinbarung ist die Grundlage. Sie ist die Grundlage dafür, den Ausbau der Kinderbetreuung konsequent fortzusetzen und damit auch die Grundlage für mehr Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Das sozialpädagogische Profil der Kinderbetreuung umfasst heute Betreuung, Erzie­hung und Bildung, und diesem Profil gilt es gerecht zu werden. In diesem Sinne wird die ÖVP-Fraktion dieser Vereinbarung zustimmen. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

15.13


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Köberl. – Bitte.

 


15.14.12

Bundesrätin Johanna Köberl (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Werte Damen und Herren! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Zu diesem Tagesordnungspunkt, der jetzt zur Diskussion steht, wurde ja von meinen Vorrednern ausführlich berichtet. Dadurch wird der kostenlose, verpflichtende Kindergartenbesuch für unsere Kinder im Jahr vor Eintritt in die Schule garantiert.

Die seit dem Jahr 2009 getätigten Ausgaben von 70 Millionen € pro Jahr – ich glaube, das bestreitet hier niemand – sind gut investierte und gut angelegte Ausgaben zum Wohle unserer Kinder, denen es damit ermöglicht wird, ihren Schulstart fit und kompetent in Angriff zu nehmen. Mögliche Schwächen können somit bereits vor dem Start in die Schule festgestellt und ausgeglichen werden. Besonderes Augenmerk muss dabei auf die Sprachentwicklung gelegt werden.

Was man in meinen Augen auch nicht unterschätzen darf, ist die Förderung der sozialen Kompetenzen. Laut Statistik Austria gibt es in Österreich über 500 000 Fa­milien mit nur einem Kind, und Kinder lernen von Kindern. Im gemeinsamen Spiel werden Rücksichtnahme, Achtsamkeit, aber auch Streiten und sich gegenüber ande­ren zu behaupten gelernt. Dies sollte meiner Meinung nach vor dem Schuleintritt erfolgen, denn so werden sich unsere Kinder in der Schule auf das eigentliche Lernen konzentrieren können. Sie haben es sicher später auch in der Gesellschaft, in der Gruppe und im weiteren Leben leichter.

Aus der Steiermark, wo im Herbst 2008 der Gratiskindergarten eingeführt wurde, weiß ich, dass es durch die Diskussion um den Gratiskindergarten gelungen ist, dass der Kindergarten als Bildungseinrichtung gesehen wird und nicht nur als Aufbewahrungs­stelle.

Durch diese Vereinbarung, die wir hier diskutieren, sichern wir nicht nur die Finanzie­rung dieser Einrichtungen, sondern es werden auch zusätzliche Betreuungsplätze


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 115

geschaffen. Dadurch entstehen wieder neue Arbeitsplätze, die besonders im ländlichen Raum wichtig sind. Da diese zu 98 Prozent von Frauen besetzt werden, wirkt sich die Schaffung auch positiv auf die Frauenerwerbstätigkeit aus.

Es ist auch ein weiterer Beitrag zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Gerade für AlleinerzieherInnen und Bezie­herInnen von geringen Einkommen bedeutet dies eine Sicherung ihrer Existenz.

In meinem Bezirk haben mir sehr viele Frauen gesagt, dass aufgrund dieses kosten­losen Kindergartenjahrs ihr Alltag besonders in finanzieller Hinsicht erleichtert wird. Bildung darf nicht vom Einkommen abhängen, und Bildung beginnt schon vor dem Schul­eintritt.

Es gibt natürlich, wie Kollegin Mühlwerth erläutert hat, noch viele Themenbereiche, von Qualitätskriterien, klaren Bildungszielen bis hin zu den Schließtagen in den Ferien, durch die die Eltern sehr oft vor schier unlösbare Probleme gestellt werden. Aber ich denke, diese Vereinbarung ist zum Wohle unserer Kinder, denn es geht um gleiche Chancen und Gerechtigkeit für unsere nächste Generation. – Danke. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

15.17


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Dönmez. – Bitte.

 


15.17.46

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die öster­reichische Bildungslandschaft ist nicht zeitgemäß. Wir haben ein Bildungssystem, das nicht ausreichend auf die Veränderungen in der Gesellschaft eingestellt ist. Die Defizite beginnen bei den Einrichtungen für die Kleinsten und gehen über die Universitäten hinaus bis zu den Erwachsenenbildungseinrichtungen.

Gerade für die Jüngsten unserer Gesellschaft brauchen wir qualitativ hochstehende pädagogische Standards. Wenn wir Gleichbehandlung und Chancengleichheit wirklich ernst nehmen, dann müssen wir im Kleinkindalter ansetzen und dort Einrichtungen schaffen, die für alle gleich gut sind. Gleich gut, das heißt Öffnungszeiten, die sich nach den Bedürfnissen der Kinder richten, weiters gut ausgebildete und bezahlte Fachkräfte. Und natürlich müssen sich das alle Eltern auch leisten können.

Was die Öffnungszeiten anlangt, stellen vor allem die langen Schließungszeiten im Sommer für viele berufstätige Eltern ein Problem dar. Da ist Flexibilität notwendig.

Die Anforderungen an das Personal bei der Kinderbetreuung werden meiner Meinung nach unterschätzt. Je jünger die zu Betreuenden sind, desto höher und bedeutsamer sind die Anforderungen. Wir müssen daher nicht nur die Einrichtungen selbst aus­bauen, sondern auch bei der Ausbildung der Betreuenden ansetzen. Vor allem beim Spracherwerb sind die ersten Lebensjahre maßgeblich, und gerade in diesem Bereich schaffen wir es nicht, das Potenzial unserer Jüngsten voll auszuschöpfen.

Ich hoffe sehr, dass wir in den kommenden Jahren in Österreich eine echte große Bildungsreform schaffen, die selbstverständlich auch die außerhäusliche Betreuung der noch nicht Schulpflichtigen neu gestaltet.

Aus dem vorliegenden Gesetz lässt sich die Marschrichtung im Großen und Ganzen ablesen, aber dennoch bestehen einige Mängel, die wir schon lange immer wieder kritisieren.

Wir sehen nicht ein, warum Bundesländer-Grenzen Eltern plötzlich vor große auch finan­zielle Probleme stellen. Wir treten dafür ein, dass allen Kindern das Gratiskin­


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 116

dergartenjahr zusteht, ganz gleich, wo sie wohnen, wo ihre Eltern arbeiten und wo sie betreut werden.

Tatsächlich werden von Eltern, die ihre Kinder in einem anderen Bundesland betreuen lassen, weil es aus logistischen Gründen einfacher und bequemer ist, Kindergarten­beiträge eingehoben. Die meisten Probleme gibt es in diesem Fall zwischen den Bundesländern Wien und Niederösterreich, wie das auch schon meine VorrednerInnen angesprochen haben. Andere Länder wie das Bundesland Salzburg oder das Bun­desland Oberösterreich haben diese Probleme bereits erfolgreich behoben.

Ursache für die Probleme sind die unterschiedlichen Fördersysteme der Bundesländer. Das vorliegende Gesetz ist, wie schon erwähnt, ein kleiner Puzzlestein, und wir werden hier zustimmen.

Wir sind allerdings mit dem gesamten Bereich der Kinderbetreuung in Österreich nicht zufrieden, weil es noch immer Ungerechtigkeiten zu beseitigen gilt. Zum Beispiel sind Kinder mit Beeinträchtigungen vom verpflichtenden Kindergartenjahr noch immer ausge­nommen. Eine bedarfsorientierte Frühförderung hängt bei uns noch immer stark von den finanziellen Möglichkeiten der Eltern ab. Ich bin überzeugt davon, dass staatliche Einrichtungen die Aufgabe haben, Defizite in diesem Bereich zu kom­pensieren. Es ist viel einfacher, auftretende Defizite schon in jüngeren Jahren zu beseitigen, als später, wo man noch mehr Mittel in die Hand nehmen muss, um diese dann zu beheben.

Bei Bildung und Ausbildung zu sparen ist wohl das Kurzsichtigste, was man in der Politik tun kann. Deshalb nochmals mein Appell an die Regierungsparteien und hier insbesondere an die ÖVP, Bildung nicht nur für eine handverlesene Elite, denn das sind Konzepte von vorvorgestern, sondern Bildung muss für alle zugänglich sein. – Danke. (Beifall bei Grünen und SPÖ sowie des Bundesrates Zangerl.)

15.22


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Herr Bundesminister Dr. Mitter­lehner. – Bitte.

 


15.22.21

Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Herr Präsident! Frau Kollegin Schmied! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte unmittelbar an das anknüpfen, was mein Vorredner angesprochen hat.

Ich glaube, dass mit dem vorliegenden Konzept ja nicht ein Beginn gemacht wird, Bildungschancen allen zu ermöglichen, sondern es ist eine Fortsetzung einer schon begonnenen Initiative, die wir gesetzt haben, ohne eigentlich die Kompetenz dafür zu haben. Denn alles, was Kindergarten und Kinderbetreuung anlangt, ist Landeskom­petenz. In diesem Bereich hat der Bund eine meines Erachtens beachtliche Vorreiter- und auch Motivationsrolle übernommen, weil wir dieses Thema vor allem in den letzten Jahren stark besetzt haben.

Es würde den zeitlichen Rahmen sprengen, dies weiter auszuführen. Wir haben bereits im Rahmen einer Aktuellen Stunde die Möglichkeit gehabt, über die Gesamt­philosophie zu diskutieren. Heute geht es eben um Kindergarten und um die Fortsetzung dieser verpflichtenden halbtägigen Initiative im letzten Jahr, aber darüber hinaus natürlich um Kinderbetreuung insgesamt. Das ist die Initiative der Artikel-15a-Vereinbarung, wo es darum geht, den Ausbau insbesondere für die Null- bis Dreijährigen fortzusetzen. Und es geht natürlich in dieser Konstellation auch darum, das Angebot und vor allem die Standards, was Tagesmütter und Tagesväter betrifft, in diesem Bereich insbesondere als Ergänzung im regionalen Bereich ebenfalls zu be­


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 117

achten. Unabhängig davon gibt es eine ganze Menge an guten Beratungsangeboten, die in diesem Bereich ebenfalls wichtig sind.

Was wir aber hier und heute machen, ist nichts anderes, als die Fortsetzung der Initiative, Kindergartenbesuch gratis, halbtägig und verpflichtend vorzusehen und hier auch die Mittel bereitzustellen, und zwar im Ausmaß von 70 Millionen € für das nächste Jahr und auch für das übernächste Jahr, weil der Finanzausgleich bekanntlich um ein Jahr nach hinten verschoben wird.

Was ist damit zu erreichen? – Es wird Kontinuität erreicht und es wird eine Initiative fortgesetzt, die sich bewährt hat. Wie bewährt? – Wir haben eine Evaluierung veranlasst und mit den Ländern auch abgesprochen, diese wird im September vor­liegen.

Wir haben schon einen Überblick aus der aktuellen Betreuungsstatistik, wie die Betreuungsquote österreichweit ausschaut. Gegenüber dem Vorjahr haben wir ein Plus von 2 Prozent, derzeit werden 98,3 Prozent der Kinder außerhäuslich betreut. 98,3 Pro­zent sind, wie ich meine, eine sehr beachtliche Quote.

Daher, Frau Mühlwerth, brauchen wir uns meines Erachtens nicht mehr so intensiv über die Grundphilosophie zu unterhalten, ob wir jemanden und wen wir in seiner Wahlfreiheit benachteiligen, denn im Endeffekt ist es die normative Kraft des Faktischen. Wenn Sie schon eine Quote, die bei 98 Prozent und darüber liegt, haben – diese wird auch in diesem Jahr noch steigen –, dann ist das Problem erledigt. Die Eltern haben mit ihren Kindern eigentlich schon entschieden.

Es ist mehrfach auch die Qualität angesprochen worden. Und ich glaube, dass die Kinderpädagoginnen und -pädagogen wahrscheinlich mindestens den gleichen Stellenwert und die gleiche Wichtigkeit haben, vielleicht noch wichtiger sein werden als die Lehrer, weil sie in einer Phase, in der die Prägung des Kindes erfolgt, die Betreuung machen. Deswegen haben wir diesem Thema auch einen großen Schwer­punkt eingeräumt.

Wir haben beispielsweise mit dem Charlotte Bühler-Institut eine Ergänzung des Bildungsrahmenplans vorgenommen, was zur Folge hat, dass wir kindgerechte Bildungsarbeit in diesem Bereich leisten können, und zwar jetzt nicht als theoretischer Anspruch, sondern schon in der Praxis. Das entsprechende Modul für die Fünfjährigen liegt vor und ist seit Ende Sommer 2010 verfügbar.

Das heißt, diejenigen, die dort tätig sind, es sind hauptsächlich Frauen, können auf diese Möglichkeiten und Gegebenheiten zurückgreifen und damit einen wertvollen Beitrag auch in qualitativer Hinsicht leisten.

Es ist jetzt mehrfach die Problematik der Qualitätsstandards angesprochen worden. Es ist natürlich ein Problem in der Verhandlung. Wenn es um den Gratiskin­dergarten­besuch geht, dann glaubt man, das ist relativ klar, Thema erledigt.

Frau Kollegin Schmied war mit zwei anderen Kollegen dabei, als wir die Lifelong-Learning-Strategie entwickelt haben. Da ist genau in dem Bereich, was Kinder bis zum schulpflichtigen Alter anlangt, drinnen, dafür auch entsprechende Standards vorzu­sehen. Daher bemühen wir uns auch jetzt in den Verhandlungen, sowohl bei Kinder­betreuung als auch Kindergarten diese Standards auf Basis freiwilliger Umsetzungen sozusagen auch in die Praxis zu bringen.

Was erreichen wir damit? – Wir erreichen damit bundeseinheitlich im Wesentlichen die gleichen Standards und vermeiden somit, dass ein Land vielleicht besser oder schlechter ist.


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 118

Da so oft angefragt wird: Wir bemühen uns – das ist zwar Thema Kinderbetreuung –, genau diese zwei Wochen Schließungsmöglichkeit, es sollten nicht länger als zwei Wochen sein, insofern umzusetzen, als wir einfach 47 Wochen als Bedingung für neue Kin­derbetreuungseinrichtungen in die Verhandlungen eingebaut haben, was im Klartext heißt, zu Ostern und Weihnachten ist im Endeffekt sowieso einige Zeit geschlossen. Somit bleiben in etwa zwei Wochen im Sommer übrig, in denen de facto geschlossen ist, während der restlichen Zeit ist offen.

Jetzt werden Sie sagen, das ist ja alles viel zu wenig, das müssen alle anderen genauso umsetzen. Das ist ein Problem, weil der Kindergartenträger in der Regel eben nicht der Bund ist. Es gibt wenige Bundeseinrichtungen, wir haben eine in unserem Ministerium, aber im Wesentlichen ist der Kindergartenträger entweder das Land oder die Gemeinde oder eine Privatperson. Das heißt, dort kann ich nicht über die Kompetenzen drüberfahren, sondern der Kindergartenträger muss das im eigenen Bereich so gestalten.

Jetzt nehme ich aber an, dass, wenn wir das so umsetzen wollen, sich die Kultur und das Denken insgesamt ändern. Das gilt jetzt auch für die Frage, die Sie angesprochen haben, was Niederösterreich und Wien betrifft. Irgendwer hat gesagt, der Bund solle einmal ein Machtwort sprechen. Ich wünsche mir öfter diese Möglichkeit, Kompetenz­fragen durch Machtworte zu bereinigen. Das ist eine Länderkompetenzfrage, und das müssen die Länder entsprechend abklären. Ich glaube, es ist aber beherrschbar.

Es wird immer wieder als Problem genannt, aber im Wesentlichen gibt es nicht allzu viele Betroffene, aber jeder Betroffene ist wichtig genug, um dem Problem nach­zugehen. Wir schauen uns die Angelegenheit durchaus weiter an.

Zusammengefasst: Ich glaube, dass die Initiative, die Vorgehensweise etwas Positives bringt. Natürlich, ich gebe jedem Einzelnen recht, der sagt, das muss noch weiter entwickelt werden, das ist richtig. Sie müssen nur entscheiden: Sehen Sie ein Glas halb voll oder halb leer, ist es dabei, voller zu werden, und damit insgesamt auf einem positiven Weg? – Danke. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

15.29


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

15.29.4311. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz, das Schulunterrichtsgesetz, das Pflicht­schul­erhaltungs-Grundsatzgesetz und das Hochschulgesetz 2005 geändert werden (1209 d.B. und 1265 d.B. sowie 8535/BR d.B.)


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 119

12. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2011 betreffend Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG über den Ausbau der ganztägigen Schulformen (1253 d.B. und 1266 d.B. sowie 8536/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen zu den Punkten 11 und 12 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Zu diesen Tagesordnungspunkten darf ich Frau Bundesminister Dr. Schmied sehr herzlich in unserer Mitte begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)

Wir gelangen nun zur Berichterstattung zu den Punkten 11 und 12. Ich bitte Frau Bundesrätin Mag. Rausch um die beiden Berichte.

 


15.30.33

Berichterstatterin Mag. Bettina Rausch: Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bun­desministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Unterricht, Kunst und Kultur über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz, das Schulunterrichtsgesetz, das Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz und das Hochschul­gesetz 2005 geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher sogleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Unterricht, Kunst und Kultur stellt nach Beratung der Vorlage am 19. Juli 2011 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich erstatte weiters den Bericht des Ausschusses für Unterricht, Kunst und Kultur über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2011 betreffend eine Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG über den Ausbau der ganztägigen Schulformen.

Auch dieser Bericht liegt in schriftlicher Form vor, und ich komme daher sogleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Unterricht, Kunst und Kultur stellt nach Beratung der Vorlage am 19. Juli 2011 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Dr. Kickert. – Bitte.

 


15.31.45

Bundesrätin Dr. Jennifer Kickert (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Bei dieser Initiative zum Ausbau der schulischen Tagesbetreuung geht es, wie auch die Aufzählung der diversen zu ändernden Gesetze angedeutet hat, um mehrere Dinge. Es geht um die Möglichkeit, schulartenübergreifende Betreuungsgruppen einzuführen. Es geht um die Berechnungsmodalitäten für diverse Gruppengrößen an Bundesschulen. Und es geht unter anderem auch um die Einführung eines neuen Berufsbildes, der Freizeit­pädagogen und -pädagoginnen, um deren Ausbildung und, wie es im Gesetz so schön heißt, um deren schulrechtliche Positionierung.

Gerade dieser Punkt der Schaffung der – wie soll ich sagen? – „PädagogInnen light“ ist eines der Probleme, die wir mit diesem Gesetz haben. Wir glauben, dass das quer zu dem Bemühen und zu den Verhandlungen steht, die PädagogInnenausbildung-neu mit


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 120

einem allgemeinen Masterabschluss für alle Lehrkräfte einzuführen, dass das diesem Ziel zuwiderläuft. Es erscheint nicht besonders sinnvoll, ein neues Berufsbild mit einer nur zweisemestrigen Berufsausbildung einzuführen, wenn man schon in Verhand­lungen dazu ist, einen Master, sozusagen ein Masterlevel für alle Lehrkräfte einführen zu wollen.

Gleichzeitig steht es dem eigentlichen Ziel entgegen, nachdem es nur um eine Nach­mittagsbetreuung geht, zwar in der Schule, aber ohne pädagogisches Begleitkonzept. Das ist der zweite wesentliche Kritikpunkt, den wir anführen. Dieser Punkt steht auch wieder quer zu dem von vielen Parteien bevorzugten Modell eines verschränkten ganztägigen Unterrichts sowohl am Vormittag als auch am Nachmittag.

Diese beiden Kritikpunkte sind es, die uns dazu bringen, diesen Gesetzesantrag abzu­lehnen. Ich halte meine Ausführungen deswegen so kurz, weil wir ja noch immer an die 30 Tagesordnungspunkte vor uns haben. Ich hoffe, unsere Ablehnung aus­reichend begründet zu haben. (Beifall bei den Grünen.)

15.34


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt als Nächster Herr Bundesrat Füller. – Bitte.

 


15.34.22

Bundesrat Christian Füller (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Viele Schritte hin zu einem großen Ganzen sind gerade im Bildungsbereich, in der Bildungspolitik charakteristisch. Ziel für unsere Jugend muss eine leistungsgerechte, aber auch chancengerechte Schule sein.

Beispielhaft wird in der Bildungspolitik von der Opposition oft nach dem großen Wurf gerufen, der große Wurf verlangt. Alles bisher Erreichte ist immer noch zu wenig. – In einigen Bereichen gebe ich Ihnen schon recht. Auch ich würde mir vieles im Bildungs­bereich sofort, schnell und rasch geplant und umgesetzt wünschen. Aber auch die vielen Schritte hin zum Ziel einer leistungs- und chancengerechten Schule sind wichtig, damit es da zu keinem Stillstand kommt. Diese vielen Schritte sind mir allemal lieber als gar keine Schritte – es gibt ja bekanntlich große Widerstände.

Erst kürzlich gab es wieder einen medialen Ausritt der AHS-Personalvertreter gegen das modulare System. Ich zitiere aus dem „Standard Online“ vom 12. Juli 2011:

„Die AHS-Lehrervertreter haben in ihrer Stellungnahme den Entwurf zur geplanten Modularen Oberstufe in der Luft zerrissen: Es könne sich dabei wohl lediglich um den ‚Entwurf eines Entwurfs‘ handeln, denn: ‚Gleichgültig, wie man inhaltlich dazu stehen mag, der Text ist in zentralen Bereichen nicht durchdacht, würde manche Schüler in Sackgassen ohne jeglichen Ausweg führen und an den Schulen einen organisa­torischen Supergau verursachen.‘“ – So in der Aussendung der Personalvertretung.

Ebenfalls ist in diesem Zusammenhang von „Häppchenbildung“ die Rede gewesen.

Allein wegen der Tatsache, dass es der Ministerin in kürzester Zeit bei einem solch großen Projekt wie der uns heute vorliegenden Artikel-15a-Vereinbarung gelungen ist, die Unterschriften von neun Landeshauptleuten zusammenzubekommen, gebühren derselben Hochachtung und Respekt.

Es werden jährlich 80 Millionen €, also in den nächsten vier Jahren 320 Millionen €, für die ganztägige Betreuung – zugeschnitten auf regionale Bedürfnisse und ausgestattet mit nachhaltiger Qualität – ausgegeben.


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 121

Wir können es uns als Gesellschaft nicht leisten, in der Bildung im Mittelfeld zu sein. Wenn wir Wohlstand für alle erreichen wollen, dann müssen wir den Sprung nach vorne schaffen und auch vorne bleiben.

Gute Ausbildung in den verschiedensten Bereichen ermöglicht auch eine gute Entloh­nung.

Auch die Möglichkeit, gut ausgebildete Betreuungspersonen, wie zum Beispiel Lehr­warte und Sportwarte aus Vereinen und viele andere mehr, in die Nachmittags­betreuung einzubeziehen, eröffnet neue Chancen und Wege. Es müssen nicht in allen Bereichen der Betreuung immer Master, Bachelor, Doktorinnen, Doktoren, Profes­sorinnen und Professoren tätig sein. Es gibt Tausende in diesem Land, die bereits in vielen Bereichen der Freizeit aktiv tätig sind. Diese Ressourcen möchten wir auch den Schülerinnen und Schülern zur Verfügung stellen und zugänglich machen.

Nicht nur die Finanzierung ist geregelt, auch das neue Ausbildungsmodell für die sogenannten Freizeitpädagoginnen und -pädagogen ist somit auf Schiene und wird als Rahmenbedingung beschlossen. Auch der Weg hin zur ganztägigen, verschränkten Form kann beschritten werden und neue Chancen eröffnen. Daher lade ich Sie alle ein, diesen Weg durch Ihre Zustimmung zu unterstützen. Wir als SPÖ-Fraktion im Bundesrat werden selbstverständlich gerne zustimmen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

15.37


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt als Nächste Frau Bundesrätin Astleitner. – Bitte.

 


15.38.01

Bundesrätin Notburga Astleitner (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Werte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuhöre­rinnen und Zuhörer! Liebe Zuseherinnen und Zuseher vor den Bildschirmen! Wir sprechen heute unter anderem über den Ausbau der ganztägigen Schulformen, und ich darf an den Beginn meiner Rede einen Leitspruch einer Schule aus meinem Bezirk, die eine ganztägige Schulform hat, setzen. Er stammt von Antoine de Saint-Exupéry und lautet:

„Wenn ich meinen Leuten die Liebe zur Seefahrt mitteile, werden sie sich verschiedene Tätigkeiten suchen, die ihren besonderen Eigenschaften entsprechen. Der eine wird Segel weben, der andere Sterne beobachten, ... und doch werden sie eine Einheit bilden. Denn ein Schiff erschaffen heißt nicht, die Segel hissen, die Sterne lesen, sondern die Freude am Meer wachzurufen.“

Die Schule, von der ich spreche, ist eine Vorzeigeschule mit ganztägiger Betreuung aus Oberösterreich, denn sie wurde mit dem entsprechenden Gütesiegel ausge­zeichnet. Viele Lehrerinnen und Lehrer aus anderen Schulen kommen, schauen sich diese Schule an und entwickeln bezirksübergreifend ähnliche Modelle. Ich sage das auch deswegen mit Freude und mit Stolz, weil ähnlich dieser Volksschule in Perg, die von „EVA-Klassen“ spricht, jetzt auch in Freistadt – der Herr Bürgermeister von Freistadt sitzt ja hier – ein Modell entwickelt wurde, wo es „Momo-Klassen“ heißt.

In dieser Schule in Perg wird die ganztägige Betreuung in verschränkter Form ange­boten. Das heißt, es wechseln Lern- und Regenerationsphasen, Freizeitge­staltung und Übungsphasen. Daraus wird ein Mix gemacht, wobei das Freizeitangebot von Kunst bis Sport reicht.

Andere Schulen in meinem Bezirk, wie beispielsweise die Sporthauptschule, die ein großes Einzugsgebiet hat und wo die Kinder daher lange Wartezeiten auf die Busse haben, bieten nicht die verschränkte Form an, sondern sie hängen die Betreuung an


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 122

den Unterricht an. In Zusammenarbeit mit Sportvereinen, Musikschulen und anderen außerschulischen Einrichtungen gelingt das sehr gut.

Dazu möchte ich sagen, dass beide Formen der ganztägigen Betreuung bei den Eltern und Kindern gut ankommen. Wir haben im ländlichen Raum aber auch noch eine dritte Form, nämlich die, dass die Kinder von ihren Eltern zu Hause betreut werden können, was mindestens genauso seine Berechtigung hat.

Wenn wir nun die Sammelnovellen und somit den Ausbau der schulischen Ganztages­betreuung beschließen, so sind aus meiner Sicht folgende Punkte notwendig:

Erstens – das wurde heute schon mehrfach angesprochen –: Im Zentrum stehen die Kinder mit ihrer Einzigartigkeit und Individualität, und zwar alle Kinder. Vor allem jene Kinder betreuen wir in der ganztägigen Form, die besonderen Förderbedarf haben. Das ist sehr wichtig.

Zweitens: Die Gesellschaft hat sich verändert. Wenn Eltern oder Erziehungsberechtigte Ganztagesbetreuung für ihre Kinder brauchen oder wünschen, dann sollen sie diese Möglichkeit haben. Es darf aber keinesfalls zu einer Verpflichtung dazu kommen.

Das meine ich, Frau Kollegin Kickert, auch im Hinblick auf die verschränkte Form, denn es ist oft gar nicht so einfach für Eltern, ihre Kinder am Nachmittag herauszunehmen, wenn sie es gerne hätten, weil diese ja von Beginn bis zum Schluss des Unterrichts anwesend sein müssen. Das führt tatsächlich manchmal zu Problemen, wenn man später draufkommt, dass man an einem bestimmten Nachmittag das Kind heraus­nehmen möchte. Da kann man dem Wunsch der Eltern nicht so einfach entsprechen.

Drittens: Die Aufgaben – wir verhandeln ja gerade –, die Arbeitsplatzgestaltung und die Bezahlung der PädagogInnen müssen neu geregelt werden.

Ich komme noch ganz kurz auf den Begriff der FreizeitpädagogInnen zu sprechen. Wenn unsere Lehrerinnen und Lehrer in ihrer Arbeit von ausgebildeten Freizeit­pädagogInnen unterstützt werden, so sind wir, finde ich, auf dem richtigen Weg. Ich meine nicht, wie auch mein Vorredner es schon gesagt hat, dass man dazu unbedingt den Master braucht.

Viertens: Auch die entsprechenden Gebäudestrukturen und Rahmenbedingungen sind notwendig. Deshalb wurden in einer Bund-Länder-Vereinbarung 80 Millionen € pro Jahr sichergestellt.

Sehr wichtig für den ländlichen Raum ist die Senkung der Gruppengröße von 15 auf 12 SchülerInnen. Das ist gerade für Kleinschulen sehr wesentlich. Und auch die schon angesprochene Kooperation bedeutet gerade für den ländlichen Raum eine Verbes­serung.

Während ich zu Beginn meiner Rede den Leitspruch einer ganztägigen Schule mit verschränkter Form aus meinem Bezirk zitiert habe, darf ich nun zum Schluss ein paar Leitwörter aus deren Leitbild erwähnen, die mir gerade in letzter Zeit in der Bildungsdebatte ein bisschen abgegangen sind: Vertrauen, Vorbild, Lenken, Kreati­vität, Nachsicht, Einsicht, Lachen, Freude, Lob, Werte.

Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben gute Schulen mit guten Pädagoginnen und Pädagogen. Auch für die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sind die Schulen, sind die Ausbildung und Betreuung der Kinder ein besonderes Anliegen. Sie arbeiten mit den Schulen gut zusammen und unterstützen diese auch entsprechend. Unterstützen auch wir sie seitens der Politik durch entsprechende Rahmenbedingungen und insbe­son­


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 123

dere durch unsere Wertschätzung und Anerkennung. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

15.44


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Bevor ich Frau Kollegin Mühlwerth das Wort erteile, möchte ich sagen, dass jetzt vor der Sommerpause unser Licht beim Redner­pult den Geist aufgegeben hat. Ich bitte daher alle Kolleginnen und Kollegen, bei der Redezeit selbst Disziplin zu halten, auch ohne Blinken des roten Lamperls, und einfach ein bisschen in die Kollegenschaft hineinzublicken, denn auch dabei kann man erken­nen, wie viel Zeit ungefähr vergangen ist.

Zu Wort gelangt nun Frau Bundesrätin Mühlwerth. – Bitte.

 


15.44.59

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich würde mich nicht darauf verlassen, an den Gesichtern der Kollegen für mich etwas abzulesen. Das halte ich für brandgefährlich. (Heiterkeit. – Bundesrätin Zwazl: In welcher Richtung! – Heiterkeit.) Unterschiedlich.

Die schulische Ganztagsbetreuung – bei diesem Thema befinden wir uns jetzt – ist ein wichtiger Faktor bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie; das wissen wir. Was aber auch bekannt sein dürfte, ist, dass die Freiheitlichen immer gesagt haben: keine Zwangs­tagsschule. Wir haben immer den Forderungen, die ja meistens von der SPÖ, aber auch von den Grünen gekommen sind, die Kinder möglichst rasch in staatliche Obhut zu geben, eine ganz klare Absage erteilt. (Bundesrat Stadler: Haha!)

Wir sagen Ja zu einem Ausbau, dort, wo er gewünscht ist und gebraucht wird, aber Nein zu einer Verpflichtung für alle – da befinde ich mich durchaus in der Nähe der Ansicht meiner Kollegin Astleitner –, dieses Angebot in Anspruch zu nehmen. Es wird nämlich immer Eltern geben, die erstens ihre Kinder gerne selbst betreuen wollen und die zweitens am Nachmittag mit ihnen Hausaufgaben machen wollen, lernen wollen, üben wollen und die das auch können, und das sollen sie auch tun dürfen.

Dass die Nachmittagsbetreuung schulübergreifend und schulartenübergreifend stattfin­det, ist als sehr positiv zu werten, ebenso, dass das schon ab 12 Schülern möglich sein soll, denn manchmal ist es, wie ich weiß, schwierig, eine Gruppengröße von 15 Schülern, wie ursprünglich vorgeschrieben war, zusammenzukriegen. Und was geschieht, wenn das nicht möglich ist? – Daher ist die neue Gruppengröße durchaus zu begrüßen.

Im Gegensatz zu meiner Kollegin Kickert von den Grünen habe ich kein Problem mit der Ausbildung zum Freizeitpädagogen. Wir von der FPÖ waren nie der Meinung, dass es für alles einen Master geben muss, generell, ungeachtet des Berufs, denn wir meinen, dass der Umstand, dass jemand einen entsprechenden Titel hat, nicht bedeutet, dass sich die Qualität verbessert.

Was mir bei der Ausbildung zum Freizeitpädagogen gut gefällt, ist, dass das endlich auch unter Einbeziehung der Kulturvereine, Musikschulen, Sportvereine et cetera statt­findet, weil das immer ein lebendiger Teil einer Gemeinschaft ist, in den Gemeinden, im Bezirk oder wo auch immer, und diese daher nicht außen vor gelassen werden sollten. Diese mit einzubeziehen ist absolut richtig.

Wir von der FPÖ werden diesen beiden Gesetzesvorlagen unsere Zustimmung geben, weil die Vereinbarung von Bund und Ländern es ermöglicht, dass regionalen Bedürf­nissen entsprochen wird. Daher sind wir gerne dazu bereit, das zu unterstützen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ sowie bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ.)

15.48



BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 124

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt nun Frau Bundesministerin Dr. Schmied. – Bitte.

 


15.48.25

Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Herr Präsident! Liebe Mitglieder des Bundesrates! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich freue mich persönlich sehr, dass die Sammelnovellen und die Artikel-15a-Verein­barung heute hier bei Ihnen zur Abstimmung kommen. Es waren sehr, sehr intensive Wochen der Vorbereitung dazu notwendig, und ich bin ein wenig stolz darauf, dass es uns auch geglückt ist, die Artikel-15a-Vereinbarung rechtzeitig vor dem Sommer mit den Bundesländern zu Ende zu verhandeln und zu beschließen. Es sind in der Tat die Unterschriften von allen neun Bundesländern hier. Das ist wirklich eine sehr, sehr große Freude.

Wenn ich betone, dass sehr viel Vorarbeit notwendig war, dann betone ich aber gleichzeitig, dass auch zur Umsetzung noch sehr viel Arbeit vor uns liegt. Es sind ja im Bereich der ganztägigen Schulangebote primär die Pflichtschulen betroffen und nur zu einem bestimmten Teil der Bereich der AHS-Unterstufe, also in erster Linie Volks­schulen und Hauptschulen. Schulerhalter sind die Städte und die Gemeinden. Der Bund kann eine Finanzierungsvereinbarung nur mit der nächsten Ebene abschließen, also mit den Ländern. Das heißt, es wird jetzt sehr, sehr wichtig sein, in enger Verbindung mit den Schulerhaltern für die notwendigen Informationen zu sorgen, damit die Initiativen auch tatsächlich im Klassenzimmer ankommen.

Ich habe erst letzte Woche ein entsprechendes Gespräch mit dem Präsidenten des Gemeindebundes Mödlhammer geführt. Wir werden – und da bitte ich auch Sie als Mitglieder des Bundesrates um Unterstützung – ab Herbst die Gemeinden intensiv über Kommunalnet, die Bürgermeister/Bürgermeisterinnen darüber informieren, dass die Mittel auch entsprechend abgerufen werden, und zwar für Investitionen auf der einen Seite – es stehen ja Mittel auch für bauliche Investitionen zur Verfügung –, aber auch für den Freizeitbereich. Da wird es vor allem darum gehen, die regionalen Stärken zu berücksichtigen, also die Musikschulen, die Kulturinitiativen, die Sport­vereine, die es in den Städten, in den Gemeinden gibt.

Gerade über das neue Berufsfeld Freizeitpädagoge/Freizeitpädagogin wird es uns möglich sein, einfach auch die Berufsgruppen, die an den Schulen tätig sind, zu erweitern und damit die Lehrer und Lehrerinnen zu unterstützen. Ich glaube, das gehört auch zu dem, was Sie (in Richtung der Bundesrätin Astleitner) betont haben, Frau Bundesrätin, nämlich Konzentration der Lehrer und Lehrerinnen auf den Unter­richt und sinnvolle Ergänzung, Ausweitung des Angebots, attraktiv, auf Topniveau im Freizeitbereich.

Die weiteren Punkte wurden von Ihnen schon erwähnt: schulübergreifendes Angebot, Mindestgruppengröße – vor allem für den ländlichen Raum wichtig.

Auf einen Punkt, der uns mit Sicherheit bald beschäftigen wird, möchte ich Sie noch hinweisen, denn dieses ganze Projekt wird ja sehr, sehr stark „getrieben“ – unter Anfüh­rungszeichen – von den Interessen der Eltern – Ausgangspunkt war ja auch eine Elternbefragung zu diesem Thema. Auch ich bekenne mich zur Wahlfreiheit, auch ich halte viel davon, dass einzelne Schulstandorte ihr Profil entwickeln können, wir müssen aber damit rechnen, dass vonseiten der Eltern auch die Sprengeldiskussion wieder auf die Tagesordnung kommen wird.

Was heißt denn Wahlfreiheit? – Wahlfreiheit muss dann auch bedeuten, dass ich wählen kann zwischen verschränkter Ganztagsschule und attraktiver Nachmittags­betreuung. Meine Meinung zu dem Thema ist: Ein bisschen Konkurrenz, indem man den Eltern auch tatsächlich diese Wahlfreiheit gibt, schadet nicht. Also ich persönlich


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 125

hätte diesbezüglich nichts dagegen, aber ich denke, der Vorstoß wird mit Sicherheit von der Nachfrageseite, von den Eltern kommen. Ich wollte es nur an dieser Stelle schon avisieren, weil bei den einzelnen bildungspolitischen Diskussionen das Thema Sprengelzwang – auch zuletzt bei der Neuen Mittelschule – immer wieder ins Ge­spräch hineingetragen wird.

Ich möchte mich auch für die konstruktive Zusammenarbeit im Ausschuss bedanken und freue mich über die erwartbar breite Zustimmung zu diesen Gesetzesnovellen und zum Artikel-15a-Vertrag. Ein bisschen habe ich gehofft, dass zumindest im Bundesrat auch die grüne Fraktion mitstimmen wird. Diese Hoffnung ist, glaube ich, vergebens. (Bundesrätin Dr. Kickert nickt.) – Trotzdem vielen Dank. (Allgemeiner Beifall.)

15.53


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Zunächst gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz und weitere Gesetze geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2011 betreffend Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG über den Ausbau der ganztägigen Schulformen.

Ich ersuche abermals jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustim­men, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erhe­ben, um ein Handzeichen. – Das ist ebenfalls die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

15.54.3213. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Rechtspersönlichkeit von religiösen Bekennt­nis­gemeinschaften geändert wird (1256 d.B. und 1267 d.B. sowie 8537/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen zum 13. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Schweigkofler. Ich bitte um den Bericht.

 


15.54.49

Berichterstatter Johann Schweigkofler: Herr Präsident! Frau Ministerin! Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Unterricht, Kunst und Kultur über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Rechtspersönlichkeit von religiösen Bekenntnis­gemeinschaften geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor; daher komme ich gleich zum Antrag.

Der Ausschuss für Unterricht, Kunst und Kultur stellt nach Beratung der Vorlage am 19. Juli 2011 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 



BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 126

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr. Kickert. – Bitte, Frau Kollegin.

 


15.55.29

Bundesrätin Dr. Jennifer Kickert (Grüne, Wien): Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Ministerin! Schon wieder keine Zustimmung, es tut mir leid. Ich habe mich auch bei der einzigen Wortmeldung, bei der ich zu einem Gesetz Ja sagen kann, aus Zeitgründen wieder streichen lassen. Das heißt, alle meine Reden sind heute ... (Ruf bei der ÖVP: Lieber umgekehrt!) – Lieber umgekehrt? – Das wäre wahrscheinlich zeitmäßig sparsamer gewesen, aber im Sinne dessen, dass man Ablehnungen auch begründen sollte, aufgrund dieser politischen Usance habe ich es umgekehrt gemacht.

Ziel dieses jetzigen Gesetzes ist die Anpassung der Rechtslage an das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom September letzten Jahres – die bisherige Regelung war ja eine Mischung aus Anzahl von Mitgliedern und Dauer des Bestehens. Sowohl der Verfassungsgerichtshof als auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte haben erklärt, dass damit nicht ausreichend auf die individuelle Situation von verschiedenen Konfessionen eingegangen wird.

Stattdessen gibt es jetzt ein hoch kompliziertes System – also ich habe es dreimal durchlesen müssen, um es zu verstehen – mit drei verschiedenen Modellen, verschie­denen Klassifizierungen von Religionsgemeinschaften und Bekenntnisgemeinschaften mit unterschiedlichen Rechten. Ich muss sagen, das ist wahrscheinlich nicht wirklich das, was ich unter einer Verbesserung eines Gesetzes verstehe.

Die drei Modelle beruhen einerseits auf dem, wie es bisher war, in einer leichten Abwandlung, also ein 20-jähriges Bestehen allgemein, zehn Jahre davon in organisierter Form und fünf Jahre davon als Bekenntnisgemeinschaft. – Das ist ja noch relativ logisch.

Die Rechtsform der religiösen Bekenntnisgemeinschaft kann aber ersetzt werden, und zwar durch einen Bestand von mehr als 100 Jahren allgemein inklusive einem Bestand von zehn Jahren organisierter Tätigkeit in Österreich – auch das ist noch nach­vollziehbar –, also 100 Jahre weiß Gott wo auf der Welt, davon zumindest zehn Jahre in organisierter Form in Österreich.

Und dann kann aber noch das Kriterium der bisherigen Tätigkeit in Österreich durch einen allgemeinen Bestand von 200 Jahren ersetzt werden.

Angesichts dieser wirklich langen Zeitspannen, von denen im Gesetz die Rede ist – von 100 bis 200 Jahren und darüber hinaus –, ist es doch sehr verwunderlich, dass die Begutachtungsfrist für dieses Gesetz so kurz war, nämlich knapp etwas mehr als drei Wochen, also weit unterhalb der üblichen Norm von sechs Wochen.

Obwohl die Begutachtungsfrist so kurz war, hat es massive Einwendungen und Proteste gegeben. Einige dieser Einwendungen wurden dann auch eingearbeitet, und es gibt in der veränderten Form eine gewisse Bestandsgarantie für bestehende Bekenntnisgemeinschaften, aber es wird neuen Religionsgemeinschaften schwer bis unmöglich gemacht, anerkannt zu werden.

Aus diesen Gründen werden die Grünen gegen diese Gesetzesvorlage stimmen.

15.58


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste gelangt Frau Bundesrätin Grimling zu Wort. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 127

15.59.04

Bundesrätin Elisabeth Grimling (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir werden dieser Gesetzesvorlage zustimmen – so hoffe ich; also unsere Fraktion auf jeden Fall. Ich darf es auch ein bisschen erläutern.

Das Bundesgesetz über die Rechtspersönlichkeit von religiösen Bekenntnisgemein­schaften – ich habe auch versucht, mich da hineinzulesen –, für die galt, dass der Erwerb oder die Versagung der Rechtspersönlichkeit über Antrag geregelt wurde, muss aufgrund eines Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 25. September 2010 der neuen Rechtslage angepasst werden, wobei sich dieses Erkenntnis auf eine Kritik des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte stützt.

Die bisherige Regelung wurde als sachlich nicht ausreichend differenziert und damit letztendlich als gleichheitswidrig erkannt. Das bisher vorgesehene Erfordernis eines Bestandes durch 20 Jahre, davon zehn Jahre als religiöse Bekenntnisgemeinschaft, wurde als ein nicht ausreichendes Eingehen auf die individuelle Situation der Konfes­sionen angesehen. Außerdem sah das Gesetz bisher zwar Anerkennungserfordernisse vor, regelte aber den Fall der Aufhebung der Anerkennung nicht rechtsschutzfähig.

Die Neufassung enthält eine Verkürzung der Mindestbestandsdauer auf fünf Jahre, einen Entfall der Mindestzeit für jene Religionen, die in Organisation und Lehre in eine internationale Gemeinschaft eingebunden sind und eine weitere Aufzählung der Anerkennungsvoraussetzungen und der zu erbringenden Nachweise sowie Verfahrensregelungen für die Aufhebung.

Die Novellierung sorgt somit – unserer Meinung nach – für eine menschen­rechts­konforme Regelung und sollte daher auch die Zustimmung des Bundesrates finden. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

16.01


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Nun gelangt Frau Bundesminister Dr. Schmied zu Wort. – Bitte.

 


16.01.48

Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Herr Präsident! Liebe Mitglieder des Bundesrates! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es wurde schon ausgeführt: Das vorliegende Gesetz ist, wenn Sie so wollen, eine Reaktion auf den Europäischen Gerichtshof für Menschrechte, und wir waren da auch, was die Umsetzung betrifft, unter einem gewissen Zeitdruck.

Ich möchte auf einen Punkt besonders Bezug nehmen, nämlich auf die zwei verschiedenen Arten der Rechtsstellung, die wir in dem Zusammenhang kennen. Es gibt auf der einen Seite den Begriff der Bekenntnisgemeinschaft, den man jetzt, sage ich, relativ leicht erwerben kann, und es gibt die zweite Kategorie – und um die geht es hier primär –, nämlich die Frage der gesetzlichen Anerkennung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit der Frage der gesetzlichen Anerkennung sind ganz wesentliche Konsequenzen verbunden, so zum Beispiel auch der Religions­unterricht an Schulen. Es ist daher, denke ich, erklärbar und auch begründbar, warum es hier definierte Kriterien geben muss. Die zwei Hauptkriterien konzentrieren sich auf den Bestand auf der einen Seite und auf die finanzielle Grundlage der Gemeinschaft auf der anderen Seite. Und genau betreffend diesen Punkt des Bestandes wurden wir kritisiert und in dem Punkt war die Novelle notwendig.

Ich möchte einen Punkt herausgreifen, weil der in der öffentlichen Diskussion kurz angerissen wurde, nämlich die Frage der Mindestanzahl der Mitglieder. Dabei möchte ich unterstreichen, dass die Mindestanzahl der Mitglieder schon im Jahr 1998 definiert


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 128

wurde. Daran wird auch mit der jetzigen Novelle nichts verändert, und die Bestimmung betreffend die Mindestanzahl der Mitglieder ist auch schon einmal vom Verfassungs­gerichtshof überprüft worden. Diese Information zu ergänzen ist mir sehr wichtig. – Vielen Dank. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie der Bundesrätin Dr. Kickert.)

16.03


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

16.04.2414. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über äußere Rechtsverhältnisse der griechisch-orien­talischen Kirche in Österreich geändert wird (1542/A und 1268 d.B. sowie 8538/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Damit gelangen wir zum 14. Punkt der Tages­ord­nung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Schweigkofler. Ich bitte um den Bericht.

 


16.04.43

Berichterstatter Johann Schweigkofler: Herr Präsident! Frau Ministerin! Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Unterricht, Kunst und Kultur über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über äußere Rechtsverhältnisse der griechisch-orientali­schen Kirche in Österreich geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor; ich darf daher gleich zur Antragstellung kommen.

Der Ausschuss für Unterricht, Kunst und Kultur stellt nach Beratung der Vorlage am 19. Juli 2011 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Grimling. – Bitte.

 


16.05.26

Bundesrätin Elisabeth Grimling (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die bisherige gesetzliche Regelung der äußeren Rechtsverhältnisse der griechisch-orientalischen Kirche in Österreich entspricht nicht mehr der inneren Struktur. Diese war innerkon­fessionell lange Zeit nicht einvernehmlich geregelt. Erst 2009 wurde eine Einigung innerhalb der Orthodoxie über ihre innere Organisation erreicht. Als deren Folge hat sich am 8. Oktober 2010 die orthodoxe Bischofskonferenz in Österreich konstituiert.

Um eine rechtliche Gleichstellung mit anderen christlichen Kirchen zu schaffen, ist eine Änderung des Gesetzes erforderlich. Durch das vorliegende Gesetz soll sichergestellt werden, dass Regelungen für den staatlichen Bereich und die innerkonfessionelle Rechtsordnung nicht in Widerspruch zueinander geraten können. Daher wird für die


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 129

Errichtung der Diözesen eine Antragstellung und eine Genehmigung der Satzungen durch die kirchliche Oberbehörde vorgesehen.

Aus staatlicher Sicht ist es jedoch von Bedeutung, ob die Diözese Rechtspersönlichkeit besitzt. Aus diesem Grund ist die gesetzliche Neuregelung erforderlich, nach der die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur auf Antrag die Errichtung einer Diözese im Bundesgesetzblatt kundzumachen hat. Mit der Kundmachung erlangt die Diözese die Stellung einer Körperschaft öffentlichen Rechts.

Da die Neuregelung demnach als sinnvoll anzusehen ist, beantrage ich die Zustim­mung durch den Bundesrat. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

16.07


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Nächste Rednerin: Frau Bundesrätin Mag. Rausch. – Bitte.

 


16.08.02

Bundesrätin Mag. Bettina Rausch (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Vieles ist gesagt worden, ich möchte aber noch ein paar Gedanken einbringen und zusammenfassend sagen, dass mit dieser Novelle zum Bundesgesetz über die äußeren Rechts­verhältnisse der griechisch-orientalischen Kirche eben der griechisch-orientalischen Kirche die Einrichtung von Diözesen ermöglicht wird. Für die Installierung einer solchen Diözese braucht es mindestens zwei Kirchengemeinden – auch das wird ausdrücklich erwähnt –, und diese Diözesen sind dann wiederum eine notwendige Voraussetzung dafür, dass eine orthodoxe Bischofskonferenz eingerichtet werden kann.

Heute schaffen wir mit dieser Novelle die Voraussetzung dafür, dass diese Bischofs­konferenz – wir haben es gehört –, auch eine Rechtspersönlichkeit zugestanden bekommt. Formal konstituiert hat sich die Bischofskonferenz aber schon im Okto­ber 2010 – für all jene, die das intensiv beobachtet haben.

Es geht bei der heutigen Novelle somit um die Anpassung eines Gesetzes, das aus dem Jahr 1957 stammt, und wir wollen es an heutige, an gegenwärtige Verhältnisse anpassen, deswegen kann ich für meine Fraktion auch sagen, dass wir dem Gesetz gerne zustimmen. Damit wird auch eine rechtliche Gleichstellung der griechisch-orientalischen Kirche, der sogenannten Orthodoxie, mit anderen christlichen Kirchen in Österreich erreicht.

Abschließend möchte ich persönlich und im Namen meiner Fraktion seiner Eminenz, dem Metropoliten und Erzbischof Dr. Michael Staikos zu seinen Amtsjubiläen gratulieren und gleichzeitig wünschen, dass dieser Gesetzesbeschluss, den wir heute sozusagen finalisieren, ihm auch ein Lichtblick ist in der persönlich sehr schwierigen Zeit, die er derzeit hat. – Alles Gute! (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie der Bundesräte Dr. Kickert und Pirolt.)

16.09


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Nun gelangt Frau Bundesminister Dr. Schmied zu Wort. – Bitte.

 


16.10.01

Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Herr Präsident! Liebe Mitglieder des Bundesrates! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich freue mich sehr über die positiven Redebeiträge zu der vorliegenden Gesetzes­novelle und darf die Ausführungen der Frau Bundesrätin Rausch nur noch bekräftigen und unterstreichen.


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 130

Ich bedanke mich sehr herzlich bei seiner Eminenz, dem Metropoliten Erzbischof Dr. Michael Staikos, für die ausgezeichnete Zusammenarbeit und möchte auch sehr herzlich zum 25-jährigen Jubiläum als Bischof und zum 20-jährigen Jubiläum als Metropolit gratulieren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, da dies vor dem Sommer  davon gehe ich jetzt aus  meine letzte Wortmeldung hier bei Ihnen im Bundesrat sein wird, möchte ich mich sehr, sehr herzlich bei Ihnen bedanken. Ich möchte mich auch bei meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die ausgezeichnete Zusammenarbeit bedanken. Ich möchte mich ganz besonders persönlich bei Ihnen für Ihre Wertschätzung, für Ihren Respekt und auch für die Art und Weise, wie wir hier immer wieder bildungspolitische Diskussionen miteinander führen und gestalten, bedanken. Ich erlebe das als sehr, sehr positiv, sehr wertschätzend. Ich glaube Sie haben den Begriff Wertschätzung gebracht , die Art und Weise, wie wir miteinander umgehen, strahlt auch nach außen aus, das wirkt auch auf die Gesellschaft. Vielen herzlichen Dank, und ich darf Ihnen einen schönen Sommer wünschen!  Danke. (Allgemeiner Beifall.)

16.11


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Frau Bundesminister, einen schönen Sommer dürfen wir auch Ihnen wünschen!

Es liegen nun keine weiteren Wortmeldungen zu diesem Tagesordnungspunkt mehr vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

16.12.2115. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Nationalbankgesetz 1984 und das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz geändert werden (1202 d.B. und 1319 d.B. sowie 8557/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen nun zum 15. Punkt der Tagesord­nung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Lampel. Ich bitte um den Bericht.

 


16.12.38

Berichterstatter Michael Lampel: Sehr geschätzter Herr Präsident! Frau Bundes­minis­ter! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Finanz­ausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Nationalbankgesetz 1984 und das Finanzmarktaufsichts­behördengesetz geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme sodann gleich zur Antragstellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 19. Juli 2011 mit Stimmen­einhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 131

Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Perhab. – Bitte.

 


16.13.36

Bundesrat Franz Perhab (ÖVP, Steiermark): Hohes Präsidium! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Ministerin! Die Zeit ist schon fortgeschritten. Diese Gesetzesmaterie ist eine Anpassung an die neuen Eigentümerstrukturen in der Oesterreichischen Nationalbank. Wie Sie wahrscheinlich alle wissen, waren ja früher, bis 2010, auch andere Institutionen Miteigentümer unseres nationalen Institutes.

Für die Wirtschaftskammer hätte ich mir zwar einen höheren Erlös aus diesem Verkauf unserer Anteile erwartet, das ist aber in Zeiten wie diesen nicht möglich gewesen. Daher haben wir seitens der Wirtschaftskammer einen sehr positiven Beitrag für die Republik Österreich geleistet. Unsere Fraktion stimmt mit Begeisterung zu.

Ich hoffe, dass die Oesterreichische Nationalbank ihren neu definierten Aufgaben – vor allem in der Europäischen Zentralbank, und ich glaube, da besteht auch in Zukunft großer Handlungsbedarf – nachkommt. Auch die Erhöhung des finanziellen Ersatzes auf 8 Millionen, für die Vor-Ort-Prüfungen, unterstützen wir voll, da sind wir natürlich aufgrund der Vorkommnisse auch in Österreich positiv eingestellt. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

16.14


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist somit ge­schlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

16.15.3316. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Flugabgabegesetz, das Einkommensteuergesetz 1988, das Körper­schaftsteuergesetz 1988, das Umsatzsteuergesetz 1994, das Gebührengesetz 1957, das Versicherungssteuergesetz 1953, das Kommunalsteuergesetz 1993, das Neugründungs-Förderungsgesetz, das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, die Bundesabgabenordnung, das Glücksspielgesetz, das Zollrechts-Durch­füh­rungsgesetz und das EU-Finanzstrafvollstreckungsgesetz geändert werden (Abgabenänderungsgesetz 2011 – AbgÄG 2011) (1212 d.B. und 1320 d.B. sowie 8524/BR d.B. und 8558/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen nun zum 16. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Lampel. Ich bitte um den Bericht.

 


16.15.48

Berichterstatter Michael Lampel: Herr Präsident! Frau Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Flugabgabegesetz, das Einkommensteuergesetz 1988, das Körperschaftsteuer­gesetz 1988, das Umsatzsteuergesetz 1994, das Gebührengesetz 1957, das Versiche­rungs­steuergesetz 1953, das Kommunalsteuergesetz 1993, das Neugründungs-Förderungsgesetz, das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, die Bundesabgabenord­nung, das Glücksspielgesetz, das Zollrechts-Durchführungsgesetz und das EU-


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 132

Finanzstrafvollstreckungsgesetz geändert werden, kurz gesagt das Abgabenände­rungs­gesetz 2011.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme sodann gleich zur Antrag­stellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 19. Juli 2011 mit Stim­menmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates kei­nen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Pisec. – Bitte.

 


16.17.11

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich spreche zunächst zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes: Der unberechtigte Vorsteuerabzug ist ein Hauptproblem des österreichischen Budgets und belastet die Verwaltung der Finanzämter erheblich. Dieses Gesetz wird, im Sinne der Umkehr der Steuerschuld, also des Reverse-Charge-Verfahrens, um die Bereiche der Mobilfunkgeräte und der integrierten Schaltkreise erweitert.

Ich halte das für zu wenig. Man sollte sich da einen Vorstoß bei der Europäischen Union überlegen, ob wir nicht im gesamten Business-to-Business-Bereich das Reverse-Charge-Verfahren einführen können, damit da brutto für netto verrechnet werden kann. Es wird schwierig sein, die Rechnung zu teilen – mit Mehrwertsteuer, mit Umsatzsteuer, ohne Umsatzsteuer. Es führt dies also sicherlich nicht zu einer Erleichterung der Wirtschaft, zu einer Erleichterung für die Unternehmen.

Zweitens möchte ich zur Änderung des Neugründungs-Förderungsgesetzes sprechen. Dies betrifft nämlich eine Hauptproblematik der österreichischen Wirtschaftstreibenden, nämlich die hohen Steuern, die hohe Belastung für die Wirtschaftstreibenden, die hohen Lohnnebenkosten. Wir alle wissen, dass alle Arbeitgeber und Arbeitnehmer zusammen bereits über 100 Prozent der gesamten Steuerlast als Lohnnebenkosten zahlen.

Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass wir fast 50 Prozent EPUs haben. Es ist ja nicht so, dass wir Selbständige gerne mehr als 80 Stunden in der Woche arbeiten. Es ist so, dass wir uns einfach keine Arbeitnehmer  leisten können. Da darf ich auch eine Umfrage der Industriellenvereinigung zitieren, nämlich dass für 80 Prozent der EPUs die hohen Lohnnebenkosten ausschlaggebend sind, keine Mitarbeiter zu beschäftigen. Sie haben das Problem erkannt, doch tragen Sie dem nicht Rechnung, denn dieses Gesetz ist viel zu wenig weitreichend, es liegt im Mikrobereich.

Bei den gesamten Start-up-Unternehmen in Österreich liegen wir bei der Gründungs­quote im untersten Drittel in der Europäischen Union und bei der Liquidationsrate im obersten Drittel. Da wäre es angebracht, auf die schlechte Eigenkapitalquote der österreichischen Wirtschaft Rücksicht zu nehmen. Gerade bei den Krediten ergibt sich eine Abhängigkeit zu den Banken. Diese Abhängigkeit gehört reduziert, gerade im Vorfeld zu Basel III. Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass in Österreich bei neu gegründeten Unternehmen 38 Prozent einen Kredit aufnehmen müssen, es im europäischen Durchschnitt aber nur 18 Prozent sind. Dies sollte einem zu denken geben! Überlegen wir uns bitte Entlastungen statt Belastungen!

Für uns Freiheitliche ist dieses Neugründungs-Förderungsgesetz viel zu wenig weit­reichend, es handelt sich um ein paar Prozentpunkte. Statt der dringend notwendigen


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 133

Steuer- und Abgabensenkungen enthalten die weiteren Gesetze nur Belastungen und werden daher von uns Freiheitlichen abgelehnt. (Beifall bei der FPÖ.)

16.20


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Dr. Winzig. – Bitte.

 


16.20.36

Bundesrätin Dr. Angelika Winzig (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte aus diesem Gesamtpaket einmal ein ganz wichtiges Themenfeld für die KMUs heraus­greifen, und zwar im Einkommensteuergesetz.

Österreich hat unter allen exportierenden Ländern der Welt den siebten Platz inne. Wir sind die Top-Exporteure, 6 von 10 € erwirtschaftet unsere heimische Wirtschaft im Export, und daher ist die Nachfolgeregelung zum Montageprivileg für uns sehr wichtig. Unsere Betriebe können keine Anlagen ins Ausland verkaufen, wenn sie dort nicht fachgerecht aufgebaut werden können.

Studien zeigen ja auch, dass die Mobilität unserer Arbeitnehmer sehr gering und ohne finanzielle Anreize gar nicht möglich ist. Daher ist die Neuregelung mit 60 Prozent des Monatsentgelts für die Arbeitnehmer steuerfrei, bei einem Einsatzort von mindestens 400 km entfernt, für unseren Wirtschaftsstandort sehr wichtig.

Ich finde, im Gegensatz zum Herrn Kollegen vor mir, diese Änderung des Neugründungs-Förderungsgesetzes auch sehr wichtig. Wir haben 55 Prozent EPUs, und der erste Mitarbeiter ist nicht nur ein Kostenfaktor, es ist auch ein organi­satorischer Aufwand und eine mentale Geschichte, sich als Ein-Personen-Unter­nehmen zu überwinden, einen Mitarbeiter anzustellen.

Die niedrige Eigenkapitalquote hat auch andere Gründe, Herr Kollege, wir müssen nur schauen, wie sie berechnet wird. Schauen wir einmal, wo die Betriebsgebäude der GmbHs sind: Sind sie im Privatvermögen, sind sie im Firmenvermögen? Dann rechnen wir einmal die Eigenkapitalquote über alle europäischen Länder, und dann kommen wir auch auf eine wesentlich höhere Quote, und das sicher nicht nur durch die Senkung der Lohnnebenkosten. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. Zwischenruf bei der ÖVP.)

In diesem Sinn bedanke ich mich, Frau Ministerin, für den Anreiz für unsere KMUs und EPUs, und wir stimmen dem gerne zu. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

16.22


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Kersch­baum. – Bitte.

 


16.23.01

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Auch wir werden dem Abgabenänderungsgesetz nicht zustimmen können, obwohl es einige positive Veränderungen gibt, keine Frage. Wir hätten es halt gern noch ein bisschen positiver. Meine Kollegin Jennifer hat heute schon einmal erwähnt: Das Gute ist der Feind des Besseren.

Einerseits ist die Spendenabsetzbarkeit betreffend erfreulich, dass jetzt doch Umwelt­schutzorganisationen und zum Teil auch Tierschutzorganisationen dabei sind. Dass dann genau die Tierschutzorganisationen nicht darunterfallen, die vielleicht in letzter Zeit ein bisschen ungemütlich waren, ist meiner Meinung nach eigentlich ein bisschen eine unnötige Ausschließung dieser Gruppen, da wir ja alle wissen, dass diese Spendenabsetzbarkeit nicht von allzu vielen Menschen in Anspruch genommen wird.


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 134

Es wäre jetzt nicht so teuer gewesen, die „Vier Pfoten“ oder den Verein gegen Tier­fabriken auch mit hineinzunehmen.

Der zweite Punkt ist die Flugabgabenbefreiung für Flugzeuge unter zwei Tonnen. Jeder Autofahrer muss Mineralölsteuer zahlen. (Zwischenbemerkung von Bundes­ministerin Dr. Fekter.Mineralölsteuer schon, aber es ist halt möglicherweise doch etwas mehr Luxus als ein normaler Pkw, wenn man so einen kleinen Bedarfsflieger verwendet. Es ist nicht sehr viel, aber im Prinzip verstehe ich nicht, warum man genau diese Abgabe, die doch ein bisschen lenken und steuern sollte, wieder streicht

Ich verstehe auch nicht, dass die Ausweitung der Förderung der ersten Angestellten von EPUs – auch wir begrüßen, dass die Möglichkeit, das in Anspruch zu nehmen, prinzipiell verlängert worden ist – nur auf drei Jahre verlängert worden ist, denn prinzipiell gibt es auch EPUs, die sich erst nach mehr als drei Jahren trauen, jemanden anzustellen.

Es wäre schön, wenn die auch in diesen Genuss kommen würden und diesen Ansporn bekommen könnten. Also das sind die drei Punkte, warum für uns das Negative das Positive überwiegt und wir deshalb diesem Gesetzesantrag leider nicht zustimmen können.

16.25


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Beer. – Bitte.

 


16.25.14

Bundesrat Wolfgang Beer (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Abgabenänderungsgesetz ist ein sehr umfassendes Gesetz, und es gibt in diesem Gesetz einige Vorteile für viele Menschen.

Wir haben Vorteile für Bauarbeiter, wir haben Vorteile für Organisationen wie Feuer­weh­ren, Umweltschutzorganisationen, Tierheime. Wir haben schon die Förderungen bei Neugründungen und auch die Flugabgabepflicht für Flugzeuge erwähnt. Um vielleicht einmal darauf einzugehen: Das gilt für Flugzeuge bis zu zwei Tonnen. Was sind das für Flugzeuge? – Das sind nicht wirklich große Flugzeuge, das sind eher Flugzeuge, die im Freizeitbereich anzusiedeln sind, bei Sportvereinen, bei Sport­fliegern.

Ich glaube, das hilft auch wieder denjenigen, die dort ein kleines Geschäft betreiben und dort den Menschen ermöglichen, auch einmal in ihrer Freizeit ein Flugzeug zu fliegen. Wir haben in dem Bereich natürlich auch etwas für die Ausbildung und für diejenigen, die Fallschirmspringen gehen, getan. Das wäre nichts für mich, aber es gibt doch einige, die sich drüber trauen und aus schwindelerregender Höhe ein Flugzeug verlassen. (Heiterkeit und Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.)

Die Feuerwehren und ganz besonders die Freiwilligen Feuerwehren am Land sind sehr darauf angewiesen, dass Spenden fließen, damit sie sich weiterentwickeln können, damit sie auch Rüstzeug, Ausrüstungsgegenstände, Uniformen kaufen können. Wenn wir in diesem Bereich eine steuerliche Absetzbarkeit erwirken, dann wird auch die Wahrscheinlichkeit von Spenden wesentlich größer. Es wurde auch schon lange gefordert, diese Absetzbarkeit für Umweltschutzorganisationen und auch für Tierheime durchzusetzen.

Es ist gar keine Frage, dass es in unserer Zeit – wenn man ein bisschen in den Zeitungen verfolgt, wie es den Tierschutzheimen geht und wie in diesem Bereich mit Tieren umgegangen wird – immer notwendiger wird, diese Organisationen zu unter­stützen. Die Förderung bei Neugründungen ist, glaube ich, eine ausgezeichnete


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 135

Sache. Es ist vielleicht wirklich noch überlegenswert, dies länger als drei Jahre auszu­dehnen, da die ersten drei Jahre wirklich immer die schlimmsten und schwersten Jahre sind. Diese sind mit sehr viel Arbeitseinsatz verbunden und auch finanziell die schwierigsten Jahre.

Im Großen und Ganzen freut mich dieses Gesetz über die Abgabenänderungen, und ich glaube, wir haben wieder einen Schritt gemacht, um ein bisschen mehr Gerech­tigkeit, auch bei den Abgaben, zu erreichen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie des Bundesrates Zangerl.)

16.28


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Reisinger. – Bitte.

 


16.29.03

Bundesrat Friedrich Reisinger (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren! Zum vorliegenden Abgabenänderungsgesetz wurde ja schon sehr vieles gesagt, manches kann ich durchaus auch unterstreichen.

Ich möchte aber schon noch auf einen mir besonders wichtigen Punkt eingehen, und das ist die Absetzbarkeit von Spenden an Naturschutzorganisationen, an Umwelt­schutz­organisationen, aber vor allem – und das finde ich besonders wichtig – an die Freiwilligen Feuerwehren.

Die Kameradinnen und Kameraden der Feuerwehr leisten enorm wertvolle und unverzichtbare Arbeit – das wissen wir alle – und helfen damit ihren Mitmenschen und der Gesellschaft. Sie stehen 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche, 52 Wochen im Jahr bereit, um den Menschen, die in Not sind, zu helfen.

Sehr oft riskieren sie dabei ihre eigene Gesundheit oder auch ihr eigenes Leben. Um das Risiko bei diesen Einsätzen zu minimieren, ist auf der einen Seite beste Ausbildung, aber vor allem auch beste Technik notwendig. Beides, Ausbildung und Technik, kostet sehr viel Geld, Geld, das von der öffentlichen Hand leider nicht im gewünschten Ausmaß zur Verfügung gestellt werden kann. Die Feuerwehren sind deshalb immer öfter auf großzügige Spenden der Bevölkerung angewiesen, und die Bevölkerung ist – Gott sei Dank! – bereit, für die Feuerwehren zu spenden.

Ich glaube, es war bisher ungerecht, dass gerade in diesem Bereich manch andere Organisationen steuerlich begünstigt wurden und die Feuerwehren hier ausgenommen worden sind. Ich bin daher sehr dankbar und froh, dass diese Gesetzesänderung in dieser Form gelungen ist, und ich bin davon überzeugt, dass in Zukunft die Menschen, aber auch die Firmen noch mehr bereit sein werden, die Feuerwehren nicht zuletzt auch deshalb verstärkt zu unterstützen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Als Politiker haben wir die Verantwortung, für Menschen und Organisationen, welche freiwillig anderen Menschen helfen, optimale Rahmenbedingungen zu schaffen.

Das vorliegende Abgabenänderungsgesetz bringt aber auch in einigen Bereichen gewisse bürokratische Erleichterungen. So hat sich herausgestellt, dass die Flug­abgabe für Kleinflugzeuge außer einem sehr großen bürokratischen Aufwand eigent­lich nichts gebracht hat. Deshalb glaube ich, es ist sinnvoll, dass es hier eine Korrektur gibt. (Vizepräsident Todt übernimmt den Vorsitz.)

Für mich ist das ein sehr gutes Beispiel, wie in der Verwaltung sinnvoll gespart werden kann. Wenn unterm Strich nichts als bürokratischer Aufwand übrig bleibt, der vielleicht auch noch als Schikane empfunden wird, dann, glaube ich, ist es gut, wenn man den Mut hat, eine gesetzliche Regelung auch wieder rückgängig zu machen.


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 136

Ich danke dir, Frau Bundesministerin, für diese Initiative und hoffe auf eine breite Zustimmung zu dieser Gesetzesänderung. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

16.32


Vizepräsident Reinhard Todt: Frau Bundesministerin, ich erteile Ihnen das Wort.

 


16.32.46

Bundesministerin für Finanzen Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Bundesrates! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Wie schon erwähnt, liegt mit diesem Abgabenänderungsgesetz 2011 eine Novelle vor, die Entlastungen, Vereinfachungen, Klarstellungen und steuerliche Förde­rungen für gesellschaftlich wichtige Bereiche bringt.

Die Spendenabsetzbarkeit ist bereits erwähnt worden. Sie gilt ab 1. Jänner 2012. Sie gilt für Spenden für den Umweltschutz, Spenden für Tierheime und Spenden für Freiwillige Feuerwehren. Außerdem wird eine Vereinfachung für alle Spendenor­ganisationen vorgesehen: Die Meldung der Spenden mittels Sozialversiche­rungs­nummer entfällt. Das wäre eine Verbürokratisierung gewesen, die diese eigentlich gute Idee nicht praktikabel gemacht hätte.

Von diesen Ausweitungen profitieren in etwa 4 500 Freiwillige Feuerwehren und grob geschätzt zwischen einer halben Million und einer Million Haushalte, die an diese Organisationen spenden. Bei den Tierheimen und bei den Umweltschutz­organi­sationen rechnen wir mit bis zu 300 000 Spendern. Insgesamt wird dies das Budget mit Mindereinnahmen in der Höhe von 15 Millionen € belasten. Ich glaube, das ist gerechtfertigt, weil die Menschen hier einen Beitrag für gesellschaftlich wünschens­werte Institutionen leisten.

Weiters wird die Absetzbarkeit des Kirchenbeitrags angehoben, nämlich auf 400 € pro Jahr. Hier geht es vor allem um den Mittelstand, denn gerade der Mittelstand ist am meisten belastet in dieser Republik, und daher ist es gerechtfertigt, dort anzusetzen.

Wir entlasten die Spender und nicht die Institutionen, die diese Spenden bekommen. Das heißt, das sind Maßnahmen für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, für die Bürgerinnen und Bürger. Ob einem eine Institution sympathisch oder weniger sym­pathisch ist, ist sekundär – es geht um die Menschen in unserem Land, die Steuern zahlen und wo wir anerkennen, dass sie ihr verdientes und versteuertes Geld für diese Institutionen einsetzen.

Es wurde schon erwähnt, dass auch Vereinfachungen in diesem Gesetz vorgesehen sind, beispielsweise die neue Wertpapierabgabe, die Wertpapierkapitalertragsteuer. Das ist sozusagen die Vermögenszuwachssteuer, die wir da eingeführt haben, die ja schon dieses Jahr gilt. Sie muss aber von den Banken erst ab 1. April abgezogen und automatisch verrechnet werden. Es war nämlich verfassungswidrig, dass wir den Banken das bereits mit Oktober vorgeschrieben haben. Das ist ein zu kurzer Zeitraum, und daher hat der Verfassungsgerichtshof gemeint, so überfallsartig kann man eine Bürokratie – weil die Banken haben ja nichts von dieser Steuer, sie haben nur die Bürokratie abzuwickeln – einer Institution nicht überstülpen, wenn sie nicht die nötige Zeit hat, sich auch organisatorisch darauf einzustellen.

Daher müssen die Banken aufgrund dieser Gesetzeslage nicht ab Oktober, sondern erst ab April diese Wertpapier-KESt, das sind 25 Prozent von den Veräußerungs­gewinnen, einbehalten und abführen. Das wird dann sozusagen der größte Brocken sein, den wir bei den vermögensbezogenen Steuern haben. Es ist also ein weitver­breitetes Vorurteil, dass es in Österreich keine Vermögenssteuern gibt.

Die Änderungen im Bereich der Wirtschaft sind schon erwähnt worden. Sie entlasten und verbessern die Standortqualität, insbesondere die Neugründungsförderung, die


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 137

Abgabenvergünstigung für Unternehmensgründungen, die ausgeweitet wird. Das System hat sich grundsätzlich bewährt, aber es war ein bisschen zu restriktiv und die Frist zu kurz angesetzt. Daher dehnen wir es aus auf den Zeitraum innerhalb der ersten drei Jahre.

Wir haben das Montageprivileg neu geregelt. Das ist ein echtes Privileg für jene Arbeiter – und Arbeiterinnen, aber es sind überwiegend Arbeiter –, die für österreichi­sche Firmen im Ausland tätig sind, die 400 Kilometer entfernt von der Staatsgrenze auf Montage sind und ihre Tätigkeit eben unter diesen erschwerten Umständen ausüben müssen. Das kommt diesen Mitarbeitern zugute, weil sie 60 Prozent des laufenden steuerpflichtigen Arbeitslohnes von der Einkommensteuer befreit erhalten.

Es ist nämlich – wenn wir an den Osten denken und uns 400 Kilometer von unserer Staatsgrenze Richtung Osten oder Südosten bewegen, wird uns das bewusst – die Arbeit dort manchmal nicht unter luxuriösen Bedingungen möglich, sondern doch eher unter sehr einfachen Bedingungen. Durch die neue Regelung wird es unseren Export­firmen erleichtert, auch ausreichend Mitarbeiter zu finden, die auf Montage fahren und diese Entfernung von der Familie in Kauf nehmen, indem diese Mitarbeiter dann auch einen steuerlichen Vorteil haben.

Es ist das also eine Motivation für die Mitarbeiter, auf Montage zu gehen, aber auch eine gewisse Art der Exportförderung. Wir rechnen damit, dass etwa ab dem Jahr 2012 das Budget bei der Lohnsteuer dieser Mitarbeiter dadurch mit 35 Millionen € belastet wird, aber durch ein florierendes Exportgeschäft wird es wahrscheinlich aufkommens­neutral sein. Es betrifft dies insgesamt zwischen 10 000 und 20 000 Arbeitnehmer und deren Arbeitgeber.

Es ist auch die Reverse-Charge-Regelung erwähnt worden. Bedauerlicherweise haben wir im Bereich Mehrwertsteuerbetrug sehr intensiv und aggressiv agierende Täter­gruppen, die Güter im Kreis schicken, sich jedes Mal durch fingierte Rechnungen die Vorsteuer abziehen und dem Staat einen Mega-Schaden zufügen, die niemals irgend­etwas verkaufen und damit Mehrwertsteuer einnehmen.

Diesen Betrügereien schieben wir einen Riegel vor, indem wir das Reverse-Charge-System eingeführt haben; das gilt ja bereits auch für andere Unternehmungen. Wir haben festgestellt, dass diese Tätergruppen dann ausweichen auf andere Produkte – so sind sie unter anderem auf Handys und elektronische Artikel ausgewichen –, und daher werden wir das auch jetzt für diese Güter einführen.

Die Idee, die hier seitens der freiheitlichen Fraktion referiert wurde, nämlich das auf europäischer Ebene insgesamt anzudenken und den Business to Business-Verkehr überhaupt mehrwertsteuerfrei zu machen, damit es nicht mehr zu Vorsteuer­betrüge­reien kommt, hat bereits seinerzeit Minister Grasser eingebracht; das ist aber damals bei den europäischen Kollegen nicht mehrheitsfähig gewesen.

Inzwischen sind eigentlich alle Länder mit diesen Betrügereien konfrontiert und erleiden große Steuerausfälle infolge dieser kriminellen Energie. Daher ist diese Idee von der EU-Kommission wieder aufgenommen worden, und im Rahmen der Weiter­entwicklung wird ein solches Projekt durchgedacht und man schaut sich an, wie damit umzugehen wäre.

Das Finanzministerium und ich als Ministerin würden so eine Vereinfachung begrüßen, denn das wäre eine Mega-Verwaltungsvereinfachung für die Betriebe. Immerhin gehen weit über 70 Prozent aller Exporte unseres Landes in die EU. Das heißt, wenn wir dort keine Hin- und Herverrechnereien bezüglich Mehrwertsteuer, Vorsteuerabzug et cetera mehr hätten, dann wäre das eine wirklich großartige Verwaltungsvereinfachung.


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 138

Das ist natürlich nur gesamteuropäisch umsetzbar und muss insgesamt durchdacht werden, sodass nicht einzelne Länder diesbezüglich die Draufzahler sind. Daran wird derzeit auf Expertenebene gearbeitet.

Die Ticketabgabe ist ein Instrument, das wir bei den Flugtickets der großen Fluggesell­schaften eingeführt haben. In der Umsetzung dieses Projektes sind wir draufge­kommen, dass es im Sportflugverkehr, bei den kleinen Flugvereinen keine Ticketsys­teme sozusagen im klassischen Sinn gibt. Beispiel: Wenn mein Mann geflogen ist und ich durfte eine Runde über den Traunstein mitfliegen, dann hat er mir kein Ticket ausgestellt. (Heiterkeit.)

Diese Ticketabgabe hätte für Kleinstflieger, so zum Beispiel für einmotorige Zweisitzer, die im Sportbereich Verwendung finden, dazu geführt, dass in diesen Vereinen sozu­sagen eine Bürokratie hätte installiert werden müssen – und das für 2,70 € pro Start und Landung, also selbst für Übungsstarts und -landungen. Das war daher sachlich nicht wirklich zweckmäßig.

Verfassungsrechtlich kennen wir die Grundsätze, nach denen Verwaltung zu handeln hat: Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit. Und daher haben wir das wieder fallen lassen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

Dass da von den Grünen gleich reflexartig die Flieger als bekämpfenswerte Spezies betrachtet werden, ist mir klar, den ich weiß ja, wie die Grünen agieren. (Heiterkeit.) Mir jedenfalls war es wirklich ein Bedürfnis, hier zu erläutern, warum es Sinn macht, einen solchen Bürokratiewust nicht aufzuziehen. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

16.44


Vizepräsident Reinhard Todt: Danke, Frau Bundesministerin.

Hiezu liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

16.45.3117. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2011 betreffend Vereinbarung zwischen dem Bund, den Ländern und den Gemeinden über eine Weiterführung der stabilitätsorientierten Budgetpolitik (Österreichischer Stabilitätspakt 2011) (1206 d.B. und 1324 d.B. sowie 8559/BR d.B.)

18. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Finanzausgleichsgesetz 2008, das Gesundheits- und Sozialbereich-Beihilfengesetz und das Bundesfinanzgesetz 2011 geändert werden (1211 d.B. und 1325 d.B. sowie 8560/BR d.B.)

 


Vizepräsident Reinhard Todt: Wir gelangen zu den Punkten 17 und 18 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter zu den Punkten 17 und 18 ist Herr Bundesrat Gruber. Bitte um die


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 139

Berichte.

 


16.45.57

Berichterstatter Manfred Gruber: Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundes­minister! Der Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2011 betreffend Vereinbarung zwischen dem Bund, den Ländern und den Gemeinden über die Weiterführung der stabilitätsorientierten Budgetpolitik liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Finanzausschuss stellt daher nach Beratung der Vorlage am 19. Juli 2011 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Zum Tagesordnungspunkt 18: Auch der Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Finanzausgleichgesetz 2008, das Gesundheits- und Sozialbereich-Beihilfengesetz und das Bundesfinanzgesetz 2011 geändert werden, liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; daher komme ich sogleich zur Antragstellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 19. Juli 2011 mit Stim­menmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Reinhard Todt: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. Pisec. – Bitte.

 


16.47.23

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Eigentlich müssten wir über die Weiterführung der stabilitätsorientierten Schuldenpolitik sprechen. Wir haben es hier nämlich nicht mit einem Stabilitätspakt zu tun, sondern mit einem Schuldenpakt.

In diesem Pakt wurde die Schuldenpolitik der österreichischen Bundesregierung von 2011 bis 2014 festgeschrieben. Das Wort „Weiterführung“ ist bitte auch falsch, denn Sie haben ja selber den Stabilitätspakt 2008/2009 sistiert; wir lebten in der Zeit also ohne Stabilitätspakt.

Ich darf daran erinnern, dass Österreich eine Gesamtverschuldung von über 220 Milliarden € hat – und von unserem Gesamtsteueraufkommen müssen wir jährlich bereits 15 Prozent an Zinsen zahlen.

Laut diesem „Stabilitätspakt“ sind Sie sogar im Jahre 2014 nicht bereit, ohne Neuverschuldung auszukommen. Sie führen dabei – weil es für das Jahr 2014 noch niemand kennen kann – Prozentsätze an in Bezug auf ein Wachstum des BIP und vermeiden so natürlich die Nennung von Zahlen. Wie schnell die Konjunktur einbrechen kann, haben wir ja im Jahre 2009 gesehen, und wir mussten auch sehen, wie schnell ein prognostiziertes BIP-Wachstum nicht eintritt.

Wir können – das sehen wir ja am Beispiel Griechenland – noch so viel sparen: Wenn eine Rezession eintritt, potenziert sich die Neuverschuldung, und es kommt eine Abwärtsspirale in Gang. – Ihre Annahme ist also ein Wachstum für die nächsten 40 bis 50 Jahre – und das wage ich zu bezweifeln. Richtigerweise müssten Sie anführen, wie Sie, wenn Sie schon Ihre Schuldenpolitik fortsetzen, das Ganze zu refinanzieren gedenken. Wie schaut denn der Kapitalmarkt aus?

Von Italien wissen wir zum Beispiel, dass innerhalb von wenigen Wochen die Zinssätze für Anleihen um zwei bis drei Prozentpunkte in die Höhe geschnellt sind. Italien muss


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 140

sich heute mit zirka 6 Prozent Zinsen abplagen; das kann doch kein Land lange durchhalten; Griechenland muss für Anleihen bereits 34 Prozent an Zinsen zahlen.

Weiters ist bei diesem Stabilitätspakt auffallend – ich möchte ihn noch immer als Schuldenpakt bezeichnen –, dass Sie sich sehr auf den ECOFIN verlassen, den Rat für Wirtschaft und Finanzen, in dem heute mehr gestritten als gearbeitet wird, weil es keine Linie gibt. Sie übernehmen eins zu eins die Vorgaben des ECOFIN. Das ist ein Beweis dafür, dass es hier eigentlich keine eigene österreichische Wirtschaftspolitik mehr gibt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es kann nicht sein, dass Österreich permanent von Schulden lebt, permanent – rückwärts gerichtet – Zinsen zahlen muss und kein Geld mehr für die Zukunft hat!

Wir Freiheitliche fordern ein Ende des Defizitprogramms, des Deficit Spendings. Die Ausgaben müssen gleich den Einnahmen sein, die Neuverschuldung muss null sein. (Bundesrat Mayer: Wie wollen Sie das machen?)

Den Plan für die Neuverschuldung, wie Sie das refinanzieren, haben Sie nicht angeführt, und Sie wissen warum – weil Sie wahrscheinlich selbst nicht wissen, wie Sie es refinanzieren!

Wir fordern weniger Zentralismus, mehr Föderalismus. Da bin ich auch beim sehr geehrten Herrn Landeshauptmann Pühringer, der selbst vorgeschlagen hat, dass man Steuerhoheiten an die Länder abtreten sollte, denn wenn man die Verantwortung für die Einnahmen hat, kann man auch eine verantwortungsvolle Ausgabenpolitik be­streiten.

Interessanterweise fordern Sie für die Gemeinden ein Null-Prozent-Wachstum, null Prozent Neuverschuldung, pardon, aber für die Länder und für den Bund legen Sie eine weitere Verschuldungspolitik fest. Ich sage, das ist falsch!

Besser als dieser Stabilitätspakt wäre ein Einzeiler im Verfassungsgesetz für einen ver­pflich­tenden ausgeglichenen Haushalt für alle Gebietskörperschaften, damit diese Schuldenpolitik endlich aufhört. Ich bin aber zu 100 Prozent sicher, dass ihnen der Kapital­markt ohnehin das Ende weisen wird.

Wir Freiheitliche lehnen diesen Stabilitätspakt, diese Schuldenpolitik ab, weil wir glau­ben, dass er der falsche Weg ist. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

16.51


Vizepräsident Reinhard Todt: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Himmer. Ich erteile es ihm.

 


16.51.57

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Wir haben ja Kollegen Pisec jetzt schon längere Zeit hier in unserer Mitte, und ich denke mir eigentlich immer, wenn ich ihn reden höre, dass er ein gebildeter Mensch ist, der recht viel weiß, aber ich verstehe nicht ganz, warum er so verbissen hier in dieses Mikrofon hineinbeißt, wenn er über den politischen Mitbe­werber spricht. Ich halte es auch nicht für besonders ausgewogen, wie die Dinge hier betrachtet werden, denn es ist schon sehr einfach, sich hier herauszustellen und mit schreckgeweiteten Augen über das Defizit, über Zinssätze zu sprechen und zu versuchen, den klugen Eindruck zu vermitteln: Wir haben also Schulden, aber ich habe eine gute Idee, und die Idee der Freiheitlichen wäre, keine Schulden zu haben! Bitte wählt freiheitlich!


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 141

Man muss wissen, dass es gerade die Freiheitliche Partei ist, die allein in dieser Legislaturperiode Anträge gestellt hat, die 13 Milliarden € an zusätzlichen Kosten verursachen würden.

Daher sage ich, da passen die Argumentationen nicht ganz zusammen. Und das muss man auch politisch immer wieder sagen: Als Opposition hat man mehr Freiheiten, aber es ist wirklich verdammt unsachlich (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth), den Bürgern ständig die Anträge zu zeigen und zu sagen: Das haben wir für dich gefordert! Das haben wir für dich gefordert! Das haben wir für dich gefordert!, und gleichzeitig sagt man den Bürgern auch: Die Schulden müsst ihr euch anschauen! Die Schulden müsst ihr euch anschauen! (Zwischenruf der Bundesrätin Michalke.) – Das, was hier gemacht wird, ist einfach unseriös. Es ist alles im Rahmen der Menschenrechte, aber es ist intellektuell unredlich. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

Der Stabilitätspakt ist in der Tat ein sehr wichtiges Paktum, gerade in Zeiten, in denen wir sehen, welche Probleme Verschuldung mit sich bringt. Wir alle erleben, was sich international abspielt. Wir alle reden von denselben Problemen, die wir kennen, und selbstverständlich haben wir uns auch an der Nase zu nehmen und unsere eigenen Ausgaben im Griff zu behalten.

Viele von Ihnen arbeiten in Unternehmen und wissen, Kostenkontrolle ist etwas, das immer alle Bereiche umfassen muss. Das kann nicht nur einzelne Bereichsdirektionen, einzelne Abteilungen betreffen, da müssen alle mitmachen. Und so ist es auch beim Stabilitätspakt, wo der Bund, die Länder und die Gemeinden gemeinsam Disziplin aufbringen müssen – etwas fundamental Wichtiges, weshalb auch die einzelnen Ge­biets­körperschaften vertrauenswürdig aufeinander zugehen müssen und gemeinsam etwas zusammenbringen müssen.

Es geht ja nicht nur um den Stabilitätspakt, sondern auch um die Verlängerung des Finanzausgleiches, der freilich mit der Pflege zusammenhängt, aber das ist ja nicht nur ein Nachteil, denn damit haben wir ein Jahr Zeit, im Bereich des Finanzausgleiches Reformen auf den Weg zu bringen. Ich möchte nicht in Abrede stellen, dass wir uns da eine Reihe von Aufgabenreformen vornehmen können.

Ich möchte aber auch mit Zufriedenheit erwähnen, dass wir, gerade was den Bereich der Verwaltungsreform betrifft, zu Beginn unseres heutigen Plenartages jenen Antrag behandelt haben, der einer Initiative des Bundesrates entsprungen ist und die Erwei­terung der Gestaltungsmöglichkeiten der Zusammenarbeit der Gemeinden betrifft. Das sind Initiativen, die den Menschen helfen, denn das sind Initiativen, die dabei helfen, die Verwaltung schlanker zu machen und sinnvoll Kosten zu sparen.

Das heißt, als Bundesrat können wir heute, glaube ich, schon sagen, dass wir mit dem Stabilitätspakt, dem Finanzausgleich und auch dem Beschluss über die Erweiterung der Gestaltungsmöglichkeiten der Gemeinden hier fundamentale Schritte in die richtige Richtung setzen, sodass unsere Gemeinden, die uns am Herzen liegen, die wichtig sind und wo die Bürgermeister enorme, wichtige Arbeit leisten, mit der Steigerung der Ertragsanteile, die im heurigen Jahr stattfindet, ein bisschen Rückenwind bekommen, um auch in den Gemeinden eine ausgeglichene Finanzpolitik machen zu können.

Bei dieser Gelegenheit möchte ich mich beim Steuerzahler bedanken. Es gibt immer die Diskussion zwischen den Gebietskörperschaften – das hat Bundesrat Kneifel heute schon angesprochen –, die ganz lustig ist, aber zahlen tut der Steuerzahler! Und dass wir jetzt bei den Gemeinden höhere Ertragsanteile haben, hängt mit der Konjunktur, der Beschäftigung, dem Fleiß der Österreicherinnen und Österreicher zusammen, die uns diese Ertragsanteile ermöglichen, und deswegen soll es auch den Gemeinden wieder besser gehen.


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 142

Selbstverständlich werden wir als Fraktion hiezu die Zustimmung erteilen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

16.57


Vizepräsident Reinhard Todt: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Kraml. Ich erteile ihm dieses.

 


16.57.50

Bundesrat Johann Kraml (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich kann es jetzt sehr kurz machen, Kollege Himmer hat den Stabilitätspakt ausreichend erklärt. Ich sage nur, dass auch der Pflegefonds mit 400 Millionen € bis 2014 dabei ist, das ist, denke ich, auch eine Entlastung für die Gemeinden, und führe nur noch an, dass die Gemeinden wirklich große Schwierigkeiten haben.

Wir haben in Oberösterreich eine ganze Reihe von Abgangsgemeinden. Auch in meinem Bezirk haben von den 42 Gemeinden an die 20 Gemeinden Abgänge zu verzeichnen. Und eine Abgangsgemeinde zu sein ist natürlich nicht sehr schön. Früher war es ja lustig, eine Abgangsgemeinde zu sein, denn da hat man alles bekommen und nichts bezahlen müssen. Das ist vorbei, heute muss man in einem solchen Fall, sage ich einmal, um jeden Bleistift nach Linz fahren und dort darum ansuchen, dass man den auch kaufen darf.

Ich meine, dass die Finanzen der Gemeinden wieder auf eine gesunde Basis gestellt werden müssen. Dazu braucht es einen neuen Finanzausgleich und wird man sich auch hinsichtlich der Entlastung der Gemeinden etwas überlegen müssen. Wir disku­tieren das vor jedem Finanzausgleich, aber letztendlich sind es dann doch immer wieder die kleinen Gemeinden, die dann auf der Strecke bleiben. Wir müssen schauen, dass da entsprechende Lösungen gefunden werden.

Unser eigener Bundesratsantrag – und darüber bin ich sehr froh – gibt den Gemeinden jetzt Möglichkeiten, wesentlich besser zusammenzuarbeiteten, sodass man sich etwas ersparen kann.

Es ist ja Humbug, wir haben zum Beispiel in meinem Bezirk 42 Gemeinden – ich verfolge diese Sache jetzt seit 34 Jahren –, da gibt es Gemeinden, die haben zwei, drei und vier Feuerwehren in der Gemeinde. Das System ist noch von früher, vom Pferde­fuhrwerk her. In fast jeder Gemeinde wurde ein neues Feuerwehrhaus errichtet. Das Feuerwehrhaus ist gestanden, und dann hat es geheißen, aber da müssen wir ein neues Auto hineinstellen – Rosenbauer war glücklich darüber, klar, der hat wieder ein Auto verkauft –, und so ist das weitergegangen.

Wir haben jeder Gemeinde ein Wappen gegeben. Die Gemeinden haben das Wappen gehabt, dann hat es geheißen: Ein Wappen allein ist zu wenig, da brauchen wir ein neues Gemeindehaus. Ich glaube, dass man erst in den letzten Jahren begriffen hat, dass man über den Tellerrand hinaus denken muss und zusammenarbeiten kann. Bei den Bauhöfen funktioniert das schon in vielen Gemeinden, die werden gemeinsam genutzt. Auch über Gemeindezusammenlegungen kann und sollte man diskutieren.

Ich weiß, wir in Oberösterreich sind da gebrannte Kinder, was Gemeindezusammen­legungen betrifft, weil es einmal eine Arbeiterkammer-Studie gegeben hat, die ein bisschen größer angelegt war. Da haben sich die Menschen nicht vorstellen können, dass sie nicht mehr zu ihrer Gemeinde, sondern woanders zugehörig sind. Aber ich glaube, wenn man das mit Augenmaß und gemeinsam mit der Bevölkerung macht, ist da sehr viel drinnen.

Und da heute schon zweimal Oberösterreich angesprochen worden ist – im Zusam­menhang mit den Straßen hat es geheißen, dass wir zu viel sparen, und dann hat es


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 143

wieder geheißen, wir könnten weit mehr ausgeben, wenn wir eigene Steuern hätten. Wir befinden uns, nicht nur in Österreich, sondern auch in allen anderen Ländern, in einer schwierigen finanziellen Lage. Ich gebe dem Kollegen Himmer recht, es hat der Steuerzahler das alles zu zahlen, und wir müssen schauen, dass wir dieses Boot wieder auf Kurs bringen. Und wenn uns das gelingt, dann haben wir es geschafft. Es wird halt in Zukunft nicht mehr alles möglich sein, das muss uns auch klar sein. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

17.01


Vizepräsident Reinhard Todt: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Dr. Fekter. Ich erteile es ihr.

 


17.01.26

Bundesministerin für Finanzen Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit diesem Stabilitätspakt ist uns wirklich etwas gelungen, was es vorher in dieser Republik nicht gegeben hat. Man muss das auch im Zusammenhang mit dem Pflegefondsgesetz, das unter einem späteren Tagesord­nungspunkt noch beraten wird, sehen.

Die Länder erklären sich bereit, einen Defizitpfad einzuhalten, dazu, dass sie heuer noch 0,75 Prozent Defizit einhalten, und das verringert sich bis 2014 auf 0,4 Prozent Defizit. Damit haben die Länder einerseits Planungssicherheit, andererseits erfüllen wir damit auch die mittelfristige Haushaltsplanung, wie wir sie auf Bundesebene kennen.

Wir haben weiters mit den Ländern vereinbart, dass es Haftungsobergrenzen gibt, also nicht nur Defizitobergrenzen, sondern auch Haftungsobergrenzen. Und wenn sie sich nicht daran halten, dann gibt es Sanktionen. Das gibt es heute erstmals in dieser Republik auf vertraglicher, auf gesetzlicher Basis mit den Ländern, so etwas hatten wir noch nie!

Dass sich die Länder hier überhaupt zu solch einem Korsett bereiterklärt haben, hängt mit zwei Problembereichen zusammen, nämlich einerseits damit, dass sie selbst in ihrer Haushaltsplanung gewisse Vorschriften einzuhalten haben und gesehen haben, dass es nicht gut ist, wenn man überwiegend Schulden macht oder die Haftungsober­grenzen missachtet. Diesbezüglich ist ihnen natürlich auch die Situation in Kärnten eine Warnung gewesen beziehungsweise die rechtlichen Verpflichtungen vonseiten der EU, wo es auch um die ausgelagerten Schulden der Länder geht, die – jetzt sage ich es schon so – sie versteckt haben, wobei sie sehr kreativ waren. Das war zum damaligen Zeitpunkt auch voll gedeckt von allen gesetzlichen Vorschriften, jetzt muss es transparenter gestaltet werden. Ich halte das auch für gerechtfertigt, sodass die Bürger wissen, dass unter Umständen in verschiedenen Gesellschaften, die helfen, das Gesundheitssystem mitzufinanzieren, auch Schulden liegen. Das zu verschweigen macht keinen Sinn, ganz im Gegenteil, da ist Transparenz gefragt.

Es ist aber auch noch um einen anderen Punkt gegangen, nämlich um die Probleme im Bereich der Pflege. Bei der Pflege sind die Länder, insbesondere die Kommunen vor der unlösbaren Situation gestanden, dass die Kosten immer mehr werden. Wir gehen davon aus, dass die Kosten noch steigen werden, weil die Gesellschaft älter wird, immer mehr Menschen älter werden, Gott sei Dank sehr gesund, aber zum Lebensende hin sind die Menschen oft pflegebedürftig, und diese Pflege gilt es zu organisieren.

Es wurde ein Paket geschnürt, das sowohl den Stabilitätspakt als auch die Pflege­lösung umfasst. Und mit der Pflegelösung – ich nehme das jetzt gleich vorweg – ist es uns erstmals gelungen, die Landesgelder mit den Bundesgeldern auf Bundesebene zu poolen und dann über klare Vorschriften und Steuerungsregelungen an die operativ


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 144

tätigen Einheiten, die auszahlen, zurückzugeben. Es gibt aber nicht mehr 304 Ein­heiten – bisher war es so, dass sich 304 auszahlende Stellen um die Begutachtung haben kümmern müssen, um die Pflegenden, Betreuenden, die Anträge, et cetera; oft auch ein Dschungel für jene, die für ihre Angehörigen die Pflege organisiert haben –, sondern das wurde jetzt auf acht auszahlende Stellen gebündelt.

Das könnte doch auch ein Role Model sein oder zumindest ein Vorbild für eine Reform im Gesundheitswesen, denn auch dort haben wir einen sehr undurchsichtigen Dschungel im Hinblick auf die Finanzierungsströme und Verrechnungen untereinander, sodass man eventuell das Geld auf Bundesebene poolen, dort Steuerungsinstrumente schaffen und dann die Länder das operativ abwickeln lassen könnte. Ich glaube, diesbezüglich könnte man sich auch mit den Ländern einigen.

So stelle ich mir Verwaltungsreform vor, so stelle ich mir sukzessive Modernisierung des staatlichen Gefüges vor. Das, was da Minister Hundstorfer, Sepp Pröll und Landes­hauptmann Pühringer zusammengebracht haben, ist wirklich herzeigenswert. Ich darf das hier verkünden und mittragen, habe damals keinen Beitrag geleistet, ich bin aber stolz darauf, dass es insgesamt gelungen ist. – Danke. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Zangerl.)

17.07


Vizepräsident Reinhard Todt: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Frau Bundesrätin Mühlwerth.

 


17.07.34

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Kollege Himmer! Dass man die Rede eines Kollegen einer anderen Partei inhaltlich zerpflückt und eine pointierte Gegenrede hält, ist durchaus in Ordnung, das ist das Salz der Demokratie, es geht hin und her, es gibt verschiedene Meinungen. Aber so ins Persönliche abgleitend muss es nicht sein, wie du, Kollege Himmer, das gemacht hast, indem du gesagt hast, Kollege Pisec beißt in das Mikrofon hinein und ist mit schreckgeweiteten Augen gegen diese Finanzpolitik. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Das finde ich einfach untergriffig, das muss nicht sein. Es stünde dir auch ganz gut an, dich beim Kollegen Pisec dafür zu entschuldigen. (Bundesrat Kainz: Er lacht ja eh dabei, so arg kann es nicht gewesen sein!)

Ich meine, das ist wirklich nicht notwendig, das ist ein Stil, der hier in diesem Haus absolut nichts verloren hat. In Zukunft sollten Sie das wirklich unterlassen. (Beifall bei der FPÖ.)

17.08


Vizepräsident Reinhard Todt: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2011 betreffend Österreichischer Stabilitätspakt 2011.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Finanzausgleichsgesetz 2008 und weitere Gesetze geändert werden.


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 145

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist ebenfalls die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit ange­nommen.

17.10.0219. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über Investmentfonds (Investmentfondsgesetz 2011 – InvFG 2011) erlassen sowie das Bankwesengesetz, das Wertpapierauf­sichts­gesetz 2007, das Immobilien-Investmentfondsgesetz, das Finanzmarktaufsichts­behördengesetz, das Pensionskassengesetz, das Betriebliche Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz, das Einkom­men­steuergesetz 1988, das EU-Quellensteuergesetz, das Konsumenten­schutz­gesetz und das Finanzsicherheiten-Gesetz geändert werden (1254 d.B. und 1326 d.B. sowie 8561/BR d.B.)

20. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2011 betreffend Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung des Staates Katar zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll (1201 d.B. und 1329 d.B. sowie 8562/BR d.B.)

21. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2011 betreffend Änderung der Anhän­ge I und II des Übereinkommens betreffend die Prüfung und Bezeichnung von Edelmetallgegenständen (1228 d.B. und 1330 d.B. sowie 8563/BR d.B.)

 


Vizepräsident Reinhard Todt: Wir gelangen nunmehr zu den Punkten 19 bis 21 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter zu den Punkten 19 bis 21 ist Herr Bundesrat Lampel. – Bitte um die Berichte.

 


17.10.55

Berichterstatter Michael Lampel: Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesminis­ter! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Finanzaus­schusses über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über Investmentfonds – Investmentfonds­gesetz 2011 – erlassen sowie das Bankwesengesetz, das Wertpapieraufsichtsge­setz 2007, das Immobilien-Investmentfondsgesetz, das Finanzmarktaufsichtsbehör­dengesetz, das Pensionskassengesetz, das Betriebliche Mitarbeiter- und Selbstän­digenvorsorgegesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz, das Einkommensteuer­gesetz 1988, das EU-Quellensteuergesetz, das Konsumentenschutzgesetz und das Finanz­sicher­heiten-Gesetz geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme sogleich zur Antragstellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 19. Juli 2011 mit Stim­menmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 146

Ich komme zum Tagesordnungspunkt 20 und bringe den Bericht des Finanzausschus­ses über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2011 betreffend Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung des Staates Katar zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll.

Der Bericht liegt Ihnen ebenfalls in schriftlicher Form vor; ich komme sogleich zur Antragstellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 19. Juli 2011 mit Stim­menmehrheit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Zum Tagesordnungspunkt 21 bringe ich den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2011 betreffend Änderung der Anhänge I und II des Übereinkommens betreffend die Prüfung und Bezeichnung von Edelmetall­gegenständen.

Der Bericht liegt Ihnen ebenfalls in schriftlicher Form vor; ich komme sogleich zur Antragstellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 19. Juli 2011 mit Stimmen­einhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Reinhard Todt: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. Pisec. Ich erteile es ihm. (Bundesrat Mag. Pisec – ans Rednerpult tretend –: Wenn das Mikrofon aus Marzipan ist, beiße ich, bitte, gerne hinein!)

 


17.13.38

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Invest­mentfondsgesetz ist eine delikate Sache, weil es nur einen Teilaspekt der Invest­mentfonds und nicht die Hedgefonds beinhaltet. Aber heute sind die Hedgefonds die am stärksten wachsende Gruppe auf dem Kapitalmarkt, und das ist gerade die große Black Box, die uns vorliegt. Persönlich darf ich sagen, dass ich mich heute mit Investmentfonds nicht mehr so sehr auseinandersetzen würde, denn 75 Prozent der Fonds schlagen den Index nicht. Besser sind Indexzertifikate; die sind offener, das Underlying, der Basiswert ist klar erkennbar, und somit ist diese Black Box nicht vorhanden.

Trotzdem wird in diesem Gesetz jetzt vorgeschlagen, dass Kostentransparenz gewähr­leistet sein muss, aber – und das ist ganz wichtig – nicht das Agio beim Kauf, sondern die Kostentransparenz im Fonds selbst. Das sind die Depotgebühren, die eingekauften Wertpapiere des Fonds, die Prüfungskosten, die Verwaltungsgebühren und natürlich die Boni-Zahlungen der Manager, der Fondsmanager. Gerade diese Kostentrans­parenz ist in einem Fonds wichtig, weil der Fonds öffentlich notieren muss, wenn er nachverfolgbar sein soll, weil es ja die Performance schmälert, wenn die Kosten zu hoch sind. Und das, bitte, muss garantiert sein.

Punkt zwei meiner Rede betrifft das Doppelbesteuerungsabkommen Österreichs mit Katar. Dieses lehnen wir ab, und zwar aus dem Grund, dass dadurch das Bankge­


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 147

heimnis Österreichs weiter aufgeweicht wird. Ich darf daran erinnern, dass Österreich einst – das muss man leider sagen – ein sehr bekannter Finanzplatz war. Im Zuge dieser Staatswirtschaftskrise und der gesamten Aufweichung der Bankgeheimnisse verlieren wir nach und nach an Glaubwürdigkeit und Rechtssicherheit.

Ich darf auch daran erinnern, dass heute 30 Prozent des weltweit angelegten aus­ländischen Vermögens in der Schweiz angelegt werden und dass Private Banking heute das Geschäft schlechthin ist. Da erspart man sich das ganze risikobehaftete Kreditgeschäft. Das Private Banking ist das Geschäft für die Zukunft, und das hat uns die Schweiz längst abgenommen!

Dies betrifft Art. 25 Abs. 4 und 5 dieses Doppelbesteuerungsabkommens, das wir ablehnen müssen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

17.16


Vizepräsident Reinhard Todt: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mayer. Ich erteile ihm das Wort. (Bundesrat Schennach: Ich hoffe, du klärst den Kollegen über die Mafia-Gelder auf! – Bundesrat Mayer – auf dem Weg zum Rednerpult –: Nicht wirklich!)

 


17.16.44

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, Herr Kollege Pisec, ich stelle fest: Es gab keine Übergriffe auf Mikrofone und ähnliche Dinge. Es war sozusagen alles im grünen Bereich, und es gibt von uns nichts zu kritisieren. Nur, wenn ich manchmal deinen Klub- und Parteiobmann Strache höre, erübrigt sich jede Diskussion! (Bundesrat Stadler: Ist er untergriffig, oder was?) Es erübrigt sich jede Diskussion, das wissen wir schon.

Ich werde mich jetzt auch nicht mit der Frage auseinandersetzen, ob das Doppel­besteuerungsabkommen das Bankgeheimnis aushöhlt. Das ist nämlich ein Nonsens – genauso, wie wir der FIFA nicht vorschreiben können, ob sie die Weltmeisterschaften nach Katar vergibt. Aber das wird dann von euch wahrscheinlich auch noch in irgendeiner Form kritisiert werden.

Im Ausschuss haben wir auch gehört, dass die Hedgefonds natürlich nicht davon betroffen sind – das wurde ganz genau und ausführlich erklärt –, weil das eine andere Anlageform ist, die nicht in dieses Investmentfondsgesetz fällt. Herr Kollege Pisec, wir sind da nebeneinander gesessen, und ich glaube, ich kann mich schon noch erinnern an die Auskunft ... (Bundesrat Mag. Pisec: Aber es müsste hinein!) Nein, es müsste nicht hineinkommen, es ist schon eine andere Anlageform. Das passt technisch nicht hinein, da müssten wir extra ein Gesetz für Hedgefonds machen. Die kann man dann in Österreich an die Kandare legen, aber das ist ja etwas, was weltweit angeboten wird. Das ist also eine andere Form, und darüber müssen wir uns im Ausschuss nicht unterhalten, wenn wir es dann nicht umsetzen, oder?

Tatsächlich ist es so, dass wir der internationalen Entwicklung auf den Finanzmärkten mit der Einschließung des österreichischen Marktes für Investmentfonds mit diesem Gesetz Rechnung tragen. Mir ist in diesem Zusammenhang auch Folgendes wichtig: Hier geht es um den Anlegerschutz, und der Anlegerschutz ist wirklich etwas, was man in der Vordergrund stellen muss. Es muss also auch die Werbung für diese Portfolios als solche bezeichnet werden, es darf keine irreführenden Darstellungen in all diesen Prospekten und Angeboten geben, und es gibt auch entsprechende Haftungs­bestimmungen. Das sind essenzielle Bestandteile.

Wie auch im Ausschuss gehört, gibt es dann ein sogenanntes Kundeninfor­mations­dokument, in dem alle relevanten Informationen aufgeführt werden, aus denen die


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 148

Anleger wirklich erkennen können, um was für ein Papier es sich schlussendlich handelt. In diesem Anlegerschutz ist weiters ausgeführt, dass es darum geht, wie die Provisionen geregelt sind – das hast du bereits richtig ausgeführt – oder diese Verwaltungsgesellschaften organisiert sind. Wir fördern mit diesem Gesetz natürlich auch die Transparenz, weil zudem die Errichtung europäischer Aufsichtsbehörden geplant ist für Banken, Versicherungen und Wertpapiere und auch ein europäischer Ausschuss für systematische Risiken.

Es ist also logisch, dass es hier auch entsprechende Rechtsanpassungen geben muss, damit eine friktionsfreie Kooperation zwischen den Märkten stattfinden kann. Wichtig ist auch, dass wir das rückwirkend beschließen. Hier ist höchster Handlungsbedarf gegeben, und um jeden Tag, den dieses Gesetz schon früher in Kraft ist, ist es früher möglich, dagegen zu handeln und mit diesem Gesetz eventuelle Missbräuche auszuschließen.

Auch die Einbindung der FMA finde ich richtig; es wird sozusagen eine Verord­nungs­ermächtigung ganz klar definiert, wie die FMA schlussendlich in diesem Investment­fondsgesetz mit eingebunden ist. Es ist auch ein wesentlicher und wichtiger Bestand­teil, dass wir im Rahmen der Budgetbegleitgesetze 2011 auch die Vermögens­zu­wachs­besteuerung mit beschlossen haben. Das wird jetzt sozusagen auch in diesem Investmentfondsgesetz mit eingebunden.

Insgesamt sind dies also wichtige Finanzmaterien, die sich auch dazu eignen, das Ver­trauen in diese Märkte wieder zu stärken und hier für mehr Sicherheit zu sorgen. Selbstverständlich werden wir diesen Materien gerne unsere Zustimmung erteilen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

17.20


Vizepräsident Reinhard Todt: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Kraml. Ich erteile es ihm.

 


17.21.04

Bundesrat Johann Kraml (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Das Investment­fondsgesetz geht ja auf das Jahr 1993 zurück und wurde einige Male novelliert. Ich gehe hier nicht auf die Feinheiten dieses Gesetzes ein, denn das würde zu technisch werden. Mir ist wichtig, dass die Informationen des Kundenprospektes verbessert werden, dass derjenige, der dort investiert, auch weiß, wo er investiert. Es wird Geld eingesetzt, und wenn Geld eingesetzt wird, dann soll man mit diesem Geld auch etwas verdienen können und nicht nach Jahren draufkommen, dass nichts mehr da ist und letztendlich auch keiner mehr verantwortlich ist, oder man findet keinen mehr. Wir kennen das ja, was im Finanzbereich da so alles möglich ist.

Um diese Punkte zu verhindern, wird heute dieses Gesetz beschlossen. Ich bin sicher, dass da einiges gelingen wird. Den Kundenbereich habe ich schon erwähnt; die Gesetzeslage wird völlig neu strukturiert, und die Fondsverschmelzungen innerhalb des Binnenmarktes sind auch geregelt. Es wird sicher nicht die letzte Änderung in diesem Bereich sein, weil sich die Finanzgeschäfte wandeln, und zwar sehr schnell wandeln. Wichtig ist, dass der Gesetzgeber immer auf der Höhe ist und dafür sorgt, dass, wenn sich entsprechende Lücken auftun, diese schnell geschlossen werden.

Wir werden daher diesem Gesetz die Zustimmung geben. – Danke. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

17.22


Vizepräsident Reinhard Todt: Weitere Wortmeldungen liegen hiezu nicht vor.


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 149

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist geschlos­sen.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Investmentfondsgesetz 2011 erlassen sowie das Bankwesengesetz und weitere Gesetze geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nun gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2011 betreffend Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung des Staates Katar zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll.

Da der gegenständliche Beschluss Angelegenheiten des selbstständigen Wirkungs­bereichs der Länder regelt, bedarf dieser der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Nunmehr lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfas­sungs­mäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist angenommen.

Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2011 betreffend Änderung der Anhänge I und II des Übereinkommens betreffend die Prüfung und Bezeichnung von Edelmetallgegenständen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist angenommen.

17.25.3022. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2011 betreffend ein Bundesgesetz über die Gewährung eines Bundeszuschusses und sonstiger Förderungen aus Anlass der 90. Wiederkehr des Jahrestages der Volksabstimmung in Kärnten (1218 d.B. und 1327 d.B. sowie 8564/BR d.B.)

23. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2011 betreffend ein Bundesgesetz über die Gewährung eines Zweckzuschusses an das Bundesland Burgenland aus Anlass der 90-jährigen Zugehörigkeit zu Österreich (1219 d.B. und 1328 d.B. sowie 8565/BR d.B.)

 



BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 150

Vizepräsident Reinhard Todt: Nun gelangen wir zu den Punkten 22 und 23 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter zu den Punkten 22 und 23 ist Herr Bundesrat Gruber. Ich bitte um die Berichte.

 


17.26.09

Berichterstatter Manfred Gruber: Sehr geehrter Präsident! Frau Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2011 betreffend ein Bundesgesetz über die Gewährung eines Bundeszuschusses und sonstiger Förderungen aus Anlass der 90. Wiederkehr des Jahrestages der Volksabstimmung in Kärnten.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher sogleich zur Antragstellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 19. Juli 2011 mit Stimmen­mehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Der zweite Bericht ist der Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2011 betreffend ein Bundesgesetz über die Gewährung eines Zweckzuschusses an das Bundesland Burgenland aus Anlass der 90-jährigen Zugehörigkeit zu Österreich.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher sogleich zur Antragstellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 19. Juli 2011 mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Reinhard Todt: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist als Erster Herr Bundesrat Pirolt. – Bitte.

 


17.27.24

Bundesrat Franz Pirolt (FPÖ, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kollegen! Vorab möchte ich noch auf den Tagesordnungspunkt 18 zurückkommen. Seit 20 Jahren hat die Stadtgemeinde Straßburg ein ausgeglichenes Budget – so viel zum Stabilitätspakt! –, und dafür sind wir eigentlich oft belächelt worden, dass wir in dieser Gemeinde eine sehr restriktive Finanzpolitik gefahren haben. (Bundesrat Gruber: Das trifft aber auf das Land Kärnten nicht zu!) Was mich noch mehr freut, ist, dass die Gemeindezusammenlegung von Herrn Kollegen Kraml eigentlich keine heilige Kuh mehr ist. Es ist für mich durchaus bezeichnend, dass wir künftighin vielleicht auch in diese Richtung einen Weg beschreiten werden.

Wir haben heute mit überwältigender Mehrheit ein neues Minderheitengesetz be­schlossen, dazu kann man durchaus auch stehen. Zum Tagesordnungspunkt 22 gibt es für mich jetzt natürlich ein kleines Problem. Ich hätte auf meine Rede auch verzichten können, aber letzten Endes geht es um das Problem der Verteilungs­modalität, das ich hier ansprechen möchte.

Was die 2 Millionen betrifft, die den Gemeinden zur Verfügung gestellt werden und bei deren Verteilung sie mitspielen können, ist dies durchaus in Ordnung und macht auch Sinn. Aber wie sich jetzt die restlichen 2 Millionen aufteilen, das kann einerseits nicht in unserem Sinn, im Sinn des Landes Kärnten sein. Was dabei vor allem aufstößt, ist der Umstand, dass die deutschsprechende Minderheit in Slowenien letztendlich nur mehr mit 30 000 € bedient ist, wohingegen dies von alters her mit ungefähr 300 000 €


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 151

festgelegt war. Aus diesem Grunde werden wir dagegen stimmen – nicht gegen die 4 Millionen €, aber die Verteilungsmodalität ist der Grund.

Zum Zweckzuschuss für das Burgenland: Selbstverständlich werden wir für 4 Millio­nen € für ein Land, das damit Projekte kultureller, wirtschaftlicher und sozialer Prägung machen kann, stimmen. (Beifall bei der FPÖ.)

17.29


Vizepräsident Reinhard Todt: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesminister Dr. Fekter. – Bitte.

 


17.29.43

Bundesministerin für Finanzen Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Jubiläum, die 90. Wiederkehr, war ja bereits im Vorjahr, nämlich 2010. Anlässlich dieser Jubiläen war es üblich, dass es für diese Länder, einerseits das Burgenland und andererseits Kärnten, immer Zuschüsse von Bundesseite gab.

Dieses Mal ist dieses Projekt, das, wie schon erwähnt, den Volksgruppen zugute­kommt, folgendermaßen dotiert: 2 Millionen € für die Volksgruppen und 2 Millionen € an Zweckzuschüssen für Gemeinden beziehungsweise Ortsteile, die im ehemaligen Abstimmungsgebiet gelegen sind.

Die Feierlichkeiten zum Jubiläumsjahr waren ja bereits voriges Jahr, und seitens der Bundesregierung, der die Entwicklung des Landes ein besonderes Anliegen ist, wurden diese Zuschüsse bereits mit dem Ministerratsvortrag im Oktober gebilligt. Inzwischen ist aber einiges geschehen, und das ist ausgesprochen erfreulich. Es kam nämlich zu einer epochalen Einigung in der Ortstafelfrage, und da möchte ich den Beteiligten ganz besonders gratulieren, insbesondere meinem Regierungskollegen, Herrn Staatssekretär Ostermayer, der von Bundesseite her die Verhandlungen geführt und das bei vielen Kärnten-Besuchen positiv umgesetzt hat.

Es ist bekannt, dass die Freiheitliche Partei kritisiert, wie diese Gelder vergeben werden. Es ist bedauerlich, dass Sie dieses gute Projekt nicht mittragen können. (Rufe bei der ÖVP: Geben wir’s ihnen nicht! Geben wir’s ihnen nicht! Wenn sie’s nicht wollen!) – Es soll nicht das kärntnerische Volk darunter leiden, dass es hier Menschen gibt, die das nicht verstehen. (Beifall bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ sowie bei Bundesräten ohne Fraktionszugehörigkeit.)

Also: eine slowenische Musikschule, zwei mehrsprachige Gemeindekindergärten, zwei mehrsprachige private Kindergärten, Organisationen, die sich um die wechselseitige Verständigung bemüht haben, Organisationen, die sich um die Aufarbeitung und Versöhnung der Verhältnisse zwischen den Volksgruppen bemüht haben, Organi­sationen, die sich um die Förderung wirtschaftlicher Belange in grenzüberschreitenden Kooperationen bemüht haben, Medien- und Kulturprojekte für die slowenischsprachige Bevölkerung und natürlich auch die Altösterreicher, die Deutschsprachigen in der Republik Slowenien, sowie die Vermittlung ihrer Anliegen.

Diese Anträge müssen bis 30. November eingebracht werden und bis spätestens 31. Mai 2016 mit dem Bundeskanzleramt abgerechnet sein. Ich glaube, das ist eine sehr erfreuliche Angelegenheit, noch dazu liegt zwischen Beschlusslage für das Jubiläumsgeld und dem konkreten Gesetzesbeschluss auch noch diese epochale Einigung über die Ortstafeln. Deshalb freue ich mich, wenn dieses Projekt hier im Ho­hen Haus die Zustimmung findet. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

17.33



BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 152

Vizepräsident Reinhard Todt: Danke, Frau Bundesminister, für die Information.

Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2011 betreffend ein Bundesgesetz über die Gewährung eines Bundeszuschus­ses und sonstiger Förderungen aus Anlass der 90. Wiederkehr des Jahrestages der Volksabstimmung in Kärnten.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist angenommen.

Nun kommen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2011 betreffend ein Bundesgesetz über die Gewährung eines Zweckzuschusses an das Bundesland Burgenland aus Anlass der 90-jährigen Zugehörigkeit zu Öster­reich.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Ich stelle die Stimmeneinhelligkeit fest. Der Antrag ist somit ange­nommen.

17.35.2124. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kriegsmaterialgesetz geändert wird (1260 d.B. und 1335 d.B. sowie 8539/BR d.B.)

 


Vizepräsident Reinhard Todt: Wir gelangen nun zum 24. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Strohmayer-Dangl. Ich bitte um den Bericht.

 


17.35.41

Berichterstatter Kurt Strohmayer-Dangl: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kriegsmaterialgesetz geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher sogleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 19. Juli 2011 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Reinhard Todt: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt als Erste Frau Bundesrätin Dr. Kickert. – Bitte.

 


17.36.24

Bundesrätin Dr. Jennifer Kickert (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Zu dieser vorliegenden Novelle des Kriegsmaterial­gesetzes haben wir einige gravierende Kritikpunkte anzubringen.


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 153

Laut Vorblatt dient diese Novelle ja dazu, die Umsetzung europarechtlicher Vorschrif­ten zu gewährleisten, wobei vor allem auf die EU-Richtlinie zur Vereinfachung der Bedingungen für die innergemeinschaftliche Verbringung von Verteidigungsgütern eingegangen wird.

Im allerersten meiner Kritikpunkte möchte ich darauf hinweisen, dass aus unserer Sicht eine vollkommen ungenügende Umsetzung des EU-Kontrollstandards der Gemein­samen Außen- und Sicherheitspolitik aus dem Jahre 2008 besteht. Selbst wenn im Ausschuss gesagt wurde, dieser Standpunkt sei politisch und rechtlich verbindlich in § 3 erläutert und diese Kriterien, die im gemeinsamen Standpunkt wären, seien jedenfalls zu prüfen, möchte ich trotzdem noch einmal darauf hinweisen, dass sogar das Wirtschaftsministerium in einer Stellungnahme darauf hinweist, dass diese GASP-Bewilligungskriterien keinesfalls ausreichend aufgenommen wurden und dass Sie deutlich darauf hinweisen, dass zumindest die Harmonisierung mit dem auch heuer novellierten Außenhandelsgesetz erfolgen sollte.

Also Mindeststandard wäre aus unserer Sicht zumindest das Außenhandelsgesetz, als sachlich gerechtfertigt sehen wir sogar höhere oder restriktivere Bewilligungs- und Kontrollstandards. Schließlich geht es bei den Kriegsmaterialien um schwere Waffen und Kriegsgerät.

Zweitens möchte ich darauf hinweisen, dass die Bewilligungskriterien und die Bewilli­gungserteilung relativ lax sind. Die Kriterien sind aus unserer Sicht unvollständig. Die innere Lage des Endbestimmungslandes – nämlich, ob es dort Spannungen oder gar bewaffnete Konflikte geben kann – sind nicht ausreichend berücksichtigt. Das Risiko, dass Militärtechnologie abgezweigt wird, wird nicht erwähnt, und auch das Verhalten des Käuferlandes gegenüber der internationalen Gemeinschaft – also die Art der Bündnisse und die Einhaltung des Völkerrechts – wird bei diesen Bewilligungskriterien nicht angeführt.

Ein weiterer Punkt ist, dass die Zustimmung der Bundesregierung gemäß § 5 nicht an die Bewilligungskriterien, die in § 3 Abs. 1 als Mindestmaß angeführt sind, gebunden ist. Die Kriterien sind lediglich ausschlaggebend. Diese, wie soll ich sagen, ungleiche Behandlung ist aus unserer Sicht nicht nachvollziehbar, weil es keinen Unterschied macht, ob die Waffen öffentlich oder privat gehandelt werden. Die Gefährlichkeit ist ziemlich die gleiche.

Weiterhin fehlt uns, dass Genehmigungspflichten für Verkäufe durch Tochterfirmen von EU-Unternehmen in Drittländern nicht vorhanden sind. Aus unserer Sicht ist das ein Freibrief für ansässige Waffenhändler, diese Kontrollen durch Tochterfirmen zu umgehen. Aus unserer Sicht wird damit jegliche Bestrebung der EU, zu wirksamen Waffenhandelskontrollen zu kommen, untergraben.

Weiters ist auch die Endverbraucherkontrolle unzureichend. Die Endverbraucherbe­scheinigungen und die Importbewilligungen sind bloße Kann-Bestimmungen. Es gibt keinerlei Normierungen bezüglich der Mindestangaben, und es gibt keine zuverlässige Kenntnis über die Bestimmungen, also über die Endverwendung in dem Land.

Das alles sind keine Voraussetzungen. Daher entsprechen diese Regelungen nicht einmal der Entschließung des Menschenrechtsausschusses des Nationalrates vom April letzten Jahres. Sie entsprechen daher auch nicht diesen gemeinsamen Standards der GASP-Standpunkte.

Dann möchte ich noch erwähnen – aber nicht in aller Ausführlichkeit –, dass aus unserer Sicht die Kontrollbestimmungen ebenfalls noch ausbaufähig wären und letzten Endes die gerichtlichen Strafbestimmungen immer noch zu milde sind.


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 154

Das sind fünf wesentliche Kritikpunkte, von denen ich jetzt zwei nicht ausführlich erwähnt habe. Das heißt, das ist aus unserer Sicht eine sehr gut begründete Ableh­nung dieser Novelle. (Beifall bei den Bundesräten Dönmez und Kerschbaum.)

17.41


Vizepräsident Reinhard Todt: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Köberl. – Bitte.

 


17.41.59

Bundesrat Günther Köberl (ÖVP, Steiermark): Geschätzter Herr Präsident! Ge­schätzte Frau Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben diese Argumente bereits in der Debatte im Nationalrat hören können. Das ist die eine Sicht.

Die andere Sicht ist – Frau Kollegin Kickert, Sie haben ihre Rede damit begonnen, warum diese Novelle notwendig ist –, dass es eben um die Umsetzung der EU-Richtlinie bis 30. Juni 2011 geht. Das Ziel ist die Anpassung des österreichischen Kriegsmaterialgesetzes, damit diese Richtlinie ab dem 30. Juni 2012 in Kraft treten kann.

Mit der Umsetzung dieser EU-Richtlinie schaffen wir entgegen den Ausführungen von Frau Kollegin Kickert sehr wohl gemeinsame Standards bei der Verbringung von Kriegsmaterial innerhalb der Europäischen Union. Der überwiegende Teil – und das haben Sie nicht gesagt – der angesprochenen Verteidigungsgüter ist nicht Kriegsma­terial. Das ist nur ein kleiner Teil, dieser ist im sehr strengen österreichischen Außen­handelsgesetz auch klar geregelt, und man muss wirklich betonen, dass diese Regeln hier viel strenger sind als in vielen anderen Ländern. (Bundesrätin Dr. Kickert: ... Standards!)

Wesentlich sind – und darüber herrscht Konsens – die Pflichten bei der Ein- und Ausfuhr und der Durchfuhr von Kriegsmaterial sowie die Kontrollen, die genau festgelegt werden. Über alle Ein-, Aus- und Durchfuhren sind detaillierte Aufzeich­nun­gen zu führen.

Was ist nun konkret aufzuzeichnen? – Die konkrete Bezeichnung des Kriegsmaterials samt technischer Spezifikation und entsprechender Nummerierung, die Menge und der Wert des Kriegsmaterials, das Datum und der Zweck der Verbringung, Name und Anschrift des Absenders, des Empfängers und gegebenenfalls des Endverbrauchers, Nachweise über die Einhaltung allfälliger Auflagen und Bedingungen sowie beste­hender Informationsverpflichtungen, allfällige zusätzliche Bescheide, Dokumente und Unterlagen: Diese Aufzeichnungen sind, wie wir schon gehört haben, fünf Jahre aufzubewahren. (Zwischenruf der Bundesrätin Dr. Kickert.)

Die von den Grünen kritisierten Bescheinungen über die Endverbraucherkontrolle, Frau Kollegin Kickert – neudeutsch auch die sogenannten Enduser-Zertifikate – können ausschließlich durch eine staatliche Stelle ausgestellt werden. Das wissen Sie. Dadurch wird auch sichergestellt, dass es zu keinem Weiterverkauf kommt. Alle Einfuhren sind vom Empfänger, alle Ausfuhren vom Absender unter Angabe der vor­geschriebenen Information dem Bundesministerium für Inneres unverzüglich zu mel­den.

Sehr geehrte Damen und Herren! Durch die Umsetzung dieser EU-Richtlinie erweitern wir auch die Kontrollmöglichkeiten vor Ort – wir haben im Ausschuss darüber gesprochen –, da auch alle Organe des Sicherheitsdienstes einbezogen werden können und künftig mit umfangreichen Kontroll-, Betretungs- und Einschaurechten ausgestattet sind. (Bundesrätin Dr. Kickert: Aber es gibt keine Verpflichtung dazu!)

Es handelt sich hier um eine EU-Richtlinie, die eine Vereinfachung und zum Teil auch eine Entbürokratisierung bringt, ja sogar für Einsparungen gegenüber dem Status quo


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 155

sorgt. Deshalb werden wir vonseiten der ÖVP dieser Novelle die Zustimmung erteilen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Gruber.)

17.44


Vizepräsident Reinhard Todt: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Mag. Duzdar. – Bitte.

 


17.45.08

Bundesrätin Mag. Muna Duzdar (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben ja heute schon gehört, dass es bei dieser Gesetzesänderung in Wirklichkeit um die Umsetzung einer europäischen Richtlinie geht, nämlich jener zur Vereinfachung der Bedingungen für die innergemeinschaftliche Verbringung von Verteidigungsgütern.

Die wesentliche Änderung besteht vor allem darin, dass Bewilligungen für die Ausfuhr, die Einfuhr und die Durchfuhr von Kriegsmaterialien für einen EU-Mitgliedstaat in Hinkunft eben Gültigkeit für den gesamten EU-Raum haben soll, sodass es keiner weiteren Bewilligungen mehr bedarf.

Schon heute schreibt das Kriegsmaterialgesetz vor, dass bei der Erteilung von Bewilligungen Bedacht darauf zu nehmen ist, dass Kriegsmaterialien nicht in Gebiete verbracht werden sollen, in denen aufgrund bereits bestehender Menschenrechts­verletzungen der Verdacht besteht, dass diese Kriegsmaterialien eingesetzt werden könnten, um Menschenrechte zu unterdrücken, und auch nicht in Gebiete erfolgen dürfen, in denen bewaffnete Konflikte oder gefährliche Spannungen herrschen.

Mit der sogenannten Bedachtnahme, die § 3 des Kriegsmaterialgesetzes normiert, wird dem Innenministerium natürlich ein gewisser Ermessensspielraum eingeräumt. Ich möchte an dieser Stelle nur festhalten, dass es vielleicht in Zukunft überlegenswert wäre, einmal darüber nachzudenken, dass wir als neutrales Land eigentlich kein Problem damit haben sollten, die Genehmigungskriterien im Kriegsmaterialgesetz so festzuschreiben, dass bei Vorliegen von Menschenrechtsverletzungen in bestimmten Ländern die Ausfuhr von Kriegsmaterial gleich untersagt wird.

Ich denke mir, je strenger und klarer die Genehmigungskriterien sind, desto weniger laufen wir Gefahr – gerade in dem hochsensiblen Bereich des Kriegsmaterialrechts –, politische Fehler zu begehen. Ich sage das deswegen, weil die aktuellen Ereignisse und gerade auch die umfangreichen Waffenlieferungen aus den Staaten der Euro­päischen Union nach Nordafrika und in den Nahen und den Mittleren Osten ja zeigen, dass unionsrechtliche Vorgaben im Bereich des Kriegsmaterials bisher leider keine Garantie dafür waren, dass Kriegsmaterial nicht an Staaten geliefert wird, in welchen Menschenrechte verletzt werden.

Ich glaube, dass das damit zu tun hat, dass bis zum gemeinsamen Standpunkt des Rates diese Vorgaben eben nicht verbindlich waren und dass die EU-Mindest­standards noch nicht weit genug gehen. Wie sonst, werte Kolleginnen und Kollegen, ist es möglich, dass Länder wie Deutschland vor nicht allzu langer Zeit umfangreiche Waffengeschäfte mit Libyen abgewickelt haben und nun – was auch ein aktuelles Beispiel ist – offiziell beabsichtigen, mitten im arabischen Frühling schwere Hightech­waffen, 200 Stück sogenannte Leopard-Kampfpanzer, an ein undemokratisches Regime wie Saudi-Arabien zu liefern?

Ohne auf die Menschenrechtssituation in Saudi-Arabien eingehen zu wollen, so möchte ich doch daran erinnern, dass vor nicht einmal ein paar Monaten mit militärischer Unterstützung Saudi-Arabiens die Aufstände in Bahrain blutig nieder­ge­schlagen wurden. Gerüchten zufolge sind diese Kampfpanzer besonders dazu geeig­net, Demonstranten und Demonstrantinnen einzuschüchtern.


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 156

Ich denke, dass im Bereich dieses Kriegsmaterialgesetzes zwei Aspekte sehr wichtig sind: zum einen der Aspekt, den ich schon genannt habe, betreffend die Ausfuhr von Kriegsmaterialien in Staaten, in denen Kriegssituationen vorherrschen, und auch in demokratische Staaten, in denen Menschenrechte verletzt werden, und zum anderen der für mich sehr wichtige Aspekt der wachsenden Rüstungsindustrie.

Ich bin der Meinung, dass gerade das Thema Abrüstung auch in Zukunft wieder eines der zentralen politischen Themen werden sollte, denn ich halte es für eine fehlgeleitete Politik, wirtschaftlich auf dem Rüstungssektor aufzubauen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Man sieht ja, dass in vielen EU-Staaten diese Ausgaben in den letzten Jahren rasant gestiegen sind. Mir fällt da immer das Beispiel Griechenland ein. Griechenland mit seiner Schuldenkrise ist eines der Länder mit den höchsten Militärausgaben. Ich denke mir, dass man eben diese Ausgaben in anderen Bereichen tätigen könnte.

Genauso, wie wir heute den Ausstieg aus der Atomenergie fordern, so müssen wir auch wieder stärker Abrüstung in Europa fordern. Ich bringe diesen Vergleich des­wegen, weil die Gegenargumente oft ähnlich sind. Die Befürworter der Atomenergie zum Beispiel sagen immer, dass der Ausstieg aus diesem Energiesektor den Energiebereich an sich gefährden könnte und dass wirtschaftlich viel davon abhängt. Das sind die gleichen Argumente, die auch immer vorgebracht werden, was die Rüstungsindustrie betrifft. In Deutschland allein gibt es an die 80 000 Beschäftigte im Rüstungssektor. Ich bin der Meinung, dass das der falsche politische Ansatz ist, weil eben sowohl die Atomenergie wie auch die Rüstungsindustrie in Wirklichkeit, wenn auch nicht für uns unmittelbar, so doch indirekt, negative Auswirkungen auf die Men­schen haben.

Aber zurück zu dieser Gesetzesänderung. Ich habe schon gesagt: Mit dieser Geset­zesänderung werden wir die EU-Richtlinie umsetzen. Es wäre aber für mein Dafürhalten auch wichtig, in Zukunft auch den gemeinsamen Standpunkt des EU-Rates – das ist heute schon erwähnt worden – legistisch zu berücksichtigen. Ich halte diesen gemeinsamen Standpunkt für sehr, sehr wichtig, denn er ist im Gegensatz zum bisherigen EU-Verhaltenskodex ein verbindliches Kontrollinstrument für Waffenaus­fuhren und sieht ja auch die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten bei der Kontrolle der Ausfuhr von Militärtechnologien und Militärgütern mit der Anwendung von gemein­samen Mindestkriterien vor.

Ich empfinde es als politischen Fortschritt und erwähne den gemeinsamen Standpunkt auch deswegen, weil er auch Kriterien enthält, die über unsere Kriterien im Artikel 3 des Kriegsmaterialgesetzes hinausgehen. Deshalb wäre es empfehlenswert, in Zukunft einmal anzudenken, auch diesen Katalog der Genehmigungskriterien zu übernehmen. Andernfalls wäre ich der Meinung, dass wir diesem Harmonisierungsbestreben der Europäischen Union doch nicht ganz gerecht werden.

Dankenswerterweise haben uns Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Innenministe­riums auch dahin gehend informiert, dass es nicht notwendig sei, diesen gemeinsamen Standpunkt jetzt dezidiert hineinzunehmen, weil es ja auch ein völkerrechtlicher Vertrag sei und das Kriegsmaterialgesetz ja auch auf völkerrechtliche Verpflichtungen verweist. Das mag schon sein, aber dass der gemeinsame Standpunkt völkerrechtliche Bindungswirkung entfaltet, ergibt sich erst aus dem inhaltlichen Kontext. Ich meine, im Sinne der Rechtssicherheit wäre es jedenfalls besser, den in nationales Recht umzusetzen.

Ich komme zum Schluss und stelle fest: Trotz allem muss man festhalten, dass diese europäischen Vorgaben doch immer nur Mindeststandards sind und uns niemand daran hindert, hier eine restriktivere Politik zu verfolgen. Das sagt auch der gemein­same Standpunkt ausdrücklich.


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 157

Zuallerletzt möchte ich noch sagen: Wir haben, glaube ich, in diesem Bereich noch einen langen Weg vor uns, und ich meine, dass wir als neutrales Land hier sehr positive und politische Signale setzen könnten, um mit einer Vorbildwirkung voran­gehen zu können, denn wer, wenn nicht wir als neutrales Land könnte hier eine zukunftsorientierte Politik der Waffenkontrolle vorgeben.

Natürlich werden wir als sozialdemokratische Fraktion dieser Novelle zustimmen, da sie doch eine richtungsweisende Richtschnur vorgibt. Es liegt aber doch an uns, in Zukunft im Umgang mit Waffenkontrollen eine restriktivere Politik vorzugeben. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

17.53


Vizepräsident Reinhard Todt: Des Weiteren hat sich Frau Bundesministerin Fekter zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihr.

 


17.54.04

Bundesministerin für Finanzen Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Herr Präsident! Hohes Haus! In diesen Gemäuern hat man sich schon sehr intensiv mit Kriegs­materialien auseinandergesetzt. Es gab Untersuchungsausschüsse diesbezüglich, es gab kritische Anmerkungen, es gab in Österreich auch einmal eine Industrie, die Kriegsmaterialien hergestellt hat. Wir sind Gott sei Dank jetzt in einer Situation, ein Kriegsmaterialgesetz zu haben, mit dem wir sehr restriktiv, sehr kontrolliert umgehen, nur war es im Hinblick auf die EU-Vorgaben anzupassen.

Das heißt, unser Kriegsmaterialgesetz, das seit mehreren Jahren zur Anwendung kommt, kontrolliert strengstens und hat eine Fülle von Auflagen im Hinblick auf die Aus- und Durchfuhr oder Vermittlung von Kriegsmaterialien, und die jetzige Novelle, die hier auf dem Tisch liegt, ist keine ganz neue Regelung, sondern ergänzt unser bewährtes System.

Das heißt, wir müssen die Verbringungsrichtlinie für Verteidigungsgüter der EU in unser sehr strenges und restriktives Gesetz einbauen.

Das heißt, bezüglich des innergemeinschaftlichen Verkehrs kommt es zu Verein­fachungen. Einfuhr und Durchfuhr innerhalb der EU brauchen keine Bewilligung mehr. Es gibt innerhalb der EU auch Globalbewilligungen, die für drei Jahre gelten. Aber wir Österreicher haben uns sehr wohl vorbehalten, dass wir im Hinblick auf Bedenken Auskunftsrechte haben und dass eine Weiterverbringung an Drittstaaten nicht möglich sein kann, wenn wir das untersagen.

Dazu sind die Strafbestimmungen angepasst worden, und es gibt auch keine Allge­meinbewilligung in unserem Gesetz. Obwohl die Richtlinie das vorgesehen hätte, haben wir das nicht umgesetzt, sondern wir sind den strengeren Weg gegangen, indem wir beim Kriegsmaterialgesetz immer auf die Individualprüfung abstellen und uns immer anschauen, was tatsächlich im Hinblick auf Exporte mit Kriegsmaterialien passiert.

Da wir in Österreich keine Kriegsmaterialienindustrie mehr haben, geht es bei Bewilligungen, die ja allesamt durch den Ministerrat müssen, wo wir von der Bundes­regierung ja zustimmen – in der Zeit, in der ich sie erlebt habe, gab es nur ganz, ganz selten welche –, meist um Produkte aus unseren Heeresbeständen, für die wir einen Käufer finden konnten, der gemäß dem Kriegsmaterialgesetz von uns beziehen kann, sodass das Bundesheer ausgediente Geräte dann in diese Länder verkauft. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

17.57



BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 158

Vizepräsident Reinhard Todt: Frau Bundesminister, herzlichen Dank für die umfas­sende Erklärung.

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen nunmehr zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

17.58.3525. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2011 betreffend Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Erleichterung von Ambulanz- und Rettungsflügen (1122 d.B. und 1336 d.B. sowie 8540/BR d.B.)

26. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2011 betreffend Kündigung der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Kärnten über einen gemeinsamen Hubschrauber-Rettungsdienst (1144 d.B. und 1337 d.B. sowie 8541/BR d.B.)

27. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2011 betreffend Kündigung der Ver­einbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Ober­österreich über einen gemeinsamen Hubschrauber-Rettungsdienst (1145 d.B. und 1338 d.B. sowie 8542/BR d.B.)

28. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2011 betreffend Kündigung der Ver­einbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Vorarlberg über einen gemeinsamen Hubschrauberdienst (1146 d.B. und 1339 d.B. sowie 8543/BR d.B.)

29. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2011 betreffend Kündigung der Ver­einbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Wien über einen gemeinsamen Hubschrauberdienst (1147 d.B. und 1340 d.B. sowie 8544/BR d.B.)

30. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2011 betreffend Kündigung der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Tirol über Hubschrauberdienste (1148 d.B. und 1341 d.B. sowie 8545/BR d.B.)


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 159

31. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2011 betreffend Kündigung der Ver­einbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Salzburg über einen gemeinsamen Hubschrauber-Rettungsdienst (1150 d.B. und 1342 d.B. sowie 8546/BR d.B.)

32. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2011 betreffend Kündigung der Ver­einbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Steiermark über einen gemeinsamen Hubschrauber-Rettungsdienst (1151 d.B. und 1343 d.B. sowie 8547/BR d.B.)

 


Vizepräsident Reinhard Todt: Wir kommen zu den Punkten 25 bis 32 der Tagesord­nung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter zu den Punkten 25 bis 32 ist Herr Bundesrat Kainz. Bitte um die Berichte.

 


18.00.10

Berichterstatter Christoph Kainz: Herr Präsident! Frau Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich erstatte Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2011 betreffend Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Erleichterung von Ambulanz- und Ret­tungs­flügen.

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor, und ich darf daher den Antrag stellen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben. (Präsidentin Mag. Neuwirth übernimmt den Vorsitz.)

Weiters berichte ich über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2011 betreffend Kündigung der Vereinbarung gemäß Art. 15a zwischen dem Bund und dem Land Kärnten über einen gemeinsamen Hubschrauber-Rettungsdienst.

Dieser Bericht liegt ebenfalls in schriftlicher Form vor, daher darf ich den Antrag stellen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich darf weiters berichten über den Beschluss des Nationalrates betreffend Kündigung der Vereinbarung zwischen dem Bund und dem Land Oberösterreich über einen gemeinsamen Hubschrauber-Rettungsdienst.

Da dieser Bericht ebenfalls in schriftlicher Form vorliegt, darf ich den Antrag stellen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich komme weiters zum Bericht über den Beschluss des Nationalrates betreffend Kündigung der Vereinbarung zwischen dem Bund und dem Land Vorarlberg über einen gemeinsamen Hubschrauberdienst.

Da der Bericht ebenfalls in schriftlicher Form vorliegt, darf ich den Antrag stellen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich komme weiters zum Bericht über den Beschluss des Nationalrates betreffend Kündigung der Vereinbarung zwischen dem Bund und dem Land Wien über einen gemeinsamen Hubschrauberdienst.

Dieser Bericht liegt ebenfalls in schriftlicher Form vor. Ich darf daher den Antrag stellen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 160

Ich komme weiters zum Bericht über den Beschluss des Nationalrates betreffend Kündigung der Vereinbarung zwischen dem Bund und dem Land Tirol über Hubschrau­berdienste.

Dieser Bericht liegt Ihnen ebenfalls in schriftlicher Form vor, und ich darf daher gleich den Antrag stellen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich darf weiters berichten über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli betreffend Kündigung der Vereinbarung zwischen dem Bund und dem Land Salzburg über einen gemeinsamen Hubschrauber-Rettungsdienst.

Dieser Bericht liegt Ihnen ebenfalls in schriftlicher Form vor, und ich darf daher zum Antrag kommen, gegen diesen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Schlussendlich darf ich berichten über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli betreffend die Kündigung der Vereinbarung zwischen dem Bund und dem Land Steiermark über einen gemeinsamen Hubschrauber-Rettungsdienst.

Dieser Bericht liegt Ihnen ebenfalls in schriftlicher Form vor, und ich darf daher auch hier den Antrag stellen, gegen diesen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ertl. – Bitte.

 


18.03.13

Bundesrat Johann Ertl (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Minister! Jeder kennt sie, und jeder ist froh, wenn er sie nicht braucht, und doch ist auch ein jeder froh, dass es sie gibt: die Rettungshubschrauber, die Rettungsflieger, die Flugrettung.

Heute diskutieren wir unter diesen Tagesordnungspunkten zwei verschiedene Punkte. Das eine ist das positive Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Schweiz. Diesem Abkommen werden wir zustimmen. Angesichts des steigenden Reise­verkehrs zwischen Österreich und der Schweiz (Bundesrat Mayer: Zwischen Vorarlberg und der Schweiz!) ist es richtig, sicherzustellen, dass verunglückte oder erkrankte Personen ohne viel Verwaltungsaufwand nach Hause geholt werden können. Das ist der eine Punkt.

Der zweite, eher problematische Bereich ist die Kündigung der Vereinbarung zwischen Bund und Ländern über einen gemeinsamen Hubschrauber-Rettungsdienst. Wie wir im Ausschuss gehört haben, wird hier eine positive Einrichtung, die perfekt funktioniert, die zur Zufriedenheit aller funktioniert, wegen zirka 4 Millionen € gekündigt. Anschei­nend sind das die Auswirkungen des Sparpakets, und es sind vermutlich die Auswir­kungen, dass wir viele Milliarden nach Griechenland schicken und für die eigene Bevölkerung kein Geld zur Verfügung haben. (Ironische Heiterkeit und Zwischenrufe bei ÖVP und SPÖ. – Bundesrat Gruber: Der Vergleich hinkt ein bisschen! Ein paar Millionen gegen Milliarden!)

Durch die Rettungshubschrauber werden viele Einsätze geflogen, und es werden viele Menschenleben gerettet. Dafür möchte ich diesen Einsatzkräften herzlichst danken.

Heute werden wir die 15a-Vereinbarung mit den Ländern Kärnten, Oberösterreich, Vorarlberg, Wien, Tirol, Salzburg und Steiermark hinsichtlich des gemeinsamen Hub­schrauber-Rettungsdienstes kündigen. Ich finde es schade, dass es in Österreich nicht


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 161

möglich ist, für die Österreicher ein einheitliches Flugrettungssystem zu installieren. Es fehlt hier lediglich der politische Wille, denn an diesen 4 Millionen dürfte es nicht scheitern.

Jedes Bundesland wird seine eigenen Vorstellungen umsetzen müssen. Grenzüber­schreitend soll es zu keinen Problemen kommen, haben wir im Ausschuss gehört. Das finde ich nicht so. Ich glaube, dass eher schon Probleme auftreten werden. Die Flug­rettung hatte in der Vergangenheit auch immer wieder bewegende Momente, wenn sich Verunfallte direkt bei den Rettern bedankten, aber es gab auch Personen, die nicht gerettet werden wollten, die sich versteckt haben vor der Flugrettung. (Heiter­keit. – Zwischenruf des Bundesrates Mayer.) Das war wirklich so. Es gab mehrere Fälle in Österreich. Aus Angst vor den hohen Kosten haben sich diese Leute vor einer Rettung versteckt. (Heiterkeit sowie Rufe und Gegenrufe zwischen Bundesräten von SPÖ und ÖVP.)

Der Flugrettungsdienst wird auch sehr häufig wegen kleinerer Probleme gerufen, und da stellt sich wirklich die Frage, ob es notwendig ist, hier einen Hubschrauber zu rufen, der den Patienten oder den angeblich Verunfallten bis ins Spital transportiert, und dann geht der wieder nach Hause. Da gibt es problematische Einsatzfälle, die dann gerade bei Freizeitunfällen zur Anwendung kommen und wo der Patient die Kosten dann selber übernehmen darf.

Aber ein ganz besonderer Moment für die Flugrettung war sicherlich der 24. Juni 1988. Damals hat Papst Johannes Paul II. einen Notarzthubschrauber mit den Worten gesegnet – ich zitiere –:

„... Herr, segne diesen Rettungshubschrauber, der bereit steht für Menschen, die in Not geraten! Er helfe, Leben zu retten, Kranke zu versorgen und Wunden zu heilen. Stehe den Ärzten und dem Sanitätspersonal bei ihrem Dienst zur Seite und stärke in allen Menschen die Bereitschaft zur gegenseitigen Hilfe ...!“

Durch die Rettungshubschrauber werden viele Einsätze geflogen, und es werden viele Menschenleben gerettet. Dafür möchte ich den Einsatzkräften noch einmal herzlichst danken. Ich wünsche unserem Flugrettungsdienst alles Gute. Mögen die Retter auch immer gesund nach Hause kommen. (Zwischenruf des Bundesrates Keuschnigg.)

Wir werden diesem Punkt aber nicht zustimmen, weil damit ein sehr gut funktionie­rendes Rettungssystem nur wegen 4 Millionen € zerstört wird.

Meine Damen und Herren! Eines darf nicht sein: Wenn ein Politiker Hilfe braucht, kommt der Bundesadler, und wenn das Volk Hilfe braucht, kommt der Pleitegeier! – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

18.09


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Saller. – Bitte.

 


18.09.09

Bundesrat Josef Saller (ÖVP, Salzburg): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! – Herr Kollege Ertl! Ich glaube, man sollte in dieses Thema nicht Dinge hineinprojizieren, die es nicht gibt. Verquickungen mit Geld, mit Griechenland und sonstigen Dingen, die passen hier nicht her. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ. – Bundesrat Ertl: Man wird seine Meinung zum Ausdruck bringen dürfen!)

Tatsache ist, dass die Vereinbarung der Flugrettung Sache der Länder ist. Davon muss man ausgehen, daran können wir nichts ändern, und es gibt nicht eine einfache Abschiebung des Problems an den Bund. Das ist so nicht möglich. Wir haben in dieser Sache die unterschiedlichsten Anforderungen und Situationen.


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 162

Die einzelnen Bundesländer haben völlig verschiedene Voraussetzungen und ver­schiedene Anforderungen. Es ist einfach von Vorarlberg bis Tirol alles anders. In den Tourismuszentren des Wintersports – Salzburg, Tirol – muss die Flugrettung den ganzen Tag fliegen. Es ist alles verschieden und es ist nicht alles erfüllbar. Die Anfor­derungen waren in dieser Form nicht mehr zu koordinieren.

Tatsache ist, dass wir die Flugrettung brauchen, darüber sind wir uns einig. Es sind auch die Punkte zu beachten, die man dazu braucht. Wir brauchen Versorgungs­garantie und Versorgungssicherheit, wir brauchen ein Flugrettungssystem, das alle gleich behandelt. Wir brauchen die Flugrettung für Notfallsituationen und außerge­wöhnliche Situationen, und nicht zuletzt ist sie ein wichtiger Bestandteil im gesamten Rettungswesen.

Ich muss noch kurz anführen, dass wir in Salzburg hier beispielgebend, auf einem guten Weg und kurz vor dem Abschluss sind. Ich kann das nur weiterempfehlen. Der Landesrettungskommandant in Ruhe Gerhard Huber ist vom Land beauftragt worden. Er ist ein erfahrener Mann, im In- und Ausland bekannt und hat mit einer Arbeitsgruppe mit allen Beteiligten ein Konzept, ein Modell ausgearbeitet. Das war ein Jahr Arbeit, es wird jetzt fertig und im Herbst beschlossen. Das Rote Kreuz übernimmt das Gesamtpaket, das heißt, das Rote Kreuz kauft die Dienstleistungen ein – Hub­schrau­ber und Pilot, die Retter haben sie selbst. Das Rote Kreuz ist der Auftraggeber, der alleinige Verrechner. Es gibt keine Konkurrenz, ob das der ÖAMTC oder Private sind. Alle sind ein Jahr lang an einem Tisch gesessen, und wir sind kurz vor dem Abschluss. Da schaut etwas Ordentliches heraus, und das muss man speziell betrachten.

Das ist nur möglich, wenn gut zusammengearbeitet wird, wenn es keine partei­politischen Grenzen gibt, wenn die Betreiber mit eingebunden sind und das alles zum Wohle der Patienten geschieht. Das wollen wir alle, und da sind wir uns einig. – Danke. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Ertl: Das funktioniert ja alles bereits!)

18.12


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Dönmez zu Wort. – Bitte.

 


18.12.37

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrte Frau Ministerin! In den vergangenen Jahren ist die Zahl der Unfälle, vor allem der Freizeitunfälle in den Bergen, massiv angestiegen. Um nicht durch Grenz­formalitäten aufgehalten zu werden, haben wir das vorliegende Abkommen, das unprob­lematische grenzüberschreitende Rettungs- und Ambulanzflüge mit der Schweiz erlaubt. Wir halten dieses Abkommen für sinnvoll und werden dem auch zustimmen.

Ganz anders verhält es sich bei den Kündigungen der 15a-Vereinbarungen mit den Ländern, was die Neuordnung der Flugrettung anlangt. Es ist nicht gelungen, ein effizientes und schlankes System zu installieren. In Oberösterreich haben wir unsere Hausaufgaben schon letztes Jahr erledigt und das Rettungsgesetz geändert. Nun mussten wir die Entscheidung des Bundes über die Kündigung der 15a-Verein­barungen abwarten. Die liegt jetzt vor, und es wird genau das eintreffen, was wir befürchtet haben: Für die SteuerzahlerInnen wird die Verländerung teurer.

Am wichtigsten ist wohl, dass zumindest die Versorgung weitgehend gesichert bleibt. Mit dem Rückzug des ÖAMTC ist auch ein Stück Privatisierung gescheitert, und zwar eine Privatisierung, die gut funktioniert hat. Der ÖAMTC hat bisher immer sehr gute Dienstleistungen erbracht. Nun liegen wieder alle Aufgaben beim Staat, laut Verfassung bei den Bundesländern. Leider konnten die verschiedenen Behörden, Organisationen, Körperschaften und Geldgeber keine gemeinsame Lösung finden.


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 163

Auch die Kritik des Rechnungshofes nützte offenbar nichts. Dass die öffentliche Ver­waltung eine möglichst unkomplizierte und einfache Lösung nicht zustande brachte, ist zu bedauern. Deshalb werden wir den anderen Punkten nicht zustimmen. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten der FPÖ.)

18.14


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste ist Frau Bundesrätin Posch-Gruska zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


18.14.46

Bundesrätin Inge Posch-Gruska (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Zu meinen Vorrednern – zwei Männer waren es, die Contra gesprochen haben – darf ich vorerst einmal sagen, dass auch mit diesem neuen System weiterhin der Mensch mit allen medizinisch notwendigen und technischen Versorgungen im Mittelpunkt bleibt.

Es gibt in der Zeitung „Christophorus“ eine sehr gute Auflistung, wie es in den einzel­nen Bundesländern weitergeht. Alle Bundesländer haben zu einer guten, einver­nehmlichen Lösung gefunden, die auch akzeptiert wird. Es gibt kein einziges Bundes­land, das mit dieser Lösung Schwierigkeiten hätte. Daher denke ich, dass wir als Länderkammer ruhigen Gewissens zustimmen können.

Bei dieser bunten Regierung, die es gegeben hat, hat sich ja auch ein Sinneswandel vollzogen. Frau Haubner hat noch am 23. Oktober gesagt, dass die Regierung, was die Flugambulanz betrifft, mit den Verhandlungen leider gescheitert ist. Herr Abgeordneter zum Nationalrat Hagen hat am 7. Juli 2011, also erst vor wenigen Tagen, gesagt, dass die Länderlösung eigentlich eine sehr vernünftige Lösung ist. Vielleicht kann man beim genaueren Nachdenken und Recherchieren und vor allem bei Gesprächen mit den Ländern darauf kommen, dass diese Lösung doch eine sehr gute ist.

Ich möchte darauf verweisen, dass das Innenministerium – wenn Sie das vielleicht der Kollegin weiterleiten können – und das Gesundheitsministerium sehr bemüht darum waren, eine gemeinsame Lösung zu finden, aber leider gescheitert sind. Das muss man zur Kenntnis nehmen, die Länder in ihrer Verantwortung lassen und sie unter­stützen.

Der ÖAMTC ist sehr viele Einsätze geflogen – das ist heute schon einige Male erwähnt worden. Ich habe mir das genauer angesehen und möchte die Zahlen kurz ansprechen. Ich bin sonst kein Zahlenmensch, aber das war wirklich sehr beein­druckend. Im Jahr 2009 sind 13 930 Flugeinsätze geflogen worden. Wenn man das auf den Tag umrechnet, kann man sagen, dass 38 Flugeinsätze pro Tag vom ÖAMTC geflogen wurden. Knapp 13 000 Personen sind mit insgesamt 16 Notarzthub­schrau­bern versorgt worden. Wenn ich alle Flugminuten zusammenzähle, wäre ein Hub­schrauber 244 Tage unterwegs. Ich denke, das ist wirklich eine sehr große Leistung, die erbracht wurde. Auch ich möchte allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Teams sehr herzlich für diesen Einsatz danken, der ganz sicherlich oft auch an ihre Grenzen gegangen ist.

Wenn man betrachtet, wer gerettet werden musste, so waren 43 Prozent aus internis­tischen oder neurologischen Gründen zu retten. 2 321 Einsätze waren wegen Unfällen in der Arbeit, der Schule oder der Freizeit nötig. Nur 10 Prozent davon waren Verkehrs­unfälle. Diese Zahl hat mich sehr verwundert, weil sie eigentlich sehr gering ist, ich hätte das höher eingeschätzt.

Ich möchte trotzdem hinterfragen, ob alle diese Einsätze wirklich sinnvoll sind. Erst gestern ist unsere burgenländische Wochenzeitung gekommen, und es war ein großer Artikel darüber drinnen, dass ein Vizebürgermeister mit seinem Motorrad gestürzt ist


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 164

und mit dem Notarzthubschrauber abgeholt wurde. Es war dann nur ein Armbruch. Solche Sachen gehören sehr wohl hinterfragt. Es ist aber egal, ob es eine Bundes- oder eine Länderlösung gibt, das ist auf jeden Fall zu hinterfragen und hat damit nichts zu tun. Ich glaube schon, dass sehr viele Einsätze hinterfragt gehören.

Es hat nie ein bundeseinheitliches Gesetz gegeben, denn die Bundesländer Burgen­land und Niederösterreich waren von Anfang an nicht dabei, sie hatten schon immer eine bundesländerspezifische Lösung. Wir im Burgenland haben bereits 1984 mit dem ÖAMTC einen Vertrag abgeschlossen und das jetzt auch im Norden gesichert. Das heißt, bei uns ist die Absicherung für alle Patientinnen und Patienten hervorragend gegeben. Es gibt keine Fälle, dass irgendjemand, der verletzt ist, nicht abgeholt worden wäre. Ich denke, das ist im Sinne dieses Gesetzes. Daher wird meine Fraktion diesem Gesetz natürlich sehr gerne zustimmen, und wir werden auch dem Überein­kommen zwischen Österreich und der Schweiz sehr gerne zustimmen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

18.19


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gelangt Frau Bundesministerin Dr. Fekter. – Bitte.

 


18.19.27

Bundesministerin für Finanzen Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein ursprünglich fast unlösbares Problem kommt jetzt zu einem guten Ende. Es ist nämlich so, dass die Bundesländer sich noch Anfang der achtziger Jahre gerne der Fluggeräte der Polizei bedient und auch die Flughafeninfrastruktur zum Aufbau einer flächendeckenden Flugrettung genützt haben. Damals haben sieben Bundesländer 15a-Vereinbarungen abgeschlossen, zwei Bun­desländer nicht.

Niederösterreich hat das Problem Flugrettung immer selbst gelöst. Auch das Burgen­land hatte keine Artikel-15a-Vereinbarung mit dem Bund. Zudem hat Niederösterreich traditionell auch die Wiener gleich mit gerettet, weil der Flugplatz, die Flugplatz­infrastruktur auf niederösterreichischem Boden war und daher die Flugrettung von Niederösterreich mit betreut worden ist. Das ist jetzt auch wieder so. Niederösterreich hat einen Vertrag mit den Wienern, sie und die Burgenländer lösen das so wie bisher.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hier ist die Länderkammer. Es geschieht selten, dass Kompetenzen, die den Ländern gehören, den Ländern zur Gänze zurück­gegeben werden. Daher war es nicht eine Frage des Geldes alleine, sondern eine Föderalismusfrage, weil mit den Ländern keine Einigung zu erzielen war, ein schlankes einheitliches Bundessystem zu schaffen.

Der ÖAMTC hat gekündigt. Seit Anfang der achtziger Jahre bis heute hat es doch einen gravierenden Wandel vom ursprünglichen Mangel an geeigneten Fluggeräten zu einer Überkapazität an geeigneten Hubschraubern gegeben – Firmen, die genau dieses Geschäft betreiben, EU-Richtlinien, wie solche Hubschrauber auszusehen haben. Und es gab den massiven Wunsch der Länder, die Fluginfrastruktur möglichst dicht bei den Patienten zu haben. Das heißt, es gab ein ursprüngliches Konzept vom Hauptverband im Hinblick auf die Kosten, die, wenn der Einsatz medizinisch gerechtfertigt ist, die Sozialversicherungen tragen. Bei einem Verkehrsunfall – Bürger­meister mit Motorrad – ist nicht automatisch von vornherein erkennbar, ob der Hub­schraubereinsatz gerechtfertigt ist oder nicht. Er hätte innere Blutungen haben können, an denen er stirbt, wenn kein Hubschrauber kommt. (Bundesrätin Posch-Gruska: Trotzdem wäre die Rettung schneller gewesen in diesem Fall! Es muss ja nicht immer so sein!) Es ist massiv bekrittelt worden, dass sich sehr oft im Nachhinein herausstellt,


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 165

ob der Einsatz medizinisch gerechtfertigt war oder nicht, und es dann zu einer Kosten­überwälzung auf die Patienten kam.

Der Hauptverband hätte mit 16 auf Österreich verteilten Standorten das Auslangen gefunden. Das hätte aber bedeutet, dass man in manchen Bereichen länderüber­greifend arbeiten müsste. Denken Sie an Oberwart, Hartberg et cetera! Wenn dort auf der Autobahn etwas passiert, ist es nicht so eindeutig der Steiermark oder dem Burgenland zuteilbar. Da hätte es Sinn machen können, auch länderübergreifend zu fliegen. Das haben die Länder nicht gewollt. Wir haben derzeit über 36 Standorte für die Flugrettung – also eine exorbitante Überkapazität. In den Schigebieten ist es eine Cashcow, Rettungsflüge durchzuführen. Am flachen Land, wo man wirklich nur die Unfälle fliegt, sind die Vorhaltekosten exorbitant und der Ertrag gering.

In einem zweijährigen intensiven Verhandlungsmarathon war mit den Ländern eine Einigung auf eine schlanke Variante nicht machbar. Weil ja die Rettung gewährleistet ist, habe ich damals als Innenministerin entschieden, dass diese Kompetenz Landes­kompetenz ist, die Kompetenz geht zurück an die Länder, aber erst zu dem Zeitpunkt, wenn die Länder gerüstet sind, die Gesetze im Rettungswesen geändert und eventuell schon Verträge abgeschlossen haben. Wir haben auch sichergestellt, dass der ÖAMTC – der den Vertrag ja selbst gekündigt hat – so lange noch auf Bundeskosten fliegt, bis die Länder das alles geregelt haben.

Das funktioniert gut. Die Länder sind gut aufgestellt. Jene im touristischen Bereich können ihren Gästen und Patienten ein sehr dichtes Netz zur Verfügung stellen. Hier in Wien wird die Flugrettung gemeinsam mit Niederösterreich organisiert und vor allem im Burgenland auch über den ÖAMTC. Auch der ÖAMTC hat eine eigene Gesellschaft, die die Rettungsflüge in den Schigebieten macht, weil dort Einnahmen zu lukrieren sind. Über den gemeinnützigen Verein Christophorus macht er die anderen Flüge. Auch das muss man im Hintergrund wissen.

Wenn man sich das gesamte Kostengefüge anschaut, ist es nicht gerechtfertigt, dass man diese Kompetenz beim Bund belässt. Man kann das pragmatisch vor Ort, nahe beim Patienten, mit der Wirtschaft zusammen, mit den Rettungsorganisationen zusammen besser organisieren als zentral von Bundesseite her.

Ich bin überzeugt davon, dass die meisten Bundesländer ihre Ausschreibungen in Kürze erledigt haben werden und nach den Bedürfnissen der jeweiligen Rettungs­fluginfrastruktur entsprechend versorgt sein werden.

Ich bin heute durch die Vertretung von Frau Ministerin Mikl-Leitner dazu gekommen, Ihnen zu erklären, was ich in den letzten beiden Jahren diesbezüglich getan habe. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

18.27


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Danke, Frau Ministerin.

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2011 betreffend Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Schwei­zerischen Eidgenossenschaft über die Erleichterung von Ambulanz- und Rettungs­flügen.


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 166

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. (Bundesrat Mag. Pisec: Einhellig­keit!) – Einhelligkeit? Alle zeigen da nicht auf. Der Antrag ist somit angenommen.

Nun gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2011 betreffend die Kündigung der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Kärnten über einen gemeinsamen Hubschrauber-Rettungsdienst.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2011 betreffend die Kündigung der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Oberösterreich über einen gemeinsamen Hubschrauber-Rettungsdienst.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nun gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2011 betreffend die Kündigung der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Vorarlberg über einen gemeinsamen Hub­schrau­berdienst.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Weiters kommen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2011 betreffend die Kündigung der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwi­schen dem Bund und dem Land Wien über einen gemeinsamen Hubschrauberdienst.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Damit gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2011 betreffend Kündigung der Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Tirol über Hubschrauberdienste.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir kommen somit zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2011 betreffend Kündigung der Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Salzburg über einen gemeinsamen Hubschrauber-Ret­tungsdienst.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nunmehr gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2011 betreffend die Kündigung der Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 167

zwischen dem Bund und dem Land Steiermark über einen gemeinsamen Hub­schrauber-Rettungsdienst.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

18.31.1833. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Aktiengesetz, das Spaltungsgesetz, das EU-Verschmelzungsgesetz, das GmbH-Gesetz, das SE-Gesetz, das Firmenbuchgesetz, das Depotgesetz, das Kapitalberichtigungsgesetz und das Gerichtsgebührengesetz geändert werden (Gesellschaftsrechts-Änderungsgesetz 2011 – GesRÄG 2011) (1252 d.B. und 1278 d.B. sowie 8548/BR d.B.)

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir kommen zum 33. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Schennach. Ich bitte um den Bericht.

 


18.31.30

Berichterstatter Stefan Schennach: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geschätzte Frau Bundesministerin! Ich bringe den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Aktiengesetz, das Spaltungsgesetz, das EU-Verschmelzungsgesetz, das GmbH-Gesetz, das SE-Gesetz, das Firmenbuchgesetz, das Depotgesetz, das Kapitalberichti­gungsgesetz und das Gerichtsgebührengesetz geändert werden. Das ist das soge­nannte Gesellschaftsrechts-Änderungsgesetz 2011.

Der Text liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; daher komme ich gleich zur Antrag­stellung.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 19. Juli 2011 mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Danke für den Bericht.

Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen somit zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bunderäte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit ange­nommen.

18.33.0134. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch (StGB) und das Staatsanwaltschaftsgesetz geändert werden (1507/A und 1279 d.B. sowie 8549/BR d.B.)

35. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Strafprozessordnung 1975 geändert wird (1580/A und 1280 d.B. sowie 8550/BR d.B.)

 



BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 168

Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Nun kommen wir zu den Punkten 34 und 35 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Ich begrüße zu diesen Punkten Frau Justizministerin Dr. Karl ganz herzlich bei uns im Bundesrat. Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

Berichterstatter zu den Punkten 34 und 35 ist Herr Bundesrat Füller. Ich bitte um die Berichte.

 


18.33.37

Berichterstatter Christian Füller: Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch und das Staatsanwaltschaftsgesetz geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen allen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 19. Juli 2011 den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Auch der zweite Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Strafprozessordnung 1975 geändert wird, liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 19. Juli 2011 den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Brückl. – Bitte.

 


18.34.38

Bundesrat Hermann Brückl (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Zum Tagesordnungs­punkt 35 ist zu sagen, dass wir, die Freiheitliche Partei, zum einen die Schaffung der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft mitgetragen haben, und zum anderen, dass die zu beschließenden Änderungen von uns als notwendige Evaluierungen angesehen werden.

Wir werden diesem Antrag unsere Zustimmung erteilen – auch weil wir es als sinnvoll ansehen, dass man der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft entsprechende Kernkompetenzen zuteilt und dafür Sorge trägt, dass sie die personellen Strukturen bis Ende 2012 in Ruhe aufbauen kann.

Was allerdings die Änderungen des Strafgesetzbuches und des Staatsanwalt­schafts­gesetzes betrifft – Punkt 34 –, die sich ja auf die Vorratsdatenspeicherung beziehen, stellen diese zwar Verbesserungen dar, aber da wir Freiheitlichen diese Vorrats­daten­speicherung insgesamt und an sich schon ablehnen, wird es dafür von uns keine Zustimmung geben und auch nicht geben können.

Die Vorratsdatenspeicherung sowie alle anderen Maßnahmen, die der Überwachung dienen  wie die Fluggastdatenspeicherung, das SWIFT-Abkommen, das Forschungs­projekt INDECT der Europäischen Union, bei dem die technischen Überwachungs­mittel gebündelt und pauschal gegen alle Bürger eingesetzt werden sollen , stellen eine klare Verletzung der Freiheits- und Grundrechte unserer Bürger dar.

Sogar die EU-Kommission selbst hat in ihrem Evaluierungsbericht festgestellt, dass die Datenspeicherungsrichtlinie im Widerspruch zu Freiheits- und Grundrechten steht.


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 169

Die Vorratsdatenspeicherung, sehr geehrte Damen und Herren, stellt für uns Freiheit­liche kein taugliches Mittel zur präventiven Bekämpfung des globalen Terrorismus dar, als das sie uns immer angepriesen wird. Sie kann im schlimmsten Fall lediglich als ein Instrument der Bespitzelung gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt werden. Daher lehnen wir diesen Gesetzesvorschlag ab. (Beifall bei der FPÖ.)

18.36


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Dr. Brun­ner zu Wort. – Bitte.

 


18.36.59

Bundesrat Dr. Magnus Brunner, LL.M (ÖVP, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Ich hoffe, dass beide Damen von den Bregenzer Festspielen nach Wien mit guten Eindrücken zurückgekehrt sind.

Die Vorratsdatenspeicherung leistet aus meiner Sicht einen sehr wichtigen Beitrag zur Bekämpfung der Kriminalität. Andererseits ist es natürlich wichtig, dass mit diesen Daten sorgfältig umgegangen wird, keine Frage, und dass darauf geachtet wird, dass da kein Missbrauch betrieben wird.

Dieser Beschluss heute betrifft ja eine Begleitmaßnahme, die eben diesen zusätzlichen Schutz bieten soll, nämlich eine Sanktionierung des Missbrauchs von Vorratsdaten. Ich glaube, dass man diesen Begleitmaßnahmen auch im Sinne eines zusätzlichen Schut­zes mit ruhigem Gewissen zustimmen könnte, auch wenn man, wenn es um Vorrats­datenspeicherung geht, prinzipielle Bedenken haben sollte.

Bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft wollen wir heute ein gestaf­feltes Inkrafttreten beschließen – das deshalb, weil sich die Vorbereitungen etwas verzögert haben. Es muss aber schon gewährleistet sein, und dafür treten wir auch ein, dass in großen Wirtschaftsverfahren effizient ermittelt werden kann, weshalb eben auch entsprechendes Wissen und Sachkompetenz vorhanden sein muss. Daher macht aus unserer Sicht diese Verschiebung sehr wohl Sinn. Ich glaube auch, dass die Politik da sehr verantwortungsvoll handelt. Sie geht auch auf Befürchtungen und Sorgen der Richterschaft ein.

Erlauben Sie mir nur noch einen Satz zum Ruf der Justiz prinzipiell, der Richterschaft und der Staatsanwaltschaft im Allgemeinen: Ich würde sagen, die Justiz hat keine einfache Zeit hinter sich. Wir haben gerade bei uns in Vorarlberg Dinge erlebt, die das Vertrauen in die Justiz nicht unbedingt gesteigert haben. Ich glaube aber, und so nehme ich es vor allem in Vorarlberg wahr, unter anderem in Gesprächen mit dem Landesgerichtspräsidenten, dass die Bemühungen sehr, sehr groß sind und dass die Justiz erkannt hat, dass sie sich mehr in Richtung eines Dienstleisters entwickeln muss, um das Vertrauen wieder zurückzugewinnen.

Das sehen eben auch die Verantwortlichen so. Die Justiz ist diesbezüglich insgesamt, meine ich, sehr bemüht und auf einem sehr guten Weg, das Vertrauen wieder zurückzugewinnen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

18.39


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste gelangt Frau Bundesrätin Dr. Kickert zu Wort. – Bitte.

 


18.40.03

Bundesrätin Dr. Jennifer Kickert (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Zu Punkt 34: Bei diesen Änderungen im Strafgesetzbuch und im Staatsanwaltschaftsgesetz geht es ja, wie schon erwähnt worden ist, um Nach­besserung bei der Umsetzung der Vorratsdatenspeicherung.


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 170

Dass und warum wir Grünen der Vorratsdatenspeicherung kritisch gegenüberstehen, habe ich bereits in der Diskussion vor nicht ganz zwei Monaten erläutert. An dieser Beurteilung hat sich nichts geändert. Die Vorratsdatenspeicherung ist weiterhin eine Präventivüberwachung von Menschen, die sich nichts zuschulden kommen haben lassen. Ich bleibe bei meiner Einschätzung, die ich vor zwei Monaten erwähnt habe, dass dieses Gesetz sowohl die österreichische Verfassung als auch den Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention verletzt.

Nun zu den zwei erwähnten Änderungen: Selbst wenn der erste Teil der Änderungen, nämlich die Ausweitung des Tatbestandes der verbotenen Veröffentlichung von Ermittlungsergebnissen auch auf die Veröffentlichung von Vorratsdaten, richtig ist, muss ich im Gegensatz zu dem, was Sie, Kollege Brunner, gesagt haben, feststellen, dass gleichzeitig viele andere ebenso wesentliche Lücken im Gesetz bleiben, nämlich was die Berichtspflichten oder Regelungen zur Datensicherheit betrifft – alles schon vor zwei Monaten erwähnt.

Die zweite Maßnahme, das Vieraugenprinzip der StaatsanwältInnen für die Auskunft von Stamm- und Zugangsdaten ist aus unserer Sicht unzureichend. Es ist eine Kon­trolle innerhalb der Behörde zwischen weisungsgebundenem Staatsanwalt und eben­falls weisungsabhängigen Mitarbeitern oder Mitarbeiterinnen – und das nur im Zuge einer Revision. Aus unserer Sicht wäre eine richterliche Kontrolle wesentlich wertvoller, notwendiger gewesen als eine wechselseitige Kontrolle unter den MitarbeiterInnen der Staatsanwaltschaft.

Dass bereits wenige Wochen nach Beschlussfassung eines Gesetzes Nachbesse­rungen nötig sind, spricht leider nicht für die Qualität des vor zwei Monaten beschlos­senen Gesetzes. Deswegen werden wir dieses Gesetz ablehnen – wegen dieser Erläu­terungen sowie wegen der grundsätzlichen Beurteilung der Vorratsdatenspeicherung.

Zur Änderung der Strafprozessordnung werde ich mich, um mich kurz zu fassen, mehr oder weniger meinen Vorrednern anschließen. Ja, es ist eine sinnvolle Verschiebung, und da wir die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft unterstützt haben, wer­den wir diesen Punkt natürlich ebenfalls unterstützen. – Danke. (Beifall bei den Grü­nen.)

18.43


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste gelangt Frau Bundesrätin Mag. Duzdar zu Wort. – Bitte.

 


18.43.28

Bundesrätin Mag. Muna Duzdar (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu diesen Gesetzes­änderungen ist ja schon einiges gesagt worden, deshalb werde ich mich ganz kurz fassen und mich auf den Gesetzesbeschluss beschränken, mit dem die Strafprozess­ordnung geändert werden soll.

Erinnern wir uns: Im Dezember letzten Jahres haben wir ein strafrechtliches Kom­petenzpaket beschlossen. Angesichts der Vielzahl an hochkomplexen Verfahren im Bereich der Wirtschaftskriminalität haben wir den Ausbau der Korruptionsstaats­anwalt­schaft, die Schaffung einer zentralen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirt­schaftskriminalität und Korruption und, damit verbunden, einen Katalog aus gesetzlich festgelegten Zuständigkeiten beschlossen. Dieser neu geschaffenen Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft haben wir die Möglichkeit gewährt, bestimmte Verfahren an sich zu ziehen.

Bei diesem jetzigen Gesetzesbeschluss, der auf einen Gesetzesantrag von einigen Nationalratsabgeordneten zurückgeht, geht es primär darum, jetzt, wo diese Staatsan­


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 171

waltschaft mit 1. September 2011 ihre Arbeit aufnehmen sollte, rechtzeitig die Eigenzuständigkeit einzuschränken. So soll bei bestimmten Delikten wie zum Beispiel der Geschenkannahme die Staatsanwaltschaft nur bei einem Wert, der 3 000 € über­steigt, zuständig sein, sowie auch bei Bilanzfälschungsdelikten bei einem Stamm­kapital von 5 Millionen € und 2 000 Beschäftigten.

Dies hat den Hintergrund, wie uns auch Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen aus dem Justizministerium berichtet haben, dass die Befürchtung im Raum steht, dass diese Korruptionsstaatsanwaltschaft sonst mit unzähligen Verfahren überlaufen werden würde und jede Strafanzeige, die mit dem Begriff Korruption zusammenhängt, sofort die Zuständigkeit dieser Staatsanwaltschaft begründen würde.

Wie bereits gesagt, soll diese mit 1. September die Arbeit aufnehmen. Wir haben auch schon gehört, dass die Planstellen nicht rechtzeitig besetzt werden konnten und die Strukturen eben noch nicht vollständig neu besetzt oder aufgebaut worden sind. Deshalb wird es in diesem Bereich eine Verschiebung der Zuständigkeiten geben. Allerdings sollen zumindest die Kernkompetenzen schon mit dem 1. September zugewiesen werden – das sind vor allem Wirtschaftsdelikte mit besonders hohem Schaden.

Die Abmilderung hat vor allem den Grund, dass wir großes Interesse daran haben, dass gerade in der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft sehr gute und sehr fähige JuristInnen und WirtschaftsexpertInnen sitzen. Deshalb ist es, glaube ich, sinnvoll, diesem Gesetzesbeschluss zuzustimmen, weil eben nur eine Personalauf­stockung und die Zurverfügungstellung von Budgetmitteln auch tatsächlich gewährleis­tet, dass die Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität effizient verfolgt wird. Daher werden wir diesem Gesetzesbeschluss jedenfalls zustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

18.46


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gelangt Frau Bundesministerin Dr. Karl. – Bitte.

 


18.46.53

Bundesministerin für Justiz Mag. Dr. Beatrix Karl: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Mitglieder des Bundesrates! Herr Bundesrat Brückl hat völlig zutreffend festgestellt, dass die unter TOP 34 vorliegende Änderung tatsächlich eine Verbes­serung darstellt. Im Rahmen der Umsetzung der EU-Richtlinie zur Vorratsdaten­speicherung ist es ja auch notwendig, den Schutz vor missbräuchlicher Verwendung der auf diesem Wege erlangten Informationen auszuweiten.

Derartige Datenauskünfte von den Staatsanwaltschaften sollen daher nur mehr streng nach dem Vieraugenprinzip angeordnet werden dürfen. Als weiterer Punkt ist vorge­sehen, dass Personen, die gespeicherte Daten unzulässig veröffentlichen, mit einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder einer Geldstrafe von bis zu 360 Tages­sätzen belegt werden können. Es ist also tatsächlich eine Verbesserung und es freut mich, dass hier sehr positive Wortmeldungen dazu zu hören waren.

Damit komme ich gleich zu TOP 35. Durch die vorgesehene Modifizierung soll der Fokus der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft zu Beginn nur auf die mitt­lere und schwere Wirtschafts- und Korruptionskriminalität gelegt werden. Das heißt, es werden mit 1. September dieses Jahres nur die Delikte dieser Wirtschafts- und Korrup­tionsstaatsanwaltschaft zugewiesen, die schwere und mittlere Wirtschafts- und Korruptionsfälle betreffen. Die übrigen Zuständigkeiten werden erst im Jahr darauf, also am 1. September 2012, der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft zuge­wiesen.


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 172

Was wird damit bezweckt? – Es geht zum einen darum, sicherzustellen, dass die not­wendigen Planstellen tatsächlich besetzt werden können, dass die Planstellen, die bereits vorhanden sind, auch wirklich fristgerecht besetzt werden können. Zum ande­ren geht es natürlich auch darum, dass die Strukturen geschaffen werden sollen, mit denen die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft auch tatsächlich effizient arbeiten kann.

Es wurde heute bereits von mehreren Sprechern angesprochen, dass die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft eine wichtige Einrichtung ist. Da ist es uns natürlich besonders wichtig, dass die WKStA auch tatsächlich und sehr gut funktioniert.

Herr Bundesrat Brunner hat auch das Vertrauen in die Justiz angesprochen und dass dieses von großer Bedeutung ist – auch das möchte ich unterstreichen. Er hat in diesem Zusammenhang auch auf die Vorfälle in Vorarlberg hingewiesen. Ich möchte in diesem Zusammenhang klarstellen, dass es natürlich überall Fehler gibt. Wo gearbeitet wird, passieren Fehler, und das gilt natürlich auch für die Justiz. Folgendes ist mir besonders wichtig: Wenn Fehler in der Justiz passieren, dann muss alles unternom­men werden, um diese Fehler zu bereinigen und auszumerzen. Und das ist gerade in Vorarlberg sehr gut gelungen. Ich hatte gestern nicht nur die Gelegenheit, die Bregenzer Festspiele zu besuchen, sondern ich war auch am Bezirksgericht Dornbirn und habe dort sehr ausführliche Gespräche geführt und konnte mich tatsächlich davon überzeugen, dass in Vorarlberg alles unternommen wurde und unternommen wird, um die Fehler, die dort innerhalb der Justiz begangen wurden, tatsächlich auszumerzen, damit eben das Vertrauen in die Justiz wiederhergestellt werden kann. Ich möchte mich an dieser Stelle auch bei allen bedanken, die in Vorarlberg daran mitgewirkt haben, dass diese Fälle tatsächlich so gut aufgearbeitet worden sind und aufgearbeitet werden. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

18.50


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt ge­trennt.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch und das Staats­anwaltschaftsgesetz geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nun kommen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Strafprozessordnung 1975 geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit ange­nom­men.


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 173

18.51.3936. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Ermächtigung zur Übernahme der Rücker­stat­tung der Kühlgeräteentsorgungsbeiträge erlassen und das Bundesgesetz zur Rückführung der Kühlgeräteentsorgungsbeiträge der Konsumenten aufgehoben wird (1389/A und 1281 d.B. sowie 8551/BR d.B.)

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir gelangen nun zum 36. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist wiederum Herr Bundesrat Schennach. Ich bitte um den Bericht.

18.52.06

Berichterstatter Stefan Schennach: Frau Präsidentin! Ich bringe einen weiteren Bericht des Justizausschusses zur Kenntnis, nämlich über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundes­ge­setz über die Ermächtigung zur Übernahme der Rückerstattung der Kühlgeräteent­sorgungsbeiträge erlassen und das Bundesgesetz zur Rückführung der Kühlgeräte­entsorgungsbeiträge der Konsumenten aufgehoben wird.

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor; ich komme daher sogleich zur Antragstellung.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 19. Juli 2011 mit Stim­men­mehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte.

 


18.53.02

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Jetzt muss ich ein bisschen ausholen, um die Thematik zu erläutern.

Es geht – kurz gefasst – um die Gutscheine, die man einmal eine Zeit lang kaufen musste, und zwar bis zum Jahr 2005, um Kühlgeräte, die man kauft, dann auch wieder kostenlos entsorgen zu können. Das heißt, es haben damals, in ungefähr 10 Jahren, sehr viele KonsumentInnen einen Kühlschrank gekauft und dann einen Gutschein dazubekommen beziehungsweise mit erworben, und dieser liegt jetzt irgendwo und soll irgendwann einmal eingelöst werden können.

In der Zwischenzeit gibt es eine EU-Richtlinie und aufgrund dieser EU-Richtlinie auch eine österreichische Gesetzgebung, die an und für sich auch ohne Gutschein die kostenlose Entsorgung von Kühlgeräten garantiert. Das heißt, dieses ganze System ist obsolet geworden, und es liegt jetzt in einer Privatstiftung eine ganze Menge Geld – wie viel genau wissen wir leider nicht –, um diese Gutscheine, die in diversen Haushalten auf eine Einlösung warten, irgendwann einmal refundieren und ausbezah­len zu können.

Es ist jetzt beim Budgetbegleitgesetz mitbeschlossen worden, dass die Millionen oder die Beträge, die in dieser Stiftung liegen, dem Bund zur Verfügung gestellt werden, um möglichst adäquate, umweltfreundliche Investitionen damit zweckgebunden zu setzen. Dann ist aber offensichtlich – so genau weiß man den Hergang nicht, vielleicht können Sie, Frau Bundesministerin, uns diesen erklären – irgendjemand auf die Idee gekom­men, das wäre eine Enteignung dieser Stiftung. Die Stiftung wollte sich offensichtlich


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 174

nicht enteignen lassen, und jetzt geht es offensichtlich – wieder offensichtlich, weil Antworten in diesem Bereich sehr häufig fehlen – um einen Kompromiss.

Auch dieser Kompromiss ist sehr unklar. Klar ist: Es geht um 24 Millionen €, die jetzt an den Bund überwiesen werden sollen, wofür dann der Bund mehr oder weniger dafür sorgen soll, dass eventuell KonsumentInnen, die einen Kühlschrankgutschein noch einlösen wollen, diesen auch einlösen können.

Aber wir wissen eben nicht, um wie viel Geld es insgesamt gegangen ist oder geht beziehungsweise wie viel Geld in dieser Privatstiftung liegt und wie viel Geld jetzt mehr oder weniger bei der Privatstiftung verbleibt, wenn wir uns auf 24 Millionen € einigen. Im Ausschuss war, glaube ich, auch die Rede von ungefähr 30 Millionen €. „Ungefähr 30 Millionen“ ist eine relative Zahl. Ich weiß nicht, warum man das nicht genauer definieren kann.

Uns würde eben interessieren, wenn dem so ist, dass 30 Millionen € von dieser Stif­tung eingenommen wurden und jetzt nur mehr 24 Millionen € an den Bund rückerstattet würden, was mit dem Rest passiert und welche Rechtfertigung es dafür gibt, dass diese Firma oder diese Stiftung dann mehr oder weniger auf diese 6 Millionen oder 5 Millionen oder 8 Millionen € – keine Ahnung, wie viel es wirklich sind; vielleicht geben Sie jetzt einmal eine Antwort, denn es ist schon des Öfteren gefragt worden – einen Anspruch hat.

Prinzipiell geht es um Gelder, die KonsumentInnen bezahlt haben, damit Kühlschränke entsorgt werden können. Prinzipiell wäre es natürlich am sinnvollsten zu sagen, dass alle ihre Gutscheine jetzt einlösen können, denn man kann den Kühlschrank sowieso gratis entsorgen, und damit einmal reinen Tisch zu machen.

Das ist offensichtlich leider nicht möglich. Insgesamt wäre es aber schon wichtig, dass die Gelder möglichst wieder einem sinnvollen öffentlichen Zweck, der irgendetwas mit der Kühlschrankentsorgung oder zumindest mit Umweltschutz im Abfallbereich zu tun hat, zugeführt würden, und nicht bei irgendeiner Stiftung liegenbleiben  ohne genau definierten Grund. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

18.57


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Mag. Jachs. – Bitte.

 


18.57.14

Bundesrat Mag. Christian Jachs (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Prä­sidentin! Sehr geschätzte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Bundesrätin Kerschbaum hat gefragt: Was passiert mit diesem Geld? Wie viel Geld wurde von den Konsumentinnen und Konsumenten über das Kühlschrankpickerl in diesen gemeinsamen Topf einbezahlt?

In Summe waren das 50 Millionen € – sehr viel Geld, das beim Kauf eines Kühlgerätes, eines Kühlschrankes mit auf den Ladentisch gelegt werden musste, damit man nachher auch einen Gutschein, einen Anspruch auf die Verwertung und die Entsor­gung des Kühlgerätes hatte.

Tagtäglich werden in Österreich, und zwar auch heute während unserer Sitzung, Frau Kerschbaum, rund 1 000 Kühlgeräte entsorgt, recycelt. Übers Jahr gesehen sind das 300 000 Geräte. Diese Arbeit kostet etwas! Es ist nicht gratis, ein Kühlgerät zu zerle­gen, die Tür abzuschrauben, das Gitter herauszunehmen, den Motor herauszuschrau­ben, die klimaschädliche FCKW-Kühlflüssigkeit, das Kühlgas zu entsorgen, abzu­sau­gen. Das kostet etwas! Diese Ausgaben wurden jetzt vom „Umweltforum Haushalt“ immer finanziert. Und darüber hinaus, neben der tagtäglichen Entsorgung der Kühl­geräte, hat das Umweltforum seit 2005 auch schon die Kühlschrankpickerl eingelöst.


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 175

Konsumentinnen und Konsumenten haben ihr Kühlschrankpickerl also heute schon eingelöst, haben sich ihr Geld zurückgeholt. Dafür hat das „Umweltforum Haushalt“ in den Jahren 2005 bis 2011 rund 20 Millionen € aufgewendet. Wir wissen, wie viel Geld in diesem Topf noch übrig ist, noch vorhanden ist: Es sind 30 Millionen €. Dafür gibt es ja Bilanzen, dafür gibt es ja auch die Aufzeichnungen. Das ist alles offengelegt. Darü­ber haben wir Klarheit.

Es ist auch nicht entscheidend, es ist nicht so sehr die Frage, wie viel Geld jetzt beim „Umweltforum Haushalt“ bleibt und wie viel zum Bund kommt, sondern uns gemeinsam muss es darum gehen, dass dieses Geld zurückfließt, dass die Konsumentinnen und Konsumenten ihr Geld zurückerhalten. Das war ja nicht wenig, was beim Kauf eines Kühlgerätes ausgelegt werden musste. Da ging es um Beträge von 40, 30, 50, 75, 57 €. Das war sehr, sehr viel Geld. Dieses Geld – und das ist ja auch das Wertvolle an diesem Beschluss – geben wir den Konsumentinnen und Konsumenten nun zurück.

Also weder der Bund noch das „Umweltforum Haushalt“ wird einen Cent, einen Euro einbehalten. Alles Geld fließt wieder zurück zu den Konsumentinnen und Konsu­menten. Das ist auch die Botschaft des heutigen Tages, des heutigen Beschlusses: Stellen Sie einen Antrag! Geben Sie uns Ihr Pickerl zurück! Sie erhalten dafür Ihr Geld.

Es ist das Geld der Konsumentinnen und Konsumenten, das wieder zurückfließen wird. Das stellt der Antrag, den wir heute beschließen, sicher, und zwar auf lange, lange Zeit: Bis 2035 haben da die Konsumentinnen und Konsumenten Rechtssicherheit. Das ist eigentlich ein Zeitraum, der weit über der Lebensdauer eines Kühlgerätes liegt. Es gibt also die Sicherheit: Das ganze Geld fließt zurück. Es ist ja das Geld der Konsu­mentinnen und Konsumenten.

Wir sollten jetzt eine Stimmung ähnlich wie beim Getränkemarkt, beim Flaschenpfand, bei den Bierkisten entwickeln. Da funktioniert es ganz gut. (Bundesrätin Kerschbaum: Aber es ist klar, dass sich die meisten KonsumentInnen das nicht holen werden, weil sie den Zettel nicht mehr haben!) Bierkisten, Getränkeflaschen laufen, Frau Kersch­baum, zu 100 Prozent wieder zurück in den Supermarkt, die gehen wieder zurück in die Brauerei. Eine solche Stimmung müssen wir jetzt auch beim Kühlschrankpickerl erzeugen.

Stellen Sie den Antrag, bringen Sie den Antrag ein! Der kostet nichts. Ab September kann man den Antrag wieder stellen – per Fax, per Brief oder über das Internet. Der Antrag ist kostenlos, er wird zügig bearbeitet, und umgehend erhält jeder sein Geld für das Kühlschrankpickerl wieder zurück.

Also tun Sie sich etwas Gutes, bringen Sie uns den Antrag! Sie kriegen das Geld zurück. Gott sei Dank läuft die Kühlgeräteentsorgung so hervorragend, dass wir in Österreich wirklich als Umweltmusterland in Europa dastehen. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ. – Ironische Heiterkeit der Bundesrätin Kerschbaum.)

19.01


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Kemperle. – Bitte.

 


19.01.56

Bundesrätin Monika Kemperle (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Frau Bundesminis­terin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Das war natürlich ein sehr schönes Plädoyer auch für den Umweltschutz, das hier im Vorfeld gehalten wurde, und ich glaube, dass gerade mit diesem Bundesgesetz für die Kühlgeräte­entsorgung ein Beitrag dazu geleistet wird und es genau das Richtige ist, was nun damit passiert. Wir wissen, dass zwischen 1993 und 2005 dieses Entsorgungspickerl


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 176

erworben und aufgeklebt werden musste und dass bei sachgemäßer Rückgabe dadurch auch Geld zurückgeflossen wäre.

Wir wissen aber auch, wie es ist, wenn Dinge sich länger hinziehen, wenn verschie­dene Gegenstände längerlebig sind, wenn man Rechnungen nicht mehr findet, Pickerl verlegt, et cetera. Dann ist halt auch ein wenig Schlampigkeit im Spiel, und wir neigen eher dazu, dann keine Anträge zu stellen, uns nicht mehr darum zu bemühen. Und so ist es letztendlich auch dazu gekommen, dass unverhältnismäßig viel Geld in diesem „Umweltforum Haushalt“, in dieser GesmbH & Co KG sowie in der Privatstiftung rückgestellt wurde.

Das heißt, es hat „niemand“ – unter Anführungszeichen – mehr adäquate Anträge gestellt, und letztendlich wäre es aufgrund von Nichthinterfragen eigentlich dazu gekommen, dass sich dieses UFH letztendlich aufgelöst hätte und die Mittel dann im UFH verblieben wären.

Dank der Arbeiterkammer und deren Bemühungen ist es allerdings dazu gekommen, dass es doch wieder ein System gibt, dass die Geldmittel hinsichtlich dieser Entsor­gungsplakette dorthin zurückfließen lässt, wo sie hinkommen sollen – das heißt letzt­endlich zu den Konsumentinnen und Konsumenten. Ich glaube, mit diesem Gesetz ist ein guter Weg zur Rückführung, nämlich durch Antragstellung, gefunden worden.

Es müsste dies aber noch relativ gut publik gemacht werden und es müssten letzt­endlich auch die KonsumentInnen mehr darauf aufmerksam gemacht werden, dass sie bei Antragstellung und bei Bekanntgabe der Pickerlnummer oder des Gut­scheins per Antragsformular den Nominalwert rückerstattet erhalten; und dies bis 2035, weil wir wissen, dass bürgerliche Verträge 30 Jahre rückwirkend einzufordern sind.

Daher werden wir im guten Sinne und im Sinne der Konsumentinnen und Konsu­menten diesem Antrag, dieser Gesetzesvorlage auch unsere Zustimmung geben. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

19.05


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gelangt Frau Bundesministerin Dr. Karl. – Bitte.

 


19.05.14

Bundesministerin für Justiz Mag. Dr. Beatrix Karl: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Mitglieder des Bundesrates! Die Vorgeschichte betreffend diese soge­nannten Kühlschrankpickerl wurde von Frau Bundesrätin Kerschbaum schon sehr gut dargestellt, und mit dem heute vorliegenden Gesetzesbeschluss wird einerseits ein rechtssicherer Transfer von mehr als 24 Millionen € an Leistungen aus dem Vermögen der UFH in Bundesvermögen sichergestellt, und gleichzeitig wird auch die zukünftige Abwicklung und Prüfung der noch bestehenden Rückzahlungsansprüche aus den sogenannten Kühlschrankpickerln für die Konsumenten geregelt.

Die Republik erspart sich damit zum einen jahrelange Rechtsstreitigkeiten und erhält zudem sofort die Mittel für die im Initiativantrag genannten Zwecke, und zum anderen können somit auch zahlreiche Arbeitsplätze in der Umweltbranche gesichert werden.

Frau Bundesrätin Kerschbaum hat aber auch zwei Fragen an mich gestellt, die ich sehr gerne beantworte.

Die eine Frage war: Wie viel Geld liegt insgesamt in dieser Privatstiftung?

Insgesamt waren Verbindlichkeiten aus der Rückabwicklung des UFH-Systems in der Höhe von 31,5 Millionen € vorhanden. Diese setzen sich wie folgt zusammen: 19,2 Mil­lionen € aus UFH-Gutscheinen, 20,9 Millionen € aus UFH- und PEG-Plaketten abzüg­lich 8,6 Millionen € aus Konsumentenaktionen. Das ergibt 31,5 Millionen € an Verbind­


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 177

lichkeiten. Diesen Verbindlichkeiten standen aber liquide und liquiditätsnahe Mittel in Höhe von lediglich 21,6 Millionen € gegenüber, woraus sich ein negatives Eigenkapital in Höhe von 10 Millionen € ergibt.

Diese Zahlen sind durch die Berechnung der BDO Austria GmbH Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft belegt.

Die Frage, die ebenfalls gestellt wurde, war dann: Was passiert mit dem Geld, das übrig bleibt?, beziehungsweise: Wie viel Geld bleibt dann über, und was passiert mit dem Geld, das überbleibt?

Der UFH bleiben zirka 2 Millionen € übrig, die dann zur Begleichung von Steuern, Gehältern und durch die Weiterführung der Geschäftstätigkeit verursachten Aufwen­dungen verwendet werden. Abgesehen davon übernimmt die UFH laut dem vorliegen­den Gesetzesbeschluss ja auch unentgeltlich die Prüfung und Abwicklung der Rückzahlungsansprüche bis Ende 2020 sowie die Rückzahlungen der Kühlgeräte­entsorgungsbeiträge bis Ende 2013.

Das heißt, die UFH gibt ja die Geschäftstätigkeit noch nicht auf, sondern ist auch noch weiter mit Rückabwicklungen beschäftigt. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

19.07


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

19.08.2537. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, das Bundespflegegeldgesetz, das Ver­brechens­opfergesetz, das Poststrukturgesetz und das Bundesbehindertengesetz geändert werden (Pflegegeldreformgesetz 2012) (1208 d.B. und 1287 d.B. sowie 8522/BR d.B. und 8552/BR d.B.)

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Somit kommen wir zum 37. Punkt der Tages­ordnung.

Aus diesem Anlass begrüße ich sehr herzlich Herrn Sozialminister Hundstorfer hier bei uns im Bundesrat. Herzlich willkommen! (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie bei Bundesräten der Grünen. – Bundesministerin Dr. Karl verlässt den Sitzungssaal.) – Danke, Frau Ministerin! Wir wünschen einen schönen Sommer!

Berichterstatterin zum gegenständlichen Tagesordnungspunkt ist Frau Bundesrätin Mag. Duzdar. – Bitte um den Bericht.

 


19.09.01

Berichterstatterin Mag. Muna Duzdar: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Aus­schusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, das Bundespflegegeldgesetz, das Verbrechensopfergesetz, das Poststrukturgesetz und das Bundesbehindertengesetz geändert werden.


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 178

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 19. Juli 2011 mit Stimmenmehrheit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Brückl. – Bitte.

 


19.09.52

Bundesrat Hermann Brückl (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Rund 440 000 Menschen haben im März 2011 Pflegegeld erhalten.

Die Abwicklung der entsprechenden Verfahren beziehungsweise die Verwaltung des Pflegegeldes wurde bislang von über 300 Entscheidungsträgern vollzogen, und Frau Bundesminister Fekter hat heute schon ausgeführt, dass man in diesem Zusam­menhang einer Empfehlung des Rechnungshofs gefolgt ist und in diesem Bereich die Bürokratie insofern abgebaut hat, als man die Zahl der Träger auf acht reduziert hat. In Wirklichkeit sind es noch weniger, denn in dieser Hinsicht erledigt die PVA bei einigen Sozialversicherungsträgern Arbeiten, was als durchaus positiv und lobenswert hervor­zuheben ist.

Allerdings gibt es einige Punkte, an denen wir Freiheitlichen uns bei dieser Gesetzes­vorlage stoßen und die wir kritisieren.

Zunächst erwähne ich die Frage der Vertretung durch einen unabhängigen und weisungsfreien Behindertenanwalt. Das ist ein erster Kritikpunkt von uns. Als Vertreter ist nämlich ein Bediensteter des Ministeriums vorgesehen, und wir zweifeln durchaus daran, ob ein Sektionschef beziehungsweise ein Beamter diese Tätigkeit völlig weisungsfrei und vor allem unabhängig ausführen können wird. – Das sehen im Übrigen auch die Diakonie, die Caritas und die Österreichische Arbeitsgemeinschaft für Rehabilitation genauso kritisch wie wir Freiheitlichen.

Ein zweiter Punkt, der für uns nicht nachvollziehbar ist, ist der Stellungnahme der PVA zu entnehmen. In dieser steht nämlich, dass die Vollziehung des Pflegegeldes auf Personen ausgedehnt werden soll, die nicht in die österreichische soziale Sicherheit eingebunden sind und die auch in der Vergangenheit niemals in das österreichische Sozialsystem eingebunden waren.

Das heißt also: Es wird dann Personen geben, die soziale Leistungen der Republik Österreich in Anspruch nehmen und in Anspruch nehmen können, ohne dass sie jemals selbst Beiträge zu unserem Sozialsystem geleistet haben und ohne dass sie jemals selbst in dieses System integriert gewesen wären. – Das ist für uns nicht mit trag­bar!

Der dritte Punkt, den wir kritisieren, bezieht sich auf die Erläuterungen zu diesem Gesetz. Da steht nämlich, dass die zu gewährenden Leistungen nicht in ausnahmslos allen Fällen und in vollem Umfang Geldleistungen sein müssen, sondern auch Sach­leistungen sein können. – Diese Begrifflichkeit und der Ausdruck „prinzipiell auf Geldleistungen beruhendes System“, bei dem diese unter Umständen durch Sachleis­tungen ersetzt werden können, lässt uns aufhorchen, denn wir wollen ausschließlich ein System, das auf Geldleistungen beruht. Deshalb weise ich noch einmal mit


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 179

Nachdruck darauf hin, dass man den pflegebedürftigen Menschen in diesem Land ein selbstbestimmtes und auch bedürfnisorientiertes Leben ermöglichen muss, und das ist eben nur dann möglich, wenn die Leistungen in Form von Geld erbracht werden. (Bundesrat Mag. Klug: Das stimmt nicht!) Ich meine, man muss den Betroffenen eine entsprechende Wahlfreiheit lassen. – Dem werden wir also nicht zustimmen.

Lassen Sie mich abschließend noch kurz etwas zum Pflegefonds sagen.

Die Einrichtung dieses Pflegefonds ist sicherlich ein gut gemeinter Schritt, der allerdings – wie wir das sehen – nur dann wirksam sein wird, wenn man den Gesund­heitsbereich als Ganzes und nachhaltig reformiert. Nur eine umfassende Reform unter Einbeziehung des Pflegefonds kann und wird die Situation auf Dauer verbessern. Wir haben in Österreich immer noch Tausende zu Pflegende, die in Akutbetten in Kran­kenhäusern gepflegt werden. Die Strukturen bei der Langzeitpflege sind unzureichend, und es fehlen insbesondere Beratungseinrichtungen für Angehörige, die ihre Verwand­ten zu Hause pflegen.

Nun noch ein Satz zur Finanzierung des Pflegefonds: Diese ist lediglich bis zum Jahr 2014 begrenzt, und ab 2014 ist die Situation, auch wenn bereits angekündigt wurde, dass es Arbeitsgruppen geben wird, noch völlig unklar.

Ich darf daher zum Schluss noch einmal sagen: Wir brauchen in Österreich eine Gesamtreform des Gesundheits- und Pflegebereichs, und wir brauchen in Österreich einen Pflegefonds, der das Pflegesystem auch in Zukunft sichert, und zwar über die nächste Nationalratswahl hinaus! – Wir Freiheitlichen werden diesem und auch dem nachfolgenden Tagesordnungspunkt nicht zustimmen. (Beifall bei der FPÖ.)

19.14


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster gelangt Herr Klubvorsitzender Mag. Klug zu Wort. – Bitte.

 


19.14.39

Bundesrat Mag. Gerald Klug (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Kollege Brückl, jetzt muss ganz schnell ein Vertreter der Regierungsparteien reden, weil sonst der Eindruck entstehen könnte, dass wir jetzt ein mäßig gutes Gesetz beschließen!

Klar ist, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass wir das behandeln, was jetzt bei diesem Tagesordnungspunkt vorliegt, wenngleich dieses Thema inhaltlich klarerweise mit dem Pflegefondsgesetz zusammenhängt.

Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute beim Tagesordnungspunkt 2 zum Thema Gemeindeverbände die erste Verwaltungsreform beschlossen, und im Zusam­menhang mit dem nun vorliegenden Pflegegeldreformgesetz beschließen wir die zweite Verwaltungsreform. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der Grünen.)

Insofern, liebe Kolleginnen und Kollegen, möchte ich auch ganz deutlich zum Ausdruck bringen, dass wir in meiner Fraktion die inhaltliche Kritik seitens der ÖVP keinesfalls teilen. Denn was liegt vor? (Zwischenruf bei der ÖVP.) – Verzeihung! Ich meinte die Kritik der FPÖ. (Ruf: Da ist ein Unterschied!) Ein maßgeblicher!

Denn, liebe Kolleginnen und Kollegen, was liegt vor? – Mit dieser Verwaltungsreform, Kollege Brückl, greifen wir nicht nur Vorschläge des Rechnungshofes auf, was uns auch als Bundesrat ein Anliegen sein sollte, sondern mit dieser Verwaltungsreform kommen wir im Bereich der Pflege zu einer Beschleunigung der Verfahren, und das sollte für uns auch nicht unwesentlich sein. Es kommt zu einer Reduktion der Ent­scheidungsträger – das haben Sie ganz kurz angesprochen –, und das ist uns seitens der sozialdemokratischen Fraktion ein großes Anliegen


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 180

Darüber hinaus, liebe Kolleginnen und Kollegen, kommen wir mit dieser Verwaltungs­reform auch zu Verwaltungseinsparungen bei den Ländern und bei den Gemeinden, und zwar sowohl im Vollzug als auch in der Legistik. Und zu guter Letzt sollte für uns im Bundesrat, werte Kolleginnen und Kollegen, auch nicht ganz unbeachtlich sein, dass es zu einer deutlichen Kompetenzverschiebung und zu einer deutlichen Kompe­tenz­bereinigung kommt. – Vor diesem Hintergrund, den wir in der Länderkammer nicht oft erleben, werte Kolleginnen und Kollegen, möchten wir der Vorlage gerne zustim­men.

Erlauben Sie mir abschließend, nachdem ich vorher kurz erwähnt habe, dass der jetzige Tagesordnungspunkt, nämlich das Pflegegeldreformgesetz, für uns inhaltlich natürlich einen starken Zusammenhang mit dem Pflegefondsgesetz hat, zum Thema Pflege einen kurzen Gedanken.

In diesem Bereich setzen wir heute mit beiden Tagesordnungspunkten – insbesondere, wie ich zugeben möchte, gemeinsam betrachtet – ein ganz tolles, positives Signal im Bereich der Pflege. Lassen Sie uns insofern gemeinsam stolz darauf sein, dass in unserem Land die Sozialpolitik immer einen hohen Stellenwert hatte! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der Grünen.)

19.17


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Dönmez zu Wort. – Bitte.

 


19.17.48

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Brückl! Lieber Hermann! Es wird nicht richtiger, wenn man immer wieder behauptet, dass man Leistungen aus einem Topf erhält, in den man nichts einzahlt.

Der Herr Minister hat das zigmal im Parlament, auch bei einer speziellen Enquete, erklärt. (Bundesminister Hundstorfer – in Richtung des Bundesrates Brückl –: Glau­ben Sie, jede Stellungnahme ist richtig? – Heiterkeit bei der SPÖ.) Aber Sie werden dann eh noch genug Zeit haben, das zu korrigieren, Herr Bundesminister.

Das stimmt nämlich einfach nicht! Man kann das hundertmal wiederholen: Die Leute, die Sie, Kollege Brückl, durch die Blume ansprechen, nämlich Menschen mit Migra­tions­hintergrund, zahlen mehr in das System ein, als für sie herausgenommen wird. Das ist Faktum. Ich sage das, damit wir einmal Klartext reden und die Dinge nicht immer wieder verdrehen. (Zwischenruf des Bundesrates Brückl.)

Dass das Pflegegeld neu gestaltet wird, begrüßen auch wir. Die Sicherung der Pflege muss auch weiterhin bewerkstelligt werden. Dafür wird ein Pflegefonds eingerichtet, und gleichzeitig wird die große Menge an unterschiedlichen Stellen auf überschauliche acht Einrichtungen zurechtgestutzt. – Das ist zu begrüßen. Das ist tatsächlich, wie Kollege Klug schon erwähnt hat, eine Art der Verwaltungsreform, die wir begrüßen und natürlich unterstützen, und daher werden auch wir dieser Materie unsere Zustimmung geben.

Es handelt sich hierbei um eine längst fällige Reform, und ich finde es gut, dass wir den Wegfall der ursprünglich vorgesehenen Jahresgrenze 2014 erreichen konnten. Wir sind froh, dass die Kompetenzen für das Pflegegeld beim Bund verbleiben, und auch diese Regelung ist ganz im Sinne einer Verwaltungsvereinfachung.

Die Pflege von Alten und Kranken gehört für mich zu den Verpflichtungen in der Gesellschaft, über deren Notwendigkeit wir hier wohl nicht zu diskutieren brauchen. Im Mittelpunkt der Überlegungen stehen wie immer die Betroffenen, nämlich die Pflegebedürftigen, deren Würde gewahrt werden muss. Natürlich ist es berechtigt, sich


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 181

mit der Finanzierung auseinanderzusetzen. Der Zugriff auf die finanzielle Substanz der Betroffenen muss jedenfalls eine Grenze kennen, die wir unbedingt respektieren sollten. Wenn es sich aber um eine gesellschaftliche Pflicht handelt, die Pflegebe­dürftigen gut zu versorgen, dann muss es auch erlaubt sein, auf die finanziellen Mittel der Gesellschaft, die Steuern, zuzugreifen.

Viel Vermögen zu besitzen und Erben ist in Österreich – im internationalen Vergleich – noch immer sehr kostengünstig bis gratis. Das ist gegenüber den Vermögenden sehr großzügig. Vielleicht sollten wir den Pflegebedürftigen gegenüber ebenso großzügig sein! – Ich weiß, dass die Themen Vermögen‑ und Erbschaftssteuer immer wieder bemüht und dann stets die gleichen Argumente wiederholt werden. Dennoch plädiere ich für die Wiedereinführung einer Vermögen- und Erbschaftssteuer mit großzügigen Freibeträgen, um die Sicherstellung der Pflege zu gewährleisten.

Obwohl wir im Großen und Ganzen mit der Pflege in Österreich zufrieden sein können, dürfen wir dort nicht wegschauen, wo es tatsächlich große Probleme gibt. Wir Grünen beharren darauf, dass Pflege ein Grundrecht ist, aber gute Pflege ist teuer. Eine Familie, die sich der Pflege von Angehörigen widmet, ist nicht nur persönlich, sondern auch finanziell sehr stark belastet. Zahlreiche Familien sind stark armutsgefährdet, weil das Pflegegeld nur für eine Stunde pro Tag oder vier DiplompflegerInnenstunden pro Woche reicht. Auch in den Pflegeheimen herrscht über weite Strecken Personal­mangel, wodurch Engpässe entstehen und das vorhandene Personal unter schwie­rigen Bedingungen arbeiten muss. Natürlich bleiben dann für individuelle Zuwen­dungen keine Ressourcen, und das ist, wie ich meine, sehr schade!

Auch bei der 24-Stunden-Betreuung gibt es Verbesserungsmöglichkeiten. In dieser Branche tragen viele Frauen, und zwar fast ausschließlich Arbeitsmigrantinnen, für wenig Geld große Verantwortung und müssen viel leisten. Zugegeben: Es ist dies die günstigste und billigste Lösung, aber ob dieses System auch das beste ist, wage ich zu bezweifeln. Ich kenne viele Fälle, in denen diese Arbeitskräfte nach 14 Tagen vollkom­men erschöpft die Heimreise antreten, denn wochenlang von 0 bis 24 Uhr verfügbar sein zu müssen, ist nahezu unmenschlich. Dazu kommt, dass diese Frauen oft keine sozialen Kontakte pflegen können ...  (Zwischenruf des Bundesrates Tiefnig.) Ja, ja!

Dazu kommt, dass diese Frauen oft keine sozialen Kontakte pflegen können, weil sie einfach keine freie Minute dafür haben. In diesem Bereich sehe ich auf alle Fälle großen Reformbedarf!

Zum Abschluss möchte ich noch anmerken, dass die Karenzierung des Behin­dertenanwaltes, der Väterurlaub in Anspruch nimmt, hoffentlich auch für die anderen Politiker in diesem Land Vorbildwirkung hat. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

19.22


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gelangt Herr Bundesminister Hundstorfer. – Bitte.

 


19.23.02

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Frau Vorsitzende! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bundesrat, miss­verstehen Sie es nicht, aber ich beabsichtige nicht mehr, Vater zu werden! (Heiterkeit und Zwischenrufe bei der SPÖ.) Man weiß es nicht, aber es wäre wohl nicht im Interesse der Kids. Ich werde noch heuer 60, und wenn die Kinder dann einen 70-jährigen Vater haben, der sie von der Volksschule abholt, ist das, glaube ich, auch nicht ideal!


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 182

Kommen wir nun zum Ernst der Sache und zum ersten Punkt: Meine Damen und Herren von der Freiheitlichen Partei, ich habe Ihnen das schon im Nationalrat gesagt, und ich fordere Sie auch hier noch einmal dazu auf: Sagen Sie gleich, dass Sie das nicht wollen, und erfinden Sie nicht völlig polemische, billige Aussagen! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten von ÖVP und Grünen.)

Ich sage Ihnen auch, warum ich das behaupte: Das, was Sie kritisieren, dass nämlich ausländische Mitbürgerinnen und Mitbürger eventuell einen Pflegegeldanspruch haben, ist das, was im Kärntner Landesgesetz steht, und wir mussten das Kärntner Landesgesetz abschreiben. Wir mussten das oberösterreichische und das Wiener Landesgesetz abschreiben, und wir mussten neun Landesgesetze vereinheitlichen. So ist zum Beispiel im Kärntner Landesgesetz in § 3 von ausländischen Mitbürgern in diesem Zusammenhang die Rede, und dieses Gesetz haben Sie beschlossen und niemand anderer! (Zwischenruf des Bundesrates Brückl.) Ja, das waren Sie! Ich nehme an, Ihre Partei hat dort ein gewisses Mitwirkungsrecht!

Das Gleiche gilt für die Sachleistungen. Auch das habe ich Ihnen schon erklärt. Der Sachleistungsbegriff kommt aus zwei Landesgesetzen. Das ist gelebte Praxis, und kein einziger freiheitlicher Landtagsabgeordneter in diesen Ländern hat sich jemals aufgeregt, kein einziger!

Wir beabsichtigen nicht, hier etwas umzustellen, aber es gibt in ein paar Ländern beispielsweise Bestimmungen, gemäß welchen an schwer alkoholkranke Menschen nicht Geld fließt, sondern Sachleistungen fließen. Diese Menschen bekommen dann automatisch ihre 20, 30 oder 40 Betreuungsstunden oder das, was sie halt brauchen, gezahlt, und wenn dort alle friedlichst dafür sind und wenn das vereinheitlicht wird, dann muss man das mitmachen.

Es steht aber nirgends, dass wir jetzt alles auf Sachleistungen umstellen. Ich bin ja kein politischer Selbstmörder! 58 Prozent der Pflegegeldbezieher bekommen nur Geld und keinerlei Sachleistung. Sie organisieren sich alles irgendwie selbst, sie brauchen keinen Mobildienst, kein Essen auf Rädern, keine 24-Stunden-Betreuung und, und, und. Das sind 58 Prozent aller Pflegegeldbezieher! Glauben Sie, ich bin so vertrottelt, dorthin zu gehen ... (Heiterkeit und Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Entschuldigen Sie diesen Ausdruck! Das darf ich nicht sagen, ich habe das schon einmal falsch gemacht! (Bundesrat Gruber: Sie dürfen das sagen!) Nein, ich darf das nicht sagen! Pardon! Streichen Sie das bitte wieder! (Neuerliche Heiterkeit und Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Glauben Sie wirklich, ich stelle mich vor diese 58 Prozent von 440 000 und sage: Ihr bekommt kein Geld mehr!? Für wie naiv halten Sie mich denn? Das ist ja fast beleidigend! (Bundesrat Brückl: Das habe ich nicht behauptet!)  

Entschuldigen Sie! Wir haben das in den Landesgesetzen wiedergefunden, und die Länder tun das in ein paar Fällen, und zwar vermutlich im besten Einvernehmen mit allen Landtagsabgeordneten, auch mit Ihren Stimmen! Hundertprozentig! – Ich habe ein gewisses Datenschutzproblem, sonst könnte ich Ihnen nämlich einige Fälle prä­sentieren.

Ich komme zum Schluss und sage Ihnen noch einmal ganz offen und ehrlich: Wissen Sie, warum ich Sie auffordere, dass Sie von Haus aus zugeben sollen, dass Sie das nicht wollen? – Zu Ihrer Ausrede, dass das Pflegegeld nur bis 2014 gesichert und die Zukunft ungewiss ist, sage ich Ihnen nämlich: Entschuldigen Sie! Die gesamte Bundesstaatsfinanzierung ist nur bis 2014 gesichert! Das haben Sie heute hier mit beschlossen. Die Ausdehnung des Finanzausgleichs um ein Jahr bedeutet nichts anderes als dass wir alle gemeinsam ab 2014/2015 etwas Neues zusammenbringen


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 183

müssen, weil sonst unsere gesamte Bundesstaatsfinanzierung nicht abgesichert ist. Sie werden kein einziges Bundesgesetz finden, in dem steht, dass die Bundesstaats­finanzierung 2016 so und so ausschauen wird, weil es das noch nicht gibt!

Das Gleiche gilt auch für das, was uns hier vorliegt, weil das ein Bestandteil der Gesamt­finanzierung des Bundesstaates ist. Glauben Sie, dass wir uns als Regie­rungsparteien 2015 hinstellen und sagen werden: Wir haben nichts zusammen­ge­bracht, hurra, liebe Bürger, wählt uns aber trotzdem weiterhin!? – Das können Sie doch nicht glauben!

Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Sagen Sie die Wahrheit: Ihre Partei hat kein Interesse daran, dass den Menschen mehr Geld für Pflege zur Verfügung gestellt wird. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten von ÖVP und Grünen.)

19.28


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen damit zur Abstimmung.

Der gegenständliche Beschluss bedarf nach Art. 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz der Zustimmung des Bundesrates bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder des Bundesrates und einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abge­gebenen Stimmen.

Ich stelle zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mitglieder des Bundesrates fest.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Nunmehr lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss gemäß Art. 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit unter Berück­sichtigung der besonderen Beschlusserfordernisse angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

19.30.0638. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Pflegefonds eingerichtet und ein Zweckzuschuss an die Länder zur Sicherung und zum bedarfsgerechten Aus- und Aufbau des Betreuungs- und Pflegedienstleistungsangebotes in der Langzeitpflege für die Jahre 2011, 2012, 2013 und 2014 gewährt wird (Pflegefondsgesetz – PFG) (1207 d.B. und 1286 d.B. sowie 8553/BR d.B.)

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Nunmehr kommen wir zum 38. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Mag. Duzdar. Ich bitte um den Bericht.

 


19.30.17


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 184

Berichterstatterin Mag. Muna Duzdar: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Ausschus­ses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Pflegefonds eingerichtet und ein Zweckzuschuss an die Länder zur Sicherung und zum bedarfsgerechten Aus- und Aufbau des Betreuungs- und Pflegedienstleistungsangebotes in der Langzeitpflege für die Jahre 2011, 2012, 2013 und 2014 gewährt wird. (Vizepräsident Mag. Himmer übernimmt den Vorsitz.)

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor, ich komme daher sogleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 19. Juli 2011 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Todt. – Ich bitte um Ihre Ausführungen.

 


19.31.22

Bundesrat Reinhard Todt (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Dank einer guten Gesund­heitspolitik werden die Österreicherinnen und Österreicher erfreulicherweise immer älter und auch fitter. Doch trotz allem kommt irgendwann einmal der Punkt, an dem sie auf Hilfe angewiesen sind. Es ist daher klar, dass eine Pflegedebatte unabdingbar war und Maßnahmen geschaffen werden mussten, um eine lückenlose Pflege sicher­zustellen. Ich bin mir sicher, dass alle hier Anwesenden, wir alle hier, möchten, dass pflegebedürftige Menschen optimal betreut werden, und daher braucht es ein finanzierbares Angebot für alle Menschen, welche Hilfe benötigen.

Die österreichische Bevölkerung ist in der glücklichen Lage, auf ein sehr gutes, ein ausgezeichnetes Sozialsystem und eine hervorragende Gesundheitspolitik zurück­greifen zu können. Diese gute Ausgangslage muss man optimal nutzen, um das Älter­werden bestmöglich betreuen zu können.

In Österreich erhalten derzeit 442 000 Menschen Pflegegeld. Es ist nicht neu, dass die Mehrheit der österreichischen PflegegeldbezieherInnen vorwiegend von Familienmit­gliedern zuhause gepflegt werden. 685 Millionen € des Pflegefonds sind zweckgebun­den und sollen vorwiegend in mobile und ambulante Pflege laufen. Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, bedeutet nicht nur einen enormen Vorteil für die Pflegegeldbezieher und Pflegegeldbezieherinnen, sondern auch eine Entlastung für die aufopfernden Angehörigen, für die die Situation oft auch aufgrund mangelnder Ausbil­dung nicht leicht ist.

Derzeit sind 40 000 Vollzeitbeschäftigte in der stationären und mobilen Pflege tätig. Uns ist klar, dass es noch um einige mehr sind, die Teilzeit in diesem Bereich arbeiten. Aufgrund der höheren Lebenserwartung steigt der Bedarf an Pflege stetig an. Folglich wird immer mehr gut ausgebildetes Personal im Pflegebereich benötigt. Das heißt, der Beschluss des Pflegefonds schafft darüber hinaus Arbeitsplätze.

Mit diesem modernen Gesetz haben wir einen großen Fortschritt gemacht. Dafür möchte ich mich ganz besonders bei dir, lieber Rudi Hundstorfer, bedanken. Ich möchte mich aber auch bedanken für die großartige Verhandlungsbereitschaft von Herrn Bundesminister Pröll und von Herrn Landeshauptmann Pühringer, denn ohne die Gemeinsamkeit und die Erkenntnis, dass man hier etwas gemeinsam machen muss, wäre diese Möglichkeit nicht geschaffen worden.


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 185

Es ist eine Möglichkeit geschaffen worden, die Menschen in den nächsten vier Jahren abzusichern. Ich bin sehr stolz darauf, dass dieses wichtige Pflegepaket beschlossen wurde. Ich bin mir sicher, dass es aufgrund der vielen verschiedenen Player nicht ganz so einfach für dich (in Richtung Bundesminister Hundstorfer) war, das zustande zu bringen. Danke, dass wir beim Pflegegeld nicht gespart haben, sondern mehr Geld als im Vorjahr ausgegeben haben. (Vizepräsident Mag. Himmer gibt das Glockenzeichen.)

Das Pflegereformgesetz enthält beinahe alle Empfehlungen des Rechnungshofes. Ich bin mir sicher, dass es ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung ist. Ich bin aber auch davon überzeugt, dass die Anstrengungen in diesem Bereich stetig fortgesetzt werden müssen, vor allem auch die Debatte um das Pflegepersonal beziehungsweise um deren Ausbildung muss weitergeführt werden. Auch der Ausbau der mobilen Pflege und Verbesserungen für die pflegenden Angehörigen müssen unbedingt weiterverfolgt und debattiert werden. Ich freue mich schon auf die Ergebnisse der Arbeitsgruppe, und ich denke, diese Leistungen werden dann (in Richtung Bundesminister Hundstorfer) in deinem Ministerium entsprechend erbracht werden. Dessen bin ich mir ganz sicher.

Es muss eine weitere Finanzierungsmöglichkeit des Pflegefonds über das Jahr 2014 hinaus geschaffen werden. Die Mittel des Pflegefonds, die 685 Millionen € betragen, kommen zu einem großen Teil aus der Bankenabgabe, und da ist ein Teil davon an die Länder gegangen, mit dem diese zum Teil die Pflege finanzieren. Eine gute Investition, wie ich meine.

Ich bin auch der Meinung – und ich möchte das hier noch einmal ganz klar sagen –, dass eine steuerfinanzierte Absicherung der Pflege unerlässlich ist und dass wir für die Pflege dringend eine neue Finanzierungsquelle brauchen. Dazu, darf ich noch sagen, brauchen wir vermögensbezogene Steuern.

Da meine 5 Minuten Redezeit zu Ende sein dürften, das rote Licht leuchtet, höre ich auch schon auf. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte nur noch sagen: Es braucht auch Information, und wir vom Pensio­nistenverband geben die Information. Pflege ist gesichert, darüber freuen wir uns sehr. – Danke, Herr Bundesminister. (Beifall bei der SPÖ.)

19.36


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt nun Herr Bundesrat Hammerl. – Bitte.

 


19.37.08

Bundesrat Gregor Hammerl (ÖVP, Steiermark): Geschätzter Herr Präsident! Hoch­geschätzter Herr Minister! Es ist Großartiges gelaufen, gar keine Frage. Aber, meine Damen und Herren, für den Fall, dass heute noch jemand fernsieht – wir haben jetzt halb acht, es sind die Nachrichten (Bundesrat Todt: Ich kenne viele Leute, die das noch immer machen!) –, möchte ich eines sagen, und zwar öffentlich: 85 Prozent – das ist nachgewiesen – jener Personen in Österreich, die die Pflege übernehmen, sind Frauen. Ich möchte heute via Bildschirm allen Damen und Herren, vor allem den Frauen, ein großes Danke sagen, und ich möchte jenen Damen und Herren, die im Pflegebett liegen, auch etwas – wie soll ich sagen? – Munteres sagen, nämlich, dass wir in Österreich bestens abgesichert sind. Das ist einen Applaus wert für alle Frauen und Männer, die sich zuhause um pflegebedürftige Angehörige kümmern. Jetzt wollen wir alle einmal applaudieren. – Danke. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Zangerl.)

Es ist heute von der FPÖ vieles gesagt worden. Sie sind mit diesem Pflegefonds nicht einverstanden. Dazu, meine Damen und Herren, möchte ich eines sagen: Es gibt kein


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 186

Land in Europa mit 7 Stufen Pflegegeld in dieser Höhe; in der ersten Stufe gibt es 154 €, in der siebten Stufe 1 655,80 €. Das gibt es nirgendwo anders.

Noch etwas gibt es in Europa nicht, nämlich, dass so wie bei uns in Österreich mit der mobilen Hauskrankenpflege alles abgesichert ist. Österreich ist zur Gänze mobil abgesichert. Auch das, meine Damen und Herren, ist großartig! Ich möchte an dieser Stelle den Frauen und Männern – es wurde heute schon gesagt –, die bei den mobilen Diensten arbeiten – das sind die Krankenschwestern, die Pflegehelfer, die Heimhilfen –, und allen, die noch mitarbeiten, ein großes Danke sagen. Wir wissen, dass die Gehälter von diesen Leuten nicht die besten sind. In der Heimhilfe verdient man nicht mehr als ein Arbeitsloser. Wir müssen versuchen, dass zu ändern. Trotzdem, meine Damen und Herren, dieser Gesetzesbeschluss heute ist ein großes Stück, es ist damit viel gelungen.

Die Ausgangssituation war – das wissen wir alle – nicht einfach. Sehr lange, Herr Minister, haben Bund, Länder und Gemeinden über eine Lösung für die Pflegefinan­zierung diskutiert. Die Herausforderung wird aufgrund der Bevölkerungsentwicklung – Herr Kollege Todt hat es gesagt – nicht kleiner, sondern – keine Frage! – viel, viel größer.

Der Pflegefonds wurde bereits erwähnt. Noch nicht erwähnt worden ist die Tatsache, dass es nun erstmals eine österreichweite Pflegedienst-Dienstleistungsbank geben wird. Diese schafft künftig Planungssicherheit für Länder, Gemeinden und alle Hilfs­organisationen.

Zum Thema Pflegegeld. – Die Zuständigkeit für das bisherige Landespflegegeld geht auf den Bund über. Damit ist eine Verwaltungsreform verbunden. Statt bei bisher über 300 zuständigen Behörden werden die Pflegeverfahren nunmehr auf acht Stellen konzentriert. Das ist schneller, gerechter und billiger. Keine Frage – großartig!

Meine Damen und Herren, mit dem Pflegefonds bekommen wir, wie schon erwähnt, eine kurze Verschnaufpause, die wir dringend für ernsthafte Verhandlungen nutzen sollten.

Der Pflegefonds ist als eine großartige Übergangslösung zu sehen, die den Ländern helfen soll, die aufgrund der demographischen Entwicklung zu erwartenden Mehrkos­ten in der Pflege bis zum Jahr 2014 abzudecken. Die Mehrkosten bis 2014, meine Damen und Herren, werden nicht klein sein und werden auch in Zukunft – keine Frage! – unser zukünftiges Budget stark belasten. Der Pflegefonds stellt keine endgül­tige Lösung dar, da die Pflege weiterhin in der Sozialhilfe bleibt. Das Risiko Pflege ist aufgrund der statistischen Häufigkeit und der finanziellen und physisch und psychi­schen Belastungen in der Auswirkung auf den Einzelnen dem Krankheitsrisiko gleich­zusetzen. Das benötigt eine gesamtsolidarische Lösung.

Eine Finanzierung, meine Damen und Herren, kann aber nicht aus Einzelmaßnahmen wie jetzt eben im Pflegefonds und willkürlichen Bedarfsförderungen bestehen, sondern muss durch eine dauerhafte und planbare Finanzierung abgedeckt werden.

Wir in der Steiermark, meine Damen und Herren, haben 1,2 Millionen Einwohner und 364 000 Über-60-Jährige. Die 197 Pflegeheime, Herr Minister, sind alle voll. Die mobile Hauskrankenpflege ist – keine Frage! – Gott sei Dank abgedeckt, aber wir brauchen Pflegepersonal. Wir brauchen Krankenschwestern, Pflegehelfer und Heimhilfen.

Wir müssen in Zukunft auch überlegen, die Ausbildungsrichtlinien im Pflegebereich zu ändern. Es kann nicht sein, dass jemand, der Krankenschwester oder Krankenpfleger werden möchte, einen Notendurchschnitt von 1,2 haben muss. Das ist nicht möglich. Diplom-Krankenpflege im Krankenhaus ist etwas ganz anderes als in der Altenpflege.


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 187

Wir müssen uns auch überlegen, wie wir eine hohe Bereitschaft der Familienmitglieder zur Pflege erhalten werden und ausbauen können, denn wenn in Zukunft Angehörige die Pflege nicht mehr übernehmen, dann sind wir soweit – keine Frage! –, dass unser System zusammenbricht.

Zum Abschluss noch zur 24-Stunden-Betreuung: Als Vorsitzender vom Hilfswerk Steiermark kann ich sagen: Wir haben derzeit über 300 Frauen aus der Slowakei aufgenommen, und wir brauchen noch mehr Frauen. Es ist wichtig, dass auch die 24-Stunden-Betreuung vom Bundessozialamt besser unterstützt wird, denn wenn heute jemand mit Pflegestufe 6 ins Pflegeheim kommt, dann kostet das zirka 3 800 €, über­nimmt man aber die Pflege zu Hause in der Familie in der 24-Stunden-Betreuung, so kostet das zirka 2 100 €. Wenn das Bundessozialamt das noch mehr unterstützen würde, bräuchten wir weniger Frauen und Männer in die Pflegeheime zu geben.

Meine Damen und Herren! Wenn sich alle anstrengen, können Lösungen zum Wohle aller Beteiligten erreicht werden. Das ist bisher geschehen, und ich möchte ein großes Danke sagen Herrn Landeshauptmann Dr. Pühringer, Herrn Vizekanzler außer Dienst Dipl.-Ing. Pröll und Ihnen, Herr Minister Hundstorfer. Ihnen ein besonderes Danke, Sie haben wirklich gekämpft. Wir sind auf einem guten Weg, dass wir es auch nach der Nationalratswahl und nach 2014 weiter schaffen – zum Wohle der älteren Generation in Österreich! – Danke schön. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Zangerl.)

19.43


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt nun Herr Bundesrat Dönmez. – Bitte.

 


19.43.37

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minister! Da meine Vorredner schon sehr ausführlich Stellung bezogen haben, werde ich mich ganz kurz halten. Die Geschichte mit dem Pflegefonds hat uns medial eine ganze Weile begleitet, und ich bin froh, dass wir heute dieses wichtige Anliegen in Gesetzesform vorliegen haben und beschließen können.

Wir Grüne sind für die Einrichtung des Pflegefonds, und wir waren auch immer dafür, dass es eine einheitliche Begutachtung gibt und in der Administration eingespart wird. Was unserer Meinung nach aber immer noch fehlt, ist die nachhaltige Finanzierung der Pflege. Woher wir Mittel lukrieren könnten, habe ich bereits in der Debatte zu Tages­ord­nungspunkt 37 erwähnt.

Aufgrund der demographischen Entwicklung werden wir jährlich zusätzliche Mittel brauchen, und auch bei den Medizin- und Pflegeberufen zeichnet sich ein akuter Mangel ab, wie mein Vorredner, Kollege Hammerl, schon skizziert hat. Wir werden es nicht schaffen, in diesem Bereich längerfristig attraktive Berufsfelder aufzubauen. Daran müssen wir alle gemeinsam noch arbeiten. Wir müssen alle gemeinsam noch die Ärmel hochkrempeln. Ich hoffe, dass wir diese große Aufgabe auch gemeinsam bewältigen können. – Danke. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ sowie des Bun­desrates Zangerl.)

19.45


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt nun Herr Bundesrat Tiefnig. – Bitte.

 


19.45.05

Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Pflegereformgesetz und Pflegefonds haben sehr viel Gemeinsames, werden aber in zwei verschiedenen Punkten abgehandelt. Österreich ist eines der


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 188

Länder mit den höchsten Sozialstandards der Welt. Mit der Einstufung von 1 bis 7 im Pflegebereich sind wir einzigartig. Wir wenden zirka 2,4 Milliarden € in diesem Bereich auf. Mit dem Bundesbehindertengesetz, das heute ebenfalls beschlossen wird, wird das transparenter, und auch für die Einbindung der Behinderten werden Maßnahmen getroffen.

Mit diesem Pflegepaket heute legen wir einen Baustein für die Zukunft im Pflege­bereich. Wie gesagt, über 300 Träger werden reduziert auf acht Trägerorganisationen. Das ist eine gewaltige Reform, die größte Reform, die im Pflegebereich in Österreich jemals stattgefunden hat. Zusätzlich wird die Doppelzuständigkeit von Bund und Län­dern in eine Zuständigkeit, nämlich die des Bundes, übergeben.

Einen weiteren Punkt stellen die Abwicklungszeiträume bei der Antragstellung dar. Von derzeit 94 Tagen werden diese auf unter 60 Tage verringert, die Antrags­abwicklungs­frist wird also um ein Drittel verkürzt. – Ein Dankeschön an alle, die daran mitgewirkt haben.

Eine weitere Entscheidung ist kurz vor der Nationalratssitzung gefallen; auch dafür ein Danke an die Landeshauptleutekonferenz. Und zwar: Die zeitliche Begrenzung bis zum Jahr 2014 wurde kurzfristig herausgestrichen, und das ist sinnhaft.

Als Oberösterreicher darf ich gemeinsam mit meinen Landsleuten stolz sein auf unseren Landeshauptmann Dr. Josef Pühringer, der im Pflegebereich in Zusammen­arbeit mit dir, lieber Herr Minister Hundstorfer, und mit unserem ehemaligen Finanz­minister Sepp Pröll, Meilensteine gelegt hat. Er hat die Finanzierung der Pflege bis zum Jahr 2014 sichergestellt – und das für rund 440 000 Pflegegeldbezieher öster­reich­weit. Das sind 5 Prozent der Bevölkerung. In Deutschland sind es knapp über 2 Prozent, und im OECD-Durchschnitt sind es auch nicht viel mehr als 2 Prozent.

Auch die Pflege daheim wurde schon angesprochen. 60 Prozent der Menschen werden zu Hause gepflegt. In der Landwirtschaft sind es beinahe 90 Prozent. Aus persönlicher Erfahrung kann ich sagen, dass pflegende Angehörige oft an ihre eigenen Grenzen gehen. Daher sind Stammtische für pflegende Angehörige genauso wichtig wie die Einrichtungen vom Roten Kreuz, Hilfswerk, 24-Stunden-Hilfe. Auch sie profitieren von dem heutigen Beschluss.

Ein Dankeschön gilt aber auch denjenigen, die freiwillige Pflege leisten. Es ist nicht selbstverständlich, und es wird nötiger denn je, in Zukunft auch den Freiwilligenbereich noch mehr nach außen zu kehren. Ich habe die Wichtigkeit der Freiwilligenarbeit kennenlernen dürfen, da ich in Braunau einen Workshop zum Thema Pflege gegründet habe. Es sind alle Trägerorganisationen beteiligt, und auch sie sagen, der Freiwilligen­bereich im Pflegebereich wird in Zukunft eine immense Rolle spielen. In unserer ersten Sitzung haben wir schon den Versicherungsschutz im Freiwilligenbereich, aber auch die Abgrenzung zum Gewerbe diskutiert.

Dem heutigen Verfassungsgesetz haben wir alle mit Ausnahme der Freiheitlichen zuge­stimmt. Ich wünsche mir aber, dass alle Parteien, auch die Freiheitlichen, dem Pflegefonds zustimmen. Unsere Fraktion tut das. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Zangerl.)

19.48


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt nun Herr Bundesrat Saller. – Bitte.

 


19.48.53

Bundesrat Josef Saller (ÖVP, Salzburg): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vizepräsidenten Todt darf ich sagen: Wir sind uns einig! Auch wir in Salzburg haben im Jahr 2010 eine


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 189

Informationswelle gehabt, initiiert von Landeshauptmann-Stellvertreter Haslauer, mit Vertretern der Notariatskammer, des Seniorenbundes, der Frauenbewegung und mit Juristen, und das war sehr interessant. Ich glaube, darin sind wir uns einig: Information ist in dieser Sache das Wichtigste!

Ich darf in aller Kürze noch einige Sätze zum Thema pflegende Angehörige sagen, weil mir das auch ein besonderes Anliegen ist. Wir alle wissen, zu den großen gesell­schaftspolitischen Herausforderungen gehört die Sicherung der Pflege. In Salzburg haben wir ungefähr 5 000 Personen, die in Pflegeheimen betreut werden, 3 800, die zu Hause gepflegt werden, von Hilfsdiensten und 24-Stunden-Betreuung, und 14 000 Per­sonen werden im Bundesland Salzburg von den Angehörigen gepflegt. Man sieht, den Angehörigen kommt in dieser Sache eine zentrale Rolle zu.

Kein Finanztopf der Welt wird reichen, wenn uns diese wichtige Stütze, nämlich die ehrenamtlich tätig pflegenden Angehörigen, wegfällt. Immerhin werden ja 80 Prozent der Pflegeleistungen von Angehörigen erbracht. Maßnahmen zur Entlastung und Unterstützung sind da zu setzen und sind ganz besonders wichtig wie: keine büro­kratischen Hürden und mehr Information. Wer kennt Urlaub von der Pflege? Die Gratis-Pensionsversicherung während der Zeit der Pflege – ist das überhaupt allen bekannt? Und es sollte auch durchaus freie Tage pro Monat für die Angehörigen geben.

Wir sehen, es gibt also noch Fragen zu klären. Wir brauchen das Engagement vieler Menschen in den Familien, in den Hilfsorganisationen; diese brauchen auch die entsprechenden finanziellen Mittel, die effizient eingesetzt werden müssen.

Ich danke abschließend allen, die in irgendeiner Form – ehrenamtlich, freiwillig, unentgeltlich – tätig sind und pflegend zu Hause arbeiten. Wir werden diese Menschen weiterhin in dieser Form brauchen. Aber wir haben alles zu tun, um diese Leute auch zu informieren und zu unterstützen. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Zangerl.)

19.51


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt nun Herr Bundesminister Hundstorfer. – Bitte.

 


19.51.35

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es wurde inhaltlich schon alles gesagt. ich möchte nur zwei Punkte ansprechen. Gerade hier in der Länder­kammer möchte ich allen Bundesländern – ich betone das sehr bewusst: allen Bun­des­ländern! – danken, denn alle Bundesländer haben ja all das mitgetragen, diese beiden gesetzlichen Beschlüsse.

Wir haben auch das kleine Thema Vorarlberg lösen können. Das ist aber der Föde­ralismus, das gehört dazu. Das haben wir auch erarbeitet. (Bundesrätin Michalke: Aber nicht ganz!) – Aber Vorarlberg ist ganz erledigt. (Bundesrätin Michalke: ...! In der Stellungnahme ...!)

Entschuldigung! Das, was wir von Vorarlberg gebraucht haben, ist erledigt. – Punkt eins. Und das Zweite hat der Verfassungsgerichtshof zwischenzeitlich erledigt, indem er die Kürzungen, diese Einsparungsmaßnahmen für rechtens erklärt hat. Demzufolge ist mit Vorarlberg alles bereinigt. Das ist nicht das Thema. (Bundesrätin Michalke: Ich bin nicht so schnell zufrieden!) – Gut. Vielleicht können Sie mir einmal erklären, wo Sie nicht zufrieden sind.

Wo geht es weiter? – Es geht jetzt weiter mit der Arbeitsgruppe. In dieser Arbeitsgruppe werden alle Bundesländer sowie der Gemeinde- und der Städtebund weiterhin gemeinsam mit uns arbeiten. Und der Gemeinde- und Städtebund sowie die


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 190

Bundesländer werden die Arbeiten mit uns so gestalten, dass wir Ende 2012 die wei­tere Zukunft zumindest in Konzeptform und in Beschlussform geleistet haben werden.

In diesen Prozess – das sage ich gleich dazu – werden wir natürlich auch die übrigen Beteiligten miteinbeziehen. Wer sind die übrigen Beteiligten? – Das sind auf der einen Seite die Anbieter all dieser Leistungen, wer immer diese Anbieter sind: gemeinnützige Vereine, Privatpersonen oder private Organisationen. Dann haben wir die nächste Gruppe, das sind die in diesem gesamten Segment arbeitenden Menschen. Das heißt, diejenigen, die dort mit ihren Interessenvertretungen arbeiten, wollen auch mitwirken. Dann haben wir die größte Gruppe miteinzubeziehen, nämlich jene, um die es geht. Das heißt, die diversen Seniorenverbände werden ebenfalls in diesen Dialog mitein­gebunden, denn jene, um die es geht, sind natürlich die wichtigsten.

All diese beteiligten Gruppen werden in diesen Dialog miteinbezogen sein. Wir werden Ende 2012 die Konzeption so haben, dass wir dann für den nächsten Finanzausgleich wissen, wie es weitergehen soll, wie es weitergehen wird, wobei zu sagen ist: Ein paar Grundpfeiler – das habe ich schon gesagt – sind ja unverrückbar, und bei ein paar Punkten haben wir sehr wohl Gestaltungsmöglichkeiten, und das sind gleiche Qualitätsstandards in allen Bundesländern.

Es geht auch um die Frage der Mitfinanzierung der Betroffenen. Da haben wir zwischen den Bundesländern unterschiedliche Beitragssätze, was die Einzelnen selber mitzahlen. In der Summe zahlen die Betroffenen in Österreich derzeit 1,6 Milliarden mit, wenn sie einen Mobilen Dienst, stationär Pflege oder was auch immer in Anspruch nehmen. Da haben wir unterschiedliche Beitragssätze von 50 Prozent Beteiligung bis 19 Prozent Beteiligung. Auch das wollen wir auf ein gewisses gemeinsames Niveau ausarbeiten. Auch das gehört dazu.

Und ich möchte es noch einmal betonen: Worauf ich sehr massiv Wert zu legen versuche, ist auch die Frage von gleichen Qualitätsstandards vom Bodensee bis zum Neusiedler See, weil ich glaube, dass wir auch das den Menschen schuldig sind. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

19.55


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

19.56.0239. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz, das ArbeitnehmerIn­nenschutzgesetz, das Bauarbeitenkoordinationsgesetz, das Arbeitsinspektions­gesetz 1993 und das Verkehrs-Arbeitsinspektionsgesetz 1994 geändert werden (1221 d.B. und 1300 d.B. sowie 8523/BR d.B. und 8554/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen nun zum 39. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Kemperle. Ich bitte um den


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 191

Bericht.

 


19.56.17

Berichterstatterin Monika Kemperle: Der Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abferti­gungsgesetz, das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz, das Bauarbeitenkoordinations­ge­setz, das Arbeitsinspektionsgesetz 1993 und das Verkehrs-Arbeitsinspektions­ge­setz 1994 geändert werden, liegt in schriftlicher Form vor, daher komme ich sogleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz hat den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates in seiner Sitzung am 19. Juli 2011 in Verhandlung genommen.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 19. Juli 2011 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Duzdar. – Bitte.

 


19.57.16

Bundesrätin Mag. Muna Duzdar (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kollegen und Kolleginnen! Mit dieser Gesetzesänderung beschließen wir heute weitere wirksame Maßnahmen zur Bekämpfung von Sozial­betrug im Baubereich.

Kontrollmaßnahmen sollen gewährleisten, dass das, was wir beschließen, auch tatsächlich im Bausektor eingehalten wird, denn gerade der Bausektor ist oftmals mit Unternehmen konfrontiert, die leider in sozialbetrügerischer Absicht gegen lohn- und arbeitsrechtliche Standards verstoßen. Dem will dieses Gesetz einen Riegel vorschieben. Deshalb stellt dieses Gesetz auch für die Sozialdemokratie einen wich­tigen Schritt dar, und wir begrüßen diesen auch ausdrücklich.

Ich möchte angesichts der vorgeschrittenen Zeit nur in aller Kürze die wesentlichen Eckpunkte dieses Gesetzes hervorstreichen. Wesentlich ist auf jeden Fall der Ausbau der Einsichts- und Kontrollrechte der BUAK, der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abferti­gungskasse. Dies bedeutet, dass diese ab 1. August 2011 auch Einsicht in die Geschäfts- und Lohnunterlagen der Bauunternehmen nehmen kann. Das ist deshalb wichtig, damit diese auch feststellen kann, ob Bauunternehmen tatsächlich diesem Gesetz unterliegen. Die neue vorgesehene Auskunftspflicht von Bauunternehmen dient weiters dazu, die Identität von Subunternehmen und Überlasserbetrieben feststellen zu können.

An dieser Stelle möchte ich auch die neu geschaffene Baustellendatenbank erwähnen. Diese hat den Sinn, sich einen Überblick über die Baustellen zu verschaffen, vor allem einen Überblick über die neu beginnenden Baustellen zu erlangen, um so auch eine effiziente Kontrolle gewährleisten zu können. Diese Datenbank soll web-basiert sein und mit verschiedenen Behörden verknüpft sein, wie zum Beispiel der Finanzpolizei und den Krankenversicherungsträgern. Bauunternehmen sollen in einem Vorgang die Möglichkeit haben, die Meldung sowohl dem Arbeitsinspektorat als auch der BUAK gegenüber zu erstatten.

Eine weitere Regelung, die ich für besonders wichtig halte, ist, dass in Hinkunft auch zum Schutz der ArbeitnehmerInnen diese ihre Ansprüche aus der BUAK nicht mehr an die Arbeitgeber abtreten können. Dies passiert nämlich oftmals missbräuchlich.


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 192

Ein zweiter wesentlicher Punkt ist die Vereinfachung im Organisations- und Verfah­rensrecht. Hier geht es zum Beispiel darum, dass in Hinkunft für die Obmänner auch Stellvertreter gewählt werden können, die dann auch zeichnungsberechtigt sind.

Zusammengefasst: Ich glaube, wir haben mit dem Lohn- und Sozialdumping-Bekämp­fungsgesetz ein wirkungsvolles Instrument geschaffen, um das Unterlaufen von arbeitnehmerrechtlichen Standards zu verhindern und unlauteren Wettbewerb zu untersagen. Die heutige Novelle knüpft eben an dieses Gesetzespaket an und hat das Ziel, Sozialbetrug im Baubereich wirksam zu bekämpfen.

Selbstverständlich wird die sozialdemokratische Fraktion diesem Gesetz zustimmen. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

20.00


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrats keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist angenommen.

20.01.2040. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesbezügegesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert werden (1544/A und 1308 d.B. sowie 8555/BR d.B.)

41. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesbahn-Pensionsgesetz und das Bundesgesetz über die Beschäf­tigung parlamentarischer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (Parlamentsmitar­beiterinnen- und Parlamentsmitarbeitergesetz) geändert werden (1309 d.B. sowie 8556/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen nun zu den Punkten 40 und 41 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatterin zu den Punkten 40 und 41 ist ebenfalls Frau Bundesrätin Kemperle. Ich bitte um die Berichte.

 


20.01.49

Berichterstatterin Monika Kemperle: Der Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesbezügegesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert werden, liegt in schriftlicher Form vor; daher komme ich gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 19. Juli 2011 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 193

Auch der Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesbahn-Pensionsgesetz und das Bundesgesetz über die Beschäftigung parlamentarischer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (Parlamentsmit­arbeiterinnen- und Parlamentsmitarbeitergesetz) geändert werden, liegt in schriftlicher Form vor; daher komme ich gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 19. Juli 2011 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Michalke. – Bitte.

 


20.03.31

Bundesrätin Cornelia Michalke (FPÖ, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bezüglich der Änderung des Bundesbezügegesetzes ist zu sagen, dass eine periodische Ablieferung der Abgaben an die Pensionsversicherungsanstalt zu begrüßen ist. Dadurch kann verhin­dert werden, dass zum Beispiel in Gemeinden das Geld in Rücklagen deponiert wird und zum Teil erst bei finanziellen Engpässen darauf zurückgegriffen wird. Es kann sogar dazu kommen, dass Gemeinden einen Kredit aufnehmen müssen, wenn sie einen Politiker sozusagen auszahlen müssen.

Ebenfalls positiv in diesem Gesetz ist die geringfügige Besserstellung für parlamen­tarische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Auch das begrüßen wir sehr.

Schon seit Langem kämpfen wir jedoch für gleiche Bestimmungen für Beamte und ASVG-Pensionisten und verlangen eine Gleichstellung und damit mehr Gerechtigkeit der beiden Pensionsformen. Mit dieser Anhebung der Zuverdienstgrenze im Falle der Erwerbsunfähigkeit der Bürgermeister und Kommunalpolitiker eröffnen wir aber wieder neue Privilegien, anstatt zu versuchen, alle – Beamte, Angestellte, Arbeiter – auf ASVG-Prinzipien und -Bedingungen zu bringen, so wie dies übrigens auch der Rech­nungshof empfiehlt.

Die Erhöhung der Zuverdienstgrenze bis auf nahezu 4 000 € für Bürgermeister und Kommunalpolitiker ist dem ASVG-Pensionisten, der sich mit 357 € begnügen muss, nicht zu erklären und schafft in der Bevölkerung nur Unmut.

Beim Punkt Arbeitslosenversicherung ist die Änderung der Rahmenfristerstreckung durchaus in Ordnung. Bei der Erhöhung der Bezugsgrenzen gilt aber dasselbe wie vorher. Wie erkläre ich dem „normalen“ Bürger, dass er nicht die gleichen Rechte hat wie der Bürgermeister oder der Kommunalpolitiker? – Die Frage ist nicht, ob die Tätigkeit eines Bürgermeisters oder Kommunalpolitikers arbeitsmarktrelevant ist, son­dern warum der Kommunalpolitiker einerseits zu krank sein kann, um einer Beschäf­tigung nachzugehen, und deshalb in Frühpension geht, er aber andererseits fast 4 000 € für eine politische Funktion dazuverdienen kann, was dem ASVG-Pensionisten nicht möglich ist.

Unsere Aufgabe ist es, mit der notwendigen Kreativität dahin gehend Lösungen zu finden, dass aus der politischen Funktion heraus kein Nachteil entsteht, aber auch aufgrund einer politischen Funktion nicht eine Besserstellung gewährt wird. Wir sollten dafür sorgen, dass gleiche Bestimmungen für Beamte und ASVG-Pensionisten gelten, ohne für Politiker eine Sonderregelung zu schaffen. Dem können wir keinesfalls zustimmen.


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 194

Abschließend hätte ich, da wir in Vorarlberg effizientes Arbeiten gewohnt sind, an den Herrn Minister noch die Bitte, dass er mir vielleicht diese Frage, die von vorhin noch offen ist in Bezug auf Vorarlberg, beantwortet. – Danke. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Zangerl.)

20.06


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schweig­kofler. – Bitte.

 


20.06.54

Bundesrat Johann Schweigkofler (SPÖ, Tirol): Herr Präsident! Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als beim Österreichischen Gemeindetag in Kitzbühel der Vorstand des Österreichischen Gemeindebundes zum wiederholten Male die sozial­rechtliche Absicherung der Gemeindemandatarinnen und -mandatare und vor allem der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister diskutierte, hat ein Bürgermeister gesagt: Dass es das Gesetz gibt, glaube ich erst dann, wenn es im Bundesrat beschlossen wird.

Heute sind wir Gott sei Dank so weit. In vielen Sitzungen haben der Österreichische Gemeindebund und der Österreichische Städtebund eine adäquate Absicherung der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister gefordert, und endlich ist es so weit! Ich kann mich gut daran erinnern, als Bürgermeister Ernst Schmid aus Oggau zu uns kam und sagte: Ich glaube, wir schaffen es jetzt, denn ich war beim Minister, und der Minister hat Verständnis für uns und wird sicher hinter uns stehen.

Herr Minister, tausend Dank dafür! Tirolerisch: Vergelt’s Gott! (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie des Bundesrates Zangerl.)

Ich denke, dass es nichts weiter als eine Anerkennung und eine Wertschätzung der Arbeit ist, die die Kommunalpolitikerinnen und -politiker für die Allgemeinheit leisten, und dies das ganze Jahr über. Und so können wir heute guten und frohen Mutes dieser Gesetzesänderung zustimmen. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

20.08


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Dönmez. – Bitte.

 


20.08.30

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minister! Was hier, von den Regierungsparteien beschlossen, vor uns liegt, sind nichts anderes als Pensionsprivilegien für Politikerinnen und Politiker. (Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.) Ich muss ehrlich sagen, dass mich das sehr überrascht.

Auf der einen Seite wird gerade bei ASVG-PensionistInnen jeder Cent umgedreht – und ich kenne viele FrühpensionistInnen persönlich, die, wenn sie mehr als 374 € dazuverdienen, Kürzungen erfahren. – Nicht so bei den PolitikerInnen. Die dürfen jetzt 4 000 € dazuverdienen. Ich kenne den Hintergrund. Es ist schwierig, dass man in den Gemeinden Bürgermeister, Bürgermeisterinnen findet (ironische Heiterkeit des Bundesrates Gruber), die dort Dienst verrichten, aber damit lösen wir sicher keine Probleme, sondern schaffen uns selbst neue.

Und da möchte ich in das gleiche Horn stoßen wie meine Vorrednerin, Kollegin Michalke. Wie sollen wir Politiker dieses Vorgehen gegenüber den Menschen, die im Vergleich zu Beamtinnen und Beamten, besonders was das Frühpensionsrecht betrifft, ohnehin schon benachteiligt sind, rechtfertigen?  Wenn es etwas zu ändern gibt, dann


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 195

sicher nicht in der Form, dass am Ende die PolitikerInnen abkassieren und die ASVG-PensionistInnen leer ausgehen. (Bundesrat Gruber: Hier spricht Unkenntnis!)

Wir Grünen fordern seit vielen Jahren eine Veränderung und Vereinheitlichung der verschiedenen Pensionsrechte. Im Augenblick ist es ja so, dass jemand mit einer Kor­ridorpension, ohnehin mit Abschlägen in einer vorzeitigen Pension, nicht über die Gering­fügigkeitsgrenze dazuverdienen darf. Ein Bürgermeister darf aber jetzt 4 000 € dazuverdienen.

Unser Modell besteht aus einer Grundpension, die für alle gleich ist, und einer von den eingezahlten Beiträgen abhängigen Sozialversicherungspension. Diese neue Rege­lung, die sich die Regierungsparteien ausgedacht haben, ist für alle ASVG-Pen­sionistInnen ein Schlag ins Gesicht.

Die Stärkung der Pensionsversicherung ist eine wichtige Sache. Sie aber mit diesen Privilegien zu verknüpfen ist weder transparent noch fair. Dieser Ungleichbehandlung können wir nicht zustimmen, dies noch dazu vor der jetzt entflammten Debatte über die Besteuerung des sogenannten Golden Handshake. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)  Da hört man die Lobbyisten heraus. Es wäre gut, würdet ihr auch einmal so laut schreien, wenn es um die Leute draußen geht.

Wie die Debatte im Augenblick geführt wird, sorgt eigentlich nur für Verwirrung. Mir wäre es sehr recht, wenn sich die zuständigen MinisterInnen nicht über den Umweg der Medien austauschen würden.

Bei der Besserstellung der Politikerpensionen hat man auch einen anderen Weg gewählt und die Öffentlichkeit nicht darüber informiert. Daher werden wir diesem Tagesordnungspunkt nicht zustimmen. (Beifall bei Grünen und FPÖ. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

20.11


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Mayer. – Bitte.

 


20.11.24

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Problem, Frau Kollegin Michalke und Herr Kollege Dönmez, ist eigentlich nicht so wie von euch beschrieben. Da liegt ihr natürlich, wie so oft, völlig daneben. Aber das ist ja kein Wunder, bei eurem Zugang zu derartigen Themen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Zwischenrufe bei der FPÖ.) Da liegt ihr wirklich weit daneben.

Wir schaffen keineswegs Privilegien, sondern wir versuchen, den Gemeinden und den Städten, insbesondere im kleinen und mittleren Bereich, die Gemeindemandatare zu erhalten. Das ist ein ganz einfacher Zugang. Es ist nämlich ein Nonsens, dass man mit dem Erreichen des Pensionsalters sozusagen gleich alle Gemeindemandatare mit entsorgt. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) Aber das ist die Problematik, und genau deshalb ändern wir dieses Gesetz, weil wir diesen Leuten die Möglichkeit eröffnen möchten, in ihrem Amt zu bleiben.

Dass die Grünen da natürlich ein bisschen hinten nachhinken, ist ja klar, denn ihr habt wahrscheinlich keinen eigenen Bürgermeister und könnt daher nicht ermessen, welche Probleme das sind. Bei den Blauen stellt sich das ein wenig anders dar. (Zwischenruf der Bundesrätin Michalke.)

Ich weise darauf hin, dass Bürgermeisterinnen und Bürgermeister in den Gemeinden, insbesondere in den kleinen Gemeinden, oft auch Sachbearbeitertätigkeiten machen – die ersetzen Mitarbeiter –, dann sind sie außerdem noch in Vereinen aktiv und tragen so zum Sozialkapital bei. Das sind also Menschen, die für ihre Bürger vor Ort wirklich


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 196

ein großes Pensum leisten. Jetzt da gleich derart vorzugehen, halte ich für mehr als übertrieben.

Es gibt im „Kurier“ eine Kolumne, wo es unter der Überschrift „Albtraumjob Bürger­meister“ heißt: „Politiker ohne Privilegien“. Da geht es auch um das Einkommen dieser Bürgermeister, insbesondere im kleinen Bereich. Da sagt ein Bürgermeister aus der Steiermark: „Stundenlohn unter dem meiner Putzfrau“.

Nachfolger zu finden wird zum Beispiel immer schwieriger. Der Bürgermeister muss ein Vollprofi sein, er haftet für Fehler mit seinem Privatvermögen. Daran, dass zum Beispiel in Salzburg bei den Kommunalwahlen jede fünfte Gemeinde nur noch einen Kandidaten hatte und in Vorarlberg 40 Prozent der Gemeinden nur noch einen Kandidaten hatten, kann man ermessen, wie schwierig es ist, Bürgermeisterinnen und Bürgermeister für kleine Gemeinden zu finden.

Außerdem gibt es neben der Haftung natürlich auch noch Probleme bei der sozialen Absiche­rung, denn diese ist mangelhaft. Es gibt weder Mutterschutz noch Pflegefrei­stellung – und so weiter. Nachzulesen in einer Studie, die der Gemeindeverband extra zu diesem Zweck anfertigen hat lassen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Es fehlt euch da ein gewisses Gespür, Frau Kollegin Michalke. (Zwischenruf der Bundesrätin Michalke.) Auch mit einer Dauergegenrede, die niemand hört, ist uns hier nicht gedient. Wir sprechen uns noch aus. Vielleicht können wir uns im Flieger aus­sprechen, aber nicht hier herinnen, denn das hört niemand und das interessiert auch niemanden, Frau Kollegin Michalke. (Bundesrätin Mühlwerth: Das gilt aber auch für deine Zwischenrufe!)

Das, was ihr macht, ist offensichtlich auch eine gewisse Altersdiskriminierung, weil ihr alle 60-Jährigen in keinem politischen Amt lassen wollt. Die Probleme, die ihr habt, liegen offensichtlich im kommunikativen Bereich. Herr Kollege Kampl aus Kärnten, den wir alle noch kennen, würde bei einer derartigen Vorgangsweise von euch wahr­scheinlich wieder alle Heiligen im Gurker Dom zitieren. (Heiterkeit.)

Frau Kollegin Michalke, aus den Augen aus dem Sinn. Was wir schon gehört haben, das ist die Geschichte mit den Pensionsbeiträgen. Ich denke, da kann man mitgehen, dass man das gleich macht, anstatt dass dies wie bisher am Ende der politischen Laufbahn überwiesen wird. Da gebe ich Ihnen auch recht, wenn Sie meinen, dass das unter Umständen im Budget verschwindet und es dann Probleme gibt, auch bei der Rahmenfristerstreckung. Das ist, glaube ich, auch eine logische Sache. Wir führen da keine neue Altersversicherung oder Arbeitslosenversicherung ein, wie im Ausschuss gehört. Ich denke, das ist etwas Logisches, was man umsetzen kann. Wenn ein Bürgermeister aus seinem Amt entweder ausscheidet oder abgewählt wird, dann kann es durchaus sein, dass er ohne jeden Bezug dasteht, und dann gebührt auch ihm das Arbeitslosengeld.

Gegen die Neuregelung der Spesenregelung der parlamentarischen Mitarbeiter und auch die Umstufung in das neue Gehaltsschema, womit auch automatische Gehalts­anpassungen möglich werden, wird es seitens des Bundesrates sicher keinen Einwand geben, außer vielleicht, dass wir auch gerne parlamentarische Mitarbeiter hätten, die uns in unserer Arbeit unterstützen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Ich bedanke mich, Herr Minister, ausdrücklich für diesen wichtigen Schritt in Richtung einer weiteren sozialen Absicherung von Gemeindemandataren und wünsche allseits, auch dem Herrn Minister, einen schönen Sommer. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

20.16



BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 197

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Herr Sozialminister Hundstorfer.

 


20.17.04

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte die Debatte nicht über Gebühr strapazieren, möchte allerdings schon Folgendes klarstellen: Wir schaffen hier nicht ein neues Privileg nach dem Motto „der Privilegienstadl lebt“. Nein, wir setzen Maßnahmen für eine ganz bestimmte Gruppe von Menschen, ein Bundesrat hat zwei Bundesländer genannt, die wir, glaube ich, demokratiepolitisch alle brauchen, nämlich für die Repräsentanten der rund 2 400 Gemeinden. Da versuchen wir, Menschen zu finden, die bereit sind, es zu tun. Es sollte uns allen zu denken geben, wenn wir ganze Landstriche haben, wo die Parteifarbe nicht einmal mehr ein Thema ist, sondern wo wir froh sind, dass sich eine oder einer findet, der sagt: Ich tu's.

Es sollte uns auch zu denken geben, dass es in vielen Teilen Österreichs gemeinsame Listen gibt, weil es sonst niemanden mehr gibt, der bereit ist, die Aufgaben, die es in der Demokratie gibt, zu übernehmen. Das sollte uns ein bisschen zu denken geben. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)  Sie finden ja auch niemanden. Seien Sie doch ehrlich zu sich selbst!

Schauen Sie, Bezahlung, wir wollen keine Bezahlungsprivilegien, sondern wir wollen etwas tun, wodurch es ganz einfach möglich ist (Bundesrat Stadler – in Richtung FPÖ –: Wirklich keine Ahnung! – weitere Zwischenrufe bei der SPÖ), Menschen in einer speziellen Situation zu sagen: Ja, du gehst jetzt als Mann in die Korridorpension, bist 62,5, bist Bürgermeister und musst nicht mit 62,5 aus dem Bürgermeisteramt ausscheiden, sondern kannst noch in dieser Funktionsperiode bleiben. Die kann aus sein, wenn er 63 ist, die kann aus sein, wenn er 64 ist, die kann aus sein, wenn er 66 ist.

Ich weiß, woran Sie sich stoßen, nämlich dass es sich um Frühpensionen handelt. Wir haben auch noch die Pensionsform nach der Langzeitversichertenregel, mit allen Auslaufbestimmungen, die wir da vereinbart haben. Auch wenn jetzt ein Mann – die Männer gehen derzeit in Österreich nach der Langzeitversichertenregel schon lange nicht mehr mit 60 in Pension, ist schon alles Geschichte, sondern mit 61; ein Jahr ist ein Jahr, das ist wichtig im Pensionsrecht – nach dieser Regel in Pension geht, dann kann er als Bürgermeister noch weitermachen.

Wäre dieser Mann – und das ist jetzt bitte kein gegeneinander Ausspielen der Berufs­gruppen – ein AHS-Professor, dann würde er gar nicht darüber nachdenken, ob er weitermachen will oder nicht, sondern er macht weiter, weil das bei ihm bezugsmäßig nichts heißt.

Wir haben nur ein Thema, und dieses lautet, dass wir auch Verfassungsbestimmungen und Verfassungserkenntnisse haben, die sagen, was ein Ruhebezug im öffentlichen Dienst und was ein Pensionsbezug im ASVG ist. Ob uns das jetzt Spaß macht oder nicht, es ist so.

In Österreich ist auch Folgendes der Fall: Alle Pensionssysteme sind im Übergang, und alle Pensionssysteme sind auf dem Weg der Harmonisierung der Spielregeln, alle! Das haben Sie alles in den letzten zehn Jahren beschlossen. Wenn Sie alle Be­schlüsse anschauen, die Pensionen betreffen, dann werden Sie draufkommen, wir sind überall im Übergang, beginnend bei den viel gelästerten ÖBB bis hin zum öffentlichen Dienst, alles ist im Übergang.

Der Übergang dauert, aber wir schaffen hier für eine ganz bestimmte Gruppe von Menschen – das möchte ich Ihnen schon sagen, sowohl den Grünen als auch den Freiheitlichen – keinen neuen Privilegienstadl, sondern wir ersuchen Menschen, eine


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 198

Funktion, die wir, glaube ich, alle gemeinsam aus demokratiepolitischen Gründen brauchen, weiter zu erfüllen, eine Funktion, die keine Arbeitsmarktrelevanz hat, sondern das ganz wichtige Gut darstellt, für uns da zu sein. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie des Bundesrates Zangerl.)

20.21


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesbezügegesetz und weitere Gesetze geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesbahn-Pensionsgesetz und das Parlamentsmitarbeiterinnen- und Parlamentsmitarbeitergesetz geändert wer­den.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist ebenfalls Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit ange­nommen.

20.22.3242. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Krankenanstalten und Kuranstalten geändert wird (1200 d.B. und 1348 d.B. sowie 8566/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen zum 42. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Hensler. Ich bitte um den Bericht.

 


20.22.56

Berichterstatter Friedrich Hensler: Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Hoher Bundesrat! Ich berichte über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Krankenanstalten und Kuranstalten geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich beschränke mich auf die Antrag­stellung.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 19. Juli 2011 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke für die Berichterstattung.

Ich darf zu diesem Tagesordnungspunkt Herrn Bundesminister Stöger sehr herzlich bei uns begrüßen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Wir gehen in die Debatte ein.


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 199

Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Köberl. – Bitte.

 


20.24.08

Bundesrätin Johanna Köberl (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben hier über eine Änderung des Bundesgesetzes über Krankenanstalten und Kur­anstalten zu beraten.

Es geht um die immer wiederkehrende Diskussion über die Zweiklassenmedizin. Es geht um die Verpflichtung zur Führung eines transparenten Wartezeitmanagements bei Operationen, um eine qualitätsvolle, gerechte und solidarische Versorgung im öffent­lichen Gesundheitswesen.

Die Stadt Wien hat dies schon erprobt, und aufgrund dieser Erfahrungen soll es nun bundesweit eingeführt werden. Dies ist ein sehr großer Fortschritt für die Menschen, denn sie wissen in Zukunft, wann sie für eine Operation vorgesehen sind. Die vorgemerkte Person ist auf ihr Verlangen über die gegebene Wartezeit zu informieren. Es ist ein transparent geführtes, datenschutzgesichertes, anonymes Register. Es kann also nicht vom Arbeitgeber oder einer dritten Person abgerufen werden, wann wer aufgrund welcher Diagnose operiert wird. Dem Ministerium ist damit ein großer Wurf gelungen, der Gerechtigkeit schafft. – Danke.

In diesem Gesetz wird aber auch ein zweiter großer Schritt gemacht, und zwar die Etablierung einer Opferschutzgruppe für volljährige Betroffene häuslicher Gewalt. Kinderschutzgruppen gibt es bereits, wie wir wissen. Es wird bereits im Krankenhaus versucht, Kindern, die von häuslicher Gewalt betroffen sind, Hilfestellung zu geben.

Wie wir wissen, gibt es aber auch sehr viele volljährige Opfer häuslicher Gewalt, und oft stammen diese leider auch aus dem Behindertenbereich. Laut einer Statistik der Gewaltschutzzentren Österreichs ergibt sich eine jährliche Gesamtzahl gefährdeter Personen von 12 400, und da gibt es sicherlich noch eine hohe Dunkelziffer. Gesundheitseinrichtungen sind für solche Opfer häuslicher Gewalt meist die erste Anlaufstelle. Neben der Versorgung der körperlichen Verletzung muss auch weitere Hilfe angeboten werden beziehungsweise müssen Hilfsmöglichkeiten aufgezeigt werden.

Die Etablierung einer Opferschutzgruppe ist auch frauenpolitisch ein sehr wichtiger Schritt, denn jede fünfte Frau ist einmal im Leben mit Gewalt konfrontiert. Diese Gewalt hat viele Gesichter und viele Dimensionen in den verschiedensten Lebensabschnitten, wie eine von Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek erst kürzlich präsentierte Studie, fokussiert auf ältere Frauen, zeigt. Die Opferschutzgruppen sind keine perma­nent agierende Einrichtung, es geht vielmehr um die Definition von Verantwortlichen.

Opferschutzgruppen können auch gemeinsam mit anderen Krankenanstalten einge­richtet werden beziehungsweise können bestehende Kinderschutzgruppen, unter ent­sprechender personeller Umstrukturierung, diese Aufgabe übernehmen.

In diesem Gesetz wird auch die Frage des Entfalls der Beitragspflicht für Organ­spender behandelt, denn Menschen, welche ein Organ spenden, sollen in Zukunft vom Spitalskostenbeitrag befreit werden. Es können einem Organspender – wie wir alle wissen, gibt es in Österreich immer noch zu wenige – nicht auch noch zusätzlich Kosten aufgebürdet werden.

Eine weitere, fast selbstverständliche Änderung in diesem Gesetz ist die Aufnahme eines Seniorenvertreters in die Ethikkommission. Das ist, wie schon gesagt, geradezu eine Selbstverständlichkeit. Aufgrund der Tatsache, dass Senioren die größte Gruppe von PatientInnen sind, wurde eben zum Schutz des Patienten bei der klinischen Forschung und zur Sicherstellung der Qualität in der Forschung diese Kommission um


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 200

einen Vertreter ergänzt. – Alles in allem ein großer Wurf, und ich bitte um Zustimmung. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

20.27


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Diesner-Wais. – Bitte.

 


20.28.07

Bundesrätin Martina Diesner-Wais (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte KollegInnen im Bundesrat! Wir haben schon von meiner Vorrednerin gehört, dass das ein Gesetz ist, das zu mehr Transparenz und Sicherheit für die Bürger beiträgt, denn die Medizin hat in den letzten Jahren sehr viele Fortschritte gemacht, und das ist gut so. Das ist natürlich auch mit ein Grund dafür, dass die Menschen länger leben. Dadurch werden gewisse Operationen notwendig, damit man auch im Alter noch eine entsprechende Lebensqualität hat.

Vor allem die Zahl an Operationen im Bewegungstrakt, Hüfte, Knie und so weiter, wird immer größer. Daher kommt es bei Operationen auch unmissverständlich zu Warte­listen und Wartezeiten, und so ist es gerade im Bereich planbarer Operationen, bei der Orthopädie, Augen- und Neurochirurgie, notwendig, dass es Wartelisten gibt. Diese sollen, wie meine Vorrednerin auch schon gesagt hat, in Zukunft transparent sein. Dadurch hat auch der einzelne Bürger die Möglichkeit, auszuwählen, wo er hingehen will, was dazu beiträgt, dass die Wartelisten und Wartezeiten kürzer werden.

Ich denke, dies ist auch ein wichtiger Schritt, was den Abbau von Vorurteilen – die dahin gehen, dass es eine Zweiklassenmedizin gibt – betrifft. Wir in Österreich können wirklich stolz darauf sein, dass jedem Menschen in Österreich – egal, ob er jung oder alt ist – alle Operationen ermöglicht werden.Erfreulich ist auch, dass es in den Spitälern neben der Kinderschutzgruppe jetzt auch eine Opferschutzgruppe für Voll­jährige geben wird. Das ist mir ein großes Anliegen, denn vor allem Frauen sind sehr oft von häuslicher Gewalt betroffen.

Wichtig ist natürlich auch, dass dadurch keine Doppelgleisigkeiten entstehen; es gibt nämlich schon Opferschutzgruppen. Den Ländern sollen dadurch jedenfalls keine erheb­lichen Mehrkosten entstehen.

Zu begrüßen ist, dass jetzt auch die Senioren einen Vertreter in der Ethikkommission haben. Damit gewinnen sie auch mehr Vertrauen in die klinische Forschung, die auch dazu dient, dass wir bessere Medikamente und viele andere Dinge erhalten.

Wir werden diesem Gesetz zustimmen, denn es bringt mehr Vertrauen für die Bürger. Ich möchte aber noch hinzufügen, dass es wichtig ist, auch ständig an die Prävention zu denken, denn wenn wir ordentlich Prävention machen, dann werden viele Leistungen im Gesundheitssystem gar nicht notwendig. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

20.31


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt nun Herr Bundesminister Stöger. – Bitte.

 


20.31.06

Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Herr Präsident! Hohes Haus! In der vorigen Woche hat es unter anderem einen Bericht der OECD zum Gesundheitssystem gegeben. Ich wollte, dass die OECD einen Blick von außen auf das österreichische Gesundheitssystem wirft, und die OECD hat Folgendes fest­gestellt: Österreich ist Spitzenreiter beim Zugang zu guten Leistungen für jedermann und für jede Frau. Das ist sehr, sehr wichtig.


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 201

Mit diesem Gesetz haben wir nun einen weiteren Schritt in diese Richtung gesetzt. Viele von unseren Mitbürgerinnen und Mitbürgern haben manchmal das Gefühl, dass sie zwar einen Zugang zu den Leistungen haben, dass sie aber länger warten müssen als andere; und darauf habe ich reagiert. Mit diesem Bundesgesetz, das Sie heute hoffentlich beschließen werden, ist es endlich möglich, Transparenz zu schaffen, damit wir im Gesundheitssystem gut steuern können, damit die Öffentlichkeit auch weiß, in welcher Qualität die Gesundheitsleistungen erbracht werden, und damit man auch weiß, wie man mit Wartezeiten umgeht. Uns geht es dabei um Gerechtigkeit.

Das Thema Opferschutzgruppen haben meine Vorredner schon angesprochen, genau­so wie die Tatsache, dass nun auch Senioren in die Ethikkommission aufgenommen wurden. Ich ersuche Sie auch, mitzuwirken, dass in Zukunft in den Krankenhäusern – auch in Ihrer Region – verstärkt das Augenmerk auf die Notwendigkeit von Organ­spenden gerichtet wird, damit Menschen, die Organe brauchen, auch tatsächlich zu diesen kommen. Eine Hürde haben wir da schon beseitigt, nämlich die, dass freiwillige Organspender auch noch Krankenanstaltenbeiträge zahlen müssen. Das ist jetzt neu geregelt.

Ich meine, auch das ist ein wichtiger Schritt zur Verbesserung der Gesundheit in Österreich. (Allgemeiner Beifall.)

20.33


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

20.33.4643. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Obersten Sanitätsrat (OSR-Gesetz) erlassen und das Gesetz betreffend die Organisation des öffentlichen Sanitätsdienstes geändert wird (1226 d.B. und 1352 d.B. sowie 8567/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Nun gelangen wir zum 43. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Hensler. Bitte um den Bericht.

 


20.34.09

Berichterstatter Friedrich Hensler: Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hoher Bundesrat! Hinsichtlich des Beschlusses des Nationalrates vom 8. Juli 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Obersten Sanitätsrat (OSR-Gesetz) erlassen und das Gesetz betreffend die Organisation des öffentlichen Sani­täts­dienstes geändert wird, beschränke ich mich auf die Verlesung des Ausschuss­antrages.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 19. Juli 2011 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke für die Berichterstattung.


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 202

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist als Erster Herr Bundesrat Krusche. – Bitte.

 


20.35.03

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Hohes Präsidium! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Dass mir das heute noch passiert: Einziger Redner zu einem Tagesordnungspunkt, und dann noch zustimmend. (Demonstrativer Beifall bei der FPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP. – Bundesrat Gruber: Freue dich nicht zu früh!) Das werde ich jetzt auskosten! (Bundesrat Gruber: Das ist für dich wie Weihnachten!) Für euch! (Heiterkeit. – Bundesrat Gruber: Wie Ostern und Weihnachten zusammen!)

Es ist durchaus positiv zu bewerten, dass nunmehr keine vom Kaiser zu ernennenden Referenten mehr notwendig sind. Ich bin überzeugt davon, dass die Mitglieder des Sanitätsrates damit leben können, dass sie nicht mehr den Titel „k.u.k. Obersanitätsrat“ führen dürfen. Es wird also einem etwas antiquierten Gesetz, so wie es in der Textgegenüberstellung drinnen war, neues Leben eingehaucht. Das ist gut so, und es ist nur zu hoffen, dass das Expertengremium ausschließlich nach fachlichen Kriterien ausgewählt und besetzt wird und dass es dazu dienen wird, unser Gesundheitssystem weiterzuentwickeln und auf hohem Niveau zu erhalten. – Ich danke. (Beifall bei der FPÖ

20.36


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Herr Gesundheitsminister Stöger. – Bitte.

 


20.36.44

Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Der Oberste Sanitätsrat war bisher in einem Gesetz geregelt, das 140 Jahre alt ist. Für moderne Zeiten ist es nun notwendig, dieses Gesetz zu ändern.

Welche Kriterien haben wir angewendet? Was haben wir geändert?

Erstens: Ich halte es für ganz wichtig, dass es – und das ist eine Neuerung –, nachdem die Mehrheit der Bevölkerung weiblich ist, nun eine Regelung gibt, wonach die Exper­tenstellen im Obersten Sanitätsrat jedenfalls zu 40 Prozent von weiblichen Kandidaten besetzt werden müssen. Ich kann Ihnen berichten, dass ich mit 1. Jänner 2011 die neuen Mitglieder – es gibt 32 Mitglieder im Obersten Sanitätsrat – in einem Geschlechterverhältnis von 50 : 50 besetzt habe. Ich meine, dass das auch deshalb sehr wichtig ist, weil dadurch die Medizin, aber auch die Wissenschaft die Chance hat, auch die andere Hälfte der Bevölkerung, nämlich die Frauen, ernst zu nehmen.

Erwähnen möchte ich auch noch – und dieses Thema hat mein Vorredner auch schon angesprochen –, dass ich erstmals in der Geschichte dieser Republik ein Mitglied des Obersten Sanitätsrates bestellt habe, das auch die Leitung der Sektion III in meinem Ministerium innehat, und dass diese erstmals in der Geschichte dieses Landes mit einer hochqualifizierten Frau besetzt ist. Ich denke, auch das soll man hier deutlich sagen, denn das zeigt insgesamt den neuen Zugang zur Medizin auf. Dass wir da neue Regelungen brauchen, war auch aufgrund des Alters des Gesetzes dringend notwendig.

Ich möchte mich bei allen Mitgliedern, die bisher im Obersten Sanitätsrat ihre Tätigkeit ehrenamtlich geleistet haben, herzlich bedanken.

Hinweisen möchte ich auch darauf, dass der Bundesregierung auch Lob von Trans­parency International ausgesprochen worden ist. Wir wollten ganz bewusst Abhängig­


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 203

keiten von medizinischen Experten offenlegen, und das schafft mehr Transparenz. Es ist ein klares Ziel meiner Politik, im Gesundheitswesen auf allen Ebenen die Trans­parenz zu erhöhen. – Danke sehr. (Allgemeiner Beifall.)

20.39


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht mehr vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen diesen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Hand­zeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

20.40.0044. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Apothekerkammergesetz 2001 geändert wird (1474/A und 1358 d.B. sowie 8568/BR d.B.)

45. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arzneiwareneinfuhrgesetz 2010 geändert wird (1475/A und 1359 d.B. sowie 8569/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen nun zu den Punkten 44 und 45 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter zu den Punkten 44 und 45 der Tagesordnung ist Herr Bundesrat Reisinger. Bitte um die Berichte.

 


20.40.26

Berichterstatter Friedrich Reisinger: Geschätzter Herr Präsident! Herr Bundesminis­ter! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Der Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Apothekerkammergesetz 2001 geändert wird, liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich darf daher sogleich zur Antragstellung kommen.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 19. Juli 2011 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben.

Ebenfalls liegt Ihnen der Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arzneiwaren­einfuhrgesetz 2010 geändert wird, in schriftlicher Form vor; ich darf daher auch da sogleich zur Antragstellung kommen.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 19. Juli 2011 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte, in die Debatte einzutreten.


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist als Erste Frau Bundesrätin Köberl. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 204

20.41.46

Bundesrätin Johanna Köberl (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Damen und Herren! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Die Europäische Kommission sieht beim Apothekerkammergesetz 2001 einen Umset­zungs­bedarf hinsichtlich der Bestimmungen zu den vorübergehenden Dienstleistungen im Sinne der Diplomanerkennungsrichtlinie 2005/36/EG vor.

Da alle Verfahren im Zusammenhang mit der Berufsausübung als Apotheker von der Österreichischen Apothekerkammer vollzogen werden, soll auch das in Artikel 7 der Richtlinie vorgesehene Meldeverfahren für Apotheker, welche vorübergehend oder gelegentlich als Erbringer von Dienstleistungen in Österreich tätig sein wollen, der Österreichischen Apothekerkammer als Aufgabe zugewiesen werden.

Der nächste Tagesordnungspunkt befasst sich mit Blutspenden. Derzeit wird im Arz­nei­wareneinfuhrgesetz 2010 ziemlich rigoros geregelt, dass bei der Einfuhr bezie­hungsweise beim Verbringen von Blutprodukten zur direkten Transfusion die Spende gänzlich unbezahlt zu erfolgen hat. Es ist in diesem Bereich auch keine Aufwands­entschädigung zulässig.

Der erste Bluttransfusionsdienst wurde bereits 1921 in London gegründet – schon damals mit Hilfe freiwilliger und unbezahlter Spender. Studien, unter anderem von der EU und der WHO in Auftrag gegeben, weisen Blutprodukte von freiwilligen Spendern als die sichersten aus. Bezahlte Spender könnten eventuell eigene Sicherheitsrisiken des Geldes wegen verschweigen.

Mit dieser Änderung wird eine Aufwandsentschädigung für Blutspender zulässig. Es darf sich allerdings nur um einen Ersatz des dem Spender tatsächlich entstandenen Aufwands, wie zum Beispiel Anfahrtskosten ins Krankenhaus beziehungsweise zu einer Spendestelle, handeln, nicht aber um eine Bezahlung der Blutspende in Form von Bargeld oder anderen entsprechenden Leistungen.

Rund 300 000 Freiwillige spenden jährlich 225 000 Liter „Saft des Lebens“ und helfen damit Menschen in Notsituationen und retten Leben. Danke an alle, denen das Lebensretten im Blut liegt.

Ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes sieht diese Änderung im Sinne einer nationalen Regelung vor. Meine Fraktion wird dieser die Zustimmung erteilen. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

20.44


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Hensler. – Bitte.

 


20.44.29

Bundesrat Friedrich Hensler (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren des Bundesrates! Das Apothekerkammergesetz, zu dem von meiner Vorrednerin schon sehr viel gesagt wurde, folgt einer Empfehlung der Europäischen Kommission.

Diese Gesetzesvorlage regelt in erster Linie, dass Fachkräfte aus dem Ausland vorübergehend bei uns in Österreich Dienstleistungen im Sinne der Diplomaner­ken­nungsrichtlinie erbringen dürfen. Ich glaube, das ist wichtig für die Versorgung unserer Patienten hier in unserem Heimatland. Wir werden diesem Gesetz sehr gerne zustim­men. (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP sowie Beifall bei Bundesräten von SPÖ und Grünen.)

20.45



BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 205

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt als Nächster Herr Bundesrat Krusche. – Bitte.

 


20.45.31

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Auch wir werden wieder zustimmen. (Demonstrativer Beifall und Bravorufe bei ÖVP und SPÖ.) Es freut mich, dass ich damit so viele Emotionen wecke.

Zum Apothekergesetz ist bereits alles gesagt worden.

Eine kurze Anmerkung zum Blutspendegesetz beziehungsweise zum Import von Blutspenden. Es ist positiv zu beurteilen, dass man versucht, ein höchstes Maß an Qualität zu erreichen. Es ist nachvollziehbar, dass man faktisch kommerzialisiertes Blutspenden, vor allem von Personen aus EU-Staaten, die das unter Umständen gezielt ausnützen können, nicht befürwortet, dass man verhindert, dass das eintreten könnte, um die Sicherheit der Importe wirklich in einem höchstmöglichen Maß zu gewährleisten – sofern sie überhaupt notwendig sind. Das Hauptziel wäre ja eigentlich, dass wir auch in der Versorgung mit Spenderblut eine gewisse Autarkie erreichen.

Das Einzige, was vielleicht passieren kann, ist, da diese Regelung jetzt vorsieht, dass importiertes Blut von Spendern kommen kann (Bundesrat Kneifel: Von wo?) – aus der EU, aus dem Ausland –, die einen Kostenersatz für ihren Aufwand für Reisen erhalten – im Inland ist das nicht üblich –, dass es zu Verfahren wegen Inländer­diskriminierung kommt, weil eigentlich der inländische Blutspender keinen Kosten­ersatz bekommt.

Aber grundsätzlich ist die Intention dieses Gesetzes eine positive, der wir natürlich zustimmen werden. (Beifall bei der FPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

20.47


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrats erfolgt getrennt.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Apothekerkammergesetz 2001 geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arzneiwareneinfuhrgesetz 2010 geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist ebenfalls Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit ange­nommen.

20.48.3646. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gesundheits- und Ernährungssicherheitsgesetz geändert wird (1227 d.B. und 1360 d.B. sowie 8570/BR d.B.)

 



BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 206

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir kommen jetzt zum 46. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Reisinger. Bitte um den Bericht.

 


20.48.53

Berichterstatter Friedrich Reisinger: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Der Bericht des Gesundheits­aus­schusses über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2011 betreffend ein Bun­des­gesetz, mit dem das Gesundheits- und Ernährungssicherheitsgesetz geändert wird, liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich komme daher sogleich zur Antragstellung.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage vom 19. Juli 2011 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt als Erste Frau Bundesrätin Ebner. – Bitte.

 


20.49.42

Bundesrätin Adelheid Ebner (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Wir haben heute ein Gesetz zu beschließen, das wieder mehr Sicherheit im Gesundheits- und Ernährungsbereich bringen soll – und auch bringen wird.

Immer wieder hören wir von Lebensmittelkrisen, von Erkrankungen wie zuletzt jene durch die EHEC-Viren, eine Durchfallerkrankung, die auch zu Todesfällen geführt hat, und daher ist es von besonderer Bedeutung, dass seitens des Gesetzgebers Kontroll­einrichtungen wie die AGES, die Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernäh­rungssicherheit, geschaffen und ExpertInnen in diesem Bereich eingesetzt werden.

Durch die Zusammenfassung verschiedener Zuständigkeiten in den Angelegenheiten der Lebensmittelproduktion und auch der Qualitätssicherung will man der Verun­sicherung der Konsumenten im Lebensmittelbereich entgegenwirken. Es ist unserem Herrn Bundesminister in diversen Verhandlungen mit den Ländern auch möglich gewesen, diese davon zu überzeugen, dass die Fachleute der AGES die Neuverbliste­rung in den Apotheken kontrollieren können.

Was versteht man unter Neuverblisterung? – Unter Neuverblisterung versteht man die patientenindividuelle Zusammenstellung mehrerer Arzneimittel in Verpackungen, zu­meist in Wochenrationen. Bedienstete der AGES können in Zukunft auch von den Bezirksverwaltungsbehörden als Sachverständige im Zusammenhang mit der Neuverblisterung in den Apotheken eingesetzt werden – und zwar nur in den öffent­lichen Apotheken und nicht in den Apotheken der praktischen Ärzte.

Werte Kolleginnen und Kollegen! Lebensmittelsicherheit zu gewährleisten bedeutet mehr, als nur die Hersteller und den Handel zu kontrollieren. Es gibt noch viele Be­reiche. Ich möchte hier nur die Futtermittelsicherheit erwähnen, die ebenfalls eine sehr wichtige Rolle spielt.

In den letzten Jahren hat sich die Lebensmittelkontrolle im europäischen Raum massiv weiterentwickelt. Eine weitgehende Harmonisierung der Lebensmittelkontrolle und des Lebensmittelrechtes in allen Mitgliedstaaten wurde angestrebt. Es gibt amtliche Kontrollen zur Überprüfung der Einhaltung von Vorschriften, von Lebensmitteln und Futtermitteln sowie die hiezu gehörenden Bestimmungen über Tiergesundheit und Tierschutz, denn ich darf hier in Erinnerung rufen, dass es in der Vergangenheit doch einige Lebensmittelskandale wie BSE oder dioxinbelastete Lebensmittel gab, die durch


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 207

Futtermitteldefizite verursacht wurden. Es ist zwar in diesen Bereichen nicht unser Herr Gesundheitsminister zuständig, sondern dies fällt in die Kompetenz des Landwirt­schaftsministeriums, jedoch gehören die Futtermittel in der Erzeugung von Lebens­mitteln zur Nahrungskette dazu, und daher ist mit diesen ebenfalls besonders vor­sichtig umzugehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Sicherung der hohen Qualität öster­reichischer Lebensmittel muss höchste Priorität haben. Die umfassende Kontrolle der Lebensmittel ist ein zentraler Schritt, um der Verunsicherung und dem wachsenden Misstrauen der österreichischen Konsumentinnen und Konsumenten entgegen­zutre­ten.

Unsere Fraktion wird diesem Gesetz zustimmen. – Abschließend darf ich allen einen schönen und erholsamen Sommer wünschen. (Allgemeiner Beifall.)

20.53


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Diesner-Wais. – Bitte.

 


20.53.31

Bundesrätin Martina Diesner-Wais (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Wir haben es schon gehört: Diese Änderung im Gesundheits- und Ernährungssicherheitsgesetz ist ein vorbildlicher Schritt, weil keine Doppelgleisigkeit entsteht, sondern diese vermieden wird. Die Verblisterungsüberwachung bei den Apotheken ist eigentlich bei den Bezirksbehörden angesiedelt, aber da es ja nur wenige Apotheken gibt, die wirklich verblistern und die Verblisterung auch besonderer Fachkenntnisse bedarf, werden die Sachverständigen der AGES dafür herangezogen.

Durch dieses Gesetz hat das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen die Verpflichtung, Sachverständige zur Verfügung zu stellen und dann kostendeckende Gebühren bei den Apotheken einzuheben, sodass für die Bezirksverwaltungsbehörden keine zusätzlichen Kosten entstehen.

Was mich besonders freut im Zusammenhang mit der ganzen Diskussion rund um die Lebensmittelsicherheit und die AGES, das ist, dass im Nationalrat ein Initiativantrag eingebracht wurde, dass eine Reformgruppe eingesetzt wird, die eben die Kontroll­maßnahmen der Lebensmittelkette vom Feld bis zum Teller überprüft, denn im Laufe der Zeit sind immer mehr Kontrollen dazugekommen. Somit haben sich auch Doppel­gleisigkeiten eingeschlichen, und daher ist das System sehr teuer geworden.

Ich glaube, es kann nicht Sinn und Zweck sein, dass – so wie es jetzt schon passiert wäre – die Verteuerungen, die es natürlich bei der AGES gibt, auf die Betriebe – sprich: auf die Landwirtschaft und auf die Gewerbebetriebe – abgewälzt werden, ohne dass man zuerst überprüft, welche Doppelgleisigkeiten es gibt und welche strukturellen Einsparungen man machen kann.

Daher ist es, so glaube ich, eine wichtige Sache, dass es hier eine Überprüfung gibt, damit man Doppelgleisigkeiten sozusagen herausfiltert und dann natürlich auch abschafft und dass man eben auch andere Kontrollen, die es im gleichen Bereich schon gibt, anerkennt.

Auch ich möchte zum Schluss noch allen Mitgliedern des Bundesrates eine schöne Sommerzeit wünschen – und natürlich auch allen Mitarbeitern – und hoffe, dass wir uns alle in gesunder Frische im Herbst wieder sehen. (Allgemeiner Beifall.)

20.56



BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 208

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Krusche. – Bitte. (Bundesrat Mag. Klug – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Bundesrates Krusche –: Einmal geht es noch! – Bundesrat Todt – auf die Mappe von Bundesrat Krusche weisend –: Der hat einen ganzen Akt mit! – Bundesrat Krusche – auf dem Weg zum Rednerpult –: Jetzt geht´s los!)

 


20.56.20

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich habe meinen Vorrednerinnen inhaltlich nichts mehr hinzuzufügen (Bundesrat Mag. Klug: Bravo!), ich möchte nur noch die Gelegenheit dazu nützen – als letzter Redner am heutigen Tag, nach fast exakt zwölf Stunden – und nicht auf diese Wortmeldung verzichten, denn es hat sich heute in sehr vielen Punkten wieder Folgendes herausgestellt: Wenn wir anderer Meinung sind, so wird vonseiten der Regierungsparteien mit Polemik reagiert. (Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.) Dann heißt es: Das ist ein Blödsinn! Ihr wollt nicht!, und so weiter. Und wir haben hier jetzt durchaus ... (Bundesrat Kneifel: Du tust uns unrecht!) – Genauso, wie ihr uns unrecht tut!

Wir haben im Gesundheitsbereich jetzt gerade fünf einstimmige Tagesordnungspunkte gehabt, und ich muss betonen, dass mir auch meine Kollegen aus dem National­ratsklub erzählt haben, dass dort im letzten Gesundheitsausschuss ein sehr konstruk­tives und positives Klima geherrscht hat und auch Anträge der Opposition, beispiels­weise betreffend die Sicherheit von Babyfläschchen, angenommen worden sind. Also es geht auch anders, und wir sind es nicht, die immer dagegen sind. (Bundesrat Kneifel: Du musst schon gerecht sein! – Ruf bei der SPÖ: Wolf im Schafspelz! – Weitere Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.)

In diesem Sinne möchte ich namens meiner Fraktion und in meinem eigenen Namen vor allem allen Mitarbeitern dieses Hauses und auch Ihnen allen eine erholsame Sommerzeit wünschen, damit wir uns dann wieder mit frischer Kraft hier treffen können. Und ich sage nur abschließend: Und ein bisserl brav sein dann! (Heiterkeit und Beifall bei FPÖ, SPÖ und ÖVP sowie des Bundesrates Zangerl.)

20.58


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen somit zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrats keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

20.59.11Einlauf

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt drei Anfragen, 2834/J-BR/2011 bis 2836/J-BR/2011, eingebracht wurden.

*****

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin ist der 6. Oktober 2011, 9 Uhr, in Aussicht genommen.


BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 209

Wie immer kommen für diese Sitzung jene Beschlüsse in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit sie dem Einspruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Dienstag, den 4. Oktober 2011, ab 14 Uhr, vorgesehen.

*****

Ich schließe mich allen Wünschen betreffend einen schönen Sommer an Sie alle, inklusive der Seherinnen und Seher vor den Fernsehgeräten, an und bedanke mich. (Allgemeiner Beifall. – Bundesrat Kneifel: Und brav sein! – Bundesrätin Mühlwerth: Und brav sein!)

Die Sitzung ist geschlossen.

21.00.07Schluss der Sitzung: 21 Uhr

 

Impressum:

Parlamentsdirektion

1017 Wien