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Plenarsitzung

des Nationalrates

Stenographisches Protokoll

 

224. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

Donnerstag, 6. Juli 2023

XXVII. Gesetzgebungsperiode

 

 

 

Nationalratssaal


Stenographisches Protokoll

224. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXVII. Gesetzgebungsperiode                              Donnerstag, 6. Juli 2023

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 6. Juli 2023: 9.09 – 23.26 Uhr

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Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Primärversorgungsgesetz und das Allge­meine Sozialversicherungsgesetz geändert werden

2. Punkt: Antrag der Abgeordneten Dr. Josef Smolle, Ralph Schallmeiner, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz, mit dem nähere Regelungen zu einem Elektronischen Eltern-Kind-Pass getroffen werden (eEltern-Kind-Pass-Gesetz – EKPG), erlassen wird sowie das Gesundheitstelematikgesetz 2012, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Kinderbetreuungsgeldgesetz und das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 geändert werden (Eltern-Kind-Pass-Gesetz)

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Barrierefreiheitsgesetz erlassen sowie das Sozialministeriumservicegesetz geändert wird

4. Punkt: Bericht über den Antrag 3466/A der Abgeordneten August Wöginger, Bedrana Ribo, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz, das Ärztegesetz 1998 und


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das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert werden (GuKG-Novelle 2023)

5. Punkt: Bericht und Antrag über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem Art. V des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 473/1992 geändert wird

6. Punkt: Bericht über den Antrag 3378/A(E) der Abgeordneten Mag. Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Leistungsorientierte Lehrlings­entschädigung für Absolventen der Pflegelehre

7. Punkt: Bericht über den Antrag 3376/A(E) der Abgeordneten Mag. Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Zweiten Bildungsweg für Pflegekräfte auch finanziell absichern

8. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Freiwilligengesetz geändert wird, sowie

Bericht über den Antrag 3059/A der Abgeordneten Elisabeth Feichtinger, BEd BEd, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Freiwilli­gengesetz BGBl I 17/2012 geändert wird

9. Punkt: Bericht über den Antrag 3368/A der Abgeordneten Mag. Dr. Rudolf Taschner, Mag. Eva Blimlinger, Mag. Andrea Kuntzl, Mag. Dr. Martin Graf, Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Bundesgesetz vom 5. März 1952 über die Verleihung des Doktorates unter den Auspizien des Bundespräsidenten geändert wird

10. Punkt: Bericht über den Antrag 3440/A(E) der Abgeordneten MMMag. Gertraud Salzmann, Mag. Sibylle Hamann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sicherstellung von Maßnahmen im Bereich Energieeffizienz und Nachhaltigkeit an den Schulen

11. Punkt: Bericht über den Antrag 2396/A(E) der Abgeordneten Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kostenübernahme von Exkursionen zu Gedenkstätten


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12. Punkt: Bericht über den Antrag 3420/A(E) der Abgeordneten Christian Oxonitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schaffung eines Online-Tools zur Orientierung über mögliche Ausbildungsprogramme in der Elementar­pädagogik

13. Punkt: Bericht über den Antrag 3412/A(E) der Abgeordneten Mag. Christian Drobits, Kolleginnen und Kollegen betreffend Wissen über Datenschutz und Datensicherheit für Kinder und Jugendliche ausbauen!

14. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Sicherstellung der staatlichen Resilienz und Koordination in Krisen (Bundes-Krisensicherheits­gesetz – B-KSG) erlassen wird sowie das Bundes-Verfassungsgesetz, das Wehr­gesetz 2001 und das Meldegesetz 1991 geändert werden

15. Punkt: Bericht und Antrag über den Entwurf eines Bundesgesetzes über die Einrichtung eines Bundeskrisenlagers für den Gesundheitsbereich sowie über die Verfügung über Bundesvermögen bei Abgabe aus diesem Lager (Bundeskrisen­lagergesetz – BKLG)

16. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Gesetz über das Bundesamt zur Korrup­tions­prävention und Korruptionsbekämpfung geändert wird

17. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Körperschaftsteuergesetz 1988, das Umgründungssteuergesetz, das Umsatzsteuer­gesetz 1994, das Gebührengesetz 1957, das Grunderwerbsteuergesetz 1987, das Versicherungssteuergesetz 1953, das Nationale Emissionszertifikate­handelsge­setz 2022, das Alkoholsteuergesetz 2022, das Tabakmonopolgesetz 1996, das Erdgasabgabegesetz, das Gesundheits- und Sozialbereich-Beihilfengesetz, die Bundesabgabenordnung, das Bundesfinanzgerichtsgesetz, das Finanzstrafgesetz, das Finanzstrafzusammenarbeitsgesetz, das Zollrechts-Durchführungsgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz und das Freiberuflichen-Sozialver­siche­rungsgesetz geändert werden (Abgabenänderungsgesetz 2023 – AbgÄG 2023)


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18. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Umsatzsteuergesetz 1994, die Bundes­abgabenordnung, das Finanzstrafgesetz und das Bankwesengesetz hinsichtlich der Meldung von Zahlungsdaten durch Zahlungsdienstleister geändert werden (CESOP-Umsetzungsgesetz 2023)

19. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Wirtschaftliche Eigentümer Register­gesetz geändert wird

20. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über Wagniskapitalfonds erlassen (Wagniskapitalfondsgesetz – WKFG) und das Finanzmarktauf­sichtsbehördengesetz, das Alternative Investmentfonds Manager-Gesetz, das Investmentfondsgesetz 2011 und das Einkommensteuergesetz 1988 geändert werden

21. Punkt: Bericht über den Antrag 1412/A(E) der Abgeordneten Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Österreich braucht endlich ein Wagniskapitalfonds-Gesetz

22. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Katastrophenfondsgesetz 1996 geändert wird

23. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Weingesetz 2009 geändert wird

24. Punkt: Bericht über den Antrag 3473/A(E) der Abgeordneten Dipl.-Ing. Georg Strasser, Clemens Stammler, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Sichtbar­machung der sozialen und psychischen Herausforderungen für österreichische Bäuerinnen und Bauern und einem Bekenntnis zur Unterstützung, u.a. durch Weiterführung und Ausbau des bäuerlichen Sorgentelefons.“

25. Punkt: Bericht über den Antrag 392/A(E) der Abgeordneten Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bericht zu Selbstmorden und psychischen Erkrankungen bei Landwirtinnen und Landwirten


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Inhalt

Personalien

Verhinderungen ......................................................................................................     48

Ordnungsrufe .....................................................  253, 309, 384, 414, 414, 415

Ruf zur Sache ..........................................................................................................  561

Geschäftsbehandlung

Mitteilung des Präsidenten Mag. Wolfgang Sobotka betreffend Befassung des Sicherheitskomitees mit dem Fall des Eindringens einer hausfremden Person in den Plenarsaal ...............................................................     47

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 5 GOG .............................................................................................................     98

Unterbrechung der Sitzung ....................................................................................  256

Wortmeldungen betreffend Einhaltung der in der Geschäftsordnung festgelegten Bestimmungen:

MMMag. Dr. Axel Kassegger ..................................................................................  414

Sigrid Maurer, BA .....................................................................................................  416

Fragestunde (22.)

Bildung, Wissenschaft und Forschung ................................................................     49

Mag. Dr. Rudolf Taschner (284/M); Mag. Gerhard Kaniak

Mag. Andrea Kuntzl (279/M)

Mag. Dr. Martin Graf (275/M)


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Mag. Sibylle Hamann (292/M); Christian Oxonitsch, MMag. Dr. Agnes Totter, BEd

Mag. Martina Künsberg Sarre (282/M); Michael Seemayer, Ing. Johann Weber

MMMag. Gertraud Salzmann (285/M)

Petra Tanzler (280/M); Dr. Dagmar Belakowitsch, Mag. Yannick Shetty, Ralph Schallmeiner

Hermann Brückl, MA (276/M)

Mag. Eva Blimlinger (293/M); Eva Maria Holzleitner, BSc, Mag. Dr. Maria Theresia Niss, MBA

Fiona Fiedler, BEd (283/M)

Nico Marchetti (286/M); MMag. Katharina Werner, Bakk.

Mag. Dr. Petra Oberrauner (281/M); Mag. Peter Weidinger

Joachim Schnabel (287/M); Dr. Elisabeth Götze

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ............................................................................................     48

Dringlicher Antrag

der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Schulen von Bürokratie befreien, Lehrkräfte für die Arbeit mit den Kindern freispielen!“ (3509/A)(E) ...............................................  256

Begründung: Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES ...................................................  261

Bundesminister Dr. Martin Polaschek ....................................................................  270


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Debatte:

Mag. Martina Künsberg Sarre .................................................................................  274

Mag. Romana Deckenbacher ..................................................................................  279

Petra Tanzler ............................................................................................................  283

Hermann Brückl, MA ...............................................................................................  287

Mag. Sibylle Hamann ...............................................................................................  292

Fiona Fiedler, BEd ....................................................................................................  295

MMMag. Gertraud Salzmann .................................................................................  297

Christian Oxonitsch .................................................................................................  300

Mag. Gerald Hauser .................................................................................................  302

Mag. Eva Blimlinger .................................................................................................  306

MMag. Katharina Werner, Bakk. ............................................................................  310

Nico Marchetti .........................................................................................................  312

Petra Wimmer ..........................................................................................................  315

Dr. Susanne Fürst .....................................................................................................  317

Barbara Neßler ........................................................................................................  321

Mag. Yannick Shetty ...............................................................................................  325

Mag. Dr. Rudolf Taschner ........................................................................................  329

Katharina Kucharowits ...........................................................................................  332

Pia Philippa Beck .....................................................................................................  335

Ablehnung des Selbständigen Entschließungsantrages 3509/A(E) .................  337

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Primärversorgungsgesetz und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert werden (2087 d.B.) .............     99

2. Punkt: Antrag der Abgeordneten Dr. Josef Smolle, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz, mit dem nähere Regelungen zu einem Elektronischen Eltern-


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Kind-Pass getroffen werden (eEltern-Kind-Pass-Gesetz – EKPG), erlassen wird sowie das Gesundheitstelematikgesetz 2012, das Allgemeine Sozial­ver­sicherungsgesetz, das Kinderbetreuungsgeldgesetz und das Familien­­lasten­ausgleichsgesetz 1967 geändert werden (Eltern-Kind-Pass-Gesetz) (3463/A) ...........................................................................................     99

Redner:innen:

Rudolf Silvan ............................................................................................................     99

Ralph Schallmeiner ..................................................................................................  105

Mag. Gerhard Kaniak ..............................................................................................  108

Dr. Josef Smolle ........................................................................................................  117

Fiona Fiedler, BEd ....................................................................................................  119

Bundesminister Johannes Rauch ............................................................................  121

Barbara Neßler ........................................................................................................  125

Peter Wurm (tatsächliche Berichtigung) ..............................................................  128

Gabriele Heinisch-Hosek .........................................................................................  128

Barbara Neßler (tatsächliche Berichtigung) .........................................................  130

Dr. Werner Saxinger, MSc .......................................................................................  130

Peter Wurm ..............................................................................................................  133

Mag. Meri Disoski ....................................................................................................  137

Philip Kucher ............................................................................................................  140

Mag. Gerhard Kaniak (tatsächliche Berichtigung) ...............................................  144

Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller ...................................................................  144

Dr. Dagmar Belakowitsch .......................................................................................  147

Josef Muchitsch .......................................................................................................  149

Entschließungsantrag der Abgeordneten Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Maßnahmen gegen den Ärzt:innenmangel“ – Ableh­nung ........................................................................................................  102, 151

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Zusätzliche Kassenvertragsstellen für Einzel- und


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Gruppenpraxen im Zuge der aktuellen Reform der Primärversorgungszentren“ – Ablehnung ..........................................  112, 152

Annahme des Gesetzentwurfes in 2087 d.B. .....................................................  151

Annahme des im Antrag 3463/A enthaltenen Gesetzentwurfes ....................  152

3. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (2046 d.B.): Bundesgesetz, mit dem ein Barrierefreiheitsgesetz erlassen sowie das Sozialministeriumservicegesetz geändert wird (2145 d.B.) ......................................................................................  152

Redner:innen:

Bedrana Ribo, MA ....................................................................................................  153

Mag. Verena Nussbaum ..........................................................................................  155

Mag. Christian Ragger .............................................................................................  157

Kira Grünberg ...........................................................................................................  159

Fiona Fiedler, BEd ....................................................................................................  161

Josef Muchitsch .......................................................................................................  165

Peter Wurm ..............................................................................................................  166

Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler ..........................................................................  173

Bundesminister Johannes Rauch ............................................................................  176

Entschließungsantrag der Abgeordneten Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Ja zum Schutz des Bargeldes und der uneingeschränk­ten Bargeldzahlung – Nein zum Masterplan der Bargeldabschaffung in Österreich und der EU im Zusammenhang mit dem Barrierefreiheitsgesetz 2023“ – Ablehnung ...............................................................................  169, 178

Annahme des Gesetzentwurfes in 2145 d.B. .....................................................  177

Gemeinsame Beratung über

4. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 3466/A der Abgeordneten August Wöginger, Bedrana Ribo, MA,


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Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz, das Ärztegesetz 1998 und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert werden (GuKG-Novelle 2023) (2146 d.B.) .....................................................................................  178

5. Punkt: Bericht und Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem Art. V des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 473/1992 geändert wird (2147 d.B.) .................................................  179

6. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 3378/A(E) der Abgeordneten Mag. Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Leistungsorientierte Lehrlingsentschädigung für Absolventen der Pflegelehre (2148 d.B.) ............................................................  179

7. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 3376/A(E) der Abgeordneten Mag. Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Zweiten Bildungsweg für Pflegekräfte auch finanziell absichern (2149 d.B.) .............................................................................  179

Redner:innen:

Gabriele Heinisch-Hosek .........................................................................................  179

Bedrana Ribo, MA ....................................................................................................  181

Dr. Dagmar Belakowitsch .......................................................................................  186

August Wöginger .....................................................................................................  188

MMag. Katharina Werner, Bakk. ............................................................................  193

Bundesminister Johannes Rauch ............................................................................  194

Mag. Ernst Gödl .......................................................................................................  198

Alois Stöger, diplômé ...............................................................................................  201

Mag. Michael Hammer ............................................................................................  203

Mag. Christian Ragger .............................................................................................  205

Mag. Verena Nussbaum ..........................................................................................  207

Annahme der beiden Gesetzentwürfe in 2146 und 2147 d.B. ........................  209


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Kenntnisnahme der beiden Ausschussberichte 2148 und 2149 d.B. .............  211

8. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regie­rungsvorlage (2085 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Freiwilligengesetz geändert wird, sowie über den

Antrag 3059/A der Abgeordneten Elisabeth Feichtinger, BEd BEd, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Freiwil­ligengesetz BGBl I 17/2012 geändert wird (2150 d.B.) ....................................  211

Redner:innen:

Maximilian Linder ....................................................................................................  211

David Stögmüller .....................................................................................................  213

Elisabeth Feichtinger, BEd BEd ...............................................................................  216

Mag. Andreas Hanger ..............................................................................................  218

Mag. Yannick Shetty ...............................................................................................  221

Bundesminister Johannes Rauch ............................................................................  223

Klaus Köchl ...............................................................................................................  225

Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler ..........................................................................  226

Staatssekretärin Claudia Plakolm ..........................................................................  228

Mag. Michael Hammer ............................................................................................  231

Annahme des Gesetzentwurfes in 2150 d.B. .....................................................  232

9. Punkt: Bericht des Wissenschaftsausschusses über den Antrag 3368/A der Abgeordneten Mag. Dr. Rudolf Taschner, Mag. Eva Blimlinger, Mag. Andrea Kuntzl, Mag. Dr. Martin Graf, Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 5. März 1952 über die Verleihung des Doktorates unter den Auspizien des Bundespräsidenten geändert wird (2144 d.B.) ..................  233

Redner:innen:

Mag. Dr. Rudolf Taschner ........................................................................................  233

Mag. Andrea Kuntzl .................................................................................................  236


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll224. Sitzung, 224. Sitzung des Nationalrats vom 6. Juli 2023 / Seite 12

Mag. Eva Blimlinger .................................................................................................  237

Mag. Maria Smodics-Neumann ..............................................................................  239

Eva Maria Holzleitner, BSc ......................................................................................  240

Mag. Dr. Petra Oberrauner .....................................................................................  242

Annahme des Gesetzentwurfes in 2144 d.B. .....................................................  244

10. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 3440/A(E) der Abgeordneten MMMag. Gertraud Salzmann, Mag. Sibylle Hamann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sicherstellung von Maßnahmen im Bereich Energieeffizienz und Nachhaltigkeit an den Schulen (2131 d.B.) ......  244

Redner:innen:

Hermann Brückl, MA ...............................................................................................  244

MMMag. Gertraud Salzmann .................................................................................  246

Petra Tanzler ............................................................................................................  248

Mag. Sibylle Hamann ...............................................................................................  252

Mag. Martina Künsberg Sarre .................................................................................  254

Ing. Johann Weber ...................................................................................................  338

Mag. Yannick Shetty ...............................................................................................  339

MMag. Dr. Agnes Totter, BEd .................................................................................  341

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 2131 d.B. beigedruckten Entschließung betreffend „Sicherstellung von Maßnahmen im Bereich Energieeffizienz und Nachhaltigkeit an den Schulen“ (330/E) .........................  343

11. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 2396/A(E) der Abgeordneten Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kostenübernahme von Exkursionen zu Gedenkstätten (2132 d.B.) ................  343

Redner:innen:

Sabine Schatz ...........................................................................................................  343

Nico Marchetti .........................................................................................................  345

Hermann Brückl, MA ...............................................................................................  347


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll224. Sitzung, 224. Sitzung des Nationalrats vom 6. Juli 2023 / Seite 13

Mag. Eva Blimlinger .................................................................................................  348

MMag. Dr. Agnes Totter, BEd .................................................................................  349

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 2132 d.B. ..........................................  351

12. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 3420/A(E) der Abgeordneten Christian Oxonitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schaffung eines Online-Tools zur Orientierung über mögliche Ausbildungsprogramme in der Elementarpädagogik (2133 d.B.) .....................  351

Redner:innen:

Christian Oxonitsch .................................................................................................  351

MMag. Dr. Agnes Totter, BEd .................................................................................  357

Mag. Martina Künsberg Sarre .................................................................................  359

Mag. Sibylle Hamann ...............................................................................................  361

Elisabeth Feichtinger, BEd BEd ...............................................................................  362

Entschließungsantrag der Abgeordneten Christian Oxonitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Implementierung eines neuen Konzepts zur Sprachförderung“ – Ablehnung ...........................................................  354, 364

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 2133 d.B. hinsichtlich des Antrages 3420/A(E) ...............................................................................................  363

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 2133 d.B. beigedruckten Entschließung betreffend „Ausbildungsoffensive Elementarpädagogik“ (331/E) .....................................................................................................................  364

13. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 3412/A(E) der Abgeordneten Mag. Christian Drobits, Kolleginnen und Kollegen betreffend Wissen über Datenschutz und Datensicherheit für Kinder und Jugendliche ausbauen! (2134 d.B.) .......................................................................  364

Redner:innen:

Mag. Gerald Hauser .................................................................................................  364

Mag. Dr. Rudolf Taschner ........................................................................................  368


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll224. Sitzung, 224. Sitzung des Nationalrats vom 6. Juli 2023 / Seite 14

Mag. Christian Drobits ............................................................................................  369

Mag. Sibylle Hamann ...............................................................................................  371

Katharina Kucharowits ...........................................................................................  372

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 2134 d.B. beigedruckten Entschließung betreffend „Wissen über Datenschutz und Datensicherheit für Kinder und Jugendliche ausbauen!“ (332/E) .................................................  374

Gemeinsame Beratung über

14. Punkt: Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regierungsvorlage (2084 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Sicherstellung der staatlichen Resilienz und Koordination in Krisen (Bundes-Krisensicherheitsgesetz – B-KSG) erlassen wird sowie das Bundes-Verfassungsgesetz, das Wehrgesetz 2001 und das Meldege­setz 1991 geändert werden (2120 d.B.) ................................................................................  375

15. Punkt: Bericht und Antrag des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Entwurf eines Bundesgesetzes über die Einrichtung eines Bundeskrisenlagers für den Gesundheitsbereich sowie über die Verfügung über Bundesvermögen bei Abgabe aus diesem Lager (Bundeskrisen­lagergesetz – BKLG) (2121 d.B.) ...........................................................................  375

Redner:innen:

Ing. Reinhold Einwallner ..........................................................................................  375

Dr. Christian Stocker ...............................................................................................  378

Mag. Hannes Amesbauer, BA .................................................................................  384

David Stögmüller .....................................................................................................  393

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff ............................................................................  396

Bundesminister Mag. Gerhard Karner ....................................................................  399

Mag. Johanna Jachs ................................................................................................  401

Petra Tanzler ............................................................................................................  403

Lukas Brandweiner ..................................................................................................  405


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll224. Sitzung, 224. Sitzung des Nationalrats vom 6. Juli 2023 / Seite 15

Christian Ries ...........................................................................................................  407

Dr. Helmut Brandstätter .........................................................................................  409

Maximilian Köllner, MA .........................................................................  415, 417

Mag. Gerhard Kaniak ..............................................................................................  419

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Hannes Amesbauer, BA, Ing. Reinhold Einwallner, Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Verantwortung dorthin, wo sie hingehört!“ – Ableh­nung ..............................................................................................  390, 423

Annahme der beiden Gesetzentwürfe in 2120 und 2121 d.B. ........................  422

16. Punkt: Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regierungsvorlage (2089 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Gesetz über das Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung geändert wird (2122 d.B.) ......................................................................................  424

Redner:innen:

Sabine Schatz ...........................................................................................................  424

Mag. Wolfgang Gerstl ..............................................................................................  426

Werner Herbert ........................................................................................................  428

Mag. Georg Bürstmayr ............................................................................................  432

Dr. Stephanie Krisper ..............................................................................................  435

Bundesminister Mag. Gerhard Karner ....................................................................  437

Dietmar Keck ...........................................................................................................  441

Christian Ries ...........................................................................................................  442

Annahme des Gesetzentwurfes in 2122 d.B. .....................................................  444

17. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (2086 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Körperschaftsteuergesetz 1988, das Umgründungssteuergesetz, das Umsatzsteuergesetz 1994, das Gebührengesetz 1957, das Grunderwerb­steuergesetz 1987, das Versicherungssteuergesetz 1953, das Nationale


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Emissionszertifikatehandelsgesetz 2022, das Alkoholsteuergesetz 2022, das Tabakmonopolgesetz 1996, das Erdgasabgabegesetz, das Gesundheits- und Sozialbereich-Beihilfengesetz, die Bundesabgabenordnung, das Bundesfinanzgerichtsgesetz, das Finanzstrafgesetz, das Finanzstrafzusam­menarbeitsgesetz, das Zollrechts-Durchführungsgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz und das Freiberuflichen-Sozialversicherungs­ge­setz geändert werden (Abgabenänderungsgesetz 2023 – AbgÄG 2023) (2138 d.B.) .........................  445

Redner:innen:

Dr. Christoph Matznetter ........................................................................................  446

Karlheinz Kopf .........................................................................................................  447

Mag. Gerald Loacker ................................................................................................  449

MMag. DDr. Hubert Fuchs ......................................................................................  450

Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA ...................................................................................  453

Angela Baumgartner ...............................................................................................  454

Dr. Elisabeth Götze ..................................................................................................  456

Mag. Ernst Gödl .......................................................................................................  458

Franz Leonhard Eßl ..................................................................................................  460

Maximilian Linder ....................................................................................................  462

Annahme des Gesetzentwurfes in 2138 d.B. .....................................................  462

Gemeinsame Beratung über

18. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (2090 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Umsatzsteuergesetz 1994, die Bundesabgabenordnung, das Finanzstrafgesetz und das Bankwesengesetz hinsichtlich der Meldung von Zahlungsdaten durch Zahlungsdienstleister geändert werden (CESOP-Umsetzungsgesetz 2023) (2139 d.B.) ....................  463


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll224. Sitzung, 224. Sitzung des Nationalrats vom 6. Juli 2023 / Seite 17

19. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (2091 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Wirtschaftliche Eigentümer Registergesetz geändert wird (2140 d.B.) ...........................................................  463

Redner:innen:

Kai Jan Krainer .........................................................................................................  464

Peter Haubner ..........................................................................................................  466

Mag. Selma Yildirim .................................................................................................  468

Mag. Nina Tomaselli ................................................................................................  469

Annahme der beiden Gesetzentwürfe in 2139 und 2140 d.B. ........................  471

Gemeinsame Beratung über

20. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (2096 d.B.): Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über Wagniskapital­fonds erlassen (Wagniskapitalfondsgesetz – WKFG) und das Finanz­marktaufsichtsbehördengesetz, das Alternative Investmentfonds Manager-Gesetz, das Investmentfondsgesetz 2011 und das Einkommensteuer­gesetz 1988 geändert werden (2141 d.B.) ..........................................................  472

21. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 1412/A(E) der Abgeordneten Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Österreich braucht endlich ein Wagniskapitalfonds-Gesetz (2142 d.B.) ...............................................................................................................  473

Redner:innen:

Ing. Reinhold Einwallner ..........................................................................................  473

Andreas Ottenschläger ............................................................................................  474

MMag. DDr. Hubert Fuchs ......................................................................................  476

Dr. Elisabeth Götze ..................................................................................................  477

Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer ..................................................................................  478

Henrike Brandstötter ...............................................................................................  504

Bundesminister Dr. Magnus Brunner, LL.M. ..........................................................  506


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll224. Sitzung, 224. Sitzung des Nationalrats vom 6. Juli 2023 / Seite 18

Annahme des Gesetzentwurfes in 2141 d.B. .....................................................  507

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 2142 d.B. ..........................................  508

22. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (2095 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Katastrophenfondsgesetz 1996 geändert wird (2143 d.B.) ......................................................................................  508

Redner:innen:

Gabriel Obernosterer ...............................................................................................  509

Klaus Köchl ...............................................................................................................  511

Maximilian Linder ....................................................................................................  513

Mag. Peter Weidinger ..............................................................................................  514

Dipl.-Ing. Olga Voglauer ..........................................................................................  516

Annahme des Gesetzentwurfes in 2143 d.B. .....................................................  518

23. Punkt: Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über die Regierungsvorlage (2047 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Weinge­setz 2009 geändert wird (2163 d.B.) ......................................................................................  518

Redner:innen:

Peter Schmiedlechner ..............................................................................................  519

Johannes Schmuckenschlager ................................................................................  523

Cornelia Ecker ..........................................................................................................  525

Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer ..................................................................................  526

Bundesminister Mag. Norbert Totschnig, MSc ......................................................  528

Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich ...............................................................................  530

Annahme des Gesetzentwurfes in 2163 d.B. .....................................................  533

Gemeinsame Beratung über

24. Punkt: Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Antrag 3473/A(E) der Abgeordneten Dipl.-Ing. Georg Strasser, Clemens


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll224. Sitzung, 224. Sitzung des Nationalrats vom 6. Juli 2023 / Seite 19

Stammler, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Sichtbarmachung der sozialen und psychischen Herausforderungen für österreichische Bäuerinnen und Bauern und einem Bekenntnis zur Unterstützung, u.a. durch Weiterführung und Ausbau des bäuerlichen Sorgentelefons.“ (2164 d.B.) ...............................................................................................................  534

25. Punkt: Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Antrag 392/A(E) der Abgeordneten Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bericht zu Selbstmorden und psychischen Erkrankun­gen bei Landwirtinnen und Landwirten (2165 d.B.) ...........................................  534

Redner:innen:

Dietmar Keck ...........................................................................................................  534

Irene Neumann-Hartberger ....................................................................................  541

Peter Schmiedlechner ..............................................................................................  543

Clemens Stammler ...................................................................................................  545

MMag. Katharina Werner, Bakk. ............................................................................  547

Dipl.-Ing. Georg Strasser .........................................................................................  549

Elisabeth Feichtinger, BEd BEd ...............................................................................  552

Ing. Johann Weber ...................................................................................................  554

Alois Kainz ................................................................................................................  555

Ing. Josef Hechenberger ..........................................................................................  557

Mag. Gerald Hauser .................................................................................................  559

Cornelia Ecker ..........................................................................................................  562

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dietmar Keck, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Österreichs Nachholbedarf im Bereich psychischer Erkrankungen“ – Ablehnung ................................................................  536, 565

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 2164 d.B. beigedruckten Entschließung betreffend „Sichtbarmachung der sozialen und psychischen Herausforderungen für österreichische Bäuerinnen und Bauern und einem


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll224. Sitzung, 224. Sitzung des Nationalrats vom 6. Juli 2023 / Seite 20

Bekenntnis zur Unterstützung, u.a. durch Weiterführung und Ausbau des bäuerlichen Sorgentelefons.“ (333/E) ..................................................................  565

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 2165 d.B. ..........................................  565

Eingebracht wurden

Anträge der Abgeordneten

Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schulen von Bürokratie befreien, Lehrkräfte für die Arbeit mit den Kindern freispielen! (3509/A)(E)

Katharina Kucharowits, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Topf im Bildungs­budget für OpenSource einrichten“ (3510/A)(E)

Petra Steger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Aussetzung des EU-Beitrages Österreichs (3511/A)(E)

Mag. Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verdoppelung des amtlichen Kilometergeldes (3512/A)(E)

Mag. Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erhöhungs-Stopp bei Gemeindegebühren – Mehr Geld für die Gemeinden durch den Finanzausgleich NEU (3513/A)(E)

Mag. Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Beibehaltung des erhöhten Pendlerpauschales (3514/A)(E)

Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verbesserung der rechtlichen Ansprüche und Hebammenbetreuung bei Schwangerschaftsverlust (3515/A)(E)

Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schutz der heimischen Getreidebauern vor Billig-Importen aus der Ukraine (3516/A)(E)


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Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Rechnungshof: Lebensmittelversorgung ist nicht gesichert (3517/A)(E)

Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen betreffend Zusätzliche Kassenvertragsstellen für Einzel- und Gruppenpraxen im Zuge der aktuellen Reform der Primärversorgungszentren (3518/A)(E)

Alois Stöger, diplômé, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über mineralische Rohstoffe, BGBl. I Nr. 38/1999, geändert wird. (3519/A)

Gabriel Obernosterer, Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Zahlungsbilanzstabilisierungsgesetz geändert wird (3520/A)

Gabriel Obernosterer, Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das COVID-19-Förderungsprüfungs­gesetz geändert wird (3521/A)

Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen betreffend temporäre Senkung der Mehrwertsteuer auf Nahrungsmittel des täglichen Bedarfs (3522/A)(E)

Anfragen der Abgeordneten

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Alterssicherungskommission: Vorsitzposten seit September 2021 vakant (15456/J)

Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Ausbleibende Unterzeichnung des Londoner Protokolls (15457/J)

Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Ausbleibende Unterzeichnung des Londoner Protokolls (15458/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll224. Sitzung, 224. Sitzung des Nationalrats vom 6. Juli 2023 / Seite 22

Mag. Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien betreffend Erfüllung von Integrations­vereinbarung und -erklärung (15459/J)

MMag. Katharina Werner, Bakk., Kolleginnen und Kollegen an den Bundes­minister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend „Tierschutz macht Schule“: Evaluierung? (15460/J)

Christian Oxonitsch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Grundrechtseingriffe durch CSAM-VO (15461/J)

Katharina Kucharowits, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Grundrechtseingriffe durch CSAM-VO (15462/J)

Mario Lindner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Was passiert nach dem Runden Tisch gegen Hassverbrechen? (15463/J)

Mario Lindner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Was passiert nach dem Runden Tisch gegen Hassverbrechen? (15464/J)

Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Korruptionsverdacht bei Immobilientransaktionen der ÖBB und Post (15465/J)

Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Hausdurchsuchungen bei Mitglied der „Feuerkrieg Division“ im Mai 2023 (15466/J)

Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Hausdurchsuchungen bei Mitglied der „Feuerkrieg Division“ Mai 2023 (15467/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll224. Sitzung, 224. Sitzung des Nationalrats vom 6. Juli 2023 / Seite 23

Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Veranstaltungen und Kundgebungen türkischer Rechtsextremer (15468/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft betreffend Spesen und Repräsentationsausgaben der Bundesregierung (15469/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Spesen und Repräsentationsausgaben der Bundesregierung (15470/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landesverteidigung betreffend Spesen und Repräsentationsausgaben der Bundesregierung (15471/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend Spesen und Repräsentations­ausgaben der Bundesregierung (15472/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Spesen und Repräsentationsausgaben der Bundesregierung (15473/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien betreffend Spesen und Repräsentations­ausgaben der Bundesregierung (15474/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Spesen und Repräsentationsausgaben der Bundesregierung (15475/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport betreffend Spesen und Repräsentationsausgaben der Bundesregierung (15476/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll224. Sitzung, 224. Sitzung des Nationalrats vom 6. Juli 2023 / Seite 24

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft betreffend Spesen und Repräsentationsausgaben der Bundes­regierung (15477/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Spesen und Repräsentationsausgaben der Bundesregierung (15478/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Spesen und Repräsentationsausgaben der Bundesregierung (15479/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für EU und Verfassung betreffend Spesen und Repräsentationsausgaben der Bundes­regierung (15480/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Spesen und Repräsentationsausgaben der Bundesregierung (15481/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Spesen und Repräsentationsausgaben der Bundesregierung (15482/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft betreffend Kosten der Ministerbüros im 2. Quartal 2023 (15483/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Kosten der Ministerbüros im 2. Quartal 2023 (15484/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landesverteidigung betreffend Kosten der Ministerbüros im 2. Quartal 2023 (15485/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll224. Sitzung, 224. Sitzung des Nationalrats vom 6. Juli 2023 / Seite 25

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend Kosten der Ministerbüros im 2. Quartal 2023 (15486/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Kosten der Ministerbüros im 2. Quartal 2023 (15487/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien betreffend Kosten der Ministerbüros im 2. Quartal 2023 (15488/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Kosten der Ministerbüros im 2. Quartal 2023 (15489/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport betreffend Kosten der Ministerbüros im 2. Quartal 2023 (15490/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft betreffend Kosten der Ministerbüros im 2. Quartal 2023 (15491/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Kosten der Ministerbüros im 2. Quartal 2023 (15492/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Kosten der Ministerbüros im 2. Quartal 2023 (15493/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für EU und Verfassung betreffend Kosten der Ministerbüros im 2. Quartal 2023 (15494/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll224. Sitzung, 224. Sitzung des Nationalrats vom 6. Juli 2023 / Seite 26

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Werbe- und PR-Ausgaben der Bundesregierung im 2. Quartal 2023 (15495/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Werbe- und PR-Ausgaben der Bundesregierung im 2. Quartal 2023 (15496/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Werbe- und PR-Ausgaben der Bundesregierung im 2. Quartal 2023 (15497/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für EU und Verfassung betreffend Werbe- und PR-Ausgaben der Bundesregierung im 2. Quartal 2023 (15498/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Werbe- und PR-Ausgaben der Bundesregierung im 2. Quartal 2023 (15499/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien betreffend Werbe- und PR-Ausgaben der Bundesregierung im 2. Quartal 2023 (15500/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Werbe- und PR-Ausgaben der Bundesregierung im 2. Quartal 2023 (15501/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport betreffend Werbe- und PR-Ausgaben der Bundesregierung im 2. Quartal 2023 (15502/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft betreffend Werbe- und PR-Ausgaben der Bundesregierung im 2. Quartal 2023 (15503/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll224. Sitzung, 224. Sitzung des Nationalrats vom 6. Juli 2023 / Seite 27

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Werbe- und PR-Ausgaben der Bundesregierung im 2. Quartal 2023 (15504/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft betreffend Werbe- und PR-Ausgaben der Bundesregierung im 2. Quartal 2023 (15505/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Werbe- und PR-Ausgaben der Bundesregierung im 2. Quartal 2023 (15506/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landes­verteidigung betreffend Werbe- und PR-Ausgaben der Bundesregierung im 2. Quartal 2023 (15507/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend Werbe- und PR-Ausgaben der Bundesregierung im 2. Quartal 2023 (15508/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport betreffend Zielgruppen und Werbeausgaben in sozialen Netzwerken und Online-Medien im ersten Halbjahr 2023 (15509/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft betreffend Zielgruppen und Werbeausgaben in sozialen Netzwerken und Online-Medien im ersten Halbjahr 2023 (15510/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Zielgruppen und Werbeausgaben in sozialen Netzwerken und Online-Medien im ersten Halbjahr 2023 (15511/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Zielgruppen


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll224. Sitzung, 224. Sitzung des Nationalrats vom 6. Juli 2023 / Seite 28

und Werbeausgaben in sozialen Netzwerken und Online-Medien im ersten Halbjahr 2023 (15512/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für EU und Verfassung betreffend Zielgruppen und Werbeausgaben in sozialen Netzwerken und Online-Medien im ersten Halbjahr 2023 (15513/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Zielgruppen und Werbeausgaben in sozialen Netzwerken und Online-Medien im ersten Halbjahr 2023 (15514/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Zielgruppen und Werbeausgaben in sozialen Netzwerken und Online-Medien im ersten Halbjahr 2023 (15515/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft betreffend Zielgruppen und Werbeausgaben in sozialen Netzwerken und Online-Medien im ersten Halbjahr 2023 (15516/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Zielgruppen und Werbeausgaben in sozialen Netzwerken und Online-Medien im ersten Halbjahr 2023 (15517/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landesverteidigung betreffend Zielgruppen und Werbeausgaben in sozialen Netzwerken und Online-Medien im ersten Halbjahr 2023 (15518/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend Zielgruppen und Werbe­ausgaben in sozialen Netzwerken und Online-Medien im ersten Halbjahr 2023 (15519/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Zielgruppen und


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll224. Sitzung, 224. Sitzung des Nationalrats vom 6. Juli 2023 / Seite 29

Werbeausgaben in sozialen Netzwerken und Online-Medien im ersten Halbjahr 2023 (15520/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien betreffend Zielgruppen und Werbeausgaben in sozialen Netzwerken und Online-Medien im ersten Halbjahr 2023 (15521/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Zielgruppen und Werbeausgaben in sozialen Netzwerken und Online-Medien im ersten Halbjahr 2023 (15522/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Kosten der Ministerbüros im 2. Quartal 2023 (15523/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Kosten der Kabinette im Bundeskanzleramt im 2. Quartal 2023 (15524/J)

Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport betreffend Ministeriumsaufträge für die Firmen der türkisen Ex-Minister (15525/J)

Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Ministeriumsaufträge für die Firmen der türkisen Ex-Minister (15526/J)

Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Ministe­riumsaufträge für die Firmen der türkisen Ex-Minister (15527/J)

Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Ministeriumsaufträge für die Firmen der türkisen Ex-Minister (15528/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll224. Sitzung, 224. Sitzung des Nationalrats vom 6. Juli 2023 / Seite 30

Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft betreffend Ministeriumsaufträge für die Firmen der türkisen Ex-Minister (15529/J)

Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landesverteidigung betreffend Ministeriumsaufträge für die Firmen der türkisen Ex-Minister (15530/J)

Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft betreffend Ministeriumsaufträge für die Firmen der türkisen Ex-Minister (15531/J)

Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für EU und Verfassung betreffend Ministeriumsaufträge für die Firmen der türkisen Ex-Minister (15532/J)

Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Ministeriumsaufträge für die Firmen der türkisen Ex-Minister (15533/J)

Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Ministeriumsaufträge für die Firmen der türkisen Ex-Minister (15534/J)

Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Ministeriumsaufträge für die Firmen der türkisen Ex-Minister (15535/J)

Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend Ministeri­ums­aufträge für die Firmen der türkisen Ex-Minister (15536/J)

Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien betreffend Ministeriumsaufträge für die Firmen der türkisen Ex-Minister (15537/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll224. Sitzung, 224. Sitzung des Nationalrats vom 6. Juli 2023 / Seite 31

Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Ministeriumsaufträge für die Firmen der türkisen Ex-Minister (15538/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Kriminalität in Vorarlberg – Erstes Halbjahr 2023 (15539/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Kriminalität in Oberösterreich – Erstes Halbjahr 2023 (15540/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Kriminalität in Salzburg – Erstes Halbjahr 2023 (15541/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Kriminalität in der Steiermark – Erstes Halbjahr 2023 (15542/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Kriminalität in Kärnten – Erstes Halbjahr 2023 (15543/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Kriminalität im Burgenland – Erstes Halbjahr 2023 (15544/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Kriminalität in Niederösterreich – Erstes Halbjahr 2023 (15545/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Kriminalität in Wien – Erstes Halbjahr 2023 (15546/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll224. Sitzung, 224. Sitzung des Nationalrats vom 6. Juli 2023 / Seite 32

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Wiedereinführung von Grenzkontrollen an den Binnengrenzen (15547/J)

Mag. Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport betreffend Causa IMSB/Leistungssport Austria: Fragen zu Rückforderungsansprüchen in Millionenhöhe offen! (15548/J)

Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Folgeanfrage Einschüchterung von kritischen Bürgern via § 117 StGB (15549/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Kriminalität in Tirol – Erstes Halbjahr 2023 (15550/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Kriminalität in Österreich – Erstes Halbjahr 2023 (15551/J)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft betreffend Lebensmittel-Vergleichsportale sind der Regierung weit voraus (15552/J)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft betreffend Lebensmittel-Vergleichsportale sind der Regierung weit voraus (15553/J)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Lebensmittel-Vergleichsportale sind der Regierung weit voraus (15554/J)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Covid-19-Impfstoffbeschaffung und Pfizer-Lobbyismus unter besonderer Berücksichtigung des Lobbying- und Interessensvertreterregister beim BMJ (15555/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll224. Sitzung, 224. Sitzung des Nationalrats vom 6. Juli 2023 / Seite 33

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Covid-19-Impfstoffbeschaffung und Pfizer-Lobbyismus unter besonderer Berücksichtigung des Lobbying- und Interessensvertreterregister beim BMJ (15556/J)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Olivenöl: Qualität deutlich schlechter – Die Hälfte fiel durch (15557/J)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend RLB Tirol zahlt Sollzinsen für pandemiebedingte Kreditstundungen zurück (15558/J)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Kriminalität in Tirol von Jänner bis Juni 2023 (15559/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Kontakt des Ministerbüros mit Lobbyisten – Folgeanfrage zu 8290/AB (15560/J)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Klimaaktivisten blockierten Verkehr (15561/J)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Covid-19-Impfstoff­beschaffung und Pfizer-Lobbyismus (15562/J)

Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Kinderrehabilitations­zentren – Kein neuer Stand seit 2,5 Jahren (15563/J)

Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend ID Austria-Zwang in NEBA-Projekten des Sozialministeriumservice (15564/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll224. Sitzung, 224. Sitzung des Nationalrats vom 6. Juli 2023 / Seite 34

Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien betreffend Wie kinderfeindlich ist das Museum moderner Kunst? (15565/J)

Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport betreffend Wie kinderfeindlich ist das Museum moderner Kunst? (15566/J)

Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Kindesabnahmen und andere Restriktionen aufgrund des Sektenschutzberichts (15567/J)

Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien betreffend 15,5 Prozent Abbruchquote bei Wertekursen: Wo bleiben die Konsequenzen? (15568/J)

Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Unzureichende Beantwortung der Anfrage „Haben die Corona-Impfungen negative Auswir­kung auf die menschliche Fruchtbarkeit?“ (15569/J)

Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Folgenanfrage zur Folgeanfrage zur Anfrage „Menstruationsstörungen nach den Corona-Impfungen?“ (15570/J)

Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landesverteidigung betreffend Uniformen des österreichischen Bundesheeres im Ukraine-Krieg? (15571/J)

Wolfgang Zanger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Reha-Betrieb „Auszeit“ in St. Lambrecht wird eingestellt (15572/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll224. Sitzung, 224. Sitzung des Nationalrats vom 6. Juli 2023 / Seite 35

Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien betreffend Steuerfinanzierte Frühsexualisierung durch „Österreichische Jugendinfos“ (15573/J)

Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Steuerfinanzierte Frühsexualisierung durch „Österreichische Jugendinfos“ (15574/J)

Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Steuerfinanzierte Frühsexualisierung durch „Österreichische Jugendinfos“ (15575/J)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Rechnungshof­sonderprüfung ergibt schwere Verfehlungen bei der Covid-19-Impfstoff­beschaffung (15576/J)

Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Einseitiger Pflege­geldexport ins Ausland – Österreich zahlt, Österreicher bleiben auf der Strecke (15577/J)

Mag. Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Fleckerlteppich bei Pflegeausbildungs-Prämie (15578/J)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend VKI: Unzulässige Klauseln in Entschädigungsbedingungen der WESTbahn (15579/J)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft betreffend VKI und AK gehen gegen Supermarktkette MPreis wegen Verweigerung der Bargeldannahme vor (15580/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll224. Sitzung, 224. Sitzung des Nationalrats vom 6. Juli 2023 / Seite 36

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Verbrennung von Covid-19-Masken in Österreich? (15581/J)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Neuer Eigentümer übernimmt Haftung für Kika/Leiner-Gutscheine (15582/J)

Mag. Eva Blimlinger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Zukunft des Hitler Geburtshauses (15583/J)

Katharina Kucharowits, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Folgeanfrage Hass im Netz-Bekämpfungsgesetz (15584/J)

Melanie Erasim, MSc, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Sicherheits- und Arbeitsbedingungen der Lokführer im ÖBB-Konzern (15585/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Beschäftigung von Menschen mit Behinderung im BMI im 2. Quartal 2023 (15586/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Beschäftigung von Menschen mit Behinderung im BKA im 2. Quartal 2023 (15587/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien betreffend Beschäftigung von Menschen mit Behinderung im BMFFIM im 2. Quartal 2023 (15588/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft betreffend Beschäftigung von Menschen mit Behinderung im BMAW im 2. Quartal 2023 (15589/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll224. Sitzung, 224. Sitzung des Nationalrats vom 6. Juli 2023 / Seite 37

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Beschäftigung von Menschen mit Behinderung im BMF im 2. Quartal 2023 (15590/J)

Petra Wimmer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend die Fertigstellung des Nationalen Aktionsplans zur Europäischen Kindergarantie (15591/J)

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Unzureichende Wetterinformationen für den Anwendungsbereich der General Aviation (15592/J)

Mag. Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Ausgrenzung beginnt oft bereits im Kindergarten (15593/J)

Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Bürger- und Expertenpetition zum Stopp kindeswohlgefährdender Sexualpädagogik (15594/J)

Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Rammstein-Konzerte in Österreich (15595/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landesver­teidigung betreffend Rückbau der Truppenküchen für das System „Cook&Chill“ (15596/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Bäder­hygienegesetz, Bäderhygieneverordnung und die Berücksichtigung des biologi­schen Geschlechts in den Badeordnungen (15597/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll224. Sitzung, 224. Sitzung des Nationalrats vom 6. Juli 2023 / Seite 38

Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft betreffend AMS-Budgets 2024 für die einzelnen Bundesländer (15598/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft betreffend Undurchsichtiger Geldregen zwischen Wirtschaftskammer Wien dem SPÖ-Wirtschaftsverband (15599/J)

Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Covid-Impfschäden (15600/J)

Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend „Ja. SAFE!“ (15601/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport betreffend Überstunden im BMKÖS im 2. Quartal 2023 (15602/J)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft betreffend Slowakei verankert Recht auf Bargeldbezahlung in der Verfassung (15603/J)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Slowakei verankert Recht auf Bargeldbezahlung in der Verfassung (15604/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien betreffend Überstunden im BFFIM im 2. Quartal 2023 (15605/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Über­stunden im BKA im 2. Quartal 2023 (15606/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll224. Sitzung, 224. Sitzung des Nationalrats vom 6. Juli 2023 / Seite 39

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Überstunden im BMI im 2. Quartal 2023 (15607/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Überstunden im BMF im 2. Quartal 2023 (15608/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft betreffend Überstunden im BML im 2. Quartal 2023 (15609/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Überstunden im BMK im 2. Quartal 2023 (15610/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Überstunden im BMJ im 2. Quartal 2023 (15611/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft betreffend Überstunden im BMAW im 2. Quartal 2023 (15612/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Überstunden im BMSGPK im 2. Quartal 2023 (15613/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend Überstunden im BMEIA im 2. Quartal 2023 (15614/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landesverteidigung betreffend Überstunden im BMLV im 2. Quartal 2023 (15615/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für EU und Verfassung betreffend Überstunden im BMEUV im 2. Quartal 2023 (15616/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll224. Sitzung, 224. Sitzung des Nationalrats vom 6. Juli 2023 / Seite 40

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Überstunden im BMBWF im 2. Quartal 2023 (15617/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landesver­teidigung betreffend Kosten für Übersetzungs- und Dolmetschleistungen im BMLV im 2. Quartal 2023 (15618/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien betreffend Kosten für Übersetzungs- und Dolmetschleistungen im BMFFIM im 2. Quartal 2023 (15619/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Kosten für Übersetzungs- und Dolmetschleistungen im BMF im 2. Quartal 2023 (15620/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Kosten für Übersetzungs- und Dolmetschleistungen im BMSGPK im 2. Quartal 2023 (15621/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport betreffend Kosten für Übersetzungs- und Dolmetschleistungen im BMKÖS im 2. Quartal 2023 (15622/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Kosten für Übersetzungs- und Dolmetschleistungen im BMJ im 2. Quartal 2023 (15623/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Kosten für Übersetzungs- und Dolmetschleistungen im BMK im 2. Quartal 2023 (15624/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll224. Sitzung, 224. Sitzung des Nationalrats vom 6. Juli 2023 / Seite 41

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft betreffend Kosten für Übersetzungs- und Dolmetschleistungen im BML im 2. Quartal 2023 (15625/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Kosten für Übersetzungs- und Dolmetschleistungen im BMBWF im 2. Quartal 2023 (15626/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Kosten für Übersetzungs- und Dolmetschleistungen im BKA im 2. Quartal 2023 (15627/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend Kosten für Übersetzungs- und Dolmetschleistungen im BMEIA im 2. Quartal 2023 (15628/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Kosten für Übersetzungs- und Dolmetschleistungen im BMI im 2. Quartal 2023 (15629/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für EU und Verfassung betreffend Kosten für Übersetzungs- und Dolmetschleistungen im BMEUV im 2. Quartal 2023 (15630/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft betreffend Kosten für Übersetzungs- und Dolmetschleistungen im BMAW im 2. Quartal 2023 (15631/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend Beschäftigung von Menschen mit Behinderung im BMEIA im 2. Quartal 2023 (15632/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft betreffend Beschäftigung von Menschen mit Behinderung im BML im 2. Quartal 2023 (15633/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll224. Sitzung, 224. Sitzung des Nationalrats vom 6. Juli 2023 / Seite 42

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Beschäftigung von Menschen mit Behinderung im BMJ im 2. Quartal 2023 (15634/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Beschäftigung von Menschen mit Behinderung im BMSGPK im 2. Quartal 2023 (15635/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Beschäftigung von Menschen mit Behinderung im BMK im 2. Quartal 2023 (15636/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport betreffend Beschäftigung von Menschen mit Behinderung im BMKÖS im 2. Quartal 2023 (15637/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landes­verteidigung betreffend Beschäftigung von Menschen mit Behinderung im BMLV im 2. Quartal 2023 (15638/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für EU und Verfassung betreffend Beschäftigung von Menschen mit Behinderung im BMEUV im 2. Quartal 2023 (15639/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Beschäftigung von Menschen mit Behinderung im BMBWF im 2. Quartal 2023 (15640/J)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Slowakei verankert Recht auf Bargeldbezahlung in der Verfassung (15641/J)

Hermann Gahr, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend medial berichteter Missstände in Justizanstalten (15642/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll224. Sitzung, 224. Sitzung des Nationalrats vom 6. Juli 2023 / Seite 43

Mag. Dr. Petra Oberrauner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend Wie hoch waren 2022 die Kosten für EDV- und IT-Systeme? (15643/J)

Mag. Dr. Petra Oberrauner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien betreffend Wie hoch waren 2022 die Kosten für EDV- und IT-Systeme? (15644/J)

Mag. Dr. Petra Oberrauner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Wie hoch waren 2022 die Kosten für EDV- und IT-Systeme? (15645/J)

Mag. Dr. Petra Oberrauner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Wie hoch waren 2022 die Kosten für EDV- und IT-Systeme? (15646/J)

Mag. Dr. Petra Oberrauner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für EU und Verfassung betreffend Wie hoch waren 2022 die Kosten für EDV- und IT-Systeme? (15647/J)

Mag. Dr. Petra Oberrauner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Wie hoch waren 2022 die Kosten für EDV- und IT-Systeme? (15648/J)

Mag. Dr. Petra Oberrauner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Wie hoch waren 2022 die Kosten für EDV- und IT-Systeme? (15649/J)

Mag. Dr. Petra Oberrauner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft betreffend Wie hoch waren 2022 die Kosten für EDV- und IT-Systeme? (15650/J)

Mag. Dr. Petra Oberrauner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport betreffend Wie hoch waren 2022 die Kosten für EDV- und IT-Systeme? (15651/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll224. Sitzung, 224. Sitzung des Nationalrats vom 6. Juli 2023 / Seite 44

Mag. Dr. Petra Oberrauner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Wie hoch waren 2022 die Kosten für EDV- und IT-Systeme? (15652/J)

Mag. Dr. Petra Oberrauner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Wie hoch waren 2022 die Kosten für EDV- und IT-Systeme? (15653/J)

Mag. Dr. Petra Oberrauner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft betreffend Wie hoch waren 2022 die Kosten für EDV- und IT-Systeme? (15654/J)

Mag. Dr. Petra Oberrauner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landesverteidigung betreffend Wie hoch waren 2022 die Kosten für EDV- und IT-Systeme? (15655/J)

Mag. Dr. Petra Oberrauner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Wie hoch waren 2022 die Kosten für EDV- und IT-Systeme? (15656/J)

Mag. Dr. Petra Oberrauner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Einsatz von KI in der öffentlichen Verwaltung (15657/J)

Mag. Dr. Petra Oberrauner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Einsatz von KI in der öffentlichen Verwaltung (15658/J)

Mag. Dr. Petra Oberrauner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Einsatz von KI in der öffentlichen Verwaltung (15659/J)

Mag. Dr. Petra Oberrauner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft betreffend Einsatz von KI in der öffentlichen Verwaltung (15660/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll224. Sitzung, 224. Sitzung des Nationalrats vom 6. Juli 2023 / Seite 45

Mag. Dr. Petra Oberrauner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Einsatz von KI in der öffent­lichen Verwaltung (15661/J)

Mag. Dr. Petra Oberrauner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für EU und Verfassung betreffend Einsatz von KI in der öffentlichen Verwaltung (15662/J)

Mag. Dr. Petra Oberrauner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Einsatz von KI in der öffentlichen Verwaltung (15663/J)

Mag. Dr. Petra Oberrauner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Einsatz von KI in der öffentlichen Verwaltung (15664/J)

Mag. Dr. Petra Oberrauner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport betreffend Einsatz von KI in der öffentlichen Verwaltung (15665/J)

Mag. Dr. Petra Oberrauner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien betreffend Einsatz von KI in der öffentlichen Verwaltung (15666/J)

Mag. Dr. Petra Oberrauner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Einsatz von KI in der öffentlichen Verwaltung (15667/J)

Mag. Dr. Petra Oberrauner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landesverteidigung betreffend Einsatz von KI in der öffentlichen Verwaltung (15668/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll224. Sitzung, 224. Sitzung des Nationalrats vom 6. Juli 2023 / Seite 46

Mag. Dr. Petra Oberrauner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft betreffend Einsatz von KI in der öffentlichen Verwaltung (15669/J)

Mag. Dr. Petra Oberrauner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend Einsatz von KI in der öffentlichen Verwaltung (15670/J)

*****

Thomas Spalt, Kolleginnen und Kollegen an den Präsidenten des Nationalrates betreffend Ein schlichtes, schwarzes Klavier (78/JPR)


 


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll224. Sitzung, 224. Sitzung des Nationalrats vom 6. Juli 2023 / Seite 47

09.09.48Beginn der Sitzung: 9.09 Uhr

Vorsitzende: Präsident Mag. Wolfgang Sobotka, Zweite Präsidentin Doris Bures, Dritter Präsident Ing. Norbert Hofer.

09.09.52*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Ich darf Sie recht herzlich zur 224. Sitzung des Nationalrates begrüßen, die damit eröffnet ist.

Ich darf die Damen und Herren der Journalistik, unsere Besucherinnen und Besucher sowie die Damen und Herren zu Hause vor den Fernsehgeräten begrüßen. 

Ich darf kurz erklären, warum wir etwas später begonnen haben: Wir haben in der Präsidiale getagt, um den Vorfall von gestern noch einmal zu besprechen. Es wird sich natürlich auch das Sicherheitskomitee noch einmal im Gesamtheit­lichen damit befassen, sodass wir im Herbst eine für alle  zufriedenstellende Lösung anbieten können.

Ich bitte darum, dass alle parlamentarischen Mitarbeiter und Mitarbeiter der Parlamentsdirektion sichtbar einen Ausweis tragen. Die Abgeordneten haben die Möglichkeit, die Rosette zu tragen, und die Abgeordneten kennt man auch bei der Sicherheitskontrolle. Wichtig ist jedoch, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter den Ausweis tragen und dass sie dann dementsprechend auch vom Sicherheitspersonal kontrolliert werden – was schon draußen bei der Tür beginnt –, sodass das, was gestern passiert ist, dass ein Nachschleicher herein­gelangt, nicht mehr vorkommen kann.

Ich darf vielleicht auch noch darüber aufklären, dass dieser Herr sicherheits­kontrolliert gewesen ist. Wir wussten auch, wohin er sich bewegt: Er hat sich angemeldet, um sich von 11 bis 12 Uhr auf der Besuchergalerie zu befinden – das ist selbstverständlich möglich. Wir tagen hier öffentlich, daher muss das


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auch gewährleistet werden. Er ist dann nachgeschlichen, hat die Türen – die aufgrund der Behindertengerechtigkeit eben nicht sofort zugehen, sondern dementsprechend das Passieren ermöglichen – passiert.

Wir werden umgehend auch die Klubs informieren, wie die weitere Vorgangsweise im Herbst ist, denn dieser Vorfall darf sich nicht wiederholen.

Ich darf mich für das zügige Einschreiten von einigen Beherzten hier im Haus bedan­ken. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie bei Abgeordneten von FPÖ und NEOS.)

Wir werden unsere Sicherheitsleute auch entsprechend anweisen. – Der angesprochene Herr ist in seiner Urform ein Polizist (Heiterkeit) und daher natürlich mit solchen Themen durchaus vertraut. – Ich denke, für uns ist ganz entscheidend, dass wir Klarheit in der Frage des Zutritts sowie die Erfüllung der Sicherheitserfordernisse, die der Nationalrat braucht, um sein Mandat frei und unabhängig ausüben zu können, gewährleisten, und es wird insbesondere im Einvernehmen aller Parteien und mit der Zweiten Präsidentin und dem Dritten Präsidenten ein ganz klares Commitment geben, dies auch in der Zukunft so zu gewährleisten. – Das nur zur Erstinformation.

Wir haben heute auch eine Einigung über die Hausordnung erzielt (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP sowie der Abg. Holzleitner und Bravoruf des Abg. Wöginger), sodass das, was jetzt an Erleichterungen möglich ist, insbesondere auch für die Abgeordneten, auch wirklich gut und nachvollziehbar gewährleistet ist.

*****

Als verhindert gemeldet sind heute die Abgeordneten Eva-Maria Himmelbauer, BSc, Ing. Mag. (FH) Alexandra Tanda, Michael Schnedlitz und Heike Grebien.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Für den heutigen Sitzungstag hat das Bundeskanzleramt über die Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung folgende Mitteilung gemacht:


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Die Bundesministerin für Landesverteidigung Mag. Klaudia Tanner wird durch den Bundesminister für Inneres Mag. Gerhard Karner vertreten.

*****

Ich darf bekannt geben, dass wie immer ORF 2 von jetzt bis 13 Uhr und ORF III bis 19.15 Uhr die Sitzung übertragen und anschließend eine Übertragung in der TVthek erfolgt. Auch die privaten Rundfunk- und Fernsehanstalten über­tragen unsere Sitzungen.

09.14.01Fragestunde


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen gleich zügig zur Fragestunde.

Ihnen ist das Prozedere klar, Herr Minister: Sie haben für die Erstbeantwortung 2 Minuten und für die nachfolgenden Beantwortungen 1 Minute zur Verfügung. Ich werde immer rechtzeitig ein entsprechendes Zeichen geben oder die Zeit flüstern, damit man sich orientieren kann.

Die Beantwortung ist vom Rednerpult aus vorzunehmen, und die Fragen sind von den vor Ihnen aufgestellten Pulten aus zu stellen.

Bildung, Wissenschaft und Forschung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Damit kommen wir zur 1. Anfrage, die Herr Abgeordneter Taschner stellt. – Bitte sehr, Herr Abgeordneter, Sie sind am Wort. 09.14.40


Abgeordneter Mag. Dr. Rudolf Taschner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Bundes­minister! Das Medizinstudium, so wie es jetzt läuft, hat ja eigentlich die in es


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gesetzten Erwartungen mehr als erfüllt: Es gibt eine stärkere praktische Aus­bildung der Studierenden, es gibt kürzere Ausbildungszeiten, es gibt eine deutlich höhere Abschlussquote.

Das Medizinstudium als solches ist aber in das Gesundheitssystem sozusagen einzuweben, wenn dann diese Ärzte nicht nur in die Forschung, sondern auch in die Praxis, zu den Patienten, gehen.

Nun stellt sich folgende Frage, sehr geehrter Herr Bundesminister:

284/M

„Wie stellen Sie sicher, dass die Medizin-Universitäten den aktuellen Herausforderungen an das Gesundheitssystem Rechnung tragen können?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Minister.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Martin Polaschek: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Die medizinischen Universitäten erfüllen in ihrem Kompetenzbereich universitäre Ausbildung auf jeden Fall die Erwartun­gen. Die Herausforderungen im Gesundheitsbereich sind aber vielschichtig und es gibt viele Player.

Mit dem Programm Uni-Med-Impuls 2030 haben wir mit zehn unterschiedlichen Maßnahmen alles getan, um vonseiten der medizinischen Universitäten für genügend Absolventinnen und Absolventen zu sorgen.

Alleine in der Leistungsvereinbarungsperiode 2022 bis 2024 stehen dafür rund 180 Millionen Euro zur Verfügung. Diese 180 Millionen Euro zusätzlich fließen in den kontinuierlichen weiteren Ausbau der Studienplätze. Es werden dadurch im Laufe der nächsten Jahre weitere 200 Plätze dazukommen beziehungsweise sind zum Teil schon dazugekommen.


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Es geht auch um die Attraktivierung der Allgemeinmedizin, indem eigene Professuren für diesen wichtigen Bereich geschaffen werden, damit dieser Bereich in der Lehre noch mehr präsent ist.

Es wird ein eigenes, interuniversitäres Ignaz-Semmelweis-Institut für Infektionsforschung gegründet, das von allen medizinischen Universitäten, der Veterinärmedizinischen Universität und der Johannes-Kepler-Universität gemeinsam betrieben wird.

Wir unterstützen darüber hinaus auch weitere wichtige Bereiche wie etwa Public Health, die Epidemiologie und überhaupt die Stärkung von Forschungs­kooperationen, und wir investieren außerdem in langjährige, mehrere Hundert Millionen Euro schwere Infrastrukturprojekte wie etwa das Center for Precision Medicine an der Medizinischen Universität Wien – diese Präzisions­medizin ist ja die Zukunft der Medizin –, außerdem in ein biomedizinisches Forschungs- und Entwicklungszentrum Tirol sowie in einen völlig neuen Campus an der Medizini­schen Universität Graz.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage, Herr Abgeordneter? – Bitte.


Abgeordneter Mag. Dr. Rudolf Taschner (ÖVP): Sie haben von Leistungsver­einbarungen gesprochen, das bringt mich auf folgende Frage: Es werden ja jetzt die Leistungsvereinbarungen an den Universitäten wieder durchgeführt werden. Wie werden Sie da sicherstellen können, dass das solide Budget an den öffentlichen Universitäten für diese gut genug ist? Wie schauen Ihre Vorstellun­gen für die Universitäten, aber auch für die Weiterentwicklungen der anderen höheren Schulen des gesamten Hochschulsektors aus?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Minister.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Martin Polaschek: Die Leistungsvereinbarungsperiode geht ja noch bis zum Jahr 2024, es werden aber natürlich im kommenden Jahr schon die Budgetverhandlungen für die folgende Periode 2025 bis 2027 zu führen sein.


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Mein Ziel ist, den eingeschlagenen Entwicklungspfad fortzusetzen, was bedeu­tet: die Abdeckung der Indexierung – das ist ja auch im Regierungs­programm vorgesehen –, außerdem die Vorführung der Universitätsfinanzierung Neu, die sich ja an bestimmten Parametern, wie etwa der Zahl der Studierenden, der Betreuungsrelation und so weiter, orientiert.

Es geht außerdem darum, dass wir den Bauleitplan für die Gewährleistung einer modernen Infrastruktur fortsetzen und dass wir außerdem darüber hinaus auch für die Fachhochschulen entsprechend Sorge tragen.

Mein Ziel ist, dass in der nächsten Budgetverhandlung für alle Bereiche ent­sprechend Geld zur Verfügung gestellt wird, um Wissenschaft und Forschung auch weiterhin sicherzustellen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Kaniak. – Bitte sehr.


Abgeordneter Mag. Gerhard Kaniak (FPÖ): Sehr geehrter Herr Minister, Sie haben gerade für die nächsten zwei Jahre einen Ausbau der Medizinstudien­plätze um circa 200 angekündigt. Jetzt hat die Österreichische Ärztekammer in ihren Prognoserechnungen bis 2030 oder für die nächsten zehn Jahre eine Pensionierungswelle von fast 15 000 Ärzten vorhergesagt.

Wie wollen Sie die Lücke von weiteren mindestens 300, 400, 500 Ärzten pro Jahr, die notwendig wären, um allein die Pensionierungswelle abzudecken, mit den bisherigen Maßnahmen kompensieren? Wie wollen Sie vor allem auch im Bereich der Zahnmedizin, in dem wir seit dem Entfall der Quotenregelung einen ganz eklatanten Mangel vor allem in Westösterreich haben – österreich­weit aktuell circa 150 freie Kassenstellen; aktuell hat in Linz gerade das größte zahnmedizinische Kassenambulatorium den Vertrag gekündigt; und an der Medizinischen Universität Innsbruck beträgt im Bereich Zahnmedizin die Ausländerquote ungefähr 40 Prozent –, dafür Sorge tragen, dass in diesem


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Fachbereich ausreichend Ärzte ausgebildet werden und die Versorgungslücke für die österreichische Bevölkerung möglichst zeitnah geschlossen wird?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Martin Polaschek: Man muss in Erinnerung rufen, dass die Zahl der Absolventinnen und Absol­venten durchaus eine hohe ist. Im letzten Studienjahr haben über 1 600 Per­so­nen ein medizinisches Studium – Masterstudien genauso wie Diplom- und Doktoratsstudien – abgeschlossen. Die Zahl der Absolventinnen und Absolven­ten ist durchaus hoch. Die Schwierigkeit besteht darin, dass die Personen, die ein Studium abschließen, danach nicht in die entsprechenden Bereiche gehen. Da geht es auch um eine Attraktivierung des gesamten Berufsfeldes.

Die Bedarfsberechnungen, die Sie angesprochen haben, schwanken. Aufgrund der zahlreichen Akteure im medizinischen Bereich gibt es verschiedene Berech­nungen, was den Gesamtbedarf an Medizinerinnen und Medizinern betrifft, und auch, was die Zahnmedizin angeht. Vonseiten der Universitäten kann man nur festhalten, dass genügend Absolventinnen und Absolventen vorhanden sind. Wir sehen nur, dass leider auch die österreichischen Absol­ven­tinnen und Absolven­ten nicht in die ärztlichen Berufe gehen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Frau Abgeordnete Kuntzl. – Bitte sehr. 09.21.24


Abgeordnete Mag. Andrea Kuntzl (SPÖ): Einen schönen guten Morgen, Herr Bundesminister! Ich möchte beim vorhin angesprochenen Thema fortsetzen, nämlich beim Ärztemangel, den wir im Moment in Österreich haben und den die Bevölkerung oft sehr – im wahrsten Sinne des Wortes – schmerzhaft spürt, weil man sehr lange auf dringende Arzttermine warten muss. Da muss man natürlich an mehreren Stellen den Hebel ansetzen. Sie haben bereits die Attraktivierung des Berufsfeldes angesprochen, aber es geht auch darum, mehr Mediziner auszu­bilden, die dann in den Beruf gehen können.


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Da haben wir die Situation, dass wir nur 75 Prozent der vorhandenen Aus­bildungsplätze an den Medizinuniversitäten für österreichische Studierende zur Verfügung stellen können und die restlichen 25 Prozent für Nicht­öster­reicher:in­nen reserviert sind. Davon sind ein Großteil Numerus-clausus-Flüchtlinge aus Deutschland, die in Deutschland keinen Studienplatz finden und sich dann eben bei uns bewerben können.

Frau Landeshauptfrau Mikl-Leitner hat ein sehr interessantes Gutachten vorgelegt, das besagt, dass wir da den Hebel ansetzen können, weil wir nämlich die Bedingungen aus dem Herkunftsland anwenden können. Sehen Sie die Möglichkeit, dass dieses Gutachten für Sie in Ihrer Arbeit zur Lösung des Medizi­nermangels hilfreich sein wird?

*****

Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 279/M, hat folgenden Wortlaut:

„Ist das von Landeshauptfrau Mikl-Leitner vorgelegte Gutachten zu numerus clausus Flüchtlingen aus Deutschland für Sie hilfreich zur Lösung des Mediziner:innenmangels auf universitärer Ebene?“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Martin Polaschek: Sehr geehrte Frau Abgeordnete, das von Ihnen angesprochene Gutachten hat durchaus sehr interessante Aspekte, und wir werden diese sorgfältig prüfen. Zwischenzeitig ist ja auch medial Kritik an diesem Gutachten laut geworden. Vonseiten des Ministeriums haben wir eine eigene Arbeitsgruppe mit Expertin­nen und Experten für Europarecht, für Verfassungsrecht eingesetzt, um zu überprüfen, wieweit wir auf Basis dieses Gutachtens und auf Basis dieser Rechts­meinung erneut an die Kommission herantreten können.


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Es ist ja so, dass die Kommission die ursprüngliche Regelung in Österreich aufgehoben hat beziehungsweise haben wir ein Vertragsverletzungsverfahren gehabt, und nach intensiven Verhandlungen mit der Europäischen Kommission war der Kompromiss die nun vorliegende Regelung. Sollte sich die Situation gewandelt haben, was dieses Gutachten ja meint, und sollten Chancen vorhan­den sein, dass wir da eine Neuregelung erreichen, werden wir natürlich in entsprechende Verhandlungen mit der Europäischen Kommission treten. Wir prüfen das im Moment sehr intensiv.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage, Frau Abgeordnete? – Ich muss das Mikro immer erst freischalten, darum brauche ich ein bisserl. – Bitte.


Abgeordnete Mag. Andrea Kuntzl (SPÖ): Die vorhin von mir angesprochene Quote beruht ja darauf, dass wir die medizinische Versorgung der öster­reichi­schen Bevölkerung sicherstellen können müssen, und das Gutachten basiert wie von Ihnen angesprochen ja offenbar darauf, dass sich die Versor­gungs­lage eben verschlechtert hat. Prüfen ist gut. Der Gutachter ist ein in Ihrem Haus sehr geachteter Europarechtler.

Es gibt noch einen zweiten Punkt, nämlich dass man die Medizinabsolventen auch zu Tätigkeiten im österreichischen Gesundheitssystem verpflichten könnte. Wie ist dazu Ihre Einschätzung, was sind Ihre nächsten Schritte und in welchem Zeitraum?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Martin Polaschek: Wir prüfen natürlich auch diese Fragestellung – inwieweit es möglich sein kann, Personen, die in Österreich etwa Medizin studieren, dazu zu verpflichten, auch eine Zeit lang in Österreich zu arbeiten. Das wirft sehr komplexe verfassungs­rechtliche Fragen auf, aber wir nehmen das natürlich sehr ernst und setzen uns intensiv damit auseinander.


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Wie viel Erfolg wir mit dieser Argumentation bei der Kommission haben werden, kann ich jetzt nicht einschätzen. Ich bitte um Verständnis, dass wir zuerst einmal die verschiedenen rechtlichen Aspekte prüfen und dann bei der Kommission entsprechend vorfühlen werden, ich aber zum jetzigen Zeitpunkt hier noch nicht darüber sprechen möchte, wie die Verhandlungen fortlaufen könnten.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Abgeordneter Graf. – Bitte sehr. 09.25.39


Abgeordneter Mag. Dr. Martin Graf (FPÖ): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Die Quotenregelung, wie wir sie kennen, ist de facto 17 Jahre alt und wird – Sie wissen das am besten – hauptsächlich damit begründet beziehungsweise wurde eigentlich als Ausnahmeregelung der Europäischen Union seitens Österreichs damit begründet, dass wir einen Medizinermangel haben. Das heißt, ohne Medizi­nermangel ist eine Quotenregelung gesetzwidrig.

Ich verstehe schon, dass das Establishment im medizinischen Bereich –Ärzte­kammern und andere, unter Umständen Sozialversicherungen – an einem Mangel festhalten, um die eigene Klientel zu schützen. Aber es kann nicht wirklich die Politik einer umsichtigen Regierung sein, den Mangel auf Dauer künstlich aufrechtzuerhalten, damit die Quotenregelung bestehen bleibt.

Daher lautet meine Frage an dieser Stelle nochmals:

275/M

„Wann setzen Sie das von LH Mikl-Leitner geforderte und von BK Nehammer unterstützte Herkunftslandprinzip für Medizinstudenten um?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Martin Polaschek: Das Herkunftslandprinzip würde ja bedeuten, dass in Österreich nur jene zum


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Studium zugelassen werden, die auch in ihrem Heimatland einen entsprechen­den Studienplatz nachweisen können. Österreich hat das ja früher bereits angewendet, und daraufhin gab es ein Vertragsverletzungsverfahren. Aktuell herrscht Rechtssicherheit beziehungsweise Klarheit hinsichtlich des Zugangs zum Medizinstudium.

Der Vorschlag, die Quote zu erhöhen beziehungsweise zum Herkunftsland­prinzip zurückzukehren, wird von uns intensivst geprüft, wird mit Expertinnen und Experten von allen Seiten entsprechend abgeklopft. Man muss festhalten, dass Österreich dennoch eine sehr hohe Absolventinnen- und Absolventenquote hat, und es ist leider auch belegt, dass nur ein Teil der Personen, auch der Österreicherinnen und Österreicher, die das Studium abschließen, dann tatsäch­lich in einen medizinischen Beruf geht. Insofern ist fraglich, inwieweit die Kommission mit uns über eine Erhöhung der Quote verhandeln wird, weil wir ja genügend Absolventinnen und Absolventen haben. Der Schlüssel wird vor allem sein, dass es uns gelingt, mehr Personen in das Berufsfeld zu bringen.

Ich darf auch daran erinnern: Selbst unter der Annahme einer zeitnahen rechts­konformen Umsetzung auf Basis einer neuen Verhandlung mit der Europäischen Union wären die Auswirkungen auf das Gesundheitssystem frühestens in zwölf Jahren zu sehen. Wenn man bedenkt, dass das Studium sechs Jahre dauert und die weitere Ausbildung danach noch einmal sechs Jahre, weiß man, dass eine solche Umsetzung erst sehr, sehr spät sichtbar wird. Wichtiger ist es, in den nächsten Jahren rasch Maßnahmen zu setzen, denn wir haben diesen Ärzteman­gel direkt jetzt. Ich sehe den Handlungsbedarf vor allem in den nächsten Jahren.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Graf? – Bitte.


Abgeordneter Mag. Dr. Martin Graf (FPÖ): Vollkommen richtig, man kann an mehreren Schrauben drehen, und es wird auch gedreht werden müssen. Ich persönlich halte es für zynisch und menschenverachtend, eine Quote aufrecht­zuerhalten, oder sagen wir so: einen Ärztemangel bewusst aufrechtzuerhalten,


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damit man eine Quote begründen kann. Sind Sie nicht auch der Meinung, dass das keine wegweisende Politik ist und wir endlich dagegenarbeiten müssen und dass Sie auch bei der Europäischen Kommission sowie insbesondere bei den Etablierten in den Standesvertretungen, auf den Universitäten proaktiv Ihr Gewicht einsetzen sollten, damit man von so einer zynischen Argumentation wegkommt?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Martin Polaschek: Also ich sehe das umgekehrt.

Das Erste ist: Es gibt einen Ärztemangel, ja, es gibt einen Bedarf an Ärztinnen und Ärzten, und vonseiten der Universitäten werden Absolventinnen und Absolventen auch – unter Anführungszeichen – „dem Arbeitsmarkt zur Verfü­gung gestellt“. Es ist ja nicht so, dass der Arbeitsmarkt entsprechend verknappt wird, damit nicht genügend Personen fertig werden.

Wie gesagt haben wir genügend Personen, die ihr Studium abschließen, sie gehen aber nicht in den entsprechenden Beruf. Wir sind aber im ständigen Austausch, auch mit den medizinischen Universitäten, und wir werden wie gesagt prüfen, ob sich die rechtlichen Rahmenbedingungen tatsächlich geändert haben und ob wir eine Chance haben, da etwas für die Österreicherinnen und Österreicher zu bewirken.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage wird von Frau Abgeordneter Hamann gestellt. – Bitte sehr. 09.30.14


Abgeordnete Mag. Sibylle Hamann (Grüne): Einen schönen guten Morgen, lieber Herr Bundesminister! Sie haben vor einigen Wochen ein Konzept für ein ganz neues Berufsbild vorgestellt: das Berufsbild der Assistenz- und Freizeitpäda­gogik. Das ist an sich eine sehr weitreichende, tiefgreifende Reform, die viele der Baustellen angehen würde, die wir in unserem Schulwesen haben – zum Beispiel den Fleckerlteppich an Zuständigkeiten zwischen Vormittag und Nachmittag,


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zwischen Unterricht und Betreuung. Welche konkreten Auswirkungen wird dieser neue Beruf auf den Schulbetrieb haben?

*****

Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 292/M, hat folgenden Wortlaut:

„Welche Auswirkungen wird das von Ihnen vor einigen Wochen präsentierte neue Berufsbild, die ,Assistenz- und Freizeitpädagogik‘, auf den Schulbetrieb haben?“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Martin Polaschek: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Dieses neue Berufsbild der Assistenz- und Freizeitpädagogik bedeutet, dass wir in der Lage sind, ergänzend zu den Lehre­rin­nen und Lehrern weitere Personen mit pädagogischer Qualifikation in den normalen Schulbetrieb zu bringen. Derzeit ist es so, dass – abgesehen vom administrativen und psychosozialen Unterstützungspersonal – die Lehrerinnen und Lehrer allein die gesamte Unterrichts- und Bildungsarbeit in den Schulen leisten. Die Nachmittagsbetreuung wird völlig anders administriert. Es gibt kein institutionalisiertes Scharnier, die Freizeitpädagoginnen und Freizeitpädagogen haben völlig andere Dienstverhältnisse.

Wir schaffen nun ein neues Berufsbild, das uns ermöglicht, auch in den Schulbe­trieb unterstützendes Personal zu bringen. Österreich ist diesbezüglich unter den Schlusslichtern in Europa. Es wurde von verschiedenen Seiten – von der OECD und anderer Seite – darauf hingewiesen, dass wir mehr pädagogisches Personal, ergänzend zu den Lehrerinnen und Lehrern, für die Schulen brauchen, und gerade mit diesem Berufsbild schaffen wir das.

Es ist völlig klar, dass wir größtes Interesse daran haben, auch die Personen, die jetzt in der Freizeitpädagogik tätig sind, mit ihren bisher erworbenen Rechten


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und natürlich unter den bisherigen Arbeitsbedingungen in das neue System zu überführen. Es geht darum, ein Mehr zu schaffen: mehr Personen in den Schulbereich zu bringen und damit sicherzustellen, dass die Kinder nicht nur einen entsprechend qualifizierten Unterricht durch die Lehrerinnen und Lehrer, sondern auch entsprechende Unterstützung durch weiteres Personal bekommen.

Das wird die gesamte Organisation vereinfachen, und wir werden dadurch die Möglichkeit haben, eine wirklich ganztägige Schule zu organisieren, weil das gesamte Personal organisationsrechtlich in einer Hand ist und weil wir dadurch für Personen mit anderen Qualifikationen als jenen, die bisher im Schulbereich zugelassen waren, neue Berufsfelder eröffnen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordnete Mag. Sibylle Hamann (Grüne): Sie haben einen Teil meiner Zusatz­frage bereits vorweggenommen. Bei den Freizeitpädagog:innen und bei deren gewerkschaftlicher Vertretung ist das offenbar noch nicht so ganz angekommen. Die Gewerkschaft hatte ja vor einigen Wochen zum Streik aufgerufen, weil sie eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen und sogar Entlassungen fürchtete. Sie sagen also, wenn ich Sie richtig verstehe, dass diese Befürchtun­gen nicht gerechtfertigt sind, oder?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Martin Polaschek: Selbstverständlich nicht. Wir sind ja erst am Anfang der Überlegun­gen, wie ein solches Konzept aussehen könnte. Da ja die Länder, wenn dieses Konzept durchgeführt wird, die Verantwortung für die Abwicklung tragen, war und ist klar, dass man zuerst einmal mit den Ländern in entsprechende Vorgespräche treten muss, ob sie auch bereit sind, dieses Konzept mit dem Bund gemeinsam zu tragen. Der nächste Schritt ist der, dass man sich an die


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Detailarbeit macht und dann natürlich auch die Interessenvertretungen entsprechend einbindet. Wir waren erst am Anfang dieses Prozesses.

Wir haben jetzt selbstverständlich auch die Gespräche mit den Interessenver­tretungen der jeweiligen Berufsgruppen aufgenommen, weil eines völlig klar ist: Wir sind froh und dankbar für all die engagierten Menschen, die im Bildungs­bereich – vor allem in den Schulen – tätig sind. Wir haben nicht das geringste Interesse daran, engagierte und qualifizierte Menschen zu verlieren. Deshalb ist für uns ganz, ganz klar, dass diese Personen unter den entsprechenden Rahmenbedingungen weiterarbeiten können. Im Gegenteil: Dadurch dass sie in ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis kommen, ist die Rechtssicherheit für diese Personen sogar deutlich höher, als sie jetzt ist.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Zusatzfrage stellt Abgeordneter Oxonitsch. – Bitte.


Abgeordneter Christian Oxonitsch (SPÖ): Herr Minister, ich möchte mit dem Positiven beginnen: Sie haben ja letztendlich die Gespräche mit der Gewerkschaft – nämlich der zuständigen Gewerkschaft, der GPA – und, soweit ich es den Medien entnehmen konnte, auch mit der Sozialwirtschaft, als Arbeitgeberbereich, endlich aufgenommen. Ich glaube, dass das zu spät war – aber sei’s drum, besser zu spät als nie. Ich glaube, das ist der gute Effekt.

Was mich interessieren würde: Eine der Überlegungen ist ja, den Zugang über die Matura mit einer – im Vergleich zum Beispiel zum Wiener Modell – sehr verkürzten Ausbildung zu ermöglichen. Wie kommt man zu den Berechnungen, dass man glaubt, dass man, wenn man die Gruppe der potenziell in der Freizeit­pädagogik Tätigen verkleinert – nämlich nur mehr jene mit Matura nimmt –, mehr Menschen für diesen Bereich gewinnen kann? Welche Berech­nungen und welche Überlegungen stecken da dahinter?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.



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Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Martin Polaschek: Wir prüfen gerade, zu welchen Zeitpunkten in der Schule Personen mit welchen Qualifikationen mit jungen Menschen arbeiten. Wenn es darum geht, dass das pädagogische Assistenzpersonal verschiedenste Aufgaben etwa im Bereich des Übens mit Kindern wahrnimmt und verschiedene unter­stützende Tätigkeiten für Lehrerinnen und Lehrer wahrnimmt, dann wird es für manche dieser Bereiche wahrscheinlich ratsam sein, auch über entsprechende Qualifikationen und über entsprechendes Vorwissen zu verfügen.

Wir sind aber da durchaus noch offen, zu überprüfen, wie groß der Anteil der in Ergänzung zu erbringenden Qualifikationen ist. Jetzt ist das System ja so, dass man zwar keine Matura braucht, dafür aber einen höheren Anteil an entsprechen­den Zusatzqualifikationen erwerben muss. Wenn man die Matura hat, muss man weniger Zusatzqualifikationen erwerben. Wir sind gerade dabei, zu überprüfen, wie weit da Flexibilität besteht.

Ich darf wiederholen: Wir sind ja am Anfang eines Prozesses und nicht am Ende. Wir sind jetzt auf jeden Fall in sehr guten Gesprächen und werden auch die verschiedenen Varianten prüfen, um möglichst viele Personen ergänzend zu den Lehrerinnen und Lehrern in den Schulbereich zu bekommen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Zusatzfrage stellt Abgeordnete Totter. – Bitte.


Abgeordnete MMag. Dr. Agnes Totter, BEd (ÖVP): Einen schönen guten Morgen, Herr Minister! Kollegin Hamann hat das neue Berufsbild erwähnt, die Assistenz- und Freizeitpädagogik. Diese soll – so wie auch die administrative Assistenz oder Unterstützung – die Pädagoginnen und Pädagogen, aber auch die Schulleitungen entlasten. Gleichzeitig ist aus meiner Sicht natürlich darauf zu achten, dass es zu keiner zusätzlichen Bürokratie und keinen zusätzlichen Doku­mentationspflichten welcher Art auch immer kommt.


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Geschätzter Herr Minister, was unternehmen Sie zur kurzfristigen, aber auch nachhaltigen Entlastung unserer Lehrerinnen und Lehrer und Schulleitungen, damit sie mehr Zeit für ihre wesentlichen pädagogischen Aufgaben haben?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Martin Polaschek: Sehr geehrte Frau Abgeordnete, das ist ganz klar: Es bedarf natürlich entsprechender Unterstützung, und dafür benötigen wir qualifiziertes Personal an den Schulen.

Wir haben bereits begonnen, vermehrt Unterstützung im administrativen Bereich und im psychosozialen Bereich zu leisten. Wir haben das bereits im vorigen Jahr im Finanzausgleichsgesetz verankert, um die Länder zu unterstüt­zen. Das psychosoziale Personal haben wir auf 240 Stellen verdoppelt. Im administrativen Bereich haben wir die Zahl der zur Verfügung stehenden Stellen mit über 700 fast verdoppelt. Das setzen wir bereits um.

Im pädagogischen Bereich haben wir eben massiven Nachholbedarf. Das gehen wir jetzt an, wie Sie anhand der bereits gegebenen Antworten ja sehen, aber es ist klar, dass es darüber hinaus auch Entlastung im administrativen Bereich braucht. Es hat bereits zwei administrative Entlastungspakete gegeben, die in enger Abstimmung mit der Personalvertretung erarbeitet worden sind, und wir sind in sehr intensiven Gesprächen für ein weiteres Entlastungspaket, um die Lehrerinnen und Lehrer wirklich, so weit es nur irgendwie geht, dafür freizuspielen, wofür sie in die Schulen gekommen sind: mit den jungen Men­schen gemeinsam in der Schule zu arbeiten, sie zu unterrichten und sie zu bilden.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Abgeordnete Künsberg Sarre. – Bitte. 09.39.18


Abgeordnete Mag. Martina Künsberg Sarre (NEOS): Guten Morgen, Herr Minister! Die Pflichtschullehrergewerkschaft hat ja gestern ihren sehr klaren und


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eindrucksvollen Forderungskatalog veröffentlicht. Sie weist vor allem auf die angespannte Personalsituation im Pflichtschulbereich hin. Jetzt ist meine Frage:

282/M

„Sind die bisher gesetzten Maßnahmen aus Ihrer Sicht ausreichend, um den Lehrkräftemangel, insbesondere an den Pflichtschulen, in Griff zu bekommen?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Martin Polaschek: Sehr geehrte Frau Abgeordnete, Sie haben völlig recht: Der Bedarf an Lehre­rinnen und Lehrern ist sicher eine der größten Herausforderungen, vor denen wir derzeit im Bildungsbereich stehen. Wir haben deshalb mit der größten Lehrkräfteoffensive der Zweiten Republik begonnen. Wir haben Maßnahmen in den verschiedensten Bereichen auf Schiene gebracht, um gerade dazu tätig zu werden – das sind kurz-, mittel- und langfristige Maßnahmen.

Wir haben im Bereich des Personalmanagements und Recruitings einige wichtige Schritte gesetzt. Wir haben etwa die Bewerbung für den gesamten Bundesschul­bereich vereinheitlicht: Wir haben die Fristen vereinheitlicht, wir haben den gesamten Prozess voll digitalisiert, und dieser Vereinheitlichung, diesem Prozess haben sich auch die meisten Bundesländer bereits angeschlos­sen. Erste Analysen zeigen, dass wir durch diese volle Digitalisierung den Prozess beschleu­nigen, dadurch auch rascher Bescheid wissen, wo wir vermehrten Bedarf haben, und auch rascher entsprechende Zuteilungen machen können.

Es ist aber klar, wir müssen darüber hinaus noch mehr tun. Wir haben deshalb das Modell des Quereinstiegs, das ja schon seit Längerem besteht, auf neue Beine gestellt: Auf Basis eines sehr strengen Auswahlverfahrens kommen nun Personen dafür dann regulär in den Schulbereich, sie bekommen öffentlich-rechtliche Dienstverträge und sind ein vollwertiger Bestandteil der Schulgemein­schaft.


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Wir haben gesehen, dass diese Maßnahmen wirken: Bisher waren es immer so ungefähr 300 Personen, die im Laufe eines Jahres als Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger in die Schulen gekommen sind, mittlerweile sind es bereits über 600 Personen, die sich heuer auf diese Art und Weise beworben haben. Wir sehen, dass das Interesse groß ist. Wir tragen damit auch einiges zur Entlastung bei, und ich gehe davon aus und bin sehr guten Mutes, dass wir auch heuer wieder alle Unterrichtsstunden werden anbieten können.

Es gibt einige Bereiche, es gibt einige Regionen, wo der Bedarf besonders groß ist, aber auf allen Ebenen wird intensivst daran gearbeitet, diesen Bedarf zu decken.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete.


Abgeordnete Mag. Martina Künsberg Sarre (NEOS): Der Quereinstieg, von dem Sie sprechen, betrifft ja jetzt nur den Sekundarbereich. Werden Sie den Quer­einstieg auch für den Primarbereich ermöglichen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Martin Polaschek: Ja, der Primarbereich hat natürlich aufgrund einer anderen Struktur, weil es etwa kein Fächerprinzip gibt, weil die Lehrerin, der Lehrer ja im Grunde genom­men die ganze Zeit mit den Kindern arbeitet, etwas andere Voraussetzungen.

Wir überprüfen das aber sehr intensiv und arbeiten intensiv daran, auch für den Primarbereich die Möglichkeiten zu schaffen, quer einsteigende Personen zur Verfügung zu stellen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Zusatzfrage stellt Abgeordneter Seemayer. – Bitte sehr.


Abgeordneter Michael Seemayer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sie haben die Quereinsteiger angesprochen. Hintergrund meiner Frage ist ein offener Brief an Sie, in dem die Personalvertreter:innen der Berufsschulen


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aufzeigen, dass der Quereinstieg als Berufsschullehrerin, -lehrer bei Weitem schwieriger ist als ein Quereinstieg in die normalen mittleren und höheren Schulen. Diese Ungleichheit führt natürlich dazu, dass in der Berufsschule auch der Lehrkräftemangel eklatanter ist.

Gibt es Ihrerseits Pläne, die Benachteiligung von Quereinsteiger:innen an Berufsschulen zu beheben?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Martin Polaschek: Was das angeht, haben wir leider feststellen müssen, dass es da einiges an Missverständnissen gibt. Ich darf deshalb noch einmal ganz klar festhalten: Das klassische Modell für Personen mit Lehre und Berufspraxis hat sich nicht geändert, das heißt, all jene Personen, die auf diesem Wege in den Beruf kommen wollen, werden das natürlich weiterhin tun können.

Es gab immer eine zweite Variante, dass Personen mit einem fachlich geeigneten Studium auf Masterniveau unter Vorgabe von 60 ECTS Weiterbildung ins System gekommen sind. Diese Variante wurde nur sehr, sehr selten genützt. Mit dem Quereinstieg Neu gibt es jetzt vermehrt die Möglichkeit, auf diesem Weg einzusteigen und berufsbegleitend, je nach Studiendauer, 60 oder 90 ECTS zu absolvieren. In Summe ist das wie das bisherige Modell zwei, das nur sehr wenig genützt worden ist. Am ersten Modell, also Einstieg mit Lehre und Berufs­praxis, hat sich nichts geändert.

Wir haben natürlich das größte Interesse, möglichst viele engagierte und qualifizierte Personen im System zu halten und ins System neu dazuzube­kom­men. Ich kann da Entwarnung geben.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Zusatzfrage stellt Abgeordneter Weber. – Bitte.



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Abgeordneter Ing. Johann Weber (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Der Lehrermangel ist in vieler Munde. Ich weiß, Sie sind wirklich sehr bemüht, Maßnahmen zu setzen, um dem auch entsprechend entgegenzuwirken, und es ist wirklich notwendig, dabei an vielen Schrauben zu drehen.

Meine konkrete Zusatzfrage ist: Können Sie sich als eine Maßnahme gegen den Lehrermangel eine Verkürzung der Dauer der Pädagoginnen- und Pädagogen­ausbildung vorstellen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Martin Polaschek: Ja. Ich darf vorausschicken, dass ich aufgrund meiner früheren Tätigkeiten auch sehr aktiv involviert war, als damals auf Basis des neuen Gesetzes die neuen, längeren Studien eingeführt wurden. Ich habe seitdem in meinen früheren Funktionen an der Universität auch die Verantwortung für diesen Bereich getragen und kenne ihn deshalb sehr gut.

Ich habe im Laufe der Zeit gesehen, dass es immer wieder Zweifel gegeben hat, ob die Studiendauer für die Sekundarstufe nicht zu lang ist und ob die Studienarchitektur für die Primarstufe passt. Auch in meiner neuen Funktion als Minister habe ich meine Kontakte weiter gepflogen und auch dazu sehr intensive Gespräche mit Vertreterinnen und Vertretern der Universitäten und pädagogischen Hochschulen geführt.

Nicht zuletzt auch auf Basis der Evaluierung des Qualitätssicherungsrates ist für mich klar, dass es, auch was die Qualität angeht, durchaus vertretbar ist, die Studiendauer für die Sekundarstufe auf ein sechssemestriges Bachelor- und ein viersemestriges Masterstudium zu verkürzen und auch für die Primarstufe die Struktur zu ändern. Das ist zwar nicht das Allheilmittel gegen den Lehrermangel, aber wir werden dadurch die Studien attraktivieren.

Wir werden auch eine grundlegende Reform in Gang setzen, was bedeutet, natürlich auch die Praxisinhalte entsprechend besser zu verankern und zu


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überprüfen, welche Lehrinhalte tatsächlich überhaupt notwendig sind, kurzum, die Curricula auch entsprechend zu entrümpeln.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Frau Abgeordnete Salzmann. – Bitte sehr, Frau Abgeordnete. 09.46.49


Abgeordnete MMMag. Gertraud Salzmann (ÖVP): Guten Morgen, geschätzter Herr Minister! Ich greife jetzt einiges auf, was die Fragesteller vor mir schon angesprochen haben.

Der Lehrerberuf ist ja grundsätzlich ein sehr schöner Beruf. Kinder und Jugend­liche auf dem Bildungsweg zu begleiten ist wirklich eine schöne Herausfor­derung und auch sehr sinngebend.

Ich sehe allerdings, dass gerade in den APS, also in den Pflichtschulen, zunehmend aber auch in den höheren Schulen der Lehrermangel um sich greift. Manche Bundesländer tun sich schon sehr schwer. Bei uns in den westlichen Bundesländern geht es noch ein bissel leichter, aber trotzdem spüren auch wir den in den Pflichtschulen um sich greifenden Lehrermangel.

Sie haben die Verkürzung des Studiums angesprochen, das ist sicher ein ganz wichtiger Aspekt zur Attraktivierung.

Meine Frage:

285/M

„Welche Strategie verfolgen Sie, um der großen Herausforderung des Personalmangels im Bildungsbereich zu begegnen?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Martin Polaschek: Wir müssen auf den verschiedensten Ebenen ansetzen. Das Erste, was mir auch wichtig ist, ist, dass es uns gelingt, den Menschen wieder in Erinnerung zu


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rufen, was für ein schöner und wichtiger Beruf es ist, Lehrerin oder Lehrer zu sein. Nur wenn es uns gelingt, den Menschen die positiven und wunderbaren Seiten dieses Berufs in Erinnerung zu rufen, dann werden wir auch mehr Personen dafür gewinnen können, in ein entsprechendes Studium zu gehen, diesen Beruf zu ergreifen.

Wir müssen aber natürlich auch die entsprechenden Rahmenbedingungen schaffen. Da haben Sie völlig recht. Wir müssen uns darum bemühen, dass diejenigen, die als Absolventinnen und Absolventen in diesen Beruf kommen, auch entsprechend gut betreut werden. Das heißt, wir brauchen ein ent­sprechend gutes Recruiting, wir brauchen ein entsprechend gutes Personal­management. Die Bildungsdirektionen sind dabei, das bereits umzusetzen.

Wir haben wie gesagt eine vollständige Digitalisierung des gesamten Bewer­bungs­verfahrens für alle Bundesschulen umgesetzt. Wir haben eine eigene Clearingstelle bei mir im Haus eingerichtet, um dort, wo es offene Fragen, wo es Klärungsbedarf gibt, etwa weil sich Personen in zwei Bereichen, in zwei Bildungsdirektionen bewerben, die Menschen übergreifend unterstützen zu können; sprich, wir setzen da im Personalmanagement sehr viel um.

Und ja, wir müssen auch den Studienbereich weiterentwickeln. Wir müssen einfach auf allen Ebenen tätig werden, weil es da keine Allheilmittel und keine einfachen Rezepte gibt. Wir stehen dadurch, dass wir in den nächsten fünf Jahren ungefähr 20 000 Lehrerinnen und Lehrer nachzubesetzen haben, vor einer großen Herausforderung. Das funktioniert nur mit einem Maßnahmenmix, und genau einen solchen Maßnahmenmix haben wir vorbereitet beziehungs­weise bereits umgesetzt.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete.


Abgeordnete MMMag. Gertraud Salzmann (ÖVP): Danke schön für die Beantwortung der ersten Frage, Herr Minister.


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Sie haben ja heute in der Fragestunde schon mehrfach den Quereinstieg ange­sprochen. Für mich sind – ich bin selber Pädagogin – diese Quereinsteiger auch eine wesentliche Bereicherung, gerade was die fachspezifischen Unterrichts­formen anlangt. Wir haben ja die Fachpraktika zum Beispiel in der HTL, also in den höheren Schulen im berufsbildenden Bereich. Jetzt haben wir die Möglich­keit für den Quereinstieg auch in die Sekundarstufe I. Aus welchen Bereichen kommen denn die Bewerberinnen und Bewerber, die sich für den Quereinstieg bewerben und qualifizieren?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Martin Polaschek: Die Bandbreite der Personen, die quer einsteigen, ist durchaus groß. Der Großteil kommt aus den Naturwissenschaften und der Technik, wobei die Naturwissenschaften da sehr breit gestreut sind: Mathematik, Chemie, Physik und so weiter. Etwas mehr als 40 Prozent der Personen kommen aus dem wirtschaftlichen Bereich, insbesondere aus einem wirtschaftlichen Bereich mit einem sehr hohen Mathematikanteil in den Studienfächern. Wir haben ungefähr 10 Prozent, die aus dem Bereich der Künste kommen. Wir haben nicht ganz 10 Prozent, die aus dem Bereich der Geisteswissenschaften kommen, und der Rest kommt aus dem Medienbereich, den Rechtswissenschaften und den Bildungswissenschaften.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Frau Abgeordnete Tanzler. – Bitte sehr. 09.51.07


Abgeordnete Petra Tanzler (SPÖ): Herr Präsident! Guten Morgen, Herr Bundes­minister! Die Deutschförderklassen inklusive der Mika-D-Tests erweisen sich ja nach wie vor als unbrauchbar, pädagogisch zweifelhaft und auch schwer durchführbar. Das belegt eine Studie, die von Ihnen in Auftrag gegeben wurde, und auch der größte Teil der Pädagoginnen und Pädagogen lehnt sie ab.


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280/M

„Mit welcher wissenschaftlichen Begründung halten Sie weiterhin am Modell der Deutschförderklassen fest, obwohl ausnahmslos alle Expert:innen und alle publizierten Studien an deren Erfolg zweifeln?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Martin Polaschek: Sehr geehrte Frau Abgeordnete, ich habe, nachdem ich angenom­men hatte, dass das heute Thema sein wird, gestern am Abend die Studie noch einmal in Ruhe durchgelesen. Man kann diese Studie durchaus auch anders sehen. (Abg. Heinisch-Hosek – erheitert –: ..., man kann die Studie auch anders sehen!) Ja, die Studie weist auf einige Bereiche hin, in denen Verbesserungs­be­darf besteht, und genau diesen Verbesserungsbedarf haben wir erkannt und da sind wir bereits tätig geworden.

Ich denke, dass das Deutschfördermodell für die außerordentlichen Schülerinnen und Schüler sehr wohl zu einem erfolgreichen, raschen Erlernen der Unterrichts­sprache Deutsch beiträgt. Ich konnte mich auch selbst davon überzeugen – ich bin durchschnittlich einen Tag in der Woche in Bildungseinrichtungen unterwegs und war auch in einigen Deutschförderklassen.

Ich sehe aber sehr wohl, dass wir Verbesserungsbedarf haben. Genau aus diesem Grund haben wir jetzt 10 Millionen Euro zusätzlich pro Jahr für die Förderung der Schülerinnen und Schüler in den Deutschförderklassen. Diese Mittel können für die Teilung von Klassen, für einen Unterricht in Kleingruppen eingesetzt werden, etwas, das eben auch in der Studie gefordert worden ist.

In der Studie wurde außerdem bemängelt, dass es die Förderung nur im außer­ordentlichen Status der Schülerinnen und Schüler gibt, nicht im ordent­lichen Status. Da haben wir bereits die entsprechende Regelung umgesetzt, das heißt, es ist jetzt die Deutschförderung auch im ordentlichen Status möglich, und wir haben dafür weitere 4,5 Millionen Euro pro Jahr zur Verfügung gestellt.


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Wir arbeiten außerdem an einer Änderung des Mika-D-Tests. Wir haben die Ausweitung der Testzeiträume bereits vorgenommen, um einen Wechsel von der Deutschförderklasse in den Deutschförderkurs beziehungsweise den ordent­lichen Status rascher und auch unterjährig vornehmen zu können.

Wir haben weiters, um dafür Sorge zu tragen, dass es genügend qualifizierte Personen in den Schulen gibt, bereits erste zusätzliche Maßnahmen gesetzt, um die sprachliche Bildung in den Lehrplänen vermehrt zu verankern und vermehrt Personen mit entsprechender Kompetenz im Bereich Deutsch als Zweitsprache in die Schulen zu bringen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage, Frau Abgeordnete? – Bitte.


Abgeordnete Petra Tanzler (SPÖ): Wenn ich Sie richtig verstehe, dann kommt dieses veränderte Modell jetzt im nächsten Schuljahr schon zum Tragen.

Wie stellen Sie sicher, dass diese Deutschförderung jetzt wirklich in eine sinnvollere und pädagogisch sowie sozial wertvollere Variante umgewandelt wird und diese auch den Pädagoginnen und Pädagogen zur Umsetzung zeitgerecht zukommen wird?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Martin Polaschek: Diese Gelder stehen zur Verfügung. Das ist den Bildungsdirektionen bekannt. Es wird an den jeweiligen Bildungsdirektionen liegen, die entsprechenden Planun­gen in Abstimmung mit den Schulleitungen zu machen. Die Gelder sind schon lange da, und ich gehe deshalb davon aus, dass das in der Planung in den Bildungs­direktionen entsprechend erfolgen wird.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage: Frau Abgeordnete Belakowitsch. – Bitte.


Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Herr Präsident! Guten Morgen, Herr Bundesminister! Die Einführung der Deutschförderklassen hatte ja nicht


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nur das Ziel, Kinder, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind, ordentlich zu fördern, sondern vor allem auch, dass in den Regelklassen der Unterricht unge­stört durchgeführt werden kann, das heißt, dass man den Unterricht für jene Kinder, die Deutsch sprechen, für deutschsprachige Kinder einfach leichter und schneller durchführen kann.

Liegen Ihnen entsprechende Studien vor, die zeigen, dass der Unterricht in den Regelklassen jetzt auch tatsächlich besser vonstattengehen kann, und wenn ja, welche Studien sind das?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Martin Polaschek: Wir sehen ja, dass die Ergebnisse bei verschiedenen Messungen im Vergleich des längerjährigen Durchschnitts durchaus gut sind. Ich darf etwa auf die letzte Pirls-Studie verweisen. In Zeiten des Homeschoolings war ja die Befürchtung, dass aufgrund dessen gerade die Leseleistung bei den Jüngeren schlechter wird, und das war in einigen europäischen Ländern in der Tat der Fall; in Österreich nicht so stark. Österreich hat auch schlechtere Ergebnisse, aber nicht in dem Ausmaß, und wir sehen, dass die Leseleistung gerade bei den Kindern und Jugend­lichen durchaus gleich geblieben ist.

Wir sehen, da haben die Förderstunden, die wir einsetzen, gegriffen, und wir sehen, dass die Sprachkompetenz, die die Kinder aufgrund des außerordent­lichen Unterrichts erwerben, funktioniert und die Kinder deshalb besser lesen können.

Ich sehe aber gerade da auch für das Bildungsressort eine besondere Heraus­forderung: dass es uns noch mehr gelingt, das Lesen bei den Kindern und Jugendlichen als besonderen Wert zu verankern und die Lesekompetenz noch mehr zu steigern. Dazu müssen sie aber natürlich auch über die entsprechenden Deutschkenntnisse verfügen, und ich denke, dass die Ergebnisse zeigen, dass das auch funktioniert.



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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Zusatzfrage stellt Abgeordneter Shetty. – Bitte sehr.


Abgeordneter Mag. Yannick Shetty (NEOS): Herr Präsident! Guten Morgen, Herr Minister! Deutschdefizite, frustrierte Lehrerinnen und Lehrer und schlechte Finanzierung sind ein giftiger Mix, der an sehr vielen, vor allem neuen Mittel­schulen zusammenkommt, an sogenannten Brennpunktschulen – ich glaube, wir alle mögen den Begriff nicht, aber man weiß, was damit gemeint ist.

Dabei ist so klar, was getan werden muss: mehr individuelle Deutschförderung, mehr Schul- und mehr Sozialarbeit, mehr Assistenzpersonal für Direktor:innen, für Lehrerinnen, für Lehrer. Man hat das Gefühl, dass diese Kinder irgendwie als verlorene Kinder im System betrachtet werden und dass man das vonseiten des Ministeriums einfach so akzeptiert hat: Man hört nichts, man sieht nichts, man spürt nichts vonseiten des Ministeriums, um dieses Problem zu bewältigen.

Deswegen ist meine ganz konkrete Frage an Sie, Herr Bildungsminister: Können Sie drei ganz konkrete Maßnahmen nennen, wie wir die Trendumkehr in der Bildungspolitik schaffen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Martin Polaschek: Ja, ich darf noch einmal darauf hinweisen: Wir stellen bereits ergänzend administratives Unterstützungspersonal zur Verfügung. Wir haben die Zahl fast verdoppelt. Wir stellen mehr Personal für Sozialarbeit zur Verfügung, wir haben diese Zahl verdoppelt.

Wir haben neue Lehrpläne, die mit kommendem Schuljahr in Kraft treten, die noch mehr auf die Kompetenzen der Kinder und Jugendlichen eingehen, noch mehr auf die persönlichen Bedürfnisse der Kinder, gerade solcher, die ergän­zenden Förderbedarf haben.


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Wir haben nach der Pandemie fast eine halbe Milliarde Euro für Förderstunden zur Verfügung gestellt, die in den Schulen direkt den Kindern und Jugendlichen zugutekommen; und wir haben mit dem Projekt 100 Schulen – 1 000 Chancen gerade ein eigenes Projekt laufen, das intensiv Daten sammelt und mit dem Schulen verschiedene Wege probieren, wie wir gerade Kindern aus bildungs­fer­nen Schichten noch besser den Erfolg im Bildungssystem garantieren können. Wir müssen natürlich darauf achten, dass gerade diese Kinder und Jugendlichen entsprechend auch einen Bildungserfolg haben können, und die Ergebnisse dieses Projektes werden selbstverständlich in weitere Handlungsschritte, auch im Ministerium, Eingang finden.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Eine Zusatzfrage stellt Herr Abgeordneter Schallmeiner. – Bitte.


Abgeordneter Ralph Schallmeiner (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister, guten Morgen! Kommen wir noch einmal kurz zurück auf die Frage der Kinder im außerordentlichen Status! Da hat es ja seit Einführung eigentlich kein Jahr gegeben, in dem dieselbe Lösung oder die vorgesehene Lösung für den Aufstieg angewandt wurde, und auch für das heurige Schuljahr hat Ihr Ministe­rium ja wieder kurzfristig eine Lösung für den Aufstieg von Kindern im außerordentlichen Status gefunden.

Jetzt wäre natürlich spannend: Wie schaut eine Lösung für die kommenden Schuljahre, speziell für das kommende Schuljahr, aus?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Martin Polaschek: Wie wir gesehen haben, liegt die Schwierigkeit vor allem darin, dass der Mika-D-Test nur zu bestimmten Zeiten durchgeführt wird, was dazu führt, dass die Schülerinnen und Schüler dann nicht mehr die Möglichkeit haben, ein entsprechen­des Abschlusszeugnis zu bekommen, was ja notwendig ist, um in die nächst­höhere Schulstufe aufzusteigen.


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Wir haben gesehen, dass sich da heuer ein sehr großes Problem auftut, und haben uns deshalb auch sehr, sehr rasch darum bemüht, eine Lösung zu finden, und wir haben diese Lösung ja in der Tat gefunden, ohne irgendwo gesetzliche Änderungen vornehmen zu müssen. Diese Regelung wurde den Schulen auch noch entsprechend kommuniziert, und es ist uns gelungen, da zu handeln.

Für das kommende Schuljahr stellt sich diese Problematik nicht mehr in dieser Form, weil der Mika-D-Test eben flexibler eingesetzt werden kann. Das heißt, der entsprechende Test kann auch während des Semesters jederzeit gemacht werden, wenn die Lehrkraft erwartet, dass die Kinder den Test bestehen. Wir gehen also davon aus, dass wir dieses Problem in der Form künftig nicht mehr haben werden.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Herr Abgeordneter Brückl. – Bitte sehr. 10.00.44


Abgeordneter Hermann Brückl, MA (FPÖ): Herr Präsident! Guten Morgen, Herr Minister! Herr Bundesminister, in Wien kann jedes siebte Volksschulkind dem Unterricht nicht folgen, weil es die deutsche Sprache nicht beherrscht. Der Österreichische Integrationsfonds liefert Zahlen, aus denen hervorgeht, dass in Wiener Gemeindebezirken Volksschulkinder in einem Ausmaß zwischen 80 und 90 Prozent im Alltag nicht Deutsch sprechen. Die fehlenden Sprachkenntnisse sind eines der ganz großen Probleme im Bildungsbereich.

In Niederösterreich hat die Landesregierung ein Übereinkommen geschlossen, in dem man sich darauf geeinigt hat, dass man Deutsch auch als Pausensprache fördern will. (Abg. Heinisch-Hosek: Schrecklich!)

Herr Bundesminister, meine Frage lautet:


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276/M

„Was werden Sie unternehmen, damit Kinder mit deutscher Muttersprache aufgrund der Tatsache, dass immer mehr Volksschulkinder im Alltag überwiegend eine andere Sprache sprechen, nicht benachteiligt werden?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Martin Polaschek: Sehr geehrter Herr Abgeordneter, der Schlüssel ist eben vor allem die ent­sprechende Sprachförderung der Kinder, die nicht Deutsch als Muttersprache haben. Gerade aus diesem Grund haben wir ja dafür Sorge getragen, dass im Rahmen der Artikel-15a-Vereinbarung zur Elementarpädagogik die Sprachför­de­rung im Kindergarten ausgebaut und auch flexibler eingesetzt werden kann, weil es wichtig ist, dass die Kinder bereits im Kindergarten entsprechende Deutsch­kenntnisse erlangen – umso wichtiger ist das dann gerade in der Schule.

Deshalb haben wir eben mit den Deutschförderklassen, mit diesem gesamten Deutschfördermodell alles darangesetzt, dafür zu sorgen, dass sich die Situation für Kinder, die in Klassen kommen, wo fast niemand die deutsche Sprache kann und daher auch das Erlernen der deutschen Sprache im direkten Unterricht nicht möglich ist, verbessert, denn wenn niemand Deutsch kann und es keine gemeinsame Sprache gibt, ist Deutsch umso wichtiger. Deshalb haben wir eben dieses Deutschfördermodell auf Schiene gebracht, und wir setzen alles daran, dass dort noch mehr gefördert und investiert wird, damit die Kinder, die dann wieder in den Regelunterricht zurückkommen, über die entsprechenden Deutschkenntnisse verfügen, damit dann auch alle in den Schulklassen dem Deutschunterricht entsprechend folgen können.

Es ist wichtig, dass die Kinder, so oft es irgendwie geht, Deutsch sprechen, dass sie Deutsch im Unterricht sprechen, dies aber eben durch ergänzende Deutsch­fördermaßnahmen erweitert wird. Ich kenne solche Beispiele, ich erinnere mich an eines aus meiner Heimatstadt: Es war der Direktor einer sich in meiner


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Umgebung befindenden Volksschule, der sich immer dafür eingesetzt hat, dass die Kinder über den Unterricht hinaus viel Deutsch sprechen, um es gut zu lernen. Die Basis ist aber, dass sie zuerst einmal einen entsprechenden Deutsch­förderunterricht bekommen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage, Herr Abgeordneter? – Bitte.


Abgeordneter Hermann Brückl, MA (FPÖ): Herr Bundesminister, nicht nur, dass immer mehr Schüler die deutsche Sprache nicht beherrschen, ist es auch so, dass es in vielen Schulen insbesondere in den Städten mittlerweile mehr muslimische als katholische Schüler gibt – Daten der Bildungsdirektion Oberösterreich dazu wurden erst kürzlich öffentlich gemacht –, und das führt unweigerlich zu Problemen. So wurde, Herr Bundesminister, beispielsweise einer AHS-Lehrerin in Oberösterreich nach einer Beschwerde eines muslimischen Vaters durch ihren Direktor mitgeteilt, sie verhalte sich unsensibel, und es wurde ihr christlicher Fundamentalismus unterstellt, weil sie vor Ostern das Klassenzimmer mit Palmzweigen geschmückt hatte und weil sie mit ihren Kindern einen Ostermarkt besuchen wollte. Auf Anordnung der Direktion musste sie diese Palmzweige unverzüglich entfernen.

Herr Bundesminister, was werden Sie tun, damit künftig solche Konflikte nicht mehr zutage treten?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Martin Polaschek: Ich denke, dass es an den jeweiligen Schulen liegt, auch darüber zu entscheiden, inwieweit man zum einen religiöse Einstellungen mit den Kindern im Unterricht thematisiert, aber auch, inwieweit regionale Bräuche im Unterricht gelebt werden. Da gibt es verschiedene Zugänge. Es liegt nicht zuletzt in der Verant­wortung der Schulen, zu entscheiden, inwieweit sie für eine weltoffene und tolerante Umgebung sorgen.



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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Frau Abgeordnete Blimlinger. – Bitte. 10.05.02


Abgeordnete Mag. Eva Blimlinger (Grüne): Guten Morgen, Herr Bundesminister! Guten Morgen, Herr Präsident! Es geht um das Institute of Digital Sciences Austria. Es gab vor einigen Wochen die erste Ausschreibung für eine Kooperation mit der Ars Electronica, in der quasi ein erster Schritt in Richtung Studierende gemacht wurde. Das war auch international ausgeschrieben.

Meine Frage geht aber in die Richtung, wann man eigentlich mit der Aufnahme eines regulären Studienbetriebs – nämlich eines, der sich am Bolognaschema orientiert, oder vielleicht auch nicht; dazu gibt es ja noch keine gesetzliche Grundlage, das könnte auch etwas ganz anderes sein – rechnen kann?

*****

Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 293/M, hat folgenden Wortlaut:

„Wie weit sind die Vorbereitungen zur Aufnahme des Studienbetriebs am Institute of Digital Sciences Austria gediehen?“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Martin Polaschek: Sehr geehrte Frau Abgeordnete, dieses Institute of Digital Sciences ist eine Universität völlig neuen Typs, und es wird auch darum gehen, dort neue Studien anzubieten, diese auch auf Englisch anzubieten und dadurch Studieninteressierte von überall herzuholen.

Es ist völlig klar, dass auch das Studienangebot natürlich der entsprechenden Bolognastudienarchitektur folgen wird, weil wir sonst ja als Standort für studieninteressierte Personen nicht interessant sind und auch sonst die Mobilität zwischen Standorten insbesondere auch in Österreich und im näheren Raum


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schwer möglich ist, wenn die Studiendauern sich etwa im Bachelorbereich deutlich unterscheiden.

Die ersten Studienangebote werden bereits heuer im Spätsommer und im Herbst starten, und zwar wird es erste Angebote der neuen Universität mit der Ars Electronica geben, etwa mit sogenannten Founding Labs, und da können sich Master- und PhD-Studierende jeder Disziplin genauso wie Fellows aus Kunst und den Wissenschaften bewerben.

Der nächste Schritt wird sein, dass wir entsprechende PhD-Programme entwerfen. Das wird jetzt die Aufgabe der Gründungspräsidentin, die in diesen Wochen ihr Amt antritt, gemeinsam mit dem Gründungskonvent sein. Darauf folgend werden die nächsten Schritte sein: Einrichtung eines regulären PhD-Studiums, Einrichtung eines regulären Masterstudiums, Einrichtung eines Bachelorstudiums. Es macht, denke ich, sehr viel Sinn, mit PhD und Master zu beginnen, weil wir dort ja gerade im interdisziplinären Bereich Angebote liefern wollen und auch Personen aus dem internationalen Bereich holen wollen, und gerade der interdisziplinäre Bereich kann natürlich vor allem im Master- und im Doktoratsbereich entsprechende Angebote zur Verfügung stellen.

Wann genau die Curricula starten können, wird davon abhängen, wie rasch es nun gelingt, auch entsprechend Professorinnen und Professoren beziehungs­weise zusätzliches wissenschaftliches Personal an die neue Universität zu holen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage, Frau Abgeordnete? – Bitte.


Abgeordnete Mag. Eva Blimlinger (Grüne): Das wäre meine Zusatzfrage gewesen. Wir beide wissen, dass es lange braucht, um akademisches Personal auszusuchen, insbesondere auf Professoren- beziehungsweise Professo­rinnenebene, noch dazu, wenn es um so eine Spezialinterdisziplinarität geht.


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Wann kann man damit rechnen, oder wie soll der Ablauf sein? Wann wird es die ersten Ausschreibungen dafür geben, Personal fix an das Institute of Digital Sciences zu holen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Martin Polaschek: Ich möchte hier der jetzt gerade frisch gebackenen Gründungspräsidentin nicht zu sehr vorgreifen, was konkrete Fristen angeht, ich gehe allerdings davon aus – da die Gründungspräsidentin in den nächsten Tagen ihr Amt antritt –, dass sie auch sehr, sehr rasch gerade damit beginnt, denn das Wichtige muss natürlich sein, eine entsprechende Faculty zu formen, entsprechend wissenschaftliches Personal ans Idsa zu holen. Ich gehe deshalb davon aus, dass die entsprechenden Recruitingschritte in den nächsten Wochen, also sehr, sehr rasch beginnen werden.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Eine Zusatzfrage stellt Frau Abgeordnete Holzleitner. – Bitte sehr.


Abgeordnete Eva Maria Holzleitner, BSc (SPÖ): Herr Präsident! Guten Morgen, Herr Minister! Meine Nachfrage geht natürlich auch in Richtung des Idsa. Sie haben von einem englischsprachigen Studienangebot gesprochen. Ein englisch­sprachiges Studienangebot gibt es zum Glück schon an vielen Hochschulen in Österreich, und ohne jetzt die Intention hinter dem Idsa infrage zu stellen, ist es doch ein Projekt, das bisher leider von Pleiten, Pech und Pannen verfolgt ist, von der Zusammensetzung des Gründungskonvents über den Namen – beispiels­weise wünscht sich Kollege Taschner noch immer eine Universität und kein Institut – bis jetzt hin zur Bestellung der Präsidentin.

Mich würde interessieren, was der Weg des Idsa bisher, bis zum heutigen Tag, gekostet hat. Vielleicht können Sie das genau aufschlüsseln, wie viel Geld bisher dort hineingeflossen ist.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr


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Bundesminister.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Martin Polaschek: Bislang waren die Kosten relativ gering; es gibt eine Aufwandsentschädigung für die Mitglieder des Gründungskonvents und es gab die vorbereitende Exper­tinnen- und Expertengruppe, die ein entsprechendes Konzept erstellt hat. Diese Personen haben sich größtenteils online getroffen. Es wird jetzt darum gehen, erste Anmietungen vorzunehmen.

Wir haben natürlich jetzt auch die entsprechenden Gehälter zu zahlen, etwa für die Gründungspräsidentin. Für das Personal waren im vorigen Jahr etwas mehr als 5 Millionen Euro an Budget eingestellt. Es wurde – soweit ich mich recht erinnere – nur ein Teil dieses Budgets abgerufen. Es sind für heuer, glaube ich, etwas mehr als 7 Millionen Euro im Budget eingestellt. Auch davon wurde nur ein Teil abgerufen. Ich bitte aber um Verständnis, dass ich die genauen Zahlen hiezu nicht im Kopf habe.

Insgesamt stünde für heuer jedenfalls, wenn es zu ersten Anstellungen kommt, ein Gesamtbetrag von bis zu 10 Millionen Euro auf jeden Fall zur Verfügung. Aber insgesamt für die Zeit bis inklusive 2025 stünden 45 Millionen Euro zur Verfügung. Inwieweit diese abgerufen werden, kann ich noch nicht sagen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Zusatzfrage stellt Abgeordnete Niss. – Bitte.


Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Niss, MBA (ÖVP): Herr Präsident! Guten Morgen, Herr Minister! Ja, betreffend das Institute of Digital Sciences Austria glaube ich, dass an und für sich das Konzept, das ja die Expertengruppe vorge­legt hat, ein sehr gutes, ein bisschen ein anderes Konzept ist. Der Aufschrei war groß – haben wir auch gehört –, auch von den anderen Universitäten. Jetzt könnte man sagen, Wettbewerb belebt. Aber wie auch immer: Eine berechtigte Angst ist natürlich, dass sozusagen die Kosten zulasten anderer Universitäten gehen.


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Daher auch meine Frage: Welche Kosten entstehen nach Vollausbau durch das Institute of Digital Sciences Austria? Gehen diese zulasten anderer Univer­sitäten?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Martin Polaschek: Ich darf hier noch einmal ganz klar festhalten: Diese Kosten gehen nicht zulasten anderer Universitäten. Es war von Anfang an ganz klar, dass das so der Fall sein muss. Im Endausbau wären für diese Universität bis zu 150 Millionen Euro im Jahr geplant. Das, was in nächster Zeit anfällt, sind in Ergänzung zu den Personal­kosten und anderen Kosten die Kosten für die Gebäudeinfrastruktur. In Summe beläuft sich der Finanzierungsanteil des Bundes bis zum Jahr 2036 auf ungefähr 136 Millionen Euro, die wir vonseiten des Bundes eben für Bauten zur Ver­fügung stellen werden.

Da gibt es ja ein Übereinkommen mit dem Land Oberösterreich, das jedenfalls für einen entsprechenden Finanzierungsanteil sorgt. Es liegt ein detaillierter Finanzierungs- und Ausbauplan des Bundes vor. Für die nächsten Jahre sind insgesamt 45 Millionen Euro bis 2025 für Personaladministration und sonstige Kosten vorgesehen, die auch Stipendien und so weiter umfassen. Ich gehe davon aus, dass dieses Geld auch ein sehr gut investiertes Geld ist, weil es uns eben ermöglicht, neue Personen an diese Universität zu holen, sowohl im Forschungs­bereich als auch im Studienbereich.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Frau Abgeordnete Fiedler. – Bitte sehr, Frau Abgeordnete. 10.13.48


Abgeordnete Fiona Fiedler, BEd (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Wir alle wissen, dass das österreichische Bildungssystem weder bei der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention noch bei den Nationalen Aktionsplänen groß Bäume ausgerissen hat. Insbesondere beim Recht auf ein


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11. und 12. Schuljahr für Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf herrscht mehr als absoluter Stillstand.

Unsere Anträge wurden 2020 und 2022 vertagt. Auch die Bürgerinitiative wurde vor zwei Wochen wieder vertagt. Jetzt ist der Klagsverband aktiv geworden, und auch ein Gericht hat festgestellt, dass Schüler mit Behinderung in Österreich beim Bildungszugang diskriminiert werden. Sie haben da zugesichert, das Urteil des Gerichts rasch umzusetzen.

Warum sagten Sie im April einerseits, schnell Klarheit beim Recht auf ein 11. und 12. Schuljahr schaffen zu wollen, lassen es aber andererseits zu, dass genau diese Thematik erst vor zwei Wochen im Unterrichtsausschuss vertagt wurde?

*****

Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 283/M, hat folgenden Wortlaut:

„Warum sagten Sie im April einerseits, schnell Klarheit beim Recht auf ein 11. und 12. Schuljahr für Kinder mit SPF schaffen zu wollen, ließen es aber andererseits zu, dass eine entsprechende Forderung einer Bürgerinitiative im Ausschuss vertagt wurde?“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Martin Polaschek: Ich darf daran erinnern, dass im letzten Schuljahr 90 Prozent aller Anträge für ein 11. oder 12. Schuljahr bewilligt worden sind. 10 Prozent der Anträge wurden nicht bewilligt, was in den meisten Fällen auch durchaus für Unmut bei den betrof­fenen Personen geführt hat. Das kann ich gut verstehen.

Wir haben uns deshalb die Sache sehr intensiv angesehen und haben gesehen, dass der allergrößte Teil, nämlich über 90 Prozent dieser Ablehnungen, aus Wien kam. Wien hat die mit Abstand allerhöchste Quote an Ablehnungen aus


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pädagogischen Gründen gehabt. Wir sind da sehr rasch tätig geworden und haben die Bildungsdirektion angewiesen, dass bei drohenden Ablehnungen sogenannte Fallkonferenzen mit meinem Haus durchzuführen sind, sprich: dass jede geplante Ablehnung noch mit dem Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung zu besprechen ist.

Wien war bis zu diesem Zeitpunkt der absolute Spitzenreiter bei den Ableh­nungen. Seit diesem Zeitpunkt ist in Wien kein einziger Antrag abgelehnt worden – kein einziger Antrag mehr! –, und die Zahl der abgelehnten Anträge ist mittlerweile zum Glück nur mehr ein Bruchteil. Also auf inhaltlicher Ebene sollte es kein weiteres Problem sein.

Wir haben außerdem im Bundesministerium eine eigene Arbeitsgruppe gegrün­det, die derzeit aber auch an einer langfristigen Lösung für die betroffenen Familien arbeitet.

Was die von Ihnen angesprochene Vertagung der Forderung der Bürgerinitiative im Ausschuss angeht, darf ich darauf hinweisen, dass ich ein Mitglied der Exekutive bin und die Ehre habe, dem Ausschuss Rede und Antwort zu stehen, aber Beschlüsse des Ausschusses durch den Ausschuss gefasst werden und nicht im Ingerenzbereich der Bundesregierung sind.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete.


Abgeordnete Fiona Fiedler, BEd (NEOS): Österreich hat die UN-Behinderten­rechtskonvention bereits 2008 ratifiziert. Es ist schön, wenn es jetzt in Wien keine Ablehnungen mehr gibt. Aber: Warum ist man nicht wesentlich früher aktiv geworden, was ein inklusives Bildungssystem betrifft?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Martin Polaschek: Es gibt sehr intensive Arbeiten auf allen Ebenen, was eine Verbesserung angeht. Ich darf etwa daran erinnern, dass der Bund jährlich fast eine halbe Milliarde


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Euro für Lehrerinnen und Lehrer im Bereich der Sonderpädagogik investiert. Es gibt ein eigenes Consultingboard im Bundesministerium, mit dem wir uns regelmäßig austauschen und Anregungen machen. Ich sehe da aber durchaus in einigen Bereichen Verbesserungsbedarf, Sie haben recht.

Gerade wenn es aber um das Wohl der Kinder geht, darf man nicht vergessen, dass wir auch die Eltern sehr stark einbinden müssen. Es geht auch um die Wahlfreiheit der Eltern. Wir müssen auch auf das Kindeswohl achten. Und das Kindeswohl bedeutet nicht immer, dass das Kind in eine reguläre Schule geht, sondern wir müssen auch dafür Sorge tragen, dass die Kinder dem jeweiligen Bedürfnis entsprechend ein Angebot bekommen und auch die Interessen der Eltern, die ja für die Kinder die Verantwortung tragen, berücksichtigt werden.

Wir haben uns aber natürlich mit dem Befund, den Sie angesprochen haben, auseinandergesetzt. Wir nehmen den sehr ernst. Und das von Ihnen ange­sprochene Gerichtsurteil wird von uns auch selbstverständlich umgesetzt. Es herrscht hier jetzt Rechtsklarheit, und wir werden entsprechend handeln.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Abgeordneter Marchetti. – Bitte sehr. 10.18.28


Abgeordneter Nico Marchetti (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundes­minister! Wir haben ja in diesem Haus, aber, ich glaube, auch in der Öffentlich­keit genauso intensiv diskutiert, wie Österreich die diversen Klimaziele erreichen kann, die wir uns auch innerhalb der Europäischen Union gesteckt haben. Da wäre meine Frage auch an Sie Ihr Ressort betreffend:

286/M

„Welche Energiesparmaßnahmen haben Sie im laufenden Schuljahr gesetzt?“

Welche Energiesparmaßnahmen haben Sie im laufenden Schuljahr gesetzt, um auch dazu beizutragen, diese Ziele zu erfüllen?



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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Martin Polaschek: Ja, das ist ein sehr, sehr wichtiger Bereich, wenn man bedenkt, dass von solchen Maßnahmen fast 1,2 Millionen Kinder und Jugendliche und ungefähr 120 000 Leh­rerinnen und Lehrer und das ganze administrative Personal betrof­fen sind. Wir haben deshalb schon im Herbst aktiv begonnen, indem wir im Monat Oktober zu einem Energiebewusst-Monat aufgerufen haben, um das Thema Energiesparen und bewusster Einsatz von Ressourcen auch in den Schu­len gleich von Anfang an entsprechend präsent zu machen.

Wir haben ergänzend in der Eduthek des Bundes einen eigenen Bereich mit Unterrichtsmaterialien eingerichtet, der ständig erweitert wird. Wir haben allen Schulen eine Checkliste mit verschiedensten Energiespartipps geschickt, damit sie jeweils mit konkreten Maßnahmen vor Ort Energie sparen.

Wir haben das in den Dienstbesprechungen mit den Bildungsdirektionen thematisiert, damit auch auf Ebene der Bildungsdirektionen solche Maßnahmen umgesetzt werden. Wir haben auch, um das auf eine breite Basis zu stellen, mit Vertreterinnen und Vertretern der Schüler-, der Eltern- und der Lehrerschaft einen sogenannten Schulpartnergipfel einberufen.

Wir haben außerdem bei uns im Bildungsministerium entsprechende Ener­giesparmaßnahmen umgesetzt. Wir haben uns dazu auch Expertise geholt: Wir haben HTLs, an denen diese Themen intensiv unterrichtet werden, einge­laden, zu uns ins Ministerium zu kommen und Vorschläge für Energiespar­maß­nahmen zu machen. Wir haben diese Vorschläge gerne aufgenommen und zum größten Teil bereits mit der Umsetzung begonnen.

Es war uns aber auch wichtig, da auch die Gemeinden – die ja sehr oft Schul­erhalter sind – entsprechend miteinzubeziehen. Wir haben über Organisation des Gemeindebundes eine Videokonferenz mit zahlreichen Bürgermeis­terinnen und Bürgermeistern gemacht.


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Ich glaube auch, dass es ganz wichtig ist, dass Kinder als Energiebotschafte­rinnen und Energiebotschafter lernen, Energie bewusst einzusetzen, mit Ressourcen schonend umzugehen, und dass sie das nicht nur in der Schule machen, sondern das auch nach Hause tragen und damit wirklich langfristig etwas dazu beitragen, dass wir mehr Energie sparen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage, Herr Abgeordneter? – Bitte.


Abgeordneter Nico Marchetti (ÖVP): Sie haben jetzt sehr genau beschrieben, wie an den Schulen bezüglich Energiesparmaßnahmen inhaltlich gearbeitet wird. Meine Zusatzfrage betrifft – Sie haben es angesprochen – die Schulerhalter: Was passiert im Schulbau, also wirklich bei den Gebäuden – die Ihr Ressort verantwortet –, um auch da Nachhaltigkeit großzuschreiben und in diesem Sinne etwas beizutragen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Martin Polaschek: Wir haben dafür eine eigene Initiative mit dem Namen Green-Schep entwickelt. Im Green-Schep, in diesem Schulentwicklungsprogramm, sind fünf Bereiche definiert. Dazu gehört etwa der Ausbau der Fotovoltaik. Wir haben bereits sehr viele Fotovoltaikanlagen errichtet. Unser Ziel ist es, die Fotovoltaikleistung innerhalb der nächsten zwei Jahre noch einmal fast zu verdoppeln, auf rund 5 000 Kilowatt Peak.

Wir setzen vermehrt auf den Einsatz nachhaltiger Energiesysteme: Von jetzt 80 Prozent Bundesschulen, die mit Fernwärme und alternativen Heiz­syste­men ausgestattet sind, wollen wir in den nächsten Jahren auf 100 Prozent kommen. Wir haben die Gebäudestandards bei Schulneubauten verbessert. Alle Schulneubauten werden den Klimaaktiv-Goldstandard erreichen, und bei allen Renovierungen ist unser Ziel, den Klimaaktiv-Silberstandard zu erreichen. Wir haben außerdem neue Gebäuderichtlinien erlassen, um noch mehr darauf zu


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achten, dass etwa im Bereich der mechanischen Belüftungen und so weiter noch mehr Ressourcen gespart werden können.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage: Frau Abgeordnete Werner. – Bitte.


Abgeordnete MMag. Katharina Werner, Bakk. (NEOS): Herr Präsident! Herr Minister! Investitionen in die Gebäudesubstanz sind durchaus wichtig, man weiß aber, dass die Effizienz eines Bildungssystems primär von der Qualität des Unterrichts abhängt. In diesem Zusammenhang hat man in Öster­reich – in Anlehnung an die London School Challenge – das Projekt 100 Schu­len – 1 000 Chan­cen ins Leben gerufen.

Bei der London School Challenge konnten die Schulen in Zusammenarbeit mit einem Advisoryboard Investitionen in die Schulentwicklung tätigen. Das Projekt in Österreich wird ständig evaluiert, in London hat man primär in die Perso­nal­entwicklung investiert, daher nun meine Frage: Wie viel aus diesem 15-Millionen-Euro-Topf wurden denn bislang in Österreich ausbezahlt? Wie viel davon wurde in Anlagevermögen oder in Arbeitsmittel investiert und wie viel in Personalent­wicklung der Lehrkräfte beziehungsweise in zusätzliches Lehrpersonal, in Sozialarbeiter und in Schulpsychologen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Abgeordnete, ich muss Sie bitten: Die Frage muss im Zusammenhang der Hauptfrage stehen. Ich kann den Herrn Minister jetzt bitten, Ihre Frage zu beantworten, aber sie ist schon sehr weit entfernt von der Hauptfrage. – Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Martin Polaschek: Ich werde die Frage gerne beantworten, einen Themenwechsel halte ich intellektuell noch aus. (Heiterkeit bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir haben dieses Projekt deshalb initiiert, um den Schulen die Möglichkeit zu geben, verschiedene Varianten zu erproben. Das wird jeweils in den einzelnen Schulen parallel evaluiert. Wir haben aber ganz bewusst gesagt, dass wir uns in


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diesem Bereich nicht einbringen, dass wir den Schulen die absolute Freiheit überlassen, zu entscheiden, wie sie investieren, welche Maßnahmen sie setzen.

Wir haben, um die Schulen nicht mit zusätzlichen Verwaltungsmaßnahmen zu belasten, deshalb auch kein begleitendes Monitoring vonseiten des Ministeriums eingeführt, deshalb habe ich zu diesem Zeitpunkt ganz bewusst auch keine Informationen darüber. Ich denke, wir sollten die Schulen in Ruhe arbeiten lassen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Abgeordnete Oberrauner. – Bitte sehr. 10.25.02


Abgeordnete Mag. Dr. Petra Oberrauner (SPÖ): Sehr geehrter Herr Minister! In einem von allen Parteien unterstützten Antrag wird die Regierung aufgefordert, die digitale Souveränität der öffentlichen Verwaltung, unter anderem durch flexibleren und vermehrten Einsatz von Open Source, zu stärken. Dafür braucht es die notwendigen Expert:innen und Fachkräfte, die frühzeitig gelernt haben, mit Open-Source-Produkten zu arbeiten. Bislang dominieren im Unterricht an Österreichs Schulen vor allem IT-Produkte, die von einigen wenigen großen US-Firmen entwickelt werden.

281/M

„Welche Maßnahmen werden Sie treffen, um Open Source Software im Bereich Bildung und Lehre verstärkt einzusetzen?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Martin Polaschek: Frau Abgeordnete, ich darf vorweg festhalten, dass die Entscheidung, welche Software im Unterricht zum Einsatz kommt, in der Schulautonomie liegt. Welche Software eine Schule verwenden will, ist eine pädagogische Entscheidung, die durch die Lehrenden getroffen wird. Vonseiten des Ministeriums wird mit


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Moodle eine eigene Open-Source-Plattform betrieben. Sie ist auch Teil der Pods-Anwendungsumgebung.

Soweit ich weiß, verwenden ungefähr zwei Drittel der Schulen Moodle, darüber hinaus wird Moodle auch im Hochschulbereich sehr intensiv verwendet. Es haben durchaus auch Open-Source-Anwendungen wie etwa Audacity, Prezi oder Scratch eine starke Verbreitung auf Endgeräten. Open Source ist natürlich auch im Lehrplan des Pflichtgegenstandes digitale Grundbildung enthalten. Das heißt, es werden die Kinder und Jugendlichen natürlich im Unterricht darüber aufgeklärt, welche Arten von Software es gibt und was Open-Source-Software von anderer Software unterscheidet. Es wird natürlich nicht nur aufgeklärt, sondern es wird auch erklärt und entsprechend angewendet.

Vonseiten meines Hauses wird verstärkt auf Open-Educational-Resources wie etwa das Schulbuch Microbit für die digitale Grundbildung gesetzt. All diese Dinge werden auch in der Eduthek orchestriert. Ich weiß, dass es einige Schulen gibt, die eigene Open-Source-Schwerpunkte haben, es gibt etwa Schulen, die reine Open-Source-Schulen sind, die dann nur mit Linux und Libre-Office arbeiten.

Es werden aber auch häufig Closed-Source-Produkte eingesetzt. Da trachten wir natürlich danach, eine möglichst kostengünstige Beschaffung durch Rahmen­vereinbarungen über die BBG zu gewährleisten, damit die Kosten niedrig gehal­ten werden.

Es ist aber klar, dass auch die Kinder und Jugendlichen lernen sollten, in bestimmten Bereichen mit diesen Anwendungen zu arbeiten, weil es schluss­endlich ja auch die Anwendungen sind, die ihnen dann sehr oft im Berufsleben begegnen. Es gibt im allgemeinen Wirtschaftsbereich sehr viele Firmen und sehr viele Bereiche, in denen gerade diese Software eingesetzt wird. Es wäre für die Kinder von Nachteil, wenn sie zwar gelernt haben, mit Open-Source-Software zu arbeiten, aber nicht wissen, wie man mit anderer


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Software umgeht. Das wäre für die Kinder und Jugendlichen ein Wettbewerbsnachteil.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage, Frau Abgeordnete? – Bitte.


Abgeordnete Mag. Dr. Petra Oberrauner (SPÖ): Ich würde den Herrn Minister noch gerne fragen, welche Mittel vorgesehen sind, um die Implementierung von Open Source voranzutreiben.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Martin Polaschek: Den Schulen stehen entsprechende generelle Budgets zur Verfü­gung, und es liegt an den Schulen, darüber zu entscheiden, für welche Software sie diese einsetzen. Es ist ja nicht so, dass Open-Source-Software gratis ist. Man hat da einen deutlich höheren Wartungsaufwand und so weiter. Das liegt wie gesagt in der Schulautonomie. Die entsprechenden Budgets stehen den Schulen auf jeden Fall zur Verfügung. (Abg. Oberrauner: Vielen Dank!)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage: Abgeordneter Weidinger. – Bitte sehr.


Abgeordneter Mag. Peter Weidinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sie haben ja soeben die Bedeutung von Open Source angesprochen. Meine Zusatzfrage wäre: Wie sehen Sie das? Soll im Unterricht mit den Schülerinnen und Schülern auch die Anwendung von Open-Source-Software besprochen werden, vor allem wenn man die Jobchancen, die sich dadurch ergeben – durch die Fähigkeit, die unterschiedlichen Programme anwenden zu können –, bedenkt?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Martin Polaschek: Die Jobchancen sind ein sehr wichtiges Thema. Was in den Unterricht einfließt, wird natürlich vor allem von den zugrundeliegenden Lehrplänen geregelt, und


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das hat entsprechende Auswirkungen auf die Aus-, Fort- und Weiterbildung sowie auch auf die Gestaltung der Bildungsmedien und der Schulbücher.

Open Source ist ja bereits durch die Einführung des Pflichtfachs digitale Grundbildung integrativer Bestandteil der Bildungsinhalte für die Schülerinnen und Schüler.

Wie gesagt die Schülerinnen und Schüler lernen selbstverständlich Open Source anzuwenden, Open Source entsprechend zu verwenden. Sie lernen die Unterschiede zwischen den verschiedenen Softwareprodukten. Es ist gerade in der 6. Schulstufe ein besonders wichtiges Thema, aber nicht nur in der digitalen Grundbildung, denn ich darf daran erinnern, dass wir als übergreifendes Thema auch die informatische Bildung haben, und diese bietet noch mehr die Möglichkeit, auch wenn es ganz konkret um bestimmte Unterrichtsfächer geht, dort mit Software, Open-Source-Software, bezahlter Software, umzugehen, vielleicht auch die Unterschiede in der Anwendung, in der Benützerfreund­lich­keit zu erkennen, damit die Kinder und Jugendlichen dann, wenn sie in das Berufsleben einsteigen, auch über entsprechendes Know-how verfügen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Abgeordneter Schnabel. – Bitte sehr. 10.30.53


Abgeordneter Joachim Schnabel (ÖVP): Sehr geehrter Herr Minister! Österreich zählt ja bei den Ausgaben für Forschung und Entwicklung mittlerweile zu den top drei Ländern in der EU. Unser Land erzielt viele wissenschaftliche und in der Folge wirtschaftliche Erfolge, aber paradoxerweise sind wir auch bei der öffentlichen Geringschätzung von Wissenschaft im europäischen Spitzenfeld zu finden. Bestätigt wird das durch die Barometerumfrage oder die Wissenschafts­barometer der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Man muss auch sagen, dass vor allem die Freiheitliche Partei mit alternativen Fakten, der Glorifizierung des Hausverstandes, einem Verschwörungsglauben und digitalen Q-Anon-Publikationen diese Wissenschaftsskepsis wirklich schürt.


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Sehr geehrter Herr Minister! Meine Frage:

287/M

„Welche Maßnahmen setzen Sie, um die Begeisterung für Wissenschaft und Forschung trotz anhaltender Wissenschaftsskepsis zu fördern?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Martin Polaschek: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Nachdem ich ja selber aus der Wissenschaft komme, ist mir gerade das ein sehr, sehr wichtiges Thema. Wir haben im Ministerium ein Zehn-Punkte-Programm initiiert, unter dem Titel „Trust in Science and Democracy“, kurz Trusd, um für Vertrauen in Wissenschaft und Demokratie zu werben. Wir müssen das wieder stärken.

Wir haben zahlreiche Maßnahmen bereits in die Wege geleitet. Wir schicken etwa Wissenschaftsbotschafterinnen und -botschafter in die Schulen. Das sind Personen, die selber aus der Wissenschaft kommen und den Kindern und Jugendlichen nicht nur ihre eigene Wissenschaft erklären, sondern generell auch nahebringen, was es bedeutet, in der Wissenschaft zu arbeiten, was überhaupt Wissenschaft bedeutet und welch großen Wert Wissenschaft für uns hat.

Wir gehen aber natürlich nicht nur auf diesem Wege in die Schulen, sondern durch Sparkling Science 2.0 haben wir ein eigenes Programm, durch das Wissenschaft und Gesellschaft aktiv zusammengebracht werden, ein sogenann­tes Citizen-Science-Programm. Wir haben im letzten Jahr mit einem Fördervolumen von 11,5 Millionen Euro 45 Projekte gefördert. Die Ausschrei­bung für das nächste Jahr hat begonnen.

Wir bieten im Sommer Kinder- und Jugendunis an, damit die Kinder und Jugendlichen auch auf diesem Wege noch mehr mit wissenschaftlichen Themen in Berührung kommen.


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Und um vermehrt noch auf weitere Zielgruppen eingehen zu können, habe ich eine eigene Ursachenstudie in Auftrag gegeben, die heuer im Sommer fertiggestellt wird, damit wir noch besser wissen, wie es um die Wissenschafts­skepsis in Österreich steht, ob es regionale Unterschiede, Unterschiede nach Altersgruppen und so weiter gibt, damit wir dann zielgerichtet noch mehr tun können, um wieder dafür zu sorgen, dass der Wissenschaft entsprechendes Verständnis entgegengebracht wird und sie eine entsprechende Anerkennung bekommt, jene Anerkennung, die sie verdient und die sie braucht.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordneter Joachim Schnabel (ÖVP): In aller Kürze: Mit Anton Zeilinger hat ein österreichischer Quantenphysiker den Nobelpreis für Physik gewonnen. Basis dieser außerordentlichen Leistung ist die Grundlagenforschung.

Herr Minister, welches Resümee ziehen Sie aus diesem Erfolg?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Martin Polaschek: Wenn man mit Anton Zeilinger spricht und er erzählt, dass er eigentlich zu diesem Zeitpunkt über etwas geforscht hat, wo außer ihm niemand wirklich ein Gefühl dafür hatte, worum es geht, und er selber auch nicht richtig wusste, wohin es ihn in seiner Forschung schlägt, dann sieht man, dass eine ergebnis­offene Grundlagenforschung extrem wichtig ist.

Das bedeutet, dass die Grundlagenforschung exzellent sein muss, und wir investieren sehr viel in diese exzellente Grundlagenforschung. Das ist aber eine Pionierarbeit. Wir müssen einfach den Forscherinnen und Forschern in diesem Bereich die Möglichkeit geben, themenoffen zu arbeiten, Risikoforschung zu betreiben, wo wir nicht erwarten, dass es einen bestimmten Output gibt, denn wir wissen ja heute nicht, was morgen relevant ist. Deshalb ist es aber umso wichtiger, dass wir hier in diese Bereiche aktiv investieren, und gerade mit der Exzellenzinitiative haben wir hier die richtigen Maßnahmen gesetzt.


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Über den FWF werden ja jetzt fünf Clusters of Excellence gefördert. Das sind Bereiche, wo verschiedenste Universitäten und Forschungsinstitutionen gemeinsam arbeiten. Ich erwarte mir hier sehr wichtige, wertvolle Impulse für die Forschung in Österreich.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste und letzte Zusatzfrage stellt Frau Abgeordnete Götze. – Bitte.


Abgeordnete Dr. Elisabeth Götze (Grüne): Last, but not least, ich bleibe beim Thema Fakenews beziehungsweise der Frage, welche Möglichkeiten Sie sehen, die Medienforschungsförderung in diese Richtung verstärkt zu unterstützen, dass wir herausfinden, wie diese Phänomene funktionieren und wie wir denen entgegenwirken können, und insbesondere, welche Förderungen der Wissenschaftskommunikation angedacht sind. Ich denke auch an finanzielle Anreize aus Ihrem Ministerium.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Martin Polaschek: Was die Medienforschung konkret angeht, fördert der FWF derzeit über 60 Projekte.

Ich darf darauf hinweisen, dass die Österreichische Akademie der Wissen­schaften mit dem Institut für vergleichende Medien- und Kommunika­tionswissenschaften über ein eigenes Medienforschungsinstitut verfügt, das einen ausgezeichneten Ruf hat.

Im bereits angesprochenen Zehn-Punkte-Programm zur Stärkung des Vertrauens in Wissenschaft und Demokratie wurden zahlreiche Initiativen eben zur Wissenschaftskommunikation verankert, wie eben etwa die Wissenschafts­botschafterinnen und -botschafter, aber auch Wissenschaftswochen etwa an den polytechnischen Schulen, um in allen Bereichen für mehr Verständnis für Wissenschaft zu sorgen. Die Wissenschaftsvermittlung wird vermehrt Bestand­teil in den Curricula an den Universitäten. Das Thema


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Wissenschaftskommunikation wird auch dort immer mehr ein wichtiges Thema. Wir haben mittlerweile auch schon einzelne Professuren für Wissenschafts­kommunikation. Und was gerade intensiv diskutiert wird, ist: Wie kann es auch gelingen, das, was über Wissenschaftskommunikation durch die Forscherinnen und Forscher geleistet wird, in entsprechende Abgeltungsmodelle zu gießen. Da liegt der Ball derzeit bei den Universitäten.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich danke recht herzlich und darf, da alle Anfragen zum Aufruf gelangt sind, die Fragestunde für beendet erklären. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ich danke Herrn Bundesminister Polaschek recht herzlich für die umfassende, ausführliche und zeitintensive Beantwortung.

10.37.28Einlauf


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Hinsichtlich der eingelangten Verhand­lungsgegenstände verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

Schriftliche Anfragen: 15456/J bis 15670/J

Schriftliche Anfrage an den Präsidenten des Nationalrates: 78/JPR

*****

Ankündigung eines Dringlichen Antrages


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Klub der NEOS hat gemäß § 74a Abs. 2 der Geschäftsordnung vor Eingang in die Tagesordnung das Verlangen gestellt, den zum gleichen Zeitpunkt eingebrachten Selbständigen Antrag 3509/A(E) der Abgeordneten Mag. Meinl-Reisinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend


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„Schulen von Bürokratie befreien, Lehrkräfte für die Arbeit mit den Kindern freispielen!“ dringlich zu behandeln.

Gemäß der Geschäftsordnung erfolgt der Aufruf des Dringlichen Antrages um 15 Uhr.

Behandlung der Tagesordnung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Es ist vorgeschlagen, die Debatten über die Punkte 1 und 2, 4 bis 7, 14 und 15, 18 und 19, 20 und 21 sowie 24 und 25 jeweils zusammenzufassen.

Gibt es dagegen einen Einwand? – Das ist nicht der Fall.

Redezeitbeschränkung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir haben in der Präsidiale Konsens betreffend eine Tagesblockzeit von 9,5 „Wiener Stunden“ erreicht. Es ergeben sich die Redezeiten wie folgt: ÖVP 185, SPÖ 128, FPÖ 105, Grüne 95, NEOS 76 Minuten.

Gemäß § 57 Abs. 7 der Geschäftsordnung beträgt die Redezeit für jene Mitglieder, die keinem Klub angehören, insgesamt 38 Minuten, die Debatten­redezeit beschränkt sich auf 5 Minuten.

Wir kommen gleich zur Abstimmung.

Wer für die dargestellten Redezeiten ist, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig. Herzlichen Dank.

Wir gehen in die Tagesordnung ein.

Ich darf Bundesminister Rauch herzlich bei uns begrüßen.


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10.39.041. Punkt

Bundesgesetz, mit dem das Primärversorgungsgesetz und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert werden (2087 d.B.)

2. Punkt

Antrag der Abgeordneten Dr. Josef Smolle, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz, mit dem nähere Regelungen zu einem Elektronischen Eltern-Kind-Pass getroffen wer­den (eEltern-Kind-Pass-Gesetz – EKPG), erlassen wird sowie das Gesundheits­telematikgesetz 2012, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Kinderbetreuungsgeldgesetz und das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 geändert werden (Eltern-Kind-Pass-Gesetz) (3463/A)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zu den Tagesordnungs­punkten 1 und 2, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Hinsichtlich dieser Regierungsvorlage und dieses Antrages wurde dem Gesundheitsausschuss jeweils eine Frist zur Berichterstattung bis zum 5. Juli gesetzt.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Silvan. Ich darf ihm das Wort erteilen. – Bitte, Herr Abgeordneter.


10.39.45

Abgeordneter Rudolf Silvan (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren hier auf der Galerie und zu Hause! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Eingangs möchte ich sagen, wir stimmen natürlich der Änderung des Primärversorgungsgesetzes zu.

Das Gesetz stammt ja aus der Zeit von Christian Kern und Gesundheitsministerin Pamela Rendi-Wagner. Ich sage das deshalb, weil von den Grünen immer ein


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bisschen die Kritik kommt, was die SPÖ alles nicht gemacht hat und dass die Grünen jetzt so viel durchbringen. Wir hatten immer sehr gute Gesund­heitsministerinnen und Gesundheitsminister, ob das Sabine Oberhauser, Alois Stöger oder auch Pamela Rendi-Wagner war.  Aus diesem Grund auch herzlichen Dank für diese Leistungen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Zarits: Was war die Leistung? „Wo woa mei Leistung?“)

Wir brauchen aber auch für das Primärversorgungsgesetz das entsprechende Personal beziehungsweise die dafür notwendigen Ärztinnen und Ärzte. Obwohl die Bevölkerung wächst, ist die Zahl der Kassenpraxen in Österreich seit 2010 um fast 400 Praxen geschrumpft, während die Zahl der Wahlärzte im selben Zeitraum um über 40 Prozent gestiegen ist. Wir brauchen pro Jahr 1 450 neue Ärzte, um das System zu erhalten, wir bekommen aber zurzeit nur 840 Ärztinnen und Ärzte ins Gesundheitssystem.

Weil es gerade dazupasst, Herr Bundesminister, möchte ich ein persönliches Erlebnis schildern: Vorige Woche hat mich ein Betriebsrat eines großen Sägewerkes angerufen und gefragt, ob er eine Wahlarztrechnung über den Betriebsratsfonds bezahlen kann. Ich habe natürlich verneint und gesagt, dass das nicht geht. Was war passiert? – Ein Arbeiter dieses Sägewerkes war bei einer Vorsorgeuntersuchung und die niedergelassene Ärztin hat ein verdächtiges Muttermal auf seinem Rücken entdeckt und ihm geraten, dieses Muttermal bei einer Fachärztin, einer Dermatologin ansehen zu lassen.

Er hat daraufhin versucht, einen Termin zu bekommen – frühestens in neun Monaten. Daraufhin hat er gesagt, es besteht der Verdacht, dass er ein bösartiges Muttermal auf seinem Rücken hat. Dann hat es geheißen: frühestens in sechs Monaten. Das hat ihm natürlich keine Ruhe gelassen und er hat sich an einen Wahlarzt gewandt, dort ist er in 14 Tagen drangekommen. Ergebnis: Es war ein bösartiges Muttermal. Ergebnis auch: 480 Euro für den betroffenen Arbeitnehmer.


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Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bezahlen monatlich Krankenver­siche­rungs­beiträge, bezahlen jeden Monat Lohnsteuer, sie sind im Gesundheitssystem keine Bittsteller, sie haben ein Recht auf eine ordentliche Gesundheits­versor­gung, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei der SPÖ.)

Deshalb bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Maßnahmen gegen den Ärzt:innenmangel“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, endlich Maßnahmen gegen den Ärzt:innenmangel umzusetzen. Insbesondere sollen

- die Aufnahmekriterien zum Medizinstudium verändert werden,

- eine Verpflichtung, nach der Ausbildung im öffentlichen Gesundheitswesen für einige Jahre tätig zu sein, muss zu einer Bevorzugung für die Erlangung eines Studienplatzes führen,

- das ‚Modell Landarztquote‘ aus Deutschland soll für Österreich adaptiert und eingeführt werden

und zusätzlich sollen die Medizinstudienplätze verdoppelt und den Universitäten das entsprechende Budget zur Verfügung gestellt werden.“

*****

Da ich noch ein paar Sekunden Zeit habe, möchte ich noch eines erwähnen, weil Kollege Kickl – er ist heute nicht da – gestern gesagt hat, wenn er Kanzler wird, wird alles besser: Ich möchte nur darauf hinweisen, dass die FPÖ wesentlich dazu beigetragen hat, dass das Gesundheitssystem heute so schlecht dasteht – ich erinnere nur an Ministerin Hartinger-Klein, die die Dienstgeberbeiträge zur


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Unfallversicherung gesenkt hat und so dem Gesundheitssystem insgesamt mittlerweile schon über 500 Millionen Euro entzogen hat. (Abg. Wurm: Geh, geh!) – Das ist eure Leistung zum Gesundheitssystem, liebe Kollegen von der FPÖ. Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen. – Abg. Wurm: Ja, ja, ja!)

10.43

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Philip Kucher, Rudolf Silvan,

Genossinnen und Genossen

betreffend Maßnahmen gegen den Ärzt:innenmangel

eingebracht im Zuge der Debatte über ein Bundesgesetz, mit dem das Primär­versorgungsgesetz und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert werden (2087 d.B.) TOP 1

Obwohl die Bevölkerung wächst, ist die Zahl der Kassenpraxen in Österreich seit 2010 um fast 400 Praxen, von 8.501 auf 8.132 (Quelle ÖÄK), zurückgegangen. Die Zahl der Wahlärzt:innen ist im selben Zeitraum um über 40 Prozent, von 7.403 auf 10.578 gestiegen.

Laut „Gesundheit Österreich“ fehlen bis 2030 alleine in den Krankenhäusern 6.000 Ärzt:innen um Pensionierungen und den steigenden Bedarf in der Gesundheits­versorgung decken zu können. Eine Umfrage der Wiener Ärztekammer unter Spitals­ärzt:innen zeigt dramatische Ergebnisse. 52 Prozent der Spitalsärzt:innen haben demnach bereits überlegt, den Job zu wechseln bzw. zu kündigen, knapp ein Fünftel denkt darüber sogar oft oder sehr oft nach.

Pro Jahr brauchen wir mindestens 1.450 zusätzliche Ärzt:innen um den Status quo zu erhalten, es kommen aber jährlich nur 840 hinzu.


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Wer die ärztliche Versorgung der Bevölkerung in Österreich daher sichern will, muss dies an der Wurzel tun. Es gibt genug junge Menschen, die Ärzt:innen werden würden, wenn man sie bloß ließe. Zehntausende junge Menschen bewerben sich Jahr für Jahr für ein Medizinstudium. Darauf bereiten sie sich oftmals über Wochen und Monate vor. Das alles, um am Ende eine Chance von rund 1:10 zu haben, dass sie ihrer Berufung tatsächlich auch nachgehen können. Wir brauchen daher eine deutliche Erhöhung der Studienplätze und eine Bevorzugung jener, die sich bereit erklären, dem öffentlichen österreichischen Gesundheitssystem für eine gewisse Dauer, etwa als Kassenärzt:innen am Land, zur Verfügung zu stehen.

Vor allem im Bereich der Allgemeinmedizin öffnet sich eine extreme Lücke. Die hausärztliche Versorgung steht vor großen Herausforderungen:

•          Arztlastigkeit des Systems,

•          Nachwuchsmangel bzw. schwindende Menge an Bewerber*innen für Kassenstellen,

•          hohe Anzahl an Pensionierungen, damit verbunden unbesetzte Stellen,

•          teilweise überlastete Ärzt:innen,

•          ungenügende Versorgung für Patient:innen,

•          Abwanderung von Ärzt:innen in den Wahlarztbereich.

Die Gründe dafür sind vielfältig und brauchen ein Maßnahmenbündel, um den Herausforderungen gerecht zu werden. Im niedergelassenen Bereich wurde in den letzten Jahrzehnten ein Fokus auf den Ausbau der fachärztlichen Versorgung gelegt,

jetzt ist es wieder an der Zeit, den Fokus auf die Weiterentwicklung der Allgemein­medizin zu lenken. Davon profitieren alle Versicherten, besonders jene in den ländlichen Regionen.

Die Primärversorgung umfasst die Allgemeinmedizin gemeinsam mit den therapeutischen Gesundheitsberufen, der Pflege, der Sozialarbeit und sorgt dafür,


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dass zwischen Gesundheits- und Sozialbereich keine Lücken entstehen. Der Fortschritt in der hausärztlichen Versorgung für die Versicherten wird durch verschiedene Zusammenarbeitsformen getragen, weil sie eine Rundum-Versorgung verbunden mit langen Öffnungszeiten auch an den Tagesrandzeiten gewährleisten. In diesem Bereich können 70 Prozent der Patient*innen abschließend behandelt werden.

Eine gute regionale hausärztliche Versorgung ist das Rückgrat unserer Gesund­heitslandschaft. In den letzten Jahren gab es für freie Hausarztstellen immer weniger Bewerber*innen, für manche Stellen, besonders in ländlichen Gegenden, ist es besonders schwer, geeignete Kandidat*innen zu finden.

Auch hier sind die Gründe dafür vielfältig. Der Nachwuchsmangel bei den Haus­ärzt:innen fängt in der Ausbildung an: Von der rigiden und wenig hausarzt­freund­lichen Zulassung zum Medizinstudium, über die fehlende praktische Ausbildung direkt im niedergelassenen Bereich, bis zu früh einsetzenden Spezialisierungen, die die Wahl einer fachärztlichen Ausbildung fördern. Der Hausärzt:innen-Nachwuchs muss allerdings gesichert werden und es sollte daher für jene Bewerber*innen, die zu Beginn des Studiums schon wissen, dass sie Allgemeinmediziner*innen werden wollen, eigene, vorrangige Medizinstudienplätze mit Auflagen geben. Insbesondere soll mit einem eigenen Aufnahmetest inkl. Test für soziale Kompetenzen, Einbeziehung von Vorerfahrungen, z.B. pflegerische Ausbildung/Tätigkeit oder ehrenamtliche Tätigkeit im Gesundheitsbereich, die beste Auswahl getroffen werden.

Die Student:innen verpflichten sich dafür, nach dem abgeschlossenen Studium für einen bestimmten Zeitraum im öffentlichen Gesundheitssystem, vorrangig als Hausärzt:innen in unterversorgten Regionen, zu arbeiten. In Deutschland ist dieses Modell schon als „Landarztquote“ erfolgreich im Laufen und der Andrang seitens der Student*innen groß. Für die Student:innen muss eine ausreichende Zahl an Ausbildungsplätzen in den Krankenanstalten bzw. bei Allgemeinmediziner*innen gewährleistet und angeboten werden.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden


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Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, endlich Maßnahmen gegen den Ärzt:innenmangel umzusetzen. Insbesondere sollen

•          die Aufnahmekriterien zum Medizinstudium verändert werden

•          eine Verpflichtung, nach der Ausbildung im öffentlichen Gesundheitswesen für einige Jahre tätig zu sein, muss zu einer Bevorzugung für die Erlangung eines Studienplatzes führen

•          das „Modell Landarztquote“ aus Deutschland soll für Österreich adaptiert und eingeführt werden

•          und zusätzlich sollen die Medizinstudienplätze verdoppelt und den Universitäten das entsprechende Budget zur Verfügung gestellt werden.““

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung. 

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Schallmeiner. – Bitte.


10.43.51

Abgeordneter Ralph Schallmeiner (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie und zu Hause vor den Bildschirmen! Es stimmt, Rudi Silvan, das Gesetz wurde 2017 unter Pamela Rendi-Wagner beschlossen, und deshalb reparieren wir es auch heute – weil es damals eben nicht so beschlossen wurde, wie wir es gebraucht hätten. (Abg. Heinisch-Hosek: Ja geh bitte!) Das müssen wir vielleicht auch dazusagen. (Abg. Heinisch-Hosek: Geh bitte!)


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Kommen wir einmal zum Eigentlichen (Abg. Heinisch-Hosek: Vorher hat es gar nichts gegeben, das muss man auch einmal sagen!), kommen wir zum Primärversorgungsgesetz und hören wir auf – weil es ja zuerst so geklungen hat – mit dem Geplänkel!

Worum geht es beim Primärversorgungsgesetz? (Abg. Heinisch-Hosek: Das war ein Meilenstein damals!) Das hört sich ja ein bisschen sperrig an und ist für viele nicht unbedingt ein alltäglicher Begriff. Es geht darum, dass wir mit diesem Gesetz den Rahmen für allgemeinmedizinische Gemeinschaftspraxen schaffen beziehungsweise definieren – sehr vereinfacht gesagt, zugegebenermaßen. Die Möglichkeit dafür – das stimmt – wurde 2017 eingeführt, das hat aber bis heute nicht den erhofften Erfolg gehabt.

Der Erfolg wäre gewesen: 75 Primärversorgungseinheiten, die wir bis heute hätten haben sollen – geworden sind es bis heute 40. Dabei würden ja diese Primärversorgungseinheiten – und auch da gebe ich den Kolleginnen und Kollegen der SPÖ durchaus recht – eine echte Win-win-Situation für die Patientinnen und Patienten darstellen: Diese profitieren auf der einen Seite von längeren Öffnungszeiten, besseren Öffnungszeiten besonders zu den Tages­randzeiten oder an Wochenenden, geregelten Urlaubsvertretungen, zusätzlichen Gesundheitsangeboten, einer besseren Einbindung aller Gesund­heits­berufe, einer stärkeren Teamorientierung vor allem der Medizinerinnen und Mediziner, aber natürlich auch dem Ineinandergreifen der verschiedenen Gesundheits­berufe. – All das sind wirklich ganz konkrete Dinge, von denen Patientinnen und Patienten profitieren.

Auf der anderen Seite profitieren aber auch die Medizinerinnen und Mediziner und die Gesundheitsberufe von diesen PVEs, weil teamorientiert, interdisziplinär, interprofessionell gearbeitet wird. Wenn man mit den Angestellten in den PVEs spricht, berichten alle von einer besseren Work-Life-Balance, von einer besseren Planbarkeit des Alltags, eben von einem Job, der schlicht und ergreifend Spaß macht. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Pfurtscheller.)


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Zusätzlich kommt noch ein Vorteil dazu: Das wirtschaftliche Risiko wird auf mehrere Schultern verteilt, was gerade für junge Medizinerinnen und Mediziner am Beginn ihrer Laufbahn natürlich ein dementsprechender Vorteil ist.

Dass es trotzdem bis heute nicht der Erfolg war, liegt unter anderem daran, dass es bisher ein sehr steiniger, sehr bürokratischer Weg war, bis man eine PVE gründen konnte, inklusive einer Vetooption der Interessenvertretungen der Ärztinnen und Ärzte, nämlich der Landesärztekammern. Diese Vetooption wurde leider Gottes in der Vergangenheit auch das eine oder andere Mal – oder wenn man es so sagen möchte: einfach zu oft – gezogen. Das heißt: sehr bürokratisch, viele Stolpersteine auf dem Weg, viele, die eine PVE gründen wollten, haben das dann irgendwann in diesem Gründungsprozess wieder zurückgezogen, und wenn sie dann so weit gewesen wären, zu gründen, hat es noch passieren können, dass dann die eigene Interessenvertretung Nein gesagt hat.

Das beseitigen wir heute alles mit dieser Novellierung. Es wird in Zukunft keine Vetomöglichkeit für eine Interessenvertretung geben, es zählen in Zukunft nur noch der Bedarf und die Patientenorientierung in der jeweiligen Region. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Zusätzlich erleichtern wir die Gründung auch dahin gehend, dass nur noch zwei Medizinerinnen oder Mediziner für die Gründung notwendig sind. Wir setzen auch die anderen Gesundheitsberufe auf Augenhöhe mit den Medizinerinnen und Medizinern, denn die können in Zukunft auch mitgründen; auch das ist eine Weiterentwicklung, mit der wir auch in dieser Frage endgültig im 21. Jahrhun­dert ankommen. Wir ermöglichen für die Zukunft auch die Gründung von sogenannten Kinder- und Jugendheilkunde-PVEs, einer Form, die ganz, ganz dringend benötigt wird, wie man sieht, wenn man sich die momentane Versorgungssituation im kassenärztlichen Bereich in der Kinder- und Jugend­heilkunde anschaut. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Dass das Ganze von den Medizinerinnen und Medizinern auch angenommen wird, sieht man daran, dass bereits mehr als 30 solcher PVEs, solcher


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Primärversorgungseinheiten in den Startlöchern scharren. Die warten darauf, dass wir das hier heute novellieren, die wollen gründen. Die Behauptung, dieses Modell der Gemeinschaftspraxis, der PVE wäre nicht attraktiv, stimmt schlicht und ergreifend nicht.

Wenn wir das heute hier beschließen, dann werden auch die notwendigen Mittel, die uns die EU mit der Recovery and Resilience Facility zur Verfügung gestellt hat, dementsprechend ausgeschöpft; da gibt es 100 Millionen Euro an Fördermitteln für die PVEs.

Abschließend: Wir sind davon, von diesem Prozess, von dieser Novellierung so überzeugt, dass wir auch das bisher gültige Ziel von 75 PVEs für Österreich auf 120 PVEs abändern. Ich sage es Ihnen ganz offen und ehrlich: Diese 120 PVEs bilden ja keine Obergrenze, im Gegenteil wird es nicht nur mich, sondern auch die Patientinnen und Patienten in diesem Land freuen, wenn es mehr als 120 PVEs sind, die auf Basis dieser Novellierung dann irgendwann einmal ent­stehen. Da bin ich mir sicher: Das ist dann nicht nur eine Freude für mich, wie schon gesagt, sondern es wird auch die Patientinnen und Patienten freuen, denn das ist Patient:innenorientierung. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

10.49


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Kaniak. – Bitte sehr.


10.49.11

Abgeordneter Mag. Gerhard Kaniak (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Abgeordneter Schallmeiner hat davon gesprochen, dass wir hier in der Debatte ein „Geplänkel“ haben. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das, was sich draußen im Gesundheitssystem abspielt, ist kein Geplänkel, das ist ein wahres Desaster. Man braucht sich nur die Meldungen der letzten Wochen anzuschauen: Im Wilhelminenspital in Wien streiken die Ärzte, in den Spitälern und in den Altenheimen müssen ganze Abteilungen gesperrt werden, die Lücken


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im Kassensystem, im niedergelassenen Bereich werden immer größer. Jüngstes Beispiel jetzt aus der Zahnmedizin in Linz: Eine der größten Einrichtungen der kassenzahnärztlichen Versorgung schließt ihre Pforten, hat den Kassenvertrag gekündigt, weil sie sagt, das ist wirtschaftlich nicht mehr darstellbar.

Gleichzeitig gibt es auch Zurücklegungen von Kassenverträgen von Allgemein­medizinern, die das nicht mehr aufrechterhalten können.

Die Antwort des Gesundheitsministers darauf ist wieder eine große Ankündi­gungs­politik: In einer Pressekonferenz letzte Woche wurden gemeinsam mit dem Finanzminister Mittel für den Finanzausgleich versprochen, die großteils schon verplant sind, die nicht einmal ausreichen werden, um den Status quo zu erhalten, geschweige denn tatsächlich eine Trendwende einzuleiten.

Schauen wir uns die auf dem Tisch liegende Novelle des Primärversorgungs­gesetzes an: Der Herr Präsident hat schon gesagt, dazu gab es eine Fristsetzung und es ist an der Ausschussdebatte vorbei hier in das Nationalratsplenum geschleust worden. Es ist von Herrn Minister Rauch gemeinsam mit dem Eltern-Kind-Pass, der heute auch auf der Tagesordnung steht, als große Gesundheits­reform angekündigt worden.

Was ist denn da jetzt tatsächlich die Änderung in diesem Primärversorgungs­gesetz? – Eine Klarstellung, dass zwei Ärzte ausreichen und nicht drei notwendig sind, um ein Primärversorgungszentrum zu gründen – das hätte das Gesetz vorher schon hergegeben, nur ist das von der ÖGK anders interpretiert worden –; eine Beseitigung des Vetos der Ärztekammer, die darauf Bedacht genommen hat, dass die freiberuflichen Ärzte dem niedergelassenen Bereich in der Struktur erhalten bleiben; und im Endeffekt die Ermöglichung, dass nun auch Organi­sationen wie zum Beispiel die ÖGK oder Krankenanstaltenträger als Betreiber eines Primärversorgungszentrums auftreten können.

Zusätzlich ist noch die Einführung von Jugendzentren, also Primärversorgungs­zentren für Jugend- und Kinderheilkunde, vorgesehen. Das ist ein innovativer


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll224. Sitzung, 224. Sitzung des Nationalrats vom 6. Juli 2023 / Seite 110

Ansatz, allerdings frage ich mich, Herr Minister: Wie wollen Sie diese Kinder- und Jugendzentren bestücken, also mit welchen Ärzten, wenn es jetzt schon sowohl im niedergelassenen als auch im stationären Bereich einen massiven Fachärztemangel in diesem Bereich gibt? Den werden Sie mit Ihren Primärver­sorgungszentren in dieser Ausgestaltung nicht verbessern, sondern Sie werden weiter die Ärzte aus dem klinischen Bereich abziehen, wo die Leistungen weiter eingeschränkt werden.

Ich habe noch nichts von einer großartigen Ausbildungsoffensive gehört. Genauso ist es in Bezug auf die Zahnmedizin, da habe ich auch noch nichts davon gehört. Auch die Ausbildungsreform und den Facharzt für Allge­meinmedizin, den wir eigentlich schon vor über einem halben Jahr außer Streit gestellt haben, haben wir noch immer nicht beschlossen.

Geld alleine und das, was Sie uns hier vorgelegt haben, wird nicht reichen, um die Probleme zu beseitigen. Wenn das reichen würde, dann gäbe es nicht diese Negativstimmung, dann gäbe es nicht diese anhaltende Kündigungswelle, dann gäbe es nicht diese unglaubliche Zahl an offenen Kassenstellen. Es ist zwar schön, dass Sie jetzt das Ziel für die Primärversorgungszentren nach oben geschraubt haben, aber Sie haben ganz wesentliche Dinge übersehen: Wo bleibt denn die Evaluierung des tatsächlichen Bedarfs und eine Anpassung der Strukturpläne Gesundheit? Wo bleibt denn die echte Attraktivierung des Arbeitsbildes durch faire Gehälter, die Einhaltung der Zusagen, die da sind, und eine Entbürokratisierung? Wo bleiben denn die kurzfristigen Maßnahmen, um die alten Ärzte länger in Beschäftigung zu halten, um damit auch die Aus­bildungskapazitäten zu erhöhen? Wo bleibt denn die Einbindung der Wahlärzte in das System, wozu immer wieder absurde Vorschläge kursieren, die vollkommen fern der Realität sind? – All das fehlt.

Deshalb bringe ich auch folgenden Entschließungsantrag ein:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll224. Sitzung, 224. Sitzung des Nationalrats vom 6. Juli 2023 / Seite 111

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Zusätzliche Kassenvertragsstellen für Einzel- und Gruppenpraxen im Zuge der aktuellen Reform der Primärversorgungszentren“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzuleiten, die folgendes Maßnahmenpaket zur nachhaltigen Verbesserung der kassenvertragsärztlichen Versorgung im Zuge der Reform des Primärversorgungzentren-Systems beinhaltet:

1) Die sofortige Evaluierung und Überarbeitung des österreichischen Struktur­plans Gesundheit und der regionalen Strukturpläne Gesundheit, insbesondere betreffend der Anzahl und Verteilung der Kassenarztstellen im niedergelassenen Bereich unter Berücksichtigung der geplanten Primär­versorgungszentren [...].

2) Eine prioritäre Nachbesetzung der Kassenarztstellen im ländlichen Bereich und eine gesetzliche Verpflichtung der Österreichischen Gesundheitskasse [...], freie Kassenarztstellen binnen zwölf Monaten nachzubesetzen, notfalls auch mittels zusätzlicher finanzieller Anreize.

3) Die Möglichkeit für zukünftige Fachärzte für Allgemeinmedizin, eigenver­antwortlich ein Primärversorgungszentrum zu gründen und alle anderen für diesen Standort notwendigen Ärzte und medizinischen Berufe [...] anzustellen.

4) die Einbindung der Wahlärzte in das kassenärztliche System, durch die Ermög­lichung der ,Doppelbeschäftigung‘ als Wahl- und Kassenarzt durch die Vergabe von Halb- und Viertelverträgen an Wahlärzte, falls Kassenstellen in der jeweili­gen Region anders nicht besetzt werden können.“


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll224. Sitzung, 224. Sitzung des Nationalrats vom 6. Juli 2023 / Seite 112

*****

Sehr geehrter Herr Minister! Das sind ganz konkrete Vorschläge zusätzlich zu vielen anderen, die ich im Laufe der gesamten Debatte schon eingebracht habe. Gehen wir es gemeinsam an! Nutzen wir den Herbst, um da endlich Nägel mit Köpfen zu machen! Sie wissen, wir stehen konstruktiv an Ihrer Seite, wenn es darum geht, das österreichische Gesundheitssystem zu verbessern. Kommen Sie in die Gänge, reden Sie mit uns! Schaffen wir Fakten! (Beifall bei der FPÖ.)

10.54

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abg. Mag. Gerhard Kaniak

und weiterer Abgeordneter

betreffend Zusätzliche Kassenvertragsstellen für Einzel- und Gruppenpraxen im Zuge der aktuellen Reform der Primärversorgungszentren

eingebracht im Zuge der Verhandlung über Top  1.) Bundesgesetz, mit dem das Primärversorgungsgesetz und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert werden (2087 d.B.) in der 224. Sitzung des Nationalrats am 6. Juli 2023

Die aktuelle Reform der Primärversorgungszentren schafft im Resultat zusätzliche Gefahren für die Gesundheitsversorgung, da nicht mehr, sondern in letzter Konsequenz weniger Kassenvertragsstellen übrigbleiben.

Die Erläuterungen u Art. 1 Z 13 bis 15 (§ 14 Abs. 2 Z 1 und 2 sowie Abs. 3 und Abs. 4 letzter Satz der Novelle zum Primäversorgungssysten (PrimVG) lautet folgendermaßen:

Der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) obliegt in Abstimmung mit der Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen bzw. der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau die Durchführung des gesamten


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Auswahlverfahrens. Dies beinhaltet die Einleitung des Auswahlverfahrens samt Erstellung der Einladung, die Festlegung der Auswahlkriterien sowie das damit verbundene Bewertungsschema, die darauffolgende Bewertung der eingelangten Bewerbungen sowie zuletzt die Invertragnahme der konkreten PVE an sich.

Um zukünftig für die Bevölkerung Versorgungssicherheit mit Leistungen einer PVE zeitgerecht sicherstellen zu können, soll das Auswahlverfahren insgesamt neu gestaltet und zeitlich beschleunigt werden. Die künftigen Einladungen sollen unmittelbar an einen unbeschränkten Bewerberkreis adressiert sein. Bewerbungen können daher sowohl von Vertrags- oder Wahlärztinnen und Wahlärzten, Grup­penpraxen oder selbständigen Ambulatorien abgegeben werden.

Bestehenden Vertragsärztinnen bzw. Vertragsärzten jedenfalls bei der Auswahl – im Hinblick auf das bereits durch die bisherigen Verträge erworbene Vertrauen in die Qualität der ärztlichen Leistungen – weiterhin Vorrang eingeräumt werden. Abhängig von der Planung sind allenfalls auch Vertragsärztinnen bzw. Vertragsärzte im Bereich der Kinder- und Jugendheilkunde in der Z 1 mitumfasst.

Der Vorrang besteht auch deswegen, um eine möglichst hohe Kontinuität in der Versorgung der Bevölkerung zu erzielen und den Aufbau von Doppelstrukturen möglichst zu vermeiden. Damit einhergehend ist die Aufrechterhaltung des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Sicherheit zu gewährleisten und die damit verbundene umfassende (Sachleistungs-)Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen.

Für den Fall der Umsetzung der Planungen des RSG im Stellenplan sind zur Vermei­dung von Doppelstrukturen folglich zunächst die Bewerbungen von Vertragsärz­tinnen und Vertragsärzten sowie Vertrags-Gruppenpraxen für Allgemeinmedizin bzw. für Kinder- und Jugendheilkunde, deren Planstellen im Stellenplan (§ 342 Abs. 1a ASVG) für die konkrete Primärversorgungseinheit vorgesehen sind, zu bewerten. Wie bereits nach geltender Rechtslage ist es für solche Bewerberinnen/Bewerber mit Kassenvertrag zur Erfüllung der Bewerbungsvoraussetzungen auch weiterhin für eine


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Priorisierung nach Z 1 möglich, ihre eigene Bewerbung mit weiteren berufsberech­tigten Ärztinnen/Ärzten zu ergänzen. Zunächst sind folglich lediglich diese priorisierten Bewerbungen heranzuziehen und einer Bewertung zu unterziehen (§ 14 Abs. 4 Z 1 PrimVG).

Erfolgt die Umsetzung im Stellenplan hingegen nicht zeitgerecht, sollen zunächst die Bewerbungen von Vertragsärztinnen bzw. von Vertragsärzten in der im jeweiligen RSG ausgewiesenen Versorgungsregion priorisiert – mit der bereits zuvor beschrie­be­nen Ergänzungsmöglichkeit –heranzuziehen sein (vgl. § 14 Abs. 3 PrimVG). Damit soll – wie bereits nach geltender Rechtslage – dem Umstand der weitgehenden Vermeidung von Doppelstrukturen und der Bevorrangung von bewährten vertrag­lichen Partnerinnen und Partnern aus dem niedergelassenen Bereich Rechnung getragen werden.

Um eine Maßnahme gegen den Verlust der Versorgungssicherheit in Anbetracht des akuten Mangels von Vertragsärztinnen und -ärzten für Kinder- und Jugendheilkunde zu setzen, soll die explizite Aufnahme von Bewerbungen aus dem ausschließlichen Wahlarztbereich als ebenfalls bevorrangigte Gruppe im § 14 PrimVG erfolgen. Diese Bestimmung soll auf zwei Jahre befristet werden und automatisch auslaufen.

In der Folge gelangt Stufe zwei des Auswahlverfahrens zur Anwendung, in welcher alle anderen eingelangten Bewerbungen (beispielsweise solche von Ärztinnen/Ärzten, die bisher über keinen Kassenvertrag verfügen, von nicht-ärztlichen Gesundheits­berufen im Rahmen einer beabsichtigten „multiprofessionellen Gruppenpraxis“ nach dem PrimVG oder von selbständigen Ambulatorien) auszuwerten sind.

Im Übrigen wird es Aufgabe der ÖGK (in Abstimmung mit den anderen Krankenversicherungsträgern) sein, eine Mindestpunktezahl festzulegen, die seitens der Bewerberinnen und Bewerber erreicht werden muss, um zu beurteilen, ob Z 1 ausreichend erfüllt ist oder Z 2 anzuwenden ist. Im Auswahlverfahren geforderte (fachliche) Qualifikationen müssen – unabhängig von der jeweiligen Organi-


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sationsform der geplanten PVE – jedenfalls unter Angabe der Namen der mitarbei­tenden Ärztinnen und Ärzte bzw. sonstigen nicht-ärztlichen Gesundheitsberufe nachgewiesen werden.

Bewertungskriterien bei der Auswahl sind nach Abs. 5 insbesondere

1.     das Versorgungskonzept nach § 6 PrimVG sowie

2.     für die ärztlichen Leistungen die in der Reihungskriterien-Verordnung bzw. in den darauf beruhenden Reihungs-Richtlinien festgelegten Kriterien.

Ad Z 1: Im Versorgungskonzept sind unter anderem Regelungen zur Aufbau- und Ablauforganisation im Primärversorgungsteam und in der Zusammenarbeit mit anderen Versorgungsbereichen zu treffen. In diesem Bereich werden daher auch entsprechende Kooperationsvereinbarungen mit Vertrags-Fachärztinnen und Fachärzten für Frauenheilkunde und Geburtshilfe abzubilden sein.

Ad Z 2: Es ist darauf hinzuweisen, dass im Auswahlverfahren nicht die ÄrztInnen-Reihungskriterien-Verordnung, BGBl. II Nr. 379/2017, an sich anzuwenden ist (vgl. dazu auch § 342c Abs. 2 und 3 ASVG), sondern generell die in der Reihungskriterien-Verordnung bzw. in den darauf beruhenden Reihungs-Richtlinien festgelegten inhaltlichen Kriterien für die Bewertung der ärztlichen Qualifikationen.

Die gewählte Formulierung unter Verwendung einer demonstrativen Aufzählung (=insbesondere) schließt nicht aus, dass noch weitere Bewertungskriterien herangezogen werden.

Gleich wie im § 14a PrimVG (neu) sollen Bewerbungen, die zur Erreichung der Planungsvorgaben Übergangskonzepte enthalten, weiterhin zulässig sein, diese Übergangskonzepte aber auf maximal fünf Jahre beschränkt sein dürfen.

Die Schaffung zusätzlicher Primärversorgungszentren (PVE) sieht unter anderem vor, dass auf bereits bestehende Vertragsärzte der Sozialversicherungsträger zurück­gegriffen werden kann. Diese Vorgangsweise führt im Resultat dazu, dass mit Umset­zung dieser Reform der Primärversorgungszentren insgesamt nicht mehr, sondern


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sogar weniger Vertragsärzte im österreichischen Gesundheitssystem zukünftig tätig sind, da es einerseits durch eine Pensionierungswelle zu einem altersbedingten Abgang kommt, und verbleibende Vertragsärzte zumindest teilweise in den PVE-Sektor abwandern. Damit wird das gesundheitliche Versorgungssystem weiter destabilisiert. Nur wenn zumindest der Abgang in Richtung Alterspension und der Wechsel in den PVE-Sektor mit der Besetzung freiwerdender Kassenvertragsstellen abgedeckt wird und zusätzliche Vertragsärzte für Einzelpraxen, Gruppenpraxen und PVEs gewonnen werden können, kann die Versorgung garantiert werden.

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzuleiten, die folgendes Maßnahmenpaket zur nachhaltigen Verbesserung der kassenvertragsärztlichen Versorgung im Zuge der Reform des Primärversorgungzentren-Systems beinhaltet:

1) Die sofortige Evaluierung und Überarbeitung des österreichischen Strukturplans Gesundheit und der regionalen Strukturpläne Gesundheit, insbesondere betreffend der Anzahl und Verteilung der Kassenarztstellen im niedergelassenen Bereich unter Berücksichtigung der geplanten Primärversorgungszentren (PVEs).

2) Eine prioritäre Nachbesetzung der Kassenarztstellen im ländlichen Bereich und eine gesetzliche Verpflichtung der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK), freie Kassenarztstellen binnen zwölf Monaten nachzubesetzen, notfalls auch mittels zusätzlicher finanzieller Anreize.

3) Die Möglichkeit für zukünftige Fachärzte für Allgemeinmedizin, eigenverant­wortlich ein Primärversorgungszentrum zu gründen und alle anderen für diesen Standort notwendigen Ärzte und medizinischen Berufe (Pfleger, Therapeuten usw.) anzustellen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll224. Sitzung, 224. Sitzung des Nationalrats vom 6. Juli 2023 / Seite 117

4) die Einbindung der Wahlärzte in das kassenärztliche System, durch die Ermög­lichung der „Doppelbeschäftigung“ als Wahl- und Kassenarzt durch die Vergabe von Halb- und Viertelverträgen an Wahlärzte, falls Kassenstellen in der jeweiligen Region anders nicht besetzt werden können.

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht somit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Smolle. – Bei Ihnen steht das Wort, Herr Abgeordneter.


10.54.55

Abgeordneter Dr. Josef Smolle (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute steht hier eine Novelle des Primärversorgungsgesetzes, ein sehr wichtiger Schritt, an. In der Allgemeinmedizin hat man ein breites Spektrum medizinischer Herausforderungen, medizinischer Probleme. Was aber alle routiniert Tätigen in der Allgemeinmedizin wissen, ist, dass es sich sehr oft nicht allein um ein medizinisches Problem handelt, sondern dass gerade in der Allgemeinmedizin psychische und soziale Faktoren eine entscheidende Rolle spielen; und das ist ja gerade der USP der Primärversorgungszentren, wo verschiedene Berufsgruppen interdisziplinär zusammenarbeiten, wo von der Physiotherapie über die Psychotherapie bis zur Sozialarbeit auch unter Einbin­dung von Hebammen wirklich ein breites Spektrum an Betreuung angeboten werden kann. Das ist der erste große Vorteil für die Patientinnen und Patienten.

Der zweite große Vorteil neben diesem breiten Betreuungsangebot ist, dass diese Primärversorgungszentren auch erweiterte Öffnungszeiten, auch an Tagesrandzeiten, zum Teil auch am Wochenende, haben. Auch das kommt natürlich den Patientinnen und Patienten entgegen.


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Die Primärversorgungseinheiten sind natürlich auch für die Menschen, die dort arbeiten, ein besonders attraktives Arbeitsumfeld. Da sind einmal der interkollegiale Austausch und die interdisziplinäre Zusammenarbeit zu nennen, aber auch die Planbarkeit für ein entsprechendes Gleichgewicht im Berufs- und Privatleben. Das ist gerade, sage ich, für die Generation Z ein sehr attraktives Angebot.

Was ändert jetzt das Gesetz, was bringt diese Novelle an Neuigkeiten? – Eine ist: Es genügen schon zwei Ärztinnen und Ärzte, um eine Gründung in Gang zu setzen. Es können nicht ärztliche Berufsgruppen bereits bei der Gründung drin sein. Ein weiterer Punkt ist, dass die Entscheidung für ein PVZ, die Ausschrei­bung, die Besetzung deutlich vereinfacht und beschleunigt werden. Zudem gibt es 100 Millionen Euro aus dem EU-Aufbau- und Resilienzplan, die deutlich und hilfreich die Gründung dieser PVEs unterstützen können.

Es gibt noch einen Punkt, auf den ich hinweisen will: Wir reden immer von Primärversorgungszentren mit der Vorstellung: Da ist ein Gebäude oder ein weitläufiges Stockwerk, in dem alle zusammen sind. – Ja, das sind Primär­versorgungszentren, aber das Gesetz bezieht sich ja auf sogenannte Primär­versorgungseinheiten, und da gibt es nämlich etwas Zweites: die Primär­ver­sorgungsnetzwerke. Die Zentren werden gut in eine Bezirksstadt, in eine große Marktgemeinde passen, aber Primärversorgungsnetzwerke bedeuten, dass die einzelnen Ordinationen über kleine Ortschaften verteilt sein können und trotzdem in ihrer Gesamtheit einer Primärversorgungseinheit entsprechen. Das ist natürlich etwas besonders Attraktives für den niedergelassenen Bereich im ländlichen Raum. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Es gibt im Gesundheitswesen jetzt nicht unbedingt einen Mangel an Medizine­rinnen und Medizinern, es gibt aber sehr wohl Versorgungsengpässe, die verschiedene strukturelle Ursachen haben. Ich bin froh, dass nach mehreren Jahrzehnten, in denen sich manches fehlentwickelt hat, unsere Bundesregierung ganz entscheidende Schritte in die richtige Richtung setzt. Diese Novelle betreffend die Primärversorgungszentren ist solch ein Meilenstein. Ich denke


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aber auch an die zwei Pflegereformpakete mit 38 Maßnahmen, die in diesem Sektor ganz wesentlich etwas Positives beigetragen haben, an die Fachärztin, den Facharzt für Allgemein- und Familienmedizin oder auch an den Ausbau der kassenärztlichen Stellen zusammen mit einer Attraktivierung durch eine entsprechende Anschubfinanzierung, aber auch – langfristig – durch eine entsprechende Anpassung im Leistungs- und Honorarsystem. Das sind ganz wichtige Schritte. (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)

Vielfach ist das natürlich auch mit den Ländern zu klären. Es finden jetzt die Finanzausgleichsgespräche statt, in denen auch einige gute, qualitative Weichenstellungen auf dem Weg sind. Die Länder arbeiten dabei auch mit. Ich will als Beispiel jetzt nur mein Heimatbundesland, die Steiermark, nennen, das gerade in der letzten Woche wieder eine sehr große Attraktivierungs­maßnahme für Gesundheitsberufe im Spitalsbereich gesetzt hat. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Unsere Bundesregierung handelt, worüber ich sehr froh bin. Ich möchte abschließend ein großes Danke sagen – ein Danke an die Beschäftigten in den Gesundheitsberufen, aber diesmal ganz besonders an die Kolleginnen und Kollegen, die in der Allgemeinmedizin, sei es in Einzelordinationen, sei es in Primärversorgungszentren, arbeiten und eine wesentliche Basis für eine funktionierende Gesundheitsversorgung in unserem Land darstellen. – Herz­lichen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

11.00


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Fiona Fiedler. – Bitte.


11.00.34

Abgeordnete Fiona Fiedler, BEd (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! (Die Begrüßung auch in Gebärdensprache ausführend:) Liebe gehörlose Menschen! Zuerst möchte ich betonen, dass uns Parlamentarismus für unsere Demokratie


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enorm wichtig ist. Als Abgeordnete haben wir die Pflicht und die Aufgabe, Gesetze zu prüfen und sie im Ausschuss auch zu diskutieren, bevor sie verabschiedet werden. Das ist bei diesem Gesetz jetzt nicht passiert, und es ist meiner Meinung nach etwas bedenklich, Gesetze ohne Ausschussentschei­dungen zu beschließen.

Dennoch haben wir da die Bemühungen der Regierung sehr wohl wahrgenom­men und weil dieses Gesetz durchaus etwas mit unseren Wünschen einhergeht, auch wenn nicht alle erfüllt worden sind, werden wir diesem Gesetz heute hier auch zustimmen.

Wir begrüßen auch die Position des Ministers, diesbezüglich Mut zu zeigen und sich gegen diverse Stakeholder auch ein bisschen aufzubäumen. Das ist vielen Ministern vor ihm nicht gelungen. Dementsprechend möchte ich das auch hier wertschätzen.

Als Turbo würde ich die Reform jetzt nicht bezeichnen, weil es, gerade was Primärversorgungseinheiten betrifft, vom ersten Ansuchen bis zum Eröffnen einer Primärversorgungseinheit eineinhalb bis zwei Jahre dauert. Das ist viel zu lange im Hinblick auf die Ziele, die wir uns gesetzt haben, nämlich dahin gehend, wie viele Primärversorgungszentren es bis 2025 geben soll.

Was uns bei diesem Gesetz fehlt, sind weitere Öffnungen bei den Besitzer­strukturen. Die Krankenkassen verfügen bereits über einige Ambulatorien, die im Grunde nichts anderes als übergroße PVZs sind. Wenn wir nicht wollen, dass wir da in eine Monopolstellung der ÖGK kommen, müssen wir uns über die wirt­schaft­lichen Hintergründe hier doch etwas mehr Gedanken machen.

Mit dem neuen Gesetz gibt es zumindest bei den freiberuflichen Gesundheits­berufen die Möglichkeit der Beteiligung. Schwierig ist aber immer noch, dass sich alles an Ärzteplanstellen orientiert. Was wir da brauchen, sind wirklich echte Stellenpläne für alle Gesundheitsberufe.


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Weil auch die Kinder- und Jugendheilkunde-PVZs erwähnt worden sind: Diese sind in Wien schon lange umgesetzt, also ist das jetzt nicht so das Wow.

Ich möchte jetzt aber von den PVZs wegkommen und auch den Eltern-Kind-Pass ansprechen, weil dieser auch bei diesen Tagesordnungspunkten behandelt wird. Dem werden wir definitiv nicht zustimmen, weil wir es ganz inakzeptabel finden, dass statistische Erhebungen von Fehl- und Totgeburten sowie Schwanger­schafts­abbrüchen viel zu lange gespeichert werden. Das ist für uns nicht tolerier­bar. Es ist zwar gut, dass der Pass gelöscht werden soll, wenn keine Geburt stattfindet, allerdings frage ich mich, was mit den Daten passiert, die dann im Ministerium herumliegen. Wenn ich mir da zukünftige andere Regierungspar­teien vorstelle, wird mir leicht übel.

Des Weiteren ist unklar, woher die Ressourcen für die Familienberatungsstellen kommen, wobei diese Beratungen zur Ausbezahlung des Kinderbetreuungs­geldes ja auch notwendig sind.

Was mich auch wundert, ist, warum wir mit diesem Instrument eine extra, separate Parallelstruktur zur Elga schaffen müssen, es wäre doch viel schlauer, das gleich in ein bestehendes System zu integrieren – vielleicht können Verordnungen da aber noch etwas zurechtbiegen. – (Den Dank auch in Gebär­densprache ausführend:) Danke. (Beifall bei den NEOS.)

11.04


Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich Herr Bundesminister Johannes Rauch zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Minister.


11.04.45

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren Abgeordnete! Zunächst zwei Worte des Dankes, weil ich die für angebracht halte: Ich möchte mich für die im Gesundheitsausschuss konstruktiven Diskussionen über das Jahr hinweg bedanken. Ich erlebe diesen Ausschuss durchaus als ergebnisorientiert


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im Sinne der Menschen dieses Landes. Zweiter Punkt: dieses Primärversor­gungs­gesetz, das wir heute beschließen: Da möchte ich mich schon auch bei den Abgeordneten Smolle und Schallmeiner bedanken, die wesentlich dazu beigetragen haben, dass es jetzt im Parlament liegt. Vielen Dank! (Beifall bei den Grünen, bei Abgeordneten der ÖVP sowie des Abg. Kucher.)

Was wir heute beschließen, ist ein erster, aber ganz wesentlicher Baustein einer umfassenden Gesundheitsreform, die wir jetzt im Zuge der Finanzausgleichs­verhandlungen versuchen auf den Boden zu bekommen. Warum ist dieses Primärversorgungsgesetz so wichtig? – Es gibt, das wissen Sie alle, im niederge­lassenen Bereich bei Ärztinnen, bei Ärzten die Situation, dass wir zunehmend eine Entwicklung haben, dass die Kassenvertragsarztstellen nicht besetzt werden können, die Wahlarztstellen hingegen boomen. Es gibt auch die Situation, die Tendenz, dass aufgrund dieser Mangelsituation im niedergelassenen Bereich, insbesondere im ländlichen Raum, Menschen in die Spitalsambulanzen ausweichen. Das führt dann dazu, dass sich die Bundesländer zu Recht beklagen, dass dann jene Patientinnen, Patienten in den Spitalsambulanzen landen, die dort eigentlich nicht hingehören. Die forcierte Ermöglichung von Primärversor­gungszentren ist ein probates Mittel, um dem entgegenzutreten, weil es an mehreren Punkten ansetzt. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Zum Ersten, es holt einfach Ärztinnen und Ärzte in ihrer neuen Lebensrealität ab, weil Ärztinnen und Ärzte nicht mehr bereit sind – wie es früher war –, 100, 120 Patient:innen pro Tag in der Einzelpraxis abzuarbeiten; weil das vollkommen andere, auch kooperative Zugänge sind, da Ärztinnen und Ärzte miteinander arbeiten wollen, da sie andere Berufsgruppen mitnehmen möchten und eine Primärversorgungseinrichtung eine ganze Reihe anderer Vorteile hat: längere Öffnungszeiten, bessere Vertretung in Urlaubszeiten, mehr Professionen mit dabei – also nicht nur Ärztinnen und Ärzte, auch Pflegepersonal, Sozialarbeit bis hin zur Physiotherapie; das heißt, ein ganzes Angebot an medizinischen Dienstleistungen, die es Patientinnen und Patienten ermöglichen, eine höhere Qualität in Anspruch zu nehmen.


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Alleine die Ankündigung, dass dieses Gesetz jetzt auf den Weg kommt und in Kraft tritt, hat dazu geführt, dass in Österreich die Nachfrage nach und die Ansuchen betreffend Primärversorgungseinrichtungen und -zentren gestiegen ist. Wir haben aktuell etwa 40 Primärversorgungseinrichtungen in Betrieb, 30 in der Pipeline, fünf davon sind Kinder-PVEs. Das heißt, es zeigt sich, wenn die Hürden gesenkt werden, wenn Vetomöglichkeiten von Standesvertretungen wegfallen, dann wird es attraktiv, in dieses Modell hineinzugehen. Ich bin überzeugt davon, dass sich dieser Weg fortsetzen wird. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es wird eine Verfahrensbeschleunigung geben, es wird wie gesagt attraktiver werden, auch Kinderprimärversorgungseinrichtungen zu installieren, an denen wir einen besonderen Mangel haben.

Ich sage jetzt dazu: Das ist ein wichtiger Baustein einer umfassenden Gesund­heits­reform. Es ist von den Vorrednerinnen, Vorrednern zu Recht angesprochen worden, dass das nicht alles sein kann. – Nein, das ist natürlich nicht alles. Das ist überhaupt nicht alles, weil wir eine Menge von Baustellen haben. Es gibt die Situation, dass wir aufgrund der Komplexität des österreichischen Gesundheits­sys­tems keine Finanzierung aus einer Hand haben – haben wir nicht, damit muss ich leben. Wir haben Player im System, die unterschiedliche Interessenlagen haben: die Sozialversicherung mit ihrer Selbstverwaltung, den Bund und die Länder in ihren jeweils eigenen Zuständigkeiten.

Ein bisschen ist es dann so, dass der Gesundheitsminister in Österreich 10 Prozent Zuständigkeit hat, aber 100 Prozent Verantwortung. Ich versuche, das gerade ein bisschen umzudrehen und da auch andere mit in die Verant­wortung zu nehmen, mit – ja! – mehr Mitteln. Es wird mehr Mittel brauchen, aber geknüpft an die Voraussetzung und die Bereitschaft, Reformen durchzu­führen. Das ist exakt der Weg, den wir jetzt versuchen im Zuge des Finanz­ausgleichs zu gehen.


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Was bedeutet das? – Das bedeutet eine deutliche, massive Aufwertung und Ausweitung des niedergelassenen Sektors, insbesondere wenn es um Kassen­arztstellen geht. Ich kenne das zitierte Beispiel oder viele solcher Beispiele sehr wohl, dass Menschen aufgrund des Mangels an Kassenärztinnen, Kassenärzten dazu gezwungen sind, in Wahlarztpraxen zu gehen und dort auch erhebliche Kosten zu tragen haben. Es nützt auch nichts, wenn wir in spitalsambulante Systeme zusätzliches Geld hineinschütten, wenn es nicht gelingt, den Mangel im niedergelassenen Sektor einigermaßen in den Griff zu bekommen.

Das bedeutet eine deutliche Erhöhung der Kassenarztstellen im nieder­gelassenen Bereich, das heißt auch zusätzliche Mittel. Das heißt auch, in der Vertragsausgestaltung und in der Attraktivität von Kassenarztstellen an Schrauben zu drehen, dass dies einfach möglich sein wird.

Zweiter Punkt, der wird meistens vernachlässigt: Wir brauchen im Bereich der Digitalisierung einen deutlichen Schub nach vorne. Ja, wir haben mit Elga eine gute Voraussetzung geschaffen, das wissen wir, es muss aber gelingen, entlang der Abfolge, digital geht vor ambulant und vor stationär, in die Gänge zu kommen. 1450 als Anlaufstelle, Gesundheitsapps, Abklärungsmöglichkeiten, die digital stattfinden, müssen vorgeschaltet sein.

Es muss auch gelingen, dass Patient:innendaten und Befunde aus bildge­benden Verfahren, Medikationen und Ähnliches mehr verfügbar sind. Es geht nicht an, dass Patientinnen und Patienten von A nach B nach C laufen müssen, um ihre Befunde, möglicherweise noch in ausgedruckter Form, absammeln zu müssen, um dann zur nächsten Stelle gehen zu können. Das ist antiquiert, das soll sich jetzt ändern, und zwar deutlich. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Pfurtscheller.)

Wir werden massiv in die Gesundheitsförderung einsteigen müssen, denn da haben wir Nachholbedarf. Ich sage immer, wir haben in Österreich lange Zeit einen Zugang gehabt, dass wir in der Finanzierung und in der Abwicklung nur zwei Aggregatzustände gekannt haben, gesund oder krank, viel zu wenig geschah in


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der Prävention und in der Nachsorge und Rehabilitation. Auch das versuchen wir zu stärken. Warum jetzt? – Weil jetzt im Zuge der Finanzausgleichsverhand­lungen ein Fenster offen ist, alle ins Boot zu bekommen – die Sozialversicherung, die Bundesländer und auch den Bund.

Diese Verhandlungen sind weit fortgeschritten. Es gibt auch einen koope­rativen Zugang der Bundesländer, das möchte ich an dieser Stelle auch dazusagen. Die Gesundheitslandesrätinnen und -landesräte aller Bundesländer, egal welcher Couleur, haben sich da konstruktiv eingeklinkt. Wir werden da nicht bis zum Herbst warten, sondern den Sommer über selbstverständlich durcharbeiten, um dann im Herbst in der Lage zu sein, den Finanzausgleich zu beschließen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

11.12


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Barbara Neßler. – Bitte.


11.12.27

Abgeordnete Barbara Neßler (Grüne): Frau Präsidentin! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Liebe Zuseher und Zuseherinnen! Wir beschließen bei diesen Tagesordnungspunkten auch die Reform zum digitalen Eltern-Kind-Pass als Weiterentwicklung des Mutter-Kind-Passes (Abg. Wurm: Ein Wahnsinn!) und führen diesen somit ins 21. Jahr­hundert.

Ich möchte mich hier an dieser Stelle auch (Abg. Wurm: Entschuldigen!) für die kritische Begutachtung, für den kritischen Blick von Organisationen, besonders von Kinder- und Jugendorganisationen, bedanken. (Abg. Heinisch-Hosek: Hat nichts genützt!) Darum konnten wir noch vieles konkretisieren und einarbeiten. (Abg. Wurm: Gar nichts!) Ein Kritikpunkt, auf den wir besonders achtsam geschaut haben, war das Thema Datenschutz. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Der Datenschutz von Schwangeren hat für uns natürlich höchste Priorität und wird


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auch zu jedem Zeitpunkt gesichert sein. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeord­neten der ÖVP.)

Daher haben wir nochmals nachgeschärft. Es ist so, dass vor der Geburt nur, also ausschließlich die Schwangere Zugriff auf diese Daten hat. Nach der Geburt hat das Elternteil (Abg. Wurm: „Das“ Elternteil! Zwischenruf der Abg. Belakowitsch) ausschließlich Zugriff auf die Daten der medizinischen Betreuung des Kindes. Also zu keinem Zeitpunkt hat der Vater Zugriff auf die Daten der Mutter. (Beifall bei den Grünen.)

In der Vergangenheit war es bei Härtefällen immer wieder so, dass auf die Eintragung vergessen wurde oder aus anderen Gründen nicht eingetragen wurde und es zum Verlust des Kinderbetreuungsgeldes kam, was sich natürlich finanziell entsprechend ausgewirkt hat. Mit dem elektronischen Eltern-Kind-Pass wird das in Zukunft nicht mehr sein.

Im zweiten Schritt werden wir auch zusätzliche Leistungen verhandeln, wie zum Beispiel Ernährungsberatung, aber auch Elterngespräche, mit dem Fokus auf Information, Vereinbarkeit, aber auch Gewaltschutz. Wir machen den Pass also insgesamt umfangreicher, moderner und holen ihn vom Jahr 1974 ins Jahr 2023. (Beifall bei Abgeordneten von Grünen und ÖVP.)

Das tun wir auch sprachlich, denn – nein – es ist nicht nur die Frau für die Gesundheit des Kindes zuständig. Die gesellschaftlichen Realitäten haben sich zum Glück verändert, Rollenbilder haben sich zum Glück verändert, darum ist auch ein neuer Name zeitgemäß, denn wir wissen, Sprache schafft Realität. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Weil die FPÖ jetzt gerade zwischenruft: Sie schafft Realität nicht bei allen, zum Beispiel nicht beim Tiroler FPÖ-Chef Abwerzger, der mittels Aussendung vermerken ließ, ich zitiere: Eine Minderheit von vielleicht 5 Prozent könne einer Mehrheit nicht die Schreibweise diktieren. –Zitatende. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Belakowitsch:  ... hat er recht!)


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Lassen Sie mich kurz helfen! Die Realität sieht so aus, dass in Österreich unge­fähr 51 Prozent Frauen sind. Also wenn Sie weniger in Männerbünden zusammensitzen würden, dann hätten Sie vielleicht nicht so ein verzerrtes Weltbild und müssten auch niemandem diktieren, welche Sprache verwendet werden darf. (Beifall bei den Grünen. Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Jogginghosenverbot, Genderverbot: Ich frage mich schon, was die FPÖ als Nächstes verbieten will. Im Moment ist sie ja schon fast in eine Genderobsession verfallen, dass man sich fast sorgen muss. Fast tagtäglich reitet irgendjemand von der blauen Sprachpolizei aus, um gegen das Gendersternchen zu hetzen (Abg. Wurm – erheitert –: Wir haben eine Sprachpolizei? Wir?), als würde durch das Gendersternchen der Weltuntergang drohen.

Liebe Kollegen und Kolleginnen, ich würde Ihnen empfehlen, dass Sie eine Selbsthilfegruppe gründen (Abg. Belakowitsch: Sie sind echt bedauernswert!), dann würden Sie uns mit diesem Schmarren nicht länger nerven (Beifall bei den Grünen), denn ehrlicherweise finde ich es extrem mühsam, dass lang erkämpfte Fortschritte von rechten Parteien, wenn sie an der Macht sind, scheibchenweise immer wieder abgedreht werden. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Wir hingegen machen sicher keine Schritte mehr zurück. Wir machen nur noch Schritte nach vorne: Darum ist für die Gesundheit der Kinder nicht nur die Frau zuständig, und das bilden wir auch so im Eltern-Kind-Pass ab. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. Zwischenrufe bei der FPÖ.)

11.16


Präsidentin Doris Bures: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Peter Wurm zu Wort gemeldet. – Herr Abgeordneter, Sie kennen die Bestimmung der Geschäftsordnung. (Abg. Leichtfried: Wahrscheinlich wollen sie Kritik an Putin verbieten!)



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11.17.02

Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Abgeordnete Barbara Neßler von den Grünen hat behauptet, es wurden die zahlreichen Einsprüche und Stellungnahmen aus dem Begutachtungsverfahren von der Regierung eingearbeitet. (Abg. Disoski: Das ist keine tatsächliche Berichtigung!) – Das ist nicht korrekt. (Abg. Neßler: Das ist eine Wertung!)

Es wurde überhaupt nichts verändert und es wurde auch nicht mehr im Gesundheitsausschuss diskutiert. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

11.17


Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Frau Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek zu Wort. – Bitte.


11.17.36

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundes­minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Seit dem letzten Gesundheitsausschuss wurde tatsächlich nichts mehr verändert, da muss ich Kollegen Wurm recht geben. Ich möchte auch über den Mutter-Kind-Pass, der sich in den Eltern-Kind-Pass verwandeln wird, geändert werden wird, sprechen.

Wer diese Idylle und dieses Ideal – Mutter, Vater, Kind –, das beschrieben wird, jetzt schon leben will und lebt, kann jetzt schon zu gynäkologischen Unter­suchungen mitgehen. Die Partner und Partnerinnen sind jetzt schon sehr offen zueinander. Die ersten zwölf Wochen einer Schwangerschaft sind aber eine höchstpersönliche Angelegenheit von Frauen. (Abg. Wurm: Genau!) Ich glaube, dass es mehr als angebracht ist und es muss gewährleistet sein, dass eine Frau, wenn sie einen Abbruch vornehmen lassen muss oder will, wenn etwas passiert, wie beispielsweise eine Fehlgeburt, ganz alleine (Abg. Disoski: Das hat sie ja! Das ist so!) diese Daten dieser höchstpersönlichen Angelegenheit verwalten kann. (Beifall bei SPÖ und FPÖ sowie bei Abgeordneten der NEOS.)


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Sie haben es zwar jetzt gesagt, aber machen wir einen Blick in die Realität: Er kommt vom Wirtshaus nach Hause und sagt: Jetzt zeig einmal diesen digitalen Eltern-Kind-Pass her! – Glauben Sie, dass sie – in Angst – dann diesen Eltern-Kind-Pass nicht herzeigt? Also Sie reden sich da eine Welt schön, die es in der realen Welt leider oft nicht gibt. Das ist Tatsache! (Beifall bei der SPÖ.)

So, noch dazu eine zweite Riesengefahr, bei der sich die Grünen wieder einmal über den Tisch haben ziehen lassen, und auch Sie, Herr Minister, haben das wirklich nicht im Griff gehabt: Eine verpflichtende Elternberatung, die hier vorgesehen ist, ist mehr als wirklich problematisch. (Abg. Neßler: Das ist keine verpflichtende Elternberatung!) Denn: Am Montag beginnt Aktion Leben, ein Verein, der sich des Schutzes des menschlichen Lebens von der Empfängnis bis zum Tod verschrieben hat, schon mit einer kostenfreien Elternberatung. Das ist ganz einfach der Vorgriff zum Kinderbetreuungsgeldgesetz, wenn man die Elternberatung nicht in Anspruch nimmt. (Abg. Neßler: Es ist keine verpflichtende Elternberatung!) Die Beratung von Aktion Leben kennen wir, das ist eine Beratung zur Beibehaltung der Schwangerschaft, eine Beratung gegen Schwan­gerschaftsabbrüche. Da wird auch mir, wie es Kollegin Fiedler vorher gesagt hat, übel. (Beifall bei SPÖ und NEOS.)

Sehr geehrte Damen und Herren, dieser Eltern-Kind-Pass ist ein Blankoscheck, bei dem wir den Preis ungefähr erahnen können, ihn aber nicht kennen. All das Positive, das an Zusatzuntersuchungen passiert, ist die eine Geschichte, aber in diesen ersten zwölf Wochen sofort auch auf Daten zugreifen zu können – das schaue ich mir an, dass die Frauen immer Nein sagen können; wenn sich die Partner ihnen nähern, dann ist es so –, ist wirklich mehr als gefährlich, und daher sind wir dagegen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der FPÖ.)

11.20


Präsidentin Doris Bures: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Neßler zu Wort gemeldet. – Bitte.



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11.20.31

Abgeordnete Barbara Neßler (Grüne): Die Kollegin der SPÖ hat behauptet, dass wir eine verpflichtende Elternberatung beschließen.

Ich stelle richtig: Es ist nicht so, wir beschließen keine verpflichtende Elternbera­tung. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Heinisch-Hosek: Sie wissen es ja nicht! ... im Einvernehmen mit der Familienministerin!)

11.20


Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Herr Abgeordneter Werner Saxinger zu Wort. – Bitte.


11.20.56

Abgeordneter Dr. Werner Saxinger, MSc (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren! Eine kurze Replik auf Kollegin Heinisch-Hosek: Die Aktion Leben berät völlig wertfrei und objektiv, um das einmal klarzustellen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Brandstötter: Das stimmt ja nicht! – Ruf bei der SPÖ: Na, das muss man auch tatsächlich berichtigen!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir leben in einem wunderschönen Land mit einem sehr guten Gesundheitssystem, um das uns viele Länder beneiden. Wer das nicht glaubt, schaue einmal ins benachbarte Ausland – abgesehen von Deutschland und der Schweiz – oder frage jemanden, der schon einmal im Ausland ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen musste. Dann lernt man nämlich unser System zu schätzen. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir merken in den letzten Jahren aber eine gewisse Schieflage. Die Gesundheitsversorgung ist mancherorts nicht mehr so, wie wir das gewohnt waren. Nicht nur die Patientinnen und Patienten spüren das, auch die Mitarbeiter im Gesundheitssystem. Ich weiß – Sie können mir das nach 30 Jahren ärztlichen Alltages glauben – genau, wo der Schuh drückt, welche


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Lösungen es gäbe. Die Diagnose, der Befund, die Therapiemöglichkeiten – alles liegt am Tisch, wir müssen es nur endlich tun.

Es spielt vieles eine Rolle, wir wissen das alle. Es ist immer wieder wichtig, es aufzuzählen: Darunter sind viele Faktoren wie die demografische Entwicklung – Gott sei Dank werden wir alle älter –, eine mangelhafte Patientensteuerung in vielerlei Hinsicht, eine Finanzierung aus zwei Töpfen, die wir vorerst aber nicht wirklich ändern können. Wir haben Strukturen wie vor 50 Jahren, ein Kassensystem, das oft nicht mehr zeitgemäß ist, und die junge Generation hat einfach andere Wünsche und Bedürfnisse. Es ist ein Sammelsurium an Dingen, die hereinspielen, die aber auch eine zunehmende Ineffizienz des Systems begründen.

Die Jungärztinnen und -ärzte wollen im niedergelassenen Bereich arbeiten, aber sie wollen in Teams arbeiten. Das unterscheidet sie auch von der älteren Generation. Wir beschließen deswegen heute eine Novellierung des Primärver­sorgungsgesetzes, weil Primärversorgungseinheiten in Zukunft neben Einzelordinationen und auch Gruppenpraxen eine wesentliche Rolle bei der Versorgung spielen.

Es hat an der Umsetzung gehapert, das wissen wir auch, darum ist diese Novelle auch sinnvoll. Wir beschleunigen und verkürzen die Auswahlverfahren, wir beziehen Fachärzte für Frauenheilkunde und Geburtshilfe ein, es wird Kinder-PVEs und auch multiprofessionelle Gruppenpraxen geben. Das ist eine sinnvolle Sache, eine Weiterentwicklung der Versorgung, aber ich sage es auch ganz offen immer wieder: Wir müssen neue Spielregeln aufstellen, um unser Gesundheits­system weiterhin sinnvoll effizient zu halten. Bei der Gesundheitskompetenz ist bei vielen unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger einfach Luft nach oben, und da appelliere ich an Eigenverantwortung und Hausverstand.

Viele informieren sich bei Doktor Google oder – wie bei Corona gesehen – lassen sich vom selbsternannten Obermedizinalrat Kickl und seinen teils lebensge­fährlichen Vorschlägen in die Irre führen. Mit absurden Selbstdiagnosen rennt


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man dann, ohne zu überlegen, in die Spitalsambulanz, die dafür nicht geeig­net ist. Kennen Sie die sozialmedizinische Faustregel? – Die gibt es und sie stimmt seit vielen Jahren: Von 1 000 Gesundheitsproblemen können 900 Fälle durch bloße Eigenverantwortung oder Hausverstand gelöst werden. Von den restlichen 100 brauchen 90 eine hausärztliche Versorgung und lediglich neun eine Fachrichtung. Das heißt, nur ein Fall von 1 000 ist stationär versorgungs­pflichtig.

Was heißt Eigenverantwortung? – Eigenverantwortung ist davon gekenn­zeichnet, dass sich Beschwerden durch eigenes Handeln lösen lassen oder sich nach kurzer Zeit wieder von allein verabschieden. Neun von zehn Beschwerden, also über 90 Prozent, lassen sich durch Eigenverantwortung lösen.

Ein Beispiel von vor drei Wochen aus einem Einkaufszentrum: Die schwangere Mitarbeiterin eines Bekleidungsgeschäftes hatte plötzlich Schwindel. Alle haben geschrien: Holt die Rettung! Spital, Infusion! – Nein: Hinsetzen, etwas trinken, nach ein paar Minuten war das erledigt. Das wäre Eigenverantwortung und nicht, dass man gleich nach Rettung und Spital ruft.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben in Österreich einen niederschwelligen Zugang zum Gesundheitssystem. Das ist gut so, aber wir müssen doch gewisse Pfade einhalten, damit die Spitalsambulanzen nicht völlig überfüllt sind, wie das derzeit oft der Fall ist. Ich sage immer wieder einen Spruch: Es geht einfach nicht mehr alles und nicht alles gleich und sofort!

Mit dieser Novelle ist ein wichtiger Schritt für eine Weiterentwicklung im Gesund­heitssystem getan. Es werden in den nächsten Monaten noch einige weitere folgen. Wir werden betreffend Arzneimittelsicherheit etwas tun, wir werden betreffend Ärzteausbildung etwas tun, wir werden auch betreffend Kassenstellen etwas tun und wir freuen uns auch, wenn der Herr Bundesminister dann im Rahmen des Großgeräteplans der Bundes-Zielsteuerungskommission im Herbst vieles beschließen wird. Ich denke da zum Beispiel an MR-Geräte für die oberösterreichischen Spitäler Grieskirchen, Kirchdorf und Freistadt. Das heißt,


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wir packen es im Sinne der Gesundheit gemeinsam an. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

11.25


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Peter Wurm. – Bitte.


11.25.42

Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Minister! Hohes Haus! Werte Zuseher! Wir diskutieren heute das, was sehr, sehr viele Frauen kennen werden, den Mutter-Kind-Pass. Ich habe einen (einen Mutter-Kind-Pass in die Höhe haltend) von meiner Mitarbeiterin mitgenommen. Da steht oben „Mutter“ und darunter steht „Kind“. (Abg. Disoski: Super! Toll!) Das ist eine Geschichte, die über Jahrzehnte super funktioniert hat. (Abg. Neßler: Das hat nicht so gut funktioniert, Peter!) Was man auch zugestehen muss: Das war ein Erfolg einer damals großartigen Partei, der Sozialdemokratie – mit Betonung auf „damals“, muss ich sagen –, in der auch ganz, ganz tolle Politikerinnen waren, die im Sinne der Frauen in Österreich einen Meilenstein gesetzt haben: den Mutter-Kind-Pass.

Jetzt diskutieren wir den Eltern-Kind-Pass. (Abg. Pfurtscheller: Na stell dir vor!) Sie streichen „Mutter“ raus und schreiben „Eltern“ drauf. (Abg. Kickl: Gerade die ÖVP! – Abg. Pfurtscheller: Ja, weil ein Kind Eltern hat!) Jetzt sollte man vielleicht noch einmal erklären: Wofür wurde der Mutter-Kind-Pass entwickelt? (Zwischenruf der Abg. Pfurtscheller. – Abg. Disoski: Hat ein Kind Eltern oder nicht?) Zum Schutz der Mütter, der Frauen, der Mutter und des Kindes in der Gesundheitsvorsorge. Das hat super funktioniert. (Abg. Kickl: Der Vater ist ja gesundheitlich etwas weniger von der Schwangerschaft betroffen!) Jetzt aber schreiben Sie Eltern-Kind-Pass drauf. Meine erste Frage an Frau Kollegin Neßler wäre: Frau Kollegin Neßler, haben die Väter dann auch Untersuchungen? (Abg. Belakowitsch: Die sind auch schwanger! – Abg. Neßler: Der Vater ist aber auch für


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die Gesundheit des Kindes zuständig!) Gibt es Väteruntersuchungen? (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ.)

Ja, liebe Zuschauer, die Fragestellung an die Grünen ist, ob die Väter jetzt auch Gesundheitsuntersuchungen haben. (Abg. Kickl: Da sollte man einmal rausschauen zur Bevölkerung!) – Haben Sie natürlich nicht, geschätzte Väter, aber Sie werden jetzt auch verstehen, warum ich - - (Abg. Neßler: Habe ich als Mann keine Verant­wortung?) Wir hatten diese Diskussion schon vor einem Monat hier im Plenum. (Zwischenrufe bei ÖVP, FPÖ und Grünen.) Das hat bei mir, auf meinen Social-Media-Kanälen, ein riesiges Echo ausgelöst – ein riesiges Echo! (Abg. Pfurtscheller: Ja, weil das dermaßen eine Blödheit ist, was Sie da von sich geben!) –, und ich fasse es zusammen, Frau Kollegin Pfurtscheller von der – ehemals – ÖVP und Kol­legen von den Grünen: Die Zusammenfassung der Rückmeldungen der Frauen, die mir geschrieben haben, ist: Die haben einen Schuss! (Heiterkeit, Beifall und Bravorufe bei der FPÖ.) Ich weiß nicht, ob das ein Ordnungsruf ist. Das war die Kurzversion, an Sie beide: Ihr habt einen Schuss!, das haben mir die Frauen geschrieben. (Abg. Pfurtscheller: Das schreiben Sie dir, aber mir schreiben sie es nicht! Warum wohl?!) Darauf will ich hinweisen.

Jetzt noch einmal: Wenn Frau Kollegin Heinisch-Hosek, die eine sehr, sehr kompetente Abgeordnete ist, das wissen wir alle, das hier zerreißt, dann solltet ihr einmal zum Nachdenken anfangen, denn ich glaube, dass wir da grund­sätzlich Differenzen haben (Abg. Pfurtscheller: Unheilige Allianzen sind das, Herr Wurm! Sehr unheilige Allianzen, die du da betreibst! Schäm dich! – Zwischenruf des Abg. Kickl), aber da sind wir einer Meinung.

Das ist ja das, was ich so verwerflich finde: Wenn sich von euch jemand hier herausstellt und sagt, ihr habt diese Einsprüche und diese Stellungnahmen eingearbeitet, ist das schlichtweg eine Unwahrheit; Lüge sage ich nicht, es ist eine Unwahrheit. Ich habe sie mit (ein Schriftstück in die Höhe haltend), man kann sich das ja elektronisch anschauen. Ihr habt nichts eingearbeitet – gar nichts! Die Bedenken – und ich sage es noch einmal – kommen ja nicht von uns, die kommen von Rechtsanwälte für Grundrechte, von der Datenschutzbehörde. Alle


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stellen ganz eindeutig fest, dass das, was ihr vorhabt, schlichtweg ein Murks ist. (Zwischenruf der Abg. Neßler. – Abg. Belakowitsch: ... vom Justizministerium!)

Ich habe letztes Monat schon gesagt, ich oder wir haben überhaupt nichts dagegen, wenn Sie zusätzlich ein Modul für jene, die es wollen, anbieten, eine elektronische App, wenn das jemand haben will. Was Sie aber machen, ist, das (den Mutter-Kind-Pass erneut in die Höhe haltend) zu kübeln. Das kommt jetzt in den Mistkorb und es gibt nur mehr Elektronik – alles vollkommen elektro­nisch! – und eine Abhängigkeit und Kontrolle von Müttern. Das schafft ihr an, und das halte ich schlichtweg für einen Wahnsinn. Es ist unbeschreiblich. (Beifall bei der FPÖ.)

Warum passiert das? Es ist euch ja vollkommen egal! 30 Jahre werden diese Daten aufbewahrt, und ihr sagt, die Datensicherheit garantiert ihr. – Ja, Pustekuchen! Wer garantiert Datensicherheit? Es ist, wie es die Kollegin gesagt hat: Alle sensiblen Daten sind natürlich nicht sicher.

Was aber ist der Hintergrund? – Euch geht es nicht um die Sicherheit der Kinder oder der Mütter, euch geht es um ein ideologisches Projekt. (Abg. Pfurtscheller: So ein Blödsinn! –  Abg. Neßler: Die Digitalisierung ist ein ideologisches Projekt? – Abg. Pfurtscheller: Digitalisierung ist ideologisch, oder was? Bei der FPÖ wahrscheinlich schon! – Abg. Neßler: Wieso ist die Digitalisierung ideologisch?)

Da spielt ihr als ÖVP, als christlich-soziale Partei und ehemalige Familienpartei, mit. Ihr streicht den Begriff „Mutter“ und nehmt einen neutralen Begriff, weil ihr das nicht mehr haben wollt. Das Weltbild Mutter, Vater, Kind wollt ihr von der ÖVP nicht mehr. (Abg. Pfurtscheller: Wieso denn nicht?) Das erklärt einmal draußen euren Wählern, die ihr noch habt! Erklärt ihnen das einmal! Die ÖVP streicht die Mutter aus dem Weltbild. Das macht ihr damit!

Noch einmal zur Erklärung an die ÖVP – bei den Grünen habe ich es aufge­geben –: Biologisch gibt es – ihr habt ja auch einige Wissenschafter da, da könnt ihr ja nachfragen – ein männliches Geschlecht und ein weibliches Geschlecht,


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und Frauen bringen Kinder zur Welt. Das ist Biologie. Das sind keine Fakenews. Ich hoffe, die Wissenschaft kann mich unterstützen. (Heiterkeit bei der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Weratschnig.)

Möglicherweise wollt ihr aber – ich sage es jetzt einmal bewusst – eine Zeit haben, in der das vielleicht einmal hinfällig ist, in der man Retortenbabys aus irgendwelchen Sachen zusammenmischen und mit KI ausstatten kann. Ist das die Vision, die ihr habt? (Abg. Hörl – die sogenannte Scheibenwischerbewegung machend –: Spinnst du eigentlich?) Mutter, Vater, Kind, Männer, Frauen (Abg. Weratschnig: Das sind die Eltern!) – das wäre eigentlich die Idee gewesen: der Schutz der Frauen und der Schutz der Kinder. Das kübelt ihr.

Ich kann euch eines versprechen: Bevor der Minister das in Gang bringt, werden wir so viele Stimmen haben, dass wir das aufrechterhalten. Das kann ich allen Frauen draußen versprechen. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Schmuckenschlager.) Geben Sie uns bitte Ihre Stimme! Geben Sie uns Ihre Stimme! Wir werden diesen Mutter-Kind-Pass für Frauen erhalten und selbst­verständlich, wenn es jemand will, freiwillig eine App anbieten. Da spricht nichts dagegen. (Abg. Disoski: Wir beschließen das, Peter, dir ist das schon bewusst! – Abg. Neßler: Peter, wir beschließen das heute!)

Das ist ja nur ein Beispiel. Ihr zerstört die Wahlfreiheit auf allen Ebenen. Ihr fahrt drüber. (Heiterkeit des Redners sowie der Abg. Neßler. – Abg. Disoski: Da musst du ja selber lachen!) Eine Frau kann nicht entscheiden, Frau Kollegin Neßler: Ich will das oder die App haben! Das ist gestorben. Es gibt nur mehr Elektronik, es gibt nur mehr elektronische Daten. (Zwischenruf des Abg. Zorba.)

Geschätzte Frauen, noch einmal: Wenn Sie es mir nicht glauben, schauen Sie sich die Stellungnahmen an! Die kann man auf der Parlamentsseite abrufen. Es ist eindeutig so – das geht ein bisschen unter –: Das, was da passiert, ist eine ideologische Veränderung Österreichs, bei der Sie von der ÖVP mitspielen.


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(Zwischenruf des Abg. Hörl.) Ich hoffe, die Wähler werden euch die Rechnung präsentieren. (Beifall bei der FPÖ.)

11.32


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Meri Disoski. – Bitte.


11.32.50

Abgeordnete Mag. Meri Disoski (Grüne): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Fürchtet euch nicht, mag man dem Kollegen Wurm und seinen Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ zurufen. (Abg. Belakowitsch: O ja, vor euch muss man sich schon fürchten!) Der Fortschritt kommt. Er ist nicht aufzuhalten, auch von euch nicht. (Beifall bei den Grünen.)

Ich darf uns alle aus den 1950er-Jahren der FPÖ wieder in die Gegenwart zurückholen und tatsächlich zu dem kommen, worum es eigentlich geht, nämlich um die Weiterentwicklung des Mutter-Kind-Passes zum Eltern-Kind-Pass. (Abg. Belakowitsch: Um eure Ideologie geht es!) Die werden wir heute hoffentlich mit großer Mehrheit beschließen, so wie wir auch damals im Ausschuss den Eltern-Kind-Pass – übrigens einstimmig – auf den Weg gebracht haben.

Es ist jetzt schon mehrfach gesagt worden: Den Mutter-Kind-Pass gibt es seit 1974. Er soll einen sicheren Schwangerschaftsverlauf bis zur Geburt gewährleisten und auch die frühkindliche Gesundheitsversorgung sicherstellen. Dieser Pass hat seit seiner Einführung – ich glaube, das kann man gar nicht oft genug betonen – tatsächlich erheblich zur Reduzierung der Säuglingssterb­lichkeit beigetragen. Er ist ein absolutes Erfolgsprojekt. Dieses Erfolgsprojekt bringen wir jetzt in die Gegenwart.

Der Grund und auch die Grundlage dafür war übrigens ein Rechnungshof­bericht – oder Empfehlungen des Rechnungshofes – aus dem Jahr 2014. Damals hat der Rechnungshof gesagt, der Mutter-Kind-Pass soll weiterentwickelt


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werden. Es hat bestimmte Vorschläge gegeben, die dann von einer Facharbeits­gruppe ausgearbeitet und danach auch hier – ich möchte das ausdrücklich betonen – als Fünfparteienbeschluss auf den Weg gebracht worden sind.

Was ändert – Veränderung: das große Angstbild der FPÖ – sich jetzt? – Der Pass wird digitalisiert. Er wird in mehreren Sprachen zur Verfügung gestellt, und – ganz wichtig (Abg. Kickl: Das ist auch ganz wichtig! – Abg. Belakowitsch: Das Wich­tigste überhaupt!) – wir bauen die Leistungen aus. Es gibt zum Beispiel künftig einen zweiten Hebammentermin und auch einen verpflichtenden Hörtest für Neugeborene. Übrigens gilt der Pass künftig auch bis zum 18. Lebensjahr. Auch das ist eine Neuerung. (Beifall bei den Grünen.)

Wir haben schon gehört, wovor sich die FPÖ am meisten fürchtet: Der Mutter-Kind-Pass wird in Eltern-Kind-Pass umbenannt. Wichtiger als diese Umbe­nennung scheint mir eine Tatsache zu sein, die heute noch niemand hier erwähnt hat, deswegen will ich sie noch einmal ausdrücklich betonen: Endlich kommt nach knapp 30 Jahren die Valorisierung der Leistungen von Ärztinnen und Ärzten, die da wichtige Arbeit leisten und denen ich an dieser Stelle auch einmal Danke sagen möchte. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Diese Maßnahmen, die ich ausgeführt habe, sind ja – ich glaube, da sind wir uns hoffentlich einig; bei euch (in Richtung FPÖ) bin ich mir nicht sicher oder eigentlich sehr sicher (Heiterkeit des Abg. Wurm) – lauter sinnvolle und längst überfällige Maßnahmen, die die Gesundheitsversorgung der Schwangeren und auch von Kindern verbessern. Es sollte ja in unser aller Interesse sein, das zu tun.

Kollegin Fiedler von den NEOS hat es vorhin erwähnt und auch ich bin als Frauensprecherin in den letzten Wochen und Monaten öfters darauf angesprochen worden, deswegen möchte ich das hier auch noch einmal unmissverständlich und klar festhalten: Schwangerschaftsabbrüche werden aktuell nicht erfasst. Das wird auch künftig so sein. Daran ändert auch der


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elektronische Eltern-Kind-Pass nichts. (Abg. Heinisch-Hosek: Das stimmt nicht! Sie werden ja schon jetzt ...!)

Für uns Grüne ist klar: Das Recht, darüber zu entscheiden, ob eine Frau eine Schwangerschaft fortführen möchte oder nicht, ist bei der Frau und für uns nicht verhandelbar. Daten über Abtreibungen, Schwangerschaftsverluste oder Fehlgeburten werden nicht gesammelt. Daran ändert auch die Digitalisierung nichts. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Pfurtscheller.)

Wenn die FPÖ jetzt hier beweint, Mütter würden durch die Umbenennung unsichtbar gemacht werden (Abg. Belakowitsch: Ist auch so!), dann kann ich eigentlich nur den Kopf schütteln, mir die Augen reiben und mich fragen: Wen wollt ihr eigentlich veräppeln? Gleichzeitig macht ihr Frauen ständig systematisch unsichtbar, auch hier im Parlament. Man braucht nur in euren Parlamentsklub zu schauen, ihr habt 30 Abgeordnete, davon sind 26 Männer und vier Frauen. Sichtbarkeit und Repräsentanz schauen anders aus. (Zwischenrufe der Abgeordneten Belakowitsch und Martin Graf.)

Oder schauen wir nach Niederösterreich, wo die FPÖ leider gemeinsam mit der ÖVP ein Genderverbot erlassen hat und wo Udo Landbauer, FPÖ-Chef in Niederösterreich, es nicht über die Lippen bringt, sich Landeshauptfrau­stellver­treter zu nennen (Abg. Hauser: Ist ja richtig so!), obwohl er genau das ist: Landeshauptfraustellvertreter, der Stellvertreter von Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner. Wie aber nennt er sich? – Landeshauptmannstellvertreter. (Abg. Kickl: Recht hat er! Recht hat er! – Abg. Stögmüller – in Richtung FPÖ –: Lächerlich!) Er vertritt eine Frau, macht diese aber sprachlich unsichtbar. Wie sehr kann bitte ein Mann mit einem Titel hadern? Wie fragil kann Männlichkeit sein? (Beifall bei den Grünen.)

Wie besessen kann eine Partei vom Thema Gendern sein? Im März hat die FPÖ eine Petition gegen den von Ihnen so bezeichneten Genderwahn eingebracht. Jetzt kommt das Genderverbot in Niederösterreich (Bravoruf des Abg. Kickl), und


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heute – wir haben es gerade von Kollegen Wurm gehört – wettern Sie gegen den Eltern-Kind-Pass.

Sie sind diejenigen, die ständig das Thema Gendern hochhängen, um sich dann tage- und wochenlang darüber zu echauffieren. Gleichzeitig sagen Sie aber, die Sorgen der von Ihnen so bezeichneten kleinen Leute werden nicht berück­sichtigt. Dann machen Sie das endlich! (Abg. Kickl: Sie sollten sich um sich selber kümmern, wenn ich mir Ihre Prozente anschaue!) Machen Sie Politik für die kleinen Leute, so wie Sie es vorgeben, und hören Sie endlich auf mit Schrödingers Genderwahn, dem Sie hier frönen! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Kickl: Für was brauchen Sie überhaupt eine Frauensprecherin? Ich verstehe das nicht! Wozu soll das gut sein, dass ihr eine Frauensprecherin habt? Es ist eh alles fluid! – Abg. Disoski – auf dem Weg zu ihrem Sitzplatz –: Das glaube ich eh, dass du das nicht verstehst! – Abg. Schallmeiner: Mein Gott!)

11.37


Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Herr Klubobmann Philip Kucher zu Wort. – Bitte.


11.38.03

Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Erlaubt mir, dass ich eingangs im Namen von Rainer Wimmer eine Besuchergruppe aus Bad Goisern begrüße. Schön, dass ihr da seid! Herzlich willkommen im Parlament! (Allgemeiner Beifall.)

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich fange die Debatte zur Gesund­heitspolitik gerne immer bewusst selbstkritisch an und möchte als Sozial­demo­krat auch immer fragen: War alles perfekt, als die Sozialdemokratie die Verantwortung für das Gesundheitssystem gehabt hat? – Natürlich nicht.

Der Unterschied zu den vergangenen Jahren, in denen vor allem die ÖVP und die Freiheitlichen im Gesundheitssystem gewütet haben, ist aber, dass


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wir Tag und Nacht dafür gekämpft haben, das österreichische Gesundheits­system für alle Menschen besser zu machen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Kaniak.) Uns ist es nicht egal, wenn es Fehlentwicklungen gibt, die wir alle jetzt auch jeden Tag hautnah miterleben. (Zwischenruf des Abg. Schmuckenschlager.) Uns ist es nicht egal, dass Gesundheitsberufe am Limit sind, dass es noch immer einen Unterschied macht, ob man sich gewisse Dinge leisten kann oder nicht, dass wir heute in Österreich eine Zweiklassenmedizin haben (Abg. Belakowitsch: Na, die haben wir schon länger!), bei der die Kreditkarte immer öfter wichtiger als die E-Card ist, dass die Menschen in Österreich inzwischen 1 400 Euro pro Jahr aus dem eigenen Sack für das Gesundheitssystem ausgeben müssen und wir bei den Gesundheitsausgaben längst nicht mehr ganz vorne mit dabei sind, sondern im Mittelfeld liegen.

Das sind Dinge, bei denen wir alle miteinander kämpfen müssen. Ich habe auch oft genug die Regierung kritisiert, es hat mich einfach geärgert, dass der Begriff Zweiklassenmedizin im Regierungsprogramm von ÖVP und Grünen nicht einmal vorgekommen ist.

Der Unterschied ist aber – das möchte ich heute positiv hervorstreichen –, dass wir heute – nach diesem Kahlschlag, den ÖVP und Freiheitliche zu verantworten haben – zumindest in einigen Bereichen erleben, dass es ein Umdenken gibt. Ich muss Kollegen Smolle für seinen Einsatz ganz herzlich Danke sagen.

Ich weiß, dass du mit dieser Maßnahme heute keinen Beliebtheitspreis gewinnst, dass es strukturkonservative Bereiche in der Standesvertretung gibt, die mit Veränderung keine Freude haben. (Abg. Kickl: Veränderung an sich ist kein Wert!) Das ist aber der Unterschied: dass du den Mut hast, dazu zu stehen, weil du sagst, es ist vernünftig, für Patientinnen und Patienten zu kämpfen. (Beifall bei Abgeordneten von SPÖ und Grünen.)

Nur: Diesen Schwenk, den die ÖVP gemacht hat und durch den wir heute mitei­nander etwas beschließen, hätte ich mir in Wahrheit auch von den Freiheitlichen erwartet, und da ist gar nichts gekommen. Die reden groß vom kleinen Mann.


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Ich bitte alle, die heute zuhören: Schaut euch an, was die Freiheitlichen im Bereich der Gesundheitspolitik fordern! Seit Hartinger-Klein, seit der Verantwor­tung, Herbert Kickl, die du Seite an Seite mit Hartinger-Klein für den Kahlschlag im Gesundheitswesen übernommen hast (Abg. Kickl: Ah, da bin ich auch verantwortlich?), wird es noch schlechter.

Ihr redet vom kleinen Mann und wollt den kleinen Mann noch kleinerhalten. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.) Kein einziger Vorschlag von der FPÖ hilft, dass das Gesundheitssystem für alle Menschen in Österreich besser wird. Es macht noch immer einen Unterschied, ob ich als Politiker ein Zahnimplantat brauche oder ob es meine Mutter braucht, die alleinerziehend vier Kinder großgezogen hat. (Abg. Kickl: Oder jemand, der seit zwei Wochen im Land ist und noch nie was gezahlt hat!) Das ist das Ergebnis von freiheitlicher Politik und Hartinger-Klein.

Heute habt ihr einen einzigen Vorschlag gemacht. Der Vorschlag der FPÖ zum Ärztemangel und dazu, dass die Menschen immer mehr ausgeben müssen und mehr als drei Millionen Menschen in Österreich inzwischen privat versichert sind, heute war: Vermischen wir die Kassenärzte mit den Privatärzten! (Abg. Kickl: Die Wiener Kassenärzte werden belagert von Leuten, die keine Österreicher sind!) Das heißt dann ganz konkret: Am Montag, Dienstag, Mittwoch geht man zum Kassenarzt. Da kriegt man vielleicht in vier Wochen einen Termin. Wenn man schneller einen haben will, dann zahlt man halt dazu. Das ist freiheitliche Gesundheitspolitik. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Kickl: Du glaubst teilweise, du bist nicht in Österreich, mein lieber Freund! – Zwischenruf des Abg. Wurm.)

Es war die FPÖ, die vorgeschlagen hat – das vergisst man ja alles –, wir sollten in Krankenhäusern eine Sonderklasse in der Notaufnahme einführen. Da hat es Vorschläge gegeben, da hat man sich nicht einmal entblödet, zu sagen: Machen wir so einen Loungebereich wie am Flughafen, mit Laptoparbeitsplätzen und vielleicht ein paar netten Zeitungen, sodass dann das Warten in der Ambulanz in


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der Sonderklasse kommoder ist! Das ist freiheitliche Gesundheitspolitik. Das habt ihr zu verantworten!

Kein einziger Vorschlag ist heute gekommen, wie wir das Gesundheitssystem in Österreich stärken können, wie wir dafür sorgen können, dass es keinen Unterschied macht, ob man in der Stadt oder auf dem Land lebt, ob man als Fliesenleger oder als Lehrerin arbeitet, dass es gleich gute Gesundheitsver­sorgung für alle Menschen gibt. Deswegen ist es wichtig, dass wir heute hier im Bereich der Primärversorgung Maßnahmen setzen, weil es nicht sein kann, dass wir den Leuten ausrichten: Zahlt Ambulanzgebühren, wenn ihr ins Krankenhaus geht!, wenn es nicht flächendeckend Ärztinnen und Ärzte gibt, die für die Patientinnen und Patienten da sind. Es ist unser Job, dafür zu sorgen.

Das wird nicht alles reparieren, aber es ist ein wichtiger Beitrag dazu, dass wir das Gesundheitssystem in Österreich verbessern.

Ein letzter Punkt, weil der Ärztemangel sehr oft Thema war: Wir werden in zehn Jahren eine dramatische Situation haben – das kommt mit Riesenschritten auf uns zu –, und wenn wir heute nicht dafür sorgen, dass wir mehr Ärztinnen und Ärzte ausbilden, wird uns das in zehn Jahren in einer Dramatik einholen, dass das, was wir jetzt gerade im Bereich der Pflege erleben, nur das Vorspiel ist.

Kämpfen wir wirklich dafür, dass wir mehr Ärztinnen und Ärzte in Österreich ausbilden, dass wir die Gesundheitsversorgung flächendeckend verbessern! Das heute ist wie gesagt ein erster Schritt, den wir unterstützen, nicht, weil es wie bei den Freiheitlichen um Parteipolitik geht, sondern weil es den Menschen in Österreich dient. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

11.43


Präsidentin Doris Bures: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Abgeordneter Gerhard Kaniak zu Wort gemeldet. – Bitte.



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11.43.16

Abgeordneter Mag. Gerhard Kaniak (FPÖ): Abgeordneter Kucher hat gerade behauptet, die FPÖ hätte im Rahmen ihrer Regierungsbeteiligung von 2017 bis 2019 einen „Kahlschlag im Gesundheitswesen“ durchgeführt. (Abg. Kucher: Wo ist die Patientenmilliarde? Wo ist sie denn? – Abg. Stöger: Gebietskrankenkassen zerstört!)

Ich berichtige tatsächlich: Die Sozialversicherungsreform hat die gesetzlichen Rahmenbedingungen geschaffen, damit in der Organisation der Sozialver­sicherung bis zu 1 Milliarde Euro über eine Legislaturperiode eingespart werden kann, die dann den Patienten zugutekommt. (Abg. Kucher: Ja! Hat super funktioniert! Hat super funktioniert! – Abg. Kickl: Ja, wenn ihr nicht weitertut! – Ruf bei den Grünen: So ein Schwachsinn! So ein Schwachsinn!)

Des Weiteren berichtige ich tatsächlich: Abgeordneter Kucher hat behauptet, die Freiheitliche Partei hätte im Rahmen der Debatte Loungebereiche in Spitälern vorgeschlagen. – Ich korrigiere: Im Rahmen der Debatte um Sonder­klasse bei ambulanten Behandlungen in den Spitälern hat Abgeordneter Kucher selber den Vergleich mit dem Flughafen gebracht. Der kam nicht von der FPÖ. (Beifall bei der FPÖ. – Ruf bei der SPÖ: Wo ist denn jetzt eigentlich die Patien­tenmilliarde?)

11.44


Präsidentin Doris Bures: Frau Abgeordnete Elisabeth Pfurtscheller, Sie gelangen zu Wort. – Bitte.


11.44.20

Abgeordnete Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher:innen hier auf der Galerie und vor den Bildschirmen! Herr Kollege Klubobmann Kickl hat mir gerade meinen Eingangssatz gegeben. Er hat nämlich herausgeschrien: „Veränderung [...] ist kein Wert!“ (Abg. Kickl: An sich! Ist kein Wert „an sich“!) – Genau! Darf ich aussprechen? Da kann man zustimmen:


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„Veränderung an sich ist kein Wert“. Jetzt darf ich reden, Herr Kollege, vielen Dank.

Weiterentwicklung ist aber ein Wert. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Abg. Kickl: Nein, auch nicht! Nein, nein, nein! Sie können sich auch weiter wie Sie in die falsche Richtung entwickeln!) Weiterentwicklung ist ein Wert, und Weiterentwick­lung ist unsere Aufgabe hier in diesem Hohen Haus, denn es ist ja ganz klar für uns alle hier und auch den Zuhörerinnen und Zuhörern verständlich, dass wir als Politiker und Politikerinnen gewählt sind, um dieses Land weiterzuentwickeln. (Abg. Kickl: In die falsche Richtung! – Abg. Wurm: Ja, eben! Die Richtung ist wichtig: Wohin geht’s?)

Die FPÖ sieht das anscheinend anders, denn die Herren Kollegen schreien schon wieder die ganze Zeit heraus. Das lässt mich vermuten, dass die Herren Kollegen und Kolleginnen von der FPÖ nicht für Weiterentwicklung, sondern für Rück­schritt sind, aber das ist eine eigene Geschichte. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Abg. Kickl: Was heißt denn eigentlich konservativ, Frau Kollegin? Erklären Sie mir das einmal!)

Ich bin sehr froh, dass ich heute endlich die Gelegenheit habe, einmal hier öffentlich auf Kollegen Wurm zu replizieren, der dermaßen viele Unwahrheiten, was den Eltern-Kind-Pass betrifft, hier herausgeworfen hat, dass man das schon auch einmal in das rechte Licht rücken muss.

Wir haben diesen Pass Eltern-Kind-Pass genannt, weil es einer Tatsache entspricht, dass jedes Kind Eltern hat. (Beifall bei ÖVP und Grünen.) Ein Kind hat Mutter und Vater, in manchen Fällen auch Mutter und Mutter oder Vater und Vater, aber zum großen Teil eben Mutter und Vater. Wir von der ÖVP sind absolut dafür und stehen dazu, dass sowohl Mutter als auch Vater für dieses Kind Verantwortung zu übernehmen haben, und das tun sie im Normalfall auch gerne.


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Deswegen ist es uns wichtig, diesen Pass jetzt Mutter-Vater-Kind-Pass oder kurz Eltern-Pass zu nennen (Zwischenrufe bei der SPÖ.) – nein, es ist nicht rück­schrittlich, Frau Kollegin Heinisch-Hosek –, weil es für uns ganz wichtig ist, dass beide Elternteile Verantwortung für ihr Kind haben.

Es ist ganz klar: Das Kind wird natürlich von der Mutter ausgetragen, es wird von der Mutter geboren (Abg. Belakowitsch: Ist das den Grünen auch klar?), aber ab dem Zeitpunkt, ab dem es auf der Welt ist, ist natürlich der Vater genauso gefragt, und der Vater kann genauso zu Untersuchungen gehen, zu Beratungen gehen (Beifall bei ÖVP und Grünen), der Vater kann sich genauso um die Gesundheit seines Kindes kümmern. (Abg. Wurm: Eine Frage: Wird der Vater auch untersucht? Bekommt der Vater eine Untersuchung?) – Herr Kollege Wurm, lassen Sie mich einmal ausreden! Der Vater wird nicht untersucht, aber er kann mitgehen, er kann die Verantwortung übernehmen (Abg. Belakowitsch: Das kann er ja jetzt auch schon!) und mit den Kindern zum Arzt gehen. Warum soll er das nicht tun? (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Herr Kollege Wurm, ich habe mir ziemlich lang durch den Kopf gehen lassen, warum Sie so sehr dagegen sind, dass sich die Väter an der Gesundheits­entwicklung ihrer Kinder beteiligen, und ich weiß es jetzt. (Abg. Kickl: Sie merken ja nicht, wie sehr Sie den Grünen auf den Leim gehen! Sie merken das nicht einmal!) Mir ist es vorhin eingefallen, als Herr Kollege Kickl hereingekommen ist: Die Väter haben keine Zeit dafür. Wissen Sie, warum sie aus Sicht der FPÖ keine Zeit haben? – Weil sie an der Festung Österreich bauen müssen. (Beifall bei ÖVP, Grünen und NEOS. – Abg. Belakowitsch: Ja! Genau!) Sie müssen an der Festung Österreich bauen und haben deswegen keine Zeit, sich um ihre Kinder zu kümmern und mit ihnen zum Arzt oder zur Beratung zu gehen, und diese Festung Österreich brauchen wir so dringend, damit Herr Kickl wieder mit einer Uniform auf einem Pferdchen sitzen kann. Das ist der Hintergrund dazu. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Abgeordneten der NEOS.)

Sie werden verstehen, Herr Kollege Kickl und Herr Kollege Wurm, dass wir dem nicht zustimmen können und dass wir das jetzt für nicht notwendig halten:


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weder die Festung, noch dass Sie jemals wieder auf einem Pferdchen sitzen. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.) Deswegen werden wir diesen Eltern-Kind-Pass heute beschließen, und ich bin sehr froh, dass Väter in Zukunft mehr eingebunden werden und möchte noch betonen, dass mir sehr, sehr bewusst ist, dass es viele Väter gibt, die sich auch heute schon bemühen. Ich möchte alle anderen Väter gerne dazu aufrufen, sich mehr einzubringen. Wir Frauen wünschen uns das. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Abgeordneten der NEOS.)

11.49


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dagmar Belakowitsch. – Bitte.


11.49.37

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundes­minister! Zunächst einmal, Frau Kollegin Pfurtscheller, herzlichen Dank für die Aufklärung, dass die ÖVP Sicherheitspolitik jetzt ganz abgeschrieben hat. (Beifall bei der FPÖ.)

Sie haben hier ja wortwörtlich gesagt, Sie lehnen die Festung Österreich ab. (Abg. Höfinger: Das sind aber zwei Paar Schuhe! – Weiterer Zwischenruf bei der ÖVP.) Sie haben es ja auch schon bewiesen. Gestern in der Nacht haben Sie ja auch den Zugang zum Arbeitsmarkt für Drittstaatsangehörige ohne Rot-Weiß-Rot-Karte erleichtert – also Sie machen alles, damit die Zuwanderung in Österreich zunimmt. Das ist großartig, vielen Dank für die Aufklärung! Die Österreicherinnen und Österreicher werden es Ihnen danken. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Es geht auch um den Mutter-Kind-Pass. Frau Kollegin Pfurtscheller, auch jetzt schon konnten Väter zur Untersuchung mitgehen, allein: Sie wurden nicht untersucht, sie haben zugeschaut und sie haben sich vielleicht das Ultraschallbild mit angesehen. (Abg. Pfurtscheller: Das ist ja nicht die Frage ...! – Abg. Steinacker:


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Das ist nicht die Intention dieses Passes!) All das ist jetzt schon möglich, das ist überhaupt kein Thema.

Wie auch immer Sie den Pass jetzt nennen – Eltern-eins-Pass, Eltern-zwei-Pass, Eltern-Pass; keine Ahnung, was Ihnen da alles noch vorschweben wird –, Sie haben selber gesagt, es ist so in Ihrer Welt – und es ist auch in meiner Welt so –: Frauen bekommen Kinder und werden dann zu Müttern. – Bei den Grünen sieht man das ein bissel anders. Das müssen Sie aber mit dem Koalitionspartner ausmachen. (Zwischenrufe bei den Grünen.) Der Mutter-Kind-Pass dient der Gesund­heitsuntersuchung der werdenden Mutter, also der Frau, nicht der Gesundheitsuntersuchung des Vaters. Dafür wurde er nie eingeführt. (Beifall bei der FPÖ.)

Und ja: Es kann passieren, dass der Vater während der Schwangerschaft viel­leicht ein gesundheitliches Problem bekommt, vielleicht kriegt er Grippe, vielleicht sogar Corona – kann alles passieren. Das werden Sie aber mit Ihrem Pass gar nicht erkennen. (Abg. Pfurtscheller: Gibt’s ja nicht, Corona! Nach eurem Diktum gibt’s Corona ja gar nicht, also warum erwähnen Sie das?) Das werden Sie mit Ihrem Pass deswegen nicht erkennen, weil Sie ja die Väter gar nicht untersuchen.

Was Sie von der Österreichischen Volkspartei – eine ehemalige Familienpartei – gemacht haben: Sie beteiligen sich an dem linksideologischen Projekt der Grünen, dem Auflösen der Familienstrukturen. (Abg. Schmuckenschlager: Ja, aber „Eltern“ ist linksideologisch?!) Das ist das, was Sie jetzt machen. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Höfinger: Ja, Familie und Eltern! – Abg. Steinacker: Eltern sein ist linksideologisch! – Abg. Höfinger: Okay, Eltern ist linksideologisch bei den Freiheit­lichen! Sehr interessant: Eltern ist linksideologisch! Das schreib ich auf, auf ein großes Plakat!)

Zukünftig gibt es nur noch die Eltern, Eltern eins und Eltern zwei. Die Entwicklung in England zeigt es uns ja schon: Muttermilch darf dort nicht mehr Muttermilch genannt werden, sondern nur noch Milch des stillenden


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Elternteils. – All das ist die Ideologie. (Abg. Höfinger: Ja genau; ich glaub’, Sie sind im falschen Film, Frau Kollegin!) Den Weg bereiten Sie als ÖVP hier gerade mit auf, und dessen sollten Sie sich einmal bewusst sein. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Höfinger: Ja, ja! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Diese Kleinstpartei macht das Schritt für Schritt, die nehmen 95 Prozent der sogenannten normalen Menschen in diesem Land in ihre Geiselhaft – für ihre Ideologie. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Höfinger: Eltern passt den Freiheitlichen nicht! – Zwischenrufe bei den Grünen.)

Passen Sie auf! Machen Sie sich doch nicht permanent zum willfährigen Gehilfen dafür, sondern versuchen Sie, endlich wieder echte Werte in unserem Land zu manifestieren (Abg. Höfinger: Genau, genau! Eltern passt den Freiheitlichen nicht ins Konzept! – weitere Zwischenrufe bei der ÖVP): den Wert der Familie, den Wert von Eltern insgesamt.

Es geht aber um Frauen und Mütter, deren Gesundheit wesentlich und wichtig ist, und die müssen während der Schwangerschaft und während der Geburt überwacht werden. Väter sind – und das ist einfach biologisch so – in dem Fall Zuseher. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Wurm: Bravo ...! Gut erklärt! – Abg. Höfinger: Eltern sind bei den Freiheitlichen linksideologisch! Das ist eine tolle Aussage! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

11.53


Präsidentin Doris Bures: Nun ist Herr Abgeordneter Josef Muchitsch zu Wort gemeldet. – Bitte.


11.53.19

Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Ich möchte mich kurz zu Wort melden, weil das, was Abgeordneter Kaniak immer wieder und auch auf den sozialen Medien behauptet, nämlich dass es eine Patientenmilliarde gibt, ein derartiger Schwachsinn ist, dass es alle widerlegt haben.



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Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter, ich ersuche Sie, sich in der Ausdrucksweise zu mäßigen. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Wurm: Beppo!)


Abgeordneter Josef Muchitsch (fortsetzend): Das ist ein derartiges Unvermögen betreffend Wahrheit, das Abgeordneter Kaniak da zum Ausdruck bringt. Tatsache ist, dass der Rechnungshof das glatt bestätigt hat. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.) Das hat nicht 1 Milliarde Euro für die Versicherten gebracht. Auf vier Jahre hochgerechnet habt ihr den Versicherten 1 Milliarde Euro weggenommen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ihr wart letztendlich 2017 bis 2019 Steigbügelhalter – ich bin ja direkt froh, dass Ibiza gekommen ist, weil ihr sonst mit diesem Abbau im Gesundheitssystem weitergemacht hättet – bei einer Sozialversicherungsreform, bei der es um nichts anderes gegangen ist – nie um die Versicherten, sondern nur um eine Umfärbelungsaktion, um Arbeitgebern dort eine Mehrheit zu verschaffen, damit sie über die Beiträge der Versicherten und ihre Leistungen entscheiden. Das gibt es in ganz Europa nicht. Das gibt es nirgends auf der Welt, und das habt ihr mitgetragen und das habt ihr mit zu verantworten. (Abg. Kickl: Das, was ihr auf­führt, gibt’s auch sonst nirgendwo!)

Fakt ist: Ihr könnt nicht rechnen. Ja, ihr könnt nicht rechnen. (Lebhafte Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

Ihr verwechselt ein Plus mit einem Minus. (Heiterkeit des Redners. – Unruhe im Saal.) Ja, das ist euer Problem, und Fakt ist - -


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter! Ich kann ja solche Emotionskund­gebungen auch nachvollziehen, die gibt es öfter, aber jetzt würde ich darum ersuchen, dass man dem Herrn Abgeordneten am Rednerpult wieder das Ohr schenkt und den Zuhörern die Möglichkeit gibt, das auch zu hören. – Bitte. (Beifall bei der SPÖ. – Heiterkeit bei den Grünen. – Abg. Wöginger: 603 ...! – Abg. Kickl: Die lachen am Ende auch noch! – Ruf bei der ÖVP: Der war trotzdem gut!)



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Abgeordneter Josef Muchitsch (fortsetzend): Fakt ist, dass wir als Sozialdemo­kratie alles daran setzen werden, dass die Versicherten in ihrer Selbstverwaltung wieder selbst über ihre Beiträge und ihre Leistungen entscheiden können.

Das wollen wir den Versicherten wieder zurückholen, und das geht nur dann, wenn ihr nichts mehr zu sagen habt. Das ist die klare Botschaft, und ja, Fakt ist: Das, was da gemacht wurde, war letztendlich ein Raubzug auf Kosten der Versicherten. Das muss man immer wieder klarstellen – auch jedes Mal, wenn ihr da herauskommt und versucht, das schön zu verkaufen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Wöginger: So ein Blödsinn! Das ist einfach ein Blödsinn!)

11.56 11.56.18


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ist seitens der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Damit kommen wir zur Abstimmung, die ich über jeden Tagesordnungspunkt getrennt vornehme.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 1, den in der Regie­rungs­vorlage 2087 der Beilagen enthaltenen Gesetzentwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Primärversorgungsgesetz und das Allgemeine Sozial­versicherungsgesetz geändert werden, samt Titel und Eingang.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die dem die Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit so angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung. – Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Maßnahmen gegen den Ärzt:innenmangel“.


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Wer ist für diesen Entschließungsantrag? (Abg. Kickl: Ich hoffe, es ist euch nicht unangenehm!) – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Zusätzliche Kassen­vertragsstellen für Einzel- und Gruppenpraxen im Zuge der aktuellen Reform der Primärversorgungszentren“.

Wer spricht sich dafür aus? (Abg. Höfinger: Nicht einmal die halberten Freiheit­lichen sind dafür!) – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 2, den im Antrag 3463/A enthaltenen Gesetzentwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes­gesetz, mit dem nähere Regelungen zu einem Elektronischen Eltern-Kind-Pass getroffen werden, erlassen wird sowie das Gesundheitstelematik­gesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Kinderbetreuungsgeldgesetz und das Familienlastenausgleichsgesetz geändert werden, samt Titel und Eingang.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mit Mehr­heit so angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung. – Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung mit Mehrheit angenommen.

11.58.333. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (2046 d.B.): Bundesgesetz, mit dem ein Barrierefreiheitsgesetz erlassen sowie das Sozialministeriumservicegesetz geändert wird (2145 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir zum 3. Punkt unserer heutigen Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.


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Erste Rednerin: Frau Abgeordnete Bedrana Ribo. – Bitte.


11.59.09

Abgeordnete Bedrana Ribo, MA (Grüne): Frau Präsidentin! Geschätzter Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher:innen hier auf der Galerie und natürlich auch zu Hause! Das Barrierefreiheitsgesetz bringt deutliche Verbesserun­gen für Menschen mit Behinderung, aber auch für ältere Personen. Es sorgt dafür, dass blinde und sehbehinderte, gehörlose und hörbehinderte Menschen Angebote im Internet und technische Geräte ungehindert nutzen können. Hersteller:innen, Importeur:innen, Händler:innen von Produkten, aber auch Anbieter:innen von Dienstleistungen werden ab dem Juni 2025 zur Einhaltung von EU-weiten Barrierefreiheitsstandards verpflichtet. Da diese Regelung eine EU-Regelung ist, wird der Druck hoffentlich groß genug sein, damit eben auch diese digitalen Produkte und Dienstleistungen dem Gesetz entsprechend angepasst werden.

Konkret bedeutet das zum Beispiel, dass PCs, Notebooks, Tablets, Smartphones, also alles, was wir tagtäglich nutzen, barrierefrei nutzbar sein müssen. Auch Apps, Websites und Streamingdienste, die wir täglich nutzen, aber auch Onlineshops müssen in Zukunft für seh- und hörbehinderte Menschen optimiert werden. Weiters muss zum Beispiel die Bedienung der Menüs von Automaten – Bankomaten, Zahlungsautomaten – künftig barrierefrei möglich sein. Von dieser Verbesserung der Barrierefreiheit profitieren nicht nur Menschen mit Behin­derung im klassischen Sinne, sondern wir alle. (Beifall bei Abgeordneten von Grünen und ÖVP.)

Was heißt das konkret? – Zum Beispiel ist die Möglichkeit, die Schrift auf einer Website größer machen zu können, natürlich für Menschen mit einer Sehbe­hinderung essenziell und total wichtig, aber auch gut für all jene, die vielleicht ihre Lesebrille vergessen haben oder eben einfach ein bisschen größere Schriftarten brauchen – wie ich oft. In Zukunft wird auch zum Beispiel verpflich­tend sein, dass für Videos Untertitel angeboten werden. Das ist nicht nur für


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Menschen, die eine Hörbehinderung haben, praktisch, sondern auch dann, wenn man sich in Räumen befindet, in denen es zu laut ist, die Kinder zu laut sind. In solchen Fällen nutzen das viele Konsument:innen. Ich denke auch an die vielen Verträge bei der Bank: Man hat ja manchmal den Eindruck, nur Jurist:innen verstehen das, und wenn der Text in Leichter Sprache zu lesen ist, dann hilft das sehr, sehr vielen Menschen.

Für die Überwachung der Einhaltung der Regeln wird es eine neue Abteilung des Sozialministeriumservices geben; sie wird dafür zuständig sein. Es ist das erste Mal und wirklich ein Novum, dass Barrierefreiheit von Amts wegen geprüft wird. Das ist ein großer Schritt. Bisher war es immer so, dass Einzelpersonen von sich aus tätig werden und klagen mussten, um zu ihren Rechten zu kommen.

Bei Nichteinhaltung – das ist auch ganz wichtig – werden Verwaltungsstrafen ausgesprochen, die bis zu 80 000 Euro hoch sein können. Diese Strafgelder fließen nicht in das allgemeine Budget, sondern direkt in einen Unterstützungs­fonds für Menschen mit Behinderung. Damit werden weitere Teilhabe­projekte finanziert, die wiederum Barrierefreiheit et cetera fördern. (Beifall bei Abgeordneten von Grünen und ÖVP.)

Sie sehen, das sind große Schritte. Es ist uns auch bewusst, dass das Barriere­freiheitsgesetz nicht perfekt ist. Es ist ein Kompromiss, aber ein wichtiger Kompromiss und ein weiterer wichtiger Schritt für mehr Selbstbestimmung, Unabhängigkeit und Freiheit für Menschen mit oder ohne Behinderung.

Und weil es heute gut dazupasst: Wir haben den Monat Juli, und Juli steht ganz im Zeichen von Disability Pride – ich trage heute auch diesen Button. Diese Bewegung ruft Menschen mit Behinderung auf, dass sie sich zusammenschließen, dass sie für die gleichen Rechte und gegen Diskriminierung kämpfen und einstehen. Wir Grüne unterstützen das natürlich, und wir feiern die Vielfalt von Menschen, egal ob mit oder ohne Behinderung.


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Zum Schluss kann ich nur noch sagen: Sei stolz darauf, dass du du bist! – Danke. (Beifall bei Abgeordneten von Grünen und ÖVP.)

12.03


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Verena Nussbaum. – Bitte.


12.03.59

Abgeordnete Mag. Verena Nussbaum (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundes­minister! Hohes Haus! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher auf der Galerie! Mit dem uns vorliegenden Entwurf des Barrierefreiheitsgesetzes soll der European Accessibility Act auch in Österreich umgesetzt werden. Damit sollen die Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen europaweit, EU-weit, vereinheitlicht und damit auch der Zugang zu diesen Produkten erleichtert werden.

Es ist so, dass PCs, Smartphones, Spielekonsolen, auch Bankomaten und Fahr­kar­tenautomaten unter dieses Gesetz fallen, aber auch Dienstleistungen sind davon umfasst. So sind Dienstleistungen wie E-Banking, Videotelefonie, E-Books und SMS-Dienste zukünftig mit einheitlichen Barrierefreiheitsanforderungen ausgestattet.

Diese Harmonisierung ist ein absolut wichtiger Schritt, um unterschiedlichste Regelungen zu beseitigen, und ist natürlich begrüßenswert. Wir werden dieser Gesetzesvorlage auch zustimmen.

Was man aber schon anmerken muss, ist, dass die Betreiber von solchen Gerä­ten – nehmen wir zum Beispiel einen Fahrscheinautomaten her, ein Selbstbedienungsterminal – auf ihrer Homepage definieren müssen, wie die bauliche Umwelt herum ausschaut. Das heißt, es muss erläutert werden: Wie kommt man zu diesem Gerät? Welche Gerätehöhe ist gegeben? Welcher Wendekreis für Rollstuhlfahrer:innen ist da berücksichtigt? Welche Orientie­rungs­systeme gibt es? – Ja, so weit, so gut und wichtig, aber allein die


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Information dazu schafft leider noch keinen barrierefreien Zugang, denn es hilft mir nichts, wenn ich noch vier Stufen zu diesem Automaten zu bewältigen habe; dann ist die Barrierefreiheit leider nicht gegeben. Darum kritisieren wir schon, dass es sich wieder nur um eine Minimalumsetzung einer Richtlinie handelt. Es wäre natürlich wünschenswert gewesen, auch die bauliche Umwelt und den öffentlichen Personenverkehr in dieses Gesetz mit hineinzupacken, sodass wir tatsächlich zu einer Barrierefreiheit kommen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Ragger.)

Es ist natürlich auch die Aufgabe der Hersteller:innen, ihre Produkte in Überein­stim­mung mit den gesetzlichen Bestimmungen auf den Markt zu bringen. Kommen sie dem nicht nach, muss dies begründet werden, und wenn es nicht gesetzeskonform ist, müssen sie diese Produkte verbessern oder unter Umständen auch wieder vom Markt nehmen. Das zu überwachen, dafür ist das Sozialministeriumservice in Zukunft zuständig.

Zu den Verwaltungsstrafen – bis zu 80 000 Euro –: Wir wissen, wer solche Ter­mi­nals – nehmen wir Bankomaten her – erzeugt und produziert. Da sind 80 000 Euro nicht wirklich abschreckend, so wie es eigentlich in der Richtlinie gefordert worden wäre! Bei den Strafhöhen ist also durchaus noch viel Luft nach oben.

Was man aber sagen muss, ist natürlich, dass die Barrierefreiheit generell – wir haben das als SPÖ immer wieder in Anträgen eingebracht – sowohl im Bereich der IT als auch bei den baulichen Maßnahmen umgesetzt werden sollte. Deshalb möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass von uns immer wieder gefordert wurde und wird, dass diese Themenbereiche betreffend die Barrierefreiheit auch in die Lehrpläne der betreffenden Ausbildungen aufgenommen werden, denn nur durch die umfassende Berücksichtigung von Barrierefreiheit in allen Lebens­be­reichen können wir die UN-Behindertenrechtskonvention endlich auch einmal in Österreich vollständig umsetzen.


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Zum Abschluss möchte ich noch auf Folgendes hinweisen, liebe Kolleginnen und Kollegen: Es gibt während dieser Plenartage draußen in der Säulenhalle und im Empfangssalon die Sensibilisierungsangebote zur Barrierefreiheit und Inklusion. Bitte nehmt diese in Anspruch und schaut sie euch an! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

12.08


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Christian Ragger. – Bitte.


12.08.13

Abgeordneter Mag. Christian Ragger (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Minister! Ich darf inhaltlich zum Barrierefreiheitsgesetz sprechen. Wir haben es schon im Ausschuss gesagt, dass wir dem auch zustim­men werden. Ich möchte aber trotzdem an die Ausführungen von Kollegin Nussbaum anschließen, weil es sozusagen nur einen ganz kleinen Bruchteil dessen abdeckt, was wir eigentlich im Behindertenwesen vom Sozialministerium erwarten würden.

Wir beschließen heute zwar ein Barrierefreiheitsgesetz betreffend die Informa­tions- und Kommunikationstechnologie für Firmen mit mehr als zehn Mit­arbeitern oder mehr als 2 Millionen Euro Bilanzsumme; wir reden aber nicht darüber, wenn man auf dem Weg zum Bankomaten – der fällt ja in diesen Bereich der Informationstechnologie hinein – vier Stufen zu überwinden hat, wie Kollegin Nussbaum gesagt hat: Wie kommt denn jemand in einem Rollstuhl zu diesem Bankomaten? – Da vernachlässigen Sie es wirklich sträflich und fahrlässig, die entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen endlich umzusetzen.

Ich war gestern mit der österreichischen Behindertenanwältin zusammen. Sie hat nur den Kopf schütteln können, weil wir weder in den einzelnen gesetzlichen Ausformulierungen der neun Bundesländer bezüglich baulicher Adaptierun­gen die Ausbildung berücksichtigt haben, noch im materiellen Gesetz


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vorgesehen haben, dass es für Behinderte oder Menschen mit Beeinträchti­gungen da eine ganz klare Regelung gibt. Das gibt es nicht! Wenn man Architektur studiert: Da gibt es nicht einmal einen Beistrich dazu, ob es für Menschen mit Beeinträchtigungen eine Regelung gibt.

Was wollen wir also erreichen? Sie selbst werden sich sozusagen, ich sage es einmal auf gut Lavanttalerisch, heuer in der Schweiz die Watschn abholen müssen, denn der Nationale Aktionsplan führt dazu, dass Sie heuer bei der Staatenbewertung als Österreich am letzten Platz landen werden. Das ist aber etwas, das auch Ausfluss einer schwarz-grünen Bundesregierung ist! Ihre Handschrift für soziales Gewissen existiert nicht. Das ist der Unterschied, den wir bereits immer wieder aufgezeigt haben. (Beifall bei der FPÖ.)

Der zweite Teil, den es letztendlich zu bewerten gilt, ist am Ende des Tages: Wie mutig sind Sie, diesen Nationalen Aktionsplan umzusetzen? – Wir sprechen hier über ein Barrierefreiheitsgesetz, mit dem wir einen Bankomaten vielleicht barrierefrei machen wollen, aber Sie sind nicht in der Lage, den Ärmsten der armen Menschen, die eine Beeinträchtigung haben, statt eines Taschengeldes einen Lohn zu zahlen! (Beifall bei der FPÖ.) Sie sind nicht in der Lage, diesen Menschen, die eine Beeinträchtigung haben, eine Pension zu gewähren! (Beifall bei der FPÖ.)

Da muss ich mich fragen: Bitte was ist das für eine soziale Verantwortlichkeit, die Sie da an den Tag legen – Gust, du bist Sozialpolitiker! –, dass man das am Ende des Tages nicht zusammenbringt? Schauen Sie sich diese gesetzlichen Bestimmungen an! Das ist Ihre Chance – ansonsten werden wir es in der nächs­ten Periode erledigen. (Beifall bei der FPÖ.)

12.11


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Kira Grünberg. – Bitte.



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12.11.40

Abgeordnete Kira Grünberg (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Wenn Sie den Begriff Barrierefreiheit hören, woran denken Sie da als Erstes? – Wahrscheinlich geht es Ihnen so wie vielen anderen Menschen auch: Sie denken an Rampen und Aufzüge für mobilitätseingeschränkte Personen. Doch Barrierefreiheit umfasst sehr viel mehr. Es gibt nicht nur bauliche, sondern auch digitale, sprachliche und gesellschaftliche Barrieren, die weiter abgebaut werden müssen, denn Barrierefreiheit ist unabdingbar, damit Menschen mit Behinderungen ein selbstbestimmtes, unabhängiges und eigenständiges Leben führen können. Genau aus diesem Grund beschließen wir heute das Barrierefreiheitsgesetz. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Damit setzen wir nicht nur einen wichtigen Schritt zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention, sondern wir kommen auch der Herstellung einer umfassenden Barrierefreiheit einen weiteren Schritt näher.

Der Schwerpunkt des Gesetzes liegt eben nicht auf den baulichen Barrieren, sondern auf dem Abbau von Barrieren von Informations- und Kommuni­kationstechnologien. Wie wir schon gehört haben, umfasst es Produkte wie Smartphones, PCs, Geld- und Fahrkartenautomaten, aber auch Dienstleistungen wie beispielsweise E-Ticketing, E-Banking, Internetzugangsdienste oder auch Onlinefernsehdienste.

Um das Ganze jetzt ein bisschen greifbarer zu machen, möchte ich anhand eines Beispiels von einem Ticketautomaten für Fahrkarten erläutern, was umfassende Barrierefreiheit bedeutet. Wie muss so ein Fahrkartenautomat gestaltet werden, dass er für jede und jeden zugänglich ist?

Zunächst ist das Zweisinneprinzip ganz essenziell – also wenn man das Ganze mit zwei Sinnen erfassen kann, ist man der Barrierefreiheit schon einen Schritt näher. Das bedeutet, dass man zum Beispiel die Tastatur gut sichtbar macht, dass sie aber auch taktil, also gut zum Fühlen, ist, wie zum Beispiel mit der


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Brailleschrift; oder eben auch visuell und auditiv, dass es also eine Sprach­ausgabe gibt, sodass auch Menschen, die blind sind oder eine Sehbehinderung haben, den Ticketautomaten bedienen können.

Weiters ist es auch wichtig, dass der ganze Automat gut strukturiert und übersichtlich gestaltet ist, damit Menschen mit Lernschwierigkeiten ihn bedienen können. Für Menschen mit einer Sehbehinderung wiederum ist es ganz wichtig, dass zum Beispiel an einem Touchscreen die Texte oder auch die Symbole vergrößert werden können, der Kontrast erhöht werden kann, damit diese Personen auch alles wahrnehmen können. Zu guter Letzt ist es für Menschen, die eine Mobilitätseinschränkung oder motorische Einschränkungen haben, wichtig, dass die Tastatur so gewählt ist, dass es einen nicht zu großen Kraftauf­wand braucht, um die Tasten betätigen zu können, damit auch sie diese Automaten selbstständig bedienen können. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeord­neten der Grünen.)

An diesem Beispiel haben Sie jetzt gesehen, wie viele Barrieren es immer noch gibt und was alles nötig ist, um diese weiter abzubauen. Ja, es ist mir schon klar, dass Menschen mit Behinderungen in ihrem Leben immer wieder auf Hilfe angewiesen sein werden – manche mehr, manche weniger –, und das ist auch völlig in Ordnung so; trotzdem muss das klare Ziel sein, dass wir Menschen mit Behinderungen all diese Produkte und Dienstleistungen selbstständig, ohne fremde Hilfe bedienen und betätigen können, denn nur so ist es uns möglich, ein selbstbestimmtes und unabhängiges Leben zu führen. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Weratschnig.)

Das Barrierefreiheitsgesetz bringt aber nicht nur mehr gleichberechtigte Teil­habe für Menschen mit Behinderungen, sondern es stärkt auch den öster­reichischen Wirtschaftsstandort im EU-Binnenmarkt, denn alle Unternehmer können von der digitalen Barrierefreiheit profitieren: Barrierefreie Websites lassen sich zum Beispiel durch Suchmaschinen viel besser finden, auch die Zugänglichkeit ist dann für alle Menschen möglich und man erreicht eine viel größere Zielgruppe.


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Schaffen wir gemeinsam auch in Zukunft Barrieren ab und ermöglichen wir somit Menschen mit Behinderungen ein selbstbestimmtes Leben! – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

12.16


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Fiona Fiedler. – Bitte.


12.16.48

Abgeordnete Fiona Fiedler, BEd (NEOS): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! (Die Begrüßung auch in Gebärdensprache ausführend:) Liebe gehörlose Menschen! Ich fange mit etwas Positivem an: Wir haben die Überführung des European Accessibility Acts in nationales Recht einstimmig beschließen können. Mit diesem Barrierefreiheitsgesetz soll EU-weit gewährleistet werden, dass beispielsweise PCs, Smartphones, Bankomaten, Fahrkartenautomaten und vieles mehr einheitliche und barrierefreie Standards haben. Dieses Gesetz erlaubt somit Menschen mit Behinderungen mehr Selbstständigkeit und mehr Unabhän­gig­keit. Das begrüßen wir ausdrücklich.

Kollegin Nussbaum hat sowohl im Ausschuss als auch jetzt von einer Minimal­umsetzung gesprochen. Ich möchte Sie einfach fragen, liebe ÖVP, liebe Grüne: Wo war bei diesem Gesetz der Mut für etwas mehr als das Mindeste?

Wir werden zu diesem Gesetz einen Abänderungsantrag einbringen, den ich kurz erläutern werde:

Es geht darum, dass das Sprachniveau mit B2 einfach zu hoch angesetzt ist und wir B1 fordern, damit Menschen mit Behinderungen in Einfacher Sprache wirklich alles an Informationen, an Gebrauchsanweisungen et cetera verstehen. B1 ist auch vom Behindertenrat so gefordert.

Weiters fordern wir eine Übergangsfrist von 15 Jahren statt 20 Jahren. Wenn jetzt eine Inbetriebnahme von einem Bankomaten stattgefunden hat, hat man


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also 20 Jahre Zeit, diesen gegen ein barrierefreies Gerät auszutauschen. Ich glaube nicht, dass diese lange Zeit notwendig ist, das schaffen wir in kürzerer Zeit. Wir sind da mit 15 Jahren ohnedies human geblieben.

Außerdem soll es Dienstleistern ermöglicht werden, barrierefreie Infos direkt im Vertragsdokument selbst zu erteilen. In diesem Fall würde das Originaldokument natürlich immer seine Gültigkeit behalten.

Liebe Bundesregierung! Liebe ÖVP! Liebe Grüne! Wir möchten mit diesen Änderungen nichts Schlimmes, nichts Böses, es ist kein Argwohn dahinter. Unser Ziel ist es, das Leben für Menschen mit Behinderungen zu erleichtern, zu verbessern, aber auch Rechtssicherheit für die Dienstleister zu schaffen. Bitte seien Sie einmal mutig und unterstützen Sie diesen Antrag, der von der Opposition kommt! Es geht um die Sache und es geht um die Menschen. – (Den Dank auch in Gebärdensprache ausführend:) Danke schön. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der Grünen.)

12.19

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Fiona Fiedler, Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen

zum Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (2046 d.B.): Bundesgesetz, mit dem ein Barrierefreiheitsgesetz erlassen sowie das Sozialministeriumservicegesetz geändert wird (2145 d.B.) - TOP 3

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Art. 1 der eingangs bezeichneten Regierungsvorlage wird wie folgt geändert:

I.   Dem § 9 Abs 7 wird nach der Wortfolge "Alle Kennzeichnungen, die Gebrauchsanleitung und Sicherheitsinformationen müssen klar, verständlich und deutlich sein" und vor dem Punkt die Wortfolge:


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    „und dürfen das Sprachniveau von B1 nicht überschreiten"

eingefügt.

II.  Dem § 11 Abs 5 wird nach der Wortfolge "Der Importeur hat sicherzustellen, dass dem Produkt eine Gebrauchsanleitung und Sicherheitsinformationen in deutscher Sprache beigefügt sind.":

    „Diese dürfen das Sprachniveau von B1 nicht überschreiten."

eingefügt.

III.  Dem § 14 Abs 2 wird nach der Wortfolge "Der Dienstleistungserbringer hat die notwendigen Informationen gemäß Anlage 3 zu erstellen und diese Informationen der Allgemeinheit in schriftlicher und mündlicher Form bereitzustellen, auch in einer für Menschen mit Behinderungen barrierefreien Form" die Wortfolge:

    „sowie in leichter Sprache (maximal Sprachniveau B1). Im Zweifelsfall gilt der Text im ursprünglichen Vertragsdokument anstatt der gemäß Anlage 3 zu erstellenden Informationen."

eingefügt.

IV. In § 37 Abs 3 entfällt die Wortfolge "20 Jahre nach ihrer Ingebrauchnahme und längstens bis 28. Juni 2040" und wird durch die Wortfolge "15 Jahre nach ihrer Ingebrauchnahme" ersetzt.

V. In Anlage 1 Abschnitt 4 lit e) lit bb) wird die Wortfolge "Sprachniveau B2 (Höhere Mittelstufe)" durch die Wortfolge "Sprachniveau B1" ersetzt.

VI. In Anlage 3 wird nach der Wortfolge "Der Dienstleistungserbringer gibt in den allgemeinen Geschäftsbedingungen oder einem ähnlichen Dokument an, wie die Dienstleistung die Barrierefreiheitsanforderungen gemäß § 4 Abs. 3 erfüllt.":

  „Darüber hinaus kann der Dienstleistungsgeber die notwendigen Informationen im Sinne des BaFG auch unmittelbar im Vertragsdokument selbst erteilen."


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eingefügt.

Begründung

Ad I., II. und V.

Das Sprachniveau ist mit B2 zu hoch angesetzt. Der Österreichische Behindertenrat empfahl in seiner Stellungnahme zum Ministerialentwurf ein Sprachniveau von maximal B1.

Ad III.

Wenn beispielsweise Vertragsinformationen in leichter Sprache zur Verfügung gestellt werden, kann es vorkommen, dass juristisch präzise Begriffe aufgeweicht werden müssen. Es ist daher notwendig, dass das Originaldokument weiterhin seine Gültigkeit behält.

Ad IV.

Die Übergangsfrist ist mit 20 Jahren zu lange angesetzt. Besser wären 15 Jahre, außerdem ist es nicht notwendig, den 28. Juni 2040 als zusätzliche Frist anzugeben. 

Ad VI.

Aus der aktuellen Regierungsvorlage geht nicht hervor, wie und in welchem Umfang die Umsetzung des § 14 Abs 2 Barrierefreiheitsgesetz in Verbindung mit Anlage 3 erfolgen soll. Können diese Informationen direkt an das Vertragsdokument angehängt werden, ist dadurch Klarheit und Rechtssicherheit geschaffen.

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Abänderungsantrag wurde an die Abgeordneten verteilt, in den Grundzügen erläutert und steht daher auch mit in Verhandlung.

Herr Abgeordneter Josef Muchitsch, Sie gelangen nun zu Wort. – Bitte.



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12.20.01

Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Die Regierungsvorlage zum Barrierefreiheitsgesetz wird grundsätzlich von uns begrüßt. Es ist ein wichtiger und richtiger Schritt, unterschiedliche Regeln in den europäischen Mitgliedstaaten mit einer Harmonisierung zu vereinheitlichen und damit für mehr Barrierefreiheit in den Bereichen der digitalen, sprachlichen, technischen Barrieren, in der Technologie, aber auch im Bereich der Dienstleistungen, beginnend bei den Automaten, zu sorgen.

Kritisieren müssen wir aber drei Punkte, die für uns wesentlich sind. Der erste Punkt wurde schon von Kollegin Nussbaum, von Kollegin Fiedler und auch von Kollegen Ragger angemerkt: Die baulichen Maßnahmen sind nicht mitbe­rücksichtigt. Es ist ja schön, dass es die Eröffnung eines barrierefreien Bankoma­ten gibt, aber der Zugang dazu ist nicht verpflichtend barrierefrei auszu­gestalten. Da hat man aus unserer Sicht zu wenig weit gedacht. Sinn hätte es nur gemacht, wenn auch der barrierefreie Zugang zu diesem barrierefreien Automaten verpflichtend vorgeschrieben und gestaltet würde.

Der zweite Kritikpunkt – auch diesen möchte ich unterstützen – ist der Bereich der Fristen. Eine 20-jährige Übergangsfrist bedeutet, dass diese letztendlich bis 2045 geht. Warum? – Weil das Gesetz mit Juni 2025 in Kraft treten soll, und das dann plus 20 Jahre. Eine 20-jährige Übergangsfrist ist besonders in einer digitalen Welt, in der alles immer schneller wird und schneller geht, einfach zu lange. Auch das ist ein Kritikpunkt.

Der letzte Kritikpunkt sind die Strafen, die Kollegin Nussbaum auch schon angesprochen hat. Es ist, glaube ich, insgesamt eine Schwäche der Bundesregie­rung, dass sie bei Strafen zu gering ansetzt. Wenn sich das Zahlen von Strafen im Vergleich zum Nichteinhalten von Gesetzen rechnet, dann läuft etwas schief. Wir erinnern uns an die Novelle zum Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungs­gesetz, in der die Mindeststrafe mit 0 Euro festgelegt wurde: Eine Strafe mit


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0 Euro, das gibt es sonst nirgends. Wir haben dazu schon erste Berichte von der Finanzpolizei gehört: Bei weniger Kontrollen gibt es mehr Verstöße, das heißt, das Verstoßen zahlt sich aus, weil die Strafen billiger geworden sind.

Zurück zur Regierungsvorlage: Meine sehr geehrten Damen und Herren der Regierungsparteien, bei diesem Barrierefreiheitsgesetz wäre wesentlich mehr möglich gewesen, da wäre mehr drinnen gewesen: es schneller umzusetzen, auch barrierefreie Zugänge verpflichtend umzusetzen und letztendlich auch die Strafen wesentlich höher zu gestalten, damit die Vorgaben auch tatsächlich umgesetzt werden. Leider machen Sie das nicht. Es wäre viel mehr möglich gewesen und es wird halt leider wieder einmal nicht gemacht. Es ist wieder einmal der kleinste gemeinsame Nenner, aber nicht zum Wohle der Menschen, die es betrifft. (Beifall bei der SPÖ.)

12.23


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Peter Wurm. – Bitte sehr.


12.23.29

Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Minister! Hohes Haus! Werte Zuseher! Wir werden, wie schon erwähnt, auch zustimmen, wobei ich schon deutlich sagen möchte: Aus Erfahrung bin ich, was EU-Richtlinien und EU-Verordnungen, die immer eine schöne Welt versprechen, betrifft, mittlerweile sehr skeptisch, so auch in diesem Bereich, weil die Entwicklung in den letzten Jahren – das ist, glaube ich, für alle sichtbar – immer schlechter geworden ist. Es hat sich ja nichts verbessert, sondern die Hindernisse, die Barrieren sind für Konsumenten auf allen Ebenen und damit einhergehend natürlich auch für Menschen mit Behinderungen eigentlich immer größer geworden.

Und was man bei der ganzen Geschichte auch nicht übersehen darf: Es steht nirgends geschrieben, dass die barrierefreien Automaten dann auch stehen müssen. Als Beispiel nehme ich einen Automaten, der für uns Österreicher, glaube ich, sehr, sehr wichtig ist: den Bankomaten. Es steht nirgends


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geschrieben, dass da ein behindertengerechter Bankomat stehen muss, das steht nirgends. Theoretisch könnte eine Bank also auch sagen: Okay, bevor ich mir die Arbeit antue und behindertengerechte Bankomaten, die teuer sind, aufstelle, stelle ich gar keine auf.

Das ist auch der Anlassfall, warum ich heute einen Entschließungsantrag ein­bringen will. Uns geht es darum, dass die Menschen in Österreich – die Konsumenten, vor allem aber auch die Randgruppen, wozu halt Menschen mit Behinderungen primär gehören – am Ende des Tages nicht auf der Strecke bleiben. Es geht da ja um weit mehr als – ich sage das bewusst – nur um mobile Einschränkungen, es geht auch um geistige Einschränkungen, Einschränkungen beim Hören, Sehen und so weiter. Alle Entwicklungen – das sage ich auch ganz deutlich und ich werde von Jahr zu Jahr EU-kritischer, wie Sie bemerken werden (Heiterkeit und Zwischenrufe der Abgeordneten Ottenschläger, Zarits und Scherak) – klingen zwar im Titel immer sehr nett, die Konsequenz ist am Ende des Tages aber immer eine Verschlechterung für den normalen Bürger.

Deshalb möchte ich im Zuge dieser heutigen Debatte mit einem Entschließungs­antrag ganz bewusst noch einmal das Thema Bargeld und damit einhergehend auch das Thema Bankomaten einbringen. Uns geht es erstens darum, dass in Österreich das Bargeld verfassungsmäßig abgesichert wird (Beifall bei der FPÖ), was in dem EU-Antrag natürlich nicht drinnen steht. Zweitens wollen wir, was Bargeld betrifft, in Österreich einen Annahmezwang, den sogenannten Kontrahierungszwang, für Unternehmen. Das ist das Zweite, das wir fordern, damit man sein Ticket bei diesen Automaten dann auch mit Münzen und Scheinen bezahlen kann. Auch das steht nirgends. (Beifall bei der FPÖ.) Und einige andere Dinge wollen wir auch noch.

Ich habe es nur ganz kurz erklärt, Sie werden es ja wissen, dass ich mich oder wir als FPÖ uns sehr lange mit dem Thema beschäftigen. Sie sollten da bitte schon noch einmal nachdenken, überlegen: Wenn Sie Menschen mit Behinderungen helfen wollen, dann müssen Sie – das wird Ihnen jeder Experte bestätigen – genau diesen uneingeschränkten Zugang zu Bargeld a) über die Bankomaten und


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b) über die Annahme bei Transportunternehmen, Geschäften und sonst was auch garantieren. Dann helfen Sie Menschen mit Behinderungen am besten weiter. (Beifall bei der FPÖ.)

Frau Präsidentin, ich bringe den Antrag jetzt ordnungsgemäß ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Ja zum Schutz des Bargeldes und der uneingeschränkten Bargeldzahlung – Nein zum Masterplan der Bargeldabschaffung in Österreich und der EU im Zusammenhang mit dem Barrierefreiheitsgesetz 2023“

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung werden aufgefordert, sich auf österreichischer und europäischer Ebene dafür einzusetzen, dass

- die Cent- und Euro-Bargeldmünzen in ihrem aktuellen Bestand erhalten bleiben,

- keine Aufrundung von Preisen für Waren und Dienstleistungen im Zuge der Abschaffung von Cent- und Euro-Bargeldmünzen erfolgt,

- die Beibehaltung des uneingeschränkten Bargeldzahlungsverkehrs in Öster­reich und Europa verfassungsrechtlich verankert wird,

- Bargeld als Zahlungsmittel und Vermögensform in Österreich und Europa ohne Obergrenzen verfassungsrechtlich geschützt wird,

- eine Verpflichtung zur Bargeldannahme für den Waren- und Dienstleistungs­verkehr im Zusammenhang mit der grundsätzlichen Annahme von Bargeld als Zahlungsmittel verfassungsrechtlich festgelegt wird

- und damit Barrierefreiheit sowie Teilhabe an Gesellschaft und Wirtschaft durch sogenannte vulnerable Gruppen, ob das Menschen mit Behinderung, ältere


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Personen und so weiter sind, im täglichen Leben durch die ungehinderte und verfassungsrechtlich geschützte Nutzung des Bargeldes garantiert werden.

*****

Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

12.28

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Peter Wurm und weiterer Abgeordneter 

betreffend Ja zum Schutz des Bargeldes und der uneingeschränkten Bargeldzahlung – Nein zum Masterplan der Bargeldabschaffung in Österreich und der EU im Zusammenhang mit dem Barrierefreiheitsgesetz 2023

eingebracht im Zuge der Verhandlung über Top 3) Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (2046 d.B.): Bundesgesetz, mit dem ein Barrierefreiheitsgesetz erlassen sowie das Sozialministeriumservicegesetz geändert wird (2145 d.B.) in der 224. Sitzung des Nationalrats am 6. Juli 2023

Die Parlamentskorrespondenz berichtete am 23. 5. 2023 über die Zielsetzungen des neues Barrierefreiheitsgesetztes folgendes:

In Umsetzung einer EU-Richtlinie hat die Regierung dem Nationalrat ein neues Barrierefreiheitsgesetz samt begleitenden Änderungen im Sozialministeriumsgesetz vorgelegt (2046 d.B.). Damit soll sichergestellt werden, dass bestimmte Produkte wie PCs, Smartphones, Modems, E-Reader, Smart-TV-Geräte, Spielkonsolen, Bankomaten und Fahrkartenautomaten EU-weit einheitlichen Barrierefreiheits-anforderungen entsprechen. Gleiches gilt für einschlägige Dienst-leistungen wie E-Banking, E-Commerce, E-Ticketing, Videotelefonie, Online-Messenger-Dienste, E-Books und SMS-Dienste. In Kraft treten soll das Gesetz am 28. Juni 2025, wobei für Dienstleistungen ein Übergangszeitraum von bis zu fünf Jahren vorgesehen ist.


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Bereits im Einsatz stehende Selbstbedienungsterminals werden außerdem noch bis 28. Juni 2040 – maximal aber bis 20 Jahre nach der ersten Ingebrauchnahme – verwendet werden können.

In diesem Zusammenhang stellt sich EU-weit die Frage, inwieweit beim Ankauf und der Nutzung dieser technischen Produkte und Dienstleistungen zukünftig die Verwendung von Bargeld noch möglich ist. Aktuell hat die Europäische Union mit der Einführung des Digitalen Euro einen weiteren Schritt in Richtung Abschaffung und Zurückdrängung des Bargeldes gesetzt.

Demgegenüber hat das EU-Mitgliedsland Slowakei den Schutz des Bargeldes in der Verfassung umgesetzt, um sich vor den finanzwirtschaftlichen Eurokraten aus Brüssel zu schützen. „Es ist sehr wichtig, dass wir uns in Zukunft gegen jegliche Anordnungen von außen zur Wehr setzen können, die darauf abzielen, den digitalen Euro als einzige Zahlungsform einzuführen“, sagte Miloš Svrcek, einer der Abgeordneten, die die Verfassungsänderung einbrachten.1

Denn Barrierefreiheit und die Teilhabe an Gesellschaft und Wirtschaft durch sogenannte „vulnerable Gruppen“, ob das Menschen mit Behinderung, ältere Personen usw. sind, kann im täglichen Leben nur dann umgesetzt werden, wenn der Erhalt des Bargelds und seiner ungehinderten Nutzung weiterhin gewährleistet ist.

Der Masterplan der Bargeldabschaffung schreitet in der Europäischen Union aber offensichtlich weiter voran. Nach der Beseitigung der 500-Euro-Geldscheine geht es jetzt den 1-Cent- und 2-Cent-Münzen an den Kragen. Aus der EU-Kommission hört man, die Cent-Münzen seien unbeliebt. In Wahrheit soll im Zuge dieser Cent-Abschaffung auch gleich eine Aufrundung bei Preisen und Dienstleistungen erfolgen.

Alle Preise sollen auf 5-Cent-Beträge aufgerundet werden

Am Ende des Tages freut sich wieder der EU-Budgetkommissar in Brüssel, dessen Einnahmen auf der Grundlage von Steuereinnahmen der Mitgliedsländer beruhen. Steigen die Preise durch Aufrundung, dann erhöhen sich auch Mehrwertsteuer­einnahmen auf Waren und Dienstleistungen. Geht es nach Brüssel, sollen alle Preise


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auf 5-Cent-Beträge aufgerundet werden. Das beschert in der Masse jedem einzelnen Bürger einen ordentlichen Preisschub.

Bereits seit 2001 gab es immer wieder Vorstöße aus der EU-Kommission und der Europäischen Zentralbank für die Cent-Abschaffung. Kritiker der EU und ihrer Bargeldpolitik sind sich einig: Am Ende des Tages will man alle Cent-Geldstücke abschaffen, wie aus gewissen Finanzwirtschaftskreisen zu hören ist. Einerseits möchte man Konsumenten und Wirtschaft in den bargeldlosen Zahlungsverkehr drängen, andererseits soll kein Produkt und keine Dienstleistung mehr billiger als 1 Euro sein.

Aber nicht nur die schrittweise Abschaffung des Bargeldes, sondern auch die Abschaf­fung der Bargeldzahlung an sich ist in Österreich und der EU ein reales Bedro­hungsszenario. Die Einschränkung bzw. Abschaffung der Grund- und Freiheitsrechte während des Corona-Regimes und der parallel dazu aufgerüstete Überwachungsstaat manifestierten sich auch in der Abkehr von Bargeldzahlungen, dem Einsatz von Corona-Apps und insgesamt einer weitestgehenden Digitalisierung des Alltagslebens.

Bisher haben bereits zwei Volksbegehren erfolgreich viele hunderttausende Unterschriften sammeln können, um eine „uneingeschränkte Bargeldzahlung“ in Österreich bundesverfassungsrechtlich abzusichern. Eines der Volksbegehren hatte folgenden Wortlaut und bring es auf den Punkt:2

Der Gesetzgeber möge bundesverfassungsgesetzliche Maßnahmen treffen, um die Beibehaltung des uneingeschränkten Bargeldzahlungsverkehrs zu verankern. Das Bargeld ist im vollen Umfang als Zahlungsmittel und Vermögensform zu schützen, ohne Obergrenzen. Nur eine Verankerung des Bargeldes in der Bundesverfassung, gewährt die Freiheit und die Verfügbarkeit privaten Vermögens und ist als Grund­recht abzusichern.

Ergänzend dazu wäre eine Verpflichtung zur Bargeldannahme im Waren- und Dienstleistungsverkehr in der österreichischen Rechtsordnung vorzusehen. Nicht zuletzt wäre auch die Barrierefreiheit und die Teilhabe an Gesellschaft und


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Wirtschaft durch sogenannte „vulnerable Gruppen“, ob das Menschen mit Behin­derung, ältere Personen usw. sind, im täglichen Leben gewährleistet, wenn der Erhalt des Bargelds und seiner ungehinderten Nutzung weiterhin verfassungsrechtlich garantiert wird.

Daher stellen die unterzeichnenden Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat möge beschließen:

„Die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung werden aufgefordert sich auf österreichischer und europäischer Ebene dafür einzusetzen, dass

•          die Cent- und Euro-Bargeldmünzen in ihrem aktuellen Bestand erhalten bleiben,

•          keine Aufrundung von Preisen für Waren und Dienstleistungen im Zuge der Abschaffung von Cent- und Euro-Bargeldmünzen erfolgt,

•          die Beibehaltung des uneingeschränkten Bargeldzahlungsverkehrs in Österreich und Europa verfassungsrechtlich verankert wird

•          Bargeldes als Zahlungsmittel und Vermögensform in Österreich und Europa ohne Obergrenzen verfassungsrechtloch geschützt wird

•          eine Verpflichtung zur Bargeldannahme für den Waren- und Dienstleistungsverkehr im Zusammenhang mit der grundsätzlichen Annahme von Bargeld als Zahlungsmittel verfassungsrechtlich festgelegt wird

•          und damit Barrierefreiheit sowie Teilhabe an Gesellschaft und Wirtschaft durch sogenannte „vulnerable Gruppen“, ob das Menschen mit Behinderung, ältere Personen usw. sind, im täglichen Leben durch die ungehinderte und verfassungsrechtlich geschützt Nutzung des Bargeldes garantiert werden.“


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1 https://exxpress.at/slowakei-will-keinen-digitalen-euro-bargeldzahlung-in-der-verfassung-verankert/

2 https://www.bmi.gv.at/411/Volksbegehren der XX Gesetzgebungsperiode/FUER UNEINGESCHRAENKTE BAR GELDZAHLUNGJ/start.aspx

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Frau Abgeordnete Elisabeth Scheucher-Pichler, Sie gelangen zu Wort. – Bitte.


12.28.57

Abgeordnete Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu allererst darf ich im Namen meines Kollegen, des Abgeordneten Schnabel, eine Gruppe des Seniorenbundes aus dem Bezirk Voitsberg sehr herzlich begrüßen: Herzlich willkommen! (Beifall bei ÖVP, SPÖ, FPÖ und Grünen.)

Auch an alle anderen: Herzlich willkommen! Schön, dass Sie das Hohe Haus immer wieder so gerne besuchen.

Ich möchte auch noch darauf hinweisen – das ist auch einer Kollegin ganz besonders wichtig gewesen –, dass wir hier im Parlament gerade Tage der Barrierefreiheit haben und dass in der Säulenhalle und auch im Empfangssaal eine Reihe von Stakeholdern vertreten sind – ich weiß, dass Öziv und das Forum besser hören hier sind –, es gibt Informationsstände und Informationen. Ich würde alle Abgeordneten einladen, vielleicht noch einen Besuch dort zu machen, ich werde das gleich anschließend tun. Vielen Dank jedenfalls für diese Initiative. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)


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Meine Damen und Herren! Vom Bargeld, das sicher ein wichtiges Thema ist und über das wir auch noch viele Diskussionen führen werden, Herr Kollege Wurm, komme ich wieder zurück zum Barrierefreiheitsgesetz, das wir heute hier zur Abstimmung bringen. Ich glaube schon, entgegen einiger Aussa­gen, dass das kein kleiner Schritt ist, Herr Kollege Muchitsch, sondern dass es schon ein Meilenstein ist, dass wir Maßnahmen in die Richtung setzen, dass Digitalisierung barrierefrei sein muss.

Für mich steht außer Frage, dass Selbstbestimmung gerade für Menschen mit Behinderung, aber auch für ältere Menschen eine Grundvoraussetzung sein muss, und da gehört das einfach dazu. Das geht in alle Bereiche – von den Dienstleistungen über die verschiedenen Produkte bis eben hin zum gesamten digitalen Bereich, ich brauche das jetzt nicht mehr einzeln anzuführen. Es ist für mich ganz, ganz entscheidend, um eine inklusive Gesellschaft möglich zu machen und auch zu fördern und niemanden im beruflichen, aber auch im sozia­len Bereich auszugrenzen oder zurückzulassen.

Ja, ich behaupte auch, ein barrierefreies Umfeld ist der Schlüssel zu einer inklu­siven Gesellschaft. Das betrifft, wie ja auch schon richtig gesagt wurde, nicht nur Menschen mit Behinderung, sondern auch ältere Menschen. Wir werden ja Gott sei Dank immer älter, es gibt immer mehr hochbetagte Menschen, und auch diese sind von solchen Barrieren betroffen.

Ich möchte aber auch sagen – und das finde ich eigentlich ganz interessant –, dass wir in dieser Digitalisierungsoffensive das erste Mal die Chance haben, vom Beginn an Barrierefreiheit mitzudenken. Bei der Industrialisierung war das nicht möglich, da waren Behinderung oder Barrierefreiheit überhaupt kein Thema. Wir haben jetzt die große Phase der Digitalisierung, und da sollten wir wirklich von Beginn an alles tun, alles mitdenken, was notwendig ist – das ist einfach ein Gebot der Stunde –, und möglichst viele Menschen, die da Verantwortung tra­gen, motivieren und auch ansprechen, mit dabei zu sein.


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Wie gesagt haben immerhin 15 bis 20 Prozent der Menschen eine Behinderung, aber auch die Seniorinnen und Senioren stehen immer wieder vor solchen unüberwindbaren Hindernissen, die letztlich auch dazu führen, dass sie aus Alltagsprozessen ausgeschlossen werden – das darf nicht sein.

Es zeigt sich auch deutlich – das wurde schon einmal kurz erwähnt, aber ich sage es noch einmal –, dass barrierefreie Lösungen eben auch mehr Benutzerfreund­lichkeit bringen und das auch für die Wirtschaft ein ganz wichtiger Aspekt ist. Es wurde schon gesagt: Ich glaube, jeder von uns freut sich, wenn man zum Beispiel die Anmeldung für eine Veranstaltung oder einen Einkauf in einem Webshop möglichst unkompliziert und einfach über die Bühne bringen kann und nicht stundenlang vor dem Computer sitzen muss, bis das funktioniert. Ich gebe ehrlich zu, da habe auch ich manchmal Probleme und frage meine Enkelkinder. Also das muss einfach benutzerfreundlicher werden.

Wie gesagt ist das auch für die Wirtschaft wichtig, weil eben viel größere Kun­denzielgruppen erreicht und angesprochen werden können. Es wurde, glaube ich, auch schon erwähnt, aber ich sage es noch einmal, weil es ganz wichtig ist: Barrierefreie Webseiten werden von Suchmaschinen leichter und schneller gefunden.

Daher komme ich mit einem Appell an die Unternehmerinnen und Unter­nehmer und an alle – Produktentwickler natürlich auch –, die in der nächsten Zeit neue, digitale Lösungen suchen, zum Schluss: Bitte warten Sie nicht bis 2025, sondern berücksichtigen Sie, wenn Sie jetzt einen Webshop neu program­mieren, bitte schon jetzt die Anforderungen dieses wichtigen Gesetzes! Dann haben Sie erstens die Nase vorne und einen Wettbewerbsvorteil, und außerdem ersparen Sie sich in zwei Jahren kostenaufwendige Adaptierungen. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

12.33


Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich Herr Bundesminister Rauch zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Minister.



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12.33.47

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren Abgeordnete! Ich bedanke mich vorab für die doch breitere Unterstützung, die diese Regierungsvorlage genießen wird. Dieses Barrierefreiheitsgesetz ist ein wichtiger Schritt in Richtung Inklusion, in Richtung Umsetzung einer EU-Richtlinie.

Was ich gerne und generell festhalten möchte: Wenn es darum geht, Menschen mit Beeinträchtigungen, Menschen mit Behinderungen einen uneingeschränkten Zugang und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu gewähren, dann geht es auch darum, in unser aller Denken die Voraussetzungen ein bisschen umzudre­hen. Es geht darum, dass wir Menschen mit Behinderungen zugestehen, was sie an Ressourcen haben und was sie können, sie so sehen, und nicht so sehr die Behinderung und die Defizite in den Mittelpunkt stellen. Diesen Zugang halte ich für essenziell, wenn es darum geht, Beteiligung und Teilhabe insgesamt zu ermöglichen.

Was wir hier machen, ist die klare Verankerung von Vorschriften, die dazu dienen, die Zugänglichkeit, die Barrierefreiheit insgesamt sicherzustellen, vor allem auch – das ist angesprochen worden – bei digitalen Lösungen. Es muss so sein, dass die Anforderungen hinsichtlich Barrierefreiheit auch im Bereich von Internetdienstleistungen und Ähnlichem mehr gegeben sind. Die Belastungen, die auf die Menschen mit Behinderungen zukommen, sind sonst nicht zu bewältigen.

Die Marktüberwachung durch das Sozialministeriumservice wird ausgebaut. Es ist auch vorgesehen, nicht nur zu strafen – die Strafen sind angesprochen worden, sie sind, finde ich, schon auch beträchtlich –, sondern insgesamt auch die Intensivierung der Beratung in den Mittelpunkt zu stellen, weil es allemal besser ist, im Bereich der Umsetzung mit Beratung in Vorleistung zu gehen und nicht hinterher strafen zu müssen. Insgesamt ist es ein wichtiger Schritt.


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Ich darf noch erwähnen, dass wir in dieser Bundesregierung es im Bereich der Menschen mit Behinderungen geschafft haben, das Budget deutlich auszuweiten. Wir haben im heurigen Jahr mehr als 300 Millionen Euro zur Verfügung, das ist eine deutliche Erhöhung der Budgets.

Es ist auch gelungen, mit der persönlichen Assistenz einen riesigen Schritt zu setzen, das heißt, persönliche Assistenz für Menschen mit Behinderungen so zu verankern, dass es ein tatsächliches Anstellungsverhältnis ist – der Bund nimmt dafür erhebliche Geldmittel in die Hand. Das ist ein großer Fortschritt für Menschen mit Behinderungen in diesem Land. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

12.36 12.36.30


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Damit kommen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 2046 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Fiona Fiedler, Kolleginnen und Kollegen einen Abänderungsantrag eingebracht. Ich werden daher zunächst über die vom erwähnten Abänderungsantrag betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Abänderungsantrag der Abgeordneten Fiona Fiedler betreffend Artikel 1 und seine Anlagen 1 und 3: Wer sich dafür ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über diese Teile des Gesetzentwurfes in der Fassung der Regierungsvorlage.


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Ich bitte jene Damen und Herren, die dem die Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig so angenommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung der Regierungsvorlage.

Wer spricht sich dafür aus? – Das ist einstimmig so angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Wer dem auch in dritter Lesung zustimmt, den bitte ich um ein Zeichen. – Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung einstimmig angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Ja zum Schutz des Bargeldes und der uneingeschränkten Bargeldzahlung – Nein zum Masterplan der Bargeldabschaffung in Österreich und der EU im Zusammenhang mit dem Barrierefreiheitsgesetz 2023“.

Ich bitte jene, die dem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

12.38.174. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 3466/A der Abgeordneten August Wöginger, Bedrana Ribo, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gesundheits- und Kranken­pflege­gesetz, das Ärztegesetz 1998 und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert werden (GuKG-Novelle 2023) (2146 d.B.)


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5. Punkt

Bericht und Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem Art. V des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 473/1992 geändert wird (2147 d.B.)

6. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 3378/A(E) der Abgeordneten Mag. Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Leistungsorientierte Lehrlingsentschädigung für Absolventen der Pflegelehre (2148 d.B.)

7. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 3376/A(E) der Abgeordneten Mag. Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Zweiten Bildungsweg für Pflegekräfte auch finanziell absichern (2149 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir nun zu den Tagesordnungs­punkten 4 bis 7, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Frau Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek, Sie gelangen als Erstrednerin zu Wort.


12.39.43

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher:innen und Zuhörer:innen! Ein weiterer Teil der Pflegereform wurde vor Kurzem im Sozialausschuss diskutiert, eine Materie, die, wie wir glauben, eigentlich in den Gesundheitsausschuss gehört hätte. Die Teile, die wir diskutiert haben, sind keiner Begutachtung unterlegen. Das, was heute hier zum Beschluss vorliegt, ist


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in weiten Teilen völlig in Ordnung und wichtig und richtig. Ich nenne kurz die wichtigsten Bereiche: Die Befugnisse von Pflegepersonal werden ausgeweitet, es gibt Erleichterungen bei der Anerkennung ausländischer Berufsausbildungen, es gibt einen einfacheren Zugang zu Weiterbildungsmaßnahmen. Auch für Zivildiener und 24-Stunden-Betreuer:innen bringt diese Novelle, die heute hier vorliegt, Neuerungen.

Wir sind trotzdem der Auffassung, dass die Pflegereform – gestatten Sie mir den Ausdruck – ein Pflegereformfleckerlteppich geworden ist. Wir kommen jetzt zum dritten Mal zusammen. Es wurde erkannt, dass wir in Österreich einen eklatanten Pflegenotstand haben, dass Pflegepersonal fehlt, fehlt, fehlt – keine Frage. Jetzt werden hier Vorschläge gemacht, die wir wie gesagt zum Teil durchaus begrüßen, die aber auch Bereiche beinhalten, wo wir anderer Meinung sind. Zum Beispiel sollen 24-Stunden-Betreuer:innen nach Beschluss dieser Novelle bis zu drei Personen, die in keinem Verwandtschaftsverhältnis zueinan­der stehen, aber gemeinsam wohnen, 24 Stunden hindurch 14 Tage lang betreuen können. Kollege Gödl hat im Ausschuss gemeint: Na ja, die kochen vielleicht ein gemeinsames Mittagessen und da hilft die Betreuerin bei der Zubereitung! – Wenn es nur ums Essen geht, dann brauchen sie ja in der Nacht keine Betreuung; einer Dreierwohngemeinschaft Essen zubereiten, das kann die Volkshilfe oder das Hilfswerk wahrscheinlich genauso.

Das ist etwas, bei dem wir alle miteinander rasch einmal an Überforderung den­ken müssen. Sie wissen, woher diese Personen kommen. Es sind Frauen, Frauen aus Österreichs benachbarten Ländern, aber auch von weiter her, die sehr viel auf sich nehmen, um die Betreuung einer Person – 24 Stunden am Tag, 14 Tage lang – zu stemmen und zu leisten. Und jetzt soll es auf einmal möglich sein, bis zu drei Personen zu betreuen? – Das lehnen wir ab. Das kann Überforderung bedeuten.

Das Zweite, das wir sehr kritisch sehen, ist die Ausweitung der Befugnisse, die Kompetenzerweiterung von Pflegeassistentinnen und Pflegefachassistentinnen. Ich habe das auch im Ausschuss schon gesagt, was es bedeutet, wenn wir diese


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Kompetenzerweiterung von oben nach unten befürworten: Was ist, wenn auf einer Station ganz viel los ist und etwas passiert? – Die Haftungsfrage steht ja immer im Raum. Hat jemand eine Kanüle herausgezogen und es ist etwas passiert? Hätte diese Person das machen dürfen oder nicht? Diese Kompetenzerweiterung halten wir für hoch problematisch, nämlich deswegen, weil es da auch zu einem Durcheinander kommen kann, wer was darf und wer was nicht darf.

Andere Teile dieser Novelle sind wie gesagt durchaus positiv. Wir wollen das beschließen, was für die Personen, die Pflege benötigen, gut ist, und wir wollen dem Pflegepersonal, dessen Arbeit wir sehr hoch schätzen, Respekt entge­genbringen, weil da großartige Arbeit geleistet wird. Wir wollen nicht, dass, wenn es zu einem Unglück kommt, die Konsequenzen der Person anhaften, die diese Kompetenzerweiterung oder -überschreitung angewiesen bekommen hat. Deswegen werden wir in zweiter Lesung nicht zustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

12.44


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Bedrana Ribo. – Bitte.


12.44.06

Abgeordnete Bedrana Ribo, MA (Grüne): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Minister! Liebe Kolleg:innen! Liebe Zuseher:innen auf der Galerie und zu Hause vor den Bildschirmen! Ich freue mich sehr, dass wir heute noch vor der Sommerpause wirklich essenzielle und wichtige Schritte für die Pflegekräfte in Österreich beschließen können.

Wir konnten in diesem zweiten Pflegepaket tolle Verbesserungen schaffen. Im Zuge der GuKG-Novelle, also der Novellierung des Gesundheits- und Krankenpflegegesetzes, war es unser Ziel – und das ist uns auch gelungen –, Prozesse zu optimieren, Handlungsspielraum zu schaffen und somit natürlich auch Zeit zu sparen, die eben in Präventionsarbeit investiert werden kann.


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Was beschließen wir heute genau? – Die Erst- und Weiterversorgung von Medizinprodukten. Das heißt, diplomierte Pflegekräfte können in Zukunft Medizinprodukte, zum Beispiel Inkontinenzbedarf, selbst weiterverordnen, aber auch selbst erstverordnen. Das ist ein wichtiger Schritt in Richtung Selbststän­digkeit der Pflegekräfte. (Beifall bei den Grünen.)

Nostrifikationserleichterungen – wir haben es heute gehört –: Ja, wir brauchen Personal, wir wissen das. Wir brauchen auch Personal aus dem Ausland. Bis jetzt war es so, dass sehr oft ein Eins-zu-eins-Vergleich der im Ausland erworbenen Qualifikationen mit den hier in Österreich erworbenen schulischen Qualifikatio­nen angestellt wurde. Das fällt in Zukunft weg. In Zukunft wird man auf ein Gesamtpaket schauen, in Zukunft wird natürlich auch die Berufserfahrung miteinfließen. Das ist auch ein wichtiger Schritt und eine große Erleichterung. (Beifall bei den Grünen.)

Weiters: Die im Ausland ausgebildeten Pflegeassistent:innen, die wir hier in Österreich eben dringend brauchen und denen wir natürlich so schnell wie möglich den Zugang zum Arbeitsmarkt ermöglichen möchten, können in Zukunft auch bereits während des Nostrifikationsverfahrens unter Anleitung und Aufsicht arbeiten.

Dann – Kollegin Heinisch-Hosek hat es auch erwähnt – die UBV-Ausbildung für Zivildiener: UBV heißt Unterstützung bei der Basisversorgung. Zivis können dieses Modul machen, können dann im Zuge ihres Zivildienstes für sehr nieder­schwellige Basisversorgung eingesetzt werden und sind für die Einrichtun­gen eine große Stütze.

Der letzte Punkt ist mir ganz wichtig, den möchte ich hier noch einmal anführen: Da geht es um Durchlässigkeit, da geht es um die Ausbildung, da geht es um Aufschulungen. Uns war eine Durchlässigkeit in der Ausbildung immer wichtig. Wir haben immer gesagt, wir wissen, Pflege ist weiblich, und wir möchten diesen vielen Frauen auch Karrieremöglichkeiten in der Pflege bieten.


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Was heißt das? – In Zukunft können Pflegefachassistent:innen schneller zu diplomierten Pflegekräften werden, da diese zweijährige Berufserfahrungshürde, die bis jetzt eingebaut war, wegfällt. Das heißt aber auch weiter, dass diplomiertes Personal in Zukunft leichter zu einem Bachelor kommen kann. Wir wissen, Pflege braucht die Akademisierung. Wir möchten, dass Menschen, die jetzt auf einer GuK-Schule eine Ausbildung gemacht haben, einfach leichter zu einem Bachelor kommen, damit sie wiederum leichter zu einem Master kommen. Das ist eben diese Karriere, die wir ermöglichen möchten.

Sie sehen also, es passiert viel. Nach jahre- oder jahrzehntelangem Wegschauen passiert in der Pflege jetzt endlich einiges. Ich bin wirklich sehr dankbar dafür. Ich möchte mich auch beim Koalitionspartner und bei vielen Mitarbeiter:innen, die da wirklich Großes geleistet haben, bedanken. All das, was heute beschlossen wird, ist wichtig für die Pflege, ist wichtig für die Menschen in der Pflege. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Zum Schluss möchte ich noch einen Abänderungsantrag einbringen. Da geht es um – ich habe es in meiner Rede gesagt – die Weiterverordnung und Erstverordnung von Medizinprodukten, Heilmitteln. Der Antrag wird ausgeteilt. Um was geht es? – Es ist so, dass im Zuge dieser Novelle auch Anpassungen im Bereich des ASVG notwendig sind, damit eben wiederum in einem weiteren Schritt Anpassungen der Krankenordnungen der Krankenversicherungsträger möglich sind. Ich bitte um breite Zustimmung.

Ich lese kurz den Text vor:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Ernst Gödl, Bedrana Ribo, MA, Kolleginnen und Kollegen

zum Gesetzentwurf im Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales 2146 der Beilagen über den Antrag 3466/A der Abgeordneten August Wöginger, Bedrana Ribo, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das


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Gesundheits- und Krankenpflegegesetz, das Ärztegesetz 1998 und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert werden.

*****

Ich bitte um Annahme. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

12.49

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Ernst Gödl, Bedrana Ribo MA, Kolleginnen und Kollegen

zum Gesetzentwurf im Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales 2146 der Beilagen über den Antrag 3466/A der Abgeordneten August Wöginger, Bedrana Ribo, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz, das Ärztegesetz 1998 und das Allgemeine Sozialversiche­rungsgesetz geändert werden (TOP4)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzentwurf wird wie folgt geändert:

Art. 1 (Änderung des Gesundheits- und Krankenpflegegesetzes) wird wie folgt geändert:

Die Z 13 lautet:

»13. Dem § 117 werden folgende Abs. 40 und 41 angefügt:

„(40) § 3a Abs. 4a bis 6, § 3b Abs. 3, § 28 Abs. 6, § 44, § 83 Abs. 4 Z 2b, § 83a Abs. 2 Z 3, § 87 Abs. 12, § 89 und § 89a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. yy/2023 treten mit dem der Kundmachung folgenden Tag in Kraft.


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(41) Das Inhaltsverzeichnis und § 15a samt Überschrift in der Fassung des Bundes­gesetzes BGBl. I Nr. yy/2023 treten mit 1. Jänner 2024 in Kraft.“«

Art. 3 (Änderung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes) wird wie folgt geändert:

a) Die bisherige Z 1 wird durch die Z 1 und 1a ersetzt:

»1. Im § 350 Abs. 1 Z 2 wird am Ende der lit. b das Wort „und“ durch das Wort „oder“ ersetzt und folgende lit. c eingefügt:

              „c)         durch eine/n Angehörige/n des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege im Rahmen ihrer/seiner Berufsbefugnis (§ 15a GuKG) und“

1a. § 350 Abs. 1a lautet:

„(1a) In der Krankenordnung können nähere Regelungen für die Inanspruchnahme von Leistungen nach Abs. 1, die durch Angehörige des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege verordnet werden, getroffen werden.«

b) § 788 samt Überschrift in der Fassung der Z 2 lautet:

„Schlussbestimmungen zu Art. 3 des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xxx/2023

§ 788. (1) § 350 Abs. 1 Z 2 lit. b und c sowie Abs. 1a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xxx/2023 tritt mit 1. Jänner 2024 in Kraft.“

Begründung

Die Novellierung des § 15a GuKG macht Anpassungen im Bereich des ASVG notwendig. Es sollen Apotheken künftig berechtigt sein, Heilmittel und Heilbehelfe auch auf Verordnung durch eine/n Angehörige/n des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege abzugeben. In Frage kommen konkret nur Heilbe­helfe, sonstige Mittel und Hilfsmittel, zu deren Verordnung die Angehörigen des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege berechtigt sind (§ 15a GuKG). Die übrigen Voraussetzungen für die Abgabe von Heilmitteln durch


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Apotheken, insbesondere die Verschreibbarkeit nach den Regeln des vom Dach­verband herausgegebenen Erstattungskodex und den Richtlinien über die ökonomische Verschreibweise, gelten auch in diesem Fall. Weiters wird klargestellt, dass die nähere Ausgestaltung der Inanspruchnahme durch Versicherte und ihre anspruchsberechtigten Angehörigen in der Krankenordnung erfolgen darf.

Die Umstellung macht Vorbereitungsarbeiten seitens der Krankenversicherungsträger (z.B. Anpassung der Krankenordnungen) erforderlich. Um einen geordneten Vollzug sicherzustellen, tritt die Bestimmung erst mit 1. Jänner 2024 in Kraft. Die ursprüng­liche Bestimmung über die Abgabe von Heilbehelfen, die durch Angehörige des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege weiterverordnet wurden, tritt mit Ablauf des 31. Dezember 2023 außer Kraft.

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Abänderungsantrag wird gerade verteilt, wurde auch in den Grundzügen erläutert und steht mit in Verhandlung.

Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Dagmar Belakowitsch. – Bitte.


12.49.46

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundes­minister! Sehr geehrte Damen und Herren hier im Saal und vor den Bildschirmen! Es ist eh schon sehr viel gesagt worden. Es ist eine Novelle, es ist ein weiterer Mosaikstein der groß angekündigten Pflegereform. Sie ist nicht der ganz große Wurf, sie führt aber zu Kompetenzerweiterungen. Diese halten wir für dringend notwendig, auch im Krankenhausalltag.

Die Bedenken, die SPÖ-Abgeordnete Heinisch-Hosek hier geäußert hat, kann ich nicht ganz nachvollziehen, denn es gibt jetzt schon die Problematik, dass etwas angewiesen wird, was die betroffene Pflegeperson vielleicht gar nicht darf; da haben wir die Haftungsfrage jetzt schon. Insofern halte ich es für wichtig und richtig, dass man die Kompetenzen erweitert. Das führt ja zu einer weiteren


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Absicherung der handelnden Personen, denn wenn ich etwas kann, dann hafte ich natürlich dafür. Das halte ich für einen ganz wichtigen Weg, denn wir wissen ja, dass wir in den nächsten paar Jahren bis zu 70 000, 80 000 zusätzliche Pflegekräfte brauchen werden, und wir werden nur dann weiterkommen, wenn wir tatsächlich auf allen Ebenen Reformen machen.

Herr Bundesminister, insofern finde ich es sehr traurig, muss ich Ihnen sagen, dass die Anträge, die unter diesen Tagesordnungspunkten mitbehandelt werden, die sich um die Pflegelehre drehen – die Sie dankenswerterweise jetzt endlich eingeführt haben – und in denen es darum geht, die Honorierung der jungen Lehrlinge an andere Lehrberufe anzupassen, dass diese Anträge abgelehnt wurden, dass das von der Bundesregierung nicht anerkannt wird und es da weiterhin wenig Lehrlingsentschädigung geben wird.

Ich befürchte daher, dass diese Pflegelehre nicht der große Erfolg werden wird – und das in einem Bereich, in dem wir tatsächlich schauen müssen, wirklich von überall Personal herzubekommen. Gerade für junge Menschen ist es natürlich attraktiv, in einen Pflegeberuf hineinzuschnuppern, langsam hineinzuwachsen. Ich halte das für eine wichtige und richtige Entscheidung, und wir sehen auch, dass das in der Schweiz sehr erfolgreich abläuft. Die Pflegelehre ist die zweitbeliebteste Lehre in der Schweiz. Ich glaube daher, dass wir auch in Österreich etwas daraus machen können, aber Sie sollten sich vielleicht doch noch einen Ruck geben, Herr Bundesminister, und überlegen, ob man da nicht finanziell ein bisschen geschickter agieren und den zukünftigen Pflegelehrlingen eine ordentliche Lehrlingsentschädigung ausbezahlen kann.

In diesem Sinne werden wir dieser Vorlage unsere Zustimmung geben. Es ist nicht der große Wurf, aber es ist ein kleiner Mosaikstein, der wichtig ist und in die richtige Richtung geht. (Beifall bei der FPÖ.)

12.52


Präsidentin Doris Bures: Nun ist Herr Klubobmann August Wöginger zu Wort gemeldet. – Bitte.



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12.52.42

Abgeordneter August Wöginger (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Bundes­minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bevor ich zum Punkt Pflege komme, darf ich zwei Gruppen ganz herzlich im Haus begrüßen. Zum einen ist die Volksanwaltschaft da, Volksanwältin Gaby Schwarz mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. – Herzlich willkommen im Hohen Haus! (Allgemeiner Beifall.)

Zum Zweiten begrüße ich eine Besuchergruppe der Volkspartei Neumarkt am Hausruck im Hausruckviertel. – Herzlich willkommen bei uns! (Allgemeiner Beifall.)

Es sei vielleicht nebenbei erwähnt, dass wir bis jetzt nahezu 200 000 Besuche­rinnen und Besucher im Haus hatten. Es ist ein Arbeitsparlament, aber auch ein großes Besucherzentrum geworden, dieses neu renovierte Haus. Ich möchte mich an dieser Stelle bei allen Österreicherinnen und Österreichern, die das Haus besuchen, bedanken. Es ist unser Parlament, es ist das Haus der Demo­kratie hier am Ring. Vor allem auch den vielen Mitarbeiterinnen und Mitar­bei­tern, die das organisieren, die die Führungen machen, sei hier einmal ein großes Dankeschön gesagt! (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie bei Abgeordneten von Grünen und NEOS.)

Zum Bereich der Pflege: Zum Ersten ist es positiv, dass auch die Oppositions­parteien diesen Änderungen in den Grundzügen zustimmen. Es wird bei der Pflege oftmals vom großen Wurf geredet. Meine Damen und Herren, Minister Rauch und ich haben am 12. Mai des vergangenen Jahres, am Internationalen Tag der Pflege, ein 20-Punkte-Programm präsentiert. Diese sind umgesetzt. Jetzt sind 18 weitere Punkte in der Umsetzungsphase. Warum ist das so? – Weil die Pflege ein vielschichtiges Themenkapitel ist, dessen verschiedenste Punkte man Schritt für Schritt abarbeiten muss. Da kann man nicht sagen, es ist eine große Gesetzesnovelle, die da gemacht werden muss, sondern es ist an vielen Schrauben zu drehen. Und das tun wir! (Abg. Heinisch-Hosek: Fleckerlteppich!)


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Das, was wir heute zur Beschlussfassung vorliegen haben, sind ganz wesentliche Maßnahmen für die  Pflegenden selber, für die pflegenden Angehörigen und vor allem auch für das Pflegepersonal. Der Dank gilt auch den Hunderttausenden Menschen, die die Pflege zu Hause übernehmen oder die diesen Beruf gewählt haben (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen), den Menschen, die in den Spitälern arbeiten, die in der Pflege tätig sind, im mobilen Bereich, im stationären Bereich.

Wir wissen, dass das ein ganz herausfordernder Beruf ist, und wir sagen alle miteinander Danke, dass wir diese Menschen haben, die das auch mit viel Idealismus und Überzeugung tun. Es ist keine Selbstverständlichkeit, in diesen Berufszweigen tätig zu sein! Ich durfte selber jahrelang Betriebsrat beim Roten Kreuz Oberösterreich sein, mit rund 1 000 Pflegekräften, die tagtäglich im Einsatz sind – und das ist eine herausfordernde Arbeit, gar keine Frage. Aber viele oder fast alle dieser Mitarbeiter:innen – vor allem Mitarbeiterinnen – machen das mit Überzeugung und auch mit großer Leidenschaft zum Wohle der Menschen, die diese Pflege und Betreuung benötigen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ich möchte ein paar Punkte aus diesem Bereich erwähnen, insbesondere die 24-Stunden-Betreuung betreffend. Es ist schade, dass Klubobmann Kickl nicht da ist, denn gegen Ausländer und gegen die EU wird seitens der Freiheitlichen ja gerne gehetzt. (Zwischenruf des Abg. Shetty. – Abg. Wurm: Was? Wer hetzt?) Allerdings kenne ich Mitglieder des freiheitlichen Seniorenrings, die gerade diese 24-Stunden-Betreuung auch selber in Anspruch nehmen. Das sind fast lauter ausländische Kräfte, die wir da haben, und Gott sei Dank haben wir sie!

Warum? – Weil viele dieser älteren Menschen in ihren eigenen vier Wänden betreut werden wollen. – Frau Kollegin Heinisch-Hosek, Sie haben im Prinzip schon recht: 24 Stunden, rund um die Uhr, da zu sein ist sehr herausfordernd. Bei vielen dieser 24 Stunden zu Betreuenden geht es aber im Grunde einmal darum, dass jemand da ist. Diese Menschen sind zum Teil allein in ihren Häusern, in ihren Wohnungen, es geht einmal prinzipiell darum, dass jemand da ist.


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Deshalb haben wir auch diesen Zuschuss aufgestockt. Das haben wir schon erledigt, das steht nicht in diesem Gesetz. Wir haben den Zuschuss bei den 24-Stunden-Betreuer:innen pro Monat von 640 – wir haben es schon einmal valorisiert – auf jetzt 800 Euro aufgestockt.

Was wir da jetzt noch miterledigen, ist die Teilbarkeit der 24-Stunden-Betreuung. Wir sehen immer öfter, dass zum Beispiel zwei, drei Bekannte oder Freundinnen, die sich halt im Alter in einer Wohngemeinschaft zusammentun wollen, sagen: Wir möchten von einer 24-Stunden-Betreuerin gemeinsam betreut werden!, und das ermöglichen wir. Das bedeutet Flexibilität. Das ist im Sinne der betroffenen Menschen, meine Damen und Herren, dass wir diese Flexibilität ermöglichen, und das tun wir auch. (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der Grünen.)

Wir weiten die Kompetenzen aus. Natürlich ist das immer eine heikle Angele­genheit: Welche Fachkraft in der Pflege darf denn jetzt was an der Patientin und an dem Patienten tun? Aber seien wir doch einmal ehrlich: Wenn überall zuerst der Doktor das Hakerl machen muss, bevor die Diplomierte Schwester (Abg. Heinisch-Hosek: Um die geht’s nicht!) oder der Pflegeassistent etwas tun darf, dann ist das auch nicht effizient; und es ist der große Wunsch aller Betreuungs­ein­richtungen, sowohl der Spitäler als auch der stationären Einrichtungen in der Pflege, zum Beispiel bei der Verabreichung von Medikamenten, dass das der gehobene Dienst machen darf. (Abg. Heinisch-Hosek: Da sind wir eh dafür! Die Nivellierung nach unten ist die Gefahr!) Das setzen wir hier um, und auch, dass gewisse Tätigkeiten am Patienten jetzt einfach auch untergeordnetes Personal durchführen darf.

Mit Verlaub sei dazugesagt: Oftmals wurde es ja schon so gemacht, aber halt in einem gewissen Graubereich. Wir ermöglichen mehr Kompetenzen in den einzelnen Fachberufen im Bereich der Pflege, auch damit die Arbeit in diesen Einrichtungen einfach besser vonstattengehen kann, auch im Sinne der Patientinnen und der Patienten.


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Weiters erleichtern wir die Nostrifikationen. Eines sei an dieser Stelle ganz klar gesagt: Ohne Personal aus dem Ausland können wir die Pflege nicht bewerkstelligen! Das sei einmal dazugesagt. Wir brauchen 75 000 bis 100 000 zusätzliche Fachkräfte bis 2030 in all diesen Bereichen. Daher geht es darum, dass den Menschen, die von den Philippinnen kommen, die aus Lateinamerika kommen, die auch aus dem afrikanischen Raum zu uns kommen und die eine Teilausbildung haben, diese schneller angerechnet wird, damit diese Personen bei uns in Österreich rascher in die Pflegeberufe integriert werden können.

Wir haben da einen Salat, einen Dschungel beisammen gehabt, was diese Nostrifizierungen anbelangt. Das vereinfachen wir mit diesem Gesetz. Somit werden diese Pflegekräfte schneller in das Pflegesystem und in die Arbeit in der Pflege integriert werden können. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Disoski und Ribo.)

Zu guter Letzt: Wir haben zwei Punkte schon in Umsetzung, die uns als Volks­partei sehr wichtig waren, und zwar den Angehörigenbonus und die Pflegelehre. Der Angehörigenbonus – 1 500 Euro pro Jahr pro zu betreuender Person – ist kein Gehalt, ist kein Lohn, das ist ein Symbol, ein Zeichen der Wertschätzung und der Anerkennung für jene Menschen, die die Betreuung und Pflege ihrer Angehörigen zu Hause durchführen. (Abg. Heinisch-Hosek: Hauptsächlich Frauen, oder?) Das ist ein ganz großer Wert in unserer Gesellschaft, den wir haben (Abg. Heinisch-Hosek: Frauen, hauptsächlich Frauen!), und deshalb setzen wir hier dieses Zeichen. (Beifall bei der ÖVP.)

Was die Pflegelehre angeht, sind wir schon immer mit der FPÖ einer Meinung gewesen (Heiterkeit der Abg. Belakowitsch), und ich danke dem Koalitionspartner, dass wir das jetzt umsetzen können. Die Pflegelehre - - (Abg. Belakowitsch: Dass du nicht rot wirst!) – Nein, wieso? (Heiterkeit der Abg. Belakowitsch.) Ihr wolltet das immer haben (Abg. Belakowitsch: Wir schon! Wir schon!), und wir setzen es um. Ja, du stimmst ja auch mit (Abg. Belakowitsch: Ja, ja! Wir schon! – Zwischenruf


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des Abg. Gödl), um Gottes willen, das ist ja nichts Schlechtes. (Präsident Hofer übernimmt den Vorsitz.)

Wir führen diese Pflegelehre also mit Pilotprojekten ein – möglich ist sie in allen Bundesländern, meines Wissens werden jetzt einmal vier starten: Vorarlberg, Tirol, Ober- und Niederösterreich. Dort werden wir diese Pilotprojekte zunächst einmal zur Umsetzung bringen, damit junge Menschen in einem eigenen abgestuften Curriculum die Möglichkeit haben, diese Lehrberufe im Bereich der Pflege erlernen zu können. Wir halten das für einen wichtigen Zugang und wollen das den jungen Menschen ermöglichen. (Beifall bei der ÖVP.)

Insgesamt, meine Damen und Herren, haben wir bereits große Pflegepakete zur Beschlussfassung hier vorgelegt. Heute liegen weitere Teile, die aus meiner Sicht sehr wichtig sind, vor. Innerhalb eines Jahres – beziehungsweise von 14 Mona­ten, wenn man es ganz genau nimmt – haben wir in dieser Koalition gemeinsam alle diese Pflegepunkte auf den Weg gebracht. Ich stehe auch nicht an, Herr Bundesminister, mich dafür zu bedanken – bei Ihnen, aber auch beim gesamten Haus, dem Sozialministerium.

Das sind ganz wichtige Meilensteine für die 460 000 Menschen, die Pflegegeld beziehen, für die Menschen, die die Pflege als ihren Beruf gewählt haben, und vor allem auch für die pflegenden Angehörigen. Die Pflege geht uns alle an, und in Würde altern zu können, das ist doch etwas, was die Politik den Menschen ermöglichen muss – und das tun wir hiermit. Vielen Dank, und ich bedanke mich auch bei allen, die im Bereich der Pflege tätig sind. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

13.02


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt MMag.a Katharina Werner. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.



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13.02.15

Abgeordnete MMag. Katharina Werner, Bakk. (NEOS): Herr Präsident! Herr Minister! Liebe Menschen hier im Saal und zu Hause! Ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht. Auch ich fange einmal mit der schlechten an: Wir können der Novelle unter TOP 4 nicht in allen Teilen zustimmen, eben weil die Kostenübernahme nicht sauber gelöst wurde. Ich denke, diese Novelle ist ein gutes Beispiel dafür, wie komplex das Gesundheitssystem in Österreich ist. Das ist ein System, in das man oben viel Geld hineinsteckt und bei dem unten, bei den Menschen, eigentlich sehr wenig ankommt, ein System, das dringend entflechtet und effizienter gestaltet werden muss, damit die Menschen wieder jene Versorgung bekommen, die sie sich verdienen und für die sie eigentlich auch ihre Sozialversicherungsbeiträge zahlen.

Die Novelle ist auch ein Beispiel dafür, dass es eben keine einfachen Lösungen gibt und dass die Menschen höchst skeptisch sein sollten, wenn, wie vorhin beim Eltern-Kind-Pass, hier Vertreter:innen der FPÖ herauskommen und die Welt immer auf Schwarz und Weiß reduzieren wollen. Die Welt ist nicht so, die Welt ist voller Zwischentöne: Es gibt nicht nur Schwarz und Weiß, es gibt ganz viel Grau dazwischen, oder im besten Fall ist sie eigentlich bunt. Das ist die Realität, und wir NEOS sehen diese Realität und wir handeln danach.

Jetzt zur guten Nachricht: Das Ziel der Novelle, dass eben die Kompetenzen des gehobenen Pflegepersonals ausgeweitet werden, diese Pflege-, Medizinprodukte bei Inkontinenz, bei künstlicher Ernährung verordnen können, ist gut. Ärztinnen und Ärzte werden so entlastet, das ist wichtig und richtig. Wir unterstützen es auch, dass die ausländischen Pflegekräfte einen leichteren Zugang zum öster­reichi­schen Arbeitsmarkt bekommen. Wir brauchen diese Menschen – das hat Herr Wöginger vorhin schon gesagt –, die Anerkennungsprozesse sind aber leider noch nicht optimal.

Dieses Gesetz ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass Österreich durch die ausländerfeindliche Stimmung, die von der FPÖ gemacht wird, die aber von der


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ÖVP unterstützt wird – Stichwort Schengenveto, und es ist Ihr Kanzler, der dieses Veto unterschrieben hat –, für die Fachkräfte einfach unattraktiv wird. (Beifall bei den NEOS sowie der Abg. Ribo.) Wer möchte schon in einem Land arbeiten, in dem er ständig beschimpft und angefeindet wird?

Zum Antrag der FPÖ zur Pflegelehre: Wir sehen diese Pflegelehre noch immer sehr kritisch. Warum? – Weil die Experten und Expertinnen sich dagegen aussprechen, weil es eben ein emotional und körperlich sehr, sehr anspruchs­voller Job ist. Was hilft es uns, wenn wir sehr viele junge Menschen in diesen Job hineindrängen, sie diese Ausbildung vielleicht beginnen, aber nicht absolvieren oder – wenn sie sie fertig machen – dann nicht in diesem Bereich zu arbeiten beginnen, weil das einfach zu anspruchsvoll ist?

Wir müssen die Rahmenbedingungen verbessern, diesen Menschen mehr Wert­schätzung geben und sie auch entsprechend bezahlen. – Danke schön. (Beifall bei den NEOS.)

13.05


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer Stellungnahme ist nun Herr Bundes­minister Johannes Rauch zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesminister.


13.05.17

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Herr Präsident! Hohes Haus! Ich würde gerne mit einer Voraussetzung beginnen, nämlich: Was wollen denn alte Menschen in Öster­reich oder überall auf der Welt haben? – Antwort: Im Alter angemessen, qualitativ gut versorgt werden, gepflegt werden, am besten so lange wie möglich in den eigenen vier Wänden; wenn das nicht mehr geht, dann an einem Ort, wo die Qualität der Pflege passt, denn das Anrecht auf eine angemessene Pflege, auf eine gute Pflege sollten alle Menschen haben.

An dieser Stelle sei Folgendes gesagt: Wir brauchen alle diese Bestandteile der Pflege, die wir in Österreich haben. Das ist die Pflege zu Hause, das ist die 24-


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Stunden-Betreuung, das sind die mobilen Hilfsdienste, Krankenpflegevereine und wie sie alle heißen, und das sind natürlich auch die stationären Ein­richtungen – und das ist natürlich und vor allem das Pflegepersonal und sind die Fachkräfte, die wir in diesem Bereich haben. Ohne die geht es nicht, ich komme darauf zurück. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

An dieser Stelle sei auch ein Satz in Richtung Länder und Gemeinden gesagt – es ist ja angesprochen worden, dass wir da einen Fleckerlteppich haben oder dass das, was wir machen, ein Fleckerlteppich ist, aber wir haben mindestens neun Flecken, das sind die neun Bundesländer, und dann noch die Städte und Gemein­den, die ja Gott sei Dank auch noch Aufgaben im Bereich der Altenpflege und der Altenbetreuung wahrnehmen –: Ich bin über jede Gemeinde, jede Stadt froh, die die Pflege nicht privatisiert hat, die Alten- und Pflegeheime noch in eigenen Gemarkungen betreibt, mit eigener Verantwortlichkeit betreibt, weil das allemal besser ist, als sie zu privatisieren.

Was tun wir jetzt? – Klubobmann August Wöginger hat es ja dargelegt: Begin­nend mit letztem Jahr haben wir ein Paket auf den Weg gebracht, das zunächst einmal 20 Maßnahmen beinhaltet hat, die angefangen von der Bes­serbezahlung des Pflegepersonals über eine zusätzliche Urlaubswoche ab einem bestimmten Lebensalter, die Verbesserung der Arbeitsbedingungen für Men­schen, die mit Demenzkranken arbeiten, was eine besondere Belastung darstellt, bis hin zur besseren Ausbildung, Attraktivierung der Ausbildung durch Stipendien und Zuschüsse während der Ausbildung reichen. Wir haben also eine ganze Reihe von Maßnahmen auf den Weg gebracht, die die Pflegebedingungen, die die Attraktivität des Berufs insgesamt besser machen.

Was wir heute machen, ist ein nächster Schritt, nämlich Voraussetzungen zu schaffen, dass Pflegekräfte dürfen, was ihrer Ausbildung angemessen ist. Ich habe Ihre Bedenken, Frau Abgeordnete Heinisch-Hosek, dass es da zu Qualitäts­einbußen kommen könnte, schon wahrgenommen. – Ich sehe das nicht so, weil wir sehr darauf achten, dass genau das nicht passiert, dass es also keinen Anreiz gibt, das downzugraden, sondern dass es eine Arbeitserleichterung für die


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Menschen, die in den Pflegeberufen tätig sind, darstellt, weil die das auch wollen und sagen: Wir sind dafür ausgebildet, wir bringen die Voraussetzungen mit, wir wollen das aber abgesichert tun und nicht in einem Graubereich, wie es dargestellt worden ist.

Wir verstärken auch die Qualitätskontrolle: Früher war es so, dass Hausbesuche einmal pro Jahr stattgefunden haben, um die Qualität der Pflege zu Hause zu überprüfen, das wird jetzt auf bis zu vier Mal jährlich ausgeweitet. Da gibt es auch in Sachen Qualitätssicherung Schritte, die gemacht werden.

Es ist einfach notwendig, da an allen Schrauben zu drehen. Wir müssen die Zugangshürden für Pflegekräfte aus dem Ausland, was die Anerkennung angeht, senken. Die sind zu bürokratisch, die sind zu hoch, und da jetzt die sogenannte Nostrifizierung zu erleichtern ist – neben der Kompetenzerweiterung, die wir heute auf den Weg bringen – ein ganz wesentlicher Baustein. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Es gibt eine Erleichterung bei der Nachgraduierung von diplomiertem Pflege­personal, es gibt Erleichterungen bei der Betreuung durch Personenbe­treuer:innen, es gibt eine Erleichterung der Aufschulung und es gibt eine Unter­stützung der Basisversorgung durch Zivildiener.

Das, meine Damen und Herren, sind Schritte, die gemacht werden müssen. In einem weiteren ganz wesentlichen Schritt – also neben der Tatsache, dass wir für die Pflege auch mehr Geld brauchen werden, weil wir eine alternde Gesellschaft sind – wird es darum gehen, das Personal zu bekommen. Was das Geld anlangt, noch einen Nachsatz dazu: Was wir mit dem ersten Pflegepaket gemacht haben, die Attraktivierung der Gehälter, ist befristet. Das war ein massiver Kritikpunkt seinerzeit: Das gilt ja nur für zwei Jahre, und was ist dann? – Jetzt wird es gelingen, und da bin ich sehr zuversichtlich, im Zuge der Finanzausgleichsverhandlungen die dauerhafte Finanzierung dieser Gehalts­bestandteile, auch der Communitynurses, hinzubekommen. Das wird im Einver­nehmen mit den Bundesländern passieren, die Finanzausgleichsverhandlungen


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dazu laufen positiv. Ich bin mir sehr sicher, dass wir das auch hinbekommen werden.

Zum Personal – letzter Satz –: Es wird nur bedingt helfen, das Geld in die Hand zu nehmen – das brauchen wir, ja –, wir brauchen aber auch die rechtlichen Voraussetzungen für die Verbesserungen, die wir jetzt zustande bekommen haben. Aber – das hat auch Klubobmann Wöginger angesprochen – ohne Personal wird es nicht gehen. Wir sind außerstande, und zwar alle europäischen Staaten – außerstande entlang der Demografie, die wir haben –, die Pflege­kräfte, die wir brauchen, zu bekommen und insgesamt die Tätigkeiten in den Sozial- und Gesundheitsberufen aus eigenem Nachwuchs zu bestreiten. Wir werden Zuwanderung aus dem Ausland, aktive Anwerbung im Ausland brauchen. Wer sich dem verwehrt, der gefährdet die Sicherung der Pflege­qualität in diesem Land; das muss in dieser Deutlichkeit einmal gesagt werden. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Wenn da Festungen errichtet werden, Burgen errichtet werden, von deren Zinnen herab den Pflegekräften, die sich umschauen, wo in Europa sie denn tätig sein wollen, Speere entgegenragen, dann werden die einen Bogen um diese Festung machen. Die werden nicht herkommen. Die werden nach Deutschland gehen, nach Frankreich gehen, nach Dänemark gehen, nach Schweden gehen, überallhin, aber nicht nach Österreich. (Abg. Belakowitsch: Eh klar! – Abg. Wurm: Aber nach Frankreich geht keiner mehr!)

Wer also mit diesem Bild spielt, meine Damen und Herren von der FPÖ, hat dann die Verantwortung dafür zu übernehmen. (Abg. Belakowitsch: Frankreich ist ein gutes Beispiel, ja! – Abg. Wurm: Paris brennt!) Dass wir mittlerweile – und ich weiß, wovon ich rede – im Kreis der EU-Mitgliedstaaten einen Wettbewerbs­nach­teil haben, ist klar, weil wir, wie Sie es propagieren, eine Abschreckungs­politik betreiben. (Abg. Belakowitsch: Ja! Ja!)

Sie betreiben eine Vertreibungspolitik bezüglich ausländischer Pflegekräfte. Sie haben die Verantwortung dafür zu tragen, dass wir als Standort jetzt schon


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Schwierigkeiten haben, im Ausland dringend benötigte Pflegekräfte anzuwerben. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Pfurtscheller.)

Das ist eine Tatsache, das muss den Menschen so gesagt werden, und ich werde das, ich verspreche es, auch fortlaufend tun. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Rauch: Kollege Rauch, wenn du mit der Mindestsiche­rung ..., die kommen gerne dann! Nur arbeiten wollen sie halt nichts! – Abg. Belakowitsch: 120 000 haben wir eh voriges Jahr reingeholt!)

13.12


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Ernst Gödl. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.12.29

Abgeordneter Mag. Ernst Gödl (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundes­minister! Meine geschätzten Damen und Herren hier im Plenum und geschätzte Damen und Herren auf der Besuchergalerie und zu Hause! Ich darf eingangs – das freut mich ganz besonders – eine Gruppe aus meinem Wahlkreis, aus meinem Bezirk Graz-Umgebung begrüßen, nämlich eine Abordnung aus der Gemeinde St. Marein bei Graz – übrigens die Heimatgemeinde von Frau Umweltministerin Leonore Gewessler, aber natürlich mit einem ÖVP-Bürger­meister an der Spitze. (Heiterkeit bei den Grünen.) Herr Bürgermeister Franz Knauhs, herzlich willkommen! (Beifall bei ÖVP und Grünen, bei Abgeordneten der SPÖ sowie der Abg. Belakowitsch.) – Es freut mich sehr.

Dieser Bürgermeisterkollege ist übrigens auch ein Mitglied im Vorstand im Sozial­hilfeverband Graz-Umgebung. Wir bemühen uns auch vor Ort, unseren Aufgaben als Gemeinden gerecht zu werden, um Pflege gut zu organisieren und zu finanzieren. So trifft es sich gut, dass ich heute auch ein paar Worte zu diesem Thema sagen darf.

Tatsächlich macht es mich riesig stolz, was wir in den letzten beiden Jahren als Regierungsparteien im Bereich der Pflege zusammengebracht haben. Es ist eine


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wirklich große und großartige Reform, die auf den Weg gebracht wurde. Das Pflegepaket 1.0 im vorigen Jahr: 1 Milliarde Euro, 20 Maßnahmen. Das Pflegepaket 2.0, das wir jetzt behandeln: 120 Millionen Euro bis 2025, die wir investieren, um wiederum verschiedene Bereiche zu verbessern.

Frau Kollegin Heinisch-Hosek, das wird doch nicht das Ende sein. Wir werden uns möglicherweise in jeder Sitzung mit Punkten aus der Pflege befassen, denn es ist, so wie es mein Klubobmann gesagt hat, an vielen Rädchen zu schrauben. Wir müssen viele Dinge verändern, das geht nicht mit einem einzigen Gesetz. Da brauchen wir viele Punkte, die wir sukzessive verbessern. Da haben wir wie gesagt einiges auf den Weg gebracht.

Die Pflegereform war immer ein Anliegen der letzten Regierungen – da war etwa noch Kollege Stöger Gesundheitsminister, als das schon ein großes Thema war –, aber das, was wir hier in den letzten zwei Jahren umgesetzt haben, ist quasi etwas von einem anderen Stern.

Weil Frau Kollegin Belakowitsch, die gerade nicht zuhört, aber vielleicht bald wieder zuhört (Abg. Belakowitsch: Nein, nein! Kollege Wöginger hat uns abgelenkt!), immer hier herauskommt und alles so kritisch, so ein bisschen negativ darstellt – na ja, wir sind doch dabei! (Abg. Belakowitsch: Ich habe gesagt, wir stimmen zu!) –: Ich habe heute in der Früh gedacht, ich muss einmal das ausgraben, was damals Sozialministerin Hartinger-Klein niedergeschrieben hat (Abg. Belakowitsch: Hast du dir auch rausgesucht, was du dazu gesagt hast?), nämlich mit deiner Unter­stützung, denn du warst damals schon Sprecherin für Soziales und auch für die Pflege. (Abg. Belakowitsch: Und du warst eh der Pflegesprecher!)

Frau Ministerin Hartinger-Klein hat damals, vor fünf Jahren, im Dezember 2018, einen Masterplan Pflege aufgelegt. Ich habe heute in diesem geblättert, und siehe da: Das, was wir machen und was du jetzt so kleinredest, ist hier (ein Schriftstück in die Höhe haltend und darin blätternd) eins zu eins niedergeschrie­ben. (Abg. Belakowitsch: Und du hast es ...!) Ich greife ein paar Punkte heraus:


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Die Aufteilung  der 24-Stunden-Betreuung wurde 2018 von deiner Ministerin niedergeschrieben. (Abg. Belakowitsch: Du musst aber schon alles vorlesen!) – Wird jetzt umgesetzt.

Oder: Maßnahmen zur Attraktivierung der Pflege und Betreuung zu Hause. – Wir haben zum Beispiel die Pflegekarenz verstärkt.

Oder: Zuwendungen für die Kosten für die Ersatzpflege; das war damals im Programm. – Frau Kollegin Belakowitsch: Das haben wir umgesetzt.

Oder: Unterstützung der pflegenden Angehörigen. – Mit dem Angehörigen­bonus, der übrigens ab 1. Juli zu beantragen ist, haben wir das in dieser Regierung umgesetzt. (Abg. Belakowitsch: Ich sehe es ja von da ...! Man sieht es: Es sind ein paar Pickerl gepickt!)

Oder: Erhöhung des Pflegegeldes. – Haben wir umgesetzt.

Ich möchte an dieser Stelle auch darauf hinweisen – ich sage Ihnen eines –: Wir haben ganz sicher eines der besten Pflegesysteme der Welt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Was wir ganz sicher haben: Wir haben das höchste Pflegegeld der Welt. In Österreich bekommt jemand der höchsten Pflegestufe 7 1 879 Euro. In Deutschland, liebe Kolleg:innen der SPÖ, mit Kanzler Scholz an der Spitze bekommt so jemand 901 Euro. Aber was besonders interessant ist: Wir haben in Österreich beschlossen, das Pflegegeld jährlich zu valorisieren. (Abg. Belakowitsch: Herr Kollege Gödl! Das haben wir beschlossen im koalitionsfreien Raum, weil die ÖVP sich gewehrt hat!)

Was machen die Deutschen, Ihre Parteifreunde in Deutschland: heuer null Valorisierung, im nächsten Jahr 5 Prozent, und dann wird die Valorisierung wieder vier Jahre ausgesetzt. Also Sie sehen, dass wir im Bereich der Pflege viel, viel weiter sind als die meisten Länder in Europa (Abg. Belakowitsch: Ja, da hat es


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einen koalitionsfreien Raum gebraucht! Das ist ja unfassbar, was der da erzählt!) und wir dieses Pflegereformpaket durchaus weltweit herzeigen können.

So haben wir auch in anderen Bereichen wichtige Maßnahmen gesetzt, wie zum Beispiel beim Personal. Pflegestipendium: Ich nehme an, dass Kollege Ragger dann noch herauskommen und sagen wird, beim Pflegestipendium bekommen die nur 1 400 Euro und die Polizeischülerinnen und -schüler bekommen 2 000 Euro. Das ist nämlich genau der Punkt, wenn man brutto und netto nicht unterscheiden kann. Das Pflegestipendium ist nämlich netto und die Entlohnung für die Polizeischüler in Ausbildung ist ein Bruttobetrag; das möchte ich noch anmerken.

So haben wir in vielen Bereichen, um das Personal zu stärken, um den Beruf attraktiver zu machen und auch um die Angehörigen zu Hause zu stärken, bereits sehr vieles umgesetzt: zwei große Reformpakete. Das nächste wird folgen. Wir bleiben da drauf, denn wir sind es, wie es mein Klubobmann gesagt hat, unseren älteren Menschen schuldig, ihnen ein Altern in Würde zu ermöglichen. Daran werden wir Schritt für Schritt weiter arbeiten. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

13.17


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Alois Stöger. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


13.17.48

Abgeordneter Alois Stöger, diplômé (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir reden über die Pflege. Die Bundesregierung war nicht in der Lage, selber einen Gesetzestext vorzulegen, sondern das haben Abgeordnete gemacht. Das haben deshalb Abgeordnete gemacht, weil Sie alles, was bisher im Pflegebereich notwendig gewesen wäre, nämlich eine Begutachtung, nicht wollten.


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Ich glaube, dass Klubobmann Wöginger als Antragsteller die legistischen Richtlinien des Bundeskanzleramts kennt oder zumindest kennen sollte, und all das, was da drinnen steht, haben Sie nicht eingehalten. Wenn man sich das anschaut, wie da gepfuscht wird, nämlich legistisch gepfuscht wird, muss man sagen: Das ist eigentlich für die betroffenen Gruppen ein Problem. – Ich nenne einmal zwei, drei Sachen dieses Pfuschs, ins Detail können wir noch gehen.

Der erste große Pfusch, der da gemacht wird, ist: Man regelt – und da sind wir sogar dafür –, dass die Pflegekräfte etwas verordnen dürfen; was man aber nicht mehr regelt und heute herausstreicht, ist, wer denn das zahlt, was die verordnen. Diese Regel, wie das bezahlt wird, was die verordnen, streicht man heute mit eurem Abänderungsantrag heraus. Ich habe es euch schon im Ausschuss gesagt, dass ihr da noch ein Problem habt, und euch gebeten, es zu regeln. – Ihr habt es nicht geschafft. Für die Pflege ist betreffend Verordnungen nicht geklärt, wer das dann zahlt, und am Ende zahlen es die Pflegebedürftigen und nicht die Sozialversicherung und nicht die Länder. Da kommt es zu einer Umverteilung.

Eine zweite Sache: Ich habe jetzt versucht herauszufinden, wo man denn diesen Erholungsurlaub oder diese (Abg. Wöginger: Entlastungswoche!) Entlastungs­woche findet, wenn man in der Rechtsdatenbank nachliest. – Ich habe eingegeben: Urlaub für Pflegekräfte – da findet man keinen Treffer (Abg. Gödl: Es heißt Entlastungswoche! – Abg. Michael Hammer: Eine Suchmaschine muss man bedienen können!), im öffentlichen RIS findet man keinen Treffer. (Abg. Wöginger: Du musst halt das Richtige eingeben! Ich kann nicht Josef eingeben, wenn ich einen Alois suche!) Ihr habt das so versteckt, dass das eh niemand kriegt (Abg. Gödl: Na geh, na bitte!), weil man es in der Rechtsdatenbank nicht findet. Das müsste man dort aber finden können, und das sind Fehler, Herr Klubobmann, die man nicht machen sollte. (Beifall bei der SPÖ.)

Diese Urlaubsregelung ist ein Rückschritt in der Kodifikation des Arbeitsrechtes. Herr Bundesminister, Sie hätten sich die Arbeits- und die Arbeitsrechtsagenden behalten müssen. Die Mitarbeiter, die Sie abgegeben haben, hätten das gut gemacht, sie hätten die Kodifizierung des Urlaubsrechtes zustande gebracht.


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Auch Folgendes tut man nicht: Auch ein Pfusch ist – da möchte ich Kollegin Heinisch-Hosek recht geben –, dass ihr Kompetenzveränderungen macht, ohne dass ihr entlang dieser neuen Kompetenzen – da kann man mit uns reden – die Ausbildung sicherstellt. Das klingt für uns wie ein Pfusch. Da könnte man genauer hinschauen, das haben sich die Menschen, glaube ich, verdient. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

13.21


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Mag. Michael Hammer. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.21.10

Abgeordneter Mag. Michael Hammer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren! Wir beschäftigen uns mit dem zweiten Teil des Pflegepaketes. Ich bin jedes Mal wieder bass erstaunt von Kollegen Stöger. Er ist die Universal­waffe, da er schon in verschiedensten Ministerien war. In Wirklichkeit ist ein Megajurist und -legist an dir verloren gegangen (Abg. Stöger: Danke!), aber dennoch würde ich das, was du gesagt hast, lieber einem Juristen überlassen, weil es so einfach nicht stimmt.

Zur Kostentragung sei gleich eingangs gesagt, dass heute ein Abänderungsantrag eingebracht werden wird, der klar regelt, dass das die Sozialversicherungen in der Krankenordnung zu regeln haben. – Das ist das Erste; das wird entsprechend geregelt.

Zum Zweiten, Herr Kollege Stöger, würde ich wirklich um eines bitten: Die Entlastungwoche für Pflegeberufe gibt es natürlich. Ich würde hier heraußen nicht sagen, dass es sie nicht gibt, nur weil Sie über Google oder über das RIS nichts dazu finden. Da würde ich schon aufpassen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.) Ich habe jetzt nur 1 Minute Zeit gehabt, aber – wie das halt so ist – einen Computer muss man auch bedienen können, man muss auch die richtigen Daten eingeben können, dann kriegt man auch das richtige


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Ergebnis heraus. Das wäre auch bei eurem Wahlergebnis gescheit gewesen. (Heiterkeit bei der ÖVP. – Abg. Scherak: Ist das so wie mit den Büchern der ÖVP?)

Zum Pflegereformpaket sei noch gesagt – das wurde von meinen Vorrednern und auch vom Herrn Minister schon gesagt –, dass man darauf auch stolz sein kann. Teile der Opposition tragen es ja auch mit. Man darf nicht immer das Haar in der Suppe suchen, sondern wir müssen den Pflegebereich, der komplex und umfangreich ist, wirklich Schritt für Schritt verbessern und weiterentwickeln, um ihn vor allem in der Qualität und Quantität dauerhaft abzusichern.

Wir haben mit dem ersten Paket schon 20 Maßnahmen umgesetzt; da ist es vor allem um die Bezahlung und um die Rahmenbedingungen für die Pflege­berufe gegangen. Jetzt kommt ein weiteres Paket im Umfang von 1 Milliarde Euro, in dem es um die Pflegeberufe per se geht. Da werden weitere wichtige Schritte gesetzt, und dazu gehören auch die entsprechenden Entlastungen bei der 24-Stunden-Betreuung.

Wenn wir schon davon reden: Die Probleme in der Pflege lösen sich nicht von einem Tag auf den anderen, da heißt es dranzubleiben. Das ist der zweite Teil dieses Paketes, es werden aber noch weitere Maßnahmen folgen.

Was für uns wichtig ist – Kollege Gödl hat schon von den Sozialhilfeverbänden gesprochen –: Die Pflege ist Aufgabe der Gemeinden und Länder, aber der Bund beteiligt sich– das ist Teil dieser Pflegepakete – da ganz massiv, obwohl er gar nicht zuständig wäre. Das ist ein wichtiger Schritt. Beim Finanzausgleich – dafür darf ich mich beim Herrn Gesundheitsminister und beim Herrn Finanzminister bedanken, auch wenn das noch nicht in trockenen Tüchern ist – zeichnet sich ab, dass seitens des Bundes, gemeinsam mit den Ländern und Gemeinden, zusätz­liche Mittel für die Finanzierung der Pflege bereitgestellt werden. Das brauchen wir, damit wir die hochqualitative Pflege für die Menschen sicherstellen können.


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Herr Kollege Stöger, Sie können sich darauf verlassen, dass da etwas Ordent­liches herauskommt und wir die Pflege auch weiterentwickeln werden. – Danke sehr. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Stöger: Ich bin schon gespannt!)

13.24


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Abgeordneter Mag. Christian Ragger. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


13.24.16

Abgeordneter Mag. Christian Ragger (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Geschätzte Damen und Herren im Haus! Grundsätz­lich sind wir ja nicht diejenigen, die per se alles ablehnen. Ich darf anschließend an Kollegen Gödl ausführen, was unsere Gedanken zu diesem Bereich sind.

Wir Freiheitliche haben seit dem ersten Tag immer klar dargelegt, was unsere Intention bei der Entwicklung der Pflege ist: so lange wie möglich, so sicher wie möglich und möglichst gut finanziell abgesichert zu Hause versorgt zu werden. All diese Intentionen müssen die Grundlage für die Pflegeversorgung in Öster­reich sein. Sie wissen, dass das Gros dieser Versorgung dort auch passiert. – Das ist der erste Punkt.

Sie haben es nicht geschafft – in dieser Periode nicht, schon gar nicht in der vorhergehenden Periode und auch in den letzten 30 Jahren nicht –, die Pflege neu aufzusetzen, weil Sie natürlich an gesetzliche Schranken stoßen, aber auch in Ihrem eigenen Lobbyistenkreis nicht weiterkommen. Das ist Ihr Kern­problem.

Wir sind bei diesen Sachen schmerzbefreit, weil wir keinen Vertretungen nach dem Mund reden müssen. Daher sind wir auch ganz anders an das Thema herangegangen. Für uns ist es wichtig, zuerst einmal die Ausbildung sicherzu­stellen, daher basiert einer unserer Schwerpunkte auf der Frage: Wie schaffe ich den Nachwuchs? Unser Zugang zur Ausbildung ist es, die Pflegelehre, die


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Assistenz und dann den diplomierten Dienst zu implementieren, und das anhand einer lebenslänglichen oder lange aufbauenden Schulung und Versorgung.

Der zweite Teil, und da stoßen wir an die Grenzen der ÖVP, ist die Finanzierung, weil es letztendlich in der Pflege nach wir vor problematisch ist, dass wir neun Bundesländer haben und jedes seine eigene Pflegefinanzierung sicherstellt, die am Ende des Tages nicht funktioniert. Ich erinnere nur zurück an die letzten Rechnungshofberichte der Tiroler, der Steirer und der Kärntner dazu: Es braucht 74 Zahlungsströme für ein einziges Bett!

Sie müssen dieses Geld sozusagen effektiv einsetzen. Sie behaupten, dass wir letztendlich die beste Pflegeversorgung europaweit oder sogar weltweit hätten. Das ist so wie bei der Bildung: Ja, wir geben viel Geld für die Bildung aus, aber es versandet in Ihren föderalistischen Strukturen. Es versandet letztendlich in Ihren Strukturen, weil Sie sich mit Ihren ganzen Kompetenzüberschneidungen am Ende des Tages selbst im Wege stehen.

Der dritte Punkt ist letztendlich – das vergessen die meisten –: Wie schaut die Betreuung aus? Sie sind gerne eingeladen, einmal mit mir in ein Pflegeheim zu gehen. Die Menschen in der Betreuung fühlen sich vernachlässigt, weil in den Teams, die sie bilden, der Betreuungsschlüssel nicht passt. Der entscheidende Part ist nämlich nicht das Gehalt, sondern die Betreuungszeit des Pfleglings. Diese ist heute so festgelegt, dass die Pfleger im Grunde genommen nicht die Zeit haben, die einzelnen Pfleglinge für eine gewisse Zeit zu betreuen.

Wenn Sie heute in ein Pflegeheim gehen, dann werden Sie sehen, dass eine Pflegeassistentin zwischen 15 und 20 Personen an einem Tag zu waschen und essensmäßig zu versorgen hat, und dann soll sie vielleicht auch noch irgend­welche Zusatzmaßnahmen, die Sie ja heute beschließen werden, auch noch erfüllen. Sagen Sie mir, wie das eine Frau, die die Pflegeversorgung sicherstellen soll, schaffen soll! Das sind Ansatzpunkte, die Sie einfach nicht verstehen wollen.


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Wir brauchen mehr Zeit für die Pflegenden, wir brauchen mehr Zeit für die Pfleglinge und wir brauchen auch für die Ausbildung mehr Zeit. Das hat der Minister bis dato einfach nicht zusammengebracht, weil es letztendlich auch daran scheitert, dass Ihr Finanzminister (in Richtung Bundesminister Rauch) Ihnen das nötige Geld dafür zur Verfügung stellt.

Wenn Sie es ernst nehmen wollen, dann gebe ich Ihnen abschließend noch etwas mit: Viele von uns, die wir hier sitzen, werden im Jahr 2050 entweder verstorben sein oder das riesige Problem haben, dement zu sein. 2050 werden 40 Prozent der Bevölkerung Österreichs dement sein. Bis dato haben wir noch nicht einmal darüber gesprochen, wie wir das bewältigen wollen. Das sind Punkte, die Sie vielleicht irgendwann einmal in der Zukunft voraus­schauend regeln sollten. (Beifall bei der FPÖ.)

13.28


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Mag.a Verena Nussbaum. – Bitte, Frau Abgeordnete.


13.28.51

Abgeordnete Mag. Verena Nussbaum (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Hohes Haus! Geschätzte Zuseher auf der Galerie! Besonders begrüßen möchte ich meine Kolleginnen und Kollegen von der GPA Steiermark, die heute bei uns im Hohen Haus zu Gast sind. – Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

Ich möchte heute noch einmal betonen, dass die Tagesordnungspunkte, die wir jetzt besprechen, eigentlich in den Gesundheitsausschuss gehört hätten. Das sind wieder Husch-pfusch-Aktionen und das zeigt die Arbeitsweise der Regierung, die solche Anträge an den Arbeits- und Sozialausschuss verweist, obwohl diese Anträge dort nicht hingehören.

Bei der Novelle des Gesundheits- und Krankenpflegegesetzes können wir nur den Änderungen des ASVG zustimmen. Wir befürworten ausdrücklich, und das


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haben wir auch schon lange gefordert, das Erstverordnungsrecht für Diplomierte Gesundheits- und Krankenpfleger:innen. Sie dürfen in Zukunft verschiedene Medizinprodukte – wie zum Beispiel Verbandsmaterialien, Gehhilfen oder Inkontinenzprodukte – selbstständig verordnen. Jedoch wurde auch das nicht fertig gedacht, weil die Abrechnung noch immer nicht endgültig geregelt ist.

Auch beim Tagesordnungspunkt 7 werden wir zustimmen. Da geht es darum, dass zukünftige Pflegekräfte, die im zweiten Bildungsweg eine Pflegeausbildung absolvieren, analog der Polizeifachausbildung sozialversichert sind und auch ein Ausbildungsstipendium erhalten. Wir gehen mit unseren Forderungen, die wir in diesem Zusammenhang schon öfter eingebracht haben, noch weiter: Wir fordern auch eine zusätzliche Arbeitsplatzgarantie analog den Bestimmungen für die Polizeiausbildung. (Beifall bei der SPÖ.)

Genauer betrachten möchte ich jetzt aber die Novelle zur sogenannten Entlas­tungswoche für das Pflegepersonal – erinnern wir uns, sie ist erst im November, Dezember hier im Hohen Haus beschlossen worden! Die Entlastungswoche wurde groß angekündigt, und es war ernüchternd, dann festzustellen, wer die Entlastungswoche wirklich bekommt, wer davon profitiert. Auch bei dieser Novellierung wurde nicht Rücksicht auf die Kolleginnen und Kollegen genom­men, die schon sechs Wochen Urlaubsanspruch haben, nämlich darauf, dass auch für sie eine zusätzliche Entlastungswoche möglich ist. Auch kollektiv­ver­trag­liche Bestimmungen werden noch immer auf die Entlastungswoche angerechnet.

Weiters sind noch immer Heimhilfen und Mitarbeiter:innen, die Menschen mit Behinderungen betreuen und pflegen, nicht einbezogen, es gibt für sie also keine Entlastungswoche. Nicht nachvollziehbar ist auch, warum es die Möglichkeit gibt, diese Entlastungswoche in Geld abzulösen. Das ist ja völlig konträr zum Sinn einer Entlastungswoche.

Bei der Novelle geht es nur darum, für die Berechnung der Entlastungswoche vom Kalenderjahr auf das Urlaubsjahr umzustellen, also eine rein administrative


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Änderung. Wir finden es schade, dass es auch in diesem Fall keine parlamen­tarische Begutachtung gegeben hat. Ich glaube, wir könnten uns viele Novellen ersparen, wenn das ordnungsgemäß im demokratischen Prozess abgewickelt würde. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

13.32 13.32.09


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Ich darf Frau Staatssekretärin Claudia Plakolm recht herzlich im Haus begrüßen. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir kommen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 4: Entwurf betreffend GuKG-Novelle 2023 in 2146 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Mag. Ernst Gödl, Bedrana Ribo, MA, Kolleginnen und Kollegen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Weiters liegt ein Verlangen auf getrennte Abstimmung des Abgeordneten Josef Muchitsch vor.

Ich werde daher zunächst über die vom erwähnten Abänderungsantrag sowie dem Verlangen auf getrennte Abstimmung betroffenen Teile – der Systematik des Gesetzentwurfes folgend – und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Wir gelangen nun zur getrennten Abstimmung über Art. 1 Z 5 in der Fassung des Ausschussberichtes.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstim­mig angenommen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll224. Sitzung, 224. Sitzung des Nationalrats vom 6. Juli 2023 / Seite 210

Die Abgeordneten Mag. Ernst Gödl, Bedrana Ribo, MA, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungsantrag betreffend Art. 1 Z 13 und Art. 3 eingebracht.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen schließlich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung ange­nom­men.

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 5: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem Art. V des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 473/1992 geändert wird, samt Titel und Eingang in 2147 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenom­men.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll224. Sitzung, 224. Sitzung des Nationalrats vom 6. Juli 2023 / Seite 211

Nun gelangen wir zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 6: Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 2148 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit, angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 7: Antrag des Ausschus­ses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 2149 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Auch das ist mehrheitlich angenommen.

13.35.088. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (2085 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Freiwilligengesetz geändert wird, sowie über den

Antrag 3059/A der Abgeordneten Elisabeth Feichtinger, BEd BEd, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Freiwilligengesetz BGBl I 17/2012 geändert wird (2150 d.B.)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir kommen nun zum 8. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Maximilian Linder. – Bitte schön, Herr Abgeordneter. (In Richtung Abg. Lindner:) Warum schaue ich jetzt eigentlich zu dir? – Max, bitte.


13.35.48

Abgeordneter Maximilian Linder (FPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Frau Staatssekretärin! Geschätzte Kolleginnen und geschätzte Kollegen! Liebe


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll224. Sitzung, 224. Sitzung des Nationalrats vom 6. Juli 2023 / Seite 212

Zuhörerinnen und liebe Zuhörer! Dieses Freiwilligengesetz betrifft hauptsächlich die 1 500 Menschen, die das Freiwillige Sozialjahr machen, die 80 bis 90 Men­schen, die das Freiwillige Umweltjahr machen, und die ganz wenigen Menschen, die das Freiwillige Gedenk-, Friedens- und Sozialdienstjahr im Ausland machen. Das sind durchaus wichtige Bereiche – wir von den Freiheitlichen verstehen aber Freiwilligendienst ganz anders.

Wir verstehen darunter die Arbeit der 3,7 Millionen Österreicher, die bei der Feuerwehr, beim Roten Kreuz, beim Samariterbund, bei all den sozialen Dorf­ver­einen, bei der Bergrettung arbeiten und in vielen anderen freiwilligen Hilfs- und Freiwilligenorganisationen beschäftigt sind. – Für diese Menschen ist das Gesetz nicht gemacht. Es bietet ihnen keine Hilfe bei der täglichen Arbeit, wenn zum Beispiel in § 4b im Gesetzentwurf steht: Eine wichtige Aufgabe ist das Beraten, „insbesondere auch über einen angemessenen Versicherungsschutz“.

Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! In Afritz in Kärnten kämpft gerade ein Feuerwehrkommandant, dass er nicht angeklagt wird, weil er nach einem Kaminbrand nach eingehendsten Beratungen mit dem Rauchfangkehrermeister entschieden hat, der Brand ist erledigt, sie können abrücken. Viele Stunden danach ist der Brand wieder ausgebrochen. Und dieser Feuerwehrkommandant kämpft jetzt dafür, dass er keine Anklage wegen Herbeiführung einer Feuersbrunst erhält.

Wir haben in Kärnten erlebt, dass ein Feuerwehrmann bei einem Einsatz, bei dem es darum ging, Öl zu binden, der Ölspur nachgegangen ist, ein Grundstück betreten hat und dann eine Anklage wegen Grundbesitzstörung erhalten und lange vor Gericht dafür gekämpft hat, dass er freigesprochen wurde.

Erklären Sie diesen Menschen, dass sie eine Beratung bekommen! – Die brauchen keine Beratung, die brauchen eine Versicherung, die brauchen Hilfe.

Ein weiteres Zuckerl des Gesetzentwurfes ist – und da muss ich schon ein bissel schmunzeln –: Für jeden wird ein Freiwilligenpass ausgestellt. Liebe Kollegen


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll224. Sitzung, 224. Sitzung des Nationalrats vom 6. Juli 2023 / Seite 213

von der ÖVP, liebe Bürgermeister, liebe Vizebürgermeister, liebe Gemeinde­vertreter, redet einmal mit euren Feuerwehrleuten (Abg. Weratschnig: Ja, die wollten das! Das ist ein Wunsch der Organisationen!), mit euren Rot-Kreuz-Leuten, mit euren Menschen aus den Einsatzorganisationen, ob das das ist, was sie brauchen, ob sie wirklich einen Freiwilligenpass brauchen! (Abg. Stöger: Genau das ist es!) Und reden Sie mit den Kommandanten, mit den Obmännern, ob sie bereit sind, zu kontrollieren, ob die Leute wirklich noch tätig sind oder ob sie ihnen den Pass wieder wegnehmen müssen!

Liebe Kollegen! Liebe Kameraden hier herinnen! (Heiterkeit bei der SPÖ. – Abg. Heinisch-Hosek: Hallo!) – Ja, ich bin ein Feuerwehrmann und für mich sind viele Leute einfach Kameraden, das gehört in dem Takt dazu. (Abg. Heinisch-Hosek: Vielleicht gibt es auch Kameradinnen!? – Abg. Kassegger: Immer noch besser als Genossen!) Solange dieses Gesetz nur für eine Handvoll Leute, für 1 600 Leute sehr viel an Verwaltungsaufwand produziert und all den Freiwilligenorgani­sationen nicht wirklich ein Versicherungsschutz gewährt wird, werden wir Freiheitlichen diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen. (Beifall bei der FPÖ.)

13.39


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Abgeordneter David Stögmüller. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


13.39.29

Abgeordneter David Stögmüller (Grüne): Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! 3,7 Millionen Menschen, also knapp die Hälfte der Österreiche­rinnen und Österreicher und aller Menschen, die hier leben, arbeiten freiwillig. Die leisten tagein, tagaus unzählige Stunden ehrenamtlich, um in dieser Gesell­schaft eine ganz wichtige Lücke zu füllen. Ich finde das ganz wichtig. Diesen Menschen, die das tagtäglich leisten, kann man gar nicht oft genug Danke sagen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)


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Das alleine reicht aber natürlich nicht. Alleine Danke zu sagen ist natürlich viel zu wenig. Wir müssen unsere Millionen Ehrenamtlichen in Österreich weiter fördern und die freiwillige Arbeit als solche auch aufwerten und attraktivieren. Genau das ist es: Wir rücken mit diesem Freiwilligengesetz Anerkennung, Attraktivierung und Aufwertung in den Fokus.

Wir sind bei diesem Gesetz auch ganz bewusst einen neuen Weg gegangen. Wir haben im Vorfeld – das ist ganz wichtig, das hat vielleicht der Kollege von der FPÖ nicht gewusst, oder er weiß es nicht; beim Freiwilligenrat war er ja auch sehr wenig da beziehungsweise war überhaupt nie jemand da – Organisationen eingebunden. Es hat eine große Studie gegeben, da wurden Vereine befragt, es wurden Rückmeldungen gesammelt. Dieser Prozess wurde jahrelang vorbereitet, darum hat es ja auch ein bisschen länger gedauert, aber das war uns wichtig. Es war uns wichtig, dass die Organisationen eingebunden werden, wir Rückmel­dungen bekommen und auf Basis dessen dann der Freiwilligenrat eingebunden wird, wobei auch alle Fraktionen eingeladen waren – es waren aber nur ganz wenige dabei.

Dann wurde der Gesetzentwurf gemeinsam mit den Stakeholdern entsprechend geschrieben. Da möchte ich mich auch ganz herzlich bedanken und auch einige dieser Organisationen, die heute hier sind, begrüßen, unter anderem Vertre­ter:innen des Vereins, der das Freiwillige Sozialjahr betreut – sie sitzen auch hier, sie haben uns sehr viel positiven Input gegeben –, ich möchte mich aber auch bei den Kolleg:innen hier im Nationalrat, die auch Teil des Freiwilligenrates sind, bedanken, ob das Kollege Hanger ist, mit dem ich wegen dieses Gesetzes sehr viel verhandelt habe, oder Kollegin Feichtinger, die auch im Freiwilligenrat großartige Arbeit geleistet und wichtigen Input geliefert hat – vielen Dank auch an euch, denn ich glaube, es ist immer wichtig, alle Fraktionen miteinzubinden; so auch bei diesem Gesetz. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von ÖVP, SPÖ und NEOS.)

Was kommt, was ist neu? – Es wird im Rahmen des Freiwilligen Sozialjahres und des Freiwilligen Umweltjahres mehr Taschengeld geben. Das ist wichtig. Wir


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verdoppeln von 270 auf fast 500 Euro. Das Freiwillige Sozialjahr ist die Visiten­karte für die Sozialberufe. Junge Menschen, meist junge Frauen, kommen zum ersten Mal in Kontakt mit den Sozialberufen, sehen die positiven Aspekte dieses Berufes und bleiben oft dort. Das ist also ein sehr großer und wichtiger Schritt in die Sozialberufe und eine Möglichkeit, sie auch zu attraktivieren.

Wir geben diesen Menschen, diesen jungen Leuten ein gratis Klimaticket. Das finde ich ganz, ganz wichtig, weil das ein Anreiz sein soll, ökologisch unterwegs zu sein, es soll das Klimaticket auch bewerben und ist gleichzeitig eine Mehr­leistung für die Menschen, die sich freiwillig und sozial betätigen.

Es wird 300 000 Euro für eine Service- und Kompetenzstelle für das Freiwil­ligenengagement geben. Wieder an den Kollegen von der FPÖ: Das ist genau das, was uns die Freiwilligen, die Organisationen rückgemeldet haben. Gerade kleine Vereine brauchen Service- und Kompetenzstellen, an die sie andocken können, wo sie reden können, wo sie Leistungen und Informationen bekommen: Wie kann ich einen Verein gründen? Wie kann ich es finanziell abwickeln? Wo kann ich um Förderungen ansuchen? – Das ist ein solcher Aspekt für kleine Vereine.

Wir geben 1 Million Euro für den Ausbau von Freiwilligenzentren in ganz Öster­reich aus. Das heißt, das ist auch ein wichtiger Aspekt, um diese Freiwilligen­zentren in die Bundesländer zu bekommen und dort einen Ausbau zu generie­ren – sehr wichtig! Wir werden in Zukunft einen Fonds für einen Staatspreis für Freiwilligenarbeit zur Anerkennung besonders herausragender Persönlichkeiten kreieren – dies ebenso weil als Rückmeldung gekommen ist, dass es das nicht gibt, dass das Ehrenamt eine höhere Anerkennung in unserer Gesellschaft braucht. Dementsprechend haben wir das auch umgesetzt und diesen Preis neu geschaffen.

Ein ganz wichtiger und großartiger Erfolg – den möchte ich nicht verheim­lichen – ist der Friedens- und Gedenkdienst. Da werden wir 3 Millionen Euro investieren. Warum? – Das ist nicht nur eine unglaublich wertvolle Zeit für diese jungen


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Menschen, die Zeit im Ausland verbringen, sondern es hat auch für Österreich einen wesentlichen Output: Dieser Gedenkdienst ist auch eine Visitenkarte Österreichs im Ausland. Es ist großartig, dass wir das endlich längerfristig absichern und auch für die Zukunft ausbauen.

Es ist uns mit diesem Freiwilligengesetz nicht nur gelungen, die existierenden Strukturen wie das Freiwillige Sozialjahr und den Auslandsdienst aufzuwerten, sondern auch, Akzente für die kommenden Generationen und auch für Ehrenamtliche zu setzen. Das Freiwilligenwesen ist eine wichtige Säule für die österreichische Gesellschaft, die wir langfristig absichern. Das werden wir mit diesem Gesetz auch machen, daher vielen Dank für die Zustimmung. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.44


Präsident Ing. Norbert Hofer: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Elisabeth Feichtinger. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


13.44.54

Abgeordnete Elisabeth Feichtinger, BEd BEd (SPÖ): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Herr Minister! Hohes Haus! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Rund 1 500 Jugendliche haben sich in den letzten beiden Jahren für das Freiwillige Sozialjahr entschieden, 100 für das Freiwillige Umweltjahr. Von all diesen jungen Menschen entscheiden sich rund 75 Prozent, im Anschluss in einem sozialen Beruf weiterzuarbeiten. Das ist eine großartige Bilanz, die 2011 ihren Anfang genommen hat.

Als Sozialminister Rudolf Hundstorfer 2012 das Freiwilligengesetz – das Bundes­gesetz zur Förderung von freiwilligem Engagement – auf den Weg gebracht hat, war das für die Freiwilligenpolitik ein klares, gutes und wichtiges Zeichen. Umso mehr freut es mich, dass dieses Gesetz weiterentwickelt wurde. Die Novelle des Gesetzes sehe ich als klares Zeichen für die Förderung des Freiwilli­gendienstes, speziell des Freiwilligen Sozialjahres, des Freiwilligen Umweltjahres, die wesent­lich aufgewertet werden. Es wird dauerhaft eine Service- und


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Kompetenzstelle für freiwilliges Engagement eingerichtet und natürlich werden auch die Freiwilligenzentren ausgebaut, forciert und gefördert.

Ganz besonders freut es mich natürlich, dass ich gemeinsam mit der Geschäfts­führerin des Vereins, der das Freiwillige Sozialjahr betreut, einen Antrag einbringen konnte und dieser auch umgesetzt wird. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Darin wird gefordert, dass das Klimaticket bundesweit allen, die das Freiwillige Sozialjahr absolvieren, kostenlos zur Verfügung gestellt wird, damit sie nicht wieder Geld zahlen und im Rahmen ihres Engagements in die Öffis investieren müssen, sondern sich diese Kosten ersparen können – ein herzliches Danke­schön an die Kollegen Hanger, Stögmüller, Shetty und alle anderen; Frau Ecker war da auch sehr am Gespräch beteiligt, schade, dass die FPÖ da jetzt nicht mitgeht. Wir waren aber dahinter und haben geschaut, dass wir das umsetzen. Vielen Dank dafür – es freut mich wirklich sehr. (Beifall bei der SPÖ.)

Ein Wermutstropfen ist für mich allerdings, dass die Begutachtungsfrist für den Gesetzentwurf so war, dass nur 14 Tage Zeit war. Es ist natürlich für die Freiwilligenorganisationen eine Riesenherausforderung, ein solches Konvolut zu lesen und auch Statements abzugeben, Einwände und Ergänzungen einzu­bringen. Da war definitiv viel zu wenig Zeit, und die Stellungnahmen wie etwa die Themen zur Anrechnung rund um die Pension wurden dann auch nicht mehr berücksichtigt.

Wir haben auch über die Vereinheitlichung der Versicherungen und die Erweiterung des Versicherungsschutzes gesprochen, und auch die automatische Valorisierung der bereitgestellten Bundesmittel in den kommenden Jahren ist leider auf der Strecke geblieben. Dennoch leistet dieses Gesetz in dieser Form gute Dienste und einen wichtigen Beitrag für die Zukunft der jungen Menschen in unserem Land und ist natürlich auch ein klares Zeichen für unsere Gesell­schaft.


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Wir als SPÖ stimmen diesem Antrag zu und hoffen, dass sich die Situation der Freiwilligen und der Freiwilligenorganisationen damit verbessert. Ich danke allen Freiwilligen und Freiwilligenorganisationen für ihre Arbeit – alles Gute und bleibt weiterhin so stark im Einsatz, vielen Dank für euer Engagement! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von Grünen und NEOS.)

13.47


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. And­reas Hanger. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.47.54

Abgeordneter Mag. Andreas Hanger (ÖVP): Herr Präsident! Herr Sozialminister! Frau Jugendstaatssekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Liebe Besucher auf der Galerie! Ich darf einleitend sehr herzlich den Senioren­bund Horn und die Lehrlinge der Berufsschule Linz 7 begrüßen – herzlich willkommen bei uns im Parlament! (Beifall bei ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS.)

Ich darf mich als Sprecher für das Ehrenamt, das Freiwilligenwesen, die Gemein­nützigkeit bei uns im Klub schon relativ lange mit diesem Thema auseinan­dersetzen und möchte einleitend meiner Freude Ausdruck verleihen, dass uns jetzt wirklich gemeinsam etwas gelungen ist. Ich weiß schon, wir stellen uns alle gemeinsam hin und schätzen das Ehrenamt sehr, weil natürlich das, was die 3,7 Millionen Österreicherinnen und Österreicher da täglich bei uns in der Republik in den unterschiedlichsten Sektoren – im Sportbereich, im Kulturbe­reich, im sozialen Bereich, im Katastrophenschutz und in vielen anderen Bereichen mehr – machen, einen unschätzbaren Wert hat.

Auch mir persönlich war es unglaublich wichtig, dass wir jetzt konkrete Dinge auf den Boden bringen, diese Wertschätzung nicht nur verbal zum Ausdruck bringen, sondern bei den Rahmenbedingungen wirklich einiges machen. Es ist nicht nur das Freiwilligengesetz, das wir heute zur Beschlussfassung vorlegen, sondern es ist ja viel mehr. Ausgangspunkt, das möchte ich ausdrücklich betonen, war ein Ehrenamtsgipfel im Bundeskanzleramt unter Beteiligung des


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Bundeskanzlers, des Vizekanzlers und des Sozialministers, in deren Zuständigkeit das Freiwilligengesetz fällt, und unter Beteiligung unserer Frau Jugendstaats­sekretärin, der das ja auch immer ein ganz großes Anliegen ist. Da wurde ein Bündel von Maßnahmen diskutiert, das wir jetzt gemeinsam auf den Weg bringen.

Ich möchte noch sagen: Seit gestern gibt es ja auch einen Ministerratsvortrag, um die Spendenabsetzbarkeit deutlich auszudehnen. Das ist eine zweifache Wertschätzung: Das ist zum einen eine Wertschätzung gegenüber denjenigen, die spenden, die damit diesen vielen gemeinnützigen Organisationen eine finanzielle Basis schaffen, es ist aber auch Wertschätzung gegenüber den Trägerorganisationen, weil wir damit natürlich indirekt die finanzielle Basis deutlich verbessern können.

Wir kommen jetzt in die legistische Umsetzung, da werden noch einige Detailfragen zu diskutieren sein. Das ist ein großes Paket. Wir reden da in etwa von Entlastungen in der Höhe von 100 Millionen Euro, also weniger Steuer­einahmen, die dann direkt den Trägern zur Verfügung stehen. Das ist ein wichtiger Punkt, den ich schon erwähnen möchte, weil immer wieder davon gesprochen wird, dass wir nichts für den Bereich der Freiwilligkeit, für den Bereich des ehrenamtlichen Sektors machen.

Wir diskutieren derzeit, das ist mir auch wichtig, ein neues Zweckzuschuss­ge­setz. Es gab voriges Jahr, das wird manchmal vergessen, eine neue Sonder­finanzierung für die Feuerwehren. Es gab 20 Millionen Euro an zusätzlichen Mitteln für die Feuerwehren, die diese tatsächlich sehr gut brauchen können. Das ist gar keine Frage. Ich bin persönlich auch immer sehr beeindruckt, was das Feuerwehrwesen bei uns in Österreich kann. Es gibt im Katastrophenschutz aber natürlich auch eine Reihe von anderen Trägern, die uns gemeinsam sehr wichtig sind. Das sind das Rote Kreuz, der Arbeiter-Samariter-Bund, das sind die Johanniter, das sind die Malteser – die machen hervorragende Arbeit –, das sind aber auch die kleineren Organisationen: die Höhlenrettung, die Bergrettung, die Wasserrettung. Genau für jene machen wir dieses Gesetz, weil wir ganz einfach


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haben wollen, dass die Resilienz dieser Einsatzorganisationen gesteigert wird, dass wir uns in der Zukunft noch besser auf Katastrophen vorbereiten können. Natürlich ist es auch ein Zeichen der Wertschätzung, weil genau diese Trägerorganisationen von der Freiwilligkeit getragen werden. Das sehe ich also schon auch als Zeichen der Wertschätzung.

Der dritte Baustein, der heute konkret zur Beschlussfassung vorliegt, ist das Freiwilligengesetz. Ich möchte mich da den Worten von Kollegen Stögmüller anschließen: Ich möchte mich auch für die gute Zusammenarbeit über die Fraktionsgrenzen hinweg bedanken. Das ist schon ein Zeichen, glaube ich, das das Parlament braucht, nämlich dass wir über Fraktionsgrenzen hinweg gut zusammenarbeiten können.

Ich finde es sehr schade, dass die Freiheitlichen da nicht mitgehen können, Herr Kollege! Wir haben ja viel mehr in der Pipeline als nur dieses Freiwilligengesetz; und alle sagen, es ist gut, aber Sie stimmen trotzdem nicht zu. Das finde ich persönlich schon ein bisschen bemerkenswert, aber vielleicht überlegen Sie es sich doch noch in den letzten Minuten. Es ist wirklich jede Zustimmung wert.

Es ist schon angesprochen worden: Im Kern geht es um das Freiwillige Sozialjahr. Das ist eine unglaublich wichtige Einrichtung bei uns in Österreich, weil es quasi ein Tor in die Sozialarbeit hinein ist. Es geht um die Wertschätzung gegenüber den Teilnehmerinnen und Teilnehmern.

Zum Klimaticket: Ja, Frau Kollegin Feichtinger, die Freude teilen wir uns. Das ist schon ein wichtiger Aspekt und auch ein Zeichen der Wertschätzung. Kollege Stögmüller hat es angesprochen: Es geht natürlich auch um ein Stärken der Infrastruktur. Die Zuständigkeit liegt da bei den Ländern, aber der Bund greift da quasi den Ländern unter die Arme.

Für mich persönlich eines der wichtigsten Themen ist dieser Staatspreis für das Ehrenamt, für die Freiwilligkeit. Bei allen Diskussionen, die wir über das Ehrenamt, über die Freiwilligkeit führen, geht es am Ende des Tages immer auch


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um Wertschätzung. Ich glaube schon, dass ein Staatspreis, den die Republik vergibt, ein ganz tolles Zeichen der Wertschätzung ist. Er soll Motivation sein, sodass es auch in der Zukunft viele, viele Freiwillige, viele, viele Ehrenamtliche in Österreich gibt, denn sie sind der soziale Kitt. Das ist ein Wert, der unglaublich wichtig ist und Österreich zu dem macht, was es ist: zu einem der lebens­wertes­ten Länder auf der ganzen Welt. Auch von meiner Seite gibt es natürlich ein großes Danke für jeden Einzelnen, der sich da tagtäglich einbringt. Ich darf die Freiheitlichen noch einmal dazu auffordern, dem Gesetzentwurf zuzustimmen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

13.53


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Mag. Yannick Shetty. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


13.53.16

Abgeordneter Mag. Yannick Shetty (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Insbesondere möchte ich Elisabeth Mӑrcuș, Geschäftsführerin von FSJ, begrüßen – schön, dass Sie heute hier sind! (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Wir diskutieren hier mehrere Änderungen im Freiwilligengesetz. Ich kann vorwegschicken, dass wir dem zustimmen werden und dass wir den größten Teil davon begrüßen, insbesondere – das ist schon erwähnt worden – die Zurverfügungstellung des Klimatickets für Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Freiwilligen Sozialjahres und dass die Rahmenbedingungen angepasst werden, was den Gedenk- und den Friedensdienst betrifft.

Ich möchte aber auf einen Punkt eingehen – mich verwundert ein bisschen, dass das hier noch niemand erwähnt hat –, der bei der Änderung des Freiwilli­gen­gesetzes so über die Hintertür hereinkommt, was ich zutiefst ablehnenswert finde und weswegen wir hier eine getrennte Abstimmung beantragt haben.


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Nämlich wird da über die Hintertür versucht – insbesondere versucht das anscheinend die ÖVP und die Grünen haben das, glaube ich, gar nicht bemerkt –, dass das Freiwillige Integrationsjahr abgedreht wird und dass die gesetzliche Grundlage für das Freiwillige Integrationsjahr aufgelöst wird.

Ich erkläre vielleicht, worum es geht: Die gesetzliche Grundlage für das Freiwillige Integrationsjahr gibt es schon lange. Die Idee hinter dem Integrationsjahr ist, dass man unterschiedliche Maßnahmen, die im Integrationsprozess wichtig sind – Deutschkurse, Werte- und Orientierungskurse, AMS-Maßnahmen –, im Rahmen des Integrationsjahres unter ein Dach bringt. Das Freiwillige Integrationsjahr hat nicht so funktioniert, daher wurde dann unter der Regierung Kern die gesetzliche Grundlage eingeführt, um ein sogenanntes verpflichtendes Integrationsjahr umzusetzen. Das ist eine sehr gute Idee. Es hat aber nur ein halbes Jahr bestanden und wurde dann als eine der ersten Maßnahmen der türkis-blauen Regierung abgedreht. Es wurde nicht gesetzlich abgedreht, sondern budgetär ausgehungert: 0 Euro Budget – auch heute noch.

Im aktuellen Koalitionsübereinkommen steht, dass man das Integrationsjahr unter der türkis-grünen Regierung ausbauen will, dass man das Integrationsjahr weiterentwickeln will. Das ist bis heute nicht passiert. Das Integrationsjahr wurde nicht ausgebaut, wurde nicht ausgeweitet, auch heute noch sind dafür 0 Euro budgetiert. Die einzige Handlung, die seit Regierungsantritt gesetzt wurde, ist, dass heute hier das Freiwillige Integrationsjahr abgedreht wird, dass es aus dem Gesetz rausgestrichen wird. Das finde ich wirklich ungeheuerlich, wenn das das Einzige ist, was im Integrationsbereich übrig bleibt, insbesondere vonseiten der Grünen. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich finde das deswegen so bedauerlich, weil Sie, wenn man so will, den Schienenersatzverkehr einstellen, bevor eine Ersatzstrecke gebaut wird. Mir ist schon klar, dass das Freiwillige Integrationsjahr nicht wahnsinnig stark gelebtes Recht war, aber Sie setzen jetzt ja auch keine anderen Handlungen, Sie beleben das Integrationsjahr nicht wieder. Das hier so heimlich über die Hintertür zu


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machen – ich habe das Gefühl, dass die Grünen gar nicht mitbekommen haben, dass das passiert ist, was die ÖVP da gemacht hat –, das finde ich wirklich sehr schade.

Ich möchte den Appell wirklich wiederholen, dass man sich wieder der Idee des Integrationsjahres annimmt, denn es ist wichtig, das zu bündeln und in einen Rahmen zu stellen. Bitte tun Sie das, was Sie im Regierungsübereinkommen vereinbart haben! (Beifall bei den NEOS.)

13.56


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Bundesminister Johannes Rauch. – Bitte, Herr Bundesminister.


13.56.25

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Herr Präsident! Hohes Haus! Frau Staatssekretärin! Das Freiwilligengesetz, das heute erfreulicherweise mit der Zustimmung fast aller Parteien – bedauerlicherweise nicht mit Zustimmung der FPÖ – beschlossen wird, ist ein wesentlicher Schritt und Fortschritt in der Anerkennung – das ist schon gesagt worden – der freiwilligen Arbeit, die es in dieser Republik Gott sei Dank gibt.

In Österreich sind nahezu 3,7 Millionen Menschen ehrenamtlich tätig und enga-giert. Sie leisten – und das muss man sich vorstellen – pro Woche etwa 24 Millionen Stunden an Einsatz. Das kann man ja nicht hoch genug einschätzen und auch nicht hoch genug bewerten. Freiwilligenarbeit ist allerdings kein Selbstläufer. Das war auch der Grund, warum wir seitens des Ministeriums das Freiwilligengesetz evaluiert haben, einen Bericht dazu erstellt haben und uns jetzt einfach darum kümmern möchten – das tun wir heute –, wie die Rahmenbedingungen so ausgestaltet werden können, dass Freiwilligenarbeit weiterhin gut möglich und gut ausgestattet ist.


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Das passiert auf mehreren Ebenen. Die Aufwertung der Freiwilligendienste ist wichtig, weil – und das sei dazugesagt, wir haben auch im vorigen Tages­ordnungspunkt darüber gesprochen – wir einen hohen Bedarf an Nachwuchs in allen Sozial- und Gesundheitsberufen haben. Ich darf Ihnen sagen, dass 75 Prozent derjenigen jungen Menschen, die sich im Freiwilligen Sozialjahr engagieren, anschließend einen Beruf im Bereich der Sozial- oder Gesundheitsberufe ergreifen. Ich war bei der Verabschiedung anlässlich des Abschlusses des letzten Jahrganges dabei. Es war eine wahre Freude, zu sehen, mit welchem Engagement diese jungen Menschen daran teilgenommen haben und welche Perspektiven sie in ihrer beruflichen Zukunft sehen.

An dieser Stelle sage ich vielen Dank der Organisation und Abwicklung, denjenigen, die es möglich machen, dass dieses Freiwillige Sozialjahr stattfinden kann. Die Ausstattung für das Freiwillige Sozialjahr wird jetzt deutlich verbessert: Es gibt das kostenlose Klimaticket; es gibt 500 Euro pro Monat, ein, wie ich finde, attraktives Angebot, um sich diesem Freiwilligen Sozialjahr anzunähern.

Zum Staatspreis einen Satz: Jetzt mag man sagen: Ja, einen Staatspreis auszu­rufen ist ein symbolischer Akt!, und: Was soll das, denn es ist ja nicht viel mehr als ein kleines Zeichen? – Ich kann Ihnen aus meinem Heimatbundesland berichten. Dort gibt es seit 15 oder 20 Jahren eine ähnliche Veranstaltung, zu der schlicht und ergreifend einmal pro Jahr 400, 500, 600 freiwillig Tätige aus allen Bereichen – Blaulichtorganisationen, Vereinen, NGOs – eingeladen und vor den Vorhang geholt werden. Das hat eine enorme Wirkung auf die dort Tätigen, weil sie einfach merken, es gibt dafür die Wertschätzung seitens der politisch Verantwortlichen. Ich würde das als Signal in diesen Bereich hinein nicht unter­schätzen, wenn heute hier im Nationalrat die überwiegende Anzahl der Parteien dem zustimmt: Das ist ein Signal der Wertschätzung! Insofern sage ich auch vielen herzlichen Dank dafür. – Danke schön. (Beifall bei Abgeordneten von Grü­nen und ÖVP.)

13.59



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll224. Sitzung, 224. Sitzung des Nationalrats vom 6. Juli 2023 / Seite 225

Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Klaus Köchl. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.59.46

Abgeordneter Klaus Köchl (SPÖ): Geschätzter Herr Präsident! Frau Staats­sekretärin! Lieber Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen im Hohen Haus! Wir haben Änderungen bei den Sprecherrollen der Sozialdemokraten vorgenommen, und ich darf heute das erste Mal als Sprecher meiner Fraktion für Freiwilligen- und Einsatzorganisationen tätig sein. (Abg. Michael Hammer – erheitert –: Hat’s da auch eine Kampfabstimmung gegeben?) Mich freut das wirklich ganz besonders, weil ich da eine gewisse Erfahrung habe.

Es ist sehr fein, wenn wir heute ein Gesetz – an dem Elisabeth und andere gearbeitet haben – verabschieden können, über das man sich einig ist – bis auf die Freiheitlichen, die leider nicht dabei sind. Ich habe bei den ÖVP-Abge­ordneten herausgehört, dass Österreich im Bereich der Freiwilligen auch welt­weit das Land Nummer eins werden soll, so wie Wien weltweit die lebenswerteste Stadt, die Nummer eins, ist. Wien ist nämlich eine der besten oder überhaupt die beste Stadt auf dieser Welt. Das, glaube ich, sollte ein Ziel sein. (Beifall bei der SPÖ.)

Deshalb freut es mich, dass es eben dieses neue Gesetz gibt, dass die Frei­willigen, seien es die Feuerwehrleute oder andere Blaulichtorganisationen, die besten Rahmenbedingungen bekommen, damit sie sicher arbeiten können. Es ist wichtig, dass sie Sicherheit haben, dass sie geschützt sind, dass sie unterstützt werden, beispielsweise mit dem Klimaticket. Das sind die Voraussetzungen dafür, und daran gilt es zu arbeiten.

Bei dieser Gesetzesnovelle fällt mir auch auf, dass die Bundesmittel im Budget nicht angepasst wurden. Aufgrund dieser Information, Herr Minister, glaube ich, dass die Finanzierbarkeit in Zukunft sicherlich nicht gegeben ist und dass da


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noch etwas zu machen sein wird. Ich freue mich auf alle Fälle auf die gemein­same Arbeit und gratuliere zu diesem Gesetzentwurf. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

14.02


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


14.02.08

Abgeordnete Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler (ÖVP): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Österreich ist ein Land der Freiwilligenarbeit, ein Land des Ehrenamtes. Es wurde ja schon gesagt: 3,7 Millionen Österreicherinnen und Österreicher enga­gieren sich in den verschiedenen Bereichen – Sport, Kultur, Bildung, Umwelt, Soziales und so weiter –, und ich bin zutiefst überzeugt, dass ohne dieses ehrenamtliche Engagement vieles, was da passiert, nicht möglich wäre. Daher sagt auch unsere Fraktion ganz, ganz herzlich Danke an alle Ehren­amtlichen und alle Freiwilligen in Österreich! (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, weil heute auch schon einige Senio­ren­­gruppen hier waren – auch die gilt es, glaube ich, zu erwähnen –: Gerade im Bereich der Seniorenorganisationen quer durch spielt das Ehrenamt eine sehr, sehr große Rolle und ist so wichtig, weil es gerade auch gegen die Einsamkeit der älteren Menschen so viel tut. Mir liegt ganz besonders auch am Herzen, dass wir heute diesen Gesetzentwurf, diese Verbesserungen beschließen können.

Durch meine ehrenamtliche Arbeit im Hilfswerk – dort sammle ich seit über 25 Jahren Erfahrungen – liegt mir das Thema Freiwilliges Sozialjahr persönlich sehr, sehr am Herzen. Gerade in einer Zeit, in der es einen Fachkräftemangel in Sozialberufen gibt, ist das ein ganz, ganz wichtiger Aspekt und hat eine große Bedeutung. Wir bieten da jungen Menschen Perspektiven und die Möglichkeit, in den Sozialbereich hineinzuschnuppern, soziales Gespür zu entwickeln und auch soziale Kompetenzen zu erlernen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll224. Sitzung, 224. Sitzung des Nationalrats vom 6. Juli 2023 / Seite 227

Viele der jungen Menschen, Zivildiener oder auch solche, die im Freiwilligen­bereich arbeiten, gehen dann zuerst in ein anderes Arbeitsfeld, kommen aber später wieder zurück – abgesehen davon, dass man soziales Gespür in allen Bereichen der Gesellschaft dringend braucht und brauchen kann.

Es freut mich wirklich, Frau Staatssekretärin und Herr Bundesminister, dass die Regierung einen Entwurf vorgelegt hat, um das Freiwillige Sozialjahr attraktiver zu gestalten, zusätzlich 10,1 Millionen Euro für dieses wichtige Projekt zur Verfügung zu stellen und damit das Taschengeld für Jugendliche im Freiwilligen Sozialjahr und im Freiwilligen Umweltschutzjahr zu erhöhen.

Die Erhöhung des Taschengeldes – dieses wird künftig bis zu 75 Prozent der Geringfügigkeitsgrenze erreichen – soll soziale Organisationen dazu motivieren, vielleicht die volle Geringfügigkeitsgrenze zu zahlen. Es wäre sehr wünschenswert.

Es wurde schon kurz erwähnt, aber ich möchte es noch einmal sagen: Ich glaube, dass es ein sehr wichtiger und guter Aspekt ist, dass wir den jungen Leuten das Klimaticket zur Verfügung stellen, nämlich für die Fahrt vom Hauptwohnsitz zum Einsatzort, aber auch sonst. Ich glaube, dass das ein ganz wichtiger Aspekt ist, ein sinnvoller Aspekt, auch ein Umweltschutzaspekt natürlich, ein wichtiges Signal, das gerade in Zeiten wie diesen wichtig und wertvoll ist.

Ein weiterer Aspekt ist auch der, dass der Gedenkdienst sowie der Friedens- und Sozialdienst im Ausland besser dotiert werden. Auch das ist wichtig. Auch das Budget dafür wird erhöht. Es waren, wie schon gesagt wurde, circa 1 500 Jugend­liche, die sich in den Jahren 2021 und 2022 so engagiert haben. Ich glaube, dass es wichtig ist, dass wir ihnen zusätzliche Anreize liefern, sich da einzusetzen, sich im sozialen Bereich zu engagieren. Ich möchte mich da ganz besonders bei unserer Staatssekretärin Claudia Plakolm bedanken, die die Jugend so moti­viert. – Danke für deinen Einsatz in diesem Bereich! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll224. Sitzung, 224. Sitzung des Nationalrats vom 6. Juli 2023 / Seite 228

Ich komme zum Ende: Positiv ist der Staatspreis und positiv ist auch, dass wir die Spendenabsetzbarkeit erweitern. Auch das ist gerade für uns, die wir im Non-Profit-Bereich, in den sozialen Organisationen arbeiten, ein sehr, sehr wichtiger Aspekt. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

14.06


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer Stellungnahme gelangt nun Frau Staatssekretärin Claudia Plakolm zu Wort. – Bitte schön.


14.06.17

Staatssekretärin im Bundeskanzleramt Claudia Plakolm: Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Abgeordnete! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Sommerzeit und die wärmeren Monate stehen wie keine andere Zeit im Jahr für das Vereinsleben in Österreich, für die Ehrenamtlichkeit in Österreich, und nicht nur in dieser Zeit stellen unglaublich viele Freiwillige im ganzen Land Unglaubliches auf die Beine.

Neben Veranstaltungen, großen Festen, Sportturnieren, Theateraufführungen und vielem, vielem mehr, wo man das gesellschaftliche Zusammenleben spürt, leisten auch unsere Einsatzorganisationen rund um die Uhr, egal ob bei Unwettern, in der Rettung, in der Pflege oder wenn es um die soziale Absiche­rung geht, sehr, sehr viel. Dafür möchte ich mich dem Dank, der hier vom Rednerpult schon sehr, sehr oft geäußert worden ist, ganz, ganz herzlich anschließen. (Beifall bei der ÖVP.)

Diese Tage zeigen einmal mehr: Das Ehrenamt ist in vielen Bereichen überhaupt erst der Antrieb, der vieles in der Gesellschaft möglich macht; und insbesondere die junge Generation, junge Menschen in Österreich finden im Ehrenamt nicht nur eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung, sondern lernen im Rahmen des Ehrenamtes auch unglaublich viel fürs Leben, lernen, Verantwor­tung zu über­neh­men, füreinander einzustehen, das Miteinander, das wir so dringend brauchen. Das alles sind Dinge, die vermutlich im Lehrplan niemals so


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll224. Sitzung, 224. Sitzung des Nationalrats vom 6. Juli 2023 / Seite 229

viel Platz einnehmen können, wie es unsere Ehrenamtlichen in Wahrheit schon abnehmen.

Umso mehr freut es mich, dass Sie heute hier im Parlament mit der Novelle des Freiwilligengesetzes wichtige Maßnahmen beschließen. Ich möchte noch kurz ganz konkret auf drei Punkte eingehen:

Zum einen schaffen wir erstmalig eine bundesweite Ehrenamtsservicestelle, die nicht nur dazu dient, freiwillig und ehrenamtlich Tätige zu vernetzen und bestens zu beraten, sondern die auch eine Drehscheibe werden soll, eine klare Ansprech­partnerin und eine verlässliche Säule, wenn einmal der Hut brennt.

Ich glaube, das wird insbesondere für Menschen, die in Vorständen in Funktio­nen oder in Feuerwehrkommandos in Verantwortung sind, sehr, sehr relevant werden, weil auch dort die rechtlichen Fragen immer komplexer geworden sind. Ich denke, auch Sie spüren, wenn Sie in Ihren Wahlkreisen unterwegs sind, dass es immer schwieriger wird, Menschen zu finden, die bereit sind, die Zeit finden, neben Beruf, Familie und oftmals auch der Tätigkeit in anderen Vereinen, in die erste Reihe zu gehen und Verantwortung zu übernehmen – etwa auch eine Vorstandsposition.

Wir haben uns auch darauf verständigt, dass wir die Freiwilligenzentren, die in den Bundesländern angesiedelt sind, finanziell besser ausstatten, um dort Vernetzung und Beratung auch weiterhin zu garantieren, weil für die Vielfalt des Ehrenamtes besonders auf Landesebene, auf regionaler Ebene, ein enger, niederschwelliger Austausch sehr, sehr wichtig ist.

Der zweite Punkt ist bereits sehr, sehr oft angesprochen worden: Das Freiwillige Sozialjahr wird aufgewertet. Da ich als Staatssekretärin auch für den Zivildienst zuständig bin, sehe ich im Freiwilligen Sozialjahr eine riesengroße Chance, dass wir auch dort Menschen, vor allem junge Frauen, begeistern können für eine Tätigkeit im Sozialbereich, die dann später hoffentlich auch in einen Beruf im Sozialbereich münden wird.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll224. Sitzung, 224. Sitzung des Nationalrats vom 6. Juli 2023 / Seite 230

Der Zivildienst ist nämlich sozusagen der Headhunter für viele junge Burschen, und das Freiwillige Sozialjahr ist unser Hebel, um eben insbesondere Mädchen dafür zu begeistern, denn 80 Prozent der Teilnehmenden sind junge Frauen. Es freut mich, dass wir dafür das Taschengeld erhöhen und auch, gleich wie bei den Grundwehrdienern und Zivildienern, ein kostenloses Klimaticket zur Verfügung stellen.

Der dritte Punkt betrifft einen Beschluss, den wir gestern im Ministerrat gefasst haben. Wenn wir über das Thema Ehrenamt und Freiwilligenarbeit sprechen, dann sprechen wir von 3,7 Millionen Landsleuten in Österreich, die bei ehrenamt­lichen und gemeinnützigen Organisationen tätig sind. Sie alle über­nehmen Verantwortung in der Gesellschaft und sehr, sehr wichtige Aufgaben, und das ist auch gut so, denn der Staat und die Politik können nicht alles regeln. Es gibt Gott sei Dank Menschen, die sich eigenständig in die Gesellschaft einbringen und aufeinander schauen. Österreich ist ein Land, wo zusammengeholfen und ausgeholfen wird.

Deswegen freut es mich sehr, dass auf Initiative unseres Finanzministers gestern im Ministerrat beschlossen wurde, dass die Absetzbarkeit von Spenden ausgeweitet und auch vereinfacht wird. Zukünftig sind auch Spenden an gemein­nützige beziehungsweise ehrenamtliche Organisationen in den Bereichen Bildung, Kultur, Kunst und Sport steuerlich absetzbar, und wir knüpfen generell an gemeinnützige Zwecke in diesem Bereich an. Das ist so wichtig, denn wer an ein Ehrenamt spendet, wer an Vereine spendet, profitiert zukünftig doppelt: Zum einen stärkt man die Vereine und damit das Zusammenleben vor der eigenen Haustüre, dort, wo man zu Hause ist, und zum anderen profitiert man auch beim Steuerausgleich am Jahresende, wenn man sich einen Teil der Spende wieder zurückholen kann. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Mit dieser Ausweitung der Spendenabsetzbarkeit wird die Spende, der Beitrag eines jeden Einzelnen mehr wertgeschätzt und damit gestärkt.


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Sehr geehrte Damen und Herren, das neue Freiwilligengesetz ist nicht nur umfassend, sondern es greift auch die wichtigsten Bereiche im Ehrenamt auf, und ja, Ehrenamt ist sehr, sehr vielfältig in Österreich, das brauche ich Ihnen nicht zu erzählen. Es geht uns sehr, sehr stark auch um das Thema Anerkennung und Wertschätzung von Freiwilligen. Es geht um eine bessere Unterstützung der Vereine, aber vor allem auch der Menschen, die in der ersten Reihe stehen und dort Verantwortung für andere haben. Aus unzähligen Gesprächen in den letzten Monaten mit ehrenamtlich Tätigen, mit Verantwortlichen in Vereinen, mit denjenigen, die auch im Freiwilligenrat das ganze Jahr über mitwirken – ein herzliches Dankeschön dafür –, aus diesen vielen Gesprächen weiß ich, dass wir heute etwas auf den Weg bringen, das vielen, vielen Vereinen helfen wird, das viele, viele Vereine unterstützt und das Ehrenamt auch in Zukunft garantiert. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

14.12


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der nächste Redner ist Mag. Michael Hammer. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Ruf bei den NEOS: Das Beste kommt zum Schluss!)


14.12.43

Abgeordneter Mag. Michael Hammer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ja, nachdem die Frau Staatssekre­tärin – wir kommen beide aus dem gleichen Bezirk, einer Hochburg der Freiwilligenarbeit und des Ehrenamtes – jetzt umfassend ausgeführt hat, was wir mit dem Freiwilligengesetz novellieren, welche Verbesserungen es geben wird und welche Maßnahmen auch von der Bundesregierung noch gesetzt werden, möchte ich das gar nicht wiederholen, sondern vollinhaltlich unterstreichen und auch meinen Dank an die vielen, die sich bei uns ehrenamtlich engagieren, aussprechen. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Stögmüller.)

Die Bundesregierung hat gestern – die Frau Staatssekretärin ist ja innerhalb der Regierung die personifizierte Kraft für das Freiwilligenengagement – auch Bilanz


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gezogen, und ich glaube, wir haben in den letzten durchaus nicht einfachen Jahren mit dem NPO-Fonds wirklich viele Vereine durch die finanziellen Schwierigkeiten bringen können. Ich weiß das selber von vielen Vereinen, ob das der Sportverein in der Gemeinde oder die Feuerwehr ist, diese sind wirklich sehr unbürokratisch und gut unterstützt worden. Nun folgt ein weiterer Schritt mit der geplanten Spendenabsetzbarkeit, und jenen NPOs, bei denen es energie­inten­sive Tätigkeiten gibt, soll auch der Energiekostenzuschuss gewährt werden. Ich glaube, damit können viele Sorgen im finanziellen Bereich gemildert werden. Mit dem Freiwilligengesetz unterstützen wir die ehrenamtliche Arbeit ideell und durch Maßnahmen, und das ist eine gute Arbeit für unsere Freiwilligen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

14.14 14.14.19


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 2150 der Beilagen.

Hiezu liegt ein Verlangen auf getrennte Abstimmung des Abgeordneten Mag. Yannick Shetty vor.

Ich werde daher zunächst über die vom erwähnten Verlangen auf getrennte Abstimmung betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Wir gelangen zur getrennten Abstimmung über die Ziffern 8 und 73 in der Fassung des Ausschussberichtes.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mehrheitlich angenommen.


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Wir kommen zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit angenommen.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung ange­nom­men.

14.15.319. Punkt

Bericht des Wissenschaftsausschusses über den Antrag 3368/A der Abgeord­neten Mag. Dr. Rudolf Taschner, Mag. Eva Blimlinger, Mag. Andrea Kuntzl, Mag. Dr. Martin Graf, Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 5. März 1952 über die Verleihung des Doktorates unter den Auspizien des Bundespräsi­den­ten geändert wird (2144 d.B.)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir kommen nun zum 9. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt nun Mag. Dr. Rudolf Taschner. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.16.14

Abgeordneter Mag. Dr. Rudolf Taschner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Ich darf die Abordnung der Katholischen Frauenbewegung Sankt Pölten begrüßen, die uns bei diesem Tagesordnungspunkt und hoffentlich auch bei den weiteren zuhört. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ, FPÖ, Grünen und NEOS.)


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Ich habe mir aus Anlass dieses Tagesordnungspunktes erlaubt, den Ring anzustecken, den ich anlässlich meiner Promotion vom Bundespräsidenten –das war damals Rudolf Kirchschläger – erhalten habe. Es ist ja so, dass dieser Ring einige Voraussetzungen verlangt, die erfüllt werden müssen, damit man ihn erhält. Zunächst einmal muss man die letzten vier Jahre vor der Matura einen ausgezeichneten Erfolg in der Schule gehabt haben, die Matura muss man ausgezeichnet bestanden haben, man muss die Prüfungen an der Universität mit Auszeichnung bestanden haben, auch die Dissertation mit Ausgezeichnet beurteilt bekommen haben und ebenso die letzten Prüfungen, die damaligen Rigorosen. Es gilt auch, dass das Studium in möglichst schneller Zeit vollzogen werden soll, aber es gibt Ausnahmegründe dafür, und solche hat es damals schon gegeben.

Nun haben wir in diesem Gesetzentwurf diese Ausnahmegründe taxativ um Schwangerschaft, um Kinderbetreuung, um soziale Betreuung, um Behinderung und um andere Punkte erweitert, und das ist sehr gut so. Im Ausschuss wurde von einigen Abgeordneten gesagt, dass das doch die Universität in ihrer Autono­mie bestimmen könnte, aber das ist eigentlich nicht richtig gedacht, denn dieses Gesetz ist ein Gesetz, das festlegt, ob der Staat in der Person des Bundes­präsidenten eine Würdigung verleiht. Wir beschließen das von staatlicher Seite her, das hat mit der Universität selbst eigentlich nichts zu tun. Dieser Ring wird vom Bundespräsidenten verliehen.

Es muss natürlich eine gewisse Leistung erbracht werden, um diesen Ring zu bekommen, aber – ich will es gerne zugestehen, in meinem Fall war dies sicher der Fall – man muss unglaublich viel Glück haben. Ich selbst habe das Glück gehabt, in einer wirklich guten Schule mit hervorragenden Lehrkräften zu sein – ich kann mich an den Chemielehrer erinnern: Franz Richter, ein Polyhistor. Ich habe das Glück gehabt, das richtige Fach zu wählen. Jus zum Beispiel ist sehr schwierig, sub auspiciis zu machen, man muss da sehr viel lernen. Mathematik ist viel besser: In Mathematik muss man gar nichts lernen, man muss nur


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verstehen – das ist viel einfacher und auch viel schöner. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP.)

Man muss natürlich auch das Glück haben, einen großartigen Dissertationsvater zu haben, und auch das war bei mir der Fall, es war nämlich Edmund Hlawka, einer der bedeutendsten Mathematiker in Österreich mit Weltruf. Einer seiner Schüler, Johann Cigler, den ich hoch schätze, war mein zweiter Prüfer – auch er selbst hat den Ring getragen, den er von Hlawka als Dissertationsvater bekommen hatte.

Es ist ja auch so, meine sehr verehrten Damen und Herren: Dass ich diesen Ring bekommen habe, ist natürlich eine große Ehre, aber eine viel größere Freude ist es, wenn man selbst Dissertanten hat, von denen man weiß, dass sie so gut sind, dass man sie zu Sub-Auspiciis-Dissertanten heranziehen kann, und wenn man dann das Fest erlebt, auf dem diese den Ring bekommen.

Diesen Ring zu tragen ist natürlich eine Freude, aber auch eine Verantwortung. Jedes Privileg, das wir hier haben, ist eigentlich nur ein Privileg, dass man Verantwortung übernehmen kann. Ich weiß nicht, wie weit ich meine Verantwor­tung da wirklich wahrgenommen habe, aber zwei meiner Dissertanten haben den Ring auch bekommen, und das hat mich noch mehr gefreut als damals, als ich ihn selbst bekommen habe.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, dieses Gesetz wird einhellig von allen Fraktionen beschlossen, und dafür ich bin sehr dankbar. Es ist ja ein Zeichen dafür, dass der Staat die Universität, die Arbeit an der Universität, vor allem das, was die Studenten, welchen Geschlechts auch immer, was die Professoren, welchen Geschlechts auch immer, an den Universitäten leisten, würdigt und anerkennt. Das verdienen die Universitäten auch, und es ist nicht nur eine Einzelperson, die das besonders verdient, sondern es ist auch ein wunderbares Zeichen der Verbundenheit des Staates mit seinen Hohen Schulen.


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Insofern bin ich Ihnen sehr, sehr dankbar, dass Sie dieses Gesetz einhellig befürworten werden und ich freue mich sehr darüber. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

14.20


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Mag.Andrea Kuntzl. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


14.20.35

Abgeordnete Mag. Andrea Kuntzl (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Lieber Kollege Taschner, herzliche Gratulation und: Großer Respekt!, im Nachhinein, auch für Ihre Haltung, dass Sie das als Verantwortung begreifen. Das finde ich sehr, sehr schön. (Beifall bei der SPÖ, bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen sowie des Abg. Loacker.)

Sehr geehrte Damen und Herren, ich freue mich sehr, dass wir in dieser Sache so schnell eine gemeinsame Lösung gefunden haben. Es hat ja vor einiger Zeit diesen drastischen Fall gegeben, der diese Ungerechtigkeit, die es da gegeben hat, deutlich vor Augen geführt hat und auch vor Augen geführt hat, dass das eine Sache ist, eine Benachteiligung, die wieder einmal vor allem Frauen trifft.

Dass wir jetzt diese Ausnahmegründe eingeführt haben, die Frauen, die ebenso gute Leistungen erbringen, aber eben unter den Bedingungen, dass sie Pflegeleistungen und Betreuungsarbeit erbringen, ein bisschen mehr zeitlichen Spielraum geben, ist eine gute Lösung. Ich freue mich darüber, dass wir das gemeinsam geschafft haben.

Ich würde mich freuen, wenn wir in anderen wichtigen Punkten im Wissenschafts­bereich, in denen wir noch offene Baustellen haben, auch gemeinsame Lösungen schaffen, und zwar schnell gemeinsame Lösungen schaffen. Das wäre zum Beispiel in der Frage der finanziellen Absicherung der Universitäten – Frau Rektorin Seidler hat das neulich thematisiert – dringend notwendig, damit eben auch viele die Möglichkeit haben, unter guten Betreuungsverhältnissen gute


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Erfolge an den Universitäten zu erzielen. Es gibt ein großes Budgetloch bei den Universitäten, und es wäre wichtig, da ein gute Lösung zu finden, um eine gute Ausbildung für unsere jungen Leute zu haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Ein zweiter Punkt, der uns sehr wichtig ist: Auch berufstätige Studierende sollen die Möglichkeit haben, gute Leistungen zu erbringen. Berufstätige Studierende haben es ja besonders schwer. Wir wissen, dass die überwiegende Zahl der Studierenden heute arbeitet, also berufstätig ist, um sich das Studium leisten zu können, und es liegt in der Natur der Sache, dass sie ein bisschen länger brauchen. Sie arbeiten aber meistens in Jobs, durch die sie jetzt finanziell nicht irrsinnig super gestellt sind, sondern sich ihren Lebensunterhalt sichern, was jedoch – Stichwort Inflation – immer teurer wird. Da wäre es zum Beispiel wichtig – Sie haben das im Regierungsprogramm stehen –, das Teilzeitstudium endlich in Angriff zu nehmen, um da unter die Arme zu greifen.

Ein weiterer Punkt, der uns seit langer, langer Zeit sehr wichtig ist – vielleicht finden wir auch da eine gemeinsame Lösung –, ist, dass berufstätige Studierende, die, eben weil sie arbeiten, ein bisschen mehr Zeit für das Studium brauchen, nicht bestraft werden und Studiengebühren zahlen müssen.

Also ich hoffe auf weitere gemeinsame Lösungen. (Beifall bei der SPÖ.)

14.23


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Mag.a Eva Blimlinger. – Bitte, Frau Abgeordnete.


14.23.47

Abgeordnete Mag. Eva Blimlinger (Grüne): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Also dass man Mathematik nicht lernen muss?!

Es kommen ja jetzt die Sommerferien beziehungsweise sind sie da, und da darf ich vielleicht ein Buch empfehlen, nämlich: Tonio Schachinger, „Echtzeitalter“, ein Schlüsselroman über das Theresianum. In diesem Buch finden Sie auch einen


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Mathematiklehrer, und Sie werden dann sehen, wie Sie den erkennen können. Also ich kann das sehr empfehlen, es ist ein wunderbares Buch.

Lassen Sie mich aber zum Thema sub auspiciis kommen: Es ist ohnehin schon gesagt worden, und weil es im gegenständlichen Fall ja um eine Frau gegangen ist, die durch ihre Karenz benachteiligt wurde, habe ich mir ange­schaut, wer die erste Frau war, die sub auspiciis promoviert hat: Das war 1953 an der Universität Wien Hildegard Goss-Mayr. Sie wurde im Jänner 1930 in Wien geboren, hat Philosophie, Philologie und Geschichte studiert und ist, muss man sagen, eine der zentralen Friedensaktivistinnen der letzten 80 Jahre gewesen. Sie hat über das Zweite Vatikanische Konzil gemeinsam mit anderen die Gewaltfreiheit – friedensmäßig – in der Enzyklika verankern können.

Der Erfolg der Rosenkranzrevolution zur Beendigung des Marcos-Regimes auf den Philippinen 1986 und die gewaltlose Absetzung des Diktators Ratsiraka in Madagaskar 1971 war ihrem Einfluss, ihrer Arbeit in Workshops, mit Aktivistinnen und Aktivisten zu verdanken.

Sie ist eine Person, die im öffentlichen Bewusstsein, glaube ich, den wenigsten oder kaum jemandem bekannt ist. Den Friedensnobelpreis hat sie, wiewohl sie öfters vorgeschlagen war, nicht erhalten, aber den Niwano-Friedenspreis – das ist, wenn man so will, das asiatische Pendant. Sie lebt noch immer, ist 93 Jahre alt.

Ich stelle jetzt sozusagen mündlich – ich werde es dann noch schriftlich machen –, den Antrag, dass der Herr Bundespräsident sie noch einmal aus­zeichnet, und zwar mit einem Goldenen Ehrenzeichen, denn ich glaube, das hat sie sich mit ihrer ganzen Aktivität verdient – also beides in diesem Rahmen dazu. (Beifall bei den Grünen, bei Abgeordneten der SPÖ sowie der Abg. Meinl-Reisinger.)

Im Übrigen bin ich der Meinung, dass der Heldenplatz autofrei sein soll und der Ottakringer Bach durchfließen soll. (Beifall bei den Grünen.)

14.26



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Präsident Ing. Norbert Hofer: Ich darf nur der guten Ordnung halber erwähnen, dass der Antrag noch nicht ordnungsgemäß eingebracht ist und daher noch nicht in Verhandlung steht.

Zu Wort gelangt Mag. Maria Smodics-Neumann. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


14.26.33

Abgeordnete Mag. Maria Smodics-Neumann (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Geschätzter Herr Bundesminister! Wir diskutieren hier den Tagesordnungspunkt über die Promotio sub auspiciis praesidentis, also sozusagen die Verleihung des Doktor­titels unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten.

Um diese besondere Auszeichnung und Wertschätzung zu erlangen, braucht es einige Voraussetzungen, nämlich alle Abschlussarbeiten ab der Oberstufe mit einem Sehr gut zu beschließen, selbst die Rigorosa, auszeichnungswürdiges Verhalten innerhalb und außerhalb der Hochschule und innerhalb der durchschnitt­lichen Studiendauer fertig zu werden.

Da gibt es jetzt die ganz besondere Familie Schörgenhumer, bei der ich einmal in erster Linie Papa und Mama Schörgenhumer gratulieren darf, denn die haben offensichtlich etwas richtig gemacht: Sie haben vier Kinder, und drei dieser Kinder tragen diese Auszeichnung bereits, nämlich Markus, Andreas und Johan­nes, Doktor in Technischer Physik, Doktor in Informationstechnologie und Doktor in Technischer Chemie. (Beifall bei der ÖVP.)

Darüber hinaus gibt es die Tochter Maria, die ihr Doktorat in Philosophie abge­schlossen hat, sich aber neben dem Studium, zusätzlich zum Studium, auch für eine Familie entschieden hat. Sie hat nämlich zwei Kinder bekommen und hat neben dem Studium auch Vollzeit gearbeitet. Da ist, glaube ich, durch­aus nachvollziehbar, dass man das dann in der für diese Auszeichnung vorgesehenen Studiendauer möglicherweise nicht schaffen kann.


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Das bringt uns zu dem Punkt, dass ich sehr froh bin, dass wir hier anders darüber denken. Ich möchte jetzt auch der Universität gar keinen Vorwurf machen, dass diese Auszeichnung nicht unbedingt befürwortet wurde, denn die damaligen – beziehungsweise die bis jetzt geltenden – Richtlinien sind so. Ich glaube, es ist einfach absolut außergewöhnlich, dass man eine Vollzeitstelle hat, dass man zwei Kinder großzieht und trotzdem diese exzellenten Leistungen erbringen kann. Möglicherweise sind wir auch an so etwas noch nicht gewöhnt, aber umso mehr ist das natürlich ein schönes Vorzeigebeispiel, welche Leis­tungen möglich sind, wenn man zielorientiert arbeitet.

Die neuen, jetzt definierten Ausnahmen – ich darf sie zitieren: „Tätigkeit als Werkstudent, Unterbrechung des Studiums aus materiellen Gründen, Krankheit, Behinderung, Schwangerschaft, Kinderbetreuung, Pflege Angehöriger und dergleichen mehr“ – haben für mich eine ganz, ganz große Signalwirkung, dass nicht nur Beruf und Familie vereinbar sind, sondern auch Ausbildung und Familie. Vielleicht ist es auch ein schönes Beispiel, ein schönes Vorbild, dass nichts unmöglich ist, wenn man etwas wirklich will.

Ich freue mich über die breite Zustimmung, die vorhin schon signalisiert wurde. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

14.29


Präsident Ing. Norbert Hofer: Ich darf nachholen, Herrn Bundesminister Dr. Martin Polaschek im Haus sehr herzlich willkommen zu heißen.

Nun bitte ich Eva Maria Holzleitner ans Rednerpult. – Bitte, Frau Abgeordnete.


14.30.02

Abgeordnete Eva Maria Holzleitner, BSc (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Auch ich kann feststellen, dass es wirklich total positiv ist, dass es hier eine überfraktionelle Einigung zu diesem Thema gibt, wiewohl natürlich die eine oder andere Aussage seitens der FPÖ im Ausschuss nicht nachvollziehbar war. Deren Vertreter haben gesagt,


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eigentlich brauche man das Gesetz nicht. Sie unterstützen es eigentlich auch nicht, sie stimmen aber trotzdem zu.

Das ist gut, denn hier geht es natürlich um Gerechtigkeit. Die Rahmenbedingun­gen sind schon von einigen Kolleginnen und Kollegen angesprochen worden. Exzellente Leistungen müssen auch gewürdigt werden, und mit dieser Änderung des Gesetzes wird das auch garantiert. Das halte ich für einen wirklich sehr guten und gelungenen Schritt.

Um diese exzellenten Leistungen erbringen zu können, braucht es aber natürlich auch eine gute Qualitätssicherung an unseren Hochschulen, an den Univer­sitäten, an den FHs, an den pädagogischen Hochschulen. Gerade auf die Situa­tion der Fachhochschulen möchte ich an dieser Stelle noch ganz kurz eingehen, denn gerade die Fachhochschulen stehen vor sehr großen und schwierigen Entwicklungen.

Der aktuelle Fachhochschul-Entwicklungs- und Finanzierungsplan für die kommen­den zwei Jahre, also 2023/24 und dann auch darauf folgend 2025 bis 2026 – also drei Jahre – wurde wirklich schärfstens zurückgewiesen, und zwar nicht nur von uns – wir haben genau zu diesem Thema auch eine Petition eingebracht –, sondern einstimmig in der Fachhochschulkonferenz von den Fachhochschulen selbst, von den Sozialpartnern, von der Österreichischen Hochschüler_in­nen­schaft und vom Rat für Forschung und Technologieent­wicklung. Sehr geehrter Herr Minister, wir bitten wirklich, dass Sie diese Kritik wahr- und ernst nehmen. Bei künftigen Plänen müssen diese Partnerinnen und Partner von Beginn an eingebunden werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Gerade das war einer der größten Kritikpunkte: Ein Plan wurde präsentiert, bei dem die Fachhochschulen nicht von Anfang an entsprechend berücksichtigt worden sind. Auch der Plan, der jetzt zur Diskussion steht beziehungsweise auch schon auf der Homepage des Ministeriums abrufbar ist, geht nicht weit genug. Es sind zu wenig Mittel vorgesehen. Die Teuerung trifft natürlich auch den Hochschulsektor und somit auch die Fachhochschulen. Es ist zu wenig Geld


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veranschlagt, um den qualitativen Ausbau voranzutreiben. Gerade wenn wir vom Fachkräftemangel sprechen, wenn wir davon sprechen, dass wir in der Forschung auf die Überholspur kommen wollen, ist die angewandte Forschung an den Fachhochschulen ein wesentlicher Faktor. Da braucht es ausreichend Unterstützung, die mit diesem Plan leider nicht gewährleistet ist.

Die Fachhochschulen fordern auch eine echte Flexibilisierung innerhalb ihrer Selbstverwaltung, dass sie auch eine Umschichtung von Studienplätzen vornehmen können, um auf das Angebot einzugehen. Auch das ist im Plan nicht entsprechend berücksichtigt. Da fordern wir wirklich absolute Nachbesserungen und vor allem von Beginn an eine Verhandlung auf Augenhöhe auch mit den Fachhochschulen, damit dieser Plan für die Zukunft auch gut aufgestellt werden kann. (Beifall bei der SPÖ.)

14.33


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Mag.a Dr.in Petra Oberrauner. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


14.33.12

Abgeordnete Mag. Dr. Petra Oberrauner (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher zu Hause! Wir haben das vorliegende Gesetz im Ausschuss behandelt, und ein Kollege hat gesagt, es sei ein symbolischer Akt, dass wir jetzt eine andere Form und andere Inhalte in das Gesetz aufnehmen. – Ich möchte dazu sagen, es ist kein symbolischer Akt, sondern es ist ein Akt der Chancengerechtigkeit und der Geschlechtergerechtigkeit und eine Würdigung der Rahmenbedingungen von vielen Frauen in unserer Gesellschaft.

Das Beispiel, das vorhin von der Kollegin genannt wurde, zeigt ja dramatisch, wie es bisher, vor dieser Änderung, für Frauen war: Wenn die Frau länger gebraucht hat und trotzdem ausgezeichnet war, war die Würdigung durch den Präsidenten nicht angebracht, weil die Zeitbeschränkung nicht eingehalten wurde. Jetzt sind wir so weit, dass wir auch zumindest in diesem Bereich die


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Carearbeit der Frauen, die ja meistens bei den Frauen bleibt, was Kinderbetreu­ung oder auch Pflege betrifft, würdigen und den Frauen die gleiche Anerken­nung und Wertschätzung geben, wie sie auch die Männer haben, wenn sie auf solch hohem Niveau ihr Studium abschließen und den Schul- und Bildungs­bereich absolviert haben.

Auch in Ihrem Bereich, Herr Minister, ist noch viel zu tun. Der jüngste Bericht des Rates für Forschung und Technologieentwicklung zeigt: Österreich hat sich in der Gendergerechtigkeit gegenüber den führenden Forschungs- und Innovationsländern leider weiter verschlechtert. Bei der erheblichen Leistungs­dif­ferenz zwischen Mädchen und Jungen im Bereich Mathematik sind wir sogar hinter dem EU-Durchschnitt. Herr Kollege Taschner, es ist nicht so, dass man bei der Mathematik nichts tun muss, dass man sie eh versteht. Der Anteil der IKT-Absolventinnen ist im Vergleich zum EU-Trend sogar leicht rückläufig, was für uns eine Katastrophe ist, wenn wir die Entwicklung in der KI und in all den Formen, in der sie sich ausdrückt, vor Augen haben.

Österreich ist auch weit hinter dem EU-Schnitt, was die EU-Innovationen und die Innovation Leader betrifft. Diese Punkte sollten gerade in Ihrem Bereich Berücksichtigung finden. Ich glaube, da haben wir massiven Handlungsbedarf für den Standort Österreich, für die Kompetenz Österreichs, für die Wissenschaft.

Vielleicht sollten wir auch noch einmal über Folgendes nachdenken: Die Patente, die in Österreich entwickelt werden, werden zu 90 Prozent ins Ausland verkauft. Wir sollten uns dringend überlegen, ob wir nicht ein Bridgingsystem, das Sie eh schon einmal vorgeschlagen haben, so anwenden, dass das Return on Investment über Steuern und Firmen, die daraus entstehen, in Österreich bleibt. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

14.36 14.36.05


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.


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Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 2144 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist Einstimmigkeit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

14.36.4310. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 3440/A(E) der Abgeordneten MMMag. Gertraud Salzmann, Mag. Sibylle Hamann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sicherstellung von Maßnahmen im Bereich Energieeffizienz und Nachhaltigkeit an den Schulen (2131 d.B.)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir kommen zum 10. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Hermann Brückl. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.37.10

Abgeordneter Hermann Brückl, MA (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren Abgeordnete! Bei dem Antrag, den wir hier behandeln, ist für mich überhaupt nicht nachvollziehbar, warum dieser Antrag überhaupt ins Plenum kommt. Er ist substanzlos und hat vor allem überhaupt nichts mit Bildungspolitik zu tun. Da geht es um Gebäude und Energieeffizienz, da geht es um Fotovoltaikanlagen auf Schuldächern, da geht es um den Abschluss von sogenannten Contractingverträgen, genauer


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gesagt, um 280 solcher Verträge. Da drängt sich förmlich auch die Frage auf: Warum jetzt gerade 280 solcher Verträge? Ist das eine Symbolzahl? Ist das irgendein Code oder ist das nur willkürlich gewählt?

Da fällt mir dann auch immer wieder der grüne Landesrat in Oberösterreich ein, der seit Wochen durch die Lande tourt und 100 Windräder für Oberösterreich fordert. Da frage ich mich auch: Warum nicht 200, warum nicht 300, warum nicht 500? Wäre ja alles viel besser! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Reimon: Ja, super!) Mittlerweile kennen wir die Antwort, Damen und Herren Kollegen von den Grünen: weil es aus Gründen des Vogel-, des Natur- und Menschenschutzes ganz einfach nicht möglich ist und weil in Oberösterreich auch die Windver­hältnisse nicht passen. (Abg. Reimon: Weil es realistisch ist!) Das behaupte jetzt nicht ich, sondern das sagt uns der Umweltanwalt in Oberösterreich gemeinsam mit Birdlife. Vielleicht einmal so viel zu den Wünschen und Begehrlichkeiten der Grünen, die völlig an der Realität vorbeigehen und die eigentlich nur Fantasien darstellen. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich möchte zum Antrag zurückkommen: Es ist für uns auch nicht nachvollziehbar, dass die Regierungsparteien den Herrn Bundesminister hier ersuchen, diese Maßnahmen umzusetzen. – Herr Bundesminister, da braucht es keinen Antrag. Sie müssen das einfach nur machen, Sie müssen es nur tun, Sie müssen ganz einfach nur liefern.

Vielleicht darf ich auch in Erinnerung rufen, was solch ein Antrag tatsächlich wert ist: Wir haben im Vorjahr im Herbst einen Fünfparteienantrag beschlossen. Alle fünf Parlamentsparteien waren sich einig, der Herr Bundesminister wird aufgefordert, eine Studie erstellen zu lassen, was die Gründe für den häuslichen Unterricht sind. – Herr Bundesminister, Sie haben bis heute nicht geliefert. Es gibt bis heute keine Zahlen dazu.

In unserem Bildungssystem kracht und knarrt es an allen Ecken und Enden. Der dramatische Lehrermangel ist im Grunde genommen nur der Ausfluss dieser vielen Probleme, die wir im Bildungssystem haben: die massiven Sprachprobleme


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an den Schulen, insbesondere im städtischen und im Wiener Bereich, der über­bordende Bürokratismus, im Regen stehen gelassene Freizeitpädagogen, Lehrer und Lehrerinnen, denen es auch durch die Bürokratie an Rückendeckung durch das Ministerium mangelt, mangelnde Gewaltprävention, ganz, ganz schlechtes Schulmanagement während der Coronazeit und so weiter.

Herr Minister, nicht nur ich, sondern vor allem auch die Schüler, die Lehrer und Eltern wünschen sich, dass sie im Herbst einen guten Schulstart hinlegen können. Ich bezweifle es, weil Sie da ganz einfach hintennach sind. Sie müssen endlich liefern. (Beifall bei der FPÖ.)

14.40


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt MMMag.a Gertraud Salzmann. – Bitte, Frau Abgeordnete.


14.40.37

Abgeordnete MMMag. Gertraud Salzmann (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzter Herr Bildungsminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen hier im Saal, aber auch liebe Zuseher auf der Galerie! Wir freuen uns immer, wenn viele Gäste hier sind – ich hoffe, das Haus der Demokratie gefällt Ihnen genauso gut wie uns als Arbeitsplatz.

Meine Damen und Herren! Wir diskutieren oder debattieren heute einen Antrag, den wir an Sie richten, Herr Bildungsminister. Entgegen dem Kollegen Brückl bin ich sehr wohl der Meinung, dass Schulbau, Schulumbau und Schulneubau auch ganz viel mit Bildung zu tun haben.

Warum, meine Damen und Herren? – Die Räume, in denen Bildung passiert, die Lernräume sind auch Lebensräume. Das sind ganz wichtige Räume, die auf die Bildung, den Inhalt und den Unterricht ganz viel Einfluss ausüben, und zwar positiven Einfluss. Daher gehört dieser Antrag für mich sehr wohl in den Unter­richts­ausschuss, meine Damen und Herren. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)


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Uns liegt sehr viel daran, geschätzte Damen und Herren, dass unsere Schulen europaweit zu Vorbildern in der Energieeffizienz werden. Dazu werden wir jetzt viele Maßnahmen setzen. Daher haben wir diesen Antrag an Sie, geschätzter Herr Bildungsminister, gerichtet. Mit dem vorliegenden Antrag werden wir viele Maßnahmen intensiv steigern und jetzt auch den zeitlichen Druck erhöhen, weil uns Energieeffizienz und Nachhaltigkeit auch im Bildungsbereich ein großes Anliegen sind.

Ich war am Montag bei mir daheim im Bezirk Zell am See beim Spatenstich zum Schulumbau des Gymnasiums Zell am See. Ja, es ist ein Schulkomplex, der in die Jahre gekommen ist. Ich habe dort selber viele Jahre unterrichten dürfen. Es ist jetzt Zeit, dass wir dort einen Schulneubau bekommen.

Aufgrund des Schulneubaukonzeptes, das ja vor Jahren hier im Parlament beschlossen wurde, können wir nun viele Schulen umbauen, ausbauen und auch neu bauen. Dass uns dabei diese Effizienz wichtig ist, zeigt sich in jedem Schulumbau, den ich bis jetzt begleiten konnte.

In Zell am See wird zum Beispiel die Fotovoltaikanlage ganz stark erweitert, weil wir massiv in die Energieeffizienz investieren. Über 27 Millionen Euro werden dort in dieses Schulzentrum investiert. Dort entstehen moderne, zeit­gemäße Lernräume, in denen unsere Kinder und Jugendlichen auch zeitgemäß und modern unterrichtet werden können, weil der Schulbesuch auch Freude machen und nicht nur einen Informationszuwachs bedeuten soll. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Schule ist Arbeitsplatz für die Lehrerinnen und Lehrer und Schule ist Arbeits­platz für die Schülerinnen und Schüler. Daher ist uns das wichtig. In Salzburg werden auch das Borg Radstadt und die HAK 1 in Salzburg nach diesen moder­nen Standards umgebaut.

Wir werden diese Contractingverträge nun abschließen, sofern sie nicht schon abgeschlossen sind, weil wir die Energie effizient nutzen wollen. Wir werden alle


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Schulneubauten jetzt nach dem Klimastandard Gold machen. Wir werden alle Schulgebäude mit Fotovoltaikanlagen ausrüsten oder diese erweitern. Wir werden jene Schulen, die noch Gasheizungen haben, an die Fernwärme anschließen. Mittlerweile sind bereits 80 Prozent der Schulen an die Fernwärme ange­schlossen.

Wir werden auch etliche Angebote für die Weiterbildungen der Lehrerinnen und Lehrer schaffen, damit dieses Thema der Energieeffizienz und vor allem auch der Nachhaltigkeit auch im Unterricht Platz finden. Warum? – Weil wir wollen, dass unsere Schülerinnen und Schüler auch Botschafter in die Familien hinein sind und für diese Energieeffizenz und Nachhaltigkeit dastehen.

Wir wollen, meine Damen und Herren – das möchte ich abschließend noch einmal betonen –, mit unseren österreichischen Schulen europaweite Vorbilder für den bewussten Umgang mit Energie werden.

Da morgen auch in den westlichen Bundesländern Zeugnistag ist, möchte ich von dieser Stelle aus allen Pädagoginnen und Pädagogen sowie allen Schul­lei­te­rinnen und Schulleitern, die sich tagtäglich so wie die Lehrerinnen und Lehrer für unsere Kinder und Jugendlichen engagieren, ein ganz, ganz herzliches Danke sagen. – Vielen Dank für Ihren extrem hohen Einsatz, der sehr fordernd ist. Wir wissen, es ist sehr fordernd.

Ich wünsche allen Lehrern, Eltern und Schülern – gegendert: Lehrerinnen und Lehrern, Schüler:innen und Eltern – einen ganz erholsamen Sommer. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

14.45


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Petra Tanzler. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


14.45.31

Abgeordnete Petra Tanzler (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Ja, es ist wichtig und richtig, dass die


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Gebäude adaptiert und angepasst werden, wie ich aber auch schon im Ausschuss angemerkt habe, möchte ich auch hier zu Protokoll geben, dass wir zwar zustim­men, es aber sehr seltsam erscheint, wenn Regierungsparteien den eigenen Minister auffordern, im Bereich Energieeffizienz und Nachhaltigkeit aktiv zu werden, denn er könnte es, wie wir schon gehört haben, ohne diesen Antrag tun. Außerdem deckt sich der Antrag mit dem Fünfpunkteplan, den Sie bereits am 2. Juni präsentiert haben. Da stellt sich eben die Frage: Wozu solch ein Antrag, wenn eh schon alles im Laufen ist?

Inhaltlich unterstützen wir den Antrag, wiewohl die Formulierungen sehr wenig verbindlich sind. Es wirkt schon so, als ob die Regierungsparteien von den tatsächlichen und massiven Problemen ablenken wollen, die es im Bildungs­be­reich gibt, und damit überhaupt ein Antrag auf der Tagesordnung steht – auch wenn dieser im Bildungsbereich nicht hilfreich ist.

Dabei wäre es dringend notwendig, Lösungen für die aktuellen Probleme und Baustellen zu finden, denn sie werden immer mehr. Wovor wir alle gewarnt haben, ist zum Leidwesen aller nun eingetroffen. Es stellen sich nun so ziemlich alle im Bildungsbereich gegen Sie, Herr Minister.

Es ist Schulschluss und es ist Zeit für ein Resümee: Es gibt Streiks und Wider­stand bei Freizeitpädagoginnen und -pädagogen, weil das Konzept, das Sie planen, für alle einen Nachteil bringt, weil es möglicherweise auch das endgültige Aus für die Ganztagsschule bedeutet, was ja der ÖVP entgegenkommen würde.

Es gibt Streikandrohungen von den Unis, weil diese mit den geplanten Änderun­gen in der Lehrerbildung nicht mit Ihnen konform gehen wollen. Sie merken auch an, dass die Ausbildung nicht den tatsächlichen Bedürfnissen in den Schulen entspricht. Das höre ich auch aus der Praxis.

Es gibt Streikandrohungen bei den Pflichtschullehrerinnen und -lehrern. Die gesamte Gewerkschaft ist gegen Sie, Herr Minister. Seit gestern gibt es eine Resolution mit Maßnahmen, die gefordert werden, um den Schulbetrieb im


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Herbst überhaupt aufrechterhalten zu können. Das Personal ist, wie Sie wissen, seit einigen Jahren permanent am Limit. So geht es einfach nicht weiter.

Es gibt Personalmangel im Elementarbereich und in allen Schulformen. Das ist seit Jahren absehbar. Sie kennen die Zahlen und wissen, wer in Pension geht. Sie kennen die Zahlen der Kolleginnen und Kollegen, die nachkommen. Sie, Herr Minister, haben mitsamt den Regierungsparteien jedoch zugeschaut und bis vor Kurzem gar nichts gemacht. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Künsberg Sarre.)

Es fehlt administratives Unterstützungspersonal. Es gibt keine Entlastung bei der Verwaltung. Es fehlt die Unterstützung der Pädagoginnen und Pädagogen durch Mediatorinnen und Mediatoren. Es fehlt psychologisches Personal. Es fehlen multiprofessionelle Teams. Es gibt immer noch keine attraktiven Arbeitsbedin­gun­gen in Kombination mit entsprechender Bezahlung. So werden wir auch keine Pädagoginnen und Pädagogen finden, die das machen wollen.

Ihre Werbung unter dem Titel „Klasse Job“ hat 600 000 Euro gekostet und Mini­males gebracht. Wir haben das durchgerechnet: Im Endeffekt sind 156 Lehrkräfte dazugekommen. Das wären umgerechnet Werbekosten von 3 250 Euro pro Person, bezahlt an eine Medienagentur, die ohne Ausschreibung ausgewählt wurde, Herr Minister.

Es gibt für Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf und Behinderungen noch immer kein adäquates Recht auf Bildung und Unterstützung in jeder Form, die sie brauchen. Es gibt zu wenig Hilfe für Kinder, die psychologische Hilfe brauchen. Es braucht eine dringende Anpassung der Sommerschule, sie ist in der jetzigen Form wenig sinnvoll. Und die Digitalisierung läuft im Schneckentempo.

Es gab mehrfach Streik bei den Elementarpädagog:innen. Die dürfen wir nicht vergessen, denn seit Monaten gibt es auch da Hilfeschreie, und es hat sich nichts verändert.


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Long Covid im Bildungsbereich – nur, um das noch anzuführen –: Kinder, die in der Coronazeit nicht im Kindergarten waren, müssen jetzt in der Schule vieles erfahren, nur ist dafür weder Raum noch Zeit. Die Schülerinnen und Schüler haben immer noch Lernrückstände. Das Nachhilfebarometer der AK zeigt, Herr Minister, dass 30 Prozent Nachhilfe brauchen.

Dramatisch ist es im Volksschulbereich. Da ist es zu einem Anstieg von 6 Prozent auf 17 Prozent gekommen, und das in der Volksschule! Das ist ein Zustand, der für Pädagoginnen und Pädagogen natürlich nicht zufriedenstellend ist, denn sie können den Schüler:innen so nicht mehr helfen.

Die Familien werden alleingelassen. Es kann nicht sein, dass Bildungserfolge vom Geldbörsel der Eltern abhängen, Herr Minister. Das ist Aufgabe und Verant­wortung des Staates. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Meinl-Reisinger und Künsberg Sarre.)

Es gibt seit Jahren den AK-Chancenindex, mit dem jede Schule und jedes Kind das bekommen könnte, was die Schule oder das Kind braucht. In Kombination mit der verschränkten Ganztagsschule wäre für das meiste gesorgt.

Die Lehrlinge in den Berufsschulen möchte ich auch noch erwähnen, denn die werden jedes Mal vergessen.

Ich zitiere wörtlich die Resolution der Gewerkschaft: Es gibt eine „Flut an praxisuntauglichen Reformen und nicht evaluierten pädagogischen Innovatio­nen.“ – Das kommt aus der Praxis, Herr Minister; es ist ein Auftrag an Sie, zu handeln.

Wir haben unzählige Vorschläge gemacht, ich kann sie hier gar nicht alle auf­zäh­len, aber wir haben darauf aufmerksam gemacht und Hilfe angeboten. Wir waren bereit, mit Ihnen zusammenzuarbeiten. Es wurde nichts angenommen. Sie haben nicht einmal jene eingebunden, die in der Praxis stehen und die wahren Expertinnen und Experten sind. Es gibt hervorragende Konzepte, Sie müssen sie nur umsetzen und Ihrer Pflicht als Minister nachkommen.


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Wir haben Schulschluss, Herr Minister. Welche Note würden Sie sich nun für Ihre Arbeit selbst geben? Ich frage das auch die Regierungsparteien. In der Schule wäre diese Arbeit auf jeden Fall zu wenig für einen positiven Abschluss. (Beifall bei der SPÖ.)

14.51


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag.a Sibylle Hamann. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


14.51.11

Abgeordnete Mag. Sibylle Hamann (Grüne): Herr Präsident! Lieber Herr Bundesminister! Es geht sich noch vor 15 Uhr aus, sehr schön.

Zurück zum Thema: Das Thema sind Schulgebäude. Warum sind nachhaltige Schulgebäude so wichtig? – Für uns als Grüne ist eine Antwort logisch: Wenn wir die Energiewende schaffen wollen, müssen Schulen als wichtige öffentliche Gebäude möglichst auf dem neuesten technischen Stand sein. (Abg. Shetty: Was hat das mit Bildungspolitik zu tun?) – Genau! Auf das komme ich gerade zu sprechen. Was hat das mit Bildungspolitik zu tun? – Nicht nur hat das, was an Schulen passiert, Signalwirkung auf Kinder, auf Familien, auf Ortschaften, sondern man lernt auch etwas in Schulen.

Damit bin ich bei der Aussage, die Herr Brückl hier heute getroffen hat und die seltsamerweise die NEOS im Ausschuss auch schon formuliert haben, was mich sehr irritiert hat, nämlich was Schulgebäude mit Bildungspolitik zu tun haben. Das gehöre in den Umweltausschuss oder in den Bautenausschuss oder irgend­wo anders hin. – Da habe ich mir schon gedacht: Was für einen beschränk­ten, altmodischen und engstirnigen Bildungsbegriff haben Sie da?! Bei der FPÖ wundert mich das ja nicht, aber bei den NEOS hat es mich dann schon gewun­dert. (Beifall bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Belakowitsch: Das war jetzt aber sehr bemüht!)

14.52.14*****



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Präsident Ing. Norbert Hofer: Frau Abgeordnete Hamann, dafür erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf. (Beifall bei FPÖ und NEOS.)

*****


14.52.21

Abgeordnete Mag. Sibylle Hamann (fortsetzend): Ich muss laut und deutlich widersprechen. Schulbauten und Nachhaltigkeit, das passt total. Ich kann meinen ersten Ordnungsruf gut hinnehmen. – Darf ich es erläutern? (Abg. Lukas Hammer: Den kann er auch gleich wieder zurücknehmen, der Herr Präsident!) – Altmodisch ist ja auch nicht unbedingt für alle eine Beleidigung; manche finden das auch durchaus okay. (Abg. Martin Graf: Nehmens das ein bissl ernster!)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Sie sind am Wort, Frau Abgeordnete. – Bitte.


Abgeordnete Mag. Sibylle Hamann (fortsetzend): Ich führe aus, warum ich Schulbauten und Nachhaltigkeit tatsächlich für ein extrem wichtiges Bildungs­thema halte – Sie hätten ja nur den Schülern und Schülerinnen beim Schü­ler:innenparlament zuhören müssen, um das zu erfahren –: Die Schule ist der Ort, an dem junge Menschen viele Stunden am Tag verbringen. Das muss ein Ort sein, an dem man sich wohlfühlt. Da spielen Faktoren wie Licht, Luft, Tempe­ratur, Raumklima eine ganz, ganz entscheidende Rolle. Auf die wichtige Rolle des Gebäudes als dritter Pädagoge hat Kollegin Salzmann ja auch schon hingewiesen.

Nachhaltiges Bauen, Energieeffizienz und Umweltaspekte kann man auch zum Thema im Unterricht machen; das kann man in Fächern wie Mathe, Physik, Biologie oder Wirtschaft thematisieren. (Abg. Meinl-Reisinger: Geh bitte!) Das kann man noch besser machen, wenn man sich zum Beispiel hands on gleich mit dem konkreten Beispiel der eigenen Schule beschäftigt. Ich habe mir das gerade in den ÖBB-Lehrwerkstätten in Favoriten angeschaut. Es ist sehr faszinierend, was die dort machen. Dort läuft ein großes Unterrichtsprojekt, übrigens gemeinsam mit dem TGM. Die schauen sich gemeinsam die Energiesparpoten­ziale im eigenen riesigen Bildungscampus konkret an. Das ist projektorientiertes


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Lernen im allerbesten Sinn, partizipativ und sinnvoll, und es hat auch mit Mitgestaltung der eigenen unmittelbaren Lernumgebung zu tun. (Beifall bei den Grünen sowie der Abgeordneten Künsberg Sarre und Kuntzl.)

Ich hoffe, dass die Anregungen und Maßnahmen in diesem Entschließungs­antrag viel Inspiration für noch viele weitere Initiativen in diese Richtung sind und dass es noch mehr davon gibt. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen. – Ruf bei der FPÖ: Danke schön!)

14.54


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nunmehr Mag. Martina Künsberg Sarre. – Frau Abgeordnete, ich muss darauf hinweisen, dass ich in 5 Minuten unterbrechen muss. Bitte schön, Frau Abgeordnete.


14.54.40

Abgeordnete Mag. Martina Künsberg Sarre (NEOS): Herr Präsident! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Frau Kollegin Hamann, es ist natürlich klar, dass Sie uns missverstehen. Wir haben es im Ausschuss auch nicht so gesagt, sondern wir haben natürlich gesagt, dass es peinlich ist, dass im Unterrichtsausschuss, im Bildungsausschuss nur solch ein Antrag von den Regierungsfraktionen kommt, der sich mit der Energie­effizienz beschäftigt und nicht mit ordentlicher Bildungspolitik. Darum ist es gegangen. (Beifall bei den NEOS.) Das wissen Sie auch ganz genau, denn sonst hätten Sie das jetzt nicht so groß gemacht und uns so angeschüttet – aber gut.

Wir finden, dass das, was Sie im Antrag stehen haben, eine No-na-net-Aussage ist. Es ist ja wohl hoffentlich schon Usus, dass das alles bei Schulbauten mitberücksichtigt wird. Das ist also nicht etwas, wozu Sie sich selbst oder dem Minister einen Auftrag geben müssen, damit er das umsetzt.

Aber gut, reden wir über Bildungspolitik, denn dafür sind Sie ja zuständig, Herr Minister – oder angeblich ist das so. Was ist der Fall, wie schaut es denn aus in der Bildungspolitik? – Sie haben einen eklatanten Lehrermangel, den Sie


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offensichtlich mit den pädagogischen Assistenzen beheben wollen. Sie haben die Freizeitpädagogen auf die Straße gebracht, weil Sie mit denen nicht aus­reichend geredet haben. Sie haben 300 Unilehrer, die Ihnen geschrieben haben, dass die Lehramtsreform, so wie Sie sie jetzt gestalten wollen, inakzeptabel ist und den Lehrermangel auch nicht verringern wird. Sie haben Pirls, die Lese­studie, in der wir auch wieder zurückgefallen sind, und gestern ist auch noch die GÖD dazugekommen. Die Pflichtschullehrergewerkschaft hat einstimmig beschlossen, mit Maßnahmen beziehungsweise Forderungen in die Öffent­lich­keit zu gehen, die also ganz ehrlich ziemlich peinlich sind, dass ein schwarzer Lehrergewerkschafter so etwas dem schwarzen Bildungsminister sagen muss. Da geht es um Schulverwaltung und Bürokratie et cetera, et cetera.

Was wären denn eigentlich Themen, die wir hier besprechen sollten? – Wir sollten über Chancengerechtigkeit sprechen, über Chancengerechtigkeit für alle Schülerinnen und Schüler in diesem Schulsystem und nicht nur für manche, die in Familien aufwachsen, von denen sie eben gute Unterstützung bekommen. Wir sollten darüber sprechen, dass alle Kinder, die aus dem Schulsystem heraus­kommen, sinnerfassend lesen können, Texte verstehen können, damit sie im Leben später selbstbestimmt Verantwortung übernehmen können. (Beifall bei den NEOS.)

Worüber wir auf alle Fälle hätten reden sollen, ist, dass Kinder mit Behinderun­gen das Recht auf ein elftes und zwölftes Schuljahr haben. Es ist ein Armuts­zeugnis für diese Bundesregierung und für den Bildungsminister, dass Sie die Bürgerinitiative im Ausschuss wieder vertagt haben. (Beifall bei den NEOS.) Das ist ein Armutszeugnis von Ihnen, von Ihnen (in Richtung ÖVP) und besonders von den Grünen, die sich ja immer – ach so sehr – für Kinder mit Behinderungen einsetzen und dann die Bürgerinitiative, die von Zigtausend Eltern und Erwach­senen unterschrieben worden ist, mit der Begründung vertagen, dass ja jetzt Finanzausgleichsverhandlungen sind und das dort thematisiert wird.

Das hat finanziell etwas damit zu tun, aber moralisch hat es nichts mit den Finanzausgleichsverhandlungen zu tun. Entweder man möchte das Recht auf ein


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elftes und zwölftes Schuljahr für Kinder mit Behinderungen ermöglichen oder man möchte es halt nicht. Offensichtlich haben Sie sich dagegen entschieden, und das ist einfach peinlich. (Beifall bei den NEOS.)

Herr Minister, kommen Sie in die Gänge! Es gibt im Bildungsbereich in diesem Land so wahnsinnig viel zu tun und von Ihnen hört man leider überhaupt nichts. – Danke. (Beifall bei den NEOS.)

14.58


Präsident Ing. Norbert Hofer: Ich unterbreche nunmehr die Sitzung bis 15 Uhr.

14.58.46*****

(Die Sitzung wird um 14.58 Uhr unterbrochen und um 15 Uhr wieder aufgenommen.)

*****

15.00.06Fortsetzung der Tagesordnung


Präsident Ing. Norbert Hofer: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf und unterbreche die Verhandlungen über den Punkt 10 der Tagesordnung, damit die verlangte Behandlung eines Dringlichen Antrages gemäß der Geschäfts­ord­nung um 15 Uhr, also jetzt, stattfinden kann.

15.00.20Dringlicher Antrag

der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger‚ MES, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Schulen von Bürokratie befreien, Lehrkräfte für die Arbeit mit den Kindern freispielen!“ (3509/A)(E)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen nun zur dringlichen Behandlung des Selbständigen Antrages 3509/A(E).


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Da dieser inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch den Schriftführer.

Der Dringliche Antrag hat folgenden Wortlaut:

Das Schuljahr geht zu Ende, Schülerinnen und Schüler können durchatmen und stolz sein auf das Erreichte. Viele Lehrer:innen sind froh, das Schuljahr hinter sich zu lassen - nicht, weil sie von den Kindern und Jugendlichen genug haben, sondern weil ihnen die erdrückende Bürokratie im Schulsystem den Job vergällt.

In einer Umfrage von Peter Hajek Public Opinion Strategies unter 700 Lehrkräften haben neun von zehn Befragten angegeben, dass dringend etwas verändert gehört, um den Arbeitsalltag zu verbessern. Ebenfalls 90% der Befragten Lehrer:innen sagen, dass sie im Arbeitsalltag Tätigkeiten ausüben, die viel Zeit in Anspruch nehmen und wenig Nutzen haben. Auf die Frage, welche Tätigkeiten das sind, geben 57% der Befragten "Administration und Bürokratie" an, weitere 19% nennen "Dokumentation und Protokolle", also ebenfalls bürokratische Tätigkeiten.

Diese Zeit fehlt für die Arbeit mit den Schüler:innen und für die Vorbereitung guten Unterrichts. 95% der Befragten stimmen der Aussage "LehrerInnen sind mit zu vielen Erlässen, Verordnungen und Regelungen aus Ministerium und Bildungsdirektionen konfrontiert und finden immer weniger Zeit für ihre eigentlichen Aufgaben" ganz oder eher zu.

Das darf so nicht weitergehen, denn wer mit Kindern und Jugendlichen arbeitet, arbeitet an unserer Zukunft. Jede an unsinnige Tätigkeiten verlorene Arbeitsstunde von Pädagog:innen ist Zukunftsraub. Während Schüler:innen und Lehrer:innen also in die wohlverdienten Ferien starten, erwarten wir von Bildungsminister Polaschek und Bundeskanzler Nehammer, dass sie "nachsitzen" und sich endlich um die Missstände im Bildungswesen kümmern. Wir dürfen es nicht länger hinnehmen, dass Bürokratie Kindern die Flügel bricht, ein Viertel der Jugendlichen am Ende der Schulpflicht grobe Schwierigkeiten beim Lesen und Rechnen hat und der Lehrkräftemangel immer gra­vie­render wird, weil sich niemand mehr diesen Job antun will.


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Nicht nur die genannte Umfrage weist auf das enorme Bürokratie-Problem im Schulsystem hin, auch die Vertretung der Lehrer:innen berichtet Ähnliches: Gewerk­schaftschef Paul Kimberger von der ÖVP-nahen Fraktion Christlicher Gewerkschafter klagt in einem Bericht im Portal schule.at vom 20.04.2023, dass Schulleitungen und Lehrpersonal in allen Bundesländern "in Verwaltung, Bürokratie und sinnbefreiten Abfragen versinken". Die Behörden wissen laut Kimberger teilweise überhaupt nicht, wie die Realität an den Schulen aussieht und wie hoch die Belastung der Schullei­tungen und Lehrer bereits ist.

Im selben Artikel berichtet schule.at, dass erst vor einem Jahr eine Gruppe von Bildungswissenschafter:innen, Schulleiter:innen und Personen aus der Bildungsadmi­nistration einen Appell an Bildungsminister Polaschek veröffentlicht hätten, die Schulen von Administration zu entlasten. Ein Gutteil der Arbeitszeit gehe für adminis­trative Aufgaben drauf, die auch Hilfskräfte erledigen könnten, so damals das Ergebnis einer Befragung von 40 Schulleiter:innen aus ganz Österreich. Für die Arbeit an der Verbesserung des Lehrens und Lernens an den Schulen bleibe dadurch "zu wenig und manchmal gar keine Zeit". Dazu komme, dass die Schulleitungen zu wenig Spielraum hätten, um wirklich zu gestalten. Für ausgeschriebene Schulleitungsposten gibt es daher kaum Bewerbungen und wir sind weit davon entfernt, nur die Geeig­netsten und Besten für diesen verantwortungsvollen Job auszuwählen.

Um das Bürokratie-Problem in Griff zu bekommen, braucht es Veränderungen auf drei Ebenen:

1.         Bürokratie vermeiden, indem Schulen voll autonom werden. Vertrauen und Eigenverantwortung ersetzen Kontroll- und Dokumentationszwänge.

2.         Bürokratie vereinfachen, indem sie gebündelt, digital und userfreundlich wird. Schluss mit tausend Listen und parallelen Verwaltungsprogrammen.

3.         Bürokratie delegieren, indem wir das Verwaltungspersonal aufstocken, damit Lehrer:innen sich ganz den Schüler:innen widmen können.


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Volle Schulautonomie bedeutet, dass Schulen und Lehrer:innen nicht mehr jeden Schritt dokumentieren und rechtfertigen müssen. Die Bildungsdirektion wird als Behörde abgeschafft und als unterstützende, beratende Serviceeinrichtung neu gegründet.

Userfreundliche digitale Schulverwaltung heißt, dass Bund und Länder sich auf EIN Schulverwaltungsprogramm einigen. Dieses muss einfach, verlässlich und user­freund­lich alle Verwaltungsvorgänge abdecken, damit Lehrer:innen nicht mehr händisch Listen zu führen und Informationen einzutragen haben, die andernorts schon vorhan­den sind.

Verwaltungspersonal aufstocken ermöglicht, dass Lehr:innen lehren und Verwal­tungs­kräfte die administrativen Arbeiten übernehmen. Erste Schritte in diese Richtung wurden vom Bund, der Stadt Wien und anderen bereits unternommen, doch bei weitem nicht alle Schulen verfügen bereits über Verwaltungsmitarbeiter:innen. Hinzu kommt, dass ein mittleres Management - bspw. mit Abteilungsleiter:innen, wie sie an HTL üblich sind - für große Schulen aller Schularten hilfreich wäre.

Schule muss ein Ort sein, wo man gerne hingeht - wo Schüler:innen gerne lernen und Lehrer:innen gerne arbeiten. Gelingen wird das mit Vertrauen statt Kontrolle, mit Autonomie statt Bürokratie, mit einer zeitgemäßen Arbeitsteilung - jede:r macht das, wofür er/sie ausgebildet ist - und indem die Ressourcen so eingesetzt werden, dass sie den Schüler:innen zugute kommen, statt sie in bürokratischem Leerlauf zu veraus­gaben. Das sind wir den Kindern, den Steuerzahler:innen und unserer Zukunft schuldig!

Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere der Bundeskanzler und der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung wird aufgefordert, ein Reformpaket


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vorzubereiten, mit den Ländern zu verhandeln und umzusetzen, mit dem Schulen, Schuldirektor:innen und Lehrer:innen von der erdrückenden Bürokratie im Schulsys­tem befreit werden, damit sie sich ihrer Kernaufgabe - der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen - widmen können. Dazu braucht es Veränderungen entlang der drei Leitlinien "Bürokratie vermeiden", "Bürokratie vereinfachen" und "Bürokratie dele­gie­ren":

1.         Nach dem Prinzip "Vertrauen statt Kontrolle", das sich bei den "Bildungs-Europameistern" Estland und Finnland bewährt hat, erhalten Schulen volle Autono­mie in organisatorischer, personeller, finanzieller und pädagogischer Hinsicht. Kontroll- und Dokumentationszwänge werden abgelöst von Eigenverantwortung und Gestaltungsfreiheit. Die Bildungsdirektionen werden als Behörde abgeschafft und als unterstützende, beratende Serviceeinrichtung neu gegründet.

2.         "Digital und userfreundlich" werden Verwaltungsabläufe vereinfacht. Sämt­liche administrative Tätigkeiten werden in EIN einheitliches Schulverwaltungs­programm zusammengefasst, Doppelgleisigkeiten beendet und die "Zettelwirtschaft" auf ein Minimum reduziert. Einfache Strukturen, Automatisierung und userfreund­liche Oberflächen erleichtern die Arbeit.

3.         Nach dem Motto "Lehrkräfte lehren, Verwaltungspersonal administriert" werden die verbleibenden Verwaltungstätigkeiten an administratives Personal delegiert, das weiter aufgestockt wird. Zusätzlich bekommen größere Schulen aller Schularten ein Mittleres Management, um allen Lehrer:innen die direkte Zusam­menarbeit mit einer Führungskraft zu ermöglichen und Schulleitungen für die pädagogische Entwicklung der Schule freizuspielen. 

In formeller Hinsicht wird verlangt, diesen Antrag im Sinne des § 74a Abs. 1 iVm § 93 Abs. 2 GOG-NR zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu behandeln und einem der Antragssteller Gelegenheit zur mündlichen Begründung zu geben.

*****



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Präsident Ing. Norbert Hofer: Ich erteile nun Frau Abgeordneter Mag.a Meinl-Reisinger als Antragstellerin zur Begründung des Dringlichen Antrages das Wort. Gemäß § 74a Abs. 5 der Geschäftsordnung darf die Redezeit 20 Minuten nicht überschreiten. – Bitte, Frau Klubobfrau.


15.00.46

Abgeordnete Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES (NEOS): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer, auch via Livestream! Ich möchte auch damit beginnen, dass nach dem morgigen Tag nun die wohlverdienten Sommerferien im Westen Österreichs starten. Ich möchte an dieser Stelle einmal allen Schülerinnen und Schülern zu ihren Leistungen in diesem Schuljahr gratulieren, und ich möchte euch alle, meine Kolleginnen und Kollegen, einladen, dass wir gemeinsam den Lehrerinnen und Lehrern, den Schulleiterinnen und Schulleitern, den Kindern, den Schülerin­nen und Schülern und den Eltern für dieses Schuljahr einen Applaus spenden. (Allgemeiner Beifall.)

Ich habe ja schon letzten Freitag sozusagen die Zeugnisverteilung gehabt und habe schon die ersten drei Tage genossen, habe also jetzt schon die ersten drei Tage zwei Schulkinder zu Hause gehabt. Ich kann Ihnen sagen: Die Ruhe in den Ferien ist wohlverdient. Ich habe auch das Gefühl, die wollen jetzt einmal nur ihre Ruhe haben. (Präsident Sobotka übernimmt den Vorsitz.)

Auch die Lehrerinnen und Lehrer haben sich das jetzt einmal verdient. Die machen den wichtigsten Job in der Republik, nämlich all unseren Kindern die Wurzeln zu geben, damit die ihre Flügel entfalten können und dann in die Zukunft fliegen können, selbstbestimmt ein Leben leben können, mit all dem, was man braucht, um dieses selbstbestimmte Leben leben zu können.

Es schaut aber im Bildungsbereich nicht gut aus, und da möchte ich schon an die vorhergegangene Diskussion anknüpfen, Herr Bildungsminister. Also wenn das Einzige im Unterrichtsausschuss, im Bildungsausschuss ist, dass es darum gehen


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soll, die Schulgebäude energieeffizient zu machen, was ohnehin eine Selbstver­ständlichkeit ist und woran Sie ohnehin schon dran sind, dann zeigt das, welchen Stellenwert Bildung und Schule bei dieser Bundesregierung haben, nämlich genau gar keinen. (Beifall bei den NEOS.) Sie bringen im bildungspolitischen Bereich einfach gar nichts weiter.

Da ist mir ein Bild eingefallen. Ich weiß nicht, kennen Sie The Line? – The Line ist ein Bauprojekt in Saudi-Arabien, ein zusammenhängender Gebäudekomplex im Ausmaß von 170 Kilometern Länge, in dem neun Millionen Menschen wohnen sollen. Das ist die größte Baustelle der Welt. Nun, Österreich hat nicht nur 170 Kilometer Länge, sondern von Ost nach West 575 Kilometer Länge, aber es wohnen neun Millionen Menschen hier, und ich würde sagen, Bildung ist die größte Baustelle in unserem Land, und da muss dringend etwas passieren.

Schauen wir uns jetzt einmal ganz konkret an, wie es eigentlich mit dem Job der Lehrerinnen und Lehrer ausschaut. Wir haben uns gedacht, wir wollen uns das evidenzbasiert anschauen, und haben gemeinsam mit einem Meinungsforscher, Marktforscher 700 Lehrerinnen und Lehrer befragt, wie es ihnen tagtäglich im Job geht. Das war durchaus sehr erhellend, weil der wirklich überwiegende Großteil eigentlich rückgemeldet hat, dass mittlerweile Schule nicht mehr der Ort ist, wo sie in der Früh gerne hingehen.

Ich glaube, das ist wirklich alarmierend, denn so viele junge engagierte Jung­lehrerinnen und Junglehrer beginnen diesen Job mit dem Anspruch, etwas zu bewegen, etwas weiterzugeben, einen Dienst an den Kindern, an der Gesell­schaft zu leisten, und so viele werden in diesem System ernüchtert, wenn nicht sogar gebrochen.

Wissen Sie, was der Hauptgrund ist, warum die Lehrer sagen: Eigentlich freut es mich nicht mehr!? – Das ist die erdrückende Bürokratie. Neun von zehn Befrag­ten haben angegeben, dass in ihrem Arbeitsumfeld dringend etwas verändert werden muss. Also wenn ein Arbeitgeber hört, dass neun von zehn Beschäftig­ten bei ihm sagen: An meinem Arbeitsumfeld muss sich dringend


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etwas ändern!, dann sollten bei ihm alle Alarmglocken läuten. (Beifall bei den NEOS.)

Drei Viertel der Befragten haben gesagt: Mein Hauptproblem ist die Bürokratie, die Administration, das Führen von Statistiken, das Führen von Listen, die Dokumentation, das Erstellen von Protokollen! Das ist erdrückend, und ich komme nicht dazu, meinen Job zu machen!

95 Prozent der Befragten – das ist jetzt genau das Ergebnis Ihrer Arbeit im Ministerium – stimmen der Aussage zu: Lehrkräfte „sind mit zu vielen Erlässen, Verordnungen und Regelungen aus Ministerium und Bildungsdirek­tionen konfrontiert und finden immer weniger Zeit für ihre eigentlichen Aufgaben“.

Natürlich kann man sagen, Bürokratie ist ja wichtig, es muss alles ordentlich vor sich gehen und das muss ja dokumentiert werden, das Hauptproblem ist aber, dass es immer mehr und immer mehr und immer mehr geworden ist und dass ganz viele der Lehrerinnen und Lehrer sagen: Wozu? Es ist so sinnlos! Ich schreibe da Protokolle, ich schreibe da Dokumentationen, ich schreibe Listen über Listen, und kein Menschen schaut sich das an!

Es gibt nämlich auch keine sinnvolle Aufgabenteilung im Schulsystem. Ich habe es schon gesagt: Was ist eigentlich der Anspruch, wenn man als junger Mensch sagt: Ich möchte diese Laufbahn machen, ich möchte Pädagogin oder Pädagoge werden!? – Will man dann seine Stunden damit verbringen, Listen auszufüllen oder in drei verschiedenen Schulverwaltungssystemen digital etwas eintragen zu müssen, oder will man sich damit beschäftigen, dass man selber seinen Laptop und das IT-System herrichtet, weil es in der Schule eigentlich niemanden gibt, der das für einen macht, oder Protokolle führen oder Dokumentationen machen?

Deswegen beginnt doch niemand diesen Job. Es sagt ja niemand: Ich möchte so wahnsinnig gerne in eine Schule gehen, weil ich dort so herrlich viel Bürokratie


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erledigen kann!, sondern die gehen dorthin, weil sie etwas anderes machen wollen.

Es gibt zum Beispiel immer mehr Fälle – wir kennen das; gerade auch als Mutter kenne ich das Thema, und das ist sehr ernst zu nehmen – von Mobbing in der Schule. Die Gefahr steigt natürlich auch mit den Mobiltelefonen, mit – was weiß ich – all den Whatsapp-Nachrichten und den sozialen Medien massiv, und es wird immer mehr zum Thema. Wenn Lehrer uns rückmelden, dass die Dokumen­tation der Konflikte mehr Zeitaufwand benötigt, als sie dann zur Verfügung haben, um diese Konflikte wirklich zu lösen, sollten doch auch bei Ihnen, der Sie eigentlich für dieses Thema zuständig sind, alle Alarmglocken läuten.

Ein Klassenvorstand hat mir letzthin geschrieben: Als Klassenvorstand ist man der Trottel vom Dienst! – Das ist auch ein Armutszeugnis, denn es ist ein wertvoller Teil des Lehrerdaseins, dass jemand bereit ist, diese Verantwortung zu übernehmen, Klassenvorstand zu sein und eine ganze Klasse über Jahre zu begleiten. Es ist doch im Ergebnis ein Nicht genügend, wenn am Ende heraus­kommt, dass sie sagen: Also eigentlich bin ich nur noch der Depp! Das ist komplett sinnlos, und ich möchte das nicht mehr machen! – Das ist zukunfts­vergessen. Sie rauben da wirklich ganzen Generationen von Kindern und Jugendlichen, aber auch dem Lehrpersonal die Zukunft. (Beifall bei den NEOS.)

Es gab dann auch die Möglichkeit, auszufüllen, was denn das Problem ist, und wir haben das für Sie schön, wie das ja Ihre Lehrer in den Schulen auch machen müssen, in Form einer Liste gemacht (eine lange, bedruckte Papierbahn entrollend), in der Sie dann über 300 Beispiele dafür nachlesen können: Formu­lare ausfüllen, Listen um Listen, Entschuldigungslisten, Abrechnung von Ausflügen, Abrechnung von Reisetätigkeit et cetera. All das sind Beispiele aus der Praxis, die Sie in Ihrem Elfenbeinturm vielleicht nicht sehen, die die Lehrerinnen und Lehrer tagtäglich erleben, sodass sie ihren Job nicht mehr machen können – und das stimmt.


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Die Lehrergewerkschaft schlägt jetzt auch Alarm und sagt: Na ja, in Österreich kündigen täglich durchschnittlich drei Lehrer!, und das in einer Zeit von grassierender Personalnot, auf die Sie keine einzige Antwort haben.

Eines muss ich der ÖVP und der SPÖ sagen: Das mit der Pensionierungswelle der Babyboomer – ganz ehrlich – war ein An-die-Wand-Fahren mit Anlauf. Da gratuliere ich Ihnen wirklich. So tief kann man den Kopf gar nicht in den Sand stecken, wie Sie das getan haben, was die drohende Personalnot angeht. (Beifall bei den NEOS.)

Ich muss da aber auch die Gewerkschaft in die Pflicht nehmen, denn ganz offensichtlich macht die auch nicht immer den besten Job. Wissen Sie, wie viel Prozent der Lehrer in Österreich sagen, wenn man sie fragt, ob sie sich gesellschaftlich anerkannt fühlen: Ja, ich bin als Lehrer angesehen!? – 16 Pro­zent.

Auch da also wieder: Wenn ich der Arbeitgeber oder der zuständige Minister wäre, würde es bei mir klingeln, wenn nur 16 Prozent der Lehrer sagen: Ich bin mit meinem Job in der Gesellschaft angesehen! Wissen Sie, wie hoch da der Wert in Finnland ist? – 58 Prozent; in Singapur, das da am besten abschneidet, 72 Prozent! Es wäre möglich, Herr Minister, wenn Sie Ihren Job besser machen würden, dass der Job der Lehrerinnen und Lehrer auch in Österreich höher angesehen wäre.

Das Ergebnis ist völlig klar: Wir haben ein absolutes Mittelmaß. Wir schaffen mit unserem Bildungssystem weder Topexzellenz noch wirkliche Chancengerech­tigkeit, Chancenfairness oder das Versprechen abzugeben, jedem Kind die Flügel zu heben. Wir sind mau, wir sind Mittelmaß, und ich sage Ihnen ganz ehrlich: Das reicht uns NEOS nicht! (Beifall bei den NEOS.)

20 Prozent, also ein Fünftel aller Schüler, verlassen die Pflichtschule und können nicht gescheit lesen und rechnen. Das ist das Ergebnis einer seit Jahrzehnten völlig verfehlten Bildungspolitik. Und dann stellen Sie sich hin und reden etwas


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von Personalmangel und davon, dass man unsere Kinder und Jugendlichen jetzt irgendwie besser ausbilden und bilden muss! Wenn Sie solche Ergebnisse pro­duzieren, ist das wirklich ein Bauchfleck.

Es ist eine Privatisierung durch die Hintertür. Das kann man sich auch anschauen: Wie viel gibt ein Land pro Schüler durchschnittlich für Bildung aus? Österreich gibt pro Schüler relativ viel aus, wir geben deutlich mehr als Finnland und als Estland aus. Alle diese Länder schneiden aber wesentlich besser ab. Die dortigen Bildungssysteme, die dortigen Schulen sind einerseits gerechter und andererseits schaffen die Schüler beispielsweise bei den Pisa-Tests deutlich bessere Ergeb­nisse.

Wir geben also sehr viel Steuergeld aus, der Steuerzahler muss Länge mal Breite dafür zahlen, und gleichzeitig wird aber auch privatisiert, weil die Eltern Hun­derte Millionen Euro pro Jahr für private Nachhilfe in die Hand nehmen müssen. Eine Familie mit einem Kind gibt pro Jahr durchschnittlich 750 Euro für Nachhilfe aus. Immer mehr Eltern vertrauen dem öffentlichen Bildungssystem nicht und zahlen dann noch für eine Privatschule. Das sind übrigens genau die gleichen Probleme wie im Gesundheitsbereich: Es ist ein extrem teures System, die Menschen zahlen doppelt – teilweise dreifach –, mit ihren Steuer­leis­tungen, den Krankenversicherungsleistungen, und dann noch für die Wahlärzte und für die private Krankenversicherung.

Wir waren ja in Finnland und Estland und ich kann mich an ein Gespräch mit einer Lehrerin erinnern, die wir gefragt haben: Wie ist denn das eigentlich in Estland? Wie machen die Eltern das mit der Nachhilfe? Wie viel wird dafür ausgegeben? Die Lehrerin hat uns völlig fassungslos, mit großen Augen angeschaut und hat gesagt: But that’s our job! – Das ist doch unser Job! (Abg. Salzmann: Was wollen Sie damit den Lehrer:innen sagen? Was sagen Sie damit den Lehrer:innen ...?) Das ist doch unsere Verantwortung, den Kindern, die sozusagen nicht mitkom­men, dann entsprechende individuelle Zuwendung zu geben! – Und stellen Sie sich vor: Die holen sich am Nachmittag die Kinder, die Förderbedarf haben, und machen das mit den Kindern. Das ist alles möglich, liebe Kolleginnen und


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Kollegen, und das ist keine Utopie. Fliegen Sie dorthin und schauen Sie sich das an! (Beifall bei den NEOS. –

Abg. Salzmann: Was will sie damit den Lehrer:innen sagen? Dass sie keinen guten Job machen, oder was heißt das jetzt?)

Jetzt komme ich zu Ihnen, Herr Minister. Ganz ehrlich: Warum sind Sie eigentlich Bildungsminister? Warum? – Drei Gründe fallen mir ein: Sie sind ÖVPler, Sie sind Steirer, und ich glaube, die Rolle gefällt Ihnen auch sehr gut. – Was aber ist Ihr Antrieb? Was ist Ihre Vision? Was wollen Sie hinterlassen? Was ist Ihr Anspruch? Haben Sie eigentlich irgendeinen Gestaltungsanspruch, dass Sie sagen: Ich will etwas besser machen!? – Außer durch das Ministerium zu gehen und zu sagen: Es ist so schön hier, ich bin so stolz, dass ich hier bin! (Abg. Salzmann: Das finde ich dreist! Ich finde, dass das dreiste Aussagen sind!) – Das geht doch nicht, das ist zukunftsvergessen. (Beifall bei den NEOS.)

Nehmen Sie sich ein Beispiel an Bildungsstadtrat Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr! (Oh-Rufe bei der ÖVP. – Abg. Salzmann: Euer Heiland! Der Bildungsheiland!) Der zündet ein Feuerwerk an Bildungsinnovation. So viel wie jetzt ist in der Bildung in Wien noch nie weitergegangen – so viel an Innovation! Das würde ich mir auch im Ministerium wünschen. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Wöginger: Das ist das Epizentrum der Probleme! – Abg. Salzmann: Das ist euer Bildungsheiland! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Es ist nicht einfach, weil das System reformresistent ist, aber Sie versuchen ja nicht einmal, irgendeinen Schritt in die richtige Richtung zu machen.

Jetzt komme ich zu den Grünen: Ich kann mich noch an die Zeiten erinnern, als hier Bildungspolitiker der Grünen gesessen sind. (Unruhe im Saal.) – Vielleicht regen Sie sich alle wieder ein bisschen ab. (Abg. Wöginger: Ja! So ein Schwach­sinn! – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch. – Abg. Salzmann: ... Strolz ...!) – Ich kann mich noch an Zeiten erinnern, als hier im Hohen Haus Bildungspolitiker der Grünen gesessen sind, die in der Bildungspolitik wirklich einen Anspruch hatten.


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Ich weiß schon, ihr stellt das Klima über alles, aber ihr vergesst auf alle anderen Bereiche. In der Bildungspolitik habt ihr in den Jahren eurer Regierungsbetei­ligung genau gar nichts weitergebracht. (Beifall bei den NEOS. – Zwischenruf der Abg. Blimlinger. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ganz konkrete Vorschläge: Kübeln Sie 50 Prozent der Bürokratie, die Sie den Schulen umhängen! 50 Prozent! (Abg. Salzmann: Ich freue mich schon ...!) Lassen Sie sich von den Lehrerinnen und Lehrern sagen, was alles sinnlos ist, und machen Sie diesen mutigen Schritt, wirklich einmal 50 Prozent all dieser bürokra­tischen Auflagen zu kübeln.

Zweiter Vorschlag – im Bereich Autonomie ist etwas weitergegangen, aber es sind sehr zaghafte Schritte –: Vertrauen statt Kontrolle! Geben Sie den Schulen endlich volle Autonomie, damit am Schulstandort eigenständig beschlos­sen oder entschieden werden kann, wie der Unterricht gestaltet werden soll, wie das Budget verwendet wird, welche Lehrerinnen und Lehrer angestellt werden!

Wissen Sie, ich glaube, das ist auch ein wesentlicher Teil des Verständnisses, dass man als Lehrerin und Lehrer einen guten Job machen kann, wenn man weiß, man ist wirksam und hat nicht Tausend Erlässe, Vorgaben, Verordnungen und so ein enges Konzept. In Finnland und Estland können die Lehrer sehr viel selber entscheiden, weil man dort auch sagt: Ihr seid die Besten in dem Job und wir vertrauen euch! – Vertrauen statt Kontrolle: ein ganz, ganz wesentlicher Zugang. (Beifall bei den NEOS.)

Dann natürlich die Unterstützung mit administrativem Personal: In keinem anderen Unternehmen würde man hergehen und sagen, die ganze Administra­tion bis hin zur IT lassen wir die Lehrerinnen und Lehrer, die Fachkräfte machen. Wir brauchen natürlich überall ein administratives und mittleres Management, und da ist gerade auch Christoph Wiederkehr mit in Verhandlungen, damit er da weitere Schritte machen kann, weil das ein wesentlicher Schritt ist, den er in Wien auch setzen will, damit da die Entlastung stattfindet. – Machen Sie das


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flächendeckend! Schaffen Sie zumindest einen Lehrer oder eine Lehrerin oder am besten eine IT-Fachkraft an jeder Schule, die für alle das entsprechend einrich­ten kann. Es kann nicht sein, dass jeder damit – mit den Themen, die es gibt – völlig alleingelassen wird. (Abg. Salzmann: Den gibt’s doch ...!) – Nein, das gibt es nicht überall. Lesen Sie die Rückmeldungen der Lehrerinnen und Lehrer, die mit bürokratischem Irrsinn und auch mit der IT völlig alleingelassen sind! (Abg. Salzmann: Freilich gibt’s das! Es gibt diese IT...!)

Helfen wir den Lehrerinnen und Lehrern dabei, dass sie auch wirklich ihren Job – zu unterrichten – machen können! Setzen Sie in jede Schule Schulpsycholo­ginnen und -psychologen, setzen Sie Schoolnurses in alle Schulen! Es ist natür­lich eine große Aufgabe, die jetzt sozusagen im Biotop Schule zu bewälti­gen ist. Es ist nicht nur der Unterricht. Es sind sehr viele Gesundheitsthemen, es sind sehr viele Mental-Health-Themen, Themen betreffend psychische Gesundheit. Das wäre eine großartige Unterstützung.

Und natürlich: voller Schub auf Digitalisierung, auf die WLAN-Ausstattung aller Schulen – wie wir das jetzt auch in Wien machen.

Kübeln Sie endlich diese starren Lehrpläne und fokussieren Sie viel stärker auf Kompetenzen, die entwickelt werden müssen, die im 21. Jahrhundert auch angepasst werden müssen! Damit meine ich nicht die Grundrechnungsarten oder Deutsch, sondern ganz generell Kompetenzen wie Empathie, Kreativität, auch Persönlichkeitsentwicklung, aber auch – wir haben es in der Pandemie erlebt – zum Beispiel Gesundheitskompetenzen. Health Literacy oder Financial Literacy: alles Themen, die wesentlich stärker verankert gehören und in einer modernen Schule definitiv Platz haben müssen.

Lassen Sie die Kindergärten nicht im Stich! Ich habe den Eindruck, das ist überhaupt ein Bereich, der Sie nicht interessiert. Ich erinnere mich, beim letzten Budget haben Sie so getan, als wenn das überhaupt nicht Ihr Thema wäre. Bildung beginnt schon im Kindergarten, und da muss endlich das Bekenntnis da sein, dass er ein Teil des Bildungssystems ist und wir einen flächendeckenden


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ganztägigen, hoch qualitativen Kindergarten in ganz Österreich haben müssen, der selbstverständlich nicht um 12 Uhr zusperrt, damit die Frau keine Wahlfreiheit hat und am Nachmittag bei den Kindern zu Hause sein muss. (Beifall bei den NEOS.)

Und ja: Sie können entscheiden, wie Sie in die Geschichte eingehen – ich glaube, es ist ziemlich klar, dass Sie nach der nächsten Wahl Geschichte sein werden –, vielleicht schlagen Sie noch einen Pflock ein, indem Sie öffentlich sagen: Na ja, diese Trennung mit zehn Jahren ist wirklich ziemlicher Unfug, das lassen wir jetzt einmal sein! Auch wir als ÖVP lernen einmal dazu und setzen Schritte in die richtige Richtung! Wir bleiben nicht irgendwo in einer nostalgischen Vergangen­heit, die nicht mehr funktioniert! (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Vereinfacht gesagt: Tun Sie endlich etwas!, aber vor allem: Schaffen Sie die Büro­kratie ab! Bürokratie runter und Flügel rauf! Und allen, die vorhin für die Lehrerinnen und Lehrer, die Schülerinnen und Schüler geklatscht haben, möchte ich sagen: Steht auf und tut etwas für das Bildungssystem, denn das ist eine riesengroße Baustelle! Klatschen allein hilft nicht! (Beifall bei den NEOS.)

15.20


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf die beiden Minister recht herzlich begrüßen.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Polaschek. – Herr Minister, bei Ihnen steht das Wort.


15.20.17

Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Martin Polaschek: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren hier im Plenum! Sehr geehrte Damen und Herren hier oben auf der Galerie und auch vor den Bildschirmen! Wenn man der Frau Abgeordneten so zuhört, muss man sich wundern, dass Kinder bei uns überhaupt lesen und schreiben können. Sie stellen


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das gesamte Bildungssystem so dar, als ob es überhaupt nicht funktionieren würde.

Ja, wir haben natürlich Handlungsbedarf und wir arbeiten intensiv an Reformen, aber dieses generelle Schlecht- und Krankreden haben sich die Lehrerinnen und Lehrer nicht verdient, das haben sich die Schülerinnen und Schüler nicht ver­dient. (Beifall bei der ÖVP.)

Sie alle leisten nämlich jeden Tag Großartiges – alle: die Kinder, die Jugend­lichen, ihr da oben (in Richtung Besuchergalerie) genauso wie die Lehrerinnen und Lehrer und alle Personen, die rund um den Schulbereich tätig sind.

Ja, wir stellen uns den Herausforderungen. Seit dem Beginn meiner Amtszeit unternehme ich alles in meiner Macht Stehende, um dafür zu sorgen, dass die Lehrerinnen und Lehrer gute Arbeitsbedingungen haben. Das ist mir ein persön­liches Anliegen und dafür stehe ich auch ein. Und, sehr geehrte Frau Abge­ordnete, wenn Sie das nicht zur Kenntnis nehmen wollen und ignorieren, dann tut es mir leid, dann achten Sie halt mehr darauf, was wir alle tun! (Beifall bei der ÖVP.)

Ja, es ist mir bewusst, dass Lehrerinnen und Lehrer von administrativen Tätigkeiten freigespielt werden müssen (Abg. Hoyos-Trauttmansdorff: Dann tun Sie es!), um das zu tun, wofür sie in die Schulen gegangen sind, nämlich zu unterrichten und zu lehren. Ein Schlüssel dazu ist mehr Unterstützungspersonal, natürlich vor allem im Pflichtschulbereich, aber weil die Zuständigkeit dafür bei den Ländern und bei den Gemeinden liegt, können wir als Bund nur Anreize setzen, und das haben wir gemacht. Wir haben zahlreiche neue Initiativen vorzuweisen, die es zuvor in diesem Bereich, im Bildungssystem, noch nicht gab. (Beifall bei der ÖVP.)

Dazu zählt die erstmalige österreichweite Einführung von administrativem und psychosozialem Unterstützungspersonal an unseren Pflichtschulen. Es werden erstmals Mittel für eine flächendeckende Bereitstellung von administrativen


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Stützkräften bereitgestellt, und seither setzen das auch alle Länder um. Wir bringen dazu bis zu 240 zusätzliche Kräfte als psychosoziale Unterstützung an die Pflichtschulen – auch das erstmals vonseiten des Bundes. Im Bereich der Schulpsychologie konnten wir nach über zehn Jahren gleichbleibenden Personal­stands die Anzahl der Beschäftigten um 20 Prozent erhöhen.

Besonders wichtig ist dabei aber auch der Ausbau der administrativen Unter­stützung der Lehrerinnen und Lehrer. Das haben Sie in Ihrem Antrag auch richtig festgestellt. Aber auch da: Dank der Initiative des Bildungsministeriums gibt es erstmals Mittel für administratives Unterstützungspersonal in den Pflichtschulen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.) Wir unterstützen damit die Länder und Gemeinden mit bis zu 700 Kräften österreichweit.

Für diese Maßnahmen konnten wir über das Finanzausgleichsgesetz den Schulen insgesamt 40 Millionen Euro dauerhaft bereitstellen. Da sich einige dieser Maßnahmen noch in Umsetzung befinden, wird es noch etwas Zeit brauchen, bis sie vollständig wirken, aber ich bin da sehr guten Mutes.

Zudem geht es auch um die wichtige pädagogische Unterstützung, wo wir im internationalen Vergleich hinten liegen. Ja, es ist klar: Wir brauchen pädagogi­sches Unterstützungspersonal und wir gehen dieses Thema gerade intensiv und aktiv an, und ich meine, wir sind da auf einem sehr guten Weg.

Wir brauchen natürlich auch entsprechende Entlastungen. Wir haben bereits zwei Entlastungspakete gemeinsam mit der Standesvertretung auf Schiene gebracht. Diese Entlastungspakete umfassen zahlreiche Maßnahmen wie etwa die Bündelung der Kommunikation an den Schulen, die begonnene Reduktion von Erhebungen an Schulen bis hin zur Bündelung von Dienstbesprechungen. Alle diese Maßnahmen dienen dem Zweck, die Lehrerinnen und Lehrer von administrativen Tätigkeiten zu entlasten.


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Ja, da ist auf jeden Fall noch Luft nach oben, keine Frage. Wir sind deshalb in intensivem Austausch mit den Lehrergewerkschaften, um weitere Entlas­tungspakete auszuarbeiten. Wir müssen in diesem Bereich sicher noch viel tun, aber ich kann Ihnen versichern, dass wir den absoluten Willen haben, noch mehr zu tun, eben gemeinsam mit den Standesvertretungen, gemeinsam mit den Personen aus der Praxis. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Hamann.)

Ein weiterer Punkt ist natürlich die Schulautonomie, und da sind mit der Bildungs­reform bereits zahlreiche wichtige Schritte gesetzt worden, sowohl in organisatorischer, personeller als auch in pädagogischer Hinsicht. So kann sich etwa jede Schule selbst das Personal aussuchen. Für mich ist nämlich klar: Schulautonomie darf kein Schlagwort sein, das einfach nur leicht populistisch verwendet wird.

In Ihrem Antrag streichen Sie auch das Thema der Digitalisierung an unseren Schulen hervor. Sie sprechen damit ein wichtiges Thema an, weshalb ich noch kurz darauf eingehen möchte. Ja, natürlich: Die Schule des Jahres 2023 ist ganz anders als die Schule des Jahres 2019, und das liegt nicht zuletzt an der Digitalisierung, an den Erfahrungen, die wir alle gemacht haben. So, wie sich unsere Gesellschaft wandelt, so muss sich natürlich auch die Schule an die neuen Herausforderungen anpassen und auch die Chancen entsprechend ergreifen.

Wir haben mit der Geräteinitiative und dem neuen Pflichtfach digitale Grund­bildung an den Schulen neue Meilensteine gesetzt. Das ist auch anzuerkennen. Bereits jetzt gibt es im Bundesschulbereich eine digitale Schulverwaltung. Wir gehen da auch weitere wichtige Schritte: Wir haben gerade die Pilotierung des digitalen Schüler- und Schülerinnenausweises in Gang gesetzt. In Zukunft wird es auch möglich sein, behördliche Dokumente wie Zeugnisse oder etwa Frühwarnungen digital zuzustellen und abzurufen.

Natürlich gab es schon bisher in vielen Bereichen eine digitale Schulverwaltung, aber wir werden da noch mehr an Maßnahmen brauchen, und ich bin auch sehr


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gerne bereit, in diesem Bereich gerade auch mit den Ländern zusammen­zuarbeiten.

Sie müssen mir aber erlauben, dass ich an dieser Stelle auch darauf hinweise, dass es, wenn es um die Vereinheitlichung der Software geht, ein einziges Bundesland gibt, das eine eigenständige Verwaltungssoftware hat, die es im Rest von Österreich nicht gibt – und das ist genau das Land, in dem Sie (in Richtung NEOS) die Regierungsverantwortung haben, das ist genau das Land, das sich noch nicht dem allgemeinen Trend der Digitalisierung und der Verwaltungsver­einfachung angeschlossen hat. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Taschner: Hört! Hört! – Zwischenrufe bei den NEOS.)

Wir sind also in all diesen Bereichen, wie Sie sehen, sehr aktiv. Wir konnten bereits zahlreiche Initiativen setzen und Maßnahmen in Gang bringen, und ich kann Ihnen versichern, wir werden es bei diesen Maßnahmen keinesfalls belassen. Wir sind weiterhin entschlossen, den eingeschlagenen Weg zur Ent­lastung der Pädagoginnen und Pädagogen gemeinsam mit diesen Personen zu gehen.

Ich darf am Schluss allen Schülerinnen und Schülern, allen Personen, die im gesamten Bildungsbereich tätig sind, schöne Ferien wünschen, sie haben es sich redlich verdient. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

15.28


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Künsberg Sarre. – Bitte. (Abg. Meinl-Reisinger: Eh alles super!)


15.28.20

Abgeordnete Mag. Martina Künsberg Sarre (NEOS): Herr Präsident! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wo stehen wir denn im Bildungssystem? – Wir beginnen einmal bei Pisa: Seit 20 Jahren sind wir im


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Mittelfeld, Durchschnitt. Wir buttern zwar wie die Weltmeister Geld hinein, aber der Output ist maximal die Mittelmäßigkeit.

Bei der Pirls-Studie, der Lesestudie – vor Kurzem wieder herausgekommen –, sind wir bei den Punkten auch wieder zurückgefallen.

Digitale Grundbildung: Sie haben vorhin schon angesprochen, wie toll sich die Schulen seit Corona in dieser Hinsicht entwickelt haben. Es gab jetzt gerade eine Umfrage unter 800 Lehrerinnen und Lehrern, wie sie selbst ihre digitalen Kompetenzen einschätzen. Dabei ist herausgekommen: Zwischen Befriedigend und Nicht genügend würden sich die Lehrerinnen und Lehrer selbst ein­schät­zen. – Also nicht besonders berauschend, würde ich sagen. (Beifall bei den NEOS.)

Die Mega Bildungsstiftung hat Schülerinnen und Schüler, Eltern, Lehrer befragt: Das Schulsystem wird mit Befriedigend, also mittelmäßig, bewertet.

Es gibt 300 Unilehrer, die Ihnen vor Kurzem einen Brief geschrieben haben und sich gegen die von Ihnen angedachte Reform des Lehramtsstudiums ausgesprochen haben, sie sagen, dass das überhaupt nichts am Lehrermangel ändern wird.

Ich frage mich: Wie viele Erhebungen, wie viele Studien, wie viele Berichte aus der Praxis wollen Sie eigentlich noch durchtauchen, bis Sie irgendwann irgendwo tätig werden? (Beifall bei den NEOS.)

Wie viele Bildungsabbrecher müssen noch rauskommen, wie viele Jugendliche, die nicht sinnerfassend lesen können, soll die Schule noch ausspucken und wie viele Lehrerinnen und Lehrer sollen entnervt das Handtuch werfen, bis Sie verstehen und zur Kenntnis nehmen, dass sich nicht nur bei kleinen Schrauben im Bildungssystem etwas verändern muss, sondern dass wir wirklich Grund­legendes verändern müssen, grundlegende bildungspolitische Reformen einlei­ten müssen?


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Wir haben selbst eine Umfrage gemacht und 700 Lehrerinnen und Lehrer haben mitgemacht. Beate Meinl-Reisinger, unsere Klubobfrau, hat bereits darüber gesprochen und ein paar Ergebnisse erwähnt. Was herausgekommen ist und was man nicht oft genug erwähnen kann, ist: Bürokratie, Bürokratie, Bürokratie, wohin das Auge reicht. Neun von zehn Befragten wünschen sich, dass etwas verändert wird, um den Arbeitsalltag zu erleichtern. Auf die Frage, ob es Tätig­kei­ten gibt, die viel Zeit in Anspruch nehmen, aber wenig Nutzen haben, sagen auch 90 Prozent Ja, nämlich: Noten da und dort eintragen, Anwesenheit doppelt eintragen, doppelte und dreifache Bearbeitung von irgendwelchen Verwaltungs­listen, unnötige wöchentliche Statistiken, auch Leermeldungen sind dabei.

Das saugen sich die Lehrerinnen und Lehrer doch nicht einfach aus den Fingern. Es ist ja nicht so, dass sie dort sitzen und irgendetwas hinschreiben, damit sie etwas antworten. 80 Prozent der Lehrerinnen und Lehrer sagen, unsere Schul­verwaltung ist ineffizient, aufgebläht und schwerfällig. Sogar Ihr Partei­freund Paul Kimberger beziehungsweise die Pflichtschullehrergewerkschaft hat gestern Folgendes veröffentlicht – es ist leider zu wenig Zeit, um den ganzen Brief vorzulesen –: „die Flut an praxisuntauglichen Reformen und nicht evaluierten pädagogischen Innovationen stoppen [...] den sonderpädagogischen Förderbe­darf mit all seinen Facetten an die realen schulischen Notwendigkeiten anpassen [...] Verwaltung und Bürokratie auf das unbedingt Notwendige reduzieren“.

Der besonders schöne Satz ist – das schreibt die Lehrergewerkschaft! –: „Moderne Bildungssysteme stellen besonders hohe Anforderungen an alle im System befindlichen Pädagoginnen und Pädagogen. [...] In Österreich scheint man das noch nicht ausreichend erkannt zu haben.“ (Beifall bei den NEOS sowie Heiterkeit der Abg. Meinl-Reisinger.)

Ich frage – es gibt so viel Evidenz, es gibt so viele Berichte aus der Praxis, und Sie sitzen hier, stoisch nach vorne blickend, als ob Sie das nichts angehen würde (Abg. Salzmann: Wo soll er denn hinschauen?) –: Worauf warten Sie denn? Setzen Sie doch endlich auf Vertrauen statt Kontrolle, und nicht immer nur


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auf: Vertrauen ist gut, aber Kontrolle ist viel besser!, so wie es die ÖVP immer macht. (Beifall bei den NEOS.)

Geben Sie den Schulen Autonomie! Vertrauen Sie den Direktorinnen und Direk­toren, den Lehrerinnen und Lehrern, dass diese selber Entscheidungen treffen können, was an ihren Schulstandorten gut ist! Das können die, glauben Sie mir das. Sie haben selber auch einige Lehrerinnen und Lehrer in Ihren Reihen, die werden das ja hoffentlich bestätigen.

Zweitens: Befreien Sie die Schulen von unnötiger Bürokratie! Machen Sie die Schulen digital und userfreundlich, auch für die Lehrkräfte! Sie haben gerade gesagt, es gibt ein einheitliches Schulverwaltungssystem. Nein, da machen auch mehrere andere Bundesländer nicht mit: Steiermark, Oberösterreich, die haben auch eigene. Das ist doch ein finanzieller Wahnsinn und ein bürokratischer Nonsens, dass in einem kleinen Land wie Österreich verschiedene Schulverwal­tungs­systeme im Umlauf sind. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Salzmann: Nur in Wien! Nur Wien ist anders!)

Ermöglichen Sie (Abg. Salzmann: Martina, nur Wien hat ein anderes!), dass endlich jeder für das eingesetzt wird, wofür er oder sie ausgebildet ist. Ein Lehrer wollte Lehrer werden – er wollte nicht Schulsozialarbeiter werden, er wollte auch nicht Schulpsychologe und auch nicht Verwaltungskraft werden. All das aber müssen Lehrerinnen und Lehrer heute in den meisten Fällen machen, weil Sie in den letzten Jahrzehnten einfach nur weggeschaut haben (Abg. Salzmann – in Richtung SPÖ weisend –: Jahrzehnte? Die sind aber da drüben, gell, die Jahrzehnte!) und gedacht haben, die tauchen da schon durch. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Salzmann: Die Jahrzehnte sind da drüben!)

Weil da auch die Personalvertreter sitzen: Machen Sie die Schule endlich für Kinder und Jugendliche (Abg. Salzmann: Die Jahrzehnte sind da drüben, Martina, du weißt es!) – und nicht für die ÖVP oder den ÖAAB. Dafür ist die Schule nicht gemacht. (Abg. Meinl-Reisinger: Bravo!) Das hat sich vielleicht noch nicht herum­gesprochen. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Wöginger: Was ist das für ein Blödsinn?


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Kandidiert halt einmal bei der Personalvertretungswahl! – Abg. Salzmann: Vielleicht haben sie keine Stimmen! – Abg. Wöginger: Das war ein Witz!)

Stellen Sie sich doch, Herr Minister, bei jeder Maßnahme, die Sie setzen, die Frage: Ist das gut für die Kinder? – Wenn Sie es nicht eindeutig mit Ja beantwor­ten können, dann lassen Sie es! Dann lassen Sie es einfach weg, denn dann ist es nicht für die Kinder! (Beifall bei den NEOS. – Abg. Salzmann: Jetzt seid ihr zuerst ... mit der Gewerkschaft und dann dagegen! Was wollt ihr eigentlich? Seid ihr jetzt für die Lehrer oder gegen die Lehrer? Wofür seid ihr jetzt? Wofür seid ihr? Für die Lehrer oder gegen die Lehrer? Sagt es! Seid ihr für die Lehrer oder gegen die Lehrer? Das ist die Frage!)

Wir wissen, dass Sie nicht allein verantwortlich sind für all das, was wir jetzt im Bildungsbereich zu reformieren hätten. Dafür sind nicht Sie allein verantwortlich, sondern dafür sind Ihre Vorgänger und Vorgängerinnen von SPÖ und ÖVP verantwortlich, die in den letzten Jahrzehnten einfach nur ideologische Macht­kämpfe im Bildungsbereich betrieben haben und den Blick auf die Kinder und Jugendlichen total verloren haben und da überhaupt nichts für die gemacht haben. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Wöginger: Nur schlechtreden! – Abg. Salzmann: Gut, dass es in Wien anders ist! In Wien ist alles viel besser offen­sicht­lich!)

Wofür Sie aber verantwortlich sind: Sie sind jetzt für die Bildungspolitik ver­antwortlich. Die Zukunft von vielen Kindern hängt von Ihrem Tun, von dem, was Sie jetzt machen, ab. Für ganz, ganz viele Kinder zeigt sich jetzt, ob sie eine Chance bekommen, ein selbstbestimmtes Leben führen zu können, oder nicht. Das hängt von Ihren Maßnahmen ab, die Sie setzen.

Ganz ehrlich: Trauen Sie sich einfach! Trauen Sie sich etwas zu! Wir helfen Ihnen auch gerne. Die Politik ist kein Ponyhof – vielleicht haben Sie das gedacht, bevor Sie von der Uni gekommen sind, dass das so ist. Man schneidet nicht nur rote


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Bändchen durch und eröffnet nicht nur irgendwelche neuen – vielleicht energie­effizienten – Schulgebäude. Ihr Vorgänger war zwar auch nicht der große Visionär, aber er hatte zumindest eine Meinung. – Danke. (Beifall bei den NEOS.)

15.36


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Deckenbacher. – Bitte. (Abg. Scherak: Jetzt kommt die Lehrergewerkschaft, die sagt uns, wie’s geht! – Abg. Loacker: Die Fraktion Christlicher Gewerkschafter, Jessas Maria! – Ruf: Aber Herr Loacker!)


15.36.46

Abgeordnete Mag. Romana Deckenbacher (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Ja, Schule muss ein Ort sein, wo man gerne hingeht, wo Schülerinnen und Schüler gerne lernen und Lehrerinnen und Lehrer auch gerne arbeiten. Da gebe ich Ihnen völlig recht. (Abg. Scherak: Aber es ist nicht so!)

Ich gebe Ihnen auch recht, wenn Sie sagen, es muss auch darum gehen, dass man Bürokratieprobleme in den Griff bekommt (Abg. Seidl: Aber wer hat das aufgetürmt?), aber in dieser Diskussion stellen wir jetzt eines einmal ganz klar fest: Man prüfe einmal die Zuständigkeit, und dann ist auch klar, dass es viele Punkte gibt, die hier gefordert werden, für die der Herr Minister und das Ministerium nicht zuständig sind. (Ruf bei den NEOS: Oje!) Die Zuständigkeiten fallen unter anderem auch in die Länder beziehungsweise in die Bildungs­direktionen. (Abg. Stöger: Für die ist aber der Minister zuständig, Entschuldigung! Das ist Bundesrecht!)

Da sind wir jetzt bei jenem Bundesland, nämlich Wien, in dem Herr Wiederkehr von den NEOS als Bildungsstadtrat da selbstverständlich in der Ver­antwortung steht! Ich frage Sie jetzt nicht, Frau Klubobfrau: Warum ist Herr Wiederkehr Bildungsstadtrat? – Ich habe keine Antwort darauf. (Beifall bei der ÖVP.)


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Wien hat ganz klar ein Problem, was das Personal betrifft. Da stelle ich mir auch die Frage: Wenn in Wien im Prinzip fast täglich ein Lehrer seinen Dienst quittiert oder das Dienstverhältnis auflöst, wie attraktiv ist es dann, in Wien zu unterrichten? (Abg. Leichtfried: Fällt irgendwem von der ÖVP einmal auf, dass das der Nationalrat und nicht der Landtag ist?)

Lehrerinnen und Lehrer, die in einem Grenzbezirk leben, wechseln das Bundes­land, hören überhaupt auf zu unterrichten, gehen nach Niederöster­reich – und dann behauptet bitte Wien, der Herr Bildungsstadtrat von den NEOS, doch tatsächlich, es gibt kein Abwanderungsproblem, es gibt keine Tendenz dahin gehend, dass Wien keine Lehrer hat?! Das kann doch nicht sein ernst sein! Worauf wartet denn der Herr Bildungsstadtrat noch? Was tut er denn, um seine Lehrerinnen und Lehrer in Wien zu halten? (Ruf bei der ÖVP: Ich glaube, der Schuss geht nach hinten los, Frau Meinl-Reisinger!)

Wie attraktiv ist das Unterrichten in Wien? Er kann Anreize setzen (Abg. Krisper: Er appelliert an den Minister!), die gefordert wurden. Vieles wurde gefordert (Abg. Meinl-Reisinger: Er macht doch unglaublich viel! Ein Stipendium zum Beispiel jetzt ...!): Parkmöglichkeiten, Wohnungen, Klimaticket. – Es gab keine Anreize in Wien, die dafür gesorgt haben, dass Lehrerinnen und Lehrer dort unterrichten wollen.

Offensichtlich ist da der eine oder andere Herr überfordert. (Ruf: Bei der ÖVP ...! – Lebhafte Heiterkeit und Beifall des Abg. Loacker. – Ruf bei der ÖVP: Der Wiederkehr!)

Vielleicht sollte man auch einmal einen Blick in die Bildungsdirektion werfen. Eine Junglehrerin hat mir berichtet (Abg. Leichtfried: Herr Präsident, das ist nicht der Gemeinderat hier!), dass Junglehrerinnen aus Niederösterreich (Ruf bei den NEOS: In Niederösterreich ist es ja so cool!) nach Wien gewechselt haben (Abg. Krisper: Warum? Vielleicht sind sie weggezogen!), und ich sage Ihnen: Es hat Monate gedauert, bis die Gehaltsverrechnung überhaupt funktioniert hat. Diese junge Lehrerin hat über Monate kein Gehalt gehabt! – Das wollen Sie? – Das


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glaube ich nicht. Es liegt in der Hand des Herrn Bildungsstadtrates. (Abg. Seidl: Bitte reden Sie über Bundespolitik!) Es berichten viele Lehrerinnen und Lehrer davon, dass sie Wochen nach dem Schulanfang noch keinen Dienstvertrag bekommen haben. Auch das liegt in der Hand von Wien. (Abg. Leichtfried: Kön­nen Sie nicht einmal zur Sache reden?)

Die NEOS sprechen im Antrag von der Abschaffung der Bildungsdirektionen. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Das zeigt entweder Ihr fehlendes Verständnis vom österreichischen Bildungssystem oder es geht hier um reinen Populismus (Beifall bei der ÖVP – Zwischenruf des Abg. Einwallner), denn Sie haben es in der Hand, in der Bildungsdirektion auch eine Servicestelle einzurichten. (Abg. Leichtfried: Das sagt eine, die nur von Wien redet!)

Ich bin natürlich auch bei Ihnen, dass überbordende Dokumentationen die Qualität des Unterrichts sicher nicht steigern werden. Jede zusätzliche Dokumenta­tionspflicht führt selbstverständlich zu einer weiteren Belastung. Sie selbst aber haben sich im Ausschuss darüber beschwert, dass nicht detailliert genug erhoben wird, wie die Schulen die Autonomie nutzen. – Na, was jetzt? Nehmen Sie sich doch bitte selbst einmal ernst! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Wöginger: Noch eine Statistik ...! – Abg. Meinl-Reisinger: Sie haben eine Steuerungsfunktion im Ministerium, das ist doch kein Blindflug!)

Sie sprechen von personeller und finanzieller Autonomie, und ich möchte Ihnen an dieser Stelle sagen – vielleicht haben Sie es verpasst –: Jede Schule kann sich ihr Personal aussuchen. Oder wollen Sie das nächste Verwaltungs­monster schaffen? Gibt es dann für jede Lehrkraft einen eigenen Vertrag, ein eigenes Gehalt? Ich als Gewerkschafterin sage Ihnen: sicher nicht! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Meinl-Reisinger: Das ist es, Sie wollen keine Autonomie! Dann sagen Sie es doch! Dann haben Sie nämlich weniger Macht und Kontrolle! – Abg. Wöginger: Dienstrecht hat doch mit der Autonomie nichts zu tun!)

Wer verrechnet dann die Kosten an den Schulen? Wer führt rechtliche Verfahren? Kolleginnen und Kollegen, sollen das wieder die Schulleitungen


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übernehmen – ernsthaft? Ist das Ihre Art von Entlastung? (Abg. Stöger: Zu was für einem Thema spricht ...? – Heiterkeit bei den NEOS.)

Weiters sprechen Sie davon, dass Bund und Länder sich auf ein Schulverwal­tungssystem einigen sollen. –Ja, bitte, fangen wir in Wien an! Wir haben es schon gehört: Das einzige Bundesland, das es nicht hat, ist Wien. (Abg. Meinl-Reisinger: ... ein Schulverwaltungssystem für alle anderen Schulen ...!) Wien hat Vision – die fehlt aber Wien offensichtlich. (Beifall bei der ÖVP.)

Das digitale System, wir haben auch viele positive Beispiele: Wir haben den digitalen Schulausweis, wir haben Bots, wir haben auch Digitalisierungs­initia­tiven, und da sollen natürlich auch weitere wichtige Schritte gesetzt werden. Es gibt Entlastungen: psychosoziales und administratives Entlastungs­personal, flächendeckend, erstmals an den Pflichtschulen. Jedes Bundesland hätte das vorher auch machen können, es ist aber nicht passiert, erst auf Initiative des Bundes ist es passiert.

Im Finanzausgleich ist auch die Finanzierung verankert. Das heißt, es gibt da keine Ausreden seitens der Länder.

Auch die Schulpsychologie, haben wir gehört, wurde um 20 Prozent aufgestockt. Ich sage hier auch als Gewerkschafterin ganz klar: Ich stehe selbstverständlich an der Seite der Kolleginnen und Kollegen, der Schulleiterinnen und Schulleiter, die nämlich täglich einfach Großartiges für unsere Kinder und für unsere Jugend­lichen leisten. (Zwischenruf der Abg. Seidl.) Sie haben die besten Arbeitsbedin­gun­gen verdient. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Meinl-Reisinger: Dann schaffen Sie sie!)

Der Herr Bundesminister hat heute in der Fragestunde schon eines gesagt: Er wird mit der Interessenvertretung weiter zusammenarbeiten. (Zwischenruf des Abg. Loacker.) Ich vertraue ihm – ich nehme Sie beim Wort, Herr Minister, dass das auch weiterhin geschehen wird. Denn wir alle sind aufgefordert (Zwischenruf der Abg. Seidl), wir alle in den unterschiedlichsten Parteien mit den Zuständig­keiten in den Ländern, aber auch im Bund. (Abg. Meinl-Reisinger: ... Personal... ist


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ja kein Tinderdate zwischen Gewerkschaft und Minister!) Überall dort, wo wir Verantwortung tragen, ist es wichtig, auch gemeinsam zu arbeiten, nämlich dafür zu sorgen, dass in den Schulen wieder die Zeit für das Wesentliche gegeben ist, dass Lehrerinnen und Lehrer wieder auf ihre pädagogischen Kernaufgaben schauen dürfen. (Abg. Scherak: Dann fangt an nach 36 Jahren in der Bundesregie­rung!)

Das ist unser Ziel, und gemeinsam, meine Kolleginnen und Kollegen, werden wir das auch schaffen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Leichtfried: Kann irgendwer der ÖVP erklären, dass das nicht der Wiener Gemeinderat ist hier?)

15.43


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Tanzler. – Bitte.


15.43.48

Abgeordnete Petra Tanzler (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Herr Minister, ich habe Ihnen bei Ihrer Rede vorhin aufmerksam zugehört, Sie haben über Tun und Maßnahmen gesprochen, nur leider sieht man nichts, und vor allem ist das Tempo zu langsam. (Beifall bei der SPÖ.)

Frau Kollegin Deckenbacher, ich verstehe schon: Sie kommen hier heraus und wollen alles schönreden, aber es hilft nichts, denn die Tatsachen schreien einfach wirklich laut.

Ich möchte auch fortsetzen, was ich vorhin begonnen habe: Herr Minister und die Regierungsparteien, sind Sie sich eigentlich dessen bewusst, dass alles, was Sie entscheiden oder auch nicht umsetzen, im Endeffekt auf Kosten der nächsten Generation geht? Kinder haben ein Recht auf Bildung, auf die beste Bildung. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)


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Die jetzige Situation ist hausgemacht, sie ist die Folge von keinen oder von falschen Entscheidungen, und die Entscheidungen, die getroffen worden sind, sind allesamt weder sinnvoll noch wirksam.

Das ist aber auch kein Wunder. Ich darf an meine Rede im Herbst 2022 zum Budget für dieses Jahr erinnern: Das Budget 2023 habe ich als Stillstandsbudget bezeichnet, und ab 2024 ist es ein Budget, das weit unter der Inflation ist. Es ist kein Fortschritt möglich, das sieht man jetzt. Das haben Sie damals bestritten, aber jetzt haben wir diesen Zustand. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte noch einmal die GÖD-Resolution zitieren, in der steht: Es gibt eine „Flut an praxisuntauglichen Reformen und nicht evaluierten pädagogischen Innovationen“. – Damit sind wahrscheinlich die Deutschförderklassen, die Mika-D-Tests, die Sommerschule und so weiter gemeint.

Ich kann nur immer wiederholen, was ich seit Jahren und vermutlich in jeder Rede angeführt habe: Wir brauchen Ziele und wir brauchen Lösungen – mittel­fristige, kurzfristige, langfristige. Die kurzfristigen wären, dass Sie sofort eine echte Entlastung des Personals veranlassen, dass es sich wieder um den eigentlichen Bildungsauftrag kümmern kann, dass die Deutschförderklassen auf eine gute und sinnvolle Deutschförderung umgestellt werden, dass die Sommerschulen ausgebaut werden, um auch sinnvolle Angebote zum Beispiel für die Vorbereitung auf Nachprüfungen anzubieten, und dass es Gratis­nachhilfe für das ganze Jahr gibt. – Das wären jetzt kurzfristige Maßnahmen. (Zwischenruf des Abg. Lopatka.)

Mittel- und langfristig brauchen wir aber – und da brauchen wir nicht herumzu­reden – ganztägige, verschränkte, inklusive Schulen, die den Bildungsauftrag wirklich erfüllen können. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Künsberg Sarre und Meinl-Reisinger.)

Wenn man sich die nordischen Länder – wir haben das heute schon mehrfach gehört – oder auch rot geführte Bundesländer in Österreich ansieht – so weit


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brauchen wir gar nicht zu schauen –, dann sehen wir, dass diese im Ranking ganz weit voran liegen – beim Ausbau und auch beim Schulbesuch: wie viele Kinder dort diese Schulen besuchen. Ganz weit voran liegt Wien, dann kommt das Burgenland, dann Kärnten, und alle ÖVP-geführten Bundesländer sind weit abgeschlagen dahinter. Sie haben in Ihrem Bereich noch viel zu tun, um das einmal anzuheben. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ganztagsschulen bürgen für Erfolg ohne Spaltung der Gesellschaft, jedes Kind bekommt dort, was es braucht, egal woher es kommt und welche Muttersprache es spricht. Ein flächendeckender Ausbau wäre einmal ein echter Erfolg für unser Land – inklusive des AK-Chancen-Index, mit dem viele Probleme auf einen Schlag gelöst wären.

Herr Minister, es braucht dafür Geld, und ich hoffe, dass Sie sich im Herbst beim nächsten Budget, das jetzt kommt, dafür einsetzen werden, dass endlich etwas in diese Richtung weitergeht, denn die Kinder und Jugendlichen haben sich das wirklich verdient. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir wollen Bildungseinrichtungen, in die Kinder ohne Schultasche hineingehen und aus denen sie ohne Hausübung und Nachhilfe wieder herauskommen, aber dazu braucht es halt auch eine Veränderung des Systems und vor allem Investitionen in die richtigen Maßnahmen.

Ich schäme mich eigentlich dafür, wie mit dem System umgegangen wird, wie mit den Pädagoginnen und Pädagogen und vor allem mit den Kindern und Jugendlichen umgegangen wird. Seit 2018 bewegen wir uns steil nach unten. Österreich hat sich ein modernes Bildungssystem verdient. Das hätten wir aber bereits – es wurde heute angesprochen, dass alle Minister vor Ihnen schlechte Entscheidungen getroffen haben, ich darf aber bitte daran erinnern, denn ich habe mich auch erkundigt, woran das lag –: Wenn die ÖVP vor zehn Jahren den Reformplänen zugestimmt hätte, dann hätten wir diese verschränkten Ganz­tagsschulen bereits, dann müssten wir jetzt nicht darüber reden, Frau Kollegin! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Salzmann: Wir wollen sie ja nicht! Wir wollen ja


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Wahlfreiheit! – Abg. Wöginger: Wir wollen sie aber nicht! – Abg. Salzmann: Wir wollen Wahlfreiheit und keine Zwangsschule!)

Wenn die Leute außerhalb dieses Hauses wüssten, wie unwichtig Ihnen Bildung ist, würden sie Sie nicht mehr wählen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Wöginger: Die wollen wir nicht! – Abg. Salzmann: Wir stellen es den Eltern frei – das ist es! – Abg. Wöginger: Verschränkter Unterricht! Zwangsunterricht! Kommunis­mus! – Abg. Salzmann: Unsere Eltern wissen schon selbst, was sie wollen!)

Der Dringliche Antrag der NEOS ist wichtig und richtig, und auch wir sind der Meinung, dass die Schulen mehr Autonomie brauchen. Es muss jedoch unbe­dingt sichergestellt werden, dass sie in der Verwaltung und in der Adminis­tration entlastet werden, und ich sehe die Gefahr, dass mit der Abschaffung der Bildungsdirektionen noch mehr Verwaltung auf die Schulen übertragen wird. (Abg. Wöginger: Kinder bis um vier einsperren, das ist euer Zugang! Ein Wahnsinn! Die gehen bei uns auf den Sportplatz, und nicht eingesperrt lassen! – Abg. Holzleitner: Das ist doch nicht Einsperren! Die tägliche Turnstunde würde niemanden einsperren! – Abg. Meinl-Reisinger: Also Maria-Theresia war eine Kom­mu­nistin, oder wie? – Abg. Wöginger: Nein, war sie nicht! Aber die hat auch Kinder nicht eingesperrt!) Da brauchen wir noch mehr Besprechungen und mehr Informationen. Diesem Antrag werden wir jetzt nicht zustimmen, denn die Bildungsdirektionen werden wir im Moment noch brauchen. (Beifall bei Abgeord­neten der SPÖ. – Abg. Krainer: Bitte die Zwischenrufe vom Kollegen Wöginger mitschreiben!)

Wir wollen Lehrer, die wieder mehr Zeit für die Schülerinnen und Schüler haben, wir wollen Schulleiter, die wieder Zeit für pädagogische Konzepte haben – das, wofür sie eigentlich ausgebildet wurden und was ihre Aufgaben sind (Abg. Wöginger: Kommunismus ist das! Purer Kommunismus!) –, eine Schule, die Freude am Lernen vermittelt und die die Kinder gerne besuchen, denn Freude wirkt sich positiv auf den Lerneffekt aus – das sollten Sie vielleicht auch wissen.


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Zum Schluss meiner heutigen Rede zum Bildungsbereich: Ich wünsche allen Kindergartenkindern, allen Schülerinnen und Schülern, allen Studierenden, Pädagoginnen und Pädagogen und natürlich auch Leiterinnen und Leitern erholsame Ferientage. Ich bedanke mich bei allen Kolleginnen und Kollegen in allen Bereichen für ihren Einsatz unter wirklich schwierigen Bedingungen, meist über das geforderte Maß hinaus – sonst wäre dieses System schon gekippt, Herr Minister. Allein ihnen ist zu verdanken, dass es funktioniert. Ich werde mich weiterhin bemühen und dafür einsetzen, dass sich da etwas bewegt und das verbessert wird. – Danke. (Anhaltender Beifall bei der SPÖ. – Abg. Lopatka: Mein Gott! – Abg. Meinl-Reisinger: Sie hat überhaupt nichts zur Schulautonomie gesagt! ... SPÖ ...!)

15.49


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Brückl. – Bitte.


15.50.01

Abgeordneter Hermann Brückl, MA (FPÖ): Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Herr Bundesminister, Sie haben in Ihrer Rede der Opposition unterstellt, die Kritik richte sich gegen die Lehrer und auch gegen die Schulen. Das weise ich ganz entschieden zurück, denn die Kritik geht hier ganz eindeutig gegen Sie. (Abg. Matznetter: Der Fisch stinkt vom Kopfe her, sagt ...!)

Es ist auch eine ganz schlechte Strategie, eine ganz, ganz schlechte Strategie der ÖVP, wenn sie sich hier auf die Verantwortlichkeit beruft. (Abg. Salzmann: Das sind rechtliche Tatsachen, und das war’s!) Herr Bundesminister, die zentrale Frage in unserem Bildungssystem lautet – und die hätten Sie sich bei Ihrem Amtsantritt vor eineinhalb Jahren ja stellen müssen –: Was muss Schule leisten? Was muss Schule leisten und wie kann man das, was man da erwartet, umsetzen? Wie kann man die Ziele, die man sich setzt, erreichen, und wie kann man das auch messbar machen? Wie kann man das beurteilbar machen? Das sind die zentralen Punkte im Bildungssystem.


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Was muss eine Schule leisten, Herr Bundesminister? – Schule muss Bildung vermitteln, Schule muss Allgemeinwissen vermitteln, Schule muss selbst­ständiges Denken und kritisches Hinterfragen vermitteln, Schule muss Freude, Hoffnung und Begeisterung bei unseren Kindern wecken und Schule muss unseren Kindern auch ein Lachen ins Gesicht zaubern, damit sie gerne in die Schule gehen. Das setzt aber natürlich auch voraus, dass Schülerinnen und Schüler die Grundlagen unserer Sprache beherrschen und dass sie Lesen, Rechnen und Schreiben können. Das sind die Grundlagen, die wir unseren Kindern auch vermitteln müssen und denen wir verpflichtet sind.

Ich darf in Erinnerung rufen: Die Pädagogische Hochschule Salzburg hat vor einigen Jahren bekannt gegeben, dass etwa 30 Prozent ihrer Anwärter, ihrer Bewerber – Maturanten wohlgemerkt – Probleme mit genau diesen Grundlagen haben, dass sich 30 Prozent ihrer Bewerber im Rechnen, im Schreiben und im Lesen schwertun. Ich sage Ihnen betreffend dieses Bildungssystems: Das kann doch nicht sein, dass sich heute Maturanten – also nach abgeschlossener Matura – an einer pädagogischen Hochschule bewerben und Probleme mit dem Lesen, Rechnen und Schreiben haben!

Da gibt es ganz, ganz viel, was schiefläuft. Sie gehen als jener Bundesminister in die Geschichte ein, der es zulässt, dass unsere Kinder mit woker Gesellschafts­politik indoktriniert werden. Heute sind wir in der Situation, Herr Bundes­minister, dass Sie es zulassen, dass unsere Lehrer mit Bürokratie zugeschüttet werden, dass die Schulen unter Aktenbergen und in Administration versinken. Mittlerweile droht Ihnen ja auch die Lehrergewerkschaft schon ganz offen – das muss man ja auch dazusagen – mit Streik. Die ÖVP-geführte und ÖVP-domi­nierte Gewerkschaft nämlich droht dem Herrn ÖVP-Bildungsminister mit Streik. Das kommt auch nicht alle Tage vor.

Herr Bundesminister, Sie haben in Ihrem Bereich unzählige Baustellen. Wie schreibt die Lehrergewerkschaft? – Die „Flut an praxisuntauglichen Reformen und nicht evaluierten pädagogischen Innovationen“ muss gestoppt werden.


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Herr Bundesminister, es braucht eine Reform im Lehrerdienstrecht, die ist längst überfällig. Es braucht eine Reform im Besoldungswesen und im Besoldungs­system der Lehrer, das ist längst überfällig. Es braucht eine Ausbildungsreform, Herr Bundesminister, die Sie zwar ankündigen, aber wenn man Ihnen zuhört, dann scheint das alles andere als eine Reform zu sein.

Sie sprechen von einer Verkürzung der Ausbildung. (Abg. Salzmann: Na, die kommt ja erst!) Bisher war es so: vier Jahre Bachelorstudium plus ein Jahr Master­studium, ist gleich fünf Jahre. Jetzt wird verkürzt auf drei Jahre Bachelor­studium plus zwei Jahre Masterstudium. (Abg. Salzmann: Du redest nur von der Primarstufe! Du musst die Sekundarstufe ja auch sehen!) Um es vielleicht noch einmal in Erinnerung zu rufen: vier plus eins vorher, jetzt – verkürzt – drei plus zwei. (Abg. Salzmann: Vier plus zwei und drei plus zwei, Hermann!) Das ist nicht Kabarett, sondern, ich weiß nicht, da fühle ich mich ein bissl an den SPÖ-Partei­tag erinnert, wenn es da ums Rechnen geht, das darf ich auch sagen. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Salzmann: Vier plus zwei ... drei plus zwei! Das sind halbe Wahr­heiten!)

Aber zurück zu den Baustellen, Herr Bundesminister: Was ist mit den Freizeit­pädagogen? – Riesige Baustelle. Was ist mit den Sprachproblemen an den Schulen, insbesondere im städtischen und im Wiener Bereich? Was ist mit der Aufarbeitung der Bildungsrückstände und der Bildungsverluste, die während Ihrer Coronamaßnahmen, die Sie in der Coronazeit gesetzt haben, entstanden sind? – Herr Bundesminister, da müssen Sie endlich liefern!

Aber ich weiß schon, Sie haben viel zu tun, und Sie sagen es ja auch immer wieder. Sie haben vergangene Woche in einem Interview erwähnt, dass Sie neben der Coronapandemie und dem Ukrainekrieg jetzt auch noch die enorme Inflation zu managen haben. – Respekt, kann ich da nur sagen, wirklich Respekt!

Der „Standard“ schreibt dazu – und das möchte ich Ihnen nicht vorenthalten –: „Um die Hilfslosigkeit zu verbergen, zu welcher sich Politiker durch die Ungunst


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der Umstände öfters verurteilt sehen, weichen sie gerne in die Hybris aus. Ein schönes Beispiel: Bildungsminister Polaschek präsentierte sich als Born der Verantwortung und der Tatkraft, indem er darauf hinwies, er sei der erste Bil­dungsminister, der eine Pandemie, einen Krieg in Europa und eine enorme Inflation ‚managen‘ musste.“ (Heiterkeit der Abg. Meinl-Reisinger.) – Den Rest des Artikels erspare ich Ihnen jetzt, denn damit ist ja im Grunde alles gesagt. (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Bundesminister, Sie haben auch vergangene Woche in einem Interview gemeint: Derzeit sind Lehrer wohl Mangelware, trotzdem sollte es sich im Herbst ausgehen. – Zitatende.

Herr Bundesminister, seien Sie mir nicht böse, aber Bildungsminister zu sein ist kein Lotteriespiel! Darauf läuft es aber hinaus, wenn Sie nicht einmal einen reibungslosen Schulstart im Herbst, wenn Sie nicht einen reibungslosen Unter­richt im Herbst garantieren können. Das ist Ihre Verantwortung, Herr Bun­desminister, Sie müssen da ganz einfach endlich liefern! Sie müssen dafür sorgen, dass diese Garantien da sind. Das ist Ihre Verantwortung. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

Es kann nicht sein, dass Sie hier antworten: Das wird schon werden, das werden wir schon sehen, das wird sich alles ausgehen!

Herr Bundesminister, der Lehrermangel ist kein schwarzer Schwan, der heute plötzlich erschienen ist, denn der ist nicht überraschend gekommen. Als vor mehr als zehn Jahren das System der Ausbildung umgestellt wurde – wie ich bereits gesagt habe: auf vier Jahre Bachelorstudium plus ein Jahr Masterstudium (Abg. Salzmann: Das ist die halbe Wahrheit! Das ist nur Primarstufe, Hermann!), Stichwort Bolognaprozess –, gleichzeitig aber auch der Verwaltungsaufwand im Bereich der Lehrer und der Schulverwaltung immer größer geworden ist (Abg. Salzmann: Sekundarstufe musst du auch dazusagen! Halbe Wahrheit!), hat sich vor vielen, vielen Jahren abgezeichnet, dass dieser Lehrermangel eintreten wird. Wir haben das vor vielen Jahren auch schon immer wieder gesagt. (Abg. Salzmann: Ihr


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habts aber auch schon viel gesagt! Ich sage nur: Corona!) Da war, glaube ich, Ihr Vorgänger noch nicht einmal im Amt, als wir das schon hervorgehoben und gesagt haben.

Herr Bundesminister, Sie müssen hier etwas tun, Sie müssen einfach liefern, Sie müssen handeln! Dass Sie diesen Lehrermangel und diese Lücken jetzt – und mittlerweile schon seit zwei, drei Jahren – mit Lehramtsstudenten und mit pensionierten Pädagogen zu schließen versuchen, das ist doch keine Lösung, das kann doch keine Dauerlösung sein. Dass Sie jetzt auch noch die Freizeitpäda­gogen als billige Aushilfslehrer in die Klassenzimmer holen wollen, das setzt dem Ganzen die Krone auf: schlechter, viel schlechter ausgebildet, dann auch noch schlechter bezahlt als vorher. Herr Bundesminister, Sie müssen handeln, Sie müssen ins Tun kommen! (Beifall bei FPÖ und NEOS.)

Herr Bundesminister, es gibt viele Schrauben, an denen Sie drehen können. Die erste Schraube ist die Ausbildungsschraube, darüber habe ich schon kurz gesprochen. Es ist ganz klar, Sie müssen die Ausbildung bei den Lehrern zumin­dest im Primarbereich auf drei Jahre verkürzen. Das muss reichen. Das war früher so und das sollte auch heute ausreichend sein. Man kann gerne den freiwilligen Master draufsetzen, da können Sie dann auch Anreize schaffen, vielleicht als Voraussetzung für einen Direktorposten oder bessere Bezahlung, mag alles sein.

Sie müssen an der Dienstrechtsschraube drehen, an der Besoldungsschraube drehen. Nur dann, wenn Sie die Lehrer entsprechend bezahlen, attraktivieren Sie damit auch dieses Berufsfeld. Auch das gehört dazu, und eine Werbekampagne wird dieses Problem ganz, ganz bestimmt nicht lösen.

Die dritte Schraube, Herr Bundesminister – und das wurde ja heute auch schon erwähnt –: Reißen Sie endlich diese riesigen Bürokratiehürden für die Lehrer, für die Direktoren, aber auch für die Eltern und Schüler nieder! Und da fangen Sie am besten bei den Bildungsdirektionen an: Machen Sie Servicestellen daraus! Stellen Sie da, auch was die Verwaltung betrifft, die Kinder in den Mittelpunkt,


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aber machen Sie Servicestellen daraus und reformieren Sie das System dieser sogenannten Qualitätsmanager! Es kann nicht sein, Herr Bundesminister, dass ausgebildete Sonderpädagogen als Qualitätsmanager eingesetzt werden und dann für höhere technische Lehranstalten zuständig sind. Es kann nicht sein, dass die ausgebildete Volksschullehrerin dann plötzlich als Qualitätsmanagerin für Handelsakademien, für Handelsschulen und so weiter zuständig ist. Das ist aber die Realität.

Das ist die Realität, und das liegt daran – und da bin ich schon bei den NEOS –, dass Sie diese Bildungsdirektionen verpolitisiert haben. Wer heute in einer Bildungsdirektion arbeiten will, der muss ganz einfach bei der Fraktion Christ­licher Gewerkschafter sein; sonst kommt man dort nicht hin und sonst wird man dort auch kein Qualitätsmanager werden und sein. (Abg. Salzmann: Das ist ein Blödsinn, das stimmt ja gar nicht! Hermann, du weißt, dass das nicht stimmt! Das ist die Unwahrheit!) Genau so sieht die Realität aus. Sie haben dieses System völlig verpolitisiert.

Herr Bundesminister, kommen Sie ins Tun, kommen Sie in die Umsetzung! Ihre Performance als Minister ist eine denkbar schlechte, sie wird nur noch von der Performance dieser Bundesregierung übertroffen. Herr Bundesminister, liefern Sie, handeln Sie, tun Sie! (Beifall bei der FPÖ.)

16.00


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Hamann. – Bitte sehr.


16.00.20

Abgeordnete Mag. Sibylle Hamann (Grüne): Liebe Kolleginnen und Kollegen! Speziell liebe Kolleg:innen von den NEOS! Zu diesem Antrag und zur Diagnose in diesem Antrag, der ich über weite Strecken zustimmen kann: Ja, wir haben ein kompliziertes Schulsystem. Wir haben Doppelgleisigkeiten bei den Zuständigkei­ten, wir haben einen Fleckerlteppich an Kompetenzen zwischen Bund, Ländern und Schulerhaltern, also den Gemeinden – das ist im Bildungsbereich nicht viel


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anders als im Gesundheitsbereich. Diese Struktur ist oft ineffizient und sie raubt sehr viel Kraft, nicht nur den Pädagog:innen, sondern auch den Eltern und den Kindern. Das kann man sicher besser machen.

Es fahren ja jetzt alle nach Finnland. Ihr wart dort, ich war auch dort, was habe ich dort gesehen? – Ich habe tatsächlich gesehen, was ihr in diesem Antrag auch erwähnt: eine starke Schulleitung an jedem Standort, mit weitreichenden Kompetenzen, auch mit einer weitreichenden Verantwortung. Was macht die Schulleitung? – Sie leitet dort, am jeweiligen Standort, ein multiprofessionelles Team.

Dieses Team besteht aus Profis mit ganz unterschiedlichen Expertisen und Schwerpunkten, die sie mitbringen. Das sind zum einen selbstverständlich die Pädagog:innen, aber auch viele weitere Berufsgruppen. Das sind Tutoren und Tutorinnen, wie sie dort heißen, das sind Lernbegleiter:innen, das sind Päda­gog:innen mit Schwerpunkten im Bereich Bewegung, Kreatives, das sind Psycholog:innen, das sind Leute aus der Schulsozialarbeit; überall gibt es auch eine Schoolnurse – das finde ich auch sehr interessant – und selbstverständlich gibt es auch viel administratives Unterstützungspersonal.

Diese Leute arbeiten alle in verschiedenen Rollen, mit verschiedenen Ausbildun­gen, sie arbeiten alle – das ist ganz wichtig – auf Augenhöhe, sie arbeiten in einem gemeinsamen Team, bei einem gemeinsamen Dienstgeber, und sie haben alle ein gemeinsames Ziel: dass die Kinder gut lernen und dass es ihnen in der Schule gut geht. Und ich glaube tatsächlich, mehr davon brauchen wir hier bei uns in Österreich auch. (Beifall bei den Grünen, bei Abgeordneten der NEOS sowie der Abg. Salzmann.)

Jetzt hat aber interessanterweise der Minister, der hier sitzt, genau dafür, für eine weitreichende Reform in diese Richtung, einen Reformvorschlag gemacht, den ich aus voller Überzeugung unterstütze, und ich möchte gleich ein bisschen erläutern, warum.


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Er hat die Schaffung eines neuen Berufsbildes (Abg. Meinl-Reisinger: Aber damit zerschlagen Sie ja - -!) unter dem Arbeitstitel Assistenz- und Freizeitpädagogik vorgeschlagen, ist aber natürlich auch noch offen für bessere Vorschläge. (Abg. Meinl-Reisinger: Ja!) Dieses neue Berufsbild kann verschiedenste Aufgaben im pädagogischen Bereich umfassen, einige davon habe ich vorhin am Beispiel Finnland schon aufgezählt: Da geht es um Kreativität, Bewegung, soziales Lernen, Unterstützung in der Klasse, individuelle Lernunterstützung, auch digitale Unterstützung.

Der entscheidende Punkt an diesem Reformvorschlag ist: Der Bund bietet an, alle diese Fachkräfte in den öffentlichen Dienst zu übernehmen und alle diese Fachkräfte dauerhaft staatlich zu finanzieren. Warum? – Weil all das zum staatlichen Kernauftrag von Bildung dazugehört. Im Moment werden diese Aufgaben wie wir wissen von Gemeinden, von Vereinen, von privaten GmbHs wahrgenommen. In manchen Gemeinden erfüllen sie diese Aufgaben sehr engagiert, in anderen Bereichen weniger. Und die große Chance dieser Reform würde darin liegen – das wird in der Öffentlichkeit für meinen Geschmack immer noch viel zu wenig wahrgenommen –, dass die öffentliche Finanzierung einen Turbo für den Ausbau all dieser ganztägigen Schulformen in ganz Österreich bewirken würde, auch dort, wo die Gemeinden im Moment diese Aufgabe nicht mit großem Engagement wahrnehmen.

Bildung, das wissen wir inzwischen, ist nicht nur Unterricht, sondern umfasst eben auch Lernen, Kommunikation, umfasst den ganzen Tag und die ganze Persönlichkeit. Ich glaube, die meisten Pädagog:innen wissen das inzwischen und wollen keine Einzelkämpfer:innen mehr sein, wollen auch nicht allein in der Klasse stehen, sondern sie wollen gemeinsam in multiprofessionellen Teams am Standort arbeiten. Genau dort wollen wir mit dieser Reform hin.

Die Zeit ist tatsächlich reif dafür, glaube ich. Es braucht offensichtlich noch Überzeugungsarbeit bei den Betroffenen, weil natürlich jede Veränderung, jede Reform auch Angst und Sorgen macht.


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Ich appelliere auch an die NEOS, mit dem Ziel dieses Antrages hier: Geben Sie dieser Reform eine Chance! Sie können sehen, wie viel Musik da eigentlich drinnen steckt, wenn man sich durchdenkt, was alles möglich wäre. Arbeiten Sie doch bitte konstruktiv daran mit, damit Sie Teil der Lösung sind und nicht Teil der Blockade! – Ich möchte Sie da selber zitieren. Das ist alles möglich (Abg. Meinl-Reisinger: Das ist keine gute Idee, was Sie da ...!), auch Teile von dem, was wir in Finnland gesehen haben, wenn wir es nur wollen. – Vielen Dank. (Beifall bei Abgeordneten von Grünen und ÖVP.)

16.05


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Fiedler. – Bitte.


16.05.49

Abgeordnete Fiona Fiedler, BEd (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! (Die Begrüßung auch in Gebärdensprache ausführend:) Liebe gehörlose Menschen! „[...] wenn wir es nur wollen.“ – Ich starte trotzdem mit einem Beispiel aus meinem Schulalltag als Lehrerin. Ich nenne das Beispielskind Anton.

Anton war in der Schule, in der Klasse ein sehr auffälliges Kind. Er hat gebellt, er hat gezwitschert, er hat getreten, er hat geklopft, er war laut, er hat andere Kinder im Unterricht gestört. Die Kinder sind teilweise mit zugehaltenen Ohren in der Klasse gesessen, Unterricht war für mich ganz schwer möglich.

Ich habe dann um Unterstützung angesucht, um eine sogenannte Schulas­sistenz. Dazu musste ich ein Gespräch mit den Eltern führen, diese um Erlaubnis bitten, dass ich um ebendiese Schulassistenz ansuchen darf. (Heiterkeit der Abg. Meinl-Reisinger.) Dann musste ich ein Gespräch mit dem Schulpsychologen führen und auch das Kind musste ein Gespräch mit dem Schulpsychologen führen. Dann hatte ich ein Gespräch mit dem Beratungslehrer. Die Beratungs­lehrer sind auch in die Klasse gekommen und haben das Kind beobachtet.


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Beim Gespräch mit dem Beratungslehrer hat dieser mich gefragt: Warum brauchen Sie Assistenz? Sie haben es ja bis jetzt auch geschafft! – Da ist bereits ein halbes Jahr vergangen gewesen. Und dann, wenn das alles bewilligt ist, hat man noch die Gespräche mit den Schulassistenzen selber, weil diese das Kind kennenlernen wollen und wissen wollen, ob sie mit dem Kind überhaupt können.

Es ist eine Herausforderung, die sich über ein halbes Schuljahr zieht: Die Assis­tenz, die ich im Dezember angefordert habe, ist im Mai gekommen. Jetzt können Sie sich vorstellen, was es für eine Lehrerin bedeutet, in einer Klasse zu stehen, in der jemand ist, dem das Aufpassen irrsinnig schwerfällt – aus verschiedensten Gründen, die ich hier jetzt nicht erläutern möchte. Es ist aber so gut wie nicht schaffbar, einen hochqualitativen Unterricht zu gewährleisten, den alle Kinder verdient haben. (Beifall bei den NEOS.)

Beim Thema Bürokratie bin ich auch bei der inklusiven Bildung, weil auch das elfte und zwölfte Schuljahr, das wir heute schon mehrfach angesprochen haben, nicht so ganz unbürokratisch über die Bühne geht. Auch da muss man Anträge stellen, da sind es die Eltern, die die Anträge stellen müssen, damit ihre Kinder ein elftes und zwölftes Schuljahr besuchen dürfen.

Warum behandeln wir nicht alle Kinder gleich und sparen uns diese Anträge, und jedes Kind geht so lange in die Schule, wie es das braucht? Das ist für Kinder ohne Behinderung auch ohne Antrag möglich! (Beifall bei den NEOS.)

Was wir also brauchen, ist zum einen ein Rechtsanspruch – endlich ein Rechts­anspruch! – auf ein elftes und zwölftes Schuljahr für Kinder mit sonder­päda­gogischem Förderbedarf und vor allem auch mehr Personal. Wir brauchen die Sonderpädagogen in den Regelschulen, damit sie die Kinder mit sonderpä­dagogischem Förderbedarf zielgerichtet unterstützen können – und wir haben dieses Personal.


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Was mir wirklich bitter aufstößt, ist das moralische Abnicken, wie wichtig dieses elfte und zwölfte Schuljahr denn ist. Und da sind sich alle Parteien ganz einig, dass das total wichtig und total notwendig ist – und dann werden Anträge, Bürgerinitiativen et cetera, besonders auch von den Grünen, die das moralisch so hochtrabend wertvoll finden, einfach vertagt! (Beifall bei den NEOS.)

Die Leidtragenden sind die Kinder und die Lehrer, die versuchen, einen sen­sa­tionellen Unterricht abzuhalten, was unter diesen Umständen einfach nicht möglich ist.

Was ich mir wünsche, was wir uns wünschen, ist ein unbürokratisches inklusives Bildungssystem, und es tut mir wirklich leid, sagen zu müssen: Sie sind in der Verantwortung, die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, also bitte kommen Sie Ihrer Pflicht nach! – Danke. (Beifall bei den NEOS.)

16.09


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Salzmann. – Bitte.


16.10.07

Abgeordnete MMMag. Gertraud Salzmann (ÖVP): Herr Vorsitzender! Geschätzter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher auf der Galerie und daheim vor den Bildschirmen! Wer dieser Debatte folgt, der sieht: Für die Bildung brennen hier herinnen ganz viele (Abg. Hoyos-Trauttmansdorff: Außer die ÖVP!), die Bildung ist uns sehr wichtig, aber die Ansätze sind sehr unterschied­lich. Ich denke, es hat Platz, wenn es durchaus unterschiedliche Ansätze gibt, was es aber braucht, ist natürlich, dass wir genau hinschauen und schauen, wo wir ansetzen müssen.

Geschätzter Herr Minister, ich bin viel in den Schulen (Abg. Loacker: Die Fraktion Christlicher Gewerkschafter ...!), bei den Lehrerinnen und Lehrern unterwegs. Frau Kollegin Meinl-Reisinger, Sie haben vorhin von den Personal­vertretern gesprochen. Ja, ich sehe Personalvertreter sehr positiv (Ruf bei der


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SPÖ: Wir auch!), Sie offensichtlich nicht. (Abg. Shetty: Personalvertreter wie Sie, Frau Kollegin!)

Wenn Sie an der Seite der Lehrerinnen und Lehrer stünden, dann müssten Sie eigentlich auch an der Seite der Personalvertreter stehen (Abg. Scherak: Na, bei den Lehrern schon, aber nicht bei den Personalvertretern der FCG! – Abg. Meinl-Reisinger: Entschuldigung, machen Sie jetzt Parteipolitik da herinnen?), denn wir Personalvertreterinnen und Personalvertreter setzen das um und wir versuchen das weiterzubringen, was unseren Kolleginnen und Kollegen ein Anliegen ist. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Scherak: Wer ist denn schuld daran, dass nichts weiter­geht im Bildungssystem?) – Kollege Scherak, du kannst dich gern selber ein­melden, aber jetzt habe ich die Redezeit bekommen. (Abg. Scherak: Ja, eh!) Bitte melde dich ein!

Ich bin viel unterwegs in den Schulen, und ja, die Belastungen sind sehr, sehr hoch; gerade durch die Coronajahre sind sie zunehmend gestiegen. Ich bin sehr froh, dass wir in offenem Austausch stehen. Herr Minister, Sie stehen ja auch in intensivem Austausch mit dem obersten Lehrervertreter Paul Kimberger, aber auch mit den anderen Lehrervertretern. Wir müssen da ganz sicher Entlas­tungen schaffen, das aber nicht erst seit heute, liebe NEOS, seit ihr das zum Thema gemacht habt. Das ist für uns schon länger ein Thema (Zwischenruf der Abg. Werner) und wir haben da schon ganz klar die ersten Maßnahmen gesetzt.

Die Haupttätigkeit des Lehrers und der Lehrerin ist das Unterrichten, und das liegt uns am meisten, aber es braucht natürlich auch Verwaltung. Kollegin Meinl-Reisinger, wenn Sie da vom Eintragen von Noten sprechen: Ja, das ist auch unsere Dienstpflicht. Das ist Verwaltung, aber das müssen wir machen.

Nicht alles liegt in der Zuständigkeit des Ministers auf Bundesebene, und das müssen Sie anerkennen, ob Sie wollen oder nicht (Abg. Hoyos-Trauttmansdorff: Alles, wo nichts weitergeht ...! – Zwischenruf der Abg. Seidl) – für mich als Juristin


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ist das klar. Wir haben das Land mit Zuständigkeiten und wir haben den Bund mit Zuständigkeiten. Schauen wir uns das an!

Das Unterstützungspersonal, das in diesem Dringlichen Antrag gefordert wird, haben wir gerade erst beschlossen, und zwar in einem großen Ausmaß, es gibt nämlich seit 2021 zum ersten Mal in ganz Österreich eine flächendeckende Versorgung für den Pflichtschulbereich. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.) 40 Millionen Euro sind dafür im Finanzausgleich vorgesehen. Das ist nicht nichts, das muss ich schon betonen.

Der zweite Punkt, den Sie ansprechen, ist die Schulverwaltung. Ja, die Schul­verwaltung ist intensiver geworden, aber auch dort setzen wir ganz klare Maßnahmen – aber da sind auch die Länder gefordert. Als Salzburgerin kann ich sagen, in Salzburg ist das wirklich umgesetzt worden. Unser Landeshaupt­mann Haslauer (Abg. Loacker: War das der, der gesagt hat, er koaliert nicht mit der FPÖ?) und unsere Landesrätin Daniela Gutschi haben 80 Prozent der Pflicht­schulen mit Schulverwaltungspersonal ausgestattet – 80 Prozent! (Beifall des Abg. Taschner.) Was ist in Wien? – Da haben wir viel, viel weniger. Wien ist da noch hintennach.

Zum nächsten Punkt, psychologische Beratungsmöglichkeiten: Auch da hat Salzburg schon sehr viel getan, da hat aber auch der Bund schon viel getan. Salzburg hat die Ausgaben für die Schulpsychologie verdreißigfacht, auf Bundesebene gibt es das erste Mal seit zehn Jahren eine Aufstockung für die Schulpsychologie in Höhe von 20 Prozent.

Jetzt komme ich zur Bürokratie, liebe NEOS: In den Schulen wird viel abgefragt, es werden aber auch ganz viele Punkte abgefragt, von denen ich mir denke, dazu gibt es viele parlamentarische Anfragen. Zum Beispiel wollen die NEOS wissen – und das wird den Schulen zur Beantwortung vorgelegt –: Wie viele Unterrichts­stunden wurden im Schuljahr 2021/22 in der AHS-Unterstufe von den Lehrper­sonen gehalten? (Zwischenruf der Abg. Seidl.)


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Solche Fragen müssen Lehrerinnen und Lehrer vor Ort beantworten – es fragt sich, wofür und was damit gemacht wird. (Abg. Shetty: Eine parlamentarische Anfragebeantwortung ist Bürokratie ... an der Schule?) Wie viele Kinder in der Sekundarstufe I besuchen in den Sommerferien jeweils Ferienbetreuungs­ange­bote? (Abg. Meinl-Reisinger: Ja entschuldige, das ist doch eine ... Anfrage an den Minister, der ...! Das ist ja unglaublich! – Abg. Scherak: Das nennt man Parlament!) – Da gibt es eine ganze Liste, was da alles ausgefüllt werden muss. Oder – ganz toll, ganz toll –: Wie viel Prozent der Lehrer:innen tragen akademische Grade? – Die Angaben werden dann aufgeschlüsselt. Ich frage mich, was das alles bringt. (Abg. Loacker: ... Gewerkschaft! – Abg. Taschner: Das nennt man Bürokratie, Herr Kollege!)

Das elfte und zwölfte Schuljahr, meine Damen und Herren, kann in den Ländern immer genehmigt werden. Warum Wien da so säumig war? Über 60 Prozent der abgelehnten Anträge gab es in Wien, und jetzt geht es auf einmal. Ihr müsst es halt auch dort, wo ihr in der Regierung seid, umsetzen. (Abg. Meinl-Reisinger: Das tun wir eh!) Wir tun es. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Scherak: Ich wünsche mir den Neugebauer zurück!)

16.15


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Oxonitsch. – Bitte sehr, Herr Abgeordneter.


16.15.16

Abgeordneter Christian Oxonitsch (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich bin ja grundsätzlich ein Optimist – ich glaube, das muss man in der Politik auch sein –, aber ich muss zugeben, gerade in der Bildungspolitik, wenn man doch schon einige Zeit in diesem Bereich tätig ist, wenn man bei zwei Koalitionsverhandlungen – auch auf Bundesebene – dabei war, muss man sagen: In der Bildungspolitik fällt einem das tatsächlich schwer, weil man dort immer mit einer Partei konfrontiert ist, die seit Jahren und


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Jahrzehnten eigentlich jeden Reformschritt immer wieder blockiert, und das ist die ÖVP, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich bin jetzt aber aus folgendem Grund wieder ein bisschen optimistisch – es ist ja schon angesprochen worden –: Jetzt gibt es zumindest auch die GÖD, die mittlerweile erkennt, dass es wirklich notwendig und wichtig wäre, da tatsächlich Reformschritte zu setzen.

Einleitend wurde hier schon gesagt – damit ist das ein bisschen ein Beleg für mich, wie realitätsfern man ist –, es gibt das Problem des Lehrermangels, das aber, wenn ich der Vorvorrednerin von der ÖVP folge, eigentlich nur in Wien existiert. Ich habe jetzt nur ganz schnell nachgeschaut: „Krone“, 4.6..: „Lehrer­mangel an Vorarlbergs Schulen ist eklatant“; 26.4.: „657 Lehrerstellen in OÖ nicht besetzt“; „Kleine Zeitung“, 11.5.: „Den steirischen Schulen drohen die Lehrkräfte auszugehen.“

Hier heraußen steht eine ÖVP-Rednerin und tut so, als ob es ein Problem gäbe, für das ausschließlich Wien zuständig ist, das wir aber in allen Bundesländern haben. (Abg. Taschner: Nicht in allen Bundesländern!) Wenigstens diese Realität könnte man anerkennen, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Beifall bei SPÖ und NEOS.)

Man könnte eine solche Debatte natürlich immer auch relativ rasch abtun mit: die Opposition gegen die Regierung. – Das kann man auch nehmen. Gott sei Dank gibt es aber auch, wenn man so will, eine vierte Gewalt im Staat, und auch da braucht man sich eigentlich nur die Zeitungen der letzten Wochen anzusehen. Gerade das Schulende war natürlich für viele ein Anlass, das Schuljahr Revue passieren zu lassen. Was haben wir da überall gelesen? – Auf orf.at am 19.6: „Inklusion in Österreich im Rückwärtsgang“; die Rufe nach Reformen „von Ideologie getrieben“, das „Bildungssystem“ ist „am Ende“, so die „Krone“ am 16.6.


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Es wurde in diesem Bereich schon angesprochen, Österreich ist bei der Vererbbarkeit von Bildung im Spitzenfeld – eine wissenschaftliche Erkenntnis, die die ÖVP seit Jahrzehnten in der bildungspolitischen Debatte blockiert. Dabei wäre es ja tatsächlich in diesen Bereichen so einfach – da haben wir inter­na­tionale Erkenntnisse, sei es Skandinavien, das ist schon angesprochen worden, seien es andere Länder –, alle Wissenschafter sind sich de facto einig: Es führt an der Aufhebung der frühen Trennung mit zehn Jahren kein Weg vorbei. Es führt an einer gemeinsamen Schule der Zehn- bis 14-Jährigen nichts vorbei, wenn man erfolgreich sein will. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Belakowitsch: Das täte euch so passen! Inklusive ...! Weil alle Kinder sind ja gleich, ja, ja, ja!)

Im Bereich der Vererbbarkeit der Bildungskarrieren führt nichts an einer verschränkten Schule vorbei, an jener Schulform, die letztendlich in der Ganztagsschulform genau diese Unterschiede betreffend die Stellung der Eltern und die Bildungskarriere aufhebt, weil dort alle Kinder gemeinsam jede Förderung bekommen, die sie brauchen, und nicht nur jene, deren Eltern das Geldbörsel in der Hand haben, die das entsprechende Geld haben.

Das heißt – lange Rede, kurzer Sinn –: Ich denke, die Erkenntnisse liegen auf dem Tisch. Es gibt zumindest, und das entnehme ich den Redebeiträgen, jedenfalls drei Parteien, die grundsätzlich einmal Interesse haben. Ich appelliere hier an die ÖVP, tatsächlich endlich einmal wissenschaftliche Evidenz zur Kenntnis zu nehmen und diese auch umzusetzen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

16.18


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Hauser. – Bitte.


16.19.11

Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (FPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Minister! Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mir gedacht, es geht heute um die Kinder. Ich darf für die Zuseher in Erinnerung rufen, dass es einen Dringlichen Antrag


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gibt, den wir heute diskutieren, und zwar folgenden Inhalts: „betreffend Schulen von der Bürokratie befreien, Lehrkräfte für die Arbeit mit den Kindern freispielen!“

Das wäre ja an sich das Thema, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, aber was haben wir jetzt die letzten 45 Minuten erlebt? – In Wahrheit ein Trauerspiel: Wien gegen den Bund, der Bund gegen Wien, die Bundesländer gegen Wien. – Es ist ein Desaster!

Gegenseitige Schuldzuweisungen bringen uns ja nicht weiter. An sich war das ja eine perfekte Selbstanklage, wenn man sieht, was die Wiener an der Schul­politik im restlichen Österreich kritisieren, und umgekehrt, was an Wien kritisiert wird – also perfekte Selbstanklagen, die beweisen, dass es um unsere Bildungs­politik, Herr Minister, wirklich nicht gut bestellt ist. Das muss man einmal eindeutig zu Beginn feststellen. (Ruf: Sie sind das beste Beispiel!)

Es geht um die Kinder. Für die müssen wir ins Handeln kommen, weil die Kinder unser Kapital sind, unser Kapital für die Zukunft, die irgendwann einmal unser aller Pensionen zahlen müssen, und deswegen brauchen unsere Kinder die beste Ausbildung.

So, und was erleben wir jetzt? Lesen, Schreiben, Rechnen – wie von unserem Bildungssprecher Hermann Brückl festgestellt –: Diese Grundfertigkeiten, die wir als Freiheitliche Partei immer wieder einfordern, kommen immer schlechter zum Zug. (Abg. Loacker: ... die können ja bei euch ...!) Das sind doch die Grund­fertigkeiten. Da brauchen wir doch nicht über die künstliche Intelligenz zu reden. Wir brauchen diese Grundfertigkeiten, die wir unseren Kindern mitgeben. Das, glaube ich, dürfte unstrittig sein.

Um in Richtung Wien zu schauen: Was brauchen wir? – Wir brauchen Deutsch­kenntnisse vor Schuleintritt. Wie soll man denn dem Unterricht folgen können, wenn man nicht Deutsch kann? Das sind doch Normalitäten, und diese Normali­täten werden heutzutage immer wieder bestritten.


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Ja, und es braucht natürlich die Befreiung der Lehrkräfte von Bürokratie. Das kann man unterschreiben. Was wir aber nicht brauchen, Herr Minister, ist Ideologie in den Schulen, vor allem grüne Ideologie. Das brauchen wir nicht! Das nimmt derzeit absolut überhand. (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Minister! Ich habe mir die Medienberichte der letzten Wochen angeschaut. Ich frage Sie: Worüber wird denn, wenn über Schule und über die Schulpolitik berichtet wird, geschrieben, Herr Minister? – Es wird nicht über unsere hohen Bildungsstandards geschrieben, nein! Herr Minister, worüber wird denn geschrieben? – Über die Auftritte von Dragqueens, das wird österreichweit diskutiert, über queere (wie das deutsche Wort quere aussprechend) Veranstal­tun­gen. (Ruf – englisch aussprechend –: Queer heißt das!) Es scheint wirklich so zu sein, als ob es das wichtigste bildungspolitische Thema sei, dass man Dragqueens in unsere Schulen, in unsere Klassen hineinbringt, damit die Kinder wissen, welche Lebensformen es gibt.

Zur sogenannten Normalität, und da schaue ich jetzt in Richtung ÖVP: Ihr macht da ja immer hundertprozentig mit, ihr verratet ja die Wähler vom Aufstehen bis zum Schlafengehen. Ist das wirklich eure Schulphilosophie, dass es jetzt notwen­dig ist, unseren Kindern queere (wie das deutsche Wort quere aussprechend) Veranstaltungen (Rufe – englisch aussprechend –: Queer!), Diskussionen, Dragqueens vorzuführen und ihnen das beizubringen? Das kann es doch überhaupt nicht sein! Dafür seid ihr verantwortlich. Ihr macht das. (Beifall bei der FPÖ.)

Um in Erfahrung zu bringen, ob die Vermittlung von queeren Inhalten und das Abhalten von Dragqueenauftritten in Schulen zukünftig Teil des Schulunter­richtes sein sollen, hat unser Bundesratskollege Leinfellner eine parlamenta­rische Anfrage gestellt, Herr Minister, und ich zitiere jetzt für uns alle aus dieser parlamentarischen Anfrage, damit die Zuseher draußen wissen, wohin sich diese ÖVP entwickelt, die immer mehr unsere traditionellen Werte, unsere Kultur verrät, vom Aufstehen bis zum Schlafengehen.


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Erste Frage aus dieser parlamentarischen Anfrage: „Welche Position vertreten Sie bzw. Ihr Ressort in Bezug auf die Vermittlung von ,queeren‘ bzw. LGBTIQ-Inhalten im österreichischen“ Schulwesen?

Herr Minister, ich lese Ihnen das vor – ich zitiere Sie –: „Wie im Grundsatzerlass ,Sexualpädagogik‘, Rundschreiben“ – bla, bla –„festgehalten, ist die schulische Sexualpädagogik an der Lebensrealität von jungen Menschen orientiert und basiert auf wissenschaftlich gestützten Informationen.“

Und im nächsten Satz definieren Sie uns, was Sie meinen. Was ist für Sie Wissenschaft? Was ist für euch, die ÖVP, Wissenschaft? (Abg. Salzmann: Das frag ich mich bei euch schon lang!) – „Schüler/innen sollen vielfältige Lebensentwürfe und Biographien als gesellschaftliche Normalität wahrnehmen“. (Beifall und Ja-Rufe bei Abgeordneten der Grünen.) Das ist Ihre gesellschaftliche Normalität – mit Unterstützung, mit Applaus seitens der grünen Fraktion. Ihr wisst also, wo ihr seid. Ihr macht grüne Ideologie, grüne Politik in den Schulen. Es ist wirklich erschreckend, was da abläuft. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich darf auf die Frage hin, wer das Ganze überhaupt kontrolliert, wer denn entscheidet, wie diese Sexualbildungsinhalte überhaupt ausschauen sollen, Folgendes sagen: Da wurde eine sogenannte unabhängige Geschäftsstelle eingerichtet, mit der Verordnung Bundesgesetzblatt II Nr. 44/2023, geschätzte Kolleginnen und Kollegen. (Abg. Meinl-Reisinger: Glaubt ihr wirklich, dass das das wichtigste Thema im Bildungsbereich ist? Das ist ja peinlich und lächerlich! Da geht es um existenzielle Zukunftsfragen und ihr erzählt so einen Blödsinn!) Ich zitiere auch aus dieser Verordnung, was die Aufgabe dieser Geschäftsstelle ist:

„1. die Schulbehörden und Schulen bei der Beurteilung der fachlichen und didaktischen Qualität schulexterner Angebote [...] zu unterstützen“.

So, und jetzt schauen wir uns einmal an, wie dieser Beurteilungsmaßstab ausschaut, § 6. Sie schreiben bitte da drinnen: „Schulexterne Angebote, einschließlich Unterrichtsmittel und Dienstleistungen zur Unterstützung des


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schulischen Unterrichts, im Themenfeld Sexualpädagogik haben [...] fachlich und didaktisch internationalen wissenschaftlichen Standards auf dem Gebiet zu entsprechen.“ (Abg. Salzmann: Kommst du noch zum Thema?)

Jetzt wissen wir es ganz genau: Das heißt, unsere eigene Kultur, Tradition schmeißen wir einmal über Bord. Wir nehmen internationale Erkenntnisse (Beifall der Abg. Hamann), das heißt, was uns die Europäische Union oder, keine Ahnung, wer auch immer vorgibt. Das ist Inhalt unserer sexualpädagogischen Ausbildung.

Liebe ÖVP, ihr verratet eure Wähler von früh bis spät – das ist das Erschreckende –, aber sie wissen, dass sie bei uns, bei der Freiheitlichen Partei, zukünftig gut aufgehoben sind. (Beifall bei der FPÖ.)

16.26


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Blimlinger. – Bitte. (Abg. Leichtfried: Das war eine etwas skurrile Rede! Und die Taferln haben auch gefehlt!)


16.26.33

Abgeordnete Mag. Eva Blimlinger (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Auch Herr Bundesminister Totschnig! Ich glaube, zum Herrn Kollegen Hauser muss man nicht so viel sagen, aber ich denke, es täte Ihnen gut – und da ist dieser Dringliche Antrag ganz in diesem Sinn –, wenn Sie in den Genuss einer Bildung kämen, denn dann könnten Sie nicht solche Dinge behaupten wie eben dargestellt.

Zum Inhalt des Dringlichen Antrages: Es ist schon ein bissl, muss ich sagen, eigenartig, dass sich die NEOS mit Stadtrat Wiederkehr trauen, so einen Antrag zu stellen. Ja, man kann bei der Schule – und das wurde ja jetzt auch dargelegt – zu allen Themen, die gar nicht Thema dieses Antrages sind, sprechen, aber insbesondere die Bildungsdirektion Wien ist ein – und man hat mir verboten, das so zu sagen, ich traue es mich jetzt aber trotzdem; der Herr Präsident wird mir


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einen Ordnungsruf erteilen – Sauhaufen. (Beifall des Abg. Taschner.) Ja, es ist ein Sauhaufen, wenn Leute dort im September, im Oktober unterrichten und von der Bildungsdirektion immer noch keinen Arbeitsvertrag haben, immer noch kein Gehalt haben.

Sie sagen, die Lehrer sollen von der Bürokratie befreit werden. Das werden sie aber nicht, wenn sie ununterbrochen daran denken müssen, wie sie ein Gehalt auf ihr Konto bekommen, weil Ihr Stadtrat nicht in der Lage ist, über die Bildungsdirektion zu veranlassen, dass diese Lehrer zeitgerecht ihre Verträge kriegen.

Der Lehrermangel ist ein Problem, wir wissen das. Warum stellt die Wiener Bildungsdirektion dann Lehrer und Lehrerinnen nur für ein Jahr an und verlängert sie jährlich über Jahre hinweg? Warum kriegen die nicht unbefristete Verträge, sondern müssen jedes Jahr – Bürokratie, Bürokratie – einen neuen Vertrag kriegen – und kriegen ihn aber erst im Oktober und wissen im August nicht, ob sie ihn kriegen?

Es gibt einen Lehrermangel. Also vielleicht sorgt ihr auch in euren eigenen Reihen dafür, dass diese Art von Bürokratie, die noch dazu wirklich zum Schaden der Lehrenden, aber natürlich auch zum Schaden der Schüler und Schülerinnen ist, aufhört! (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Es ist natürlich schon – wie soll ich sagen? – eine grimmige Situation, dass wir neun Bildungsdirektionen mit unterschiedlichen Verwaltungssystemen haben. Ich meine, man kann sich das ja überhaupt nicht vorstellen, dass das so ist, aber Tatsache ist, dass man sich, wenn man das Bundesland als Lehrerin, Lehrer wechselt, auf ein neues System einstellen muss.

Und (englisch aussprechend:) Vision, (deutsch aussprechend:) Vision, je nach­dem, wie Sie es ausgesprochen haben wollen: Das System in der Bildungsdirektion Wien ist, wie Sie wissen, ein Horror, das gehört geändert. Da verbringen die Lehrerinnen und Lehrer in Wien Stunden und Tage, um


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einfache Adressänderungen vorzunehmen. (Abg. Künsberg Sarre: Es geht ja nicht um Wien!) Wenn sie dann nach Niederösterreich wechseln, weil sie dort eine Stelle kriegen, weil man ja die ersten fünf, sechs Jahre nur einen Einjahresvertrag kriegt, müssen sie ein neues System lernen, das ähnlich vertrottelt ist. (Heiterkeit bei Grünen und ÖVP. – Abg. Scherak: Der Herr Präsident glaubt nicht, dass das vertrottelt ist!)

Es geht natürlich darum, dass die Bildungsdirektionen den Lehrenden digitale Zugänge zur Verfügung stellen, die ihnen das Arbeiten erleichtern. Natürlich sind Listen immer ein Problem, das ist schon richtig, aber ich brauche eine Qualitäts­sicherung. Wie mache ich das? Soll ich die auf ein Band reden? Wie geht Qualitätssicherung? – Qualitätssicherung geht so, dass ich etwas protokolliere, dass ich sozusagen bestimmte Zustände, Vorgänge, Situationen darlege und mittels Supervision – wie auch immer geartet – korrigiere beziehungsweise mittels Supervision überhaupt zur Kenntnis nehme.

Zur Bürokratie: Im Grünen Klub lacht man immer über mich, weil ich dort als Bürokratin verschrien bin. (Die Abgeordneten Shetty und Künsberg Sarre: Verständlich! – Abg. Lukas Hammer: Selbstbezeichnung!) Ich weise immer darauf hin, dass Willkür das Gegenteil von Bürokratie ist. Es gibt natürlich auch die Adhokratie, die das formale Gegenbild zur Bürokratie ist. Sie ist aber sozusagen strukturell anders, da müsste man das Schulwesen – Sibylle Hamann hat das Beispiel Finnland schon erwähnt – ganz grundsätzlich ändern. (Abg. Werner: Ja, sicher, ja! – Abg. Künsberg Sarre: Bravo!)

Sie wissen, wir sind für eine gemeinsame Schule, wir sind für eine Projekt­orientierung – für all das sind wir. (Beifall der Abg. Künsberg Sarre.) Sie wissen aber auch, dass der Koalitionspartner nicht dafür ist. So ist es halt in einer Koalition, in der man rund 14 Prozent hat. Das ist so, da kommen wir nicht durch. (Abg. Meinl-Reisinger: Selbstaufgabe!)

Lassen Sie mich noch einen Punkt zu Ihrer Forderung nach autonomen Schulen erwähnen: Nein, ich bin gegen die Autonomie von Schulen (Abg. Meinl-Reisinger:


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Dann braucht ihr nicht von Finnland zu reden!), weil, das kann ich Ihnen sagen, es so kommen wird, dass sich in kürzester Zeit bestimmte Eliteschulen im öffentlichen Sektor herausbilden. (Abg. Künsberg Sarre: Haben wir jetzt schon! – Abg. Meinl-Reisinger: Das ist ja jetzt schon so! Sie haben keine Ahnung von der Praxis!) Auf der anderen Seite werden bestimmte Restschulen bleiben.

In dem Moment, in dem man sich die Lehrer aussuchen kann, wird es Lehrer und Lehrerinnen geben, die man sich eben nicht aussucht. Die kommen dann in irgendeine Brennpunktschule – das wird genau so sein. Dann kann die FPÖ endlich jubeln und sagen: Dort haben wir alle! Und alle, die dort sind, schreiben wir überhaupt ab! (Abg. Meinl-Reisinger: Das hast ja jetzt schon!) Da brauchen Sie gar nicht den Kopf zu schütteln, es ist so. (Abg. Meinl-Reisinger: Ja, o ja, weil es jetzt schon so ist!) Dadurch haben wir eine gewisse Gerechtigkeit. Alleine die Situation, dass man die Sprengelzugehörigkeit abgeschafft hat, bildet eine Schwie­rigkeit im Volksschulwesen, weil es natürlich darum geht, gleichermaßen zu verteilen.

In diesem Sinne bin ich nach wie vor der Meinung, dass wir einen autofreien Heldenplatz brauchen, durch den der Ottakringer Bach fließt. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

16.32

16.32.43*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Abgeordnete Blimlinger, ich schätze Ihre intellektuellen Formulierungsfähigkeiten sonst sehr, Sie hätten also auch andere Zuspitzungsformulierungen machen können. (Abg. Blimlinger: Kriege ich einen Ordnungsruf? – Heiterkeit bei den Grünen.) Ich darf Ihnen für die Begriffe Vertrotteltheit und Saustall einen Ordnungsruf erteilen. Es hilft nichts. (Abg. Martin Graf: Zwei Ordnungsrufe! – Ruf bei der FPÖ: Mindestens zwei!)


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*****

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Werner. – Bitte, das Wort steht bei Ihnen.


16.33.14

Abgeordnete MMag. Katharina Werner, Bakk. (NEOS): Herr Präsident! Herr Minister! Liebe Menschen im Haus und zu Hause! Liebe Schülerinnen und Schüler! Liebe Lehrkräfte und liebe Eltern! Morgen ist im Westen Zeugnistag und die „Oberösterreichischen Nachrichten“ haben den Minister gefragt, welches Zeugnis er sich denn geben würde. Der Minister hat geantwortet: „Man benotet sich nicht selbst“. – Das ist bezeichnend. Das ist ein Bildungsminister, der das Grundprinzip des Lernens offenbar nicht verstanden hat: die Selbstreflexion. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Salzmann: Du bist Lehrerin! Würdest du dich selbst benoten?)

Zeugniszeit ist übrigens in den Schulen immer die stressigste Zeit. Besonders stressig wird es dann – und jetzt richten wir den Blick von Wien einmal nach Oberösterreich, in ein ÖVP-geführtes Bundesland –, wenn eine Woche vor Schulende das Zeugnisprogramm komplett geändert wird. Wie es in Österreich so üblich ist, funktionieren die Dinge dann immer einwandfrei, so einwandfrei, dass man fünfmal nachschauen muss, ob die Eingaben, die man gemacht hat, eh übernommen worden sind. Und wenn man dann auf Drucken drückt, kommen die Zeugnisse erst recht wieder falsch heraus, und man muss wieder von vorne beginnen. Das ist es, was die Menschen und die Lehrkräfte in Österreich so zermürbt.

Ein anderes Beispiel: Als Klassenvorstand habe ich pro Woche circa 2 Schul­stunden darauf verwendet, dass ich Herrin dieser ganzen Zettelwirtschaft werde – vom Einverständnis zur Verabreichung von Kaliumjodidtabletten über das Eintragen von Entschuldigungen. Darüber hinaus habe ich dann auch noch die Rolle des Sheriff of Nottingham übernommen und als Geldeintreiber fungiert (Heiterkeit der Abg. Meinl-Reisinger) – für die Weihnachtskartenbestellung vom


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Jugendrotkreuz bis hin zum Werkbeitrag. Dabei musste ich nicht – und es ist so schön, dass der Landwirtschaftsminister auch dasitzt – auch noch als Schulmilchbrokerin tätig werden wie die Volksschullehrerin meiner Tochter.

In meinem Fall war es oft doppelt bitter, weil die Stunden, in denen ich das Organisatorische erledigen musste, doppelt besetzt waren. Das heißt, es sind 4 Wochenarbeitsstunden für das Organisatorische draufgegangen. Auf das Jahr gerechnet waren das 150 Arbeitsstunden für eine einzige Klasse – Stunden, in denen wir den Kindern eigentlich Lesen, Schreiben, Rechnen und den Rest hätten beibringen sollen. Diese Zeit hat für Beziehungsarbeit gefehlt. Das waren Stunden, die für den Klassenrat gefehlt haben. Das war Zeit, die gefehlt hat, um Konflikte zu lösen und Streit zu schlichten.

Um eine Lehrkraft übrigens vollends in Angst und Schrecken zu versetzen, muss man nur ein Wort in den Mund nehmen, und dieses Wort heißt Dienstweg. Damit komme ich zu den Bildungsdirektionen. Am 3. August 2022 habe ich ein Mail an die Bildungsdirektion Oberösterreich geschickt und nachgefragt, wie es denn ausschaut, ob sie mich wieder als Lehrkraft habe möchte und wie das mit dem Gehaltsschema sein würde. – Ich habe bis heute keine Antwort bekommen. (Abg. Salzmann: An die richtige Mailadresse?) Der Lehrkräftemangel kann also gar nicht so schlimm sein, Herr Minister, oder?

Was wir daraus lernen: Dieser Flaschenhals Bildungsdirektion muss einfach weg. Wir brauchen Servicestellen, die wirklich funktionieren, und ja, wir brauchen Schulautonomie. Es wurde so dargestellt, als ob es in Österreich so leicht sei, eine Lehrkraft einzustellen – ist es nicht. Es ist ein Pingpong zwischen Bildungs­direk­tion, den Bildungsregionen, die es auch noch gibt, und den Schulen. Dann gibt es noch Versetzungsanträge und Doppelbewerbungen. Die Direktionen müssen eine Lehrfächerverteilung in einem Moment machen, in dem sie nicht einmal noch wissen, wie viele Klassen sie im Herbst haben werden. Im Herbst dürfen sie dann dieselbe Arbeit noch einmal machen. Im schlimmsten Fall stehen sie dann ohne Lehrkräfte da, weil die sich mittlerweile schon woanders bewor­ben und dort eine Zusage bekommen haben.


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Wie es anders laufen kann, zeigen uns zum Beispiel die Esten. Dort stellen die Schulen direkt die Lehrkräfte ein. Das heißt aber nicht, dass dort jeder sein eigenes Gehalt bekommt und die das individuell ausmachen. Es gibt ein Basisge­haltsschema, nach dem man sich richtet. In Estland gibt es nur zwei Ebenen. Dort gibt es die nationale Ebene, die vorgibt, was die Ziele sind. Dort hat man sich gemeinsam das Ziel gesetzt, man will das beste Bildungssystem der Welt haben. Die wissen, dass das ihre Ressource ist, mit der sie arbeiten können. Diesen Anspruch würde ich mir auch für Österreich wünschen. (Beifall bei den NEOS.)

Lieber Herr Bildungsminister, obwohl ich kein Fan von Ziffernnoten und vom Sitzenbleiben bin, könnte ich Ihnen als ehemalige Lehrkraft nichts anderes als ein Nicht genügend in allen Fächern geben. Nutzen Sie den Sommer für Nachhilfe, zum Beispiel in Estland, aber auch in Neuseeland, wo man sich ein gutes Modell der Schulfinanzierung sehr gut anschauen kann, oder, was die Leseförderung betrifft, in Großbritannien! Kinder, Eltern und Lehrkräfte haben sich eine bessere Performance verdient, jemanden mit Visionen und Ahnung – für die beste Bildung unserer Kinder. – Danke schön. (Beifall bei den NEOS.)

16.38


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Marchetti. – Bitte.


16.38.36

Abgeordneter Nico Marchetti (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Bildungsminister! Ich darf zuerst im Namen der Kollegin Baumgartner die Seniorengruppe Rauchenwarth herzlich im Hohen Haus begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)

Zu den NEOS: Wir haben ja noch im Ohr, was ihr ehemaliger Parteichef Matthias Strolz damals gesagt hat. Er hat gesagt, Politik ist der Ort, an dem wir uns ausmachen, wie wir miteinander leben wollen. Mittlerweile ist der NEOS-Parla­mentsklub eher der Ort, an dem man sich ausmacht, wie man das Versagen


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von NEOS-Bildungsstadtrat Wiederkehr am besten zudecken kann. (Beifall bei der ÖVP. – Ruf bei den NEOS: Na geh bitte! Na komm! – Abg. Werner: Die anderen Bundesländer sind ...!)

Dieser Dringliche Antrag ist nämlich in großen Teilen eine Selbstanklage. Sie beschweren sich über Bürokratie an den Schulen. Schauen wir uns einmal an, wie Bürokratie an den Schulen funktioniert, wenn die NEOS dafür verant­wortlich sind! Ich habe für Sie – Sie müssen es ja nicht mir glauben – die wichtigsten Schlagzeilen der letzten Zeit über die Wiener Bildungsdirektion zusammengefasst: „Chaotische Zustände“; „Wiener Bildungsdirektion: Stoppuhr für Mitarbeiter“. „Ob bei Dienstverträgen oder Bewerbungen, die Verwal­tungsbehörde für den Schulbereich in Wien ist säumig. Daher wurde nun die Arbeitsleistung der Mitarbeiter mit einer Stoppuhr überprüft.“

Weiters: „Pädagogen empört“; „Panne bei Lehrergehältern“ in Wien: zu spät und „zu wenig ausbezahlt“; keine Infos in Bildungsdirektion in Wien über Lehrer als Quereinsteiger – Himmer entschuldigt sich; Volksschulklasse seit Schulbeginn leider zu Hause vergessen – Wiener Klasse saß einen Monat daheim; täglich kündigen Lehrer; Chaos um Zuweisung der Schulplätze – Aufregung bei den Eltern.

Zusammenfassend muss ich sagen: Wenn ich einen Telefonjoker frei hätte für die Frage, wie man das Bildungssystem besser machen kann, würde ich die NEOS mittlerweile nicht mehr anrufen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Meinl-Reisinger: Die Bildungsdirektionen sind wirklich auf eurem Mist gewachsen, nicht auf unserem!)

Die Lieblingsforderung ist überhaupt, das ist ohnehin schon erwähnt worden, ein Punkt aus Ihrem Antrag, den ich sehr sorgfältig gelesen habe: Sämtliche admi­nistrative Tätigkeiten sollen in einem einheitlichen Schulverwaltungs­pro­gramm zusammengefasst werden. Sie wollen keine Doppelgleisigkeiten. – Dabei ist Wien das einzige Bundesland, das nicht Sokrates verwendet. Aber das könnten Sie jederzeit ändern, der Herr Minister ist nicht einmal rechtlich dazu befähigt


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(Zwischenruf der Abg. Künsberg Sarre), das müssen Sie machen. Machen Sie es einfach! Machen Sie es einfach! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wenn jetzt die Kollegin von NEOS rauskommt und sagt, die Bildungsdirektionen sollte man am besten abschaffen, frage ich: Was ist das bitte für eine Strategie? (Abg. Meinl-Reisinger: Die richtige!) Sie kriegen es nicht zusammen und deswegen schaffen wir die Behörde ab? (Abg. Meinl-Reisinger: Das ist ein völliges Bürokratiemonster ...! Das ist ein Rohrkrepierer, den ihr verursacht habt!) Das ist die Strategie der NEOS? Also das kann es doch wirklich nicht sein.

Ich glaube – und das ist in der heutigen Debatte auch ein bisschen herausgekommen –, Bildungspolitik ist wichtig und wir müssen sie auf der Agenda nach oben setzen. Ich bin froh, dass es heute diesen Dringlichen Antrag gibt und wir über Bildungspolitik in Österreich reden können. (Abg. Künsberg Sarre: Aber red über Bildungspolitik in Österreich! – Weitere Zwischenrufe bei den NEOS.) Dass Sie dann aber über Schulbürokratie reden, das dann uns – wie eine Selbstanklage – hinlegen, so quasi meinen: Die ÖVP anpatzen, das glauben uns sicher ein paar Journalisten, das kommt gerade gut!, und glauben, damit ist die Sache gegessen, das geht nicht. Das ist nichts, was wir brauchen, um das Bildungssystem wirklich zu verbessern. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Hamann.)

Es sind, was die Bildungspolitik betrifft, fast alle Parteien in der Verantwortung, und zwar in den Landesregierungen. Es gibt SPÖ-Bildungslandesräte, es gibt NEOS-Bildungslandesräte und es gibt auch von der ÖVP Bildungslandesräte, und die FPÖ ist auch in vielen Landesregierungen. (Abg. Hoyos-Trauttmansdorff: Das heißt, wir brauchen keinen Bildungsminister mehr!)

Wenn ihr jetzt glaubt – auch die SPÖ –, es ist das einzige Allheilmittel, auf die ÖVP zu zeigen und zu sagen: Na, schaut einmal, die bringen nichts zusammen!, sage ich: Wir alle haben eine Verantwortung. Wir leben in einem föderalen Staat. (Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.) Schaut in die Verfassung! Wie wäre es


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damit – wenn wir wirklich so konstruktiv sind und etwas weiterbringen wollen –, wenn wir alle uns selbst an der Nase nehmen und schauen, dass wir dort, wo wir Verantwortung tragen, etwas gescheiter und besser machen?

Ich glaube, es gäbe in Wien genug zu tun, Frau Beate Meinl-Reisinger. (Abg. Meinl-Reisinger: Eh, aber ihr ...!) Als Sie Herrn Wiederkehr gelobt haben, hat nicht einmal die SPÖ geklatscht; ich glaube, das sagt schon alles aus. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.) Nehmen wir uns an der Nase und machen wir alle etwas, denn das wäre notwendig! Ich freue mich darauf, dass wir da auch einen Beitrag leisten können, und das werden wir auch in Zukunft tun. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Hamann. – Abg. Haubner: Sehr gut! – Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.)

16.42


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Petra Wimmer. – Bitte.


16.43.05

Abgeordnete Petra Wimmer (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen hier im Hohen Haus! Ich möchte in dieser Debatte auf die erste Bil­dungseinrichtung eingehen, die unsere Kinder besuchen, und das ist der Kinder­garten, denn Bildung ist für uns weit mehr als Schule. Und die schlechte Nachricht ist: Auch in diesem Bereich gibt es wenig Grund zur Freude, denn auch in unseren Kindergärten gibt es ähnliche Probleme wie in den Schulen.

Im Bereich der Elementarpädagogik, Herr Minister, brennt ebenfalls der Hut: Viele Pädagoginnen und Pädagogen sind überlastet. (Abg. Salzmann: Das ist aber Landessache, Frau Kollegin!) Die Assistent:innen kommen mit ihrer Arbeit nicht mehr nach, und sie alle haben eines gemeinsam: Sie fühlen sich von der Politik im Stich gelassen. (Abg. Salzmann: Das ist aber bitte Landessache!)

Diese Überforderung und Frustration in ihrem Arbeitsfeld wirkt sich natürlich auch auf die Interessent:innen aus. Wenn Sie mit den Absolvent:innen der


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Bafeps sprechen, dann werden Sie zu hören bekommen, dass nur rund 20 Prozent von denen, die ihre Ausbildung abgeschlossen haben, auch in ihrem erlernten Beruf arbeiten wollen. Vielfach sind die Arbeitsbedingungen, die absehbare Überlastung und die Überforderung auch der Grund dafür, warum sie nicht in diesen Beruf gehen.

Wie aber wollen wir unter diesen Umständen künftig das Potenzial der Kindergärten ausschöpfen, wenn so wenig Personal dort arbeiten will? Ohne gut ausgebildete Fachkräfte werden Sie das nicht schaffen, Herr Minister! (Beifall bei der SPÖ.)

Wie sollen auch die Gemeinden weitere Kindergartenplätze schaffen und den Ausbau vorantreiben, wenn ihnen dieses Personal fehlt? Ja, die Gemeinden sind froh – das hören Sie, wenn Sie mit den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern sprechen –, wenn sie die aktuellen Gruppen erhalten können und im Herbst nicht Gruppen schließen müssen, weil ihnen das Personal fehlt. Und dieser Per­sonalmangel verschärft sich weiter.

Auf der anderen Seite sind viele Eltern verzweifelt, weil sie keinen Kindergar­tenplatz mit entsprechenden Öffnungszeiten bekommen und bangen müssen, ob sie eine Arbeitsstelle annehmen können, und das in Zeiten, in denen Betriebe händeringend Arbeitskräfte suchen und die Familien tatsächlich auf ein zweites Einkommen angewiesen sind.

Herr Bundesminister, es ist höchst an der Zeit, den Ernst der Lage auch in der Elementarpädagogik zu erkennen! (Beifall bei der SPÖ.)

Eco Austria hat gerade veröffentlicht, dass Österreich beim internationalen Ver­gleich im schwächsten Drittel ist, was die Vereinbarkeit von Familie und Beruf betrifft. Seit 2021 gibt es nur minimale Verbesserungen in Österreich. Von einer effizienten Erweiterung der Kinderbetreuung kann nicht die Rede sein. Von einem Erreichen der Barcelonaziele sind wir nach wie vor weit entfernt.


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Darum mein Appell an Sie, Herr Minister: Sie haben in Ihrer Rede die Zustän­digkeit der Länder und Gemeinden angesprochen, und ich ersuche Sie: Nutzen Sie die laufenden Verhandlungen zum Finanzausgleich, schieben Sie die Verantwortung da nicht ab! Reden Sie mit Ihrem Ministerkollegen Brunner und machen Sie deutlich, dass es Bewegung in der Elementarpädagogik braucht! Nutzen Sie die Gelegenheit, um sich für die Länder und Gemeinden einzuset­zen – und sagen Sie nicht, Sie sind dafür nicht zuständig –, denn diese brauchen diese finanziellen Mittel für den Erhalt und für den Ausbau der Kinderbildungseinrichtungen.

Investitionen in die Kinderbetreuung, in die Kinderbildung sind Investitionen in die Zukunft. Sehen Sie nicht weiter zu, wie sich die Situation in den Bildungs­einrichtungen verschärft, sondern handeln Sie! (Beifall bei der SPÖ.)

16.46


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf die Schülerinnen und Schüler und die Kolleg:innen vom Institut St. Josef in Feldkirch, Vorarlberg, recht herzlich bei uns begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Fürst. – Bitte.


16.47.11

Abgeordnete Dr. Susanne Fürst (FPÖ): Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Klubobfrau Meinl-Reisinger hat in ihrer Rede zum Dringlichen Antrag davon gesprochen, dass an jede Schule Psychologen gehören. – Die werden wir dann auch brauchen oder sogar mehr davon an jeder Schule, wenn diese offene, ideologiegetriebene Indoktrination, die man vorhat, wirklich ab Herbst in den Schulen einzieht, und zwar geht es da um das Thema Frühsexualisierung. (Abg. Salzmann: Habt ihr kein anderes Thema? – Zwischenruf bei den NEOS.)

Wenn Sie jetzt wieder so wie bei meinem Kollegen Hauser zwischenrufen, warum wir da jetzt immer darüber reden und warum das ein zentrales Thema ist:


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Ja, weil Sie es dazu machen! (Abg. Meinl-Reisinger: Total! Jedes Plakat von uns ...! Frühsexualisierung von Kindern jetzt!) Gerade Ihre Partei hat das als zentrales Thema. Es gibt kaum mehr Anträge im Frauenausschuss, Gleichbehandlungs­ausschuss, Familienausschuss, bei denen es sich nicht um dieses Thema dreht, um die LGBT-Gruppe, um queere Themen.

Sie haben es als Wahlkampfslogan gehabt. Da ist doch einer Ihrer Kandidaten im Dirndlkleid herumgehampelt. Und dann fragen Sie jetzt, warum das ein solch zentrales Thema ist? (Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.) – Ja, weil es ab Herbst zunehmend in die Schulen kommt und die Kinder damit konfrontiert werden sollen, und dagegen stellen wir uns vehement. Darum spreche ich auch hier in dieser Rede davon. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Hamann: Habt ihr nicht irgendetwas anderes zu sagen?)

Ich wende mich an den Herrn Bildungsminister: Ihr Ministerium ist ja schon länger von der ÖVP geführt und es gibt da auch den Grundsatzerlass „Reflexive Geschlechterpädagogik und Gleichstellung“ von Ihrem Vorgänger Faßmann, der aber leider immer noch in Kraft ist und in dem es darum geht, den Schulen einen Orientierungsrahmen zu geben, wie Fragen der Gleichstellung berücksichtigt werden können, weil „Geschlechterverhältnisse und Fragen der Gleichstellung [...] auf vielfältige Weise in die Schulen“ hineinreichen würden und sich da abbilden würden. „Insbesondere das alltägliche Miteinander“ in den Schulen „ist vom sozialen Geschlecht“ geprägt, „von gender im Sinne der Definition der WHO und des UNHCR“.

Nun kann man sich, glaube ich, schon vorstellen, wie das Gender, das soziale Geschlecht, von den beiden internationalen Organisationen definiert wird. „Das soziale Geschlecht gründet“ demnach „auf gesellschaftliche Dynamiken und ist veränderbar und variabel“. (Zwischenruf des Abg. Amesbauer.) Und diesem variablen sozialen Geschlecht soll jetzt in den Schulen zum Durchbruch verhol­fen werden. Wie das vor sich gehen soll, steht ganz genau in dem Erlass. Vor allen Dingen sollen die Geschlechterstereotypen, -zuweisungen und -festschreibungen endlich überwunden werden. Man spricht nicht mehr von Mann und Frau, nicht


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mehr von Bub und Mädchen, sondern man verwendet nur mehr: es, die Personen und so weiter. Wir brauchen mehr „differenziertes Denken jenseits bipolarer, verengter Geschlechterbilder“.

Entschuldigen Sie, aber man fragt sich schon, warum Sie von der ÖVP da mitmachen beziehungsweise was mit diesem Erlass ist. Dazu, warum das jetzt so zentral zum Thema gemacht wird: Es steht ja auch drinnen, dass es fächer­übergreifend, also in allen Unterrichtsgegenständen vorkommen soll und natürlich mit einer Unzahl an externen Workshops verbunden ist. Da kommen dann Aktivisten in die Schule, dadurch entsteht wiederum eine Workshopindustrie – es werden viele versorgt –, und es sollen dann gleich auch die Lehrer aus der Klasse geschickt werden.

Das Ganze wird noch ergänzt. Es gibt nicht nur diesen Grundsatzerlass, es gibt auch bereits zahlreiche andere Erlässe –die klassische Bildung betreffend haben wir nicht mehr so viele Erlässe. Es gibt einen Leitfaden zur Erstellung eines schulischen sexualpädagogischen Konzeptes vom Februar 2023, es gibt neue Lehrpläne ab 2023/24 – auch deshalb. Natürlich müssen wir jetzt davon sprechen, was diese neuen Lehrpläne beinhalten, denn all diese Broschüren, die es auch dazu gibt – veröffentlicht von geförderten Servicestellen –, der Grundsatzerlass, die Leitfäden, die Standards für Sexualaufklärung in Europa von der WHO befassen sich mit einem Thema: das Kind zunehmend als sexuelles Wesen zu etablieren und zu thematisieren. (Abg. Shetty: Warum haben Sie so eine Obsession damit eigentlich? – Abg. Amesbauer: Weil es nicht normal ist!) Es geht um Entgrenzung von Erwachsenen- und Kindersexualität. Kinder sollen in diesen Belangen einfach wie kleine Erwachsene behandelt werden. (Abg. Meinl-Reisinger: Was haben Sie damit? Unfassbar! Es gibt so viele wichtige Themen!)

Wir alle wissen, wie bedenklich das ist. Es gibt schon unzählige Beispiele von Lehrern und Eltern, die uns das erzählen. Kinder werden schon im Kleinkindalter dazu aufgefordert, aufzuschreiben, was sie alles über Sex wissen. Sie werden dann über sämtliche Sexualpraktiken und Sexspielzeuge aufgeklärt. (Zwischenrufe der Abgeordneten Erasim und Shetty.) Es geht um explizite sexuelle Inhalte, um


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pornografische Inhalte, mit denen sie da konfrontiert werden. (Abg. Erasim: Jetzt ist aber halt!) – Sie müssen die Briefe lesen, die Sie erhalten, die Beschwerden von Kindern und Lehrern, die schon davor warnen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Den Kindern wird explizit erklärt, dass es bedauerlicherweise diese Einteilung in zwei Geschlechter gibt, und es wäre doch so wunderbar, wenn es diese Grenzen nicht geben würde. (Ruf bei der SPÖ: ... kann man sich im Internet kaufen! Das sieht doch keiner!) Das ist Inhalt dieser Workshops.

Und daher appelliere ich an Sie, diese Erlässe in der Luft zu zerreißen (Beifall bei der FPÖ sowie Bravoruf des Abg. Kickl) und die Schulen mit klassischer Bildung zu fluten. Wir haben ganz andere Probleme. (Abg. Meinl-Reisinger: Eben!) Ein erheblicher Prozentsatz unserer Kinder kann leider nicht mehr sinnerfassend lesen. (Abg. Meinl-Reisinger: Eben!) Das sprachliche Niveau hinsichtlich Grammatik, Rechtschreibung und so weiter ist grottenschlecht. Wir haben natürlich auch die große Problematik mit den Kindern mit nicht deutscher Muttersprache. Das Niveau in den naturwissenschaftlichen Fächern ist dramatisch gesunken. Ab Herbst, wenn die neuen Lehrpläne greifen, wird das nochmals weiter nach unten gehen.

Wir haben das auch jetzt schon. Sogar auf der Parlamentshomepage werden die Texte auch in Einfacher Sprache angeboten. Das ist ja wohl eine wirkliche Kapitulation, die auch noch offen zugegeben wird. (Abg. Meinl-Reisinger: Das ist für Menschen mit einer Behinderung! Das ist ja unfassbar! Das ist ja unglaublich!)

Bevor unsere Kinder ab Herbst zunehmend – sie werden es ja jetzt schon – noch weiter verwirrt, manipuliert und indoktriniert werden: Bitte beseitigen Sie diese Erlässe. (Abg. Meinl-Reisinger: Die sind einfach zu doof!)

Ich appelliere an alle Eltern, genau hinzusehen, was in den Schulen vorgeht. Sprechen Sie mit Ihren Kindern darüber, was unterrichtet wird! Sprechen Sie mit den Lehrern und schauen Sie, wer als Externer in die Klassen geht!


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Ich bedanke mich jetzt schon im Voraus bei allen Lehrerinnen und Lehrern – das werden unzählige sein –, die diese Lehr- und Lerninhalte ignorieren und weiterhin unter schwierigen Bedingungen versuchen werden, unseren Kindern die klassische Bildung beizubringen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

16.54


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Abgeordnete Fürst, ich darf Sie im Sinne der Parlamentsdirektion informieren, dass das Parlament barrierefrei ist. Die Einfache Sprache gehört auch zur Barrierefreiheit, zur Inklusion dazu. Ich würde Sie bitten, das mitzunehmen. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS.)

Ich begrüße den Herrn Vizebürgermeister von Langenlois mit seiner Delegation recht herzlich bei uns im Parlament. – Herzlich willkommen. (Allgemeiner Beifall.)

Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Neßler. – Bitte.


16.54.47

Abgeordnete Barbara Neßler (Grüne): Herr Präsident! Geschätzte Kollegen und Kolleginnen! Ich verstehe nicht ganz, warum die FPÖ immer so unentspannt ist, wenn es um das Thema Sex geht. (Abg. Amesbauer: Sie verstehen viel nicht!) Sie haben ja auch eine Klage gegen die Safer-Sex-Kampagne des Ministeriums eingereicht und ich frage mich ganz ehrlich schon: warum? (Abg. Belakowitsch: Gut, dass Sie das noch erwähnen! Der nächste Skandal!) Was kann man gegen Verhütung haben? (Abg. Kassegger: Ich kann Sie beruhigen, Frau Kollegin! Wir sind da total entspannt! Aber bei den Kindern sind wir unentspannt, da haben Sie recht!) Was kann man gegen Konsens beim Sex haben?

Ich glaube, gerade bei diesem Thema gibt es noch viele Mythen, und ich glaube, je besser die Jugendlichen aufgeklärt sind (Abg. Wurm: Volksschüler auch, Barbara!), umso gescheiter. Gerade auch wenn es um das Thema Kindesmiss­brauch geht, ist es extrem wichtig (weitere Zwischenrufe bei der FPÖ), dass es


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sexuelle Aufklärung als Prävention gibt. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Kickl: Der Otto Muehl hat es auch gut gemeint!)

Ich bin aber froh, dass die FPÖ Qualitätssicherung bei sexueller Bildung so schlecht findet, denn dann wissen wir, wir haben vieles richtig gemacht. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Pfurtscheller. – Abg. Wurm: Bei der ÖVP klatscht nur die Frau Pfurtscheller! – Abg. Amesbauer: Die ist ja auch ziemlich woke!) – Liebe Kollegen und Kolleginnen, Sie können sich wieder beruhigen, wir reden nicht mehr über Sex.

Zurück zum eigentlichen Thema: Da ich selbst schon unterrichtet habe, weiß ich natürlich, wie extrem umfassend der Lehrberuf ist: Unterrichtsmaterialien vorbereiten, Hausübungen und Schularbeiten kontrollieren, Elternabende organisieren, dann gibt es noch den einen oder anderen Konflikt in der Klasse. Die Kollegin von den NEOS hat es schon ausgeführt: Die Liste ist sehr lang.

Und so schön der Beruf auch ist – es ist ein schöner Beruf, wenn man sieht, wie sich Jugendliche weiterentwickeln, wie sich Talente herauskristallisieren, wenn man sieht, wie Kinder eine Leidenschaft für etwas entwickeln, das kann ein schönes Gefühl sein –, so riesig ist der Aufgabenbereich. Das kann natürlich fordernd und zum Teil auch überfordernd sein, gerade für junge Lehrpersonen.

Es geht aber nicht nur um die administrativen Aufgaben. Es geht auch darum, dass man als Lehrperson nicht als Psychotherapeut:in, nicht als Sozialarbeiter:in oder Psycholog:in ausgebildet ist. Dass man sich neben dem umfassenden Fulltimejob auch noch mit dem Lehrer:innenbashing herumschlagen muss, das hilft natürlich auch nicht – aber dazu würde es jetzt eine eigene Rede benötigen.

Um Lehrer und Lehrerinnen wirklich im Unterricht freispielen zu können, braucht es natürlich – meine Kollegin hat es schon angesprochen – multiprofessionelle Teams an Schulen: von administrativen Kräften angefangen bis hin zu psychoso­zi­alem Unterstützungspersonal, pädagogischer Assistenz und so weiter, damit


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sich die unterschiedlichen Berufsgruppen und Experten und Expertinnen gegenseitig unterstützen und ergänzen.

Darum ist es uns auch so wichtig, dass gerade im psychosozialen Bereich vieles weitergeht, denn wir wissen, dass es vielen jungen Menschen einfach im Moment nicht gut geht. Es ist alles andere als eine easy Zeit: Teuerung, Krieg in Europa, die Klimakrise, die unsere Lebensgrundlage gefährdet. Die psychosoziale Unterstützung kann natürlich nicht zusätzlich noch Aufgabe der Lehrperson sein, sondern da braucht es Ressourcen in, aber auch außerhalb der Schule.

Das psychosoziale Personal in der Schule wurde schon angesprochen. Wir haben erstmalig die Finanzierung durch Bundesmittel erreicht und somit die Schul­psychologen und -psychologinnen aufgestockt. Wir haben auch außerhalb der Schule die kassenfinanzierten Plätze aufgestockt, wir haben das Projekt Gesund aus der Krise ins Leben gerufen und immer wieder aufgestockt und erweitert, sodass wirklich alle Jugendlichen niederschwellig eine Gratispsycho­therapie bekommen. (Beifall bei den Grünen.)

Das ist extrem wichtig. Warum? – Weil einfach in diesem Bereich politisch sehr viel lange verschlafen wurde, und wir sind dabei, das kränkelnde, unterfinan­zierte System auf sichere Beine zu stellen. Wir arbeiten natürlich im Großen und Ganzen auf Psychotherapie auf Krankenschein hin.

Was den gesellschaftlichen Handlungsbedarf anbelangt – gerade im Umgang mit psychischer Gesundheit oder Erkrankungen –, müssen wir noch viel lernen. Sätze wie zum Beispiel: Das ist alles halb so wild!, oder: Da muss man sich halt ein bisschen zusammenreißen!, sind zwar gut gemeint, aber helfen wirklich nicht weiter.

Ich glaube, wir müssen bei diesem Thema Schritt für Schritt viel enttabuisieren, damit wir irgendwann zur Normalität kommen, dass es in Ordnung ist, dass man, wenn man gefragt wird: Wie geht es dir?, sagt: Mir geht es im Moment nicht gut. (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)


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Zum Schluss noch zu den NEOS: Kollegin Blimlinger hat es angesprochen, wir sind nicht in einer Alleinregierung, natürlich kann man vieles kritisieren. Warum jetzt aber die Bildungspolitik in Wien so sehr gelobt wird, verstehe ich nicht ganz. (Abg. Meinl-Reisinger: Weil unfassbar viel weitergeht!) Wir haben Fördermiss­brauchsskandale, wir haben Lehrer:innenmangel, 250 Lehrer und Lehrerinnen konnten nicht rechtzeitig an Schulen vermittelt werden. Die Reform der Lehrer:in­nenzuteilung ist komplett in die Hose gegangen. Es gingen sogar Kinder und Eltern auf die Straße, um dagegen zu demonstrieren. Das ist also insgesamt jetzt auch nicht unbedingt ein Ruhmesblatt. (Abg. Meinl-Reisinger: Wohl, das war sogar sehr gescheit! Man muss ja doch Reformen machen!)

Grundsätzlich bin ich bei Ihnen, wenn es um Bürokratieabbau geht. Ich bin bei Ihnen, wenn es um verschränkte Ganztagsschulen geht. Eines muss man aber schon auch sagen, weil sich die NEOS immer als supercoole Bildungspartei inszenieren: Es ist nicht cool, wenn man Studiengebühren fordert. Es ist auch nicht cool, wenn man Zugangsbeschränkungen fordert. Studiengebühren führen lediglich dazu, dass Kinder aus finanziell schlechtergestellten Haushalten weniger Chancen haben. (Abg. Wurm: Da seid ihr schuld, Barbara! Da seid ihr schuld!) Wenn Ihr Spruch „Flügel heben“ nur für Rich Kids gilt, dann kann ich das leider so nicht mittragen. (Zwischenruf der Abg. Künsberg Sarre.) Das ist so quasi die Aussage: Ja, die, die es sich leisten können, haben es schön und die anderen bleiben auf der Strecke. Das ist nicht unser Verständnis von Bildungspolitik. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenrufe bei den NEOS.)

Abschließend: Viele Schülerinnen und Schüler befinden sich schon in den Ferien. Von Vorarlberg sind Schüler:innen hier, habe ich gehört, dort beginnen die Ferien morgen. – Ich wünsche euch eine sehr erholsame Zeit. (Abg. Belakowitsch: Haben Sie auch schon Ferien morgen?!) Ich hoffe, ihr könnt euch erholen – mit oder ohne Nachprüfung. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

17.01



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll224. Sitzung, 224. Sitzung des Nationalrats vom 6. Juli 2023 / Seite 325

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Yannick Shetty. – Bitte.


17.01.25

Abgeordneter Mag. Yannick Shetty (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen, liebe Zuseher! Noch ein Wort zu Kollegen Marchetti: Kollege Marchetti hat 4:20 Minuten geredet, von den 4:20 Minuten hat er 4:20 Minuten über Wien geredet und nicht darüber, wofür wir hier verantwortlich sind, nämlich für die Bundespolitik. (Beifall bei den NEOS.)

Er hat da über Wien gesprochen. (Abg. Belakowitsch: Er ist ein Wiener Abgeord­neter!) Ehrliches Wort: Läuft in Wien alles gut? – Nein. (Beifall des Abg. Marchetti.) Haben wir das behauptet? – Nein. Aber Sie trauen sich - - (Rufe bei ÖVP und Grünen: Ja! Sagt ihr noch immer dauernd! – Abg. Meinl-Reisinger: ... zündet ein Feuerwerk der Bildungsinnovation!) – Dass alles gut läuft in Wien, dass es keine Probleme gibt? Dann sollten Sie besser zuhören. Sinnerfassendes Hören ist auch eine Kompetenz, die Sie vielleicht noch lernen sollten! (Wider­spruch bei der ÖVP.)

Sie trauen sich aber allen Ernstes, Christoph Wiederkehr, der ein Stadtratsbüro übernommen hat, in dem viele Jahre lang nicht das Richtige gemacht worden ist – das ist richtig! –, der sich bemüht (Abg. Marchetti: Bemüht, ja, bemüht! – Heiterkeit bei Abgeordneten der ÖVP), der hackelt und der Vorschläge liefert, dem Herrn Bildungsminister gegenüberzustellen. Das trauen Sie sich! Das trauen Sie sich trotz dieser Untätigkeit auf Bundesebene – das ist ja unverschämt! (Beifall bei den NEOS. – Abg. Marchetti: Gibt es Fakten auch? – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Beim Herrn Bundesminister machen wir gleich weiter – ich kann nur wieder­holen, was meine Kolleginnen und Kollegen schon gesagt haben –: Wofür stehen Sie eigentlich? (Ruf bei der ÖVP: Setzen, Fünf!) Ich sage Ihnen jetzt etwas ganz Ehrliches: Nicht nur wir hier und nicht nur die Menschen in Österreich, sondern


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auch Ihre Kolleginnen und Kollegen wissen nicht, wofür Sie stehen. Schauen Sie einmal ihre Blicke im Ausschuss oder heute während Ihrer Rede an (Zwischenruf des Abg. Höfinger): Die wissen ja auch nicht, was Ihre Vision ist, was Ihre Vor­stellung von guter Bildungspolitik ist. Ratlosigkeit, das herrscht im Unterrichts­aus­schuss vor, auch bei Ihren Kolleginnen und Kollegen. Keiner weiß, wofür Sie stehen!

Diese Bundesregierung hat Bildungspolitik abgeschrieben, gekübelt. Da tut sich gar nichts mehr. (Beifall bei den NEOS.)

Sie sind nämlich kein Ermöglicher, sondern Sie sind in ganz alter ÖVP-Manier ein Verhinderer, ein Blockierer und ein Verwalter. Herr Minister, wir haben heftige Auseinandersetzungen mit Ihrem Vorgänger, Heinz Faßmann, gehabt. Das können alle hier bezeugen. (Abg. Höfinger: Ja! – Abg. Schmuckenschlager: Er zittert heute noch! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Wir waren regelmäßig unter­schiedlicher Meinung, aber er hatte eine Meinung zu Dingen. Er hat eine bildungs­politische Vorstellung gehabt. (Abg. Haubner: Wer?) Ja, die war eine andere als die unsere, aber sie war da. Bei Ihnen merkt man einfach gar nichts mehr, und das merken alle Menschen in Österreich. (Beifall bei den NEOS. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Bei Ihnen hat man keine Ahnung, wie Sie zur Schulautonomie, zu einem bundes­weiten Chancenindex, zu im Schulsystem verankerten Bildungsinnovationen stehen – Stille, Stille, man hört nichts. Wir haben im Ausschuss dann Ihre Visions­losigkeit beklagt, wir haben uns beschwert, dass keine einzige Gesetzesidee in den Ausschuss gekommen ist – keine einzige! –, sondern es gab nur Anträge der Opposition. Es gab keine einzige Idee, sondern nur einen unverbindlichen Entschließungsantrag zum Thema Energieeffizienz, aber dazu reden wir eh später. (Abg. Salzmann: Dazu haben wir schon geredet, Shetty, das hast du verschlafen!) Dann haben Sie – ich habe es mir notiert; Zitat – gesagt: Wir wollen die Bürokratie eindämmen, deswegen machen wir keine neuen Gesetze. – Ich habe mir gedacht, das ist ein schlechter Scherz, aber Sie meinen das ernst, und das macht wirklich Angst.


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Stichwort Bürokratieabbau: Eine Umfrage unter Lehrerinnen und Lehrern zeigt, was wir heute schon mehrfach aufgezählt haben, wo überall wirklich zubüro­kratisiert wird (Abg. Michael Hammer: Das waren noch Zeiten, wie der Strolz da war, da habt ihr mit Bildung noch etwas zu tun gehabt!): mehrmaliges Eintragen von Noten, mehrmaliges Eintragen von Fehlstunden, mehrmaliges Eintragen von Zeugnissen, mehrmalige Erfassung von Anwesenheiten, doppelte und dreifache Bearbeitung von Verwaltungslisten (Abg. Michael Hammer: Flügelheber, da habt ihr noch mit Bildung etwas zu tun gehabt!), unzählige Behördenansuchen, Dutzende Anträge für Zuschüsse, ein Formulardschungel bei Supplierungen (Abg. Salzmann: Welche Supplierformulare? Wovon redest du?), ein Bürokratiemonster Schulbuchaktion und, und, und – die Liste ist unendlich lang. Es sind Listen zu führen, die sich niemand ansieht, Berichte zu verfassen, die nachträglich keiner mehr liest – und das alles auf dem Rücken der Schülerinnen und Schüler. Herr Minister, hören Sie endlich damit auf! Lassen Sie die Lehrerinnen und Lehrer in Ruhe! (Beifall bei den NEOS.)

Schülerinnen und Schüler sind es - - (Abg. Michael Hammer: Mitleidsbekundungen von den NEOS, das war ja kein Applaus! – Heiterkeit bei Abgeordneten der ÖVP.) – Herr Kollege Hammer, ich sage Ihnen jetzt etwas (Abg. Michael Hammer: Ja, sagen Sie es mir!), Sie sind da nämlich ein ganz spezieller Fall dafür (Heiterkeit und Zwischenrufe bei Abgeordneten der ÖVP): Schülerinnen und Schüler sind es nämlich, die Ihren – da zähle ich Sie dazu – Bürokratiefetischismus aushalten müssen. Das ist nicht lustig, weil das Konsequenzen hat. Wenn Lehrer keine Zeit zum Unterrichten haben, dann stürzen wir bei allen Testungen ab, und das sehen wir: Rechnen, Lesen, Schreiben – überall nur mehr Mittelmaß, und das ist die nackte Wahrheit. Akzeptieren Sie das endlich einmal! (Abg. Michael Hammer: Applaus bitte! Die lassen ihn komplett verhungern da!)

Herr Minister, im Ausschuss haben Sie beklagt: Die Opposition, die schimpft nur, die kritisiert nur! – Also erstens einmal, Herr Minister, ist die Kernaufgabe der Opposition, zu kontrollieren. (Abg. Schmuckenschlager: Kontrollieren und Kritisie­ren sind zwei ...!) Ohne Kontrolle gibt es keine Demokratie. Das ist übrigens ein


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Konzept, das man im Schulfach politische Bildung lernen würde. Es ist dringend an der Zeit, dass es auch das gibt.

Herr Minister, wenn Sie uns aber nicht glauben, wenn wir Sie kritisieren, dann hören Sie sich doch einmal an, was die Politikexperten sagen: In der „Kronen Zeitung“ haben letzte Woche (Abg. Schmuckenschlager: Jeannée?) Peter Filzmaier und Thomas Hofer alle Ministerinnen und Minister benotet. Da waren übrigens auch bessere Noten dabei, das war keine Pauschalabrechnung. Schauen Sie sich das einmal an! Ich zeige es Ihnen (eine Tafel mit einer Titelseite der „Kronen Zeitung“ mit der Schlagzeile „Schlechte Noten bei Bildung, Integration“ und der Überschrift „Raab, Polaschek & Co.: Diese Minister müssen nachsitzen“ in die Höhe haltend – Zwischenrufe bei der FPÖ): „Raab, Polaschek & Co.: Diese Minister müssen nachsitzen“, „Schlechte Noten bei Bildung“ und „Integration“. – Der Bildungsminister muss sitzenbleiben, das sagt nicht die Opposition, das sagen die Expertinnen und Experten. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Taschner: Eine Exper­tenzeitschrift, aha! – Abg. Salzmann: Ist die „Krone“ eine Fachzeitschrift, oder wie? – Abg. Disoski: Die „Kronen Zeitung“ ist jetzt super, oder was? – Zwischenrufe bei ÖVP und Grünen.)

So, und jetzt fasse ich Ihnen noch einmal zusammen, was es bräuchte:

Erstens: Bürokratismus radikal reduzieren. Wir verlangen weniger Formulare, weniger Listen, weniger Schikane. Wir fordern 50 Prozent weniger Bürokratie in der Schule.

Zweitens: Vertrauen statt Kontrolle. Machen Sie Vertrauen zum Prinzip und nicht zur Ausnahme! Lehrer:innen sind nämlich Teil der Lösung und nicht Teil des Problems.

Drittens: endlich digitale und userfreundliche Verwaltungsabläufe. Die gehören dringend vereinfacht und Doppelgleisigkeiten gehören beendet.

Viertens: einen neuen Leitsatz: Lehrkräfte lehren lassen und die Verwaltung verwalten lassen. Lassen Sie Lehrerinnen und Lehrer ihren Job machen, indem


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Sie das Verwaltungspersonal aufstocken, sodass Lehrerinnen und Lehrer dadurch die Möglichkeit bekommen, zu unterrichten! (Abg. Michael Hammer: Jawohl, Herr Gscheit! – Abg. Salzmann: Was ist mit der Redezeit?!) – Ich habe anscheinend noch welche, es tut mir leid, also noch ist sie nicht vorbei. (Ruf bei der ÖVP: Leider!)

Herr Bildungsminister, die Medien haben Ihnen zum wiederholten Male ein Nicht genügend ausgestellt. Als Minister wissen Sie, was Schülerinnen und Schülern droht, wenn sie regelmäßig negativ beurteilt werden. Die Möglich­kei­ten gibt es für Minister aber nicht: Ganz oder gar nicht heißt es da. Nachsitzen, Klasse-Wiederholen gibt es für Minister nicht. Deswegen nützen Sie bitte den Sommer, um in die Gänge zu kommen und eine Vision für das Bildungssystem im Sinne der Schülerinnen und Schüler zu entwickeln! (Beifall bei den NEOS. – Abg. Kickl: Aber Misstrauensantrag gibt es keinen?! – Zwischenruf des Abg. Martin Graf.)

17.08


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Rudolf Taschner. – Bitte.


17.08.49

Abgeordneter Mag. Dr. Rudolf Taschner (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Herr Kollege Shetty, ich darf Ihnen sagen, diese 4:20 Minuten, die Kollege Marchetti verwendet hat, hat er für Ihr Thema verwendet, nämlich was die Bürokratisierung anlangt, und dabei gezeigt, dass in Wien die Sache tatsächlich viel mehr im Argen liegt als anderswo, insbesondere als im Bund. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich meine, so steht es halt bei Matthäus: Was siehst du den Splitter im Auge deines Bruders, und den Balken im eigenen, den siehst du nicht. Was willst du dem Bruder sagen, er soll den Splitter aus seinem Auge ziehen, wenn in deinem


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Auge ein Balken steckt? – Ich glaube, damit ist dieses Thema, was Bürokrati­sierung anlangt, völlig abgehakt. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Loacker.)

Nebenbei gesagt: Es wurde dann vonseiten der NEOS, aber natürlich auch vonseiten der SPÖ gesagt, wir hätten Möglichkeiten, die Schule viel besser zu machen, und es wurde aus der Mottenkiste die Idee der gemeinsamen Schule herausgeholt. Herr Kollege Oxonitsch hat behauptet, die Wissenschaft hat das bewiesen.

Herr Kollege Oxonitsch, ich darf Ihnen sagen, es ist falsch. Es gibt auch Wissen­schafter, die sagen, es ist nicht so. (Abg. Matznetter: Ja, aber die sind schon lange widerlegt! Das war heute ..., Herr Kollege! Ist lang vorbei! – Abg. Michael Hammer: Der außenpolitische Sprecher!) Ich darf Ihnen ganz gelassen etwas mit­teilen: Die Gesamtschule kann funktionieren (Rufe und Gegenrufe zwischen SPÖ und ÖVP), die Gesamtschule kann aber auch schiefgehen; das differenzierte Schulsystem kann schiefgehen, das differenzierte Schulsystem kann auch funktionieren. Davon hängt es wirklich nicht ab.

Wir wissen, wovon es abhängt. Die Hattie-Studie hat es bewiesen, aber wir haben es schon von vornherein gewusst: Es liegt an der Qualität der Lehrerinnen und Lehrer. Es liegt daran, dass man gut ausgebildet ist und gerne in der Schule unterrichtet. Da setzen wir jetzt auch an, meine sehr verehrten Damen und Herren: Die Lehramtsausbildung wird jetzt neu gefasst, und das wird der Punkt sein, von dem aus dann in konzentrischen Kreisen sich die Schule verbessern wird.

Die Schule wird immer verbesserungswürdig sein. Schola semper reformanda – immer muss die Schule besser werden, das ist ganz selbstverständlich; aber wir setzen bei der Lehramtsausbildung an, weil das der wirkliche Kern ist: Wir wollen gut ausgebildete Lehrer haben, die gerne in den Schulen unterrichten.


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Meine sehr verehrten Damen und Herren von der SPÖ! Ich habe mir von damals, als Ihr jetziger Vorsitzender die Rede in Linz gehalten hat, eigentlich nur gemerkt: Fünf Finger sind eine Faust!, aber zur Bildungspolitik habe ich nichts gehört – null, nichts. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Heinisch-Hosek: O ja!) Es war die Wüste, geistige Wüste. Ein paar Versatzstücke aus dem Jahre 1968 folgende, aber sonst nichts. (Ruf bei der SPÖ: Selektives Gehör!)

Für den Vorsitzenden der Freiheitlichen Partei ist es selbstverständlich, in seinen Büttenreden auf andere Parteien zu dreschen. Bildung ist aber nicht das richtige Thema dafür, das sehe ich ein. Bildung ist heikel, ist kompliziert, ist subtil, das kann man nicht reinbringen. Ich habe Verständnis.

Aber Bundeskanzler Karl Nehammer (Abg. Kickl: Das ist doch ...! – Heiterkeit bei Abgeordneten der FPÖ – Zwischenruf des Abg. Leichtfried) hat in seiner Rede zur Zukunft der Nation den Zukunftsplan Österreich 2030 vorgestellt, und wissen Sie, was der erste Punkt des Zukunftsplans war? – Das war das Thema Bildung. Bildung war das erste Thema und Bildung war für ihn das wich­tigste Thema. (Beifall bei der ÖVP. – Heiterkeit bei der FPÖ.)

Ich darf Ihnen verraten: Hier sitzen auch diejenigen, die dafür einstehen werden. Das sind die Praktiker: Das ist Frau Kollegin Deckenbacher, das ist Frau Kollegin Salzmann, das ist Frau Kollegin Totter, das ist Herr Kollege Hofinger, das ist Herr Kollege Johann Weber. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Leichtfried: Und warum erwähnen Sie den Hammer nicht?) Das sind diejenigen, die wissen, wie wichtig Bildung in der Wirtschaft ist: Das sind Frau Kollegin Himmelbauer, Frau Kollegin Niss, Frau Kollegin Kaufmann. (Abg. Leichtfried: Hammer nicht vergessen!) Das ist die Jugend, die hier durch Kollegen Marchetti vertreten ist, denn für die Jugend machen wir ja die Gesetze! (Beifall bei der ÖVP. – Ruf bei der SPÖ: Ganz schlechte Rede! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Diese Leute werden dafür sorgen, dass wir, die ÖVP, hier die Bildungspartei auch in Zukunft sein werden. (Ruf bei den NEOS: Sie verwechseln die ...!)


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Bei Ihnen (in Richtung SPÖ) heißt es: Fünf Finger machen eine Faust!, okay. Bei Ihnen (in Richtung FPÖ) heißt es: Festung Österreich. Alles ist ein bisschen martialisch, nicht ganz meins. Wir sagen: Schule ist Leuchtfeuer der Aufklärung. Das soll es werden, und dafür stehen wir ein. (Zwischenrufe der Abgeordneten Erasim und Schroll.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren auf der Galerie! Wenn Sie darauf setzen, dass die Bildung hier gut aufgehoben ist, damit auch die Zukunft in Österreich gut aufgehoben ist: Hier an dieser Seite ist sie gut aufgehoben, nämlich bei der Österreichischen Volkspartei. (Anhaltender Beifall und Bravorufe bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Kickl. – Heiterkeit bei FPÖ und NEOS. – Abg. Loacker: Lei-lei! – Abg. Leichtfried: Das war die ... skurrile Rede!)

17.12


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Katharina Kucharowits. – Bitte, Frau Abgeordnete.


17.13.02

Abgeordnete Katharina Kucharowits (SPÖ): Frau Präsidentin! Werte Herren Bundesminister! Geschätzte Kollegen und Kolleginnen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Herr Kollege Taschner, es war ein besonders amüsanter Beitrag Ihrerseits, vor allem der Abschlussappell. (Beifall bei SPÖ und NEOS.)

Ich möchte Ihnen nur sagen: Die Lage lässt eigentlich keine amüsanten Bei­träge zu, weil der Hut brennt (Ruf bei der FPÖ: Bei euch, ja!), weil in der Bildungspolitik der Hut brennt. Langfristige Maßnahmen, die da angekündigt werden, wie die PädagogInnenbildung Neu helfen aktuell niemandem, und das ist das riesige, riesige Problem. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundesminister! Sie sind seit eineinhalb Jahren Bildungsminister. (Abg. Matznetter: Sicher?) Ihre Bilanz: Kinder, die keinen Platz in der Kinderkrippe haben, Streiks bei den Elementarpädagog:innen, Streiks bei den Freizeitpäda­gog:innen, Lehrer:innen, die nicht mehr können und um Hilfe schreien, der


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Druck, der bei den Schüler:innen steigt und steigt und steigt, die übrigens auch um Hilfe bitten, und Nachhilfe, die man bereits in der Volksschule nehmen muss.

Ich frage Sie ehrlich: Wie geht es Ihnen da als Minister, der eigentlich dafür zuständig wäre? Wie geht es Ihnen? Nach dieser Bilanz, die wirklich sehr, sehr traurig ist – und Sie bestehen ja so wahnsinnig auf Ziffernoten – kann man Ihnen nur einen Fünfer geben.

Zum Drüberstreuen: Wir stehen kurz vor der Sommerpause, und es gibt keinen einzigen Beschluss, der aus Ihrem Ressort kommt, den wir an diesen drei Sitzungstagen – gestern, heute und morgen – fassen werden. (Zwischenruf des Abg. Bernhard.) Sie verharren in klarem Stillstand. Das System kracht, die Betroffenen krachen und Sie schweigen. Sie schweigen in den letzten Monaten und Sie schweigen heute. Ich sage Ihnen ehrlich: Das ist wirklich erbärmlich! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Shetty.)

Wir fordern Sie an dieser Stelle auf: Sie müssen endlich handeln und Ihrer Rolle als Bildungsminister gerecht werden! Als Bildungsminister muss man für einen Bildungsplatz für jedes Kind kämpfen, wurscht, wo das Kind zu Hause ist, und wurscht, wie dick das Geldbörsl der Eltern ist, ganz ehrlich! (Beifall bei der SPÖ.)

Die roten Bundesländer Wien, Burgenland und Kärnten garantieren diesen kostenlosen Kinderbildungsplatz. Was machen die Schwarzen? – Nichts, Sie machen einfach nichts! (Abg. Leichtfried: Ja, die haben noch nie was gemacht!)

Als Bildungsminister muss man sich einsetzen – und nicht abschaffen –, nämlich für den Ausbau von ganztägigen verschränkten Schulformen. Warum? – Weil Kinder dort umfassende Bildung erfahren, nämlich in den Bereichen Musik, Kunst, Kultur, Sport, aber auch, ganz aktuell, im Umgang mit künstlicher Intelli­genz. Bitte, wir dürfen das nicht verschlafen! Was machen Sie? – Sie wollen es einstampfen. Das ist wirklich unfassbar! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.)


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Als Bildungsminister sind Sie auch dafür verantwortlich, Armut von Schülerinnen und Schülern ein Stück weit zu bekämpfen. Sie könnten Folgendes machen: Sie könnten jedem Kind jeden Tag ein warmes Mittagessen kostenlos zur Verfügung stellen. Das braucht es einfach ganz dringend! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

Ganz ehrlich, Sie können auch ein Stück weit Kindern Druck nehmen. Wenn man nämlich schon in der Volksschule den Megastress hat, dass man top Noten hat, damit man ja ins Gymnasium kommt, dann ist das ungesund (Abg. Kickl: Geh bitte!) und macht Kinder krank. Deshalb her mit der gemeinsamen Schule! Wir werden nicht aufhören, das weiter zu fordern. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich sage es Ihnen ehrlich, die Lehrerinnen und Lehrer können nicht mehr und brauchen Unterstützung in den Klassen. Dafür braucht es aber bessere Bezahlungen und bessere Rahmenbedingungen. – Auch das wäre Ihr Job! (Beifall bei der SPÖ.)

Schaffen Sie auch endlich diese diskriminierenden Deutschförderklassen ab! (Abg. Heinisch-Hosek: Genau!) Ich sage Ihnen das ehrlich, Sie wissen das als Wissenschaftler: Kinder lernen voneinander und nicht, wenn sie voneinander getrennt sind. Das müssen Sie endlich abschaffen!

Die Probleme haben wir skizziert. Die Lösungen, Herr Bundesminister, liegen aber auch auf dem Tisch, nämlich hier im Haus. Sie müssen nicht einmal selbst etwas kreieren oder selbst Visionen haben, Sie müssen nur auf die Expertinnen und Experten hören: auf die Schüler:innen, die Lehrer:innen, die Wissen­schaftler:in­nen und die Eltern. Das tun Sie aktuell nicht. Ich hoffe aber und appelliere an Sie, dass Sie sich im neuen Schuljahr verbessern, so wie Sie das von Schüler:innen erwarten, die heuer ein Nicht genügend haben. (Beifall bei der SPÖ.) Also strengen Sie sich an! Kommen Sie endlich in Bewegung, um Bildung im Sinne der Kinder zu bewegen! – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Krisper.)

17.17



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll224. Sitzung, 224. Sitzung des Nationalrats vom 6. Juli 2023 / Seite 335

Präsidentin Doris Bures: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Pia Philippa Beck zu Wort. – Bitte.


17.17.35

Abgeordnete Pia Philippa Beck (ohne Klubzugehörigkeit): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Es ist ein Dringlicher Antrag, der nicht dringender sein könnte. Schulen von der Bürokratie befreien, Lehrkräfte für die Arbeit mit den Kindern freispielen – wie wichtig wäre das?

Wie sieht derzeit die Realität an den Schulen in Österreich aus? – Trostlos. Es ist frustrierend für alle Seiten: für Lehrer, für Eltern, für Schülerinnen und Schüler. Fragt man ein Kind vor dem Schuleintritt: Und, freust du dich schon auf die Schule?, antwortet meistens voller Euphorie: Ja, ich freue mich! – Kurz darauf kommt dann meistens irgendein Erwachsener auf die Idee, den Nachsatz zu liefern: Ja, ja, noch, aber die Freude wird dir schon noch vergehen, schneller, als du denkst!

Aber warum? Warum bitte soll einem Kind die Freude am Lernen vergehen? Warum wollen wir nicht jetzt endlich damit beginnen, eine Schule der Zukunft zu gestalten? Es soll eine Schule sein, in der es sowohl dem Lehrkörper wieder Spaß macht, zu unterrichten, als auch den Kindern wieder Spaß macht, zu lernen. Die heutige Realität in den Schulen ist ja ganz anders: Pädagoginnen und Pädagogen sind maßlos überlastet, Personalmangel zieht sich auch hier durch wie ein roter Faden, und das nicht erst seit kurzer Zeit.

Dabei wäre es doch hier so wichtig, endlich in die Zukunft zu investieren und ein Bildungssystem zu schaffen, das zeitgemäß ist, bei dem das Lernen Freude macht! Die Kinder und Jugendlichen haben sich verändert, die Zeit hat sich verändert, die Arbeitswelt hat sich verändert, aber das Bildungssystem hat sich nicht verändert. Im Gegenteil, man kann ob der Schnelllebigkeit unserer Gesellschaft und auch all der Technologien sagen: Es stagniert und bereitet unsere Kinder nicht optimal auf die Zukunft vor.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll224. Sitzung, 224. Sitzung des Nationalrats vom 6. Juli 2023 / Seite 336

Dabei wäre es wichtig, dieses Investment in die Zukunft zu machen. Eine Investition und eine Reformierung in diesen zahlreichen Bereichen sind nicht nur wichtig, weil es um Kinder geht, sondern weil es um jedes Kind geht. Egal, aus welcher Familie es kommt, egal, welchen finanziellen Hintergrund es hat, jedes Kind hat ein Recht auf Bildung, auf Lernen, auf Spaß an der Schule und auf Wissen.

Wie schön wäre es, jedem Kind in diesem Land die Möglichkeit zu schenken, seine individuellen Stärken und Schwächen herauszufinden und diese dann auch entsprechend zu fördern! Jeder hier in diesem Raum, der selbst Kinder hat, und auch jene, die keine haben, wissen, wie individuell Kinder sind, und wissen auch, wie schnell sich etwaige Stärken oder Schwächen herauskristallisieren. Es wäre wichtig, bereits im Elementarbereich anzusetzen, um entsprechende Stärken zusätzlich zu fördern; aber gut, das ist ein anderes Thema und das ist noch ein weiter Weg.

Lehrer zu entlasten und ihnen die Möglichkeit zu schenken, wieder das tun zu können, was ihnen am Herzen liegt, wäre ein entscheidender Schritt, denn so würde man gerade auch in Anbetracht des akuten Personalmangels rasch die Möglichkeit schaffen, dass Kindern in den Schulen wieder mehr Zeit geschenkt wird, dass sie individuell wahrgenommen werden können. Lehrerinnen und Lehrer würden nicht mehr an ihrem Beruf verzweifeln, nicht mehr keine Gesprächs­basis mit dem zuständigen Minister sehen, weil sie sich weder verstanden noch gehört fühlen, und würden nicht schneller in einen psychologischen Ausnah­mezustand schlittern, als das Studium gedauert hat. Das hat sicher noch mehrere Gründe, aber die Frustration ist derzeit unfassbar groß.

All diese Maßnahmen hätten ganz rational betrachtet auch Vorteile für die Wirt­schaft, denn früh zu wissen, in welchem Bereich man ein Kind und seine Begabungen fördert, bedeutet auch, dass Kinder optimal lernen können und den Spaß nicht verlieren, sich verstanden fühlen und nicht nur durchgewunken werden, damit dann am Ende herauskommt, dass sie beispielsweise eben nicht sinnerfassend lesen können und somit auch am Arbeitsmarkt mit ziemlicher


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll224. Sitzung, 224. Sitzung des Nationalrats vom 6. Juli 2023 / Seite 337

Sicherheit nicht nur länger brauchen werden, um Fuß zu fassen, sondern im schlimmsten Fall scheitern werden. Die Jugendarbeitslosigkeit bei den unter 25-Jährigen ist immer noch signifikant hoch, und das ist ebenfalls eine Begleit­erscheinung des überlasteten Bildungssystems.

Wissen ist Macht! Wissen zu vermitteln heißt, in unserem gesamten System eine unfassbar wichtige und tragende Schlüsselrolle zu haben, eine Aufgabe und eine Herausforderung, die unseren allergrößten Respekt und auch unsere größten Bemühungen für Verbesserungen und permanente Evaluierungen dieses Systems verdient. Reformieren wir dieses System! Schaffen wir die Möglichkeit einer Entlastung, schaffen wir die Möglichkeit, dass Wissen zu vermitteln wieder Spaß und Wissen zu beziehen wieder Freude machen kann! Dazu braucht es keine Revolution an den Schulen, aber zeitgemäße Evolution mit Blick auf die Zukunft wäre für alle Beteiligten wünschenswert und dringend notwendig. Das geht aber eben nur, wenn man bereit ist, alte Strukturen aufzubrechen, und auch nur, wenn es einen Bundesminister gibt, der auch Fehler eingestehen kann. (Beifall bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS.)

17.22 17.22.41


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Damit gelangen wir zur Abstimmung über den Selbständigen Antrag 3509/A(E) der Abgeordneten Beate Meinl-Reisinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Schulen von Bürokratie befreien, Lehrkräfte für die Arbeit mit den Kindern freispielen!“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem ihre Zustimmung geben, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

17.23.15Fortsetzung der Tagesordnung


Präsidentin Doris Bures: Damit nehme ich die Verhandlungen zu Tagesordnungspunkt 10 wieder auf.


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Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Johann Weber. – Bitte, Herr Abgeordneter.

Wir haben dann gleich wieder eine Abstimmung, ich mache Sie nur darauf aufmerksam.


17.23.35

Abgeordneter Ing. Johann Weber (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren auf der Galerie und zu Hause vor den Bildschirmen! Wir kommen wieder zurück zum Thema Energieeffizienz und Nachhaltigkeit an den Schulen, das wirklich in aller Munde ist. Wir sind nicht nur im privaten Bereich, besonders auch aus eigenem Interesse, gefordert, nachhaltig und wirklich sparsam zu sein, sondern auch im öffentlichen Bereich ist es so.

Aus diesem Grund wurden für den Betrieb, für die Sanierung und speziell für den Neubau von Schulen im sogenannten Schulentwicklungsprogramm 2020 ganz klare Ziele definiert. Dazu zählt, dass erneuerbaren Energien wie zum Beispiel der Fernwärme oder der Fotovoltaik im Speziellen Vorrang eingeräumt werden soll. Ziel muss einfach sein, dass es beim Betrieb der Schulen zu einer Reduktion der CO2-Emissionen kommt.

Ich komme aus Wolfsberg und ich bin sehr stolz auf meine Heimatgemeinde Wolfsberg, denn bereits in den letzten Jahren wurde in diesem Bereich wirklich sehr viel unternommen und auch investiert. So wurde vor allem mit den Geldern aus dem Kommunalen Investitionsprogramm, den KIP-Mitteln, vernünftig und auch nachhaltig investiert. Wir haben sieben Volksschulen bei uns in der Gemeinde Wolfsberg und alle sieben Volksschulen wurden in der letzten Zeit mit Fotovoltaikanlagen ausgestattet. Durch die guten Förderungs­möglichkeiten, die es gegeben hat, konnten 95 Prozent der Mittel aus Förderungen lukriert werden, die Gemeinde musste lediglich 5 Prozent der Kosten tragen. Die Schulen in der Stadt Wolfsberg werden großteils bereits jetzt mit Fernwärme versorgt, bei den Mittelschulen und bei den Bundesschulen


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haben wir allerdings noch etwas Luft nach oben. Es gibt aber bereits einiges in Planung und auch in Umsetzung, speziell überall dort, wo Baumaßnahmen geplant sind beziehungsweise passieren.

Nachhaltigkeit an den Schulen muss grundsätzlich großgeschrieben werden, weshalb dieser Antrag auch durchaus hierher passt. Es ist wichtig, dass den Schülerinnen und Schülern ein Verständnis für erneuerbare Energie mitgegeben wird und ihnen gezeigt wird, wie wo was praktisch funktioniert. Die Schüler sind es nämlich, die dann die Ideen zum Optimieren der Energieeffizienz und auch der Nachhaltigkeit mit nach Hause nehmen, um dann auch die ältere Generation zu Hause davon zu überzeugen, in diesem Bereich eine sinnvolle Zukunfts­inves­tition ins Auge zu fassen und auch zu tätigen. Derart gestalten nämlich unsere Jungen als Zukunftsgeneration – ich bezeichne sie als Zukunftsgeneration – sinnvoll ihre eigene Zukunft. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

17.26


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Yannick Shetty. – Bitte sehr.


17.26.40

Abgeordneter Mag. Yannick Shetty (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Wir setzen fort mit der Debatte über Energieeffizienz in Schulen, wir sind aber noch beim Unterrichtsausschussblock, es sollte also eigentlich um Bildungsthemen gehen. Wir reden hier aber über dieses Thema und Sie fragen sich vielleicht zu Recht, so wie wir auch im Unterrichtsausschuss: Was hat das eigentlich mit Bildungspolitik zu tun? – Kollegin Hamann hat zuvor versucht, einen Bogen insofern zu spannen, als dass eine gute, eine nach­haltige Schule einen Impact auf die Bildungspolitik hat. Verstehen Sie uns nicht falsch, wir sind die Letzten, die dagegen sind, dass Schulen energieeffizient sein sollen, aber sind wir uns nicht darin einig, dass dafür nicht der Bildungsminis­ter, sondern Ihre Ministerin, Frau Gewessler, zuständig ist, dass das eigentlich


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nichts im Unterrichtsausschuss verloren hat, sondern dass wir dort vielleicht eher darüber reden sollten, wie man beim Rechnen, beim Lesen, beim Schreiben, bei den digitalen Kompetenzen vorankommt?

Dass insbesondere von den Grünen, die früher einmal eine Bildungspartei waren (Abg. Michael Hammer: Das warts ihr beim Strolz auch noch!) und die sich Bildung auch auf die Fahnen geheftet haben, da so wenig Input kommt, so wenig Kreativität, was das Thema Chancengerechtigkeit betrifft, das finde ich schon auch verwunderlich und eigentlich bedauerlich, weil damit auch ein Partner im Kampf für mehr Chancengerechtigkeit im Bildungssystem verloren­geht. (Beifall bei den NEOS.)

Wenn wir über Chancengerechtigkeit reden: Es gibt einen Vorschlag, der auf dem Tisch liegt und den ich Ihnen gerne präsentieren oder gerne erklären würde und der vielleicht auch für Sie, Herr Minister, ein Input ist. Sie können sich das über den Sommer ein bisschen zu Herzen nehmen und vielleicht etwas davon dann auch im neuen Schuljahr umsetzen.

Wenn wir über den Chancenindex reden, dann lohnt es sich, ein bisschen über den Tellerrand hinauszuschauen und zu schauen – im Übrigen grundsätzlich –: Wo gibt es denn Best-Practice-Beispiele? Wo gibt es denn Länder, die Dinge schon gut machen, bei denen wir uns vielleicht eine Scheibe abschneiden können? – In London hatten sie Anfang der 2000er-Jahre ähnliche Herausforde­rungen, wie wir sie in vielen Schulen in Österreich haben, sei es in Wels, in Graz oder auch in vielen Wiener Bezirken.

Was haben die in London gemacht? – Die haben dort auf Ebene – wenn man es vergleichen will – der für London zuständigen Bildungsdirektion, also auf einer Verwaltungs-, auf einer Managementebene, die sogenannte London School Challenge ausgerufen. Die haben sozusagen generalstabsmäßig geplant und von oben draufgeschaut: Was sind denn die 500 schlechtesten Schulen und was sind


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denn die besten Schulen?, und sie haben danach die Mittelverwendung zugeteilt. Zu den Schulen, die besonders „schlecht“ – unter Anführungszeichen – waren, wo Gewalt ein Thema war, wo die Englischkenntnisse besonders schlecht waren, wo es zu wenig Assistenzpersonal gab, also zu den schlechtesten Schulen haben sie gezielt Mittel hingeschickt.

Hinter diesem Gedanken steckt der Chancenindex, und so etwas bräuchten wir auch dringend in Österreich. Das meine ich mit einer Vision. Wenn man das schon hört: London School Challenge, wenn man sich durchliest, wie das durch­ge­führt wurde, wie gut das gemanagt wurde, dann sieht man, dass wir meilenweit davon entfernt sind. Schauen Sie sich das an, nehmen Sie sich ein Beispiel und setzen Sie so etwas um!

Herr Minister, Sie werden jetzt sagen: Wir haben so etwas auch. 100 Schulen – 1 000 Chancen, so heißt das Projekt, glaube ich. – 100 Schulen! In London waren das nur in den ersten wenigen Jahren Hunderte Schulen, Hunderte Schulen, und man hat die ganze Finanzierung umgestellt. Das sollte man sich anschauen und das bräuchten wir auch in Österreich für mehr Chancengerech­tigkeit im Bildungssystem. (Beifall bei den NEOS.)

17.29


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Agnes Totter. – Bitte.


17.29.51

Abgeordnete MMag. Dr. Agnes Totter, BEd (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren! Nachhaltigkeit und Energieeffizienz wurden als wichtige Zielsetzungen ins Schulentwicklungsprogramm Schep 2020 aufgenommen. Als Ziele wurden die Präferenz erneuerbarer Energien, zum Beispiel Fotovoltaik, die Reduktion der CO2-Emissionen für den Betrieb der Schulen sowie eine Reduktion der Bodenversiegelung und die Erhöhung des Grünflächenanteils definiert.


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Um den Schulbau noch nachhaltiger und energieeffizienter zu gestalten, wurde darüber hinaus seitens des Bildungsministeriums mit der Bundesimmobilien­gesellschaft ein Fünfpunkteplan erarbeitet. Eine der fünf Maßnahmen ist der Ausbau von Fotovoltaikanlagen. Darüber hinaus wird im Zuge von Baumaßnah­men auch bei Nicht-BIG-Gebäuden jedenfalls die Errichtung einer Fotovoltaik­anlage geprüft und nach Möglichkeit auch umgesetzt.

Weitere Maßnahmen des Fünfpunkteplans sind die Verbesserung des Gebäude­standards bei Neubauten und Sanierungen, der Ausbau von Energiecontracting mit Fokus auf Energiesparen, die Umstellung von fossilen Brennstoffen weg und eine neue Planungsrichtlinie für den Schulbau. Um auch über den Bundesschul­bereich hinaus einen energieeffizienten und nachhaltigen Schulbau zu gewähr­leisten, werden die Richtlinien für den Bildungsbau laufend gemeinsam mit dem Österreichischen Institut für Schul- und Sportstättenbau adaptiert.

Meine Damen und Herren! Nachhaltigkeit ist auch an den Schulen ein ganz wichtiges Thema. Unsere Pädagoginnen und Pädagogen sind sehr engagiert und leisten auch in diesem Bereich einen wertvollen Beitrag. (Beifall bei der ÖVP.) Nachhaltigkeit bedeutet Regionalität und Wertschöpfung vor Ort, Wertschöp­fung vor Ort bedeutet die Entstehung und Sicherung von Arbeitsplätzen auch in den ländlichen Regionen. Das wiederum schafft Chancen, um der Landflucht entgegenzuwirken und den jungen Menschen in ihren Heimatgemeinden eine Perspektive zu geben. Nachhaltigkeit bedeutet aber auch, das Bewusstsein für regionale Produkte zu schärfen.

Es ist zu beobachten, dass gerade Alltags- und Lebenskompetenzen wie auch das Wissen über landwirtschaftliche Lebensmittelproduktion, in unserer Gesellschaft immer mehr verloren gehen. Da zu viele Kinder diese Fähigkeiten und Fertig­keiten von den Eltern nicht vermittelt bekommen, sind es wieder unsere Lehrerin­nen und Lehrer, die den Schülerinnen und Schülern das nötige Rüstzeug mitgeben, damit diese hinsichtlich Nachhaltigkeit umfassend ausgebildet werden und so ihren eigenen Lebensraum auch nachhaltig positiv gestalten können. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.) Umweltbildung für nachhaltige Entwicklung ist


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ein Unterrichtsprinzip und wird daher in allen Gegenständen und Fächern thematisiert.

Herzlichen Dank an dieser Stelle an die Pädagoginnen und Pädagogen für ihren äußerst wertvollen Einsatz. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Disoski und Maurer.)

17.33 17.33.05


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Damit kommen wir zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 2131 der Beilagen angeschlossene Entschließung betreffend „Sicherstellung von Maßnahmen im Bereich Energieeffizienz und Nachhaltigkeit an den Schulen“.

Wer dem seine Zustimmung gibt, den ersuche ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit so angenommen. (330/E)

17.33.4111. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 2396/A(E) der Abgeord­neten Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kostenübernahme von Exkursionen zu Gedenkstätten (2132 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir zum 11. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Frau Abgeordnete Sabine Schatz, Sie gelangen zu Wort. – Bitte.


17.34.09

Abgeordnete Sabine Schatz (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Aktuelle Studien zeigen leider, dass Schülerin­nen und Schüler der 9. Schulstufe enorme Bildungslücken über die Zeit des Nationalsozialismus haben. Eine intensive Auseinandersetzung mit diesem Teil


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unserer Geschichte halten wir aber gerade für die Demokratiebewusst­seins­bildung für enorm wichtig, Herr Bundesminister.

Leider machen wir aber auch immer öfter die Erfahrung, dass einzelne Schüle­rinnen und Schüler, aber auch gesamte Schulklassen oft an Exkursionen zu Gedenkstätten nicht teilnehmen können, weil das eine zu große finanzielle Herausforderung für die Familien ist. Die Kosten alleine für die Anreise einer Schulklasse aus Graz zur Gedenkstätte Mauthausen mit der Bahn belaufen sich auf mehr als 1 000 Euro. Der Bus aus Wien für eine Schulklasse kostet mehr als 900 Euro. Tatsächlich kommen dann noch die Kosten für die Vermittlung und teilweise auch Eintritte an den jeweiligen Gedenkstätten dazu. Für viele Schülerinnen, für viele Schüler, für viele Familien ist das nicht mehr leistbar, die aktuelle Teuerung, sehr geehrte Damen und Herren, befeuert diese Situation noch um ein Vielfaches. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir wollen sicherstellen, dass jede Schülerin und jeder Schüler die Gelegenheit bekommt und die Möglichkeit hat, an Exkursionen zu Gedenkstätten teilzu­nehmen. (Beifall bei der SPÖ.) Nein, ich fordere keinen Pflichtbesuch von Gedenk­stätten, aber der finanzielle Hintergrund der Eltern darf kein Hinderungsgrund sein, dass Schülerinnen und Schülern dieser Gedenkstättenbesuch verwehrt wird. Dafür setzen wir uns ein. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir fordern in diesem vorliegenden Antrag, dass die Gesamtkosten für Anreise, Vermittlung und möglicherweise auch Eintritte übernommen werden, weil wir das eben für essenziell halten. Im Juni des vergangenen Jahres haben wir diesen Antrag das erste Mal im Unterrichtsausschuss besprochen, er wurde mit den Stimmen von ÖVP und Grünen mit der Zusage, man wolle einen gemeinsamen Antrag auf den Weg bringen, vertagt. Das ist bis heute nicht passiert.

Ich bedanke mich aber explizit bei Ihnen, Herr Minister, für das persönliche Gespräch zu diesem Thema. Sie haben dann ja im Mai dieses Jahres einen Fonds mit 1,5 Millionen Euro präsentiert, der Schulklassen mit 250 oder 500 Euro unterstützen soll, um diese Gedenkstättenbesuche zu ermöglichen. Wir sehen


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aber, dass dieser Betrag leider nicht ausreicht, um die Gesamtkosten entsprechend zu übernehmen; die Kosten bleiben für viele unleistbar.

Außerdem kritisieren wir an diesem aktuellen Fonds, dass nur Besuche der Gedenkstätten Mauthausen, Gusen, Ebensee und Melk abgedeckt sind, also jene Gedenkstätten, für die die Bundesagentur zuständig ist. Das Mauthausen-Komitee Österreich beispielsweise bietet Außenlagerbegleitungen zu 23 Gedenk­­stätten bei Außenlagern an, zum Beispiel Gunskirchen oder Loiblpass. Diese Gedenkstättenbesuche sind aus diesem Fonds konkret ausgenommen, da wird nicht nur die Vermittlung nicht bezahlt, sondern auch die Anreise nicht. Das halte ich für nicht zielführend in dem Bereich. Sie selbst haben gesagt, dass Sie es für klug halten, dass sich Schülerinnen und Schüler auch mit den Gedenk­stätten in ihrer unmittelbaren Umgebung auseinandersetzen sollen.

Wir fordern, dass die Gesamtkosten für alle Schülerinnen und Schüler für Gedenkstättenbesuche aller Gedenkstätten aus der NS-Zeit entsprechend übernommen werden. Wir halten das wirklich für einen essenziellen Beitrag in der Demokratiebewusstseinsbildung. (Beifall bei der SPÖ.)

Leider werden heute ÖVP und Grüne mit den Stimmen der FPÖ diesen Antrag ablehnen. Ich finde das sehr ernüchternd, ich finde das sehr schade, auch im Sinne unserer gemeinsamen historischen Verantwortung. Ich appelliere aber an Sie, Herr Minister: Bitte arbeiten Sie, schrauben Sie an diesen Richtlinien, damit jedem Schüler und jeder Schülerin der Gedenkstättenbesuch möglich ist! – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

17.38


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Nico Marchetti. – Bitte.


17.38.32

Abgeordneter Nico Marchetti (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Minister! Ich möchte mit etwas Untypischem beginnen, und zwar möchte


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ich mich bei Kollegin Schatz bedanken, die sich wirklich lange, vehement und konstruktiv für Gedenkpolitik und Verbesserungen einsetzt. Ich möchte mich an der Stelle, auch wenn wir den Antrag heute ablehnen werden (Abg. Stöger:  ... bedauerlich!) – ich werde erklären, warum –, bei Ihnen bedanken, dass Sie bei all diesen Dingen immer so eine Unterstützerin sind. (Beifall bei der ÖVP.)

Es geht bei diesem Antrag oder bei diesem Thema darum: Wie kann man am besten bei Schulklassen ansetzen und die Gedenkpolitik verbessern, unter­stützen? Es geht ja nicht nur darum, dass man eine Gedenkstätte besucht – das ist auch ein wichtiges Element, deswegen haben wir diesen Fonds mit 1,5 Millionen Euro und bis zu 500 Euro Unterstützung pro Schulklasse auch ins Leben gerufen –, sondern es geht ja noch um vieles mehr, zum Beispiel auch darum, dass man Zeitzeugen in der Klasse hört, dass man sich mit den Entwicklungen auseinandersetzt: Wie konnte es so weit kommen, dass es überhaupt KZs gegeben hat?

Dazu haben wir jetzt die Onlineplattform www.erinnern.at ins Leben gerufen, die wirklich ein umfassendes Angebot für die Schulen sehr, sehr niederschwellig anbietet. Das sind Punkte, das ist ein Paket, von dem ich sage, dass wir damit insgesamt eine große Verbesserung zusammengebracht haben. Es ist mir wichtig, dass wir schon auch gemeinsam nach außen vertreten, dass das eine Verbesserung ist und die Schulen das in Anspruch nehmen können. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir haben uns jetzt einmal – auch nach Rücksprache mit den einzelnen Stakeholdern – für dieses Paket entschieden. Ich glaube, dass es ein Fortschritt ist. Wir werden sehen, wie es angenommen wird, wir werden auch sehen, wie die Kapazitäten an den jeweiligen Gedenkstätten sind. Es gibt nun einmal 3 600 Schulklassen in Österreich. Wir müssen immer schauen, dass wir das dann auch so realistisch designen, dass es machbar ist. Wir werden das jetzt einmal beobachten. Wenn wir dann sehen, dass es da und dort noch Verbesserungen braucht, dass wir nachschärfen müssen, sind wir die Letzten, die nicht darauf eingehen werden und nicht für Gespräche offen sind.


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Ich glaube, es ist ein gutes Paket. Ich glaube, es ist eine deutliche Verbesserung zu dem, was bisher war. Bleiben wir einfach im Gespräch, denn ich glaube, es ist schon wichtig, dass wir uns, gerade was Gedenkpolitik betrifft, nicht auseinan­derdividieren lassen sollten, sondern wirklich gemeinsam daran arbeiten. Es ist wichtig, dass das Mainstream ist. Das ist ganz, ganz wichtig und das stelle ich auch nicht in Frage. (Abg. Stöger: Das ist ein Entschließungsantrag! Da könnte man mitstimmen!) Das soll auch so bleiben. Insofern war das die Erklärung zu unserem Abstimmungsverhalten. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

17.41


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Hermann Brückl. – Bitte.


17.41.13

Abgeordneter Hermann Brückl, MA (FPÖ): Frau Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Inhaltlich wurde von meinen Vorrednern ja mehr oder weniger das meiste gesagt. Es gibt diesen Schulfonds, der Schüler dabei unterstützt, wenn sie sich real vor Ort mit diesem dunkelsten Kapitel österreichischer Geschichte auseinandersetzen. Der Fonds ist mit 1,5 Millionen Euro dotiert. Ein Antrag kann online gestellt werden. 250 beziehungsweise 500 Euro gibt es pro Schulklasse, wenn sie die Gedenkstätten in Mauthausen, in Ebensee, in Gusen oder in Melk besuchen.

Das kann man alles auf erinnern.at nachlesen, dort finden sich im Übrigen auch Hinweise zu den Lehrmaterialien, dort finden sich auch Hinweise oder Informationen zum internationalen Austausch. Was sich dort auch findet, sind konkrete Zahlen, ist ein Budget. Was sich dort auch findet, ist eine Auflistung der Gedenkstätten. Diese Auflistung ist etwas, liebe SPÖ, das ihr vielleicht auch in den Antrag hineinnehmen solltet, um das zu konkre­tisieren. Ich möchte nicht, dass am Ende des Tages der Karl-Marx-Hof oder das Che-Guevara-Denkmal in Wien oder das Dollfuß-Museum im Mostviertel zu


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Gedenkstätten umfunktioniert werden und der Steuerzahler dafür zur Kasse gebeten wird. (Abg. Herr: Es geht um die NS-Zeit!)

Es ist schlussendlich nur wichtig, dass die Schüler, dass die Eltern finanziell unterstützt werden und die Republik ihrem Auftrag gerecht wird, das Wissen um diese historische Verantwortung zwischen den Generationen entsprechend weiterleben zu lassen. Das ist ja, wie wir wissen, bereits der Fall. (Beifall bei der FPÖ.)

17.42


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Eva Blimlinger. – Bitte.


17.42.54

Abgeordnete Mag. Eva Blimlinger (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen! Ich schließe mich wirklich sehr, sehr gerne dem Dank von Nico Marchetti an Sabine Schatz an. Ich glaube, sie ist eine der profiliertesten Kennerinnen der Gedenkstätten und der Möglichkeiten, an den Gedenkstätten Vermittlungsarbeit zu leisten.

Ich glaube, es ist ein bisschen ein Missverständnis, wenn ich so sagen darf, denn inhaltlich sind wir, glaube ich, alle auf der gleichen Linie: Nico Marchetti, Sabine Schatz und ich. Wir wollen, dass Schulklassen die Möglichkeit haben, die Gedenkstätten zu besuchen, und zwar nicht nur die Bundesgedenk­stätten, sondern auch alle anderen, die es gibt, vor allem im regionalen Zusam­menhang, der aus meiner Sicht besonders wichtig ist, weil da die Beziehung noch einmal viel enger hergestellt werden kann.

Aber – das ist sozusagen mein Aber – warum wir den Antrag abgelehnt haben: Ja, wir haben keinen gemeinsamen Antrag gemacht, weil der Fonds in der Zwischenzeit bereits eingerichtet war. Der Minister ist ja auch Historiker und sich der Bedeutung ganz bewusst. Wir werden, denke ich, einen Weg finden, um


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vor allen Dingen die Liste der vom Fonds abgedeckten Gedenkstätten zu erweitern und zu schauen, dass das wirklich für alle Gedenkstätten möglich ist.

Wenn es tatsächlich an der Fünfhundertergrenze scheitert, werden wir schauen, wie sehr der Fonds ausgeschöpft wird oder nicht. Das können wir ab Herbst, wenn das wirklich zum Tragen kommt, beurteilen. Da können wir dann schauen, ob man die Grenze nicht zuletzt wegen gestiegener Preise erhöhen muss, um das tatsächlich zu ermöglichen. Ich glaube, wir werden einen sehr guten Weg finden.

In diesem Sinne bin ich dafür, dass der Heldenplatz autofrei wird und der Ottakringer Bach durchfließt. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeord­neten der ÖVP.)

17.45


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Agnes Totter. – Bitte.


17.45.08

Abgeordnete MMag. Dr. Agnes Totter, BEd (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren! Als Pädagogin und langjährige Schulleiterin einer Mittelschule ist und war es mir immer ein besonderes Anliegen, Schule so zu gestalten, dass mündige, selbstbestimmte Schülerinnen und Schüler unsere Bildungseinrichtungen mit erfolgreichem Abschluss verlassen.

Wehret den Anfängen!, muss das Motto lauten, wenn man manchmal von Mitmenschen Äußerungen hört, die in einer aufgeklärten, säkularisierten Gesellschaft nichts verloren haben. Wir leben in einer Europäischen Union, die den Titel Friedensunion wahrlich verdient hat. Noch nie gab es in Zentraleuropa eine so lange Periode des Friedens wie seit der Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl.

Seit einem Jahr müssen wir aber leider wieder erleben, dass wir auf unserem Kontinent nicht vor Ausschreitungen und Krieg gefeit sind. In der Ukraine tobt


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ein bitterer Krieg, am Westbalkan spürt man noch immer die Nachwehen des Zerfalls Jugoslawiens und in Frankreich führen soziale Spannungen zu Aus­schreitungen. (Abg. Kickl: Das ist nicht nur sozial!)

Seien es ideologisch, weltanschaulich oder religiös motivierte Konflikte, immer wieder laufen Konflikte nach denselben Schemata ab. Darum ist es wichtig, besonders die jungen Menschen hinsichtlich Radikalisierung und Schubladen­denken zu sensibilisieren. Ein wichtiges Instrument dazu ist, den Blick in die Vergangenheit zu richten, um daraus richtiges und angemessenes Verhalten für die Zukunft abzuleiten, denn nur wer die Vergangenheit kennt, kann die Gegenwart verstehen und die Zukunft gut gestalten.

Im vorliegenden Antrag werden Kostenübernahmen von Exkursionen im Pflichtschulbereich gefordert. Meine Damen und Herren, diesbezüglich ist klar festzuhalten, dass sich Förderungsmaßnahmen bereits in Umsetzung befinden. Über den OeAD wird mit Beginn des Schuljahres 2023/24 die Möglichkeit geschaffen, dass jährlich alle Schülerinnen und Schüler der 8. Schulstufe die KZ-Gedenkstätten Mauthausen und Gusen sowie die Gedenkstätten der KZ-Außenlager Ebensee und Melk besuchen können. Alle Schulklassen dieser Schulstufe, das sind circa 3 600, können einen Zuschuss von bis zu 500 Euro erhalten.

Sehr geehrte Damen und Herren, in diesem Zusammenhang darf ich auch an die am 8. Juli 2022, also ziemlich genau vor einem Jahr, mit den Stimmen aller Parlamentsparteien – außer jenen der FPÖ – angenommene Entschließung erinnern. In dieser wurden zahlreiche Maßnahmen gefordert, unter anderem der Ausbau der Angebote der Demokratiewerkstatt im Onlinebereich sowie die Schaffung von mobilen, dezentralen Angeboten, neue Lehrpläne und fächerüber­greifende Schwerpunkte zu politischer Bildung und Medienbildung, die Auf­bereitung von Materialien für Schulen sowie Lerninhalte für die außerschuli­sche Kinder- und Jugendarbeit sowie die Erwachsenenbildung – Stichwort: Demokratiebox. Bei all diesen Themen, meine geschätzten Damen und Herren, befinden wir uns entweder bereits in der Umsetzung oder schon am Ziel, wofür


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ich mich auch ausdrücklich bedanken möchte. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

17.48 17.48.45


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Damit gelangen wir nun zur Abstimmung über den Antrag des Unterrichts­ausschusses, seinen Bericht 2132 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer sich für die Kenntnisnahme ausspricht, den bitte ich um ein zustimmendes Zeichen. – Der Bericht ist mit Mehrheit zur Kenntnis genommen.

17.49.1412. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 3420/A(E) der Abgeordneten Christian Oxonitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schaffung eines Online-Tools zur Orientierung über mögliche Ausbildungsprogramme in der Elementarpädagogik (2133 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir nun zum 12. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Christian Oxonitsch. – Bitte.


17.49.45

Abgeordneter Christian Oxonitsch (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Es gibt in meinem Bezirk Ottakring eine nette Tradition: Die Abgeordnete Nurten Yılmaz hat jedes Jahr beim Gürtel Nightwalk anhand von Protokollen ein paar Schmankerl aus dem Nationalratsleben erzählt. Der Umgang mit diesem Antrag würde sich eigentlich auch ganz gut für zukünftige Lesungen eignen.


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Worum geht es eigentlich in diesem Antrag? – Um etwas relativ Einfaches: Wir verlangen nicht die Neuerfindung des Internets oder künstliche Intelligenz, wir wollen einfach aufgrund der Tatsache, dass es eine Vielzahl von Ausbildungs­modellen gibt – in allen neun Bundesländern heißen sie unterschiedlich und existieren in unterschiedlicher Weise –, dass es ein einfaches Onlinetool geben soll, bei dem man eingibt: Ich komme aus Wien, ich habe drei Jahre in einem Kindergarten gearbeitet, ich habe Matura oder ich habe keine Matura, ich bin so und so alt – patsch, und es kommt heraus, welche Ausbildungsmodelle es für mich geben würde, wenn ich Elementarpädagoge werden will. – So nett, so einfach.

Also ich glaube, das kann wahrscheinlich sogar einer der Mitarbeiter im Minister­büro programmieren. (Abg. Matznetter – erheitert –: Nein!) Das war eigentlich das ganze Begehr, weil wir merken, dass viele Interessentinnen und Interes­senten einfach daran scheitern herauszufinden, unter welchen Voraus­setzungen sie welchen Lehrgang machen können.

Heraus kommt ein Antrag, bei dem man sagt, den will man ablehnen, dem will man nicht zustimmen. Es kommt ein neuer Antrag (ein Schriftstück in die Höhe haltend), bei dem man sagt, man soll die Ausbildungsoffensive fortsetzen – ja, in Gottes Namen.

Der zweite Punkt belegt eigentlich schon fast die Notwendigkeit eines solchen Tools, der lautet: Mit „der Schaffung der neuen Ausbildungsmöglichkeiten und insbesondere der Modelle für Quereinsteiger – den HLG ‚Elementarpädagogik‘, den HLG ‚Inklusive Elementarpädagogik‘, den HLG ‚Quereinstieg Elementar­pädagogik‘, den 2-semestrigen LG für Absolventen und Absolventinnen der BASOP, den Aufbaulehrgang“, bla, bla, bla.

Ich könnte jetzt noch ein paar aufzählen. Ich möchte jetzt nicht fragen, ob man weiß, welche Zugangsmöglichkeiten man zu diesem Bereich hat. (Abg. Matznetter: Den Minister fragen, ob er es weiß!) Man merkt also, wie dringend es


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notwendig wäre. Dann, um ein bisschen auf den Ursprungsantrag Bezug zu nehmen: eine „Online-Darstellung“, sprich ein Organigramm.

Warum man dem Ursprungsantrag nicht zustimmen kann, bleibt mir ein Rätsel. Sei’s drum! Ich glaube, es ist dringend notwendig. Ich werde draufbleiben. Etwas Einfacheres kann es eigentlich nicht geben.

Ich möchte aber, da es in der Elementarpädagogik insgesamt um einen wesentlichen Bildungsbereich geht und Sprachförderung dort eine Rolle spielt, auch bei diesem Tagesordnungspunkt folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Christian Oxonitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Implementierung eines neuen Konzepts zur Sprachförderung“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Bildung, Wissen­schaft und Forschung, wird aufgefordert, dem Nationalrat ehestmöglich einen Gesetzesentwurf vorzulegen, der die Abschaffung der Deutschförderklassen und die Implementierung eines neuen Konzeptes zur Sprachförderung an öster­reichischen Schulen vorsieht. Dabei sollen die Ergebnisse verschiedener Studien und Evaluationsberichte in einem ganzheitlichen Modell berücksichtigt werden und sich insbesondere am Sprachschlüssel-Konzept der Arbeiterkammer orientie­ren, um langfristige, individuelle und inklusive Sprachförderung zu ermög­lichen.“

*****

Wenn man dem Antrag (auf das Schriftstück deutend) nicht zustimmt, viel­leicht kann man ja dem (auf den soeben eingebrachten Antrag deutend) zustim­men. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

17.52


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll224. Sitzung, 224. Sitzung des Nationalrats vom 6. Juli 2023 / Seite 354

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Christian Oxonitsch, Petra Tanzler,

Genossinnen und Genossen

betreffend Implementierung eines neuen Konzepts zur Sprachförderung

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 12 über den Antrag 3420/A(E) der Abgeordneten Christian Oxonitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schaffung eines Online-Tools zur Orientierung über mögliche Ausbildungsprogramme in der Elementarpädagogik. (2133 d.B.)

Sprachliche Fähigkeiten sind grundlegend für erfolgreiche Lernprozesse sowie Bil­dungs­wege und ermöglichen soziale Teilhabe. Die Förderung der sprachlichen Fähigkeiten soll die Potentiale der Kinder bestmöglich unterstützen und eine gute Grundlage für den Eintritt in die Schule legen. Elementarpädagog:innen kommt damit eine Schlüsselrolle in der sprachlichen Förderung zu. Die Aus- und Weiterbil­dung aller Pädagog:innen, aber auch die ausreichende Personalausstattung von Kindergärten sind dafür entscheidende Ansatzpunkte. Auch deshalb braucht es dringend eine geeignete Strategie um den Mangel an Pädagog:innen in der Elementarpädagogik zu bekämpfen. Das gilt in der weiteren Folge auch für den Schulbereich, der ebenfalls über einen Mangel an Lehrkräften klagt.

Dass mehr Lehrkräfte ein wichtiger Schlüssel in der Sprachförderung wären, bestätigt auch das Beispiel der Deutschförderklassen, die im Schuljahr 2018/19 unter türkis-blau eingeführt wurden. Zu große Klassen aufgrund fehlender Teilungszahlen bieten zu wenige Sprechgelegenheiten für Schüler:innen und machen Individualisierung der Förderung unmöglich.

Auch die kürzlich veröffentlichte Befragung der Universität Wien1 vom 26. Juni 2023 bestätigt erneut, was Expert:innen und Praktiker:innen bereits seit der Einführung wissen: Deutschförderklassen sind für die Schulpraxis unbrauchbar und führen zu


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weiteren Nachteilen für Kinder, deren Erstsprache nicht Deutsch ist2. Die Befragung zeigt, dass ein Drittel der Schuldirektionen die ministeriellen Vorgaben zur Deutschförderung in der Praxis nicht umsetzt. Zudem geben mehr als die Hälfte der Schulleiter:innen an, dass es ihnen an ausreichendem Raum und Lehrpersonal für Deutschklassen mangelt.

Die Deutschförderklassen wurden eingeführt, um Schüler:innen, die die Unterrichts­sprache nicht ausreichend beherrschen, zu fördern. Die Realität zeigt, dass derzeit ein Fünftel der Schulleiter:innen (aufgrund fehlender Förderressourcen) Kinder die nicht ausreichend Deutsch sprechen, als außerordentliche Schüler:innen in Vorschulklassen einschiebt, obwohl diese eigentlich für nicht schulreife Kinder gedacht sind und nicht für Kinder die eine zusätzliche Sprachförderung benötigen. Es gibt auch Fälle, in denen Schülerinnen bewusst als außerordentliche Schüler:innen eingestuft werden, um mehr Sprachfördermittel zu erhalten. Die befragten Lehrkräfte bevorzugen überwiegend inklusive Modelle des Unterrichts und zweifeln an der ethischen Vertret­barkeit von Deutschförderklassen. Der Einstufungstest MIKA-D und die Regelung, dass ein Nichtbestehen des Tests zum Ende des ersten Semesters unausweichlich zur Wiederholung der Klasse führt, wird ebenfalls von über zwei Drittel der Lehrkräfte abgelehnt. Hier beginnt das Aussortieren von Tag eins, das Kindern wertvolle Zeit auf ihrem Bildungsweg raubt. Für die Betroffenen und deren Eltern, die gerade versuchen in Österreich Fuß zu fassen, ist es unerträglich, dass Kinder durch mehrmaliges Wiederholen einer Klasse auf dem Bildungsweg zurückgelassen werden. Es meldeten sich vor allem ukrainische Familien und zweifeln daran, noch in Österreich zu bleiben, wenn ihre Kinder hier keine ausreichende und gleichwertig Bildung bekommen3. Zwar wurde für das heurige Jahr eine Lösung gefunden, diese wurde aber den Schulen erst drei Tage vor Schulende mitgeteilt. Warum die präsentierte Regelung nur für ein Jahr gilt, ist völlig unverständlich. Die Probleme werden sich nicht innerhalb von 12 Monaten in Luft auflösen. Laut Auskunft des Bundesministers arbeitet das Ministe­rium nun an einer langfristigen Lösung, um jenen Schüler:innen, die den MIKA-D-Test erst mit Jahresende bestanden haben einen Übertritt in eine andere Schulform zu ermöglich4.


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Die derzeitige Situation und die neuen Befragungsergebnisse verdeutlichen erneut wie wichtig es ist, endlich eine zielführende und nachhaltige Alternative zu den segregierenden und benachteiligenden Deutschförderklassen zu finden. Zahlreiche Studien zeigen, dass der frühestmögliche Sprachkontakt mit gleichaltrigen Kindern, die in der Unterrichtssprache sprachlich kompetent sind, besonders wichtig für das Erlernen der Alltags- und Unterrichtssprache ist. Kinder lernen im sozialen Kontakt, im Spiel, auf dem Pausenhof, im normalen Unterricht – also in natürlichen Sprach­situationen. So wächst automatisch ihre Vertrautheit und Sicherheit im Umgang mit der deutschen Sprache. Überwiegend parallele Förderung, wie die Deutschförder­klassen sind nicht zielführend. Es braucht eine integrierte Förderung mit gegebenen­falls additiven Unterrichtseinheiten, aber keine gesonderten Klassen, die Kinder aufteilen und weitere Ungleichheiten schaffen5. Die Regierung muss endlich ins handeln kommen und diesen Fehler revidieren. Unsere Bildungseinrichtungen müssen Orte sein, wo Gemeinschaftsgefühl und Solidarität gelebt wird, wo alle Kinder einen Platz haben und individuell nach ihren Bedürfnissen gefördert werden. Es braucht einen Sprachförderung, die Kinder dort fördert, wo sie es brauchen und sie nicht mit Überprüfungen und Ausgrenzung konfrontiert. Konzepte, wie der AK Sprachschlüssel6 liegen auf den Tisch, sie müssen nur umgesetzt werden.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Bildung, Wissen­schaft und Forschung, wird aufgefordert, dem Nationalrat ehestmöglich einen Gesetzes­entwurf vorzulegen, der die Abschaffung der Deutschförderklassen und die Implementierung eines neuen Konzeptes zur Sprachförderung an österreichischen Schulen vorsieht. Dabei sollen die Ergebnisse verschiedener Studien7 und Evalua­tionsberichte8 in einem ganzheitlichen Modell berücksichtigt werden und sich insbe­sondere am Sprachschlüssel-Konzept der Arbeiterkammer orientieren um lang­fristige, individuelle und inklusive Sprachförderung zu ermöglichen.“


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1 Ergebnisse_OnlineErhebung_DFK_Juni23.pdf (univie.ac.at)

2 Deutschförderklassen – Studie ortet Weiterentwicklungsbedarf (apa.at)

3 Jede dritte Schulleitung hält sich bei Deutschklassen nicht an Vorgaben - Bildung - derStandard.at › Inland

4 https://www.derstandard.at/story/3000000176523/ministerium-arbeitet-an-aufstiegsl246sung-f252r-ukrainische-sch252ler

5 AK_INFO_Sprachschlüssel_4.Fassung.indd (arbeiterkammer.at)

6 AK_INFO_Sprachschlüssel_4.Fassung.indd (arbeiterkammer.at)

7 Müller B., Schweiger H. (2022): Abschlussbericht Forschungsprojekt Deutschförderklassen an der VS Deckergasse. AK Wien und Universität Wien.

8 Spiel C., Popper V., Holzer J. (2022): Evaluation der Implementierung des Deutschfördermodells. BMBWF.

*****


Präsidentin Doris Bures: Der soeben eingebrachte Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher auch mit in Verhandlung.

Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Agnes Totter. – Bitte. (Zwischenruf des Abg. Matznetter.)


17.52.55

Abgeordnete MMag. Dr. Agnes Totter, BEd (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir diskutieren an dieser Stelle einen Antrag zur Verbes­serung der Bewerbung der neu geschaffenen Ausbildungsmöglichkeiten im Bereich der Elementarpädagogik beziehungsweise die Onlinedarstellung der Ausbildungswege.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll224. Sitzung, 224. Sitzung des Nationalrats vom 6. Juli 2023 / Seite 358

Bisher gab es nur Ausbildungsmöglichkeiten in den Bildungsanstalten für Elemen­tarpädagogik sowie eine umfassende Kollegausbildungsoffensive. Nun wollen wir den eingeschlagenen Weg aber fortsetzen und die neu geschaffenen Ausbildungsmöglichkeiten, insbesondere die Modelle für Quereinsteiger, auch aktiv bewerben.

Welche neuen Ausbildungsmöglichkeiten sind dies? – Die Hochschullehrgänge Elementarpädagogik, Inklusive Elementarpädagogik, Quereinstieg Elementar­pädagogik, der Lehrgang für Absolventinnen und Absolventen der Bundesbildungs­anstalt für Sozialpädagogik, der Aufbaulehrgang Elementarpädagogik, das Masterstudium Elementarpädagogik sowie der berufsbegleitende Universitäts­lehrgang Elementar plus.

Für die aktive Bewerbung dieser Ausbildungsmöglichkeiten soll nun eine Online­darstellung aufgebaut werden, auf der die vielen verschiedenen Ausbildungs­wege und Möglichkeiten für einen Berufseinstieg zielgruppengerecht und sehr übersichtlich dargestellt werden. Dadurch soll potenziellen Interessentinnen und Interessenten eine gute Orientierung gegeben werden. Die Wege in das Berufs­feld sollen so noch besser beworben werden.

Damit noch mehr als im ursprünglichen Antrag umgesetzt werden kann, haben wir im Unterrichtsausschuss diesen Antrag erweitert. Dieser Antrag liegt nun auch zur Abstimmung vor. Ich bitte natürlich um breite Zustimmung.

Geschätzte Damen und Herren, nach dem Ferienbeginn letzten Freitag in Nieder­österreich, Wien und im Burgenland beginnen morgen auch in den anderen Bundesländern die für alle – auch für die Pädagoginnen und Pädagogen – wohl­verdienten Sommerferien. An dieser Stelle ist es mir sehr wichtig, allen Pädagoginnen und Pädagogen sowie Schulleitungen für ihren täglichen Einsatz an den heimischen Schulen herzlich zu danken. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich bin sehr stolz darauf, dass wir zur Entlastung der Lehrkräfte und Schulleitun­gen die administrative Assistenz eingeführt und auch finanziell gut abgesichert


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haben. Diese wichtige Errungenschaft muss aber weiter umgesetzt und flächendeckend ausgebaut werden.

Wir müssen auch alles daran setzen – dieses Thema wurde in der Dringlichen Anfrage heute ausführlich besprochen –, unsere Kolleginnen und Kollegen an den Schulen von den vielen Dokumentationspflichten zu befreien und dürfen auf gar keinen Fall zusätzliche Dokumentationspflichten welcher Art auch immer einführen. Das System braucht aus meiner Sicht auch viel mehr Vertrauen und gelebte Schulautonomie sowie mehr Zeit für die wichtigen pädagogischen Aufgaben.

Herr Minister, ich bin sehr zuversichtlich, dass wir uns gemeinsam weiterhin dafür einsetzen werden.

Ich wünsche allen Schülerinnen und Schülern, allen Pädagoginnen und Pädagogen sowie den Schulleitungen schöne und erholsame Ferien. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Disoski. – Abg. Prinz: Dein Wort in Gottes Ohr!)

17.56


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Martina Künsberg Sarre. – Bitte.


17.56.24

Abgeordnete Mag. Martina Künsberg Sarre (NEOS): Frau Präsidentin! Herr Minister! Frau Kollegin Totter, ich höre ja sehr gerne, dass Sie im Schulbereich so ähnlich ticken wie wir, was die Autonomie und auch die Verringerung der Schulbürokratie betrifft.

Vielen Dank, Herr Kollege Oxonitsch, dass Sie diesen Antrag eingebracht haben. Es ist ja verwunderlich, dass es so etwas überhaupt noch braucht und man das im Bildungsministerium nicht schon längst automatisch angedacht oder umgesetzt hat.


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Es wäre schön, wenn das, was Frau Kollegin Totter da nett aufgezählt hat – welche Möglichkeiten es gibt, um in diesen schönen Beruf einzusteigen –, noch um ein grundständiges Elementarpädagogikstudium erweitert werden würde, das aus unserer Sicht ja auch sehr, sehr dringend notwendig wäre, um beispiels­weise einfach auch AHS-Maturanten und -Maturantinnen den akademischen Einstieg zu ermöglichen.

Warum ist das so ein Riesenthema und warum ist es so wichtig, dass wir hier im Elementarbildungsbereich Meter machen? – Weil der Elementarbildungsbereich natürlich die erste Bildungseinrichtung ist und dementsprechend gut ausge­stattet sein muss, nämlich nicht nur finanziell, sondern auch personell.

Sie wissen, wir wollen, dass die Gruppen langfristig und mittelfristig kleiner werden und dass mehr ausgebildetes Personal drinnen steht. Das, was die Steier­mark mit einem ÖVP-Bildungslandesrat macht, dass de facto eigentlich jeder kurz einmal eine Gruppe übernehmen kann, ist natürlich nicht der Weg, den wir einschlagen wollen. Da würde ich Sie auch sehr bitten, als Steirer mit Ihrem Kollegen in der Steiermark zu sprechen, weil es das ja wohl nicht sein kann. Das ist auch kein gutes Bild nach außen, dass man sagt: Es kann ja eigentlich eh jeder eine Kindergartengruppe führen. (Abg. Schmidhofer: Schaut, dass ihr in Wien alles in Ordnung habt! Lasst die Steirer!)

Nein, es ist eben nicht so, dass jeder eine Kleinkindergruppe führen kann, sondern da braucht es eben eine Ausbildung. Das mag in der Steiermark in der ÖVP noch nicht ganz durchgedrungen sein, aber wir hoffen auf Sie, dass Sie in den Finanzausgleichsverhandlungen mit Finanzminister Brunner ordentlich Druck machen, dass der Elementarbildungsbereich endlich auch eine wirklich erste Bildungseinrichtung werden kann. (Beifall bei den NEOS.)

17.58


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Sibylle Hamann. – Bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll224. Sitzung, 224. Sitzung des Nationalrats vom 6. Juli 2023 / Seite 361

17.58.57

Abgeordnete Mag. Sibylle Hamann (Grüne): Frau Präsidentin! Ich freue mich, dass wir jetzt hier auch noch das Thema Ausbildungsoffensive in der Elementar­pädagogik besprechen können, weil – ja! – genau diese Ausbildungsoffensive in diesem Land dringend notwendig ist. Genau die haben wir uns schon im Regierungsprogramm vorgenommen und genau die machen wir auch seit vielen Jahren mit viel Energie und Turbo.

Ziel dieser Ausbildungsoffensive ist es, für immer neue Gruppen mit unterschied­lichsten Biografien verschiedenste Ausbildungswege in die Elementarpädagogik aufzumachen, weil wir sie alle in diesem Bereich brauchen. Ziel ist eine größtmögliche Durchlässigkeit, aber immer mit einer gesicherten pädagogischen Qualität und garantierten Ausbildungsstandards, die sicher auch im Sinn der Kollegin Künsberg Sarre sind.

Die verschiedenen Elemente dieser Ausbildungsoffensive wurden sowohl von Kollegen Oxonitsch als auch von Kollegin Totter schon aufgezählt, das erspare ich mir jetzt. Ich möchte auch noch ausdrücklich auf die vielfältigen Möglichkeiten hinweisen, sich Ausbildungen fördern und finanzieren zu lassen, zum Beispiel auf die Fachkräftestipendien, die ein wesentlicher Teil dieser Ausbildungsoffensive sind.

Ja, und an der langen Liste sieht man schon, wie groß die Vielfalt ist. Es ist richtig, dass das manchmal unübersichtlich ist. Da braucht es tatsächlich eine gute Website, ein Onlinetool, um eine Übersicht zu bekommen, damit ich, wenn ich mich dafür interessiere, die genau für mich passende Ausbildungs­schiene finde.

Deswegen danke für den Antrag, Kollege Oxonitsch. Es ist eine gute Idee, dafür ein Tool einzurichten. Schade, dass es an irgendwelchen Dingen – ich weiß nicht mehr woran – gescheitert ist, einen gemeinsamen Antrag zu formulieren. Den­noch ist das Vorhaben richtig und sinnvoll und wird deswegen auch umge­setzt. Ich hoffe, dass wir für die Elementarpädagogik auf diesen


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verschiedenen Wegen und mit diesen Förderungen viele neue Menschen finden werden, die sich für diesen wichtigen Beruf interessieren. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Diesner-Wais.)

18.00


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Elisabeth Feichtinger. – Bitte.


18.01.01

Abgeordnete Elisabeth Feichtinger, BEd BEd (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Minister! Hohes Haus! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Antrag von Kollegen Christian Oxonitsch soll es Interessentinnen und Interessenten erleichtern, die passenden Ausbildungsformen für den Einstieg in die Elementar­pädagogik zu finden, denn so unterschiedlich die Menschen sind, so unter­schiedlich sind die Berufsfelder und natürlich auch die Ausbildungsformen. Aus meiner Sicht würde das Tool helfen, mehr Personal zu finden, und das brauchen wir ganz, ganz dringend in der Elementarpädagogik. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Diesner-Wais.)

In meinem Heimatbundesland Oberösterreich werden Mitarbeiter:innen in den Kindergärten meistens entweder von den Gemeinden oder auch von den Rechtsträgern angestellt. Egal, mit wem man redet, alle sagen: Wir brauchen dringend Personal und wir sind unterbesetzt. Das ist eine Riesenheraus­forderung. Gerade im ländlichen Raum ist es schwierig, alle offenen Posten zu besetzen.

Das hat weitreichende Auswirkungen: Zum Teil sind die Gruppen überbelastet, viel zu viele Kinder dort. Es müssen Gruppen geschlossen werden, weil zu wenig Personal da ist, die Pädagog:innen sind schon neben dem, was sie alles machen, massiv gefordert, wenn zu wenige Kolleginnen und Kollegen dabei sind. Viele Kindergartenpädagog:innen gehen sogar krank in die Arbeit, um die Kolleginnen und Kollegen nicht alleine zu lassen.


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Die Eltern werden durch den Pädagog:innenmangel zum Teil verunsichert, und vor allem gerade in der Eingewöhnungsphase ist es für die kleinen Zwutschkerln so wichtig, eine Pädagogin zu haben, die sie begleitet, wenn sie frisch in den Kindergarten kommen. Das kann aber aufgrund des Personalmangels zum Teil nicht garantiert werden. Außerdem kann es natürlich auch noch passieren, dass die Öffnungszeiten reduziert werden, und das ist dann für die erwerbstätigen Eltern auch noch einmal zusätzlich eine Riesenherausforderung.

Aufgrund all dieser Probleme überlegen es sich viele natürlich gleich einmal, überhaupt diesen Berufsweg einzuschlagen. Daher ist es auch wichtig, ein Tool zu haben, und das hat Kollege Oxonitsch besonders hervorgehoben und sich auch dafür eingesetzt, mit dem die Personen niederschwellig motiviert werden, in diesem Bereich tätig zu werden, und den Interessentinnen und Inter­essenten der Einstieg als Elementarpädagog:in schmackhaft gemacht wird. Ein Onlinetool, um den passenden Beruf und die passende Ausbildungsform zu finden, wäre da ein erster wichtiger Schritt.

Ich bedanke mich bei allen Pädagoginnen und Pädagogen für ihre unglaublich wichtige Arbeit. Vielen Dank, dass ihr die Kinder so wunderbar begleitet und sie so unterstützt, dass sie tolle Persönlichkeiten werden! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Diesner-Wais.)

18.03 18.03.28


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Dann kommen wir zur Abstimmung.

Zunächst lasse ich über den Antrag des Unterrichtsausschusses, seinen Bericht 2133 der Beilagen hinsichtlich des Entschließungsantrages 3420/A(E) zur Kenntnis zu nehmen, abstimmen.


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Wer da zustimmt, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Weiters kommen wir zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 2133 der Beilagen angeschlossene Entschließung betreffend „Ausbildungsoffensive Elementarpädagogik“.

Wer sich dafür ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen. (331/E)

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Christian Oxonitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Imple­mentierung eines neuen Konzepts zur Sprachförderung“.

Wer ist für diesen Entschließungsantrag? – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

18.04.4113. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 3412/A(E) der Abgeord­neten Mag. Christian Drobits, Kolleginnen und Kollegen betreffend Wissen über Datenschutz und Datensicherheit für Kinder und Jugendliche ausbauen! (2134 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Wir kommen zum 13. Punkt unserer heutigen Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Erster Redner: Herr Abgeordneter Gerald Hauser. – Bitte.


18.05.11

Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! (Abg. Michael Hammer: Taferl aufstellen!) – Nur keine Sorge, das Taferle kommt schon noch; keine Sorge, ich bringe schon eine Botschaft für euch.


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Also wir diskutieren den Datenschutz und die Datensicherheit für Kinder und Jugendliche. Das ist uns viel zu wenig weitgehend. Für die Freiheitliche Partei ist der Datenschutz elementar. Wir sind die einzige Partei, die sich für den vollumfänglichen Datenschutz überhaupt noch einsetzt, die auftritt, damit der gläserne Mensch, der von euch allen geplant ist, nicht umgesetzt wird. Deswegen sind wir auch für die Erhaltung des Bargeldes und den Schutz des Bargeldes in der Verfassung.

Wir sind dafür, dass es die Privatsphäre gibt und unsere Daten nicht weltweit weitergegeben werden. Also sind wir auch gegen die Totalüberwachung. Wir wollen nicht, dass wir irgendwann einmal dort landen, wo die Chinesen bereits sind, nämlich im chinesischen Sozialkreditsystem, dessen Grundvoraussetzung das umfassende Sammeln von Daten ist.

So, dieser Antrag ist wichtig und richtig, nur zu wenig weitgehend. Es geht eben darum, dass die Datensicherheit und der Datenschutz für Kinder und Jugend­liche an Schulen auch mit in den Unterricht einbezogen wird. Dafür wurden Lernvideos gemacht, um auf die Gefahr von Datenabsaugungen hinzuweisen und in letzter Konsequenz auch darüber zu sprechen, dass Daten, private Daten zu schützen sind.

So weit, so gut, geschätzte Kolleginnen und Kollegen. Nur, ich frage Sie: Wie hängt das zusammen, wie funktioniert das, dass man auf der einen Seite sagt, die Daten von Kindern und Jugendlichen soll man schützen, was wir für absolut notwendig und für richtig erachten, und Sie selber in der letzten Parlaments­sit­zung, nämlich ÖVP, SPÖ, Grüne und NEOS, einen Antrag beschlossen haben? Dagegen hat nur die Freiheitliche Partei gestimmt, die davor gewarnt hat, dass Sie damit vorbereitende Maßnahmen für den EHDS machen.

Ich zitiere aus diesem Entschließungsantrag, den die vier Parteien, die Einheits­partei, beschlossen haben, wie folgt: „Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Gesundheit [...] wird aufgefordert, die vorhandenen gesetz-


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lichen Grundlagen für die Erhebung, Sammlung und Nutzung von Gesund­heitsdaten zu analysieren und einen Umsetzungsplan zu erstellen, [...] um [...] so auf die Einführung des EHDS vorbereitet zu sein.“

Dieser Antrag, den diese vier Parteien, die Einheitspartei beschlossen hat, widerspricht ja zur Gänze dem heutigen Antrag im Kleinen, in dem man sagt: Wir müssen die Daten schützen. Ihr führt euch ja selber ad absurdum mit dieser Beschlussfassung bei der letzten Parlamentssitzung. Das heißt, ihr habt beschlos­sen, dass alle Gesundheitsdaten, auch die von Kindern und Jugendlichen, gesammelt und analysiert werden und an das europäische Datensystem, den EHDS, weitergeleitet werden. (Abg. Loacker: Wenn ich etwas nicht verstehe, würde ich mich nicht zu Wort melden!)

Ja, liebe NEOS-Mandatare, da nutzt auch das Zwischenrufen überhaupt nichts. Fakt ist, das war euer Antrag, ihr habt das ermöglicht, und mit der Zustim­mung von ÖVP, SPÖ. Grünen und NEOS ist es möglich, dass die Gesund­heitsdaten abgesaugt, analysiert werden und an das europäische Gesundheits­daten­system weitergeleitet werden. (Abg. Loacker: Es ist unverantwortlich, da so einen Unsinn zu erzählen!)

Dieser EHDS ist Teil des globalen EU-Gesundheitssystems (Ruf bei den NEOS: Ist es jetzt EU oder global?) mit folgendem Inhalt: Die EU – ich zitiere aus diesem Gesundheitssystem; ich habe euch da richtig getroffen, weil ihr jetzt so dazwischen­schreit – wird das Potenzial von Gesundheitsdaten weltweit im Einklang mit den Grundsätzen des geplanten europäischen Gesundheitsdatenraumes nutzen.

Das ist ja darin vollkommen enthalten. Ihr solltet euch einmal den globalen EU-Gesundheitsplan mit dem Leitprinzip Nummer zehn anschauen. (Abg. Tomaselli: Ohne Taferl glaube ich euch gar nichts!) – Ich sage den Menschen, was ihr da vorhabt.

Ich zitiere aus dem Leitprinzip Nummer zehn: „Dazu gehören die Digitalisierung und Integration von [...] Überwachungssystemen für Mensch, Tier und Umwelt“.


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Das heißt, das geschieht aufbauend auf einen Antrag der NEOS, die ihn in diesem Parlament eingebracht haben, man möge die Gesundheitsdaten sammeln, analysieren und an das europäische Gesundheitsdatensystem weiterleiten – das wart ihr –, um dort, bitte, eine Totalüberwachung von Mensch, Tier und Umwelt zu ermöglichen. (Abg. Lukas Hammer: Auch die Pferde?) Wisst ihr, wohin das führt? – Das führt dorthin, dass diese Daten geplanterweise zur Weltgesund­heits­organisation weitergeleitet werden (Zwischenruf des Abg. Loacker – Heiterkeit bei Abgeordneten der Grünen), weil die Europäische Kommission und die Weltgesundheitsorganisation eine Zusammenarbeit in Sachen digitale Gesundheitsinitiative gestartet haben. Das (eine Tafel mit der Aufschrift „Die Europäische Kommission und die WHO starten eine bahnbrechende digitale Gesundheitsinitiative zur Stärkung der globalen Gesundheitssicherheit“ auf das Redner:innenpult stellend – Ah-Rufe bei den Grünen) ist ja erschreckend.

Jetzt schreit ihr dazwischen. Die Menschen draußen zerbrechen sich den Kopf darüber, dass ihr es zulasst, dass auch die Gesundheitsdaten von Kindern und Jugendlichen – das, was wir heute besprechen – abgesaugt werden, an den EHDS weitergeleitet werden, und die Europäische Union kooperiert mit der WHO.

In letzter Konsequenz wandern unsere Gesundheitsdaten an die Weltgesund­heits­organisation, und deswegen wissen wir auch, wieso die Weltgesund­heitsorganisation derzeit darüber diskutiert (eine Tafel mit der Aufschrift „WHO-Vorschläge zu den Änderungen in den Internationalen Gesundheitsvorschriften der WHO (2005): Streichung der uneingeschränkten Achtung der Würde, der Menschenrechte und der Grundfreiheiten von Personen“ auf das Redner:innenpult stellend), aus den Internationalen Gesundheitsvorschriften 2005 die uneinge­schränkte Achtung der Würde, der Menschenrechte und der Grundfreiheiten von Personen zu streichen.

Es ist ein Skandal, was Sie der österreichischen Bevölkerung antun. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Disoski: Der Applaus ist aber auch sehr leise! Da applaudieren nicht einmal die eigenen ...!)

18.11



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll224. Sitzung, 224. Sitzung des Nationalrats vom 6. Juli 2023 / Seite 368

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Rudolf Taschner. – Bitte.


18.12.00

Abgeordneter Mag. Dr. Rudolf Taschner (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Ich erlaube mir, auf das Thema an sich einzugehen, dass jungen Leuten über Datenschutz und Datensicherheit berichtet wird, darüber, was Datensicherheit bedeutet.

Herr Kollege Hauser, Datensicherheit bedeutet auch, dass man Daten schützen kann, dass man den Zugriff auf Daten auch überwachen kann. Das ist natürlich eine Sache – ich gebe es zu –, bei der es einen Graubereich gibt.

Weil hier von Privatheit gesprochen worden ist – ich habe ein Déjà-vu, nebenbei gesagt –: 1968 und in den Folgenjahren gab es den großen Spruch der dama­ligen 68er-Bewegung: „Alles Private ist politisch“. Das wurde wirklich total ernst genommen. Die Kommune 1 hat es sogar so ernst genommen, dass sie die Klotüren ausgehängt haben. Das war natürlich konsequent gedacht, denn: „Alles Private ist politisch“.

Das ist auch nach Österreich gekommen, damals, in der Ära Kreisky, als von der Durchflutung aller Lebensbereiche mit Demokratie gesprochen worden ist.

Ich muss gestehen: Da ich das Private sozusagen für mich heilig halte und ich eine Mauer um mein Privates herum bauen möchte – my home is my castle; ich bin also sozusagen von der englischen Seite und nicht von der französischen (Abg. Holzleitner: Das Private muss politisch sein, Herr Kollege! Wir haben darüber diskutiert! Es geht beispielsweise um den Gewaltschutz! Sie wissen das, Herr Kollege!) –, bin ich dagegen, dass alles Private politisch ist. Das trennt uns, Frau Kollegin Holzleitner, da ist ein Abgrund. Wir können einander immer noch in die Augen schauen, aber es liegt ein Abgrund dazwischen. Ich bin dagegen, dass alles Private politisch ist. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Holzleitner: Aber somit legitimieren Sie Gewalt im häuslichen Bereich, Herr Kollege!)


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Jetzt haben wir eine ähnliche Situation, wenn wir sagen: Alles Private ist digital! Die Durchflutung aller Lebensbereiche mit dem Digitalen – das könnte zu einer ähnlichen Gefahr werden. Alles wird durch Digitalisierung durchflutet. Auch da ist es, glaube ich, klug, zu sagen: Nein, es gibt das Private! Da bauen wir eine feste Mauer, wo das Digitale nicht hereinbrechen kann!

Ich glaube, in diesem Hinblick ist es auch gut, dass wir auch den jungen Leuten beibringen: Da gibt es Privates, da hat das Digitale nichts verloren, da muss sich das Digitale zurücknehmen oder da müssen wir Sicherheiten einbauen. Das möglichst früh den jungen Leuten beizubringen ist sehr gut.

Herr Kollege Drobits hat diesen Antrag eingebracht, es ist also sozusagen von Ihrer Seite gekommen. Das ist auch ein Zeichen dafür, dass wir auch die Ideen, die von Ihrer Seite kommen, selbstverständlich aufnehmen und ernst nehmen. Ich freue mich auch sehr darüber. Ich glaube, wir müssen uns über­legen: Was machen wir mit dem Wort: Alles Private ist digital!? Können wir das zulassen oder nicht? Wir wollen es nicht zulassen. Das Private ist jedenfalls für diese Reichshälfte immer noch heilig. (Beifall bei der ÖVP.)

18.14


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Christian Drobits. – Bitte.


18.15.03

Abgeordneter Mag. Christian Drobits (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Am 25. Mai habe ich diesen Antrag eingebracht – Herr Dr. Taschner hat es gesagt –, und es ist mir eine große Freude und ich bin vor allem auch stolz darauf, dass wahrscheinlich vier Parteien heute diesem Antrag zustimmen werden.

Es ist möglich gewesen, eine Vertagung zu vermeiden, eine schnelle, rasche Lösung zu erzielen und heute eventuell einen Beschluss zu fassen, sodass der Herr Bundesminister gemeinsam mit der Frau Bundesministerin für Justiz in


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relativ kurzer Zeit eine Umsetzung durchführt, damit wir so schnell wie möglich im Unterrichtsbereich ein gut geführtes Projekt von E-Privacy, das auch wirklich gut durchgeführt worden ist, umsetzen.

Kollege Hauser hat ein anderes Thema behandelt. Er hat versucht, diesen Antrag sehr weit und oberflächlich aufzufassen. Ich bin davon überzeugt, dass Kollege Herbert, der im Datenschutzrat sitzt und auch die Datenschutzbehörde kennt, seitens der FPÖ wahrscheinlich eine andere Rede gehalten hätte und diese Rede womöglich zur Zustimmung der FPÖ geführt hätte. Aber gut: So soll es sein.

Mir ist nur wichtig: Es war ein Forschungsprojekt, und dieses Forschungsprojekt der Uni Wien gemeinsam mit der Datenschutzbehörde hat dazu geführt, dass wir wirklich erkannt haben, dass junge Menschen in Österreich von sechs bis 14 Jahren sensibilisiert werden müssen, dass sie auf ihre Daten aufpassen müs­sen. Sie müssen aufpassen, dass sie durch soziale Medien nicht veranlasst werden, ihre Daten herzugeben, damit diese nicht missbräuchlich für Werbezwecke verwendet werden.

Da sind wir durch die Datenschutz-Grundverordnung und die gesetzlichen Bestimmungen nicht gut genug geschützt. Wir müssen daher schon vorher ansetzen, und vorher heißt einfach: Schutz der Daten und Sicherheit der Kinder und Jugendlichen durch Sensibilisierung im Unterrichtsbereich. Das ist der Ansatz, und diesen Ansatz haben wir verfolgt. Wir müssen nämlich verdammt aufpassen, dass auch zukünftig gerade die Kinder und Jugendlichen nicht in diese Fallen tappen.

Ich möchte zwei Beispiele bringen: Ein Jugendlicher, ein Lehrling von 17 Jahren, ist einem Internetbetrug aufgesessen. Seit vier Jahren zahlt er die Summen zurück. Es war ein Gesamtbetrag von 24 000 Euro.

Ein zweites Beispiel betrifft einen Identitätsdiebstahl, bei dem Waren aufgrund von Datenweitergabe eines 14-jährigen Mädchens bestellt worden sind. Auch in


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diesem Fall ist es so gewesen, dass durch die Datenweitergabe strafrechtliche Delikte entstanden sind.

Diese Fälle häufen sich. Wir als SPÖ – gemeinsam mit denen, die heute zustimmen – wollen und werden das verhindern. In diesem Sinn: Wissen über Datenschutz und Datensicherheit ist wichtig.

Herr Bundesminister, ich bitte Sie auch, dass Sie sich, wenn wir heute diesen Beschluss fassen, wirklich sehr schnell darum kümmern, dass das im Unter­richtsbereich umgesetzt werden kann, um Pilotprojekte durchzuführen. Ich stehe auch für Gespräche zur Verfügung. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

18.18


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Sibylle Hamann. – Bitte.


18.18.03

Abgeordnete Mag. Sibylle Hamann (Grüne): Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich habe gehört, eine Delegation von Wiener Bezirksrät:innen ist hier oben auf der Galerie. Ich darf sie ganz herzlich begrüßen. Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

Umso besser, dass wir gerade ein wichtiges Thema diskutieren, den SP-Antrag, der bereits in verschiedenen Ausschüssen eingebracht wurde. Wir haben uns sehr gefreut, ihn im Unterrichtsausschuss gerne annehmen zu können, obwohl er in Teilen bereits in Umsetzung befindlich ist.

Das Projekt Privacy4Kids – das hat Kollege Drobits schon kurz umrissen – ist tatsächlich super und wichtig. Es geht da um Datenschutz, warum das wichtig ist, welche Gefahren für die Privatsphäre sich im Netz auftun können und, speziell gerichtet an diese zwei erwähnten Zielgruppen, Kinder und Jugendliche, wie man Manipulationen erkennen und sich schützen kann.


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Die Videos dazu sind bereits in der Eduthek bereitgestellt und für den Unterricht nutzbar und verlinkt, können im Unterricht von Pädagogen und Pädagoginnen jederzeit eingesetzt werden.

Das ist natürlich nicht das Einzige, was in diesem Bereich gemacht wird. Ich darf an das neue Pflichtfach digitale Grundbildung erinnern, in dem Datenschutz und Datensicherheit ein wichtiger Bestandteil sind. Sie stehen speziell gerade in der 3. Klasse verpflichtend in den Lehrplänen.

Weiters möchte ich noch an das fächerübergreifende Thema Medienbildung erinnern, das ja in den neuen Lehrplänen als eines von 13 fächerübergreifenden Themen zentral verankert ist und verbindlich in anderen Fächern behandelt werden muss. In Anlehnung daran wird ja auch gerade eine ganze Reihe neuer Unterrichtsmaterialien entworfen, auf die ich große Hoffnungen setze.

Erinnern möchte ich auch noch an die Fortbildungsoffensive für Pädagog:innen, die natürlich auch im Rahmen der Digitalstrategie an den Schulen stattfindet.

Insgesamt also Danke für den Antrag, Danke für die gemeinsame Initiative! Wir haben im Digitalbereich Versäumnisse aus, ich möchte fast sagen, vielen Jahrzehnten aufgeholt und wir sind weiter dabei, das mit großem Elan zu tun. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

18.20


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Katharina Kucharowits. – Bitte.


18.20.14

Abgeordnete Katharina Kucharowits (SPÖ): Frau Präsidentin! Werter Herr Bundesminister! Geschätzte Kollegen und Kolleginnen! Ich würde gerne bei der FPÖ einhaken: Kollege Hauser, Sie haben behauptet, Sie wären die einzigen Datenschützerinnen und Datenschützer in diesem Haus. Ich frage mich nur: Wer hat den Bundestrojaner geplant? Wer hat versucht, den Bundestrojaner zu implementieren? (Ruf bei der FPÖ: Die ÖVP!) – Es war Innenminister Kickl.


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Glücklicherweise hat der VfGH das Ganze gestoppt. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wer hat eine Gesichtserkennungssoftware um rund 500 000 Euro für die Polizei angeschafft? Wer? – Es war Innenminister Kickl. Das zum Thema Datenschutz! Das ist einfach ein Scherz, der da vor einigen Minuten vom Rednerinnen- und Rednerpult sozusagen kundgetan wurde. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Aber jetzt zum Thema: Kinder haben ganz klar ein Recht auf Datenschutz und auch ein Recht auf Privatsphäre im Netz, deshalb gibt es einfach auch das Recht auf die umfassende Bildung darüber. Ein großes Danke an Kollegen Drobits, der diesen Antrag initiiert hat! Damit macht diese umfassende Bildung im wahrsten Sinne des Wortes Schule. Einfach informiert zu sein: Was darf ich, was darf ich nicht? Wie weit kann ich gehen, ohne dass mir etwas passiert? Welche Möglich­keiten habe ich, um meine Privatsphäre einzufordern, dass sie auch eingehalten wird? – Danke, super, dass das gelingt, dass wir das heute auf den Weg bringen! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich würde auch noch gerne etwas zum erweiterten Datenschutz in den Schulen sagen. Immer wieder sind wir nämlich zu Recht mit der Kritik konfron­tiert, dass wir Microsoft-Anwendungen an Schulen implementiert haben. Das sagen nicht wir, sondern das sagen Datenschützer:innen in Deutschland, aber auch Expert:innen bei uns in Österreich wie zum Beispiel die NGO Epicenter Works. Das Problem bei den Microsoft-Anwendungen ist, dass natürlich ganz, ganz sensible Daten von Pädagog:innen und Lehrer:innen auf US-Servern liegen und damit die US-Regierung auch irgendwann einmal Zugriff darauf haben könnte. Ich glaube nicht, geschätzte Kollegen und Kolleginnen, dass wir das wollen.

Die Antwort wäre, einfach mutig den Weg der digitalen Souveränität in Europa zu gehen. Das braucht es dringend. – Herr Bundesminister, ich weiß, es gibt da Pläne, wir haben aber noch nichts Konkretes gesehen, wir kennen nur


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Überschriften. Es braucht ganz einfach Alternativen im Unterricht, Open-Source-Angebote, die es bereits gibt. Ich finde, Kinder und auch Pädagog:innen haben das Recht darauf, dass ihre Daten geschützt werden. Deshalb her mit einem wirklichen Open-Source-Angebot an Schulen! (Beifall bei der SPÖ.)

Ein zweiter Aspekt – weil von meiner Vorrednerin Sibylle Hamann auch die digi­tale Grundbildung genannt wurde –: Ja, die digitale Grundbildung gibt es, aber damit ist noch lange nicht der Zeitgeist erfasst. Wir befinden uns einfach wirklich in einem neuen Zeitalter. Seit Herbst hat Chat-GPT unsere Gesellschaft und unsere Schulen sozusagen auf den Kopf gestellt. Es gibt einen Leitfaden, den man auf der Homepage des Ministeriums abrufen kann, aber der macht ausschließ­lich auf die Gefahren aufmerksam. Völlig richtig: KI – künstliche Intelligenz – birgt Gefahren, aber sie birgt auch wahnsinnig viele Chancen. Ich finde, auch da haben Kinder das Recht darauf, umfassend gebildet zu werden, um damit umgehen zu können, weil wir wissen – noch einmal –: Chat-GPT wirft nicht immer zwei plus zwei ist gleich vier aus. Das ist kein Taschenrechner. Laut Chat-GPT trinken Kühe auch manchmal Milch und nicht Wasser.

Deshalb muss es wie gesagt das Recht auf eine umfassende Bildung im Bereich der künstlichen Intelligenz geben. Das fehlt noch, und deshalb, Herr Bundes­minister, auch der Appell an Sie an dieser Stelle! (Beifall bei der SPÖ.)

18.23 18.23.53


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 2134 der Beilagen angeschlossene Entschließung betreffend „Wissen über Datenschutz und Datensicherheit für Kinder und Jugendliche ausbauen!“.

Wer sich dafür ausspricht, den bitte ich um ein zustimmendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen. (332/E)


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18.24.14 14. Punkt

Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regierungs­vorlage (2084 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Sicherstellung der staatlichen Resilienz und Koordination in Krisen (Bundes-Krisensicherheitsgesetz – B-KSG) erlassen wird sowie das Bundes-Verfassungsgesetz, das Wehrgesetz 2001 und das Meldegesetz 1991 geändert werden (2120 d.B.)

15. Punkt

Bericht und Antrag des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Entwurf eines Bundesgesetzes über die Einrichtung eines Bundeskrisenlagers für den Gesundheitsbereich sowie über die Verfügung über Bundesvermögen bei Abgabe aus diesem Lager (Bundeskrisenlagergesetz – BKLG) (2121 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir nun zu den Punkten 14 und 15 der Tagesordnung, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Ich begrüße Herrn Bundesminister Gerhard Karner im Hohen Haus und erteile Herrn Abgeordneten Reinhold Einwallner das Wort. – Bitte.


18.25.11

Abgeordneter Ing. Reinhold Einwallner (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundes­minister! Geschätzte Damen und Herren! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Wir behandeln jetzt das Krisensicherheitsgesetz, also eine gesetzliche Grundlage für den Krisenfall. Ich sage es ganz ehrlich, es wäre auch sehr wichtig, dass es eine gesetzliche Grundlage gibt, wenn wieder eine Krise eintritt – aber, meine Damen und Herren der Regierungsparteien, nicht so!

Diese Regierung hat offenbar gar nichts aus der Krise und der Pandemie gelernt. Dieses Gesetz ist von Anfang an ein Murks, der Entwurf dazu wurde 2020 das


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erste Mal vorgestellt und hat sich bis zum heutigen Tage nicht verändert. Dieses Gesetz erhöht nicht die Sicherheit im Krisenfall – im Gegenteil –, dieses Gesetz ist demokratiepolitisch und sicherheitspolitisch ein Unding. (Beifall bei der SPÖ.)

Das zeigt sich in mehreren Punkten, und ich werde jetzt einige davon ansprechen. Das Kernstück dieses Gesetzes ist eine Fantasie des ehemaligen Innenministers und jetzigen Bundeskanzlers Nehammer, weil er einen Regierungsbunker zwei Geschosse unter dem Innenministerium bauen will. (Ruf bei der ÖVP: Hö, hö, hö!) Dazu hat er im Oktober 2020 schöne farbige Bilder präsentiert. Es ist ein Unfug, diesen Bunker zu bauen, weil wir ihn nicht brauchen. Wir haben eine Infrastruktur, die auch für so ein gesamtstaatliches Lagezentrum tauglich wäre, im Stiftsbunker. Dieser Bunker, meine Damen und Herren, hätte ursprünglich ungefähr 20 Millionen Euro kosten sollen. Die Kosten haben sich mehr als verdoppelt – mehr als verdoppelt! Inzwischen will man 50 Millionen Euro für ein Ding ausgeben, das man nicht braucht, um die Fantasien des Herrn Nehammer zu erfüllen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Hoyos-Trauttmansdorff.)

Ein weiterer Punkt, dabei geht es um demokratiepolitische Aspekte: Wie kann man zukünftig eine Krise ausrufen? – Nicht mit qualitativer Einbindung des Parlaments. Nein, ganz im Gegenteil: Der Krisenbegriff ist im Gesetz mehr als schwammig formuliert. Das ist ein schwammiger Begriff, eine Begrifflichkeit, in die man viel hineininterpretieren kann. Was braucht die Regierung dazu? – Eine einfache Mehrheit im Hauptausschuss. Meine Damen und Herren, im Haupt­ausschuss hat jede Regierung eine einfache Mehrheit, so kann alles am Parlament vorbeigehen. Jede Krise kann mit einfacher Mehrheit im Hauptaus­schuss beliebig verlängert werden. Das ist demokratiepolitisch mehr als bedenklich.

Ich habe in diesem Fall von der ÖVP nicht viel erwartet, aber dass die Grünen so einem Gesetz zustimmen können, durch das man mit einfacher Mehrheit am Parlament vorbei eine Krise ausrufen kann, halte ich, meine Damen und Herren,


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für unerträglich. (Beifall bei der SPÖ, bei Abgeordneten der FPÖ sowie des Abg. Hoyos-Trauttmansdorff.)

Wo, Herr Minister, ist die politische Verantwortung? Krise ist Chefsache. In diesem Gesetzentwurf ist keine politische Verantwortlichkeit niedergeschrieben. Es ist ein Herumeiern, wenn es um Verantwortung geht. Im Krisenfall braucht es eine klare Verantwortung, und die wollen der Bundeskanzler und die Bundes­regierung offenbar nicht übernehmen. Man installiert einen schwach ausgestat­teten Regierungsberater, an dem man sich dann wieder leicht und locker abputzen kann. Das ist kein Krisenmanagement, wie es Österreich verdient, das ist ein Zurückziehen in der Krise, das ist ein Abgeben und ein Abschieben der Verantwortung, und da sind wir nicht dabei. (Beifall bei der SPÖ.)

Man kann sich schon hinstellen und sagen: Ja, wir hätten zwar gerne eine Zweidrittelmehrheit, aber wir wollen nicht mit der Opposition reden! – Das geht halt nicht: keine Verhandlungen mit der Opposition, keine Einbindung des Parlaments in den Entscheidungsprozess und dann zu glauben, es gibt eine Zweidrittelmehrheit!

Das ist aber gar nicht das Schlimmste. Diese Bundesregierung hat sich auch nicht darum geschert, andere Stakeholder einzubinden: weder die Gemeinden noch die Länder. Wir wissen ja, wie es im Krisenfall war, welch wichtige Rolle die Gemeinden da gespielt haben. Niemand – nicht einmal die Blaulichtorganisa­tio­nen – wurde eingebunden. Es hagelte in der Begutachtung Kritik, und das zu Recht. Zigtausende Stellungnahmen sind eingegangen, die vernichtendste, Herr Bundesminister, kam aus dem Bundeskanzleramt, vom Verfassungsdienst. Der hat dieses Gesetz eigentlich hingerichtet. Es ist eine vernichtende Stellung­nahme, so etwas habe ich zu einer Gesetzesvorlage noch nie gelesen. Dieses Krisensicherheitsgesetz ist also von vorne bis hinten ein Murks. (Beifall bei der SPÖ.)

Und dann kommen Sie im Ausschuss noch mit dem Bundeskrisenlagergesetz daher, von dem der Minister weder weiß, welche finanziellen Folgen dieses


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Gesetz hat, noch konnte er sonst etwas beantworten, null. Das Ganze drückt man ganz schnell im Ausschuss durch, wie auch heute wieder hier. Meine Damen und Herren! Das, was Sie hier machen, ist nicht nur planlos, das ist verantwor­tungslos. Es ist verantwortungslos! (Beifall bei der SPÖ.)

Abschließend kann man nur einen Schluss ziehen: In der Krise zeigt sich der Charakter, heißt es. Im Krisensicherheitsgesetz zeigt sich die Unfähigkeit dieser Bundesregierung. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der FPÖ.)

18.30


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Christian Stocker. – Bitte.


18.30.51

Abgeordneter Dr. Christian Stocker (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuse­her:innen hier im Saal beziehungsweise vor den Fernsehgeräten! Ja, das war ein kleiner Vorgeschmack, wie die Opposition dieses Gesetz sieht. Es ist ihr unbenommen, diese Sichtweise zu diesem Gesetz zu haben, ich sage aber, es ist eine parteipolitisch motivierte Sichtweise und keine, die in der Sache begründet ist. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wenn man sich ansieht, wie lange dieses Thema Regierungen schon beschäftigt, dann wird man feststellen, dass bereits im Arbeitsprogramm der SPÖ-ÖVP-Regierung 2013 dazu Ausführungen zu finden sind, ebenso wie im Regierungs­programm der Volkspartei und der Freiheitlichen Partei aus dem Jahr 2017.

Worum geht es bei diesem Gesetz? – Es geht darum, dass infolgedessen, was wir in der Krise erlebt haben, wo wir gesehen haben, dass Strukturen zu verbessern sind, diese auch verbessert werden. (Abg. Herr: Gleich am Parlament vorbei!) Es soll ein Krisensicherheitskabinett unter der Leitung des Bundeskanzlers eingerich­tet werden, ein Bundeslagezentrum, das der Herr Kollege hier als Bunker


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bezeichnet hat. Im Übrigen ist es das erste Mal, dass die SPÖ sich so für die Kosten interessiert. Bis jetzt war das dieser Fraktion immer wurscht, aber wir nehmen es gerne zur Kenntnis, und ich darf Ihnen eines sagen: Die Kosten­erhöhung, die Sie angeführt haben (Abg. Einwallner: Eine Verdoppelung! Das ist eine Verdoppelung!), ergibt sich deshalb, weil dieses Bundeslagezentrum jetzt neue Aufgaben zu erfüllen hat – aber sei’s drum.

Das Nächste ist, dass ein Regierungsberater im Sinne eines Koordinators eingesetzt werden soll und eine Plattform beziehungsweise mehrere Plattformen eingerichtet werden, beispielsweise für Gesundheit, Energie, und auch eine Plattform für alle drei Nachrichtendienste gemeinsam.

In diesem Gesetz ist auch vorgesehen, dass das Bundesheer da eine wesentliche Rolle spielt. Weil in der Diskussion vor der Beschlussfassung hier im Plenum angeführt wurde, das Bundesheer würde zu einer Hilfsorganisation degradiert, so kann ich Ihnen sagen: Mitnichten! Es geht darum, dass autarke und resiliente Kasernen für die Sicherheitsbehörden und für Rettungsorganisationen zur Unterstützung im Krisenfall bereitgestellt werden. Auch das ist eine Aufgabe der umfassenden Landesverteidigung.

Die Bestimmungen das Bundesheer betreffend enthalten allerdings Verfassungs­bestimmungen, und Sie haben ja schon gehört, dass da eine Zweidrittelmehrheit schwer bis nicht möglich sein wird. Ich darf daher einen Abänderungsantrag einbringen, mit dem diese Verfassungsbestimmungen aus dem Gesetzentwurf herausgenommen werden, damit wir die wesentlichen Kernelemente mit einfacher Mehrheit beschließen können.

Dieser Abänderungsantrag gelangt zur Verteilung und beinhaltet im Wesent­lichen, dass diese Verfassungsbestimmungen das Bundesheer betreffend, wodurch eine Zweidrittelmehrheit erforderlich wäre, aus dem Gesetzespaket herausgelöst werden. Und auf Vorschlag der Bundespräsidentschaftskanzlei wird durch diesen Antrag das Teilnahmerecht in ein Beratungsrecht umge­wan­delt. Letztlich sind darin, auch vor dem Hintergrund der erforderlichen


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Vorbereitungshandlungen für die zeitgerechte Wahrnehmung der Aufgaben des Regierungsberaters sowie dessen Stellvertreters, Sicherstellungsbestimmungen der Funktionsweise enthalten.

Im Wesentlichen geht es also wie gesagt darum, dass die Verfassungsbestim­mungen aus diesem Gesetzentwurf herausgenommen werden.

Es wurde hier gesagt, dieses Gesetz wäre unverändert geblieben. – Das ist nicht so! (Abg. Einwallner: Ihr habt jetzt die Verfassungsbestimmungen heraus­genommen, das stimmt!) Aus der Begutachtung sind durchaus Verbesserungen auch im Bereich der Definition der Krise in den Entwurf eingeflossen, wobei ich sage, natürlich kann man immer darüber reden: Ist es unscharf, ist es schwammig? Es ist nicht so einfach, aber es wird erstmals überhaupt eine Definition einer Krise gesetzlich verankert.

Es sind auch die Bestimmungen betreffend das Bundes-Krisensicherheits­kabinett im Rahmen der Begutachtung noch abgeändert worden, die Schnittstelle zu den Ländern und die Leitung des Beratungsgremiums sowie die Flexibilität hinsichtlich des Sitzungsortes.

Wenn es um die Feststellung einer Krise geht, finde ich es schon merkwürdig, dass eine Mehrheitsentscheidung als undemokratisch bezeichnet wird. Eine Demokratie lebt von Mehrheitsentscheidungen, und auch eine einfache Mehrheitsentscheidung ist eine demokratische Entscheidung. (Abg. Kassegger: Aber es gibt qualifizierte Mehrheiten für weitergehende Beschlüsse, Herr Kollege!) Und letztlich ist es so, dass die Feststellung einer Krise ja nicht von der Bundesregierung alleine getroffen werden kann, sondern im Einvernehmen mit dem Hauptausschuss des Nationalrates erfolgen muss, und dadurch ist auch diese Rückbindung an den Gesetzgeber sichergestellt.

Wir wollen hier auch nicht unerwähnt lassen, dass eine Verordnung, die auf diese Weise zustande kommt, nach sechs Wochen ihre Wirksamkeit verliert und


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für die Verlängerung der Prozess, der für die Beschlussfassung notwendig ist, neuerlich in Gang gesetzt werden muss.

Das heißt, mit diesem Gesetz ist Österreich auf die eventuell noch kommenden Krisen besser vorbereitet und kann künftig besser auf Krisen mit Maßnahmen zur Bewältigung dieser Krisen reagiert werden. (Beifall bei der ÖVP.)

18.36

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Stocker, Stögmüller

Kolleginnen und Kollegen

zum Gesetzentwurf im Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten 2120 d.B. über die Regierungsvorlage 2084 d.B. betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Sicherstellung der staatlichen Resilienz und Koordination in Krisen (Bundes-Krisensicherheitsgesetz – B KSG) erlassen wird sowie das Bundes-Verfassungsgesetz, das Wehrgesetz 2001 und das Meldegesetz 1991 geändert werden (TOP14)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der im Titel bezeichnete Gesetzentwurf wird wie folgt geändert:

1. Der Titel lautet:

„Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Sicherstellung der staatlichen Resilienz und Koordination in Krisen (Bundes-Krisensicherheitsgesetz – B-KSG) erlassen sowie das Meldegesetz 1991 geändert wird“

2. Das Inhaltsverzeichnis lautet:


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„Inhaltsverzeichnis

Art.     Gegenstand / Bezeichnung

1          Bundes-Krisensicherheitsgesetz

2          Änderung des Meldegesetzes 1991“

3. Art. 1 entfällt und erhält der bisherige Art. 2 die Artikelbezeichnung „Artikel 1“.

4. In Art. 1 (neu) entfällt im Inhaltsverzeichnis der bisherige Eintrag zu § 12 und erhalten die bisherigen Einträge zu den §§ 13 bis 20 die Paragraphenbezeichnungen „12“, „13“, „14“, „15“, „16“, „17“, „18“ und „19“.

5. In Art. 1 (neu) wird in § 5 Abs. 3 letzter Satz der Verweis „gemäß Abs. 4“ durch den Klammerausdruck „(Abs. 4 erster Satz)“ ersetzt.

6. In Art. 1 (neu) wird in § 5 Abs. 4 erster Satz der Beistrich durch das Wort „und“ ersetzt und entfällt die Wortfolge „und ein Vertreter der Präsidentschaftskanzlei“.

7. In Art. 1 (neu) wird dem § 5 Abs. 4 folgender Satz angefügt:

„Ein Vertreter der Präsidentschaftskanzlei ist berechtigt, an den Sitzungen des Beratungsgremiums teilzunehmen.“

8. In Art. 1 (neu) entfällt der bisherige § 12 samt Überschrift und erhalten die bisherigen §§ 13 bis 20 die Paragraphenbezeichnungen „§ 12.“, „§ 13.“, „§ 14.“, „§ 15.“, „§ 16.“, „§ 17.“, „§ 18.“ und „§ 19.“.

9. In Art. 1 (neu) entfällt in § 17 (neu) die bisherige Z 4 und erhält die bisherige Z 5 die Ziffernbezeichnung „4.“.

10. In Art. 1 (neu) werden dem § 19 (neu) folgende Abs. 3 und 4 angefügt:

„(3) Die Ausschreibung der Funktionen des Regierungsberaters sowie des stellvertre­tenden Regierungsberaters ist bereits vor Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes zulässig.


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(4) Die für die Aufnahme der Tätigkeit des Regierungsberaters sowie des stellver­tre­tenden Regierungsberaters erforderlichen organisatorischen und personellen Maßnahmen können bereits mit Ablauf des Tages der Kundmachung dieses Bundes­gesetzes getroffen werden. Die vorbereitenden Maßnahmen hat der Bundeskanzler zu treffen.“

11. Art. 3 entfällt und erhält der bisherige Art. 4 die Artikelbezeichnung „Artikel 2“.

Begründung

Zu Z 1 bis 4, 8, 9 und 11:

Mit den gegenständlichen Änderungen sollen die Verfassungsbestimmungen (bis­heriger Artikel 1) sowie die damit im Zusammenhang stehenden einfachgesetzlichen Anschlussbestimmungen (bisheriger § 12 des bisherigen Artikels 2 sowie bisheriger Artikel 3) aus dem Gesetzespaket herausgelöst werden.

Zu Z 5 bis 7:

Im Hinblick darauf, dass – soweit nicht verfassungsmäßig anderes bestimmt ist – alle Akte des Bundespräsidenten auf Vorschlag der Bundesregierung (oder des von ihr ermächtigten Bundesministers) erfolgen (vgl. Art. 67 Abs. 1 B-VG), soll aus verfassungs­rechtlichen Erwägungen der Vertreter der Präsidentschaftskanzlei lediglich als Beobachter im Beratungsgremium teilnehmen können. Durch die nunmehr in § 5 Abs. 4 letzter Satz des Bundes-Krisensicherheitsgesetzes (B-KSG) vorgesehene Teilnahme­möglichkeit soll der Informationsfluss zum Bundespräsidenten sichergestellt werden.

Zu Z 10:

Vor dem Hintergrund der erforderlichen Vorbereitungshandlungen und um die zeitgerechte Wahrnehmung der Aufgaben des Regierungsberaters sowie des stellvertretenden Regierungsberaters sicherzustellen, sollen entsprechende Übergangsbestimmungen vorgesehen werden.

*****



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Präsidentin Doris Bures: Der Abänderungsantrag wurde bereits an alle Abgeordneten verteilt, in den Grundzügen erläutert und steht daher auch mit in Verhandlung.

Nächster Redner: Herr Abgeordneter Hannes Amesbauer. – Bitte.


18.36.34

Abgeordneter Mag. Hannes Amesbauer, BA (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Dieses Krisensicherheitsgesetz, das hier heute zur Beschlussfassung vorliegt, ist nicht nur ein Murks, es ist aus meiner Sicht auch ein besonderes Schurkenstück dieser Bundesregierung. (Abg. Steinacker: Geh bitte! Das geht nicht!)


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter, ich würde Sie ersuchen, den Begriff zurückzunehmen, oder ich erteile Ihnen einen Ordnungsruf dafür.


Abgeordneter Mag. Hannes Amesbauer, BA (fortsetzend): Ich würde lieber begründen, warum ich den Begriff gewählt habe.

18.37.03*****


Präsidentin Doris Bures: Nein, ich erteile Ihnen für den Ausdruck Schurken­regierung einen Ordnungsruf. (Abg. Kickl: Das hat er nicht gesagt!)

***** 18.37.08


Abgeordneter Mag. Hannes Amesbauer, BA (fortsetzend): Das habe ich nicht gesagt: Schurkenregierung. (Abg. Steinacker: „Schurkenstück“ hat er gesagt!) Schurkenstück. (Abg. Steinacker: Wir sind ja Gesetzgeber! So etwas geht nicht! – Abg. Höfinger: Das ist ja unglaublich! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) – So, beruhigen wir uns dann wieder im ÖVP-Sektor?

Die Aufregung ist ja durchaus berechtigt, denn das, was hier vorgelegt wird, dieses sogenannte Krisensicherheitsgesetz, ist ein Murks, ist inhaltlich schlecht,


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ist legistisch grottenschlecht gemacht und ist nicht geeignet und tauglich, um im Krisenfall zu funktionieren.

Zum Problem, das da angesprochen wurde, mit der für den Beschluss der Verfassungsbestimmungen notwendigen Zweidrittelmehrheit, die ja jetzt aufgrund dieses Abänderungsantrages, den Kollege Stocker gerade eingebracht hat, nicht kommen, ist Folgendes zu sagen: Tatsache ist, dass es keine Diskussion mit uns darüber gegeben hat. Mit jenen, von denen Sie die Zweidrit­telmehrheit wollen – das sind die Sozialdemokraten oder die Freiheitlichen, anders wird es nicht gehen –, über einen Zeitraum von zwei Jahren kein einziges inhaltliches Gespräch darüber zu führen und sich dann noch zu beschweren, dass man keine Zustimmung kriegt, also das ist wirklich fast unerhört. Das ist kein professioneller Umgang im Parlament. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Matznetter.)

Jetzt kommen wir zu den inhaltlichen Punkten, meine Damen und Herren. Die Frage bei so einem Prozess wäre einmal: Brauchen wir überhaupt so ein Krisensicherheitsgesetz?, angesichts dessen, dass vor wenigen Wochen ein Diskussionsprozess gestartet wurde, um die Österreichische Sicherheitsstra­tegie, die mittlerweile zehn Jahre alt ist und teilweise veraltet ist, neu aufzustel­len. Ich hätte einmal diesen Prozess abgewartet, mit den Experten diskutiert und geschaut, ob bei der Ausarbeitung der neuen Österreichischen Sicherheits­strategie überhaupt herauskommt, dass wir ein eigenes Krisensicherheitsgesetz brauchen.

Zudem haben wir auch noch die umfassende Landesverteidigung, die in Wahr­heit ja nicht nur den militärischen Bereich betrifft, das wissen Sie ganz genau, sondern für alle Bedrohungsszenarien gedacht ist. Das liegt halt aber auch daran, dass die ULV genauso wie das gesamte Bundesheer jahrzehntelang unter schwarzen Finanzministern kaputtgespart wurde, meine Damen und Herren. Das muss man Ihnen auch ins Stammbuch schreiben. (Beifall bei der FPÖ.)


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Das Problem, das wir inhaltlich haben, ist zum einen – Kollege Einwallner hat es richtig angesprochen –, dass der Begriff der Krise in diesem Gesetz sehr schwammig definiert ist, sehr unbestimmt ist, wodurch der Willkür Tür und Tor geöffnet sind. Die Krise definiert und bestimmt nicht etwa das Parla­ment, das Parlament wird bei Ihrem Entwurf, den Sie heute hier beschließen, komplett außer Acht gelassen.

Sie haben ein parlamentarisches Feigenblatt gemacht – mit der Behandlung im Hauptausschuss und der Beschlusserfordernis nicht mit qualifizierter Mehrheit, sondern nur mit einfacher Mehrheit der Regierungsfraktionen. Das kennen wir aus der Coronazeit, dass jeder Unfug und jede Verordnungs­ermächtigung im Hauptausschuss abgenickt wird, ohne parlamentarische Diskussion und Behandlung der Krise, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Was den Begriff Krise betrifft, so sind der Fantasie ja praktisch keine Grenzen gesetzt. Man stellt sich die Frage: Wären zum Beispiel laufend stattfindende Massenkundgebungen gegen die Bundesregierung in Wien, in allen Landes­haupt­städten, die sich immer wieder wiederholen, schon eine Krise? Ist eine verschärfte Migrationssituation mit Unruhen eine Krise? Gibt es eine Energie­krise? Gibt es eine Krise im Fall einer Dürreperiode, eines Naturereignisses, das jederzeit eintreten kann? – Laut den Erläuterungen in diesem Gesetzes­vorschlag: ja. Die Regierung bestimmt, was eine Krise ist, wann sie beginnt, wann sie wieder aufhört. (Abg. Kickl: Ein Wahnsinn!) Zurate gezogen wird ein sogenannter Regierungskoordinator. Da hat man dann praktischerweise, wieder wie bei Corona, einen Beamten, auf den man die Verantwortung abschie­ben und an dem man sich abputzen kann.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben ja Vorschläge gemacht. Wir haben gesagt, wenn es so ein Ding braucht, dann gehört die Gesamtver­antwor­tung im Bundeskanzleramt angesiedelt und nicht bei den jeweiligen Fach­minis­tern, die per Verordnung das Land regieren, wie es zum Beispiel die Herren


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Anschober und Mückstein gemacht haben. Da sage ich nur: SOS Grundrechte!, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir wissen ja aus der Geschichte und auch aus der Gegenwart, dass starke Staaten – gerade die ÖVP schafft jetzt wieder den starken Staat – dazu neigen, übergriffig zu werden, und darum braucht es ja die parlamentarische Kontrolle. Dafür sitzen wir ja hier! Sonst könnten wir uns ja die Veranstaltung hier sparen. Sie aber schalten das Parlament im Krisenfall aus! Das muss man so klar benennen. Vielleicht war der Herr Bundesminister zu oft in seinem Dollfuß-Museum in seiner Heimatgemeinde und hat sich dort Inspirationen geholt. (Abg. Prinz: Also irgendwo hat es Grenzen, Herr Kollege! Das ist ja - -!) Sonst kann ich mir das ja nicht vorstellen, was da von Ihnen geplant ist, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ.)

Das kann es ja überhaupt nicht sein, denken Sie einmal nach! Das passt ja gut zu den aktuellen Fantasien, die man von Ihren Beamten aus der Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst gehört hat, die jetzt darüber nachdenken, einen eigenen Straftatbestand für die Verbreitung von Falschnachrichten und Desinformation zu etablieren (Abg. Kickl: Unglaublich! – Abg. Stocker: Das glaub’ ich, dass euch das wehtut!): ein Wahrheitsministerium nach Orwell, wo der Staat entscheidet, was gesagt und gedacht werden darf! – Das kann es nicht sein, meine Damen und Herren.

Zum Bundesheer: Herr Kollege Stocker, Sie haben vorgehabt, das Bundesheer zu einem technischen Hilfswerk zu degradieren – das haben Sie vorgehabt (Abg. Ofenauer: Unsinn!) –, zur Bevorratung, was weiß ich, zur Bewässerung von Feldern, wie auch immer (Abg. Ofenauer: Wider besseres Wissen!), weg von der mili­tä­rischen Kernaufgabe – einerseits. Und andererseits, was noch viel bedenklicher ist: Sie gehen mit Ihren Vorschlägen vom Grundsatz ab – die Opposition hat das Gott sei Dank verhindert –, militärische und polizeiliche Aufgaben zu trennen. Davon gehen Sie ab.


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Wenn man das jetzt weiterdenkt, dass vielleicht in einem Krisenfall irgendein Minister auf die Idee kommt, aus welchem Grund auch immer, wieder Ausgangsbeschränkungen einzuführen – das haben wir ja auch während Corona erlebt –, und Sie dann vielleicht das österreichische Bundesheer dazu herzunehmen, um diese Ausgangsbeschränkungen zu kontrollieren und zu exekutieren (Abg. Prinz: Das wollte der Kickl bei Corona! Der Kickl wollte das bei Corona!), dann kann ich Ihnen nur sagen: Wir wollen das österreichische Bundesheer nicht im Inneren gegen die eigene Bevölkerung einsetzen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist ja unerhört! (Beifall bei der FPÖ.)

Da sieht man, wie wichtig es ist, dass die Opposition hier geschlossen aufge­treten ist und diesen Unfug und diesen Wahnsinn verhindert hat. Sie können diese Verfassungsbestimmungen, diese Verfassungsänderungen, was das Bundesheer betrifft, heute nicht durchziehen. Sie sind natürlich stur, verhandeln nicht nach, haben jetzt einen Abänderungsantrag gemacht, nehmen das heraus und beschließen den anderen Murks.

Die Opposition wird Ihnen eine weitere Hilfestellung geben, um das Ganze ein bisschen abzufedern. Ich bringe folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Hannes Amesbauer, BA, Ing. Reinhold Einwallner, Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Verantwortung dorthin, wo sie hingehört!“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert,

- unter Einbeziehung aller im Hauptausschuss vertretenen Parteien eine Ände­rung des Bundesgesetzes über die Errichtung eines Nationalen Sicherheitsrates und der Geschäftsordnung des Nationalen Sicherheitsrates zu erarbeiten, in welchen vorgesehen ist, dass der Nationale Sicherheitsrat auch in Zukunft das


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oberste Beratungsorgan für die Bundesregierung in allen grundsätzlichen Angelegenheiten der Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik darstellt;

- das Bundeslagezentrum politisch im Bundeskanzleramt anzusiedeln und durch eine Organisationseinheit des Bundeskanzleramts zu führen sowie

- das Bundeslagezentrum örtlich in der Stiftskaserne anzusiedeln.“

*****

(Beifall bei der FPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, machen Sie echte, verantwortungs­bewusste, vernünftige Sicherheitspolitik, aber lassen Sie die Finger von Ihren Allmachtsfantasien, von Ihren totalitären Fantasien, die letztlich nur der politischen Willkür und der Gängelung der Bürger unter völliger Ausschaltung des Parlaments im Krisenfall dienen!

Das wird es mit uns Freiheitlichen nicht spielen, und eines sage ich Ihnen auch: Wenn wir mit einem Volkskanzler Kickl in die Bundesregierung kommen, dann werden wir uns dieses Gesetz noch einmal genau zur Brust nehmen.

Ich nehme Sie abschließend noch auf eine kleine Gedankenreise mit: Stellen Sie sich vor – denn es gibt ja auch eine eklatante Machtverschiebung hin zum Innenministerium –, ein Innenminister Herbert Kickl hätte damals so einen Gesetzentwurf auf den Tisch geknallt. Na, da wäre der Vorwurf des Polizei­staates gekommen, und zwar völlig zu Recht. Und Sie machen das jetzt. SOS Grundrechte!, meine Damen und Herren. Lassen Sie die Menschen in Ruhe und hören Sie auf mit Ihren totalitären Allmachtsfantasien! (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Höfinger: Mitleidsapplaus! Sehr, sehr gespielt!)

18.45

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:


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Entschließungsantrag

der Abgeordneten Amesbauer, Einwallner, Hoyos

und weiterer Abgeordneter

betreffend Verantwortung dorthin, wo sie hingehört!

eingebracht im Zuge der Debatte über den Tagesordnungspunkt 14, Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regierungsvorlage (2084 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Sicherstellung der staatlichen Resilienz und Koordination in Krisen (Bundes-Krisensicherheitsgesetz – B-KSG) erlassen wird sowie das Bundes-Verfassungsgesetz, das Wehrgesetz 2001 und das Meldegesetz 1991 geändert werden (2120 d.B.) in der 224. Sitzung des Nationalrates, XXVII. GP, am 6. Juli 2023  

Das Bundeskrisensicherheitsgesetz steht seit Längerem in großer Kritik. Im Begut­achtungsverfahren sind mehrere tausend Stellungnahmen gegen den Gesetzes­entwurf eingegangen. Die versprochene Einbindung aller Parteien hat de facto nicht stattgefunden. Die gesamte Opposition hat ihre Ablehnung aus mannigfaltigen Gründen mehrfach kundgetan. Die „Austria Presse Agentur“ berichtete wie folgt:1

Krisensicherheitsgesetz - Opposition geschlossen gegen "Murks"

Utl.: SPÖ, FPÖ und NEOS traten gemeinsam gegen "Murks" auf - Weiter Kritik an fehlender Definition von Krisen und fehlender Einbindung des Parlaments

Die Opposition im Nationalrat hat ihre Ablehnung gegen das von der Regierung geplante Krisensicherheitsgesetz am Mittwoch bekräftigt. In einer gemeinsamen Pressekonferenz warnten Vertreter von SPÖ, FPÖ und NEOS vor einem "Murks", der auch grundrechtliche Probleme in sich berge. Vor allem das Ausrufen einer Krise mit einfacher Mehrheit und das am Parlament vorbei störte die Sicherheitssprecher der drei Parteien. Das Bundesheer werde zudem zu einem Hilfswerk degradiert.


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Bereits im Herbst des vergangenen Jahres hat sich Opposition gemeinsam gegen das Gesetz geäußert. Seitdem habe es lediglich ein kurzes Gespräch mit den Fraktionen gegeben, berichteten Reinhold Einwallner (SPÖ), Hannes Amesbauer (FPÖ) und Douglas Hoyos (NEOS) am Mittwoch. Nach zahlreichen, teils vernichtenden Stellung­nahmen in der Begutachtungsphase liege nun ein neuer Entwurf am Tisch, an dem sich laut den drei Parteien kaum etwas geändert habe.

Für Einwallner ist das Krisensicherheitsgesetz nach wie vor ein "demokratiepolitischer wie sicherheitspolitischer Murks" und eine "absolute Fehlkonstruktion". Dem Entwurf fehle eine klare Definition, was eigentlich eine Krise ist. Dass eine solche mit einfacher Mehrheit ausgerufen werden kann, sei "demokratiepolitisch sehr bedenklich". Für Amesbauer sind dabei der Fantasie keine Grenzen gesetzt. Dann wäre der jeweilige Fachminister ermächtigt, am Parlament vorbei das Land alleine zu regieren.

Bundeskanzler Karl Nehammer gehe es bei dem Gesetz lediglich darum, seinem "Bunker" im Regierungsviertel einen gesetzlichen Rahmen zu verpassen, vermutet Einwallner, der auch die "Kostenexplosion" bei dem Projekt kritisierte. Habe die Regierung bei der Präsentation im Jahr 2020 noch von 20 Mio. Euro gesprochen, sei man inzwischen schon bei 50 Mio. Euro angelangt. Inzwischen werde das neue Lagezentrum bereits gebaut - ohne gesetzliche Grundlage.

"Die Einbindung hat nicht funktioniert", bedauerte auch Hoyos die Gesprächskultur der Regierung beim Krisensicherheitsgesetz. Besonders enttäuscht zeigte er sich dabei von den Grünen, die den parlamentarischen Prozess als Oppositionspartei immer hoch gehalten hätten. Dass die Bundesregierung auf die Kritik der jetzigen Opposition nicht reagiere, sei halt so. "Aber sie reagiert auch nicht auf die Stellungnahmen, die aus den eigenen Häusern kommen", so der NEOS-Verteidigungssprecher.

Auch Hoyos stößt sich daran, dass es laut Gesetzesentwurf für die Definition einer Krise nur eine einfache Mehrheit benötigen soll. "Wenn das (der ungarische Ministerpräsident, Anm.) Victor Orban machen würde, dann würde ganz Europa zu Recht aufschreien." Dass das Bundesheer im Krisenfall zu einem logistischen


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Hilfswerk degradiert werde, kritisierte er ebenso, denn: "Einer wird sich freuen, Vladimir Putin wird sich freuen."

Auch Amesbauer sieht in der im Entwurf vorgesehenen Rollenteilung "ein klares Abgeben vom jetzigen Grundsatz der klaren Trennung zwischen militärischen und polizeilichen Aufgaben". Dies sei "verfassungsmäßig höchst bedenklich". Für den Freiheitlichen gehört hingegen der Nationale Sicherheitsrat aufgewertet. Einwallner wiederum fordert, dass in einer Krise das Bundeskanzleramt verant­wortlich ist, am besten mit einem zuständigen Staatssekretär.

Eine Zustimmung zum Gesetz konnte sich am Mittwoch daher keine der drei Oppositionsfraktionen vorstellen.

Die Regierungsparteien ÖVP und Grüne müssen nun in zweiter Lesung einen Abänderungsantrag einbringen, weil das Gesetz nicht die notwendige Zweidrittel­mehrheit erhält.

SPÖ, FPÖ und Neos wollen mit diesem Antrag ein klares Zeichen für eine Verbesserung abseits des Bundeskrisensicherheitsgesetzes sorgen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert,

•          unter Einbeziehung aller im Hauptausschuss vertretenen Parteien eine Änderung des Bundesgesetzes über die Errichtung eines Nationalen Sicherheitsrates und der Geschäftsordnung des Nationalen Sicherheitsrates zu erarbeiten, in welchen vorgesehen ist, dass der Nationale Sicherheitsrat auch in Zukunft das oberste Beratungsorgan für die Bundesregierung in allen grundsätzlichen Angelegenheiten der Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik darstellt;


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•          das Bundeslagezentrum politisch im Bundeskanzleramt anzusiedeln und durch eine Organisationseinheit des Bundeskanzleramts zu führen sowie

•          das Bundeslagezentrum örtlich in der Stiftskaserne anzusiedeln.“

1 APA0143 vom 21.Juni 2023

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Nächster Redner: Herr Abgeordneter David Stögmüller. – Bitte.


18.45.58

Abgeordneter David Stögmüller (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Ich möchte dieses Gesetz ganz kurz – ich habe leider nicht sehr viel Redezeit – erklären, damit man es auch versteht.

Es gibt im Krisensicherheitsgesetz zwei Teile, der eine Teil heißt Krisenvorsorge. Es sitzen sehr viele Gemeinderätinnen und Gemeinderäte, Bürgermeister und Bürgermeisterinnen und auch Feuerwehrleute hier herinnen – wir haben vorhin das Ehrenamt gepriesen –, die wissen, dass es für eine Krisenvorsorge Einsatz­pläne braucht, um eine Krise zu bewältigen. Man braucht Einsatzpläne, man braucht eine entsprechende Vorsorge, und diese Vorsorge wird im Krisensicher­heitsgesetz geregelt – das ist einer der größeren Brocken –, nämlich dass es einen Krisenkoordinator gibt, der wie ein Feuerwehrhauptmann einen Krisenplan hat, eine Krisenvorsorge sicherstellt. Es gibt also einen Plan, es gibt eine Vorbereitung.

Wir wissen es aus der Blackoutvorsorge, wir wissen es von Corona, wie wichtig Vorsorge ist; da hat es teilweise wenig Pläne für manche Bereiche gegeben. Daher gibt es nun eine entsprechende Vorsorge, damit wir in der Zukunft gut


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gerüstet sind. Das ist eine Lehre aus der Ukrainekrise, aus der Covid-Krise, dass wir entsprechende Pläne in der Schublade haben, Vorbereitungen treffen, die richtigen Einsatzstellen bereit sind und wir dann entsprechend handeln können.

Man kann die Krisen nicht irgendwie voneinander trennen. Die Ukrainekrise hat uns einerseits von Putins schmutzigem Gas befreit, sie hat uns andererseits eine Energiekrise beschert, eine Lebenskostenkrise ausgelöst und so weiter. Genauso sind Krisen nicht von anderen Krisen zu unterscheiden: Klimakrise, Ernäh­rungs­krise – Menschen hungern, Menschen flüchten, mehr Menschen leiden. Das sind alles Sachen, auf die wir uns vorbereiten müssen. Da braucht es entsprechende Pläne. Da geht es also nicht um irgendwelche Handlungen. – Das ist der eine Teil.

Und dann gibt es den zweiten Teil, und dieser enthält Regelungen für den Fall, dass eine Krise ausbricht. Da war uns wichtig, dass die Führung nicht über den Herrn Bundesminister für Inneres läuft, sondern dass die Führung dort liegt, wo sie hingehört, nämlich beim Bundeskanzler, und dass der Bundes­kanzler jene Person ist, die in einer Krise leiten muss.

Etwas, das wichtig ist und das wir aus den Krisen gelernt haben, ist, dass das Parlament mitreden muss. Was gibt es jetzt? Jetzt frage ich die Opposition: Wie wird denn jetzt eine Krise behandelt? Was ist jetzt? – Jetzt wird das im SKKM gemacht. In einem Ministerratsvortrag aus den 2000er-Jahren wird geregelt, wie jetzt eine Krise und Katastrophe abgewickelt wird – das ist also nichts Recht­liches, es gibt keine Transparenz, keine Kontrolle, keine Einbeziehung des Parla­ments – nichts.

Wir machen genau das: Wir verrechtlichen genau diese Punkte in einem Krisensicherheitsgesetz, und das ist auch gut so. (Beifall bei den Grünen.)

Es wird der Krisenbegriff ins 21. Jahrhundert gebracht, egal ob sicherheits­politische Krise, Gesundheitskrise, Energiekrise. Der Staat bleibt handlungsfähig,


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das ist wichtig. Die Krisenvorsorge und die Krisenkoordination werden in einem Koordinationszentrum zentralisiert. Die Zuständigkeiten aller Ministerien werden geklärt und in eine Koordinierungsstelle zusammengeführt. Das bindet auch die Einsatzorganisationen zusammen. Warum machen wir das? – Weil es bis jetzt auch nicht ordentlich gemacht war. Das ist nur in einem Minister­ratsvortrag aus den 2000er-Jahren geregelt. Jetzt wird es gesetzlich verankert; Bund und Länder sind dabei, das ist wichtig. – Auch ein Punkt.

Die Krisenkommunikation wurde bis jetzt auch nie geregelt. Etwas, das wir gelernt haben: In der Krisenkommunikation werden jetzt auch vulnerable Gruppen – die, wie wir gesehen haben, oft vernachlässigt werden – entsprechend miteinbezogen. Menschen mit Behinderungen, mit geringen Deutschkennt­nissen, Kinder werden von wichtigen Informationen in Zukunft nicht mehr ausgeschlossen.

Uns ist ein ganz wichtiges Anliegen: Wir verlieren dabei nicht den Blick auf den Parlamentarismus. Es gibt keine Zweidrittelmehrheiten im Hauptausschuss. (Abg. Einwallner: Natürlich! Mit einfacher Mehrheit!) Es gibt keinen Beschluss in diesem Ausschuss, der mit Zweidrittelmehrheit beschlossen wird – das ist einfach Geschäftsordnung. Eine einfache Mehrheit ist im Ausschuss zustande zu bringen. Es gilt entsprechend, Einstimmigkeit herbeizuführen.

Jetzt ist es ja überhaupt nicht - - (Abg. Kickl: Das ist schon ein bisschen ein anderes Kaliber, wenn Sie das Land ...!) – Herr Kickl, Sie können schon schreien. Wenn Sie jetzt eine Krise ausrufen wollen, können Sie das jederzeit. (Abg. Kassegger: Wie wollen Sie die rechtlichen Grundlagen ...?) – Jetzt verrechtlichen wir das. Es gefällt Ihnen nicht, dass das Parlament plötzlich etwas mitzureden hat.

Eigentlich ist es genau umgekehrt: Sie behaupten jetzt etwas ganz anderes als das, was dann passiert: Es wird eine strenge Berichtspflicht geben – auch ein Punkt. Wir sichern stets, wer in einer Krise welche Entscheidungen getroffen hat – das haben wir jetzt nicht, in Zukunft ist es im Gesetz drinnen. Wir schreiben hinein, wie die Dokumentation in einer Krise passiert. Jetzt ist die


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Frage, ob es dokumentiert ist oder nicht. Jetzt wird es verrechtlicht – das SKKM, wie gesagt, ein Ministerratsbeschluss.

Meine Damen und Herren! Ich fasse zusammen: Mit diesem Gesetz verstehen wir Krisen besser. Wir können besser, schneller und einheitlich handeln, nämlich auch schon im Vorfeld Pläne mit den Ministerien, mit den Expertinnen und Experten erarbeiten. Daher werden wir diesem Gesetz zustimmen (Abg. Einwallner: Weil ihr allem zustimmt! Es ist euch wurscht, was drinnen steht!), denn wir bringen das Krisenmanagement in das 21. Jahrhundert. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

18.51


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Hoyos-Trauttmansdorff. – Bitte.


18.51.36

Abgeordneter Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Werte Zuschauerinnen und Zuschauer! Kollege Stögmüller, die einzige Krise, die wir durch diesen Gesetzentwurf besser verste­hen, ist die aktuelle Regierungskrise. (Beifall bei NEOS und FPÖ. – Abg. Zarits: Oh!) Man sieht, dass einfach nichts weitergeht und man wirklich miserable Gesetz­entwürfe, die in Begutachtungen zerfetzt werden, einbringen muss, um überhaupt noch irgendetwas ins Plenum zu bekommen.

Jetzt kommen wir aber einmal zum Grund. Kollege Stögmüller hat hier gerade behauptet, dass es in diesem großartigen Gesetzentwurf, wie er ihn wahr­scheinlich bezeichnen wird, zwei Teile gibt: Das eine ist die Vorsorge und das Zweite ist der Einsatz – so hast du es gesagt, gut.

Die Vorsorge hat einmal einen ganz wichtigen Punkt, glaube ich: Da gibt es diesen Krisenkoordinator. Was ist dieser Krisenkoordinator eigentlich? – Das Einzige, was er ist, ist ein Feigenblatt für das Nichtstun der Regierungen in der Vorsorge. Denn was haben wir über die letzten Jahre und Jahrzehnte erlebt? –


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Dass sich Politiker vor Verantwortung drücken. Es geht aber gerade in Krisen darum, Verantwortung zu übernehmen. Dafür werden Politiker bezahlt: um Verantwortung für ihr Tun und Handeln zu übernehmen. Dementsprechend ist ganz klar, dass man für sein Tun und Handeln Verantwortung übernehmen muss, und das natürlich insbesondere auch in der Krisenvorsorge. Ich habe das Gefühl, dass das bei dem einen oder anderen hier, bei den Grünen und bei der ÖVP, nicht mehr ankommen will, weil einfach Verantwortung nicht großgeschrieben wird.

Wir haben in der Coronapandemie gesehen, wie so etwas ausgeht, wenn man keine Verantwortung übernimmt, wenn man Experten- und Expertinnengremien macht und auf die alle Verantwortung abschiebt und sagt: Na ja, wir haben ja eh nichts gesagt, wir wollten ja eh nichts, das waren alles die Expertinnen und Experten, die da falsche Ratschläge gegeben haben!, anstatt als Politiker dazu zu stehen, was man richtig und was man falsch gemacht hat. (Abg. Zarits: Das machts in Wien auch!)

Wir sehen darüber hinaus, dass grundsätzlich in der Politik dieses Verantwortungs­bewusstsein verloren gegangen ist. Das sieht man, finde ich, auch in diesem Gesetzentwurf. Wenn man ihn sich anschaut – ich habe es vorhin gesagt –, es über 1 000 Stellungnahmen gibt, die ihn vernichtet haben, und man so etwas trotzdem einbringt, dann zeigt man ein Stück weit wenig Verantwortung.

Wir haben aber in der Pandemie oder darüber hinaus auch gesehen, dass es ja Instrumente im Staat gibt, die uns auf Krisen vorbereiten. Wir haben im Bundes­ministerium für Landesverteidigung, das die ÖVP seit Jahrzehnten demoliert, indem es weniger Geld, weniger Geld, weniger Geld gibt – jetzt will man oder wollte man es mit diesem Gesetzentwurf zu einem technischen Hilfswerk machen –, eine Abteilung, die sich nur damit beschäftigt, welche Szenarien realistisch sind, welche Krise auf uns zukommen kann. All das, was wir jetzt sehen, hat das Bundesministerium für Landesverteidigung vorhergesagt. Das Einzige, was nicht passiert ist, ist, dass Politiker reagiert und gesagt haben: Na,


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da bereiten wir uns vor, da machen wir etwas! – Das ist das Problem: Genau diese Verantwortung fehlt.

Dann kommen wir zur Umsetzung. Die Umsetzung ist jetzt ein aufgeblähter Apparat, in dem 100 000 Arbeitsgruppen gegründet werden, ganz nach dem alten Lebensmotto von vielen: Wenn du nicht mehr weiterweißt, gründe einen Arbeitskreis! Ist das Ende schon sehr nah, ist eine Taskforce wunderbar. – Genau das ist es, was passiert: Man überlegt sich Arbeitskreise, die wahr­scheinlich ganz schnell Entscheidungen treffen werden.

Wer glaubt denn da draußen, dass man, wenn man lauter Arbeitskreise einsetzt – insgesamt sind es, glaube ich, fast 20, die irgendwie vorgesehen sind –, die sich dann mit den Krisen beschäftigen sollen, dadurch schneller zu Lösungen kommt? Das ist ja absurd. Es wäre viel sinnvoller – und das ist das, was wir als Oppositionsparteien auch mehrfach gefordert haben –, da den Natio­na­len Sicherheitsrat aufzuwerten – ein Gremium, das mittlerweile nur noch politisch missbraucht wird, anstatt dass man es wirklich einsetzt, damit man die Ver­antwortung klar bei der Bundesregierung, beim Bundeskanzler hat und dann schnell zu Lösungen kommt. Aber auch dagegen ist die ÖVP, weil natürlich die Landesfürsten lieber darauf schauen, dass ein Wirtschaftszweig von ihnen weiter offen bleibt, dass der Tourismus in Tirol in einer Pandemie oder in einer Krise weiter offen bleibt, anstatt dass man da wirklich Maßnahmen setzt.

Dieser Gesetzentwurf ist auf allen Ebenen durchgefallen, und auch die Regie­rung beweist, dass sie eigentlich durchgefallen ist, weil sie an diesem Gesetz festhält und dann hier noch mit einem Abänderungsantrag kommt, um das irgendwie durchzupeitschen.

Das Problematische ist ja, dass mit diesem Krisensicherheitsgesetz – und da sind wir bei der Landesverteidigung, die die ÖVP seit Jahrzehnten entmachten will – ja dieses Krisenlagergesetz mitkommt, durch das man beim österreichi­schen Bundesheer Lager bilden will.


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Die erste Frage ist: Ist das überhaupt rechtlich haltbar? Ich bin da sehr, sehr skeptisch, und man wird dann auch sehen, wie sich die Gerichte damit beschäftigen. Auch das zeigt die Verantwortung dieser Regierung: dass sie immer Entscheidungen auf Gerichte auslagert.

Die zweite Frage ist: Was macht denn das mit dem österreichischen Bundes­heer? Das österreichische Bundesheer ist in der Vorstellung dieser Regierung nur noch eines: Es ist eine reine Logistikeinheit, die sich darum kümmern soll, dass irgendwo Masken beschafft und eingelagert werden, dass vielleicht Trink­wasser eingelagert wird, dass vielleicht aber auch Wasser – Kollege Amesbauer hat es angesprochen – eingelagert wird, damit man dann Blumen gießen kann, wenn eine Dürreperiode ist.

Das ist nicht die Aufgabe des österreichischen Bundesheers. Die Aufgabe des österreichischen Bundesheers ist, dafür zu sorgen, dass Österreich sicher ist, und dafür werden wir auch weiter kämpfen. (Beifall bei NEOS und FPÖ.)

18.56


Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich Herr Bundesminister Gerhard Karner zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Minister.


18.57.03

Bundesminister für Inneres Mag. Gerhard Karner: Sehr geehrte Frau Präsi­dentin! Geschätzte Damen und Herren Abgeordnete! Man spürt und sieht es bei dieser Diskussion: Es war ein höchst notwendiger Prozess, es war ein langer Prozess, es war ein intensiver Prozess, der im Zusammenhang mit dem Krisen­sicherheitsgesetz gestartet wurde – übrigens mit einem einstimmig beschlos­senen Entschließungsantrag aus dem Hohen Haus, dass ein Krisensicherheits­gesetz auf den Weg gebracht werden soll.

Da ist es natürlich völlig legitim und auch richtig und notwendig, dass es unter­schiedliche Sichtweisen dazu gibt, wie man sich dieser Krisensituationen annimmt. Ich denke aber, nach intensiven Vorarbeiten durch die Parteien, durch


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Experten, durch viele, die sich eingebracht haben, ist mit dem vorliegenden Gesetzentwurf ein gesamtstaatliches Krisenmanagement in die richtige Richtung möglich.

Es sind, um das auch zu sagen, in der Begutachtung 11 800 Stellungnahmen eingegangen. Sie wissen – nur zur Objektivierung, aber das ist natürlich völlig legitim –, von diesen 11 800 Stellungnahmen waren fast 11 700 praktisch wortident, weil eben – wie gesagt legitim – eine gewisse Mobilisierung stattge­funden hat. Das ist aber natürlich auch Teil des Gesetzwerdungs­pro­zesses. Viele Punkte wurden in den nun vorliegenden Gesetzentwurf, in diese Regierungs­vorlage, die heute hier vorliegt, eingearbeitet. (Abg. Einwallner: Zum Beispiel?)

Ich möchte aus meiner Sicht noch einmal einige wenige Eckpunkte – viele Argumente, Ziele und Gründe wurden schon genannt – kurz darlegen, die dazugekommen sind, weil die Überarbeitung natürlich richtig war und gut ist. Das ist eben auch Teil des Gesetzwerdungsprozesses.

Die Einrichtung eines Krisensicherheitskabinetts unter der Leitung des Bundes­kanzlers ist festgelegt, eine zentrale Anlaufstelle im Bundeskanzleramt unter der Leitung eines Regierungskoordinators, -beraters, einer -beraterin und Stell­ver­treter:in (Zwischenruf des Abg. Hoyos-Trauttmansdorff), die Einrichtung – auch das halte ich für notwendig – von Fachgremien aus unterschiedlichsten Bereichen, wie beispielsweise Gesundheit, Sicherheit oder Energie, auch ein Fachgremium, in dem die drei staatlichen Dienste koordiniert werden, wie wir das auch vom Nationalen Sicherheitsrat kennen, in dem höchst professionelle Arbeit geleistet wird.

Ja, es ist natürlich auch vorgesehen, selbstverständlich ein modernes, zeitge­mäßes Lagezentrum am Minoritenplatz einzurichten. Ich lade Sie auch alle ein: Vor wenigen Tagen habe ich die Landesleitzentrale in Oberösterreich, in Linz, eröffnet, und dort sieht man, welche Modernität möglich ist. Es ist notwendig, dass wir ähnliche Zentren woanders, aber eben auch ein Bundeslagezentrum


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einrichten, weil es einfach zeitgemäß ist. (Präsident Hofer übernimmt den Vorsitz.)

Das Gesetz definiert auf Basis wissenschaftlicher Studien den Begriff Krise. Auch das war kein einfacher Prozess, das ist kein einfacher Prozess, aber letztendlich ist man zu einem Ergebnis gekommen, zu einem Vorschlag, der, glaube ich, gut gewählt ist.

Es wurde auch gesagt, das Einvernehmen mit dem Nationalrat muss hergestellt werden – natürlich über den Hauptausschuss –, und was auch eingearbeitet wurde, und das halte ich für ganz wichtig, ist, dass im Krisenfall die Einsatzorga­nisationen, Länder und Gemeinden selbstverständlich auch in entsprechende Gremien einzubinden sind.

Klares Ziel dieses Gesetzes – und das ist auch der einstimmige Auftrag aus diesem Haus –: klare Rahmenbedingungen zu schaffen, schnelle Informations­flüsse zu schaffen und effiziente Strukturen zu schaffen. Ich denke, dass das mit dem vorliegenden Gesetzentwurf sehr wohl gelungen ist, aber natürlich auch noch viel Arbeit damit verbunden ist. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Stögmüller.)

19.01


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Mag. Johanna Jachs. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


19.01.45

Abgeordnete Mag. Johanna Jachs (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Liebe Kolleginnen und Kolle­gen! Angesichts der Debatte im letzten Innenausschuss ist die jetzige Debatte ja noch fast gesittet verlaufen, trotzdem haben einige meiner Vorred­ner, Kollegen ein bisschen sehr übers Ziel hinausgeschossen. (Ruf bei der ÖVP in Richtung Abg. Amesbauer –: Hannes, sie meint dich!)


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Ich würde Sie auch im Sinne unserer Zuhörerinnen und Zuhörer bitten, dass wir die Kritik doch sachlicher formulieren, und ich glaube, es täte dem Krisen­sicherheitsgesetz auch gut, wenn man es nüchtern betrachtet. Das täte nicht nur der Sache gut, sondern auch dem Blutdruck mancher Kollegen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich würde empfehlen, dass man Gesetzestexte auch wirklich liest, bevor man darüber spricht, denn in der Debatte war einiges drinnen, was man nicht einmal unter Gesetzesinterpretation subsummieren kann. Darum möchte ich für die Zuseherinnen und Zuseher jetzt noch einmal ganz kurz zusammenfassen, worum es beim Krisensicherheitsgesetz wirklich geht.

Es ist einfach Fakt und Tatsache, dass unsere Welt krisenanfälliger geworden ist. Wir haben uns das in Europa in den letzten Jahrzehnten selbst nicht vorstellen können, aber ja, auch wir hatten in jüngster Vergangenheit mit Krisen zu tun. Nun weiß ich schon, dass Krisenmanagement nichts ist, was sehr attraktiv ist, was man in Normalzeiten gerne macht, aber es gehört halt einfach gemacht. – Und darum tun wir es auch.

Wir richten das Krisensicherheitskabinett unter der Leitung des Bundeskanzlers ein. Wir schreiben da die Verantwortung, die Zuständigkeit ganz klar zu, aber – ich weiß nicht, warum – anscheinend passt das doch nicht. Es gibt dann zentrale Anlaufstellen, Koordination, Kommunikation zwischen den Behörden, Bund, Ländern, alles wird in dem Gesetz festgeschrieben, alles wird koordiniert und strategisch angegangen; es wird Fachgremien für Gesundheit, Energie und Sicherheit geben, auch das haben wir schon gehört. Das heißt, wir binden mehr Experten ein, wir schaffen Fachgremien.

Normalerweise sind auch die NEOS immer ganz vorne mit dabei, wenn es darum geht, dass man mehr Experten einbindet, mehr Expertise in der Politik hat – das machen wir jetzt, und jetzt ist es auch nicht mehr recht. (Beifall bei der ÖVP.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll224. Sitzung, 224. Sitzung des Nationalrats vom 6. Juli 2023 / Seite 403

Unterhalb des Innenministeriums wird es dann das Bundeslagezentrum geben. (Abg. Kassegger: Heißt „unterhalb“ unter dem Kommando?) Und ja, liebe Kollegen, ihr habt recht gehabt, es hat natürlich irrsinnig viele Stellungnahmen gegeben. Weil es so viele waren, hat man sie auch genau geprüft, und bei dieser Prüfung hat man dann erkannt, dass sehr viele fast ident waren, aber trotzdem wurden die Stellungnahmen sehr ernst genommen. (Abg. Einwallner: Was habt ihr denn geändert? Zähl auf, was ihr geändert habt! Was habt ihr denn alles geändert?) – Darum wurde zum Beispiel der Krisenbegriff genauer definiert.

Jetzt komme ich wieder zurück: Wenn man das Gesetz lesen würde, dann würde man auch lesen können, wie Krise definiert worden ist (Abg. Einwallner: Was habt ihr denn alles geändert? – weiterer Ruf bei der SPÖ: Bitte was habt ihr geändert?), wie der Anfang und das Ende der Krise und deren Feststellung definiert worden sind. (Abg. Einwallner: Na, was habt ihr geändert?) – Da gibt es also gar keinen Grund, warum man Schnappatmung bekommen müsste, lieber Herr Kollege Einwallner. (Abg. Einwallner: Ich habe keine Schnappatmung, überhaupt nicht!)

Summa summarum, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer: Dieses Gesetz sorgt ein­fach dafür, dass unser Staat Österreich in Krisenzeiten effizienter und resilienter wird, und ich glaube, das ist vor allem in der jetzigen Zeit ganz, ganz wichtig. (Beifall bei der ÖVP. – Ruf bei der SPÖ: Hach!)

19.04


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Petra Tanzler. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


19.05.05

Abgeordnete Petra Tanzler (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Ich möchte mich bei meiner Vorred­nerin für den belehrenden Beitrag bedanken, möchte aber auch ganz klar sagen, dass unsere Kritik trotzdem bleibt.


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Die Regierungsvorlage ist demokratiepolitisch und sicherheitspolitisch wirklich schlecht ausgeführt. Es gab unheimlich viele Stellungnahmen, Sie haben es erwähnt, mehrere Tausend, und diese Zahl allein sagt schon etwas darüber aus, wie viele Bedenken es gibt.

Für uns gibt es fragliche Bereiche und die wiederhole ich noch einmal: Der Begriff Krise ist nicht klar definiert. Es mag schon sein, dass es eine wissen­schaft­­liche Definition ist (Abg. Stögmüller: Ja, es ist genau eine wissenschaftliche Definition!), aber in dem Bereich, für den wir sie brauchen, folgt daraus, dass unzählige Vorkommnisse als Krise gewertet werden könnten und der Hauptaus­schuss mit einfacher Mehrheit dann eine derartige ausrufen könnte. Das wollen wir nicht und dem werden wir auch nicht zustimmen. Die Regierung könnte am Parlament vorbei per Verordnung regieren, und das verstehen wir weder unter Demokratie noch unter Verantwortung.

Es waren die Bundesländer, die Gemeinden und die Blaulichtorganisationen im Vorfeld nicht ausreichend eingebunden (Abg. Stögmüller: Na sicher, die sind sogar drinnen!), und sie sind im Gesetz auch nicht ausreichend berücksichtigt, und noch dazu würde das österreichische Bundesheer zum technischen Hilfs­werk degradiert werden.

Politische Verantwortung bedeutet, dass auch der Chef, der Bundeskanzler, diese Verantwortung trägt, und mit dem Krisenberater enthebt er sich mitsamt der Regierung aus dieser Verantwortung.

Wir werden dem nicht zustimmen und auch nicht ermöglichen, dass Sie, Herr Innenminister, im Keller ein Lagezentrum um 50 Millionen Euro errichten. Es gibt bestehende Bunker, die man verwenden kann, und diese Investitionen wären sicher in einem anderen Bereich besser aufgehoben. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie brauchen eine Zweidrittelmehrheit. Es wurde mit der Opposition, wie schon erwähnt, nicht verhandelt, es wurden alle Bedenken ignoriert. Wir wollen,


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wenn schon, ein ordentliches Gesetz, und deswegen werden wir nicht zustimmen.

Ein Satz noch zum Bundeskrisenlagergesetz: Es gibt da nicht einmal eine Kosteneinschätzung, und daher werden wir dem auch nicht zustimmen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

19.07


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Abgeordneter Lukas Brandweiner. – Bitte, Herr Abgeordneter.


19.07.26

Abgeordneter Lukas Brandweiner (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzter Herr Innenminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher auf der Galerie und zu Hause vor den Bildschirmen! Die letzten Jahre haben gezeigt, wie wichtig es ist, auf Krisen vorbereitet zu sein. Daher bin ich sehr froh, dass wir heute dieses neue Bundes-Krisensicherheitsgesetz beschließen können.

Die Krisenszenarien werden zunehmend umfänglicher, es gibt neue Gegeben­heiten, und auf die müssen wir uns auch im staatlichen Krisenmanagement vorbereiten. Meine Kollegen haben schon ausgeführt, das Bundes-Krisensicher­heitsgesetz soll bereits bestehende Gremien und Prozesse des staatlichen Krisenmanagements vereinheitlichen und strukturieren. Ich denke, das ist auch wichtig, damit wir eben für die Zukunft vorbereitet sind.

Neben der staatlichen Krisenkoordination ist aber vor allem auch der Zusammen­halt in der Bevölkerung wichtig – dass es immer wieder viele ehrenamtliche Helfer gibt. Darauf können wir wirklich stolz sein und ich möchte diese Gelegen­heit auch nutzen, um Danke zu sagen. Egal ob in der Pandemie oder bei vielen Unwetterkatastrophen, in den letzten Jahren haben sehr viele ehrenamtliche Helfer zusammengeholfen, sind zusammengestanden, egal ob in der Nachbarschafts­hilfe, als freiwillige Helfer bei Teststraßen oder auch als ehrenamtliche


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Zivilschützer, Sanitäter und Feuerwehrleute. – Danke, dass sich Österreich auf Sie alle verlassen kann. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Apropos Feuerwehren – es sei mir erlaubt, das zu erwähnen –: Ich bin selbst begeisterter Feuerwehrmann, und ich freue mich schon aufs Wochenende, denn dieses Wochenende findet bei meiner Heimatfeuerwehr das Feuerwehrfest, das Grisu Almfest, statt. Es sind alle herzlich eingeladen: Wenn jemand morgen Abend nach Wurmbrand mitfahren will – herzliche Einladung! Wir haben genug zu trinken. (Abg. Lausch: ... ohne Krisensicherheitsgesetz! – Abg. Tomaselli: Das war doch jetzt eine Werbeeinschaltung!)

Aber zurück zum Krisenmanagement und zum Gesetz: Ein verlässlicher Partner der Bevölkerung ist natürlich das österreichische Bundesheer. Deshalb war ich schon verwundert, dass die FPÖ dagegen ist. Immerhin plakatieren Sie jetzt überall, dass Sie an der Festung Österreich arbeiten. Warum man dann dagegen ist, dass das Bundesheer in Krisenfällen auch mithilft, verstehe ich ehrlicherweise nicht. (Abg. Einwallner: Das hat es bis jetzt noch nie gemacht, oder? Hat das das Bundesheer bis jetzt nicht geleistet?) Man muss aber dazusagen: Bei der FPÖ kennt man sich eh nicht aus (Abg. Deimek: Du nicht! – Abg. Kassegger: Du kennst dich nicht aus! Die Leute kennen sich schon aus! – Abg. Einwallner: Hat das Bundesheer bis jetzt im Krisenfall was geleistet oder nicht?), denn selbst wenn es um das Thema Asyl geht und wenn Herr Kickl hier vor mir sitzt: Als er Innen­minister war (Abg. Lausch: Die Bürger kennen sich aus!), waren 25 000 Men­schen in der Asylgrundversorgung. Aktuell sind es 4 000 weniger. (Abg. Kickl – erhei­tert –: Ja, aber die hab ich alle von euch geerbt! – Abg. Amesbauer: Um das geht’s da jetzt aber nicht! – Abg. Kickl: Ein schweres schwarzes Erbe hab’ ich übernommen!) Ich bin also froh, dass wir hier unseren Innenminister haben, der wirklich gut arbeitet. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Kickl: Und lauter niederösterreichische Ver­sager!)

Die FPÖler vor mir werden nervös, aber es zeigt sich eben, dass sie immer mehr Luftschlösser bauen. Was ist übrig geblieben von Herrn Kickl? (Abg. Kickl: Lauter niederösterreichische Versager!) – Ja, die Versager sitzen eher vor mir, ich


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schaue Sie an, Herr Kickl, danke für Ihren Zwischenruf. (Abg. Kickl: Herr Brandweiner!) Aber was ist denn übrig geblieben? – Ein blauer Teppich im Ministerium, ein kaputter Geheimdienst, ach ja, und die Pferde, die die Festung Österreich wahrscheinlich verteidigen sollen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Kickl – erheitert –: Ich glaub’, bei Ihnen ist heute der Name Programm!)

Ich bitte daher um Zustimmung zu diesem Bundes-Krisensicherheitsgesetz und freue mich auf die Zustimmung. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Kickl: Auf Wieder­schauen, Herr Brandweiner! – Abg. Brandweiner – auf dem Weg zu seinem Sitzplatz –: Auf Wiederschauen, Herr Kickl!)

19.11


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Abgeordneter Christian Ries. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


19.11.13

Abgeordneter Christian Ries (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Kollegen im Hohen Haus! Ja, Kollege Brandweiner, wäre Herbert Kickl noch Minister, würde dieses Gesetz anders aussehen, das können Sie mir glauben. (Beifall bei der FPÖ. – Ruf: Ja, das ist sicher!) Es wäre brauchbar als Gesetzes­vor­lage. (Abg. Pfurtscheller: Ob’s besser wär, ist ... dahingestellt!)

Werte Damen und Herren, auch eine gut organisierte Republik wie die unsere kann durch höhere Macht, durch höhere Gewalt in Krisenfälle kommen, das ist unbestritten. Denken wir an Tschernobyl, denken wir an Hochwässer, die immer wieder auftreten, denken wir an größere Lawinenabgänge oder auch an die Coronakrise!

Da müssen alle Rettungs- und Ordnungsdienste des Landes geordnet zusam­menwirken, um den Schaden für die Bevölkerung möglichst gering zu halten. Und da unsere Verfassung, wie ich meine, weniger von Schönheit, vielmehr aber von Zweckmäßigkeit geprägt ist, hat das eigentlich bis jetzt recht gut funk­tioniert. Es sind Bund und Länder in Gesetzgebung und Vollziehung voneinander


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getrennt, und so haben wir viele Krisen wirklich gut überstanden – ja, mit Aus­nahme der Coronakrise. Da hat man nach einigen Monaten wirklich nicht mehr gewusst, was die größere Krise ist: die Krankheit oder diese Gecko, die Sie uns da eingebrockt haben. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Stögmüller.) Und jetzt, aufbauend und basierend auf diesem Misserfolg bei Corona, wollen Sie uns dieses Gesetz unterjubeln. Das ist der Gipfel der Ignoranz, das muss man schon sagen. (Beifall bei der FPÖ.)

Werte Damen und Herren der Regierungsfraktionen, haben Sie sich die Stellungnahmen durchgelesen? (Ruf bei den Grünen: Die sind alle ...!) – Bitte, die sind niederschmetternd. Anders kann man es gar nicht formulieren! Wenn da der Verfassungsdienst im Bundeskanzleramt mehr oder weniger jeden Absatz dieses Gesetzes kritisiert, können Sie damit nicht zufrieden sein (Abg. Deimek: Das musst du unbedingt lesen!), das gibt es ja gar nicht! In diesem Gesetz gibt es ja mehr Unklarheiten als Klarheiten, und hätte der Verfassungsdienst abschließend eine Empfehlung abgegeben, hätte er gesagt: Nehmt das Papier, das ihr dafür gebraucht habt, und legt es in den Vogelkäfig, dann war das Papier nicht ganz umsonst! (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ.)

Wofür aber dient diese Vorlage dann? – Sie dient dazu, das Parlament elegant zu umgehen. Und es wurde in diesem Entwurf wirklich viel vergessen, aber auf eines haben Sie nicht vergessen: auf die Versorgung Ihrer Freunde. Es sind zwei Regierungsberater vorgesehen, einer wird vom Bundeskanzleramt bestellt und der zweite aus dem Ministerium. (Abg. Stögmüller: Bundesregierung! Lesen!) – Ja, ja! Der zweite wird vom Vizekanzler bestellt, aus seinem Ministerium. Na genau so ist es aber! (Abg. Stögmüller: Ah!) Diese Regierungsberater sind für alles Mögliche zuständig, aber sie haben kein Anforderungsprofil; und natürlich bekommen sie auch einen schönen Mitarbeiterstab, und da gibt es auch kein Anforderungsprofil – was für eine Überraschung.

Werte Damen und Herren! Wolfgang Schäuble hat bei der Eröffnung dieses Hauses gesagt, dass man „seit Beginn des 21. Jahrhunderts“ quasi in einem „Dauerkrisenmodus“ sei, doch für ihn sei die größte und gefährlichste Krise „die


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der rechtsstaatlichen Demokratie“. – Das hat er hier gesagt. Und egal, wie groß die Krise auch ist, ein öffentlicher demokratischer Diskurs muss möglich sein. Mit exakt diesem krisenwirtschaftlichen Ermächtigungsgesetz – und das ist frag­los ein Ermächtigungsgesetz – gibt es aber keinen Diskurs. Allein der Umstand, dass Sie das geschwind durch den Hauptausschuss lotsen, ist bestenfalls ein Feigenblatt und nicht mehr. (Beifall bei der FPÖ.)

Es darf auch nicht sein, dass Berater oder Gremien politische Entscheidungen treffen. Dafür haben sie schlicht keine Legitimation. Ich zitiere Schäuble noch einmal. Schäuble hat gesagt: „Legitimität erzielt die Demokratie“ nur „durch sachgerechte Lösungen und ihr verfassungsrechtlich gesichertes Verfahren der Mehrheitsentscheidung“ – Klammer auf: hier im Parlament, Klammer zu.

Deswegen lehnen wir dieses Ermächtigungsgesetz rundweg ab, zum einen, weil es handwerklich schlecht gemacht ist, und zum anderen, weil Sie schon in der Coronakrise bewiesen haben, dass Sie mit Machtfüllen nicht umgehen können. (Beifall bei der FPÖ sowie Bravoruf des Abg. Wurm.)

Weil Kollege Taschner heute schon ein Bibelzitat präsentiert hat, schließe ich ebenfalls mit einem Zitat aus dem Buch Hiob: Bis hierher sollt ihr kommen und nicht weiter. (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ sowie Bravoruf des Abg. Wurm.)

19.16


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Herr Dr. Helmut Brandstätter. – Bitte, Herr Abgeordneter.


19.16.17

Abgeordneter Dr. Helmut Brandstätter (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Werter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie nahe die Krise ist, das wissen wir. Dass dieses Gesetz aus unserer Sicht nicht entsprechend vorbereitet ist, hat Kollege Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, glaube ich, ausreichend begründet. Deswegen möchte ich Ihnen von einem Krieg erzählen.


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Ich war nämlich mit der parlamentarischen Freundschaftsgruppe – herzlichen Dank an Ewa Ernst-Dziedzic, Wolfgang Gerstl, Harald Troch und unseren politi­schen Berater Thomas Jandl – in der Ukraine. Wir waren in Odessa, Mykolajiw und auch in noch östlicher gelegenen zerstörten Dörfern und Städten.

Wie nahe der Krieg kommt, haben wir heute früh in den Nachrichten mitbe­kommen, als eine Rakete – oder ich glaube, es waren sieben Raketen – in einem Wohngelände in Lwiw einschlug und dort vier Menschen getötet wurden, 37 sind verletzt. Es steht mir nicht zu – ich hätte es mir eigentlich erwartet –, zu sagen: Da könnten wir eine Gedenkminute einlegen! Ich kann Sie aber nur auffordern, Kolleginnen und Kollegen, darüber nachzudenken, wie es den Men­schen dort jetzt geht, wie es den Verwandten, die in Österreich leben, geht, die nicht wissen, wie es ihren Verwandten zu Hause gerade geht.

Wir haben, als wir in Odessa waren, erlebt, was die Menschen seit 500 Tagen mitmachen. Wir haben nämlich jede Nacht auf unser Handy schauen müssen, und es gab natürlich jede Nacht Alarm, und niemand weiß, ob es sein Haus trifft.

Was wir dann erlebt haben, vor allem in Mykolajiw und östlich davon, war die Auslöschung ganzer Dörfer: Man fährt durch Dörfer, die strategisch völlig unbedeutend sind, die aber von den Russen ganz gezielt ausgelöscht werden – jedes einzelne Haus! –, weil, und jetzt bin ich bei einem entscheidenden Punkt, es nicht darum geht, dass Russland und die Ukraine einen Krieg um irgend­welche Gebiete führen. – Nein. Es geht Putin um die Auslöschung der Ukraine! Es geht darum, und das hat sein Philosoph Dugin ja aufgeschrieben, dass die Ukrainer ein minderwertiges Volk sind, das man auslöschen muss. Im russischen Fernsehen hört man, wie viele Babys umgebracht werden müssen, wie viele Menschen getötet werden müssen. Darum geht es!

Ich bin für Frieden, so schnell wie möglich, aber uns allen muss klar sein, dass, gäbe es einen Waffenstillstand, wir nur darauf warten würden: Wo könnten sie weiter die Menschen angreifen? Und ich kann wirklich nur jedem raten, in die


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Ukraine zu fahren; ich gratuliere Kollegen Matznetter als Obmann des Außenpo­litischen Ausschusses – er ist gerade nicht da, wir haben schon darüber gesprochen –, er hat gesagt, ja, er werde auch in die Ukraine fahren, sich das anschauen. Ich halte das für notwendig.

Was wir auch erlebt haben, ist ein unglaublicher Spirit dieser Menschen dort, die sagen: Wir lassen uns nicht zerstören! Und man fährt drei Stunden zurück von diesen zerstörten Gebieten und fährt in eine Stadt Odessa, eine lebhafte, großartige, wunderschöne Stadt, in der die Menschen sozusagen ein normales Leben führen. Am meisten hat mich beeindruckt, wie ein Vater sein Baby in die Luft hält und das fotografiert wird. – Das ist Leben, das ist Zukunft.

Dann waren wir beim Bürgermeister Truchanow, Bürgermeister von Odessa. Er hat vom Wiederaufbau gesprochen und hat noch etwas gesagt: Sie in Österreich, in Wien, ich weiß das, Sie sind so gut im Denkmalschutz! Wir reden jetzt schon darüber, wie wir die Stadt so aufbauen, dass sie so schön ist, wie sie vorher war!

Können Sie sich das vorstellen? Wir sitzen mitten in der Zerstörung – vorher waren wir noch beim Gouverneur von Mykolajiw Kim, dessen Regierungs­gebäude zerstört wurde; da sind 37 Menschen gestorben –, und er hat gefragt: Mit welchen österreichischen Unternehmen könnten wir den Wiederaufbau organisieren? – Das ist die Stimmung, die Sie dort mitbekommen und die meiner Erfahrung nach inzwischen ja auch alle in Österreich durchaus verstehen – außer einigen, die sagen: Wir sind auf jeden Fall für Putin. Putin soll machen, was er will. Er soll mit Prigoschin oder ohne Prigoschin die Leute umbringen, das Land vernichten, das ist uns alles gleichgültig. Da schauen wir einfach zu, und im Zweifel unterstützen wir ihn. – Das wird (in Richtung FPÖ weisend) Ihnen, den Freunden Putins in Österreich, auf Dauer nicht nützen, sage ich Ihnen, weil die Menschen in Österreich immer mehr verstehen, was dort los ist.

Politisch gesagt, habe ich Ihnen noch ein Buch (ein Exemplar des Buches in die Höhe haltend) mitgebracht: „Die Moskau Connection“. – Folgendes muss ich den


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Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ sagen: Dieser Gerhard Schröder ist natürlich ein Wegbereiter Putins beim Abhängigmachen Deutschlands, aber auch Österreichs von seinem Gas. Der Wegbereiter Schröder hat Herrn Seele, der hier Russengeneral geheißen hat, nach Österreich geschickt, damit er auch Österreich abhängig davon macht, und in diesem Buch wird wunderbar aufbereitet, was alles falsch gemacht wurde.

Nur ein Zitat: Der ehemalige Außenminister Steinmeier, der jetzt Bundespräsi­dent ist, hat gesagt, er hätte nicht gedacht, dass Putin den „Ruin seines Landes für seinen imperialen Wahn in Kauf nehmen würde. Da habe ich mich, wie andere auch, geirrt.“ – Also auch Steinmeier hat verstanden, dass es nicht nur darum geht, dass Putin das Nachbarland zerstören will, sondern dass er durch seinen imperialen Wahn auch sein Land zerstört, und das ist das, was wir erleben.

Ich möchte wirklich sehr deutlich sagen, dass wir da genau hinschauen müssen, Herr Bundesminister, und auch die Regierung soll genauer hinschauen.

Noch ein wichtiges Wort: Unser Botschafter Arad Benkö und sein Team machen dort einen Superjob, sie werden auch auf Hilfe angesprochen, und sie helfen auch sehr stark; wir waren in einem Frauenhaus, wo auch Artikel hingebracht wurden. Eines ist aber auch klar: Sagen Sie es bitte deutlicher! Wir haben dort darauf hingewiesen, dass wir, was humanitäre Hilfe betrifft, Nummer eins sind. Wir müssen es auch hier sagen.

Vor (in Richtung FPÖ weisend) denen brauchen wir uns nicht zu fürchten. Das sind Menschenverachter (Abg. Kickl: Reißen Sie sich zusammen! Das ist ja unglaublich!), die schauen zu, wie Menschen geschlachtet werden. Vor denen fürchten wir uns nicht. Sagen wir gemeinsam: Wir Österreicherinnen und Österreicher stehen endlich auf der richtigen Seite der Geschichte.

Ich habe Ihnen zum Schluss noch etwas mitgebracht, nämlich (ein gerahmtes Bild, das eine blau-gelb gekleidete junge Frau mit gefalteten Händen darstellt, in die Höhe


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haltend) dieses Bild. Dazu gibt es eine sehr schöne Geschichte, aber auch eine traurige Geschichte. Schauen Sie sich dieses Bild an! Das hat uns der Bürgermeister von Odessa geschenkt. Ein 14-jähriges Mädchen - ‑ Also er hat eine Ausschreibung gemacht für Kinder: Bitte macht Malereien! (Abg. Kickl: Mit dem Tagesordnungspunkt hat das halt nichts zu tun!) –Ja, Sie schreien, ja, ja. (Abg. Kickl: Na, mit dem Tagesordnungspunkt hat es halt nichts zu tun!)

Ich rede vom Ermorden, ich rede von Kindern, und Sie schreien dazwischen (Abg. Kickl: Ja, ja! Würde das jemand anderer machen!) – das passt eh zu Ihnen! Das passt eh zu Ihnen. (Abg. Kickl: Ja, ja!) Ich rede davon, was Kinder in Odessa machen (Abg. Kickl: Aber auch für Sie gelten die Regeln dieses Hauses! Auch für Sie, Herr Brandstätter!), und Sie schreien dazwischen. So verachten Sie das Leben der Kinder in Odessa (Beifall bei NEOS, ÖVP, SPÖ und Grünen), so verachten Sie das Leben aller Menschen in der Ukraine. Sie verachten die Menschen in der Ukraine (Abg. Kickl: Auch für Sie gelten die Regeln dieses Hauses!), weil Sie offenbar wie Putin sagen, dass sie minderwertig sind. Das haben wir - - (Abg. Kickl: Ja, ja!)

Schauen Sie nach in der Geschichte der FPÖ, da ist das alles schon einmal dagewesen. Ich weiß, ja, ja, Reinthaler und so weiter, ich habe das alles gelesen. (Abg. Kickl: Geh bitte! Befreien Sie sich einmal von Ihren Vorurteilen!) Das alles ist von diesen Leuten schon gesagt worden.

Ein 14-jähriges Mädchen macht ein solches Bild, und das ist natürlich groß­artig, weil sie möglicherweise – hoffentlich! – ihre Traumata damit aufarbeiten kann, aber normalerweise haben 14-Jährige lustigere Dinge, mit denen sie sich beschäftigen.

Ich habe heute schon mit Präsident Sobotka gesprochen. Ich habe gesagt, dass wir das hier ins Parlament mitgebracht haben; ich werde es ihm morgen geben. – Er hat versprochen, dass es im Haus aufgehängt wird, auch im Gedenken daran, was diesen Menschen gerade passiert, aber auch im Gedenken daran, was die Menschenverachter in diesem Haus sagen. (Abg. Kickl: Reißen Sie sich zusam­men!) – Danke schön. (Beifall bei den NEOS.)

19.23


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19.24.00 *****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Herr Dr. Brandstätter, ich erteile für den Vorwurf der Menschenverachtung einen Ordnungsruf (Abg. Stögmüller: Sie gehören auch der Fraktion an! Sie gehören auch der Fraktion an!) und zweitens einen Ordnungsruf dafür, dass Sie behaupten, dass jemand in diesem Haus sagt, Kinder seien minderwertig. (Abg. Kassegger hebt die Hand. – Abg. Brandstätter – auf dem Weg zu seinem Sitzplatz –: Er hat dauernd dazwischengeschrien, und so ist er! – Abg. Kickl: Ich habe gesagt: Auch für Sie gelten die Regeln dieses Hauses! – Abg. Kassegger: Zur Geschäftsordnung, bitte! – Abg. Brandstätter: Er hat die meisten Ordnungsrufe, Komiker!)

*****

Zur Geschäftsbehandlung hat sich Abgeordneter Kassegger zu Wort gemeldet. – Bitte schön.

*****


19.24.23

Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (FPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Sehr geehrter Herr Präsident, ich melde mich zur Geschäftsordnung, einfach um nur festzustellen – bei allem Verständnis für den emotionalen Gemütszustand des Kollegen Brandstätter (Abg. Brandstätter: Aber geh!) –, dass nicht ein einziges Wort seiner Rede irgendetwas mit dem Tagesordnungspunkt zu tun gehabt hat und das nach der Geschäftsordnung einfach nicht geht. Ich möchte das ausdrück­lich feststellen und gehe jetzt gar nicht auf die Beschimpfungen des Herrn Kollegen Brandstätter ein, aber so geht es dann auch nicht – bei allem Verständ­nis für emotionale Zustände. (Beifall bei der FPÖ.)

19.24


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir werden das auch in der nächsten Sitzung der Präsidiale behandeln, wobei ich sagen muss, dass ich natürlich Verständnis dafür


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habe, dass dieser Krieg und was dort passiert, auch Emotionen auslöst, Herr Dr. Brandstätter, aber trotzdem ist, glaube ich, niemand in diesem Haus men­schen­verachtend (O-ja-Rufe – weitere Rufe: Doch! Na ja!) – niemand in diesem Haus menschenverachtend –, sondern hier sitzen Parteien, die sich alle miteinander bemühen, für dieses Land das Beste zu tun.

Ich glaube, wir helfen niemandem in einem anderen Land, wenn wir solche Vorwürfe erheben, und wir missbrauchen dadurch auch das Leid anderer. (Beifall bei der FPÖ.)

*****

Zu Wort gelangt Maximilian Köllner. – Bitte schön, Herr Abgeordneter. (Abg. Gerstl: Das ist unglaublich!) – Das ist unglaublich, das ist richtig.

Bitte, Herr Abgeordneter Köllner. (Abg. Stögmüller: Putinfraktion!)


19.25.55

Abgeordneter Maximilian Köllner, MA (SPÖ): Herr Präsident!

19.25.56 *****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Herr Abgeordneter Stögmüller, für den Zwischenruf „Putinfraktion“ (Abg. Stögmüller: Ja, das sind Sie!) erteile ich einen Ordnungsruf. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Stögmüller: Ja, Sie können gerne -  -! Das wiederhole ich immer! Das sind Sie, Sie sind eine Putinfraktion! Schämen Sie sich! Herr Präsident, ... Vorsitzführung! Unfassbar! – Rufe bei den Grünen: Warum?)

*****

Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Maurer: Zur Geschäftsordnung!)

Zur Geschäftsbehandlung hat sich Abgeordnete Maurer zu Wort gemeldet. – Bitte schön.

*****



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19.26.19

Abgeordnete Sigrid Maurer, BA (Grüne) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsi­dent, die Führung dieser Sitzung ist eine wichtige und gewissenhaft zu erledigende Aufgabe, und der Vorsitz ist nicht aufgerufen, politische Meinungen von dieser Position auszuführen (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei Abgeord­neten der SPÖ – Zwischenruf des Abg. Amesbauer – Abg. Wöginger: He, he, he, he!), und der Vorsitz ist genauso nicht dazu aufgerufen, neue Gründe für einen Ordnungsruf zu erfinden, nur weil einem inhaltlich etwas nicht passt. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Ein Ordnungsruf für den Ausdruck Putinfraktion ist aus meiner Sicht durch die Geschäftsordnung überhaupt nicht gedeckt (Abg. Ries: Du hast ja keine Ahnung von der Geschäftsordnung!), und das werden wir in der nächsten Präsidiale jedenfalls besprechen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

19.26


Präsident Ing. Norbert Hofer: Sehr geehrte Frau Abgeordnete (Rufe bei den Grünen: Klubobfrau! Klubobfrau ist sie!), es gibt immer wieder neue Gründe für einen Ordnungsruf, ganz selbstverständlich, sonst wäre die Liste sehr, sehr kurz.

Mir geht es um Folgendes: Ich glaube, Sie kennen mich lange genug, um zu wissen, wie ich diesen Vorsitz führe, aber ich sage noch einmal, ich habe ja großes Verständnis - - (Abg. Maurer: Ja, eben nicht korrekt heute!) – Bitte hören Sie mir zu! Ich habe ja Verständnis für diese Emotionen, auch aufgrund dieses Krieges, aber ich halte fest - - (Abg. Maurer: Das ist keine Position, von der aus man ...!) – Bitte, hören Sie mir doch zu! Hören Sie mir doch zu! Ich halte fest, dass keine Fraktion in diesem Haus menschenverachtend ist. (Abg. Stögmüller: Unterbrechung der Sitzung! Machen Sie eine Sitzungsunterbrechung! – Ruf: Das ist eine Bewertung, die ...!) Keine – keine! – Fraktion in diesem Haus ist menschen­verachtend, und ich bitte auch, einfach darauf Rücksicht zu nehmen, dass die


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Würde des Hauses auch dadurch gestört wird, wenn solche Vorwürfe kommen. (Ruf: Das ist eine Bewertung!)

Ich bitte einfach, die Sitzung jetzt in aller Ruhe fortzusetzen und solche Vorwürfe, die auch jeden persönlich treffen – vielleicht Menschen, die Familien haben, die Kinder haben, die Verantwortung haben –, zu unterlassen. (Beifall bei der FPÖ. – Ruf: Rechtsextrem ...!) – Ich habe das jetzt überhört.

*****

Bitte, Herr Abgeordneter Köllner.


19.28.07

Abgeordneter Maximilian Köllner, MA (SPÖ) (fortsetzend): Vielen Dank! Wir können wieder zum eigentlichen Thema zurückkehren.

Herr Präsident! Herr Innenminister! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte noch einmal kurz zu den Ausführungen der Kolleginnen und Kollegen von ÖVP und Grünen zurückkommen, denn auch wenn Sie sich dieses Krisensicherheitsgesetz jetzt schönreden wollen, dieses Krisensicherheits­gesetz erhöht eines mit Sicherheit nicht, nämlich die Sicherheit in Österreich, denn wie Kollege Einwallner bereits gesagt hat, ist es nach wie vor ein demokratie­politischer und sicherheitspolitischer Käse.

Beginnen wir vielleicht mit dem schwammigen Begriff der Krise, bei dem immer noch unklar ist, was darunter überhaupt genau zu verstehen ist. Darüber hinaus haben Sie weder die Opposition noch die Gemeinden noch die Länder noch die Blaulichtorganisationen ernsthaft in die Verhandlungen eingebunden, aber gerade von den Blaulichtorganisationen wünschen Sie sich dann im Krisenfall ja, dass sie sofort funktionieren. Also das ist einmal die komplett falsche Vorgehensweise.

Das I-Tüpferl ist aber, dass Sie künftig einen Krisenzustand mit einer einfachen Mehrheit im Hauptausschuss ausrufen können wollen. Seien Sie mir bitte nicht böse: Vor allem die Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, dass gerade


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Sie da mitgehen, ist ehrlich gesagt beschämend. Ja, es ist so! Wir sind nicht in Ungarn oder in Russland, wir sind in Österreich. (Beifall bei der SPÖ.)

Daher ist für uns auch klar: Es kann weder sein, dass ohne Zustimmung der Opposition ein Krisenzustand ausgerufen wird, noch kann es sein, dass ein Fachminister ermächtigt wird, am Parlament vorbei das Land alleine zu regieren.

Das heißt also, das bedeutet, eine Krise muss immer Chefsache sein. Wenn im Krisenfall nicht der Bundeskanzler zuständig ist, beim Bundeskanzler die Fäden zusammenlaufen, wann dann, bitte schön, meine sehr geehrten Damen und Herren? Wann dann?

Denn was ist die Folge? Das hat man während der Coronapandemie gesehen: Dann haben wir erst wieder ein Chaos. Man hat nicht gewusst, wo der Krisenstab angesiedelt sein soll: im Innenministerium, im Gesundheitsminis­terium? Ein Kompetenzwirrwarr, bei dem sich niemand auskennt und sich niemand zuständig fühlt.

Aber zum Abschluss, Herr Innenminister, noch kurz zu Ihren Bunkerfantasien, Regierungsbunkerfantasien: Dass Sie im Zuge dieses Gesetzes dieses Prestige­projekt Ihres Vorgängers und jetzigen Bundeskanzlers Nehammer legitimieren und umsetzen wollen, liegt ja wohl auf der Hand. Das sieht man. Dass Sie aber mitten in der größten Teuerungswelle seit Jahrzehnten nicht nur bestehende Infrastruktur wie den Stiftsbunker – es ist angesprochen worden – nicht nützen, sondern für einen neuen Bunker statt ursprünglich 20 Millionen jetzt 50 Millionen Euro ausgeben wollen, das wird die Bevölkerung mit Sicherheit nicht goutieren. (Beifall bei der SPÖ.)

19.31


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Mag. Gerhard Kaniak. – Bitte, Herr Abgeordneter.



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19.31.26

Abgeordneter Mag. Gerhard Kaniak (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ja, die Bundesregierung legt uns ein Bundes-Krisensicherheitsgesetz zur Abstimmung vor, das in der Begutach­tung glatt durchgefallen ist, zu dem entgegen den Aussagen der Regierungsfrak­tionen und des Ministers keinerlei Abstimmungen mit den Oppositionsparteien stattgefunden haben, und behauptet, es sei notwendig, um für die nächsten Krisen gewappnet zu sein. Es sei sozusagen ein Resultat der Erfahrungen und der Erkenntnisse, die man aus der Coronakrise gewonnen hätte.

Ich habe einen ganz anderen Eindruck. Ich habe den Eindruck, dass diese Regierungsfraktionen und diese Bundesregierung Geschmack daran gefunden haben, am Parlament vorbei mit Verordnungsermächtigung über die Ministerien zu agieren und außerhalb der öffentlichen Debatte im Parlament über einfache Mehrheiten im Hauptausschuss Ausnahmezustände zu verhängen und zu verlängern.

Wer das nicht glaubt, der möge sich daran erinnern, wie die Begründung und die Verlängerung der Lockdowns stattgefunden haben, wie die Expertenkommis­sionen, die selbst eingesetzten Expertenkommissionen, mit Berichten kamen, die dann ausschließlich unter Ausschluss der Öffentlichkeit im Hauptausschuss diskutiert wurden, und das mit einfacher Mehrheit vonseiten der Bundesregie­rung dazu geführt hat, dass die Österreicher monatelang unnötig eingesperrt waren und eine Krise verlängert worden ist, die schon längst zu beenden gewe­sen wäre. (Beifall bei der FPÖ.)

Nicht nur dieses Krisensicherheitsgesetz ist ein erneutes Ermächtigungsgesetz für diese Bundesregierung, auch das Epidemiegesetz, die Novelle des Epidemie­gesetzes, die in der letzten Plenarwoche beschlossen worden ist, ist ein Ermächtigungsgesetz, das genauso unklar und unscharf und unsauber formuliert ist, dem Gesundheitsminister und der Bundesregierung genauso weitreichende Befugnisse gibt, zu bestimmen, wann überhaupt eine Krise ist, wie lange sie


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dauert, welche Maßnahmen sie treffen und wann sie wieder zu beenden ist. Das Parlament hat praktisch keine Mitsprache. Das ist nicht das, was wir uns unter Krisenmanagement vorstellen. Das sind nicht die Transparenz und die demokratische Einbindung des Parlaments, die wir für solche schwerwiegenden Prozesse erwarten. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich möchte jetzt auch noch zum Bundeskrisenlagergesetz kommen. Auch das ist gar kein neues Krisengesetz, so wie der Name vermuten lässt. Es hat auch gar nichts im Innenausschuss zu suchen gehabt, es hätte eigentlich in den Gesund­heits- oder bestenfalls vielleicht in den Landesverteidigungsausschuss gehört. In Wirklichkeit ist es nur die Prolongierung des COVID-19-Lagergesetzes.

Das österreichische Bundesheer ist nämlich schon während der Coronakrise missbraucht worden – ich verwende ganz bewusst diesen Ausdruck: missbraucht worden – für eine Assistenzleistung im Zivilbereich und für Tätigkeiten, für die es überhaupt nicht vorgesehen ist. Ich teile da mit einigen meiner Vorrednern deren verfassungsrechtliche Bedenken, dass das Bundesheer da auf diese Art und Weise eingesetzt und missbraucht wird. (Beifall bei der FPÖ.)

Es gibt einen weiteren Punkt, der ein ganz klares Indiz dafür ist, dass wir es hier auch überhaupt nicht mit einer langfristigen strategischen Entscheidung zu tun haben, sondern dass das eben vor allem eine kurzfristige Abarbeitung der Überbe­schaffung von Impfstoffen sein soll, denn dieses Bundeskrisenlagergesetz gilt nur eineinhalb Jahre, meine sehr geehrten Damen und Herren. Es endet mit Dezember 2024. Wenn das ein vorausschauendes Krisengesetz sein soll, wieso hört es nach eineinhalb Jahren schon wieder auf zu gelten?

Aber es ist ganz klar: Die Bestände im Zusammenhang mit Covid, die überbe­schafften Impfstoffe werden dorthin übergeführt, es werden auch die anderen durchaus diskussionswürdigen Paragrafen des COVID-19-Lagergesetzes über­nommen, nämlich dass die Güter, die dort im Rahmen dieses Gesetzes gelagert werden, unentgeltlich an alle möglichen Einrichtungen, NGOs, aber auch international verschenkt werden können.


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir reden hier über Güter im Wert von Hunderten Millionen Euro, die bereits auf Basis des COVID-19-Lagergeset­zes verschenkt wurden und die in Zukunft, in den nächsten Jahren noch weiter verschenkt werden. Da rede ich von den Beschaffungsverträgen, die die EU für die Covid-19-Impfstoffe noch immer laufen hat, die nachverhandelt wurden, die nicht gekündigt wurden, die eine Abnahmeverpflichtung des österreichischen Staates vorsehen. Diese Impfstoffe werden von uns um Hunderte Millionen Euro des Steuerzahlers gekauft, werden dann im Bundesheerlager gebunkert und werden dann verschenkt oder vernichtet. Das ist die Wahrheit und das soll dieses Gesetz kaschieren, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich möchte noch eines ergänzen, weil hier auch die Diskussion begonnen worden ist, dass man vielleicht auch im Rahmen dieses Gesetzes noch anfangen könnte, zur weiteren Unterstützung des Zivilbereichs und zum weiteren Aufbau von Parallelstrukturen für die Sozialversicherungsträger, für die Österreichische Gesundheitskasse zum Beispiel Arzneimittelrohstoffe für den Zivilbereich einzulagern, um Lieferengpässen zu begegnen. Auch das ist ein vollkommener Missbrauch dieser Strukturen, denn erstens einmal haben wir lizenzierte pharma­zeutische Großhändler (Zwischenruf des Abg. Stögmüller), die hervorragende Lagerinfrastruktur und Logistikinfrastruktur haben, wo sie diese viel einfacher, viel kostengünstiger und viel effizienter lagern könnten und dann auch in den Vertrieb bringen könnten. (Abg. Stögmüller: Ah!)

Zweitens hat das österreichische Bundesheer leider Gottes selber weder die logistischen noch die pharmazeutischen Kapazitäten, eingelagerten Rohstoff selber gebrauchsfertig zu machen. Ich würde mir als Heeresapotheker zwar wünschen, dass wir diese Fähigkeiten für das Heer selber hätten (Heiterkeit des Abg. Wöginger), wir haben sie aber leider nicht in dem Umfang, wie es notwendig wäre. Da müssen wir auf die zivilen Strukturen zurückgreifen. Dort gehört das Ganze auch angesiedelt.


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Schauen Sie sich meinen Fünfpunkteplan zur Sicherstellung der Arzneimit­telversorgung an! Da steht genau drinnen, wie man Krisenvorsorge im Arzneimittelbereich betreiben kann. Da haben Sie einen konkreten Vorschlag, wie wir dieses Problem lösen können. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

19.36 19.36.58


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 14: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Sicherstellung der staatlichen Resilienz und Koordination in Krisen erlassen wird sowie das Bundes-Verfassungsgesetz, das Wehrgesetz und das Meldegesetz geändert werden, in 2084 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Dr. Christian Stocker, David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde daher zunächst über die vom erwähnten Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Da der vorliegende Gesetzentwurf eine Änderung des Bundes-Verfassungs­gesetzes enthält, stelle ich zunächst im Sinne des § 82 Abs. 2 Z 1 der Geschäftsordnung die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der verfassungsmäßig vorgesehenen Anzahl der Abgeordneten fest.

Die Abgeordneten Dr. Christian Stocker, David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag betreffend


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den Titel, das Inhaltsverzeichnis, den Entfall der Artikel 1 und 3 sowie die Änderung der übrigen Artikel eingebracht.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen schließlich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfs samt Eingang in der Fassung der Regierungsvorlage.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen und somit auch in dritter Lesung beschlossen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Hannes Amesbauer, BA, Ing. Reinhold Einwallner, Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Verant­wortung dorthin, wo sie hingehört!“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 15: Entwurf betreffend Bundeskrisenlagergesetz samt Titel und Eingang in 2121 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen zur dritten Lesung.


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Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

19.39.4916. Punkt

Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regierungs­vorlage (2089 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Gesetz über das Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung geändert wird (2122 d.B.)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir kommen nun zum 16. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Sabine Schatz. – Bitte, Frau Abgeordnete.


19.40.10

Abgeordnete Sabine Schatz (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Unsere Polizisten und Polizistinnen leisten tagtäglich einen wichtigen und wertvollen Beitrag zur Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit. Das trägt auch wesentlich zu einem positiven Sicher­heitsgefühl der Bevölkerung bei. Ich möchte diesen Redebeitrag explizit dafür nutzen, um mich bei den Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten für ihre tagtägliche Arbeit wirklich aufrichtig zu bedanken. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Pfurtscheller, Amesbauer und Krisper.)

Dennoch darf aber nicht verschwiegen werden, dass es auch in den Reihen unserer Polizei zu Fällen von Diskriminierung, Rassismus, Misshandlungen und Gewalt kommt. Nein, das bedeutet nicht, dass Polizistinnen und Polizisten unter Generalverdacht gestellt werden, wie die FPÖ das später wahrscheinlich darstellen wird (Abg. Ries: Das ist eine Seherin!), aber jeder einzelne Vorfall und


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jeder einzelne Vorwurf muss entsprechend aufgearbeitet werden, und deswegen unterstützen wir auch prinzipiell das Ansinnen, eine Beschwerdestelle einzurichten.

Fälle von Polizeigewalt sind untragbar und schaden der Polizei im Gesamten. Das Vertrauen in unsere Exekutive muss dadurch gestärkt werden, dass die mit diesem Beruf verbundene Autorität nicht missbraucht wird und nicht der Eindruck entsteht, dass Vorfälle keine Konsequenzen haben. Betroffene müssen die Möglichkeit haben, eine Anlaufstelle anzuschreiben oder anzusprechen, sie müs­sen auch die Möglichkeit haben, Vorfälle entsprechend vorzubringen, und diese müssen aufgearbeitet werden.

Ich habe es schon gesagt, wir unterstützen das Ansinnen für eine Beschwerde­stelle. Wir werden aber diesem heute vorliegenden Gesetzentwurf trotzdem nicht zustimmen können. Die Ermittlung zu und die Aufklärung von Misshand­lungs­vorwürfen gegen Polizistinnen und Polizisten soll nämlich künftig in einer eigenen Organisationseinheit im Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung, kurz BAK, erfolgen, und da, sehr geehrte Damen und Herren, beißt sich die Katze in den Schwanz. Das BAK ist nämlich im Innen­ministerium angesiedelt. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Karner.) – Herr Innenminister, wenn wir Aufklärung haben wollen, bei der hundertprozentig sichergestellt ist, dass sie tatsächlich weisungsfrei ist, dann brauchen wir auch eine unabhängige Schlichtungsstelle, eine unabhängige Meldestelle, und eine solche ist in diesem Fall nicht gegeben.

Sehr geehrte Damen und Herren, ja zur Beschwerdestelle, ja zur konse­quenten Aufarbeitung jedes Vorfalls und jedes Vorwurfes wegen Polizeige­walt, aber nicht so, wie das in diesem Gesetzentwurf vorgesehen ist. Wir brauchen eine unab­hängige Anlaufstelle. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Krisper.)

19.43



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Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl. – Bitte, Herr Abgeordneter.


19.43.08

Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl (ÖVP): Herr Präsident! Als Erstes ist es mir ein Anliegen, auf den Kollegen von vorhin zu replizieren, weil ich finde, dass das wirklich eine Unterstellung war, dass es jemanden hier im Saal gebe, der mit dem Leid anderer spielt und das für parteipolitische Zwecke missbraucht. Das muss ich auf das Schärfste zurückweisen, Herr Präsident! (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Bürstmayr.)

Nun zum Tagesordnungspunkt betreffend eine Beschwerdestelle gegen Polizeigewalt: Ich glaube, als Erstes müssen wir alle einmal einen großen Dank an alle Polizistinnen und Polizisten, die jeden Tag und jede Nacht für uns ihr Leben einsetzen, aussprechen. Dafür gilt es, ihnen ein großes, großes Dankeschön auszusprechen. – Danke, liebe Polizistinnen und Polizisten! (Beifall bei der ÖVP.)

Sie begeben sich jeden Tag für uns alle in Gefahr, sie wissen, wenn sie in den Dienst kommen nicht, wie dieser Dienst beendet werden wird. Sie begegnen Menschen in schwierigsten Situationen und sie leisten damit einen unglaublich wichtigen Beitrag für unsere Gesellschaft. Es ist daher wichtig, dass wir eine solche Diskussion mit dem nötigen Vertrauen gegenüber unseren Polizistinnen und Polizisten beginnen, denn ihr Job ist ein anstrengender, ein aufreibender, und einer, der für uns alle, für unsere Gesellschaft wichtig ist. Die Bevölkerung sieht das genauso, denn der Vertrauensindex von OGM zeigt, dass die Polizei die höchsten Vertrauenswerte von allen Institutionen in Österreich besitzt.

Der Einsatz von Befehls- und Zwangsgewalt stellt natürlich einen Eingriff in die Freiheit jedes Einzelnen dar, daher ist der Einsatz von Befehls- und Zwangsge­walt auch ganz besonders geregelt. Er darf niemals willkürlich ausgeübt werden. Daher möchte ich hier an dieser Stelle auch einen Dank an die ehemalige Innenministerin Mikl-Leitner richten, die die Polizei in Richtung Menschenrechts­polizei verändert hat. Die Polizei schützt Menschenrechte, die Polizei schützt die


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Freiheit des Einzelnen und sie sichert die Abwehr von Gewalt. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Amesbauer: Das sehen die Grünen auch so! – Abg. Ries: Dazu haben wir Mikl-Leitner gebraucht?)

Polizisten haben kein Privileg für Zwangsgewalt – nein, es gibt aber Situationen, in denen sie davon Gebrauch machen müssen. Es ist nichts Angenehmes, wenn man Zwangsmittel einsetzen muss. Ein Zwangsmittel ist immer das letzte Mittel, wenn Dialog und Deeskalation nicht mehr funktionieren, es ist aber Fakt, dass es solche Momente gibt.

Konkret kam es im Jahr 2022 zu 23 193 Zwangsmittelanwendungen seitens der Polizei. Wie viele Verdachtsmomente überzogener Polizeigewalt waren darunter? – 322, das entspricht einem Prozentsatz von 1,3 Prozent. Wenn man sich die Kategorien von Misshandlungsvorwürfen ansieht, sieht man, dass der schwerwiegendste Vorwurf, nämlich menschenunwürdige und erniedrigende Behandlung, in 0,1 Prozent der Fälle als Verdachtsmoment festgehalten worden ist. Demgegenüber stehen aber dreimal so viele Polizisten, die in der Ausübung ihres Dienstes verletzt wurden. Es zeigt ganz klar, dass solche Vorwürfe selten sind – sehr selten –, und noch viel seltener kommt es zu Verurteilungen.

Meine Damen und Herren! Es ist so, dass Polizisten auch das Recht haben, nicht von vornherein verdächtigt zu werden. Dazu dienen ja in erster Linie die Bodycams. Polizisten gehen mit Kameras in den Einsatz, damit sie danach nach­weisen können, dass sie ihren Einsatz gesetzeskonform durchgeführt haben. Ich sehe diese Beschwerdestelle als Folge dieser Bodycams. Wenn es einen Verdacht gibt, dann soll von einer unabhängigen Stelle außerhalb der Polizei, mittels dieses Beirates, den wir hiermit einführen – mein Kollege vom Koalitionspartner, von der grünen Partei, wird das danach noch näher erklären –, wirklich unabhängig gearbeitet und ermittelt werden können. Das wird sicherlich dazu beitragen, dass die Zahl der Verdachtsmomente reduziert wird und dass schneller aufgeklärt wird.


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Meine Damen und Herren! Wenn es zu Überschreitungen kommt, dann ist natürlich die Härte des Gesetzes anzuwenden, es geht aber sicher nicht an, dass ein Generalverdacht geäußert wird. Ich bedanke mich da auch bei meiner Vorrednerin von der SPÖ, dass sie diesen Generalverdacht nicht von vornherein aussprechen wollte.

Daher zuletzt: Danke für die hohe Expertise, die die Polizei hat, aber auch, dass das Bundesamt zur Korruptionsbekämpfung, das jetzt ausgewählt worden ist, mit einer besonders hohen Expertise – auch dank Schulungen – ausgestattet wird, damit es zu einer vollkommen unabhängigen Untersuchung kommen kann.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, ich wünsche Ihnen alles Gute im Dienst! Glück auf! Passen Sie auf sich auf! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

19.49


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Werner Herbert. – Bitte, Herr Abgeordneter.


19.49.23

Abgeordneter Werner Herbert (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! (Der Redner stellt eine Tafel, auf der unter anderem die Aufschrift „9.861 Unterstützungsunterschriften von Polizistinnen und Polizisten im Rahmen der online-Petition der AUF/FEG gegen die neue Denunzi­erungs- und Vernaderungsstelle im BM.I“ sowie die Zeichnung eines Polizisten, der erkennungsdienstlich behandelt wird, und die Aufschrift „Polizisten sind keine Verbrecher!“ zu sehen sind, auf das Redner:innenpult. – Abg. Loacker begibt sich zum Redner:innenpult, um die Tafel zu lesen. – Abg. Eßl: Wie der Hauser! – Abg. Bernhard: Man kann es nicht lesen! – Abg. Michael Hammer: Ist egal, lass es hinunterfliegen, passt eh! – Ruf bei der ÖVP: Der Adjutant vom Hauser!) Wenn man meinem Vorredner Kollegen Gerstl bei seinen Ausführungen zugehört hat, könnte man fast glauben, für die Polizei wäre heute ein Tag besonderer Aner­kennung und nicht unbedingt ein Tag, an dem man einmal mehr ihre Arbeit mit


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Füßen tritt – muss ich fast sagen – und auch die Geringschätzung der Behörde, des Innenministeriums, einmal mehr gegenüber unseren Polizistinnen und Polizisten zum Ausdruck kommt. (Beifall bei der FPÖ.)

Worum geht es? – Es wird eine neue Beschwerdestelle gegen Misshand­lungs­vorwürfe ins Leben gerufen, eine neue Diffamierungs- und Verna­derungsstelle mit sogenannter multiprofessioneller Zusammensetzung.

Was heißt multiprofessionelle Zusammensetzung? – Vertreter aus dem NGO-Bereich dürfen dort im Beirat beziehungsweise in der Meldestelle selbst über Beschwerden über Polizeimisshandlungen urteilen und dann sogar mehr oder weniger die Arbeit dieser Stelle beaufsichtigen und evaluieren. (Abg. Lukas Hammer: So schlimm?!)

Eigentlich ein, ein, ein (Abg. Lukas Hammer: Na was?)  ein Witz, denn gerade jene NGOs, die gemeinsam mit den Grünen in der Vergangenheit kaum eine Gelegen­heit ausgelassen haben, sich über die Polizei zu beschweren, und jede Gelegen­heit genutzt haben, die Polizei in ein negatives Licht zu rücken und genau das zu erzeugen, was hier von meinen Vorrednern berechtigterweise schon in Abrede gestellt wurde, nämlich einen Generalverdacht gegen die Polizei zu erwägen, genau diese NGOs sitzen in dem Beirat und in der Meldestelle und urteilen über Beschwerden über die Polizei. – Das ist ein Kuriosum, das man gar nicht beschrei­ben kann, in solch negativer Art und Weise. Das wäre einem Kabaret­tisten in Österreich, glaube ich, auch nicht besser eingefallen.

Wenn man sich überlegt, dass genau die linken Krawallanarchisten, die Mitglie­der des Schwarzen Blocks, die sich bei den Demos immer verhaltens­auffällig zeigen (Heiterkeit des Abg. Schallmeiner), die ausländischen Migra­tionsgruppen, die zu Hunderttausenden in Wien einen Erdoğan feiern, dann Ausschreitungen begehen und da auf Konfrontation mit der Polizei gehen, oder auch nur ein kleiner Klimakleber, der mit der Polizei die tagtägliche Konfron­tation sucht, dass diese Personen dann zu den NGO-Vertretern ihres Vertrauens gehen und sagen: Du, ich habe mich gerade über die Polizei beschwert, bringst du das eh in


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meinem Sinne würdig zum Abschluss?, so etwas fällt, glaube ich, nicht einmal dem begabtesten Satiriker in Österreich ein. (Beifall bei der FPÖ.)

Tatsache ist aber, dass genau das heute mit diesem Gesetz beschlossen werden soll. Nicht, dass Sie mich falsch verstehen: Jeder darf in Österreich seine Kritik äußern, wenn er sich im Zuge einer polizeilichen Amtshandlung nicht korrekt behandelt fühlt. Das aber, was hier vorgelegt wurde oder wird, ist einfach einmal mehr eine Darstellung des allgemeinen Polizeibashings, das hier seitens der grünen Fraktion, aber auch seitens der NGOs in den letzten Jahren immer gezeigt wurde, mit dem man das Bild vermittelt, es gebe so viele Beschwerden, die übrigens, da gebe ich Kollegen Gerstl recht, in Relation zu den Amtshandlungen sehr wenige sind und in den überwiegenden Fällen eigentlich kaum zu einer dienstrechtlichen oder gar gerichtlichen Verurteilung führen. Das wird also durch die grüne Fraktion in der Öffentlichkeit überzeichnet, das Bild eines Polizei­staates gezeichnet.

Die ÖVP macht leider den Steigbügelhalter für dieses Politbashing gegenüber unseren Polizistinnen und Polizisten, für eine weitere deutliche Misstrau­ensbekundung gegenüber der Arbeit, die unsere Polizistinnen und Polizisten tagtäglich unter härtesten Bedingungen leisten.

Ich darf erinnern: Wir haben bei der Polizei ein großes Personalproblem, viele Überstunden sind zu leisten, harte Arbeitsbedingungen herrschen vor. (Abg. Tomaselli: Wir haben auch harte Arbeitsbedingungen, weil wir Ihnen zuhören müssen!)

Gerade bei solch schwierigen Bedingungen kommen Sie und sagen: Jetzt bringen wir noch, weil es den Grünen so gut gefällt und weil das ins politische Konzept passt, eine neue Beschwerdestelle, um den Polizisten hier einmal mehr unser Misstrauen auszusprechen!

Herr Innenminister, ich denke, wir haben hier einen Fall – wir haben das auch im Ausschuss schon besprochen (Bundesminister Karner nickt) –, den man nicht


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schönreden kann. Ich verstehe vielleicht den politischen Ansatz, dass Sie da Ihrem grünen Koalitionspartner im Wort sind, aber das Vorgehen kann ich und können wir nicht verstehen; und auch unsere vielen Polizistinnen und Polizisten, die dankenswerterweise tagtäglich für die Bevölkerung ihren Kopf hinhalten, verstehen das nicht.

Aus diesem Grund haben wir schon vor geraumer Zeit eine Onlinepetition ins Leben gerufen, mittels derer sich bis heute immerhin 9 861 Polizistinnen und Polizisten gegen die Schaffung dieser Meldestelle ausgesprochen haben, die hier völlig unnötig und zwangsbefreit ins Leben gerufen wird, weil es ohnedies schon genug Möglichkeiten gibt, Kritik oder auch Beschwerde über die Polizei zu äußern.

Es gibt die unabhängigen Disziplinarbehörden, es gibt die Volksanwaltschaft mit ihren Möglichkeiten und den Menschenrechtsbeirat. Es gibt die Gerichte auf Verwaltungs-, aber auch auf justizieller Ebene, die man da bemühen konnte und noch immer bemühen kann.

Die Schaffung dieser Meldestelle ist völlig unnötig und eigentlich nur ein politi­scher Vollzugsakt der grünen Fraktion, die damit ihre Geringschätzung gegenüber unserer Exekutive einmal mehr ausleben kann. (Abg. Tomaselli: Ja! Erwischt! – Abg. Loacker: Kollege Herbert, das Lamperl explodiert!) Ihr, liebe ÖVP, macht auch noch die Räuberleiter in politischer Hinsicht.

In diesem Sinne werden wir unsere Petition weiter fortführen. Ich bin davon überzeugt, dass wir in den nächsten Tagen und Wochen wahrscheinlich die Marke von 10 000 Unterstützungsunterschriften locker – locker! – erreichen werden. Herr Innenminister, ich darf dann wieder auf Sie zukommen und Ihnen diese Unterschriften übergeben, um Ihnen auch darzulegen, dass das, was heute hier in diesem Hohen Haus beschlossen wird, mit diesem neuen BAK-Gesetz, alles ist, nur nicht das, was unsere Polizistinnen und Polizisten sich wünschen – schon gar nicht von einem Innenminister, der ihnen eigentlich den Rücken freihalten und nicht zusätzliche Möglichkeiten schaffen sollte, um einem grünen


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Bashing ausgesetzt zu werden, das sie sich gemessen an ihrem Alltag wahrlich nicht verdient haben. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Lukas Hammer: Reden Sie ruhig weiter! – Abg. Bernhard: Kurz und bündig! – Heiterkeit bei den NEOS. – Abg. Lukas Hammer: Wir hätten Ihnen gerne noch länger zugehört!)

19.57


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Mag. Georg Bürstmayr. – Bitte, Herr Abgeordneter.


19.57.24

Abgeordneter Mag. Georg Bürstmayr (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Innenminister! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Heute schaffen wir etwas Neues, nämlich eine zentrale Stelle, die Vorwürfe von Misshandlung durch die Polizei in ganz Österreich entgegennimmt, untersucht und aufklärt, und zwar rasch, wirksam und unabhängig. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Rasch – weil sie polizeiliche Ermittlungsbefugnisse haben, Beweise sichern können, Gegenstände beschlagnahmen können, Fingerabdrücke und andere Spuren sichern können, das ganze Programm; und das unterscheidet sie, Kollegin Schatz, von einer Schlichtungsstelle. Das ist nicht nur völkerrechtlich geboten, sondern auch gut für jene Beamte, die zu Unrecht in Verdacht geraten sind, dass sie jemanden misshandelt hätten, weil rasche Ermittlungen sie rasch entlasten.

Wirksam – weil in dieser Stelle ausgebildete Polizist:innen arbeiten werden, die das alles können, und zwar gemeinsam mit Angehörigen anderer Berufe aus Bereichen wie Sozialarbeit, Medizin oder Psychologie. Diese Multiprofessio­na­lität in einer Ermittlungsstelle ist tatsächlich ein Stück Kulturwandel. Sie soll und wird dazu beitragen, dass wir ein möglichst vollständiges Bild aus möglichst vielen verschiedenen Blickwinkeln erhalten.


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Unabhängig – das haben einige in den letzten Wochen lautstark angezweifelt, weil diese Stelle ja im Innenministerium angesiedelt wäre. Sie unterliegen dabei aber einem Missverständnis. Das Innenministerium hat ein großes Dach für sehr viele verschiedene Behörden und Einrichtungen; eine davon ist die Polizei. Wichtig für die Unabhängigkeit dieser Stelle ist nicht ihre Adresse, son­dern die strikte Trennung von dieser Polizei, und die haben wir hergestellt und diese Unabhängigkeit mit zahlreichen weiteren Feuermauern abge­sichert.

Weiters sind vorgesehen: eine langfristig bestellte Leitung, Budgetsicherheit, Personalhoheit, fixe Arbeitsplätze für die Mitarbeiter:innen, die nicht gegen ihren Willen dorthin oder von dort wegversetzt werden können, und jede Weisung an diese Stelle müsste schriftlich ergehen und sofort dem Beirat dieser Stelle bekannt gegeben werden.

Unter diesen Umständen kann da nichts hineininterveniert, kein Verfahren beeinflusst oder gar „daschlogn“ werden. (Beifall bei den Grünen.)

Diese Stelle passt schon dorthin, wo sie jetzt angesiedelt wird, nämlich im Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung, weil es aber so viel Sorge um ihre Unabhängigkeit gegeben hat, haben wir diese nach der Begutachtung noch weiter gestärkt, indem wir den Beirat für diese Stelle jetzt zu 100 Prozent zivilgesellschaftlich beschicken – ohne ein einziges Mitglied aus einem Ministerium, gar aus dem Innenministerium.

Dieser Beirat wird nicht nur darauf schauen, dass in dieser Stelle ordentlich gearbeitet wird, über ihn können – wenn gewünscht sogar anonym – auch Beschwerden und Hinweise auf mögliche Misshandlungen eingebracht werden. Niemand muss mehr zur Polizei, um sich über einen Polizeiübergriff zu beschweren. (Beifall bei den Grünen.)


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Für wen machen wir das alles? – Nicht nur für die Opfer von überschießender Polizeigewalt, obwohl das allein Grund genug wäre – ich weiß, wie trauma­tisierend dies sein kann, ich habe einige Opfer von solchen Übergriffen vertreten –; nein, wir machen das auch für die vielen, vielen Polizeibeamtinnen und -beamten, die jeden Tag ihre Uniform anziehen, ihren Dienst tun und dabei alle Regeln beachten, die Gewalt nur dort und nur so lange einsetzen, wie es unbedingt notwendig ist, und die das können, weil sie Profis sind. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Diese vielen Polizist:innen schaffen damit das, was für unsere Polizei am wich­tigsten ist, wichtiger als jede Budgetsteigerung und jede zusätzliche Ausrüstung, nämlich Vertrauen – Vertrauen in die Polizei und den Staat, für den sie steht –; und dafür gebührt ihnen unser aller Respekt.

Diese Polizeibeamt:innen sind stinksauer über jeden einzelnen ihrer Kollegen, der sich nicht im Griff hat oder sich ganz bewusst über die Grundregeln des Polizeiberufs hinwegsetzt und hinhaut, hindrischt, Menschen erniedrigt und damit dieses mühsam aufgebaute Vertrauen mit einem Schlag zerstört. Ich weiß das aus vielen Gesprächen, die ich in den letzten dreieinhalb Jahren mit vielen engagierten Polizistinnen und Polizisten in ganz Österreich geführt habe, und ich weiß, dass diese sich selbst diese Stelle dringend gewünscht haben, damit das Vertrauen in ihre Arbeit gestärkt wird. Auch für sie machen wir das! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich danke allen, die das mit bewerkstelligt haben: den Expertinnen und Experten und den NGOs für die jahrelange Begleitung, Beratung und auch für ihre solidarische Kritik, meinen Gegenübern im Innenministerium und in der ÖVP für manchmal zähe, aber immer faire Verhandlungen, vor allem aber den Mitar­beiterinnen und Mitarbeitern des Grünen Klubs, die über Jahre an der Realisie­rung dieser Stelle gearbeitet haben. Ohne euch, ohne eure Fachkunde, ohne eure Ausdauer gäbe es diese Stelle nicht. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.03



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Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Dr.in Stephanie Krisper. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


20.03.30

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Herr Präsident! Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Anfangs möchte ich schon den Kollegen der FPÖ, der hier von einer Denunzierungsstelle gesprochen hat, die heute anscheinend eingerichtet werden soll, daran erinnern, dass sein Parteikollege Rosenkranz jetzt in seiner neuen Rolle als Volksanwalt sich sehr wohl auch für die Einrichtung einer unabhängigen Beschwerdestelle ausgesprochen hat.

Wenn Sie zugehört haben, Herr Kollege Herbert, dann wissen Sie, dass alle anderen Parteien, die hier bis jetzt zu Wort kamen – und wir werden das jetzt auch noch einmal betonen –, ausgesprochen haben, dass wir der Tatsache gewahr sind, dass die Polizei eine oft sehr schwere Arbeit verrichtet, wir ihr  dafür sehr dankbar sind und es nur um wenige Ausnahmefälle geht, in denen es wichtig ist, dass unabhängig und effizient ermittelt wird, in denen es Klarheit für die Betroffenen geben muss, aber auch, wie Kollege Bürstmayr schon ausgeführt hat, für die redlichen Kolleginnen und Kollegen; denn das Vertrauen der Bevölkerung in deren Arbeit, in deren korrekte Arbeit, wird dadurch verbessert, dass man den wenigen Fällen von Misshandlungen, von Polizeigewalt nachgeht und es dort Konsequenzen gibt.

Demnach unterstützen wir aus Prinzip sehr wohl solch eine Beschwerdestelle. Kollege Bürstmayr und ich haben in früheren Professionen ja jahrelang daran gearbeitet, dass es zu dieser kommt. Wir sehen positiv, dass sich im Gegensatz zum türkis-blauen Regierungsprogramm im türkis-grünen, auch sicher dank dir, Kollege Bürstmayr, die Intention wiederfindet, eine konsequente und unab­hängige Ermittlung bei Misshandlungsvorwürfen einzurichten.

Da bin ich aber auch schon beim Problem, denn es ist leider das passiert, was manchmal passiert, wenn Grüne und ÖVP verhandeln: Am Weg geht ein ganz


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wichtiger Baustein einer Reform verloren, man kann es der ÖVP nicht abringen, diese Korrektur vorzunehmen, die es bräuchte, und interpretiert sich die Welt dann selber ein wenig optimistisch schön.

Da bin ich beim Punkt Unabhängigkeit. Die wird es im Innenministerium für diese Stelle nicht geben. Es wäre anders gegangen und es hätte anders gehen müssen.

Warum wäre es anders gegangen? – Wir hätten sehr wohl eine Zweidrittelmehr­heit für eine Änderung in der Verfassung zusammenbekommen, um das woanders anzusiedeln. Dass man da mit der SPÖ nicht ins Gespräch gegangen ist, ist bedauerlich, denn die Türen standen, wie ich wahrnehme, doch dafür offen.

Und warum hätte es anders sein müssen? – In einer idealen Welt könnte man solch eine Stelle vielleicht in einem Innenministerium ansiedeln, aber nicht in Österreich im Jahr 2023, in einem Land, in dem die ÖVP seit über zehn Jahren die Hand auf dem Innenministerium hat. Wir wissen, was das zur Folge hatte, nämlich systematische Postenkorruption.

Relevant ist ja: Wer arbeitet dann in dieser Stelle? Jetzt denkt man sich vielleicht, na ja, super, die wird im Bundesamt für Korruptionsprävention und Korrup­tions­bekämpfung angesiedelt, im BAK – klingt super! Leider wissen wir aber absur­derweise aus dem U-Ausschuss, aus Chats et cetera, aus Anfragebeantwor­tungen, dass gerade dort Postenkorruption weiterhin virulent ist, bis rauf zum Leiter, der davor von Innenminister Nehammer interimistisch hingesetzt wurde, ohne Ausschreibung – das kann er entscheiden –, und sich dann durch die interimis­tische Besetzung zum Bestqualifizierten für die permanente Leitung gemacht hat; und die hat er jetzt inne.

Wir haben – nur beispielhaft eine Aussage aus dem U-Ausschuss – eine frühere Mitarbeiterin gehört, die gesagt hat: „Natürlich – so wie die anderen Beset­zun­gen im BMI – sind auch im BAK die Führungskräfte großteils mit ÖVP-Personen


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besetzt worden.“ Beim Leiter K., „der auch im Kabinett war, ist das ohnedies [...] bekannt“. Es wird gefragt, ob die Auskunftsperson Wahrnehmungen habe, „dass bei dieser [...] Postenbesetzung die Parteifarbe eine Rolle gespielt hat, dass auch Herr“ K. „bei dieser Beeinflussung involviert war?“ Antwort: „Ja, das habe ich.“

Wir wissen, es werden Menschen vor Bewerbungen demotiviert, es werden andere aufgefordert, sich zu bewerben, manche bekommen eine Ausbildung, die sie dann die Karriereleiter hochklettern lässt, andere nicht. Da ist systemische Postenkorruption möglich, und es hat sich seit den Strasser-Mails, seit den Kloibmüller-Chats nichts geändert, auch weil die Reformen gegen derartige Postenkorruption ausgeblieben sind.

Das Problem ist eben jetzt: Es liegt an der ÖVP, ob sie es zulässt, dass in dieser Behörde, im BAK, Leute sitzen dürfen, die das ernst nehmen und die Arbeit dort redlich machen. Da werden wir mit Anfragen dranbleiben und versuchen, das Auswahlverfahren mit Argusaugen zu beobachten. Status quo im Moment ist banges Hoffen und ein Dranbleiben unsererseits, aber heute: keine Zustimmung, weil das keine unabhängige Stelle ist. (Beifall bei den NEOS.)

20.08


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer Stellungnahme gelangt nun Herr Bundesminister Mag. Gerhard Karner zu Wort. – Bitte, Herr Bundesminister.


20.08.16

Bundesminister für Inneres Mag. Gerhard Karner: Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren Abgeordnete! Ich möchte auch mit einem Dank beginnen. Ich möchte mich bei allen, die sich bei diesem Tagesordnungspunkt zu Wort gemeldet haben und sich bei der Polizei bedankt haben, ebenfalls bedanken – ich glaube, es waren alle, die der Polizei ein Danke gesagt haben –, weil ich das ausdrücklich unterstützen möchte und mich auch dafür bedanken möchte, dass sie das tun, weil die Polizei in der Tat exzellente Arbeit leistet.


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Es wurden einige Beispiel genannt. Die Polizei hat unglaublich schwierige, sensible und herausfordernde Aufgaben in den unterschiedlichsten Bereichen, wenn wir uns alleine die letzten Monate, die letzten Jahre ansehen, in denen die Polizei in einem sensiblen Spannungsfeld zwischen Versammlungsfreiheit auf der einen Seite und Sicherheit auf der anderen Seite zu sorgen hatte: Wenn ich an Coronademonstrationen denke, bei denen Familien mit Kindern unterwegs waren, weil sie Ängste und Sorgen hatten, bei denen gleichzeitig Menschen mit Aluhüten und Gummistiefeln marschiert sind, weil sie anderen, staatsverwei­gernden Szenen angehörig waren: Das sind sensible Demonstrationen, Kundge­bun­gen, bei denen die Polizei auch für die Sicherheit aller zu sorgen hat.

Oder auch, wenn es Klebeaktivisten gibt, wo es das Spannungsfeld zwischen Aktionismus auf der einen Seite und rechtzeitig zur Arbeit zu kommen, vor allem auch die Sicherheit gewährleisten zu können, dass die Polizei und die Rettung entsprechend durchfahren können, auf der anderen Seite gibt. Das ist extrem sensibel, wenn die Polizei in einem großen Spannungsfeld wie da ihre Arbeit tut, aber sie tut das ganz, ganz exzellent.

Einen Punkt möchte ich noch erwähnen, weil es wahrscheinlich keine andere Berufsgruppe gibt, die letztendlich so unter öffentlicher Beobachtung steht – ausgenommen vielleicht jene Berufsgruppe, die hier herinnen anzutreffen ist – wie die Polizei, die Polizistinnen und Polizisten. Sie alle kennen das von den Kundgebungen, von den unterschiedlichsten Einsätzen, wo praktisch jeder und jede mit dem Handy unterwegs ist und die Polizei auch bei ihren Einsätzen filmt. Daher gelangen oft sehr verkürzte Darstellungen an die Öffentlichkeit und daher ist auch die Polizei mittlerweile bei den Einsätzen mit sogenannten Bodycams ausgerüstet, nämlich auch zum Eigenschutz, zum Selbstschutz.

Diese sind zu Beginn auch in der Personalvertretung durchaus auf Skepsis gestoßen. – Herr Abgeordneter Herbert, wir haben im Ausschuss sehr intensiv darüber diskutiert – und ich schätze Sie wirklich als seriösen, aktiven Perso­nalvertreter –, da es zunächst Skepsis gegenüber diesen Bodycams gab. Jetzt ist es aber zu Recht auch Wunsch der Personalvertretung, dass möglichst viele bei


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den Einsätzen mit diesen Bodycams ausgestattet sind, weil sich die Polizei damit selber schützen und auch rechtfertigen kann, da auch das Gegenüber entsprechend mit Kameras ausgestattet ist.

Herr Abgeordneter Herbert, erlauben Sie mir noch einen Satz dazu – das ist mir auch wichtig –: Es ist schade, dass Sie das getan haben, denn der Einzige, der von Polizeistaat gesprochen hat, der von Vernaderung, von Diffamierung gesprochen hat, waren Sie als Personalvertreter. Daher bitte ich Sie schon: Fordern wir die Menschen doch nicht dazu auf, das zu tun! Gerade als Personalvertreter sollte man darauf achten, dass unsere Polizei, unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, 38 000, davon 32 000 Uniformierte, bei ihrer so schwierigen Arbeit geschützt werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Nur einige Zahlen (Abg. Deimek: ... sagen, was er will! Er tut ja immer so, als ob er ...sekretär wäre!): Im letzten Jahr, 2022, hat es in Summe 322 Misshandlungs­vorwürfe gegenüber der Polizei gegeben. Bis auf wenige Fälle sind alle Ermittlungen ergebnislos eingestellt worden. Insgesamt hat es über 23 000 Zwangs­mittelanwendungen, so nennt man das technisch, gegeben. Auch das unterstreicht, mit welcher Sensibilität, aber auch mit welcher Konsequenz die Polizei bei ihren Einsätzen vorgeht, egal ob das auf den Polizeiinspektionen oder auf anderen Dienststellen ist, wo sie entsprechend unterwegs ist.

Jetzt zum vorliegenden Gesetz, dem sogenannten BAK-Gesetz: Das unter­streicht, dass diese Bundesregierung das, was sie sich vorgenommen hat, konsequent abarbeitet. Das BAK-Gesetz, die Ermittlungs- und Beschwerdestelle, EBS, sind Teil dieses Regierungsprogrammes, und das wird jetzt eben konsequent umgesetzt.

Auch ich möchte mich für die Gespräche, die intensiven Verhandlungen darüber bedanken, weil es letztendlich ein Mehrwert für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sein soll, weil sie sich das auch verdient haben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)


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Ich spreche noch einige Eckpunkte auch von meiner Seite kurz an: Die EBS, es wurde gesagt, die Ermittlungs- und Beschwerdestelle, wird innerhalb des BAK angesiedelt, ist damit außerhalb der Generaldirektion, außerhalb der Polizei. In der EBS werden natürlich Bedienstete mit spezieller Ausbildung im Bereich Grund- und Menschenrechte tätig sein. In der EBS sind neben Exekutivorganen auch Soziologen und Psychologen angesiedelt, es ist ein multiprofessioneller Ansatz. Das ist eben heutzutage notwendig, weil mögliche Vorwürfe, die heute sehr schnell da sind – Herr Abgeordneter Herbert, Sie wissen das –, weil es eben diese Videos gibt, sehr rasch und seriös geklärt werden müssen und sollen. Dazu dient letztendlich diese EBS.

Zentraler Teil der EBS, auch das sei gesagt, ist der unabhängige Beirat. – Frau Abgeordnete, ich halte das für ganz besonders wichtig, weil es da klarerweise auch eine strukturelle Kontrolle braucht. Die Mitglieder des Beirates werden vom Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes, vom Österreichischen Rechts­anwaltskammertag, der Ärztekammer, der Universitätenkonferenz, dem Innenministerium, dem Justizministerium vorgeschlagen, und diese unabhängi­gen Experten werden für die Dauer von sieben Jahren bestellt. Weisungen an die EBS sind selbstverständlich schriftlich zu erteilen und werden auch dem Beirat übermittelt. So ist klarerweise die völlige Unabhängigkeit dieser Beschwer­destelle wirklich sichergestellt.

Sämtliche Experten aus unterschiedlichsten Lagern, wenn ich das so bezeichnen darf, haben gesagt, es macht wenig Sinn oder wäre sogar kontraproduktiv, eine zusätzliche Polizeistelle für diesen Bereich zu schaffen. Daher, so denke ich, ist im Sinne aller etwas Gutes gelungen. Diese Stelle wird ihre Arbeit aufnehmen, und zwar mit dem klaren Ziel, die Arbeit der Polizei – und das sehe ich –, die so schwierig und sensibel ist, entsprechend zu unterstützen und Vorwürfe, die kommen, im Sinne beider Seiten, im Sinne der betroffenen Polizistinnen und Polizisten, aber auch im Sinne der Bevölkerung, rasch zu klären. – Vielen herz­lichen Dank dafür. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

20.16



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll224. Sitzung, 224. Sitzung des Nationalrats vom 6. Juli 2023 / Seite 441

Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dietmar Keck. – Bitte, Herr Abgeordneter.


20.16.12

Abgeordneter Dietmar Keck (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Wir beschließen hier gleich den Gesetzentwurf zur Einrichtung einer Meldestelle für Polizeigewalt. Im Rahmen der Debatte dieses Gesetzentwurfes ist es jedoch unumgänglich, sich auch mit der Situation der Betroffenen auseinanderzu­setzen.

Eines vorweg: Polizistinnen und Polizisten sind die Hüter des Rechtsstaates, und gerade deshalb müssen Menschenrechte und die Unschuldsvermutung auch für sie uneingeschränkt gelten, wie für jeden anderen Bürger und für jede andere Bürgerin hier in unserem Staat. Es darf also keine Vorverurteilungen geben.

Wie sieht die Situation aber aus? – Das ist, glaube ich, vielen nicht bewusst: Bei einer Beschwerde oder einem Misshandlungsvorwurf, egal ob er nur behauptet wird oder mit Substanz behaftet ist, werden im Rahmen der internen Behand­lung seitens der Dienstbehörde je nach Schwere der Anschuldigungen sofort Maßnahmen gesetzt. Zu diesen Maßnahmen gehören zum Beispiel Versetzun­gen oder Dienstzuteilungen, die mit finanziellen Einbußen verbunden sind. Nach Einleitung eines Disziplinarverfahrens bestehen für die Dauer des Verfahrens Hemmnisse beim beruflichen Fortkommen, eine Blockade bei Ernennungen, eine Nichtteilnahme an internen Fortbildungsmaßnahmen. Es droht eine Suspendie­rung bei gekürzten Bezügen, der Verlust pauschalierter Nebengebühren, nachhaltige karrierebehindernde Vermerke im Personalakt oder der Reputations­verlust innerhalb der Organisation. Diese Maßnahmen werden also letztendlich gesetzt.

Kommt man dann zur Erkenntnis, dass alles korrekt abgelaufen ist und keine Dienstpflichtverletzung vorliegt, nützt das nichts mehr, denn der Schaden ist gegeben. Diese Polizisten und Polizistinnen bekommen dann, auch wenn ihre


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Unschuld bewiesen ist, diesen Nachteil, den sie gehabt haben, nicht ersetzt. – Herr Minister, ich habe mir erwartet, dass Sie Ihre Rede nach meiner Rede halten, weil ich Ihnen diese Frage auch im Ausschuss gestellt habe. (Bundes­minister Karner: Ah so!) Es ist daher dringend notwendig, da etwas zu tun, denn es kann in einem Rechtsstaat wie Österreich nicht sein, dass jemand massive Nachteile hat, auch wenn seine Unschuld bewiesen ist. Das passiert aber bei den 32 000 Polizistinnen und Polizisten, falls es zu irgendwelchen entsprechenden Anklagen kommt. Daher wäre es notwendig, bei der nächsten Dienstrechts­novelle da anzusetzen und zu schauen – und das wäre Ihre Aufgabe als oberster Chef der Polizistinnen und Polizisten –, dass es zumindest zu einer Nachzahlung der einbehaltenen pauschalierten Nebengebühren kommt und dass alle anderen Maßnahmen, die die Polizistinnen und Polizisten betreffen, aus dem Akt gestrichen werden. Herr Minister, das wäre eine Maßnahme, die Sie setzen sollten!

Ich halte mich jetzt an den ehemaligen Innenausschusssprecher Otto Pendl: Ich möchte mich im Sinne dessen, was ich gesagt habe, bei wirklich allen 32 000 Polizistinnen und Polizisten bedanken, dass sie diese Aufgabe übernom­men haben, dass sie diesen Job für unsere Sicherheit machen. Es ist notwendig, dass sie uns beschützen, es ist notwendig, dass wir sie mit Gesetzesvorlagen beschützen, sodass das, was ich hier beschrieben habe, in Zukunft nicht mehr passieren kann. (Beifall bei der SPÖ.)

20.19


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Christian Ries. – Bitte, Herr Abgeordneter.


20.19.31

Abgeordneter Christian Ries (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Kollegen! Ja, es wurde heute schon mehrfach gesagt: Der Polizeidienst speziell im urbanen Raum ist ein täglicher Ritt auf der Rasierklinge. Das


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dürften auch potenzielle junge Polizeibewerber wissen, denn unter ihnen ist das Interesse momentan leider überschaubar.

Dem Beruf stehen ein schmales Grundgehalt und speziell im urbanen Raum ein breiter Risikofaktor gegenüber. Heute ist die Realität so, dass das Gegenüber der Polizei – das muss man in aller Ehrlichkeit auch sagen, Herr Kollege Bürstmayr – immer aggressiver wird. Deshalb setzt die Polizei schon seit Jahren auf Deeska­lation, aber es gibt eben Bevölkerungsgruppen oder Individuen, bei denen Deeskalation nicht wirkt, und dann ist der Beamte aufgefordert, wenn dies gesetzlich vorgesehen und verhältnismäßig ist, Zwangsgewalt anzuwenden. Wenn dies vorgesehen und verhältnismäßig ist, dann ist dieses Vorgehen natür­lich auch zu befürworten. Tut der Staat das nicht, verliert er die Kontrolle auf seinem Territorium.

Ich erinnere an das, was wir aus Deutschland wissen – das sagen Kollegen der Polizeigewerkschaft –: Es gibt Stadtteile in Berlin, in denen die Polizei nur noch truppweise oder gar nicht mehr einschreitet. Das ist die Ernte von verfehlter Sicherheitspolitik, und diese Ernte können wir uns in Österreich hoffentlich sparen.

Werte Damen und Herren, es wurde auch schon gesagt: Im Jahr 2022 kam es zu mehr als 23 000 Anwendungen von Zwangsmitteln, und es liegt in der Natur der Sache, dass es da auch eine Anzahl von Beschwerden gegen diese Zwangs­mitteleinsätze gibt, das ist völlig normal. Die Faktenlage ist aber, dass sich viele als falsch herausstellen. Vielleicht werden sie aus der persönlichen Sicht heraus so gesehen, aber ganz objektiv betrachtet sind einfach viele Anwürfe falsch.

Die Frage, die wir uns stellen müssen, ist: Brauchen wir diese zusätzliche Behörde eigentlich? – Ich meine, wir brauchen diese Behörde nicht, denn es gibt schon jetzt mehr als eine Stelle, die sich mit solchen Misshandlungsvorwürfen befasst: Man kann dies bei der Dienstbehörde melden, man kann dies beim Landesverwaltungsgericht melden und natürlich auch bei Staatsanwaltschaften,


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diese Beschwerden werden natürlich überall entgegengenommen und bearbeitet. Darüber hinaus gibt es noch die Volksanwaltschaft, den VfGH und den EuGH. Das alles ist jetzt bereits möglich und es gibt diesbezüglich keinen rechtsfreien Raum in Österreich.

Kolleginnen und Kollegen, das, was heute hier beschlossen wird, ist nichts anderes als eine verspätete Morgengabe der ÖVP an die Grünen, sonst ist das gar nichts. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Michael Hammer: Das steht von Anfang an im Regierungsprogramm!)

Ich weiß nicht, ob es Ihnen bewusst ist, aber Sie sprechen schon einen Gene­ralverdacht aus, nicht einmal den Kollegen gegenüber, aber gegenüber den österreichischen Verwaltungsbehörden und Gerichtsbehörden; denn wenn Sie diese Stelle jetzt einrichten, sagen Sie ja mehr oder weniger wortlos, dass diesen Misshandlungsvorwürfen bis jetzt nicht ernsthaft nachgegangen worden ist. Oder meinen Sie etwas anderes? (Beifall bei der FPÖ.) Diesen Vorwürfen wird bei der Polizei strengstens nachgegangen, das kann ich Ihnen aus 30 Jahren Berufserfahrung sagen.

Werte Damen und Herren! Herr Kollege Bürstmayr, Sie haben heute wieder einen veritablen Ritt auf der Münchhausenkanonenkugel hingelegt. Dazu Folgendes: Die Kollegen wünschen sich das nicht. Die Kollegen wünschen, dass eingeschritten wird, und zwar von den Stellen, die schon jetzt zuständig sind, und darüber hinaus erwarten sich die Kollegen einen Schutz der Dienstbehörde vor ungerechtfertigten Anwürfen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

20.23 20.23.25


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 2122 der Beilagen.


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Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

20.24.0017. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (2086 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Körper­schaft­steuergesetz 1988, das Umgründungssteuergesetz, das Umsatzsteuer­gesetz 1994, das Gebührengesetz 1957, das Grunderwerbsteuergesetz 1987, das Versicherungssteuergesetz 1953, das Nationale Emissionszertifikate­handelsgesetz 2022, das Alkoholsteuergesetz 2022, das Tabakmonopol­ge­setz 1996, das Erdgasabgabegesetz, das Gesundheits- und Sozialbereich-Beihilfengesetz, die Bundesabgabenordnung, das Bundesfinanzgerichtsgesetz, das Finanzstrafgesetz, das Finanzstrafzusammenarbeitsgesetz, das Zollrechts-Durchführungsgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz und das Freiberuflichen-Sozialversicherungsgesetz geändert werden (Abgabenände­rungsgesetz 2023 – AbgÄG 2023) (2138 d.B.)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir kommen nun zum 17. Punkt der Tagesordnung.

Ich begrüße den Herrn Bundesminister für Finanzen sehr herzlich im Parlament.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Herr Dr. Christoph Matznetter. – Bitte, Herr Abgeordneter.



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20.24.26

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Für den Fall, dass nach so langer Zeit noch irgendjemand anderer zusieht: schönen guten Abend! Wir kommen jetzt zum Thema Steuergesetze und haben bei diesem Tagesordnungs­punkt einen relativ umfangreichen Gesetzentwurf, der sich aber völlig im Klein-Klein erschöpft – von Bagatellgrundstücksabtretungen, der Steuerfreiheit für manche ärztliche Honorare bis zur Anwendung der Kleinunternehmerregelung für unecht Steuerbefreite. – Das ist schade, meine Damen und Herren, denn das erhöht die Kasuistik, macht noch umfangreichere und bürokratischere Gesetze, aber die wichtigsten Problemlagen unserer Steuergesetze werden durch dieses Abgabenänderungsgesetz 2023 leider nicht angegangen. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir haben das doch in diesen Tagen diskutiert: Wir sind in der internationalen Statistik bei den vermögensbezogenen Steuern ganz unten und bei der Belastung der Arbeit ganz oben. Wenn man solch einen Gesetzentwurf vorlegt, würde man erwarten, dass ein Finanzminister, der so etwas in den Ministerrat bringt, und eine Regierungspartei sagen: Da redimensionieren wir ordentlich! – Nichts davon ist vorhanden.

Wir haben ein Gesetz, das die Steuervorschriften weiter verkompliziert, das viele Sachen unsicher macht, mit dem wir nicht einmal mehr wissen, ob bei den Trafikantinnen und Trafikanten auch die sozialen Kriterien mit der Konzessions­vergabe wirklich umgesetzt werden können, aber wir haben keine Änderung bei unseren strukturellen Problemen. (Zwischenruf des Abg. Loacker.) – Gut, das freut Gerald Loacker, der eh dagegen ist, dass Millionäre auch nur irgendetwas zahlen, aber den Rest der Bevölkerung nicht, denn dieser leidet unter einer Teuerung, dieser kann sich leider das Leben nicht mehr leisten. Wir haben Hunderttausende Familien, die nicht wissen, wie die Kinder anständig und ordentlich aufwachsen können. Und wir bräuchten eine ganz andere Verteilung der Lasten für die öffentlichen Haushalte. Was steht davon drinnen? – Nichts. (Beifall bei der SPÖ.)


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In diesem Sinne lehnen wir solche Klein-Klein-Änderungen ohne materielle Änderung dieser Schieflage in unserer Gesetzgebung ab. – Herr Bundesminister, ich hoffe, dass Sie irgendwann auf die Idee kommen, etwas zur Normalisierung des Landes zu machen – heißt: rauf bei den Vermögensteuern, runter bei der Belastung der Arbeit! (Beifall bei der SPÖ.)

20.27


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Karlheinz Kopf. – Bitte, Herr Abgeordneter.


20.27.10

Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben in den Jahren 2021 und 2022 eine wahre Entlastungsoffensive durch diese Koalition erlebt, mit einmal 18 Milliarden Euro im Jahr 2021 und mit einem Volumen von 28 Milliarden Euro im Jahr 2022, und da spricht Herr Matznetter von einem Klein-Klein.

Wenn sich das Klein-Klein darauf bezieht, dass sich in dieser jetzigen Geset­zesmaterie, in diesem Abgabenänderungsgesetz, keine Vermögensteuer findet, dann kann ich das nur begrüßen. Lieber Kollege Matznetter, solange wir hier etwas zu sagen haben, wird es auch weiterhin keine geben. (Beifall bei der ÖVP.)

So ganz klein-klein sind diese Dinge aber dann doch auch nicht (Abg. Krainer: Unbeirrt den falschen Weg gehen: die ÖVP!): In diesem Abgabenänderungsgesetz sind weitere Entlastungsschritte vorgesehen, vor allem auch Ökologisie­rungs­schritte in diesem Gesetz, beispielsweise die Steuerfreistellung von Zahlun­gen für E-Fahrzeuge oder eine Ausweitung der Einkommensteuerbefreiung von Fotovoltaikanlagen, um nur zwei Punkte herauszugreifen.

In diesem Gesetzesvorschlag ist auch eine ganze Reihe von Vereinfachungen enthalten, ob das Digitalisierungen bei Antrags- und Verfahrensvorgängen sind oder die Pauschalierung von Gebühren. Auch ganz wichtig ist – Christoph


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Matznetter, etwas, das auch von dir und von euch immer wieder gefordert wird –: bei der Betrugsbekämpfung Schritte zu setzen, bei der Förderung von Steuergerechtigkeit Schritte zu setzen. Darin sind auch einige Punkte enthalten wie die Übermittlung von Daten der Sozialversicherung zum Beispiel, um Förderungen besser kontrollieren zu können, oder auch eine Verlängerung von Verjährungsfristen – um auch wieder nur zwei Punkte herauszugreifen.

Letzter Punkt, um auch noch einen Satz zu den Trafikanten zu sagen: Na ja, der Verfassungsgerichtshof hat uns beschieden, dass es eine neue Regelung geben muss. Die Vergabe von Konzessionen, die bisher als Ausnahme vom Vergabe­gesetz über das Tabakmonopolgesetz durchgeführt wurde, um tatsächlich Vergaben hauptsächlich an Menschen mit Behinderungen durchführen zu kön­nen, ist künftig nach den Kriterien des Vergabegesetzes in diesem Regime durchzuführen.

Also da haben wir Anpassungsbedarf, ja, aber es ist uns trotzdem gelungen, einen Weg zu finden, wie wir unter Einhaltung dieser vergaberechtlichen Regeln die Vergabe weiterhin nach sozialpolitischen Aspekten werden durchführen können, um damit vor allem Menschen mit Behinderungen die Sicherstellung eines eigenständigen Lebensunterhaltes zu ermöglichen.

Das ist trotz dieses VfGH-Erkenntnisses in guter und rechtssicherer Art und Weise gelungen. Natürlich hätten wir das nicht unbedingt aus dem Tabak­monopol­gesetz herausgelöst haben wollen, aber VfGH-Entscheid ist VfGH-Entscheid, den haben wir umzusetzen. – Herr Bundesminister, auch da ein Danke für eine sehr konstruktive Zusammenarbeit mit deinem Ressort und mit dir persönlich, um im Interesse von Menschen mit Behinderungen diese Lösung herbeiführen zu können!

Ich denke, es ist eine tragbare und eine saubere Lösung, und bitte daher um eure Zustimmung. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Schwarz.)

20.31



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll224. Sitzung, 224. Sitzung des Nationalrats vom 6. Juli 2023 / Seite 449

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Mag. Gerald Loacker. – Bitte, Herr Abgeordneter.


20.31.36

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Um das oft wiederholte Märchen von der Entlastung wieder ein bisschen von seinem Feenstaub zu entzaubern, wiederhole ich: Vor vier Jahren waren die Einnahmen des Bundes 80 Milliarden Euro, vier Jahre später sind die Einnahmen des Bundes, Steuern, 100 Milliarden Euro. Geschätzte Zuschauerinnen und Zuschauer, jetzt dürfen Sie sich entlastet fühlen, wenn Sie ein Viertel mehr zahlen als vorher. (Beifall bei den NEOS.)

Der Gesetzentwurf, der jetzt in Verhandlung steht, ist eigentlich nicht einer, son­dern da wurden Änderungen in 19 verschiedenen Gesetzen in ein Paket vermanscht. Das ist die Qualität der Arbeit in diesem Haus. (Ruf bei der ÖVP: Geh, Gerald!) Zwei davon, die geändert werden – das Allgemeine Sozialversicherungs­gesetz und das Freiberuflichen-Sozialversicherungsgesetz – gehören ja gar nicht in den Finanzausschuss, in dem dieses Paket verhandelt wurde, sondern die hätten in den Ausschuss für Arbeit und Soziales gehört.

Auf meine Frage, warum denn das in diesem Ausschuss in diesem Paket verhan­delt werde, erklärte mir der zuständige Sektionschef, das Anliegen sei an ihn herangetragen worden, es sei ein kluges Anliegen, und daher habe man das da verpackt.

Worum geht es? – Es ist tatsächlich ein kluges Anliegen, dass freiberuflich tätige Ärzte, wenn sie in einer Justizanstalt Insassen behandeln, mit dieser Tätigkeit in einer Justizanstalt nicht zu Angestellten werden, sondern weiter in ihrer freiberuf­lichen Ärztetätigkeit bleiben können. Das ist gut und richtig. Es gibt aber auch andere Berufsgruppen, die von der ÖGK schikaniert werden und gegen ihren Willen zu Angestellten erklärt werden, beispielsweise Bergführer, Skilehrer und Seminartrainer, die für verschiedene Seminarhäuser Trainings geben. Diese Berufsgruppen haben sich aber anders als die Ärzte offensichtlich nicht an den


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zuständigen Sektionschef im Finanzministerium gewendet, sondern haben versucht, das mit der Kasse auszudiskutieren, haben versucht, das mit dem Sozialministerium auszudiskutieren.

Das zeigt wieder einmal, in Österreich kommt es nicht darauf an, wer etwas kann, sondern wer jemanden kennt, und wenn die Richtigen kommen, dann geht es, und die anderen dürfen sich wünschen, sich in der Selbstständigkeit zu entfalten, die dürfen sich wünschen, in der Selbstständigkeit etwas weiterzu­brin­gen, die dürfen sich wünschen, in ihrer Selbstständigkeit voranzukommen. Die dürfen also nicht, aber wer Herrn Sektionschef Mayr kennt, der darf. (Abg. Baumgartner: Das ist jetzt aber gemein!) Das ist die Ungerechtigkeit. Das Gesetz selbst ist gescheit, aber halt nur für die, die die Richtigen kennen. (Beifall bei den NEOS. Abg. Baumgartner: Das ist letztklassig!)

20.34


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt MMag. DDr. Hubert Fuchs. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


20.34.36

Abgeordneter MMag. DDr. Hubert Fuchs (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Finanzminister! Hohes Haus! Kurz zu Kollegen Loacker: Ich finde deine Anschuldigung höchst unfair und ungerecht einem Beamten gegen­über. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. Abg. Haubner: Das ist letztklassig gewesen! Beifall der Abg. Baumgartner. – Abg. Hörl: Das ist ein Tiroler!)

Die Gesetze machen immer noch wir im Hohen Haus auf Basis eines Ministerial­entwurfes, der dann zu einer Regierungsvorlage wird. Ein Sektionschef macht keine Gesetze. Prof. Mayr ist einer der Untadeligsten im Finanzministerium, Sie wissen das ganz genau, Sie kennen die Protokolle der diversen Untersuchungs­ausschüsse, daher höchsten Respekt vor diesem Sektionschef. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. Abg. Hörl: Außerdem ein Tiroler!)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll224. Sitzung, 224. Sitzung des Nationalrats vom 6. Juli 2023 / Seite 451

Das Abgabenänderungsgesetz ist mit Masse ein Jahressteuergesetz und ist daher grundsätzlich positiv zu sehen; das haben wir bereits im Ausschuss gesagt. Daher werden wir diesem Abgabenänderungsgesetz mit Ausnahme der Ände­rungen beim Nationalen Emissionszertifikatehandelsgesetz und der Änderungen beim Tabakmonopolgesetz unsere Zustimmung erteilen.

Durch das Nationale Emissionszertifikatehandelsgesetz wurde in Österreich die CO2-Strafsteuer eingeführt, weshalb wir das Gesetz bereits dem Grunde nach ablehnen und daher keiner Novellierung zustimmen werden.

Beim Tabakmonopolgesetz missfällt uns insbesondere die weitere Anwen­dung des Bundesvergabegesetzes auf Konzessionen. Auch die anderen Maßnahmen erscheinen uns nicht systemisch zu sein, sondern ein Flickwerk. Sie zeigen eigentlich eine gefährliche Tendenz zur Abwicklung des gesamten Tabakmonopols.

Nun zu den positiven Aspekten des Abgabenänderungsgesetzes – sonst würden wir ja dem Gesetzentwurf nicht zustimmen –: Wir begrüßen allgemein die Vereinheitlichung der Ausübung von Besteuerungswahlrechten beziehungsweise der Stellung von Anträgen in der Steuererklärung durch Schaffung einer neuen Generalnorm in § 39 Abs. 4 EStG. Auch die Ausweitung der Steuerneutralität und der Buchwertfortführung auf die Entnahme von Gebäuden und damit insgesamt auf Grundstücke im Sinne von § 30 Abs. 1 EStG wird von uns begrüßt.

Auch im Umgründungssteuergesetz ist die Schaffung einer standardisierten Mel­dung beziehungsweise Anzeige von Umgründungen über Finanzonline positiv hervorzuheben. Als Steuerberater begrüße ich aus Gründen der Rechtssicherheit ausdrücklich, dass die bisherige Verwaltungspraxis zur Quotenregelung für Steuerberater in § 134a BAO nunmehr eine gesetzliche Grundlage findet.

Es gibt natürlich neben dem Nationalen Emissionszertifikatehandelsgesetz und dem Tabakmonopolgesetz weitere Punkte, die wir kritisch beziehungsweise


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negativ sehen. Zum Beispiel sehen wir insbesondere die Erhöhung der Schwellen­werte für die Gerichtszuständigkeit im Finanzstrafgesetz als negativ. Begründet wird das in den gesetzlichen Erläuterungen unter anderem damit, dass der Geldwertentwicklung Rechnung getragen werden soll.

Da meine ich schon: Das Pendlerpauschale ist seit 1.1.2011 abgesehen von der befristeten Minierhöhung, die im Juni ausgelaufen ist, nie erhöht worden. Auch das amtliche Kilometergeld für Pkws ist seit 1.7.2008 unverändert, das heißt seit 15 Jahren. Wir haben es nie erhöht.

Die strafbestimmenden Wertbeträge für die Gerichtszuständigkeit werden um 50 Prozent erhöht, das begründet man dann mit einer Inflationsanpassung, aber beim Pendlerpauschale und beim Kilometergeld sieht man offenbar keinen Anpassungsbedarf. Das finde ich eigentlich ungeheuerlich. Das heißt: Auch das Pendlerpauschale und das Kilometergeld müssen dringend an die Inflation angepasst werden. (Beifall bei der FPÖ.)

Es gibt viele weitere Beträge im Einkommensteuerrecht, die an die Inflation ange­passt werden müssen. Es geht nicht nur um Entbürokratisierung, sondern auch um Verwaltungsvereinfachungen. Ich darf hier zwei Beispiele anführen: Die Umsatzgrenze für die gesetzliche Basispauschalierung – die sogenannte Betriebs­ausgabenpauschalierung – ist seit 1994 unverändert. Die Höchstbeträge für das Pauschale sind seit 2004 unverändert.

Diese Pauschalierungsform wird von vielen Klein- und Kleinstunternehmen in Anspruch genommen. Eine Erhöhung der Umsatzgrenzen und auch der Pauschalen wäre ein wichtiger Beitrag zur Entbürokratisierung. Wir haben auch die Einheitswertgrenzen für die land- und forstwirtschaftlichen Pauschalierer mit 2023 massiv angehoben – zu Recht, wie ich meine –, aber auch die kleinen Selbstständigen und die Gewerbetreibenden dürfen nicht benachteiligt werden.


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Als zweites Beispiel – ich habe es schon öfter erwähnt –: das Werbungskosten­pauschale von 132 Euro. Wir haben da seit 1988 keine Erhöhung vorge­nommen. Als Entbürokratisierungsmaßnahme würde ich mir da auch eine Erhö­hung auf 300 Euro wünschen. Allein dadurch müssten 60 000 Arbeitnehmer keine Arbeitnehmerveranlagung mehr machen.

Herr Finanzminister, es müssen noch zahlreiche Werte des Einkommensteuer­rechts an die Inflation angepasst werden. Die Erhöhung des Pendlerpauschales und des amtlichen Kilometergeldes wäre ein wichtiger erster Schritt.

Und ich darf Ihnen versichern: Die FPÖ spricht sich ganz klar gegen Vermögen­steuern aus. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Herr: Das wissen wir eh! Die Partei des kleinen Mannes! – Abg. Stögmüller: Jetzt hat er verschissen bei der SPÖ!)

20.41


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Mag. Dr. Jakob Schwarz. – Bitte, Herr Abgeordneter.


20.41.26

Abgeordneter Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ich möchte zu Beginn den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Steuersektion und auch den Steuerexpert:innen bei uns im Klub danken, die sehr gute Arbeit geleistet haben. Ich glaube, es gibt viele Themen, die mehr mediale Aufmerksam­keit gewinnen, trotzdem ist es sehr, sehr viel Arbeit. Das sind über 200 Ziffern in 19 Gesetzen, die abgeändert werden, vom Einkommensteuergesetz über das Tabakmonopol­gesetz bis zur Bundesabgabenordnung, und dafür möchte ich ein herzliches Danke aussprechen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Tatsächlich sind die meisten Änderungen Fragen der Rechtssicherheit, Klarstel­lungen, Verwaltungsvereinfachungen, Umsetzungen von Gerichtsurteilen und so


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weiter, aber auch das ist sinnvoll. Es gibt auch Maßnahmen in Bezug auf Steuer­gerechtigkeit und Vermeidung von Missbrauch.

Politisch begrüße ich insbesondere – das ist auch schon angesprochen worden –, dass die steuerliche Befreiung bei den Einspeisungen jetzt quasi erweitert wor­den ist. Auch die Entschädigung für Wahlbeisitzer ist steuerfrei gestellt worden. Diese leisten einen wichtigen Beitrag zur Demokratie, insofern ist auch das zu begrüßen.

Insbesondere gibt es ein paar Klarstellungen in Bezug auf Datenübermittlungen, Ausnahmen und so weiter im NEHG; das hat auch Abgeordneter Fuchs schon angesprochen. Da könnte man meinen, es ist so weit nicht kontrovers, und trotzdem sind die paar Klarstellungen im NEHG schon genug des Klimaschutzes für die Freiheitlichen, um eine getrennte Abstimmung zu verlangen, damit es ja nicht ausschaut, als würde man sich irgendwie für Klimaschutz interessieren.

Das bedauere ich sehr. Insbesondere die Regelungen, die es zum CO2-Grenz­ausgleich der Europäischen Union gibt, sind erstens wichtige Maßnahmen für den Klimaschutz und zweitens auch wichtig für den Schutz der europäischen Industrie. Es sind insofern, glaube ich, wichtige Maßnahmen, denen Sie auch zustimmen sollten. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.43


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Angela Baumgartner. – Bitte, Frau Abgeordnete.


20.43.40

Abgeordnete Angela Baumgartner (ÖVP): Herr Präsident! Herr Finanzminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher und Zuseherinnen! Das Abgabenänderungsgesetz 2023 ist ein Gesetzespaket, das zusätzliche Entlastun­gen, ökologische Schritte und Verwaltungsvereinfachungen beinhaltet. Wir gehen mit unserem Finanzminister Magnus Brunner in die richtige Richtung.


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Herr Kollege Loacker, weil du etwas vom Sternenstaub in den Augen gesprochen hast: Ich glaube, den Sternenstaub hast du in den Augen und vielleicht auch ein bisschen in den Ohren, denn wir haben in der Vergangenheit viele Beschlüsse gefasst, damit die Steuerlast in unserem Land geringer wird. (Abg. Loacker schlägt sich mit flacher Hand auf sein linkes Ohr.) Ein Beispiel dazu ist die kalte Progression. Da wart ihr auch dafür. (Abg. Scherak: Nein, da wird nichts geringer, es wird nur nicht höher, Frau Bürgermeisterin!)

Mit dem Abgabenänderungsgesetz 2023 beschließen wir heute den weiteren Abbau einer steuerlichen Hürde. (Abg. Loacker: Die Auswirkungen der Bil­dungsmisere sind sagenhaft!) So können nun gewerbliche Gebäude, die seit längerer Zeit leer stehen, steuerlich begünstigt aus dem bestehenden Unternehmen herausgelöst werden, was mich als Bürgermeisterin sehr freut, denn mit dieser Steuerentlastung erreichen wir eventuell Zugang für Gemeinden, um Objekte anzukaufen, welche für Kindergärten, Schulen oder Freizeiteinrichtungen verwendet werden könnten. Oft werden diese frei stehenden Gebäude nicht verkauft, weil die Abgaben und Steuern hoch sind, und so stehen viele Gebäude einfach leer und werden damit zum Schandfleck unter den Gebäuden, weil die Sanierung zum Beispiel auch sehr viel Geld kostet.

Auch sprechen wir immer wieder vom extremen Bodenverbrauch, und mit dieser Änderung der steuerlichen Abgaben können wir diesem Bodenverbrauch entge­genwirken.

Wir setzen uns auch für den Ausbau der E-Mobilität ein. Mit dieser Änderung der Steuerabgaben erleichtern wir die ökologische Ausrichtung. In diesem Zusammenhang ist auch zu begrüßen, dass die Einkommensteuer bei Fotovol­taik­anlagen überarbeitet wird, um sicherzustellen, dass der Einbau leistungs­stärkerer Module nicht zum Nachteil wird.

Es freut mich auch sehr, dass es nun endlich gelungen ist, ehrenamtlich tätige Mitglieder der Wahlbehörde steuerlich zu entlasten.


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Auch die Beantragung von Beihilfen im Gesundheits- und Sozialbereich wird digitalisiert, wobei die Einreichung über Zwischenstellen entfällt. Zudem ermöglicht das Abgabenänderungsgesetz die elektronische Einreichung von behördlichen Schriftsätzen beim Bundesfinanzgericht.

Ja, das klingt alles sehr technisch, aber insgesamt muss man festhalten, dass mit diesem Paket eine Vereinfachung der Verwaltung und eine transparentere Gebührenstruktur geschaffen werden, um den Bürgerinnen und Bürgern das Leben zu erleichtern. Diese Maßnahmen sind wesentliche Punkte aus dem Regierungsprogramm und sind notwendig, um Österreich für die Zukunft gut aufzustellen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

20.46


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Dr.in Elisabeth Götze. – Bitte, Frau Abgeordnete.


20.46.45

Abgeordnete Dr. Elisabeth Götze (Grüne): Herr Vorsitzender! Sehr geehrter Herr Minister! Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen und Zuseher zu dieser späten Stunde! Gleich zu Beginn eine kurze Erklärung: Das Abgabenänderungsgesetz wird jährlich behandelt, um nötige Anpassungen der Steuergesetzgebung vorzunehmen. Das tun wir hiermit. Der Fokus liegt eindeutig auf einer Ökolo­gisierung des Steuersystems.

Ich möchte aber nicht darüber sprechen, darüber wurde jetzt schon einiges gesagt, sondern über zwei andere Themen: Das eine sind Wahlen – auch von einigen Vorredner:innen angesprochen –, das andere die Tabaktrafikant:innen, also das Tabakmonopolgesetz.

Zu den Wahlen: Ich glaube, wir sind uns einig, dass Wahlen ein ganz wichtiger Pfeiler, die Voraussetzung für Demokratie sind. Wichtig ist auch, dass sie gut ablaufen. Daher ist es gerade für uns Politiker:innen – ich bin auch Gemeinde­politikerin – wichtig, dass wir Personen haben, die in den Wahllokalen


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unterstützen. Dafür gibt es eine Entschädigung, und diese wird jetzt steuerfrei – und zwar einheitlich – geregelt. Ich glaube, das ist wirklich wichtig. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Vielleicht hört jetzt jemand zu und sagt: Das könnte doch interessant sein! – Ich erwähne auch gleich die Details: Es sind 33 bis 100 Euro, 33 wenn das Wahllokal bis zu 3 Stunden offen hat, und wenn es mehr als 6 Stunden sind, dann können bis zu 100 Euro steuerfrei ausbezahlt werden. Essen gibt es meistens auch, aber ich glaube, das Interessanteste, wenn man bei Wahlen mit dabei ist, ist, dass man einmal hinter die Kulissen der Demokratie schaut, sieht, wie so etwas abläuft, und unterstützen kann, dass Wahlen gut vonstattengehen. Das gilt beispiels­weise für Nationalratswahlen, für Landtagswahlen, für Gemeinderatswahlen.

Zu den Tabaktrafikant:innen, zum Tabakmonopolgesetz: Ziel ist, Menschen mit Behinderung abzusichern, indem sie Konzessionen für Tabaktrafiken bekommen können. Es gab leider Urteile, die gezeigt haben, dass die Vergabe bisher nicht EU-konform und auch nicht konform mit unserem Bundesvergabegesetz war. Das Letztere hätten wir vielleicht noch reparieren können, aber die EU-Konformi­tät hätte damit trotzdem nicht gepasst, daher waren da Verbesserungen nötig.

Weiterhin ist gewährleistet, dass Tabaktrafiken vorzugsweise an Menschen mit Behinderung gehen. Ich glaube, es ist ganz wichtig, dass das weiterhin möglich ist, und das ist gelungen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wo es Einschränkungen gibt, ist bei der Vererbung, aber auch die ist unter gewissen Bedingungen weiterhin möglich: Wenn ein Angehöriger – es kann auch ein Lebensgefährte sein – einen Menschen mit Behinderung über mehrere Jahre – das ist genau definiert – in der Trafik unterstützt, dann kann er sozusa­gen die Erbfolge antreten.

Es ist aber keine Dauerpacht. Man kann das also nicht in der Familie weiter­geben, obwohl irgendwann einmal jemand die Trafik bekommen hat, weil er oder


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sie behindert war. Diese Einschränkung ist, glaube ich, insofern verständlich und nötig, als sonst die guten Trafiken den Menschen mit Behinderungen einfach nicht mehr zur Verfügung stehen würden. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeord­neten der ÖVP.) – Danke.

Einen letzten Punkt möchte ich noch sagen, der sich auch in vielen Gesprächen, die wir geführt haben, gezeigt hat: Wir müssen nicht nur sicherstellen, dass Menschen mit Behinderungen die Trafiken bekommen, sondern auch dass der Lebensunterhalt wirklich gesichert ist, das heißt, dass die Handelsspanne, die derzeit zu schrumpfen scheint, ausreichend groß ist, dass diese Menschen wirk­lich davon leben können.

Ich glaube, darauf müssen wir in Zukunft einen besonderen Fokus legen. Ich sehe den Kollegen (in Richtung Abg. Kopf) nicken. Ich freue mich, wenn wir auch das schaffen. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Kopf: Werden wir machen!)

20.50


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Mag. Ernst Gödl. – Bitte, Herr Abgeordneter.


20.51.02

Abgeordneter Mag. Ernst Gödl (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzter Herr Finanz­minister! Meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen hier im Plenum und alle, die noch zu Hause zuhören! Ich bin positiv überrascht, dass unter den vielen Gesetzesmaterien, die in diesem Abgabenänderungsgesetz zusammengefasst sind – in der Tat sind es ja 19 Gesetzesmaterien – gerade das Tabakmonopolge­setz jetzt so ausführlich behandelt wurde – auch von meiner Vorrednerin, Kollegin Götze –, weil es auch mir persönlich ein Anliegen ist, dazu ein paar Worte zu finden.

Ich wurde nämlich in meiner Wahlkreisarbeit vor circa zwei Jahren von zwei Trafikanten unabhängig voneinander auf ein neues Problem angesprochen: dass


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nämlich ein sehr gut etabliertes System, diese Plattform des inklusiven Unternehmertums im Bereich der Trafiken, zerstört werden könnte, wenn wir nichts unternehmen.

Ich habe mich dann auch mit der Geschichte dieses Tabakmonopols befasst und bin da auf durchaus sehr interessante Details gestoßen. Das Tabakmonopol wurde schon 1784 von Kaiser Joseph II. eingeführt. Er hat schon damals verfügt, dass Kriegsversehrte ein Vorrecht für den Tabakhandel bekommen sollten. Dieses System hat man bis in die Gegenwart fortgeführt. Das ist übrigens in Österreich etabliert, es ist aber weltweit einzigartig.

Es wäre jammerschade gewesen, wenn jetzt plötzlich EU-Regelungen dieses sehr bewährte System zu Fall gebracht hätten. Daher war es auch ein großes Anliegen unseres Herrn Finanzministers, da eine gute Regelung zu finden, damit einerseits dieses sozialpolitische System weiterhin verfolgt werden kann, dass Menschen mit Behinderungen in der Vergabe Vorzugsberechtigte sind, es aber andererseits auch eine Rechtssicherheit gibt und Konzessionen auch länger – bis zur Pensionierung des Inhabers – vergeben werden können, damit eben das Einkommen abgesichert ist.

Vielleicht noch ein paar Zahlen dazu: Es gibt in Österreich derzeit etwas über 2 400 Tabaktrafiken, davon werden 1 226 aktuell von Menschen mit Behinde­rungen geführt. Um dieses System abzusichern, bedarf es neuer Regelungen in der Kombination von Konzessionsvergaben mit dem Tabakmonopolgesetz. Dies gelingt mit dieser neuen Regelung jetzt ganz gut. Dafür sind, glaube ich, die Trafikantinnen und Trafikanten sehr dankbar.

Auch wir als Gesetzgeber tun wirklich gut daran, diesen sozialpolitischen Aspekt, der sich über Jahrhunderte bewährt hat, jetzt auch gesetzlich gut in die Zukunft zu führen. Dafür möchte ich herzlich danken, Herr Bundesminister, und auch dafür, dass wir das heute so beschließen können. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

20.53



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll224. Sitzung, 224. Sitzung des Nationalrats vom 6. Juli 2023 / Seite 460

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Franz Leonhard Eßl. – Bitte, Herr Abgeordneter.


20.54.01

Abgeordneter Franz Leonhard Eßl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine geschätzten Damen und Herren! Herr Kollege Loacker, eigentlich ist deine vermeintliche Kritik ja ein Kompliment für die Regierung, denn wenn das Steueraufkommen in Zeiten der Coronakrise gestiegen ist, dann zeugt das eigentlich von einer erfolgreichen Wirtschaftspolitik. (Beifall bei der ÖVP. – Zwi­schenrufe der Abgeordneten Scherak, Krainer und Stöger.)

Zum Abgabenänderungsgesetz möchte ich zwei Punkte aus dem Einkommen­steuergesetz herausgreifen, die geändert werden. Punkt eins: Die Einkom­mensteuerbefreiung für PV-Anlagen soll geändert werden. Ja, meine geschätz­ten Damen und Herren, wenn wir die Energiewende ernst nehmen und etwas weiterbringen wollen, dann dürfen wir nicht nur die Errichtung von Anlagen fördern, sondern müssen vor allem auch die Verwendung nachhaltiger Energie unterstützen.

Mit dieser Novelle unterstützen wir jene Nutzer, die einen hohen Eigenversor­gungs­anteil an erneuerbarer Energie haben. Damit soll die Steuerbefreiung in Zukunft auch greifen, wenn die Engpassleistung bei Fotovoltaikanlagen bis zu 35 kW beträgt, wenn gleichzeitig die für die Nutzung an der Übergabestelle vertraglich vereinbarte Anschlussleistung den Wert von 25 kW-Peak nicht übersteigt.

Ein Beispiel: Jemand hat eine Anlage mit 30 kW-Peak, eine Anschlussleistung von 25 Kilowatt, eine Produktion von 30 000 Kilowattstunden, einen Eigenver­brauch von 20 000 Kilowattstunden und einen Verkauf von 10 000 Kilowatt­stunden. (Abg. Kassegger: Das ist aber eine große Anlage!) Bis jetzt musste alles versteuert werden. In Zukunft sind diese 10 000 Kilowattstunden, die er verkauft, steuerfrei.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll224. Sitzung, 224. Sitzung des Nationalrats vom 6. Juli 2023 / Seite 461

Zweiter Punkt: Entschädigungen für ehrenamtliche Mitglieder einer Wahlbe­hörde sollen steuerfrei gestellt werden, und zwar in jener Höhe, wie sie in § 20 der Nationalrats-Wahlordnung geregelt ist. In der geänderten Nationalrats-Wahlordnung, die mit 1. Jänner 2024 gleichzeitig mit der heute zu beschließenden Steuerbefreiung in Kraft treten soll, sind folgende Höchstbeträge angeführt: Wenn das Wahllokal bis zu 3 Stunden offen hat, sind es 33 Euro, bis zu 6 Stun­den sind es 60 Euro, und bei mehr als 6 Stunden sind es 100 Euro. Diese sollen steuerfrei gestellt werden.

Wahlen sind Grund- und Eckpfeiler der Demokratie. Dazu brauchen wir die Wahlkommissionen und Wahlbehörden mit vielen – wie wir wissen – überwie­gend ehrenamtlichen Mitgliedern. Es ist ja beileibe keine Selbstverständlichkeit, dass Freiwillige sich bereit erklären, einen halben oder oft einen ganzen Tag zur Verfügung zu stehen und Dienst an der Demokratie zu machen. Deshalb gebührt diesen Personen nicht nur der Dank, sondern es ist auch gerechtfertigt, dass eine gewisse Entschädigung möglich ist. Es ist ein Zeichen der Wertschätzung. Ich bedanke mich für Ihre Zustimmung. (Beifall bei der ÖVP.)

In Zusammenhang mit der Änderung dieses Gesetzes gehen aber auch der Dank und die Gratulation an meinen Kollegen Manfred Hofinger, der durch seine Hartnäckigkeit bei der Änderung des Alkoholsteuergesetzes gemeinsam mit Klubobmann Wöginger durchgesetzt hat, dass diejenigen, die schon bisher das Recht hatten, Alkohol aus Getreide oder Halmfrüchten unter Abfindung herzustellen, dies auch weiterhin tun können, auch wenn der Sitz ihres Betriebes außerhalb des Berggebietes ist. (Präsident Sobotka übernimmt den Vorsitz.)

Danke in diesem Zusammenhang auch an dich, Herr Finanzminister Brunner: Auf die ÖVP und auf diese Regierung ist Verlass. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Stöger: Der Bauernbund hat es sich wieder gerichtet!)

20.58


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Linder. – Bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll224. Sitzung, 224. Sitzung des Nationalrats vom 6. Juli 2023 / Seite 462

20.58.39

Abgeordneter Maximilian Linder (FPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen, geschätzte Kollegen! Herr Minister, von meiner Seite jetzt vielleicht mehr eine Frage: Für mich ist das mit der Steuerbefreiung für die Wahlbeisitzer bei Wahlen nicht ganz so klar geregelt.

In der heutigen Änderung geht der Verweis auf die Nationalrats-Wahl­ordnung hin. In der Nationalrats-Wahlordnung geht weiterhin der Verweis auf das Gebührenanspruchsgesetz, und dort ist das überhaupt nicht klar geregelt.

Deshalb jetzt meine Frage, die ich im Ausschuss nicht beantwortet bekommen habe, denn ich glaube, dass die Steuerfreibeträge überhaupt nicht klar geregelt sind und wir in den Gemeinden große Probleme haben werden, den Wahl­beisitzenden zu erklären, was wirklich steuerfrei ist und wofür sie Steuern zahlen müssen.

Herr Minister, im Ausschuss habe ich vom Abteilungsleiter leider eine ein bisschen lustige Antwort bekommen, vielleicht können Sie uns klar sagen, wie das mit den Regeln ist. (Beifall bei der FPÖ.)

20.59 20.59.54


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist damit geschlossen.

Wünscht der Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 2138 der Beilagen.

Es liegt ein Verlangen des Abgeordneten Fuchs auf getrennte Abstimmung vor.

Wir werden zuerst über die vom erwähnten Verlangen auf getrennte Abstimmung betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen.


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Wir kommen zur getrennten Abstimmung über die Artikel 8 und 10 in der Fassung des Ausschussberichtes.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein dementsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein dementsprechendes Zeichen. – Das ist ebenfalls die Mehrheit.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Wer diesem Gesetzentwurf auch in dritter Lesung die Zustimmung erteilt, möge dies tun. – Das ist die Mehrheit, und somit ist der Gesetzentwurf auch in dritter Lesung angenommen.

21.01.0118. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (2090 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Umsatzsteuergesetz 1994, die Bundes­abgaben­ordnung, das Finanzstrafgesetz und das Bankwesengesetz hinsichtlich der Meldung von Zahlungsdaten durch Zahlungsdienstleister geändert werden (CESOP-Umsetzungsgesetz 2023) (2139 d.B.)

19. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (2091 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Wirtschaftliche Eigentümer Registergesetz geändert wird (2140 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zu den Punkten 18 und 19 der Tagesordnung, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll224. Sitzung, 224. Sitzung des Nationalrats vom 6. Juli 2023 / Seite 464

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Krainer. Bei ihm steht das Wort. – Bitte, Herr Abgeordneter.


21.01.36

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich spreche zum Wirtschaftliche Eigentümer Registergesetz. Was ist das? Wieso ist das wichtig?

Wir wissen ja, dass es viele Strukturen, wie Stiftungen und Trusts, gibt, bei denen man nicht auf den ersten Blick weiß: Wem gehört das? Wer ist wirtschaft­lich berechtigt? Wer bekommt die Einkünfte? Wem ist das zuzurechnen?

Wir haben hier vor vielen Jahren ein Gesetz beschlossen, dass es ein öffentliches Register geben muss, in dem man zum Beispiel nachschauen kann: Wer steckt bei einer Stiftung dahinter? Wer bekommt das Geld aus dieser Stiftung?

Der Europäische Gerichtshof hat gesagt, das darf kein öffentliches Register sein, da darf nicht jeder nachsehen, aber Personen, die ein berechtigtes Interesse haben, sollen nachschauen dürfen. Jetzt hat die Regierung einen Gesetzentwurf dazu vorgelegt, wer in Zukunft nachschauen können soll. Da geht es mir vor allem um einen Bereich, und das ist der Bereich: Wie sollen Journalistinnen und Journalisten in Zukunft nachschauen können, wer der Berechtigte hinter einer Stiftung ist oder auch wie viele Stiftungen und sonstige intransparente Strukturen eine einzelne Person hat?

Erst vor Kurzem hat sich herausgestellt, dass Journalisten durch ihre Recherchen in derartigen öffentlichen Datenbanken mehr als die zuständigen Behörden im Innenministerium herausgefunden haben, nämlich dass russische Oligarchen Häuser in Kitzbühel besitzen. Das heißt, die haben damit natürlich teilweise die Arbeit erledigt, die die Behörden nicht erledigt haben. Insofern ist ihre Arbeit sehr wertvoll.


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Wie geht das jetzt, wenn ein Journalist etwas nachschauen will? – Er muss einen Antrag stellen, in dem er ganz konkret sagt, welche Stiftung er sich anschauen will. Er kann nicht sagen: Ich will wissen, ob zum Beispiel dieser oder jener Oligarch zehn Stiftungen hat oder ob es andere Strukturen gibt!, sondern er kann nur hinsichtlich der Stiftung nachschauen und schauen, wem sie gehört. Das heißt, er muss schon ziemlich viel wissen, damit er überhaupt dort hineinschauen darf. – Das ist das Erste.

Zweitens: Er muss nachweisen, dass er ein berechtigtes Interesse hat, sich genau das anzusehen, indem er zum Beispiel Artikel oder Rechercheergebnisse vorlegt. Da bin ich schon der Meinung: Na, ich weiß nicht, ob es eine gute Idee ist, dass ein Journalist bereits Rechercheergebnisse vorlegen muss, damit er überhaupt hineinschauen darf. Wie ein Journalist, der das erste Mal in einem Bereich arbeitet, das nachweisen soll, lässt dieser Gesetzentwurf vollkommen offen.

Weiters gibt es keine Frist, bis zu der die Behörde entscheiden muss, ob er Einsicht bekommt oder nicht. Im Gesetzentwurf ist keine Frist vorgesehen. Es ist nicht geregelt, ob die einen Tag, eine Woche, ein Monat, zwei Monate oder auch noch länger brauchen können, um darüber zu entscheiden. Das kann auch bis zu sechs Monate dauern. Dann bekommt er entweder ein: Ja, du darfst nach­schauen!, muss aber 4 Euro pro Abfrage zahlen, damit er das Ergebnis der Abfrage kriegt, oder er bekommt ein Nein; wenn diese nicht genehmigt wird, kann er, glaube ich, beim Bundesverwaltungsgericht ein Rechtsmittel einlegen. Also ob das Recherchen von Journalisten erleichtert? – Ich glaube es nicht. (Beifall bei der SPÖ.) Ich glaube, das macht die Recherchen und die Investigativarbeit von Journalisten wesentlich schwieriger.

Die Panamaleaks und so weiter – wir wissen, das ist alles die Arbeit von Jour­nalisten gewesen, die das aus derartigen öffentlichen Registern und auch aus anderen Quellen recherchiert haben. Diese Arbeit wird nun erschwert, und das passt sehr gut ins Bild, passt gut zu dem, was gestern oder vorgestern Verfas­sungsministerin Edtstadler gesagt hat. Sie ist nämlich der Meinung, Journalisten


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sollen gar nicht recherchieren, sondern sie sollen berichten. Sie dürfen auch nicht kommentieren, sie sollen nicht investigativ unterwegs sein, sondern sie sollen einfach berichten, sie sollen Haus- und Hofberichterstattung machen!

Dieser Gesetzentwurf geht ehrlich gesagt genau in diese Richtung, und des­wegen lehnen wir das ab. Wir sind der Meinung, Journalistinnen und Journalis­ten leisten einen wichtigen Beitrag in unserer Gesellschaft hinsichtlich Trans­parenz und auch betreffend das Aufdecken, und wir wollen ihre Arbeit nicht erschweren, sondern wir wollen in Wahrheit ihre Arbeit fördern und erleichtern, und deswegen lehnen wir diesen Gesetzentwurf ab. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

21.06


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Haubner. – Bitte.


21.06.32

Abgeordneter Peter Haubner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Ich wollte eigentlich zum CESOP-Umsetzungsgesetz sprechen, aber ich möchte zuerst noch einen Satz zum Wirtschaftliche Eigen­tümer Registergesetz und zu Kollegen Krainer sagen.

Wir haben das ja im Ausschuss intensiv diskutiert. Ich meine, bei diesem Eigen­tümergesetz geht es, wie der Name schon sagt, um ein Eigentümer­regis­ter­gesetz. Wir haben in diesem Gesetzentwurf einen gestaffelten Zugang für die Auskünfte vorgesehen. Das ist jetzt einmal eine pragmatische Vorgangsweise, und wir werden uns genau anschauen, wie das funktioniert.

Wir wollen niemandem etwas in den Weg legen, aber es geht darum, dass man die Zugänge in solch einer Form gewährleistet, dass auch ein gewisser Schutz der Eigentümer, wie der Name schon sagt, gegeben ist.

Ich komme aber jetzt zum zweiten Gesetzentwurf, den wir hier behandeln, nämlich zum CESOP-Umsetzungsgesetz. Österreich ist ja eine wichtige


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Wirtschaftsnation, und in Zeiten des grenzüberschreitenden Verkaufs von Waren und Dienstleistungen, der ja Gott sei Dank permanent steigt, muss man natürlich auch aufpassen, dass die Steigerung der Betrugsanfälligkeit hintangehalten wird.

Genau deswegen, zur Bekämpfung eines Mehrwertsteuerbetruges im elek­tronischen Geschäftsverkehr, wurde eben eine EU-Richtlinie erlassen, die wir heute hier bei uns im Hause umsetzen. Davon sind vor allem die Zah­lungs­dienstleister betroffen, das sind eben die Banken, die E-Geldinstitute und die Postbanken, die diese Richtlinie im nationalen Recht umsetzen sollen. Da ist es also ganz wichtig, dass wir diese gespeicherten Zahlungsinformationen, die für diese Abwicklung notwendig sind, entsprechend sicher behandeln.

Für die betroffenen Unternehmen, sprich für die Kreditinstitute, aber auch für die kleineren Plattformen sind natürlich Meldepflichten vorgesehen. Diese stellen natürlich in den verschiedensten Bereichen gewisse Herausforderungen dar. Vor allem ist es notwendig, die IT-Systeme zu adaptieren, die daten­schutzrechtlichen Aspekte zu beachten, die Identifizierung der beteiligten Par­teien vorzunehmen und die konzerninternen Zuordnungen der Zahlungs­vor­gänge zu dokumentieren. Das heißt, das ist ein großer Aufwand für die einzelnen Unternehmen, aber natürlich auch wichtig. Man kann auch feststellen, dass es dadurch zu einem steuerlichen Mehraufkommen von circa 45 Millionen Euro kommen wird.

Das Fazit ist also: Mit der Einführung von Cesop werden die Bemühungen zur Verhinderung von Mehrwertsteuerbetrug im elektronischen Handel deutlich verstärkt. Das ist ein wichtiger Aspekt.

Wichtig ist, dass wir mit dieser Umsetzung zeitgerecht dran sind, weil sie mit 1.1.2024 greift. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Schwarz.)

21.09


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Yildirim. – Bitte sehr, Frau Abgeordnete.



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21.09.53

Abgeordnete Mag. Selma Yildirim (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Eine EU-Richtlinie, die auch Österreich als Mitgliedstaat umsetzen sollte, werden wir heute in nationales Gesetz gießen und dieses beschließen. Selbstverständlich werden wir, wenn es um Betrugsbe­kämpfung und um Förderung der Steuergerechtigkeit geht, diesem Gesetzent­wurf zustimmen.

Wir haben gehört – das ist auch meine Einschätzung, und das ist eine vorsichtige Einschätzung –, im elektronischen Geschäftsverkehr wird es ein weitaus größeres Steueraufkommen geben. Ich erinnere da an eine Studie aus dem Jahr 2020, eine ebenfalls sehr vorsichtige Einschätzung, nach der den EU-Mitgliedstaaten durch den Onlinehandel und den Betrug an den Verbraucherin­nen und Verbrauchern, die in den Mitgliedstaaten wohnen, mehr als 93 Mil­liarden Euro entgehen – 93 Milliarden Euro, die wir sinnvoll für das Gesundheits­system, für das Bildungssystem oder auch für den Ausbau der Infrastruktur verwenden könnten. Das sind erschreckende Zahlen. Umso mehr ist es geboten, dass wir effektiver Betrugsbekämpfung betreiben und auch diese Lücken schließen.

Nun ist es so, dass da die Großbetriebsprüfung gefordert sein wird. Das ändern wir ja auch gemeinsam dahin gehend, dass die Zuständigkeit in das Finanzamt für Großbetriebe fallen soll, aber wir übersehen dabei – und das ist jetzt mein Kritikpunkt –, dass es in diesem Bereich an Personal mangelt. Nun kann man sagen, es mangelt überall an Personal, aber wir wissen, wenn ein entsprechender Schwerpunkt gesetzt wird, wenn eine entsprechende Personalplanung, auch eine Aufwertung passiert und diesen Beamtinnen und Beamten auch das entsprechende Werkzeug zur Betrugsbekämpfung in die Hand gegeben wird, können wir sehr, sehr viel mehr für Steuergerechtigkeit tun und auch Missbrauch effektiver bekämpfen. (Beifall bei der SPÖ.)


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In diesem Sinne ist es wichtig, das auch umzusetzen, weil wir das Geld brauchen werden. In dieser Zeit, in der sich die Menschen ihr Leben – fast eine halbe Million Menschen in Österreich – tagtäglich nicht mehr leisten können, weil es diese horrende Inflation gibt und die Regierungsparteien, ÖVP und Grüne, nicht bereit sind, die Mehrwertsteuer zumindest auf die Grundnahrungsmittel auszusetzen, einen Preisdeckel auf Gas- und Energiekosten zu beschließen oder eine Mietpreisbremse einzubauen, ist es das Mindeste, dass man schaut, dass die Steuern, die die Verbraucher:innen, die Menschen in diesem Land zahlen, ihnen nicht auch noch von betrügerischen Unternehmen, Onlinekonzernen abge­nommen werden.

In diesem Sinne stimmen wir diesem Gesetzentwurf zu und hoffen, dass Sie auch das nötige Personal bereitstellen werden. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

21.13


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Tomaselli. – Bitte.


21.13.17

Abgeordnete Mag. Nina Tomaselli (Grüne): Herr Präsident! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher, die Sie vielleicht zu dieser späten Stunde noch zuschauen! Kollege Krainer, wissen Sie, was ich mich gefragt habe? – Ob Ihnen bis zum Finanzausschuss vor zwei Wochen überhaupt aufge­fallen ist, dass das WiEReG offline war. (Abg. Krainer: Ja!) Mir sind nämlich von Ihnen, obwohl Sie in Opposition sind, die vielen OTS-Meldungen und parla­mentarischen Anfragen zu diesem Thema entgangen – tut mir leid. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Krainer: Da wart ihr gar nicht so schlecht beim Umsetzen! Normalerweise braucht ihr Monate und Jahre beim Umsetzen!)

Es ist ein bisschen schade – jetzt beruhigen Sie sich wieder, Kollege Krainer! –, dass Kollege Haubner nicht sehr viel über das WiEReG reden wollte, dabei gibt es so viele gute Dinge zu berichten.


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Ich glaube, es ist zum besseren Verständnis sinnvoll, wenn man nochmals erklärt, was das WiEReG eigentlich ist. (Zwischenruf bei der SPÖ.) – Mit dem Schreien wird es nicht besser, Jan. – Das WiEReG ist das Register der wirtschaftlichen Eigentümer. Wieso braucht es das WiEReG? – Es ist ein probates Mittel, um vor allem Terrorismusfinanzierung und Geldwäsche zu bekämpfen. Wenn Sie denken, das Firmenbuch gibt dieselben Daten her: Nein, im Unterschied zum Firmenbuch listet das Wirtschaftliche Eigentümer Register die wahren Eigentümer auf und macht beispielsweise auch transparent, wer die Stiftungs­vorstände in Stiftungen sind. (Abg. Krainer: Die stehen im Firmenbuch! Vor­stände der Stiftungen stehen im Firmenbuch!)

Unter dem wirtschaftlichen Eigentümer versteht das Gesetz eine natürliche Person, die einer Gesellschaft, einer Stiftung oder einem Trust letztendlich wirtschaftlich zuzurechnen ist – oder auf gut Deutsch: die natürliche Person, die dann auch davon profitiert.

Wieso braucht es das WiEReG? – Personen, die in diesen Branchen, sei es jetzt Terrorismusfinanzierung, Geldwäsche, Korruption, Steuerhinterziehung, organisierte Kriminalität, tätig sind, scheuen nichts so sehr wie Transparenz. (Ruf bei der SPÖ: Die ÖVP auch!) Deshalb ist es absolut zu begrüßen, dass jetzt das WiEReG wieder online geht, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei den Grünen.)

Ja, man hat es leider – das haben wir schon gehört – seitens des Finanzminis­te­riums letzten November relativ überstürzt vom Netz genommen, aber jetzt kommt es eben wieder zurück. Wie Sie bereits gehört haben, muss man einen berechtigten Personenkreis definieren. Uns war vor allem wichtig, dass zu diesem berechtigten Personenkreis Journalist:innen, aber auch NGOs im Sinne ihrer Rolle als Public Watchdogs kommen. Mit dabei sind auch Wissenschaft­lerinnen und Wissenschaftler, aber auch Sie als Privatperson dürfen natürlich Einsicht in das WiEReG nehmen, wenn es zum Beispiel um eine Geschäfts­tätig­keit geht. Wenn Sie sich dafür interessieren, wer denn hinter Ihrer Vermieter­schaft steckt, können Sie das selbstverständlich nachschauen.


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In der Gesetzesnovelle sind im Übrigen noch weitere gute Verbesserungen enthalten. Das WiEReG wird nämlich zur zentralen Plattform zum auto­mationsunterstützten Abgleich von Sanktionslisten. Wie wir bei der Putin-Villa gesehen haben, hat das DSN als Behörde da durchaus Unterstützung notwendig.

Ja, im besten Sinne kann man nur sagen: Transparenz und Kontrolle sind immer noch die beste Prävention gegen Geldwäsche, Korruption und Kriminalität.

Als kleinen Ausblick auf das Jahr 2024: Wir freuen uns ganz besonders, dass wir mit der ÖVP bereits vereinbart haben – das ist auch so im Ministerratsvortrag fixiert –, dass auch die Stiftungskonstruktionen dann mit der Novelle 2024, ähnlich wie bei Kapitalgesellschaften, im WiEReG transparent dargestellt werden. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Heiterkeit des Abg. Ragger.)

21.17 21.17.32


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Da sich dazu kein Redner mehr eintragen ließ, ist die Debatte geschlossen.

Wünscht der Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.

Abstimmung über Tagesordnungspunkt 18: Entwurf betreffend CESOP-Umset­zungsgesetz 2023 samt Titel und Eingang in 2090 der Beilagen.

Die im Gesetzentwurf enthaltene Änderung betreffend § 38 Abs. 2 Bank­wesen­gesetz kann gemäß § 38 Abs. 5 des Bankwesengesetzes nur in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen beschlossen werden.

Ich stelle die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der verfassungs­mäßig vorgesehenen Anzahl der Abgeordneten fest.


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Ich darf die Damen und Herren, die diesem Gesetzentwurf ihre Zustimmung erteilen, um ein dementsprechendes Zeichen bitten. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich darf die Damen und Herren, die auch in dritter Lesung dem Gesetzentwurf ihre Zustimmung geben, um ein diesbezügliches Zeichen bitten. – Das ist das gleiche Stimmverhalten: einstimmig angenommen.

Abstimmung über Tagesordnungspunkt 19: Entwurf betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Wirtschaftliche Eigentümer Registergesetz geändert wird, samt Titel und Eingang in 2091 der Beilagen.

Wer dem die Zustimmung erteilt, den bitte ich um ein dementsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit und daher angenommen.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Wer das auch in der dritten Lesung tut, möge ein entsprechendes Zeichen geben. – Ebenfalls das gleiche Stimmverhalten. Der Gesetzentwurf ist daher auch in dritter Lesung angenommen.

21.19.2120. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (2096 d.B.): Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über Wagniskapitalfonds erlassen (Wagniskapitalfondsgesetz – WKFG) und das Finanzmarktaufsichts­behör­dengesetz, das Alternative Investmentfonds Manager-Gesetz, das Investment­fondsgesetz 2011 und das Einkommensteuergesetz 1988 geändert werden (2141 d.B.)


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21. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 1412/A(E) der Abgeordneten Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Österreich braucht endlich ein Wagniskapitalfonds-Gesetz (2142 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zu den Punkten 20 und 21 der Tagesordnung, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Einwallner, dem ich das Wort erteilen darf. – Bitte sehr, Herr Abgeordneter.


21.20.11

Abgeordneter Ing. Reinhold Einwallner (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren! Herr Finanzminister! Ja, das Wagniskapitalfondsgesetz: Wenn man den Titel hört, könnte man ja gleich vermuten, dass es sich da um ein Gesetz handelt, das Kapital – flexibles Kapital – für kleine, mittlere Unternehmungen freimacht, das dann den Unternehmen zur Verfügung steht. Das ist leider nicht ganz so. Es versteckt sich eher eine neue Art eines Investmentfonds für Unternehmensbeteiligungen dahinter.

Die Begründung der Bundesregierung ist zwar im Regierungsprogramm schon, dass es ein Wagniskapital – also frisches Kapital – für Unternehmungen geben soll, wir beurteilen das allerdings ein bisschen anders und sehen das nicht so positiv. Es ist leider so, dass dieses Wagniskapitalfondsgesetz gerade so konstruiert ist, dass es eher ein Konstrukt für Großanleger und Finanzspeku­lanten ist. Es sind also die ganz Großen, die dieses Konstrukt nutzen können, denn den kleinen und mittleren Unternehmen wird es eher nichts helfen.

Es ist halt leider ein Muster in der ÖVP-Finanzpolitik, und auch da ist es so, wie so oft, dass genau diese großen Finanzspekulanten dadurch noch die Möglichkeit haben, sich einen Steuervorteil zu lukrieren. Es ist eigentlich nicht


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einzusehen, dass jene, die eh schon ganz viele Millionen besitzen und in der Millionärskategorie sind, dieses Wagniskapitalfondsgesetz, diese Konstruktion in Anspruch nehmen können und man ihnen eigentlich noch einmal einen Steuerbonus und eine Begünstigung bei der Besteuerung gibt. Das ist genau der Weg, den wir nicht unterstützen, Herr Finanzminister. (Beifall bei der SPÖ.)

Das ist halt wieder Steuerpolitik à la ÖVP. Diese nutzt in erster Linie immer den Millionären. Steuerpolitik der ÖVP nutzt den Konzernen – in diesem Fall den Finanzspekulanten –, und Steuerpolitik der ÖVP nutzt immer nur ganz, ganz wenigen und Einzelnen und nicht den vielen. Da haben wir einfach einen ganz, ganz anderen Zugang. Deswegen werden wir diese Gesetzesvorlage auch nicht unterstützen. Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

21.22


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Ottenschläger. – Bitte.


21.22.37

Abgeordneter Andreas Ottenschläger (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Kollege Einwallner, ich bin mir nicht ganz sicher, ob wir von der gleichen Gesetzesvorlage sprechen, denn dieses Wagniskapitalfondsgesetz ist ja genau dazu da, eben nicht börsennotierte Unternehmen – speziell auch Klein- und Mittelbetriebe – mit Kapital auszustatten.

Wagnis bedeutet übrigens auch – weil Sie da immer von Spekulanten und so weiter reden –, dass man nicht weiß, ob und in welcher Höhe man sein eingesetztes Geld überhaupt zurückbekommt. Man geht also auch ein Risiko ein. Dieser Fonds ist aber eben auch dazu - - (Abg. Krainer: Deswegen muss man weniger Steuern zahlen? Das ist aber auch interessant! So denkt die ÖVP!) – Dazu muss man natürlich sagen: Wer sind die Adressaten dieses vorliegenden Systems? Es sind vor allem Versicherungen, Pensionskassen, denen wir hier die Rahmenbedingungen schaffen, Kapital, das dort ist, das sie auch haben müssen,


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entsprechend zur Eigenkapitalstärkung in die Unternehmen zu investieren. Das ist der Kern der Sache.

Es gibt ja auch Modelle, die noch darüber hinausgehen. Ich gehe davon aus, Frau Kollegin Doppelbauer wird das heute auch noch entsprechend erklären. Wir sehen das eben als ersten Schritt. Wir haben das schon im Ausschuss so disku­tiert, und ich habe das auch eindeutig so festgestellt: Für uns ist es ein erster Schritt zur Stärkung der Eigenkapitaldeckung der österreichischen Unternehmen, und das ist ein sehr wichtiger Punkt.

Ja, wir haben in Österreich im Schnitt eine zu geringe Eigenkapitalquote (Abg. Krainer: Weil zu viel ausgeschüttet wird an die Eigentümer!), deswegen müssen wir entsprechende Rahmenbedingungen schaffen, um eben diese Eigenkapitalquote auch zu stärken. (Abg. Pfurtscheller – in Richtung Abg. Krainer –: Das ist doch alles ein Blödsinn, was Sie da reden! Sie haben gar keine Ahnung, worum es da geht! Null kapiert!) Für die Zuseherinnen und Zuseher und die interessierten Abgeord­neten­kollegen hier: Warum ist das wichtig? Weil es natürlich die Resilienz dieser Unternehmen auch stärkt. (Abg. Krainer: Weil zu viel ausgeschüttet wird!)

Vor allem in Krisenzeiten ist es wichtig, eine entsprechende Eigenkapitaldecke zu haben. Darüber hinaus geht es natürlich auch darum, weiter mit Eigenmitteln, mit Eigenkapital finanzieren beziehungsweise investieren zu können. (Abg. Krainer: Aber vor allem auch Steuergerechtigkeit! Die ist Ihnen offenbar egal!) Unter­nehmen, die investieren, schaffen am Ende auch Arbeitsplätze. – Ich hoffe, Herr Kollege Krainer, es ist auch Ihr Anliegen, dass wir eine starke Wirtschaft haben, damit es in diesem Land auch viele gute Arbeitsplätze gibt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Krainer: Steuerschlupflöcher aufmachen für einige wenige! – Abg. Pfurtscheller – in Richtung Abg. Krainer –: Das ist doch ein Blödsinn, was Sie da reden! – Abg. Krainer – in Richtung Abg. Pfurtscheller –: Dann lesen Sie das Gesetz!)

21.25



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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Fuchs. – Bitte.


21.25.38

Abgeordneter MMag. DDr. Hubert Fuchs (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Finanzminister! Hohes Haus! Ich darf hier aus der – ich würde sagen: vernichtenden – Stellungnahme der Avco – das ist die Interessen­vertretung der österreichischen Venturecapital- und Private-Equity-Fonds – vom 30.1.2023 zitieren: Aus Sicht von Avco „ist festzustellen, dass der vorliegende Entwurf des WKFG nicht geeignet ist, die Situation in Österreich zu verbessern. Auf den Punkt gebracht: Das ist kein ‚Wagniskapitalfond‘gesetz und sollte daher auch nicht so betitelt werden.“ – Und weiter: „Es ist schade, dass damit eine weitere Chance, Risikokapital zu mobilisieren, versäumt wird.“ – Die Avco-Stellungnahme schließt dann mit folgender Zusammenfassung: „Es ist nicht zu erwarten, dass ein Gesetz in der Ausprägung des Entwurfes dazu führt, dass Wagniskapitalfonds errichtet werden. Damit erscheint der Entwurf zu einer Aktivierung von Risikokapital für österreichische Innovationen ungeeignet. Es ist sogar zu befürchten, dass die Absetzbewegung österreichischer Risikoinvestoren in ausländische Fonds dadurch noch verstärkt wird.“

Auch wird in den Stellungnahmen, zum Beispiel in der Stellungnahme der KSW, immer wieder kritisiert, dass der Wagniskapitalfonds ausschließlich in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft und nicht, internationalen Vorbildern wie zum Beispiel Luxemburg folgend, auch in anderen Rechtsformen, zum Beispiel GmbH oder KG, errichtet werden kann.

Auch die Industriellenvereinigung und das Aktienforum sehen in der im WKFG vorgesehenen Lösung einen gewissen Nachteil gegenüber des in anderen europäischen Ländern üblichen Sicav, der über ein veränderliches Kapital ver­fügt. Risikokapitalaufbringung braucht aber eine auf die Bedürfnisse des Wagniskapitalfonds zugeschnittene Lösung, welche dieses Bundesgesetz mit Sicherheit nicht erfüllt, auch wenn es laut Kollegen Ottenschläger nur ein


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erster Schritt ist. Daher werden wir diesem Wagniskapitalfondsgesetz auch nicht zustimmen. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ sowie der Abg. Doppelbauer.)

21.28


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Götze. – Bitte.


21.28.15

Abgeordnete Dr. Elisabeth Götze (Grüne): Herr Vorsitzender! Noch einmal sehr geehrter Herr Minister! Hohes Haus! Beispiel Öklo – einige von Ihnen werden es vielleicht kennen –: mobile Toiletten, und in diesem Fall eine österreichische Innovation, ein österreichisches Unternehmen, im Weinviertel angesiedelt. Wir haben so eines bei uns auf dem Spielplatz. Man geht hinein und es riecht nach Sägespänen und nicht wie auf anderen mobilen Toiletten relativ unerfreulich.

Anderes Beispiel: Ummadum, eine Mobilitätsplattform, die Menschen zusam­men­bringt, die Carsharing machen sollen. Damit ist es für Gemeinden interessant, für Firmen; die Menschen können Punkte sammeln, und ja, es reduziert den Verkehr.

Das sind nur zwei Beispiele von innovativen jungen Unternehmen. Sie alle haben aber ein Problem: Sie brauchen Geld – Geld, das sie oft von einer Bank nicht bekommen, weil die Banken bekanntermaßen Sicherheiten verlangen. Unterneh­men, die wachsen wollen und die diese Sicherheiten noch nicht haben, bekommen oft schwer Bankkredite, und genau dann braucht es Wagniskapital.

In Österreich ist das aber eine gewisse Mangelware. Wir beklagen auch immer wieder, dass die Eigenkapitaldecke der KMUs zu gering ist, und genau dafür ist dieser neue Wagniskapitalfonds gedacht. (Beifall bei den Grünen.)

Was bedeutet das? – Investorinnen und Investoren können sich beteiligen. Wagniskapital heißt aber auch, sie nehmen ein hohes Risiko auf sich, weil sie im Gegensatz zu einer Bank nicht fixe Zinsen bekommen, sondern im Falle von Erfolg am Unternehmen beteiligt werden und quasi eine Rendite bekommen.


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Genauso können sie aber auch verlieren. Daher war uns sehr wichtig, dass sich da nicht jeder, jede Kleinanleger:in beteiligen kann, sondern nur solche Inves­toren, die quasi Erfahrung haben. Das sind einerseits institutionelle Anleger wie zum Beispiel Versicherungen, Pensionsfonds, auch große Unternehmen, und andererseits qualifizierte Privatkundinnen und Privatkunden.

Herr Krainer ist jetzt nicht im Saal – oder ist er doch hier? –, aber er hat gewettert, dass nur Große investieren können, aber genau das ist auch der Sinn. Genau das ist der Sinn der Sache, dass nämlich die Investoren da in mög­licherweise interessante Unternehmen investieren, aber ein großes Risiko auf sich nehmen, und wir sind dankbar, wenn sie bereit sind, dieses Risiko einzugehen.

Was hier passiert ist, ist Folgendes: Wir schaffen Rahmenbedingungen, damit es dieses Wagniskapital erstmals auch in Österreich geben kann. Derzeit inves­tie­ren Pensionsfonds bereits auch in Wagniskapitalfonds, nur leider nicht in Österreich, sondern im Ausland. Wir bieten diesen institutionellen Investoren, diesen qualifizierten Anleger:innen jetzt ein Vehikel in Österreich. Ich bin sicher, dass das gebraucht wird. Wie gesagt: Für die Unternehmen ist es gut, weil sie somit Liquidität, quasi Eigenkapital, bekommen, unabhängiger von Banken werden. Insofern ist es gut für beide Seiten und für den Wirtschaftsstandort. Ich bitte um Zustimmung. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

21.31


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Doppelbauer. – Bitte.


21.31.57

Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Finanzminister! Hohes Haus! Dieses Wagniskapitalfondsgesetz, das Sie heute in diesem Haus beschließen, ist eigentlich auf den ersten Blick – und das haben wir auch schon von Kollegen Fuchs gehört – etwas, was die Unternehmerinnen und Unternehmer brauchen. Gerade die Start-ups, die nicht


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mehr so ganz klein sind, sondern tatsächlich eine Folgefinanzierung brauchen, brauchen Venturecapital, sie brauchen Wagniskapital.

Das brauchen sie total dringend, und das ist nicht nur etwas, was die Unter­nehmen uns sagen, sondern es ist auch das, was alle Zahlen sagen, was die Eco Austria sagt. Im Österreichanteil der Risikokapitalinvestitionen am BIP sind wir bei 0,3 Prozent. Das ist nicht nur unter dem EU-Durchschnitt, sondern das ist vor allem unter dem, was in allen anderen westlichen Ländern, mit denen die Unternehmerinnen und Unternehmer ja konkurrieren, üblich ist. Es wäre wichtig für den Standort, dass die Start-ups dann letztendlich bei uns bleiben und nicht ins Ausland gehen, weil sie dort leichter an Venturecapital kommen.

Genau deswegen braucht es also ein Wagniskapitalfondsgesetz. Deswegen würde man ja auf den ersten Blick meinen: Alles ist gut, es kommt, es wird eines vorgelegt! – Wir waren auch dementsprechend in freudiger Erwartung, dass jetzt wirklich etwas kommt, was die Branche auch brauchen kann. Genau darin besteht aber die Problematik: Es steht zwar Wagniskapitalfondsgesetz drauf, es ist es aber nicht. Nur deshalb, weil Sie ein Haus grün anmalen, ist es halt auch noch keine Wiese. Es ist es einfach nicht. Was hier vorliegt, ist eigentlich eine Mogelpackung, denn das, was in diesem Paket drinnen ist, ist eine Bankenlö­sung. Das heißt, institutionelle Anleger, wie es Kollegin Götze auch schon gesagt hat, können da investieren. Das ist okay, das kann man auch machen, jetzt gibt es zwar offenbar auch dahin gehend schon einiges zum Nachbessern, was ja auch die institutionellen Anleger sagen, aber tatsächlich ist das eben nicht das, was die Branche will.

Die Branche braucht Venturecapital von privaten Investorinnen und Investoren, denn es geht nicht nur um Geld, sondern es geht tatsächlich auch um Know-how, um Netzwerke, um globale Verknüpfungen. Das kann eine Bank nicht, und das ist auch nicht das Interesse einer Bank. Das eine ist also das Geld aus dem Venturecapital-Bereich, das andere ist aber auch wirklich dieses Know-how, das diese Unternehmen brauchen.


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Deswegen haben wir einen Abänderungsantrag eingebracht. Als gelernte Oppositionspartei wissen wir: Wenn die Regierung uns etwas vorlegt und etwas nennt, das etwas sein soll, was es nicht ist – ich wiederhole noch einmal, es ist eine Mogelpackung, was Sie hier versuchen uns anzudrehen –, dann muss man das auch aufdecken. Deswegen haben wir gesagt: Okay, schauen wir uns das an und nennen wir es doch einfach so, wie es ist! Es ist ja nichts Böses, was gemacht wird. Auch eine institutionelle oder eine Bankenlösung– wie in diesem Fall – kann man ja machen, aber dann sollte man es nicht Wagniskapitalfondsgesetz nennen.

Das ist genau der Punkt, warum wir eben diesen Abänderungsantrag einge­bracht haben. Es ist uns nämlich sehr wichtig – ich werde es in Grundzügen erläutern –, dass wir hier das Ding einfach so benamsen, dass es das ist, was es ist, nämlich kein Wagniskapitalfondsgesetz, sondern aus unserer Sicht ein Flexinvestmentfondsgesetz. (Beifall bei den NEOS.)

Wie gesagt, das kann man machen, das ist auch alles gut, aber bitte nicht unter diesem falschen Titel.

Was wir uns für die Branche wünschen, ist auch das, was Kollege Ottenschläger gesagt hat: Wir brauchen echtes Venturecapital in diesem Land. Wir brauchen private Investoren, die da groß hineingehen, die die Folgeinvestitionen für den Markt auch wirklich schaffen. Wir brauchen die Netzwerke, wir brauchen das Know-how von diesen Investoren für diese Firmen, weil sonst das passiert, was leider schon vielfältig in Österreich passiert, nämlich dass sich diese prospe­rierenden aufsteigenden Unternehmen mit den Zukunftsjobs ins Ausland abset­zen, weil sie hier einfach nicht den nötigen Kapitalmarkt vorfinden, den sie brauchen, um erfolgreich wirtschaften zu können.

Stimmen Sie daher bitte diesem Gesetzespaket heute nicht zu! Stimmen Sie unserem Abänderungsantrag zu, der dann einfach die Regierung, glaube ich, schon noch einmal ein bisschen auffordern wird, in dieser Gesetzgebungsperiode


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auch ein echtes Wagniskapitalfondsgesetz vorzulegen. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

21.36

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Gesamtändernder Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen

zu TOP 20:  Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (2096 d.B.): Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über Wagniskapitalfonds erlassen (Wag­nis­kapitalfondsgesetz – WKFG) und das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz, das Alternative Investmentfonds Manager-Gesetz, das Investmentfondsgesetz 2011 und das Einkommensteuergesetz1988 geändert werden (2141 d.B.)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der in der eingangs bezeichneten Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf lautet wie folgt:

„Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über Flexible Investmentfonds erlassen (Flexinvestmentfondsgesetz– FIFG) und das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz, das Alternative Investmentfonds Manager-Gesetz, das Investmentfondsgesetz 2011 und das Einkommensteuergesetz 1988 geändert werden

Der Nationalrat hat beschlossen:

Artikel 1 Bundesgesetz über Flexible Investmentfonds (Flexinvestmentfondsgesetz– FIFG)

Inhaltsverzeichnis

§ 1. Gegenstand und Zweck

§ 2. Begriffsbestimmungen


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§ 3. Anwendbare Bestimmungen  

§ 4. Flexible Investmentsfonds (FIF)

§ 5. Veranlagungsbestimmungen

§ 6. Derivative Produkte

§ 7. Verfügungsbeschränkungen

§ 8. Bewertung

§ 9. Rechtsform und anwendbare Vorschriften

§ 10. Aktien

§ 11. Satzung

§ 12. Vorstand

§ 13. Aufsichtsrat

§ 14. Geschäftsverbote für Vorstand und Aufsichtsrat

§ 15. Verwaltung

§ 16. Fondsbestimmungen

§ 17. Teilgesellschaftsvermögen

§ 18. Rechnungslegung

§ 19. Verfügungsrecht des AIFM

§ 20. Haftungsverhältnisse

§ 21. Aufsicht

§ 22. Schutz von Bezeichnungen


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§ 23. Strafbestimmungen

§ 24. Verweise und Verordnungen

§ 25. Sprachliche Gleichbehandlung

§ 26. Vollzugsklausel

§ 27. Inkrafttreten

Gegenstand und Zweck

 § 1. Dieses Bundesgesetz regelt die Anforderungen an Flexible Investmentfonds (FIF), insbesondere die zulässigen Veranlagungen, Informationen, Rechnungslegung und Aufsicht sowie die Bedingungen, unter denen Alternative Investmentfonds Manager Flexible Investmentfonds auflegen und vertreiben dürfen.

Begriffsbestimmungen

 § 2. Im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten folgende Begriffsbestimmungen:

1.         „Alternativer Investmentfonds (AIF)“ ist ein Organismus für gemeinsame Anlagen gemäß § 2 Abs. 1 Z 1 des Alternative Investmentfonds Manager-Gesetzes – AIFMG, BGBl. I Nr. 135/2013;

2.         „Flexible Investmentfonds (FIF)“ ist ein aus Risikokapitalveranlagungen gemäß § 5 bestehender AIF, der in gleiche, in Wertpapiere verkörperte Anteile gemäß § 10 (Aktien der Flexible Investments-Aktiengesellschaft FI-AG) zerfällt;

3.         „Alternativer Investmentfonds Manager (AIFM)“ ist ein AIFM, der gemäß § 6 AIFMG zur Verwaltung von AIF berechtigt oder gemäß § 3a AIFMG registriert ist.

Anwendbare Bestimmungen

 § 3. (1) Soweit in diesem Bundesgesetz nichts Anderes festgelegt wird, sind die Bestimmungen des AIFMG anzuwenden.


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(2) Für AIFM, die gemäß § 3a AIFMG registriert sind, gelten in Ergänzung zu den gemäß § 1 Abs. 5 und § 3a AIFMG anzuwendenden Bestimmungen des AIFMG die §§ 2, 16, 21 Abs. 1 Z 1 bis 4 und 6 bis 16 und Abs. 2 bis 5 sowie 22 Abs. 1, Abs. 2 Z 1 bis 4, Abs. 3 bis 5 und 9 AIFMG in Bezug auf den FIF sinngemäß. Für AIFM, die gemäß § 3a AIFMG registriert sind, gelten außerdem § 9 Abs. 3 vierter bis sechster Satz, die §§ 17 bis 20 und 29 sowie der 2. Abschnitt des 9. Teils des AIFMG in Bezug auf den FIF, soweit dies in den §§ 4, 5, 7, 8, 15, 17, 18 und 21 dieses Bundesgesetzes vorgesehen ist.

Flexible Investmentfonds (FIF)

 § 4. (1) Flexible Investmentfonds (FIF) müssen folgende Voraussetzungen erfüllen:

1.         Der FIF ist von einem AIFM zu verwalten;

2.         der FIF darf nur in der Form eines geschlossenen Typs gemäß der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 694/2014 errichtet werden;

3.         der FIF darf unter Bedachtnahme auf die Risikostreuung nur Veranlagungen gemäß § 5erwerben;

4.         der FIF ist in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft gemäß § 9 zu errichten;

5.         die Satzung des FIF hat die Inhalte gemäß § 11 zu enthalten;

6.          Für den FIF ist eine Verwahrstelle gemäß § 19 AIFMG zu bestellen, unabhängig davon, ob der FIF von einem AIFM, der gemäß § 6 AIFMG zur Verwaltung von AIF berechtigt oder gemäß § 3a AIFMG registriert ist, verwaltet wird;

7.         die Laufzeit des FIF muss zwischen fünf und zwanzig Jahren liegen und in den Fondsbestimmungen festgelegt werden;

8.         das Geschäftsjahr des FIF ist das Kalenderjahr.


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(2) Der AIFM hat die Errichtung eines FIF der FMA anzuzeigen. Der Anzeige sind ein Nachweis der Einhaltung der Voraussetzungen gemäß Abs. 1 und die Fondsbe­stim­mungen anzuschließen.

(3) Die FMA hat den Vertrieb des FIF zu untersagen, wenn

1.         die Voraussetzungen des Abs. 1 oder die im Übrigen anwendbaren Voraus­setzungen des AIFMG nicht eingehalten werden oder

2.         die Fondsbestimmungen nicht den Anforderungen des § 16 entsprechen.

(4) Auf die Anzeige des FIF an die FMA gemäß Abs. 2 und die Untersagung durch die FMA gemäß Abs. 3 ist das Verfahren gemäß § 29 AIFMG sinngemäß anzuwenden.

Veranlagungsbestimmungen

 § 5. (1) Die Veranlagungen für den FIF sind unter Bedachtnahme auf die Risiko­streuung auszuwählen und es dürfen die berechtigten Interessen der Anleger nicht verletzt werden.

(2) Für den FIF dürfen ausschließlich folgende Vermögenswerte erworben werden:

1.         Guthaben bei Kreditinstituten gemäß § 1a Abs. 1 Z 1 des Bankwesengesetzes – BWG, BGBl. Nr. 532/1993;

2.         Von einer Aktiengesellschaft ausgegebene Aktien, die zum Zeitpunkt des Erwerbs nicht an einem geregelten Markt gemäß § 1 Z 2 des Börsegesetzes 2018 – BörseG 2018, BGBl. I Nr. 107/2017, notieren oder gehandelt werden;

3.         Geschäftsanteile an einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung;

4.         Anteile an Personengesellschaften, insbesondere als Kommanditist;

5.         Beteiligungen an Gesellschaften bürgerlichen Rechts;

6.          Beteiligungen als stiller Gesellschafter;


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7.         Schuldverschreibungen und Genussrechte gemäß § 174 des Aktiengesetzes – AktG, BGBl. Nr. 98/1965;

8.         Finanzierungsinstrumente von Rechtsträgern, an denen Beteiligungen gemäß Z 2 bis 6 begründet werden könnten, einschließlich der Gewährung von Darlehen;

9.         Anteile an AIF, die mindestens 50 vH des Fondsvermögens in Beteiligungen gemäß Z 2 bis 5 veranlagen;

10.       liquide Finanzanlagen gemäß § 67 des Investmentfondsgesetzes 2011 – InvFG 2011, BGBl. I Nr. 77/2011.

(3) Vermögenswerte gemäß Abs. 2 Z 10, die nicht unter Abs. 2 Z 1 bis 9 fallen, dürfen insgesamt nur bis zu 30 vH des Nettoinventarwerts gemäß § 17 AIFMG des Gesellschaftsvermögens erworben werden.

Derivative Produkte

 § 6. Für einen FIF ist der Erwerb derivativer Produkte gemäß § 73 InvFG 2011 nur zur Absicherung von Vermögensgegenständen des Gesellschaftsvermögens zulässig.

Verfügungsbeschränkungen

 § 7. Die FI-AG, der AIFM oder die Verwahrstelle dürfen auf Rechnung des Gesell­schaftsvermögens des FIF keinen Kredit aufnehmen, außer die Fondsbestimmungen sehen dies vor. Sofern der Aktionärskreis der FI-AG Personen umfasst, die als qualifizierte Privatkunden einzustufen sind, dürfen sich Kredite auf nicht mehr als 30 vH des Nettoinventarwerts gemäß § 17 AIFMG des Gesellschaftsvermögens belaufen.

Bewertung

 § 8. (1) Die Bewertung der Vermögenswerte hat gemäß § 17 AIFMG zu erfolgen.

(2) Zu jedem Bilanzstichtag hat die Bewertung durch einen externen Bewerter gemäß § 17 Abs. 4 Z 1 AIFMG zu erfolgen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll224. Sitzung, 224. Sitzung des Nationalrats vom 6. Juli 2023 / Seite 487

(3) Der AIFM hat den externen Bewerter nach dessen Bestellung unverzüglich der FMA anzuzeigen.

(4) Der externe Bewerter hat den Anlegern und der FMA auf Verlangen Auskünfte über die Bewertung und seine Berechnungen zu erteilen.

Rechtsform und anwendbare Vorschriften

 §9. (1) Ein FIF darf nur in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft errichtet werden.

(2) Die Firma der Aktiengesellschaft hat die Bezeichnung „Flexible Investments-Aktiengesellschaft“ oder die Abkürzung „FI-AG“ zu enthalten. Die Firma einer FI-AG mit Teilgesellschaftsvermögen gemäß §17 muss darüber hinaus den Zusatz „mit Teilgesellschaftsvermögen“ oder eine allgemein verständliche Abkürzung dieser Bezeichnung enthalten.

(3) Auf die FI-AG sind die Bestimmungen des AktG anzuwenden, soweit in diesem Bundesgesetz und im AIFMG nichts anderes bestimmt ist.

Aktien

 § 10. (1) Aktien an der FI -AG müssen auf Namen lauten und dürfen nur gegen volle Leistung des Ausgabepreises ausgegeben werden. Der Ausgabepreis umfasst den geringsten Ausgabebetrag gemäß § 8a Abs. 1 AktG und bei Ausgabe der Aktien gegen einen höheren als diesen auch den Mehrbetrag.

(2) Für die Ausgabe von Aktien an der FI-AG ist die Entgegennahme von Sacheinlagen mit Ausnahme von Vermögenswerten gemäß § 5 Abs. 2 Z 2 bis 6 unzulässig.

(3) Beträge, die aufgrund einer schuldrechtlichen Verpflichtung als Zusatz zu dem geringsten Ausgabebetrag der Aktien gemäß § 8a Abs. 1 AktG und einem allfälligen Mehrbetrag gemäß Abs. 1 zweiter Satz an die FI-AG geleistet werden, sind nicht Teil des Ausgabepreises gemäß Abs. 1 zweiter Satz und unterliegen daher nicht der Volleinzahlungspflicht gemäß Abs. 1 erster Satz. Sie sind Beträge gemäß § 229 Abs. 2 Z 5 UGB.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll224. Sitzung, 224. Sitzung des Nationalrats vom 6. Juli 2023 / Seite 488

(4) Verpflichtet sich ein Aktionär zur Leistung von Beträgen gemäß Abs. 3, so kann er die ihm gewährten Aktien an der FI-AG nur übertragen, wenn der Erwerber diese Verpflichtung übernimmt.

(5) Der Vorstand kann mit Zustimmung des Aufsichtsrates im Laufe eines Geschäfts­jahres an die Aktionäre Abschläge auf den voraussichtlichen Bilanzgewinn nach Maßgabe folgender Voraussetzungen zahlen:

1.         Für jede Abschlagszahlung ist eine Zwischenbilanz aufzustellen;

2.         jede Abschlagszahlung muss in dem auf Grund der Zwischenbilanz festge­stellten Ergebnis des laufenden Geschäftsjahres zuzüglich eines allfälligen Gewinnvortrags und abzüglich eines allfälligen Verlustvortrages Deckung finden.

(6) Aktien an der FI-AG dürfen nur von professionellen Anlegern gemäß § 2 Abs. 1 Z 33 AIFMG oder qualifizierten Privatkunden gemäß § 2 Abs. 1 Z 42 AIFMG erworben werden.

(7) Die Aktien der FI-AG können unter Berücksichtigung der Festlegungen in der Verordnung der FMA gemäß Abs. 8 nach verschiedenen Ausgestaltungsmerkmalen, insbesondere hinsichtlich der Ertragsverwendung, des Ausgabeaufschlages, der Verwaltungsvergütung, der Mindestanlagesumme, der Währung oder einer Kombi­nation dieser Merkmale unterteilt werden (Anteilsklassen). Aktien einer Anteilsklasse haben gleiche Ausgestaltungsmerkmale. Die Kosten bei der Einführung neuer Anteilsklassen bei einer bestehenden FI-AG müssen zulasten der Anteilspreise der neuen Anteilsklasse in Rechnung gestellt werden. Der Wert des Anteils ist für jede Anteilsklasse gesondert zu errechnen.

(8) Die FMA kann durch Verordnung nähere Bestimmungen zur buchhalterischen Dar­stellung, Rechnungslegung und Ermittlung des Wertes von Anteilsklassen erlassen.

Satzung

11. (1) Der satzungsmäßig festgelegte Unternehmensgegenstand der FI-AG muss auf die Anlage und die Verwaltung ihrer Mittel nach einer festgelegten Anlagestrategie


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unter Bedachtnahme auf die Risikostreuung zur gemeinschaftlichen Kapitalanlage entsprechend den Veranlagungsbestimmungen gemäß § 5, Fondsbestimmungen gemäß § 16 und Pflichten gemäß den §§ 24 bis 28 AIFMG zum Nutzen der Aktionäre beschränkt sein. Die Satzung muss die Bestellung eines AIFM zur alleinigen Verwaltung der Vermögenswerte der Gesellschaft bestimmen und die Selbstver­waltung ist auszuschließen.

(2) Der Mindestnennbetrag des Grundkapitals richtet sich nach § 7 AktG und muss zur Gänze geleistet sein.

(3) Eine FI-AG, die Teilgesellschaftsvermögen bildet, hat in ihrer Satzung einen Hinweis aufzunehmen, dass für die Teilgesellschaftsvermögen besondere Fonds­bestimmungen gelten.

(4) Die Satzung der FI-AG, die Teilgesellschaftsvermögen bildet, kann vorsehen, dass ein Teilgesellschaftsvermögen durch Beschluss des Vorstandes und mit Zustimmung des Aufsichtsrates aufgelöst werden kann.

(5) In allen Fällen, in denen die Satzung der FI-AG veröffentlicht, ausgehändigt oder in anderer Weise zur Verfügung gestellt wird, ist auf die jeweiligen Fondsbestimmungen gemäß § 16 zu verweisen und sind diese ebenfalls zu veröffentlichen, auszuhändigen oder in anderer Weise zur Verfügung zu stellen.

Vorstand

 § 12. (1) Der Vorstand einer FI-AG besteht aus mindestens zwei natürlichen Personen. Er ist verpflichtet,

1.         seine Tätigkeit mit der gebotenen Sachkenntnis, Sorgfalt und Gewissen­haftigkeit im besten Interesse des von ihm verwalteten Vermögens und der Integrität des Marktes auszuüben und

2.         sich um die Vermeidung von Interessenkonflikten zu bemühen und, wenn diese sich nicht vermeiden lassen, diese offenzulegen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll224. Sitzung, 224. Sitzung des Nationalrats vom 6. Juli 2023 / Seite 490

(2) Die Mitglieder des Vorstandes müssen über geordnete wirtschaftliche Verhältnisse verfügen und persönlich zuverlässig sein. Die Mitglieder des Vorstandes haben die für die Ausübung ihrer Leitungsfunktion erforderlichen fachlichen Eignungen und Erfahrungen, insbesondere im Bereich des Finanz- und Rechnungswesens, aufzuwei­sen. Die Bestellung und das Ausscheiden von Mitgliedern des Vorstandes sind der FMA unverzüglich anzuzeigen.

(3) Die Mitglieder des Vorstandes dürfen keine entgeltliche Tätigkeit für die Verwahr­stelle ausüben.

Aufsichtsrat

 § 13. Die Mitglieder des Aufsichtsrates müssen über geordnete wirtschaftliche Verhältnisse verfügen und jenes Maß an persönlicher Zuverlässigkeit und fachlicher Eignung aufweisen, das die Wahrung der Interessen der Aktionäre sicherstellt. Die Bestellung und das Ausscheiden von Mitgliedern des Aufsichtsrates ist der FMA unverzüglich anzuzeigen.

Geschäftsverbote für Vorstand und Aufsichtsrat

 § 14. Mitglieder des Vorstandes oder des Aufsichtsrates der FI-AG sowie Personen, die die Geschäfte des AIFM tatsächlich führen, dürfen Vermögenswerte weder an die FI-AG veräußern noch von dieser erwerben. Erwerb und Veräußerung von Aktien der FI-AG durch Mitglieder des Vorstandes, des Aufsichtsrates und Personen, die die Geschäfte des AIFM tatsächlich führen, sind jedoch zulässig.

Verwaltung

 § 15. (1) Die FI-AG hat zur Verwaltung einen AIFM zu bestellen. Die Verantwort­lichkeit eines AIFM für die Verwaltung muss durchgehend gewährleistet sein.

(2) Dem AIFM obliegt neben der Ausführung der allgemeinen Verwaltungstätigkeit insbesondere auch die Anlage und Verwaltung der Mittel der FI-AG. Die Bestellung des AIFM ist nicht als Auslagerung im Sinne des § 18 AIFMG und auch nicht als Vertrag im Sinne des § 238 AktG anzusehen. Entscheidungs- und Mitwirkungsrechte


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll224. Sitzung, 224. Sitzung des Nationalrats vom 6. Juli 2023 / Seite 491

von Vorstand und Aufsichtsrat der FI-AG gemäß dem AktG oder der Satzung sind nicht anwendbar, soweit sie im Widerspruch zu den mit einer ordnungsgemäßen Verwaltung des FIF verbundenen Rechten und Pflichten des AIFM stehen. Der Vor­stand und Aufsichtsrat der FI-AG haben den AIFM jedoch bei der ordnungsge­mäßen Ausführung der Verwaltungstätigkeit zu überwachen. Sofern sich ein AIFM als nicht geeignet für die Verwaltung des FIF erwiesen hat, weil er gegen seine mit der Verwaltung des FIF verbundenen Pflichten gemäß diesem Bundesgesetz oder gemäß den nach diesem Bundesgesetz anwendbaren Vorschriften verstoßen hat, und der Vorstand davon Kenntnis erlangt hat, hat der Vorstand der FI-AG für die Kündigung der Verwaltung dieses AIFM gemäß Abs. 5 und die Bestellung eines geeigneten AIFM zu sorgen. Der Vorstand kann sich auf seine eigene Unkenntnis von der Nichteignung des AIFM nicht wegen solcher Umstände berufen, die er wegen seiner Überwachungspflicht kennen musste.

(3) Sind Aktien in den Verkehr gelangt, ohne dass der Ausgabepreis der Aktie gemäß § 10 Abs. 1 zweiter Satz der FI-AG zugeflossen ist, so hat der AIFM aus seinem eigenen Vermögen den fehlenden Betrag an die FI-AG zu leisten.

(4) Der AIFM ist berechtigt, die Verwaltung des FIF aus wichtigem Grund unter Ein­haltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten gegenüber der FIF-AG zu kündigen. Die Fondsbestimmungen können eine längere Kündigungsfrist vorsehen. Der AIFM hat die Aktionäre unverzüglich von der Kündigung mittels eines dauerhaften Daten­trägers zu verständigen. Der AIFM hat diese Kündigung der FMA unverzüglich anzuzeigen.

(5) Die FI-AG ist berechtigt, die Verwaltung des FIF auch ohne Vorliegen eines wich­tigen Grundes unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von drei Monaten gegenüber dem AIFM zu kündigen. Der AIFM hat die Aktionäre unverzüglich von der Kündigung mittels eines dauerhaften Datenträgers zu verständigen. Der AIFM hat diese Kündigung der FMA unverzüglich anzuzeigen.

(6) Im Fall der Kündigung gemäß Abs. 4 oder 5 geht das Recht zur Verwaltung und Verfügung über das Gesellschaftsvermögen auf die Verwahrstelle über, sofern


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nicht die FI-AG einen anderen AIFM bestellt und diese Bestellung der FMA angezeigt hat.

(7) Sofern das Recht zur Verwaltung und Verfügung über das Gesellschaftsvermögen auf die Verwahrstelle übergegangen ist, hat diese das Gesellschaftsvermögen unverzüglich abzuwickeln und an die Aktionäre zu verteilen. § 9 Abs. 3 vierter bis sechster Satz AIFMG gilt sinngemäß.

Fondsbestimmungen

§   16. (1) Für jeden FIF sind von der FI-AG Fondsbestimmungen aufzustellen, welche das Rechtsverhältnis der Aktionäre zur FI-AG und zum AIFM festlegen.

(2) Die Fondsbestimmungen haben mindestens zu enthalten:

1.         Die Laufzeit;

2.         die Vergütung, die der AIFM für die Verwaltung des FIF jährlich erhält;

3.         die Vergütung, die die Verwahrstelle jährlich erhält;

4.         sonstige vom FIF zu tragende Kosten;

5.         Ausgabe der Aktien;

6.          Rechte der Aktionäre;

7.         laufende Informationen der Aktionäre;

8.         Regelungen zur Bewertung des veranlagten Vermögens;

9.         Anteilsklassen gemäß § 10 Abs. 7 und deren Ausgestaltung;

10.       Anlagerichtlinien;

11.       Regelungen zur Kreditaufnahme;

12.       Regelungen zur Abwicklung des FIF;


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13.       Kündigung der Verwaltung;

14.       Übertragung der Verwaltung.

(3) Die Laufzeit des FIF gemäß Abs. 2 Z 1 ist als eindeutige, konkrete Zahl in den Fondsbestimmungen anzugeben. Die Fondsbestimmungen können den Vorstand jedoch ermächtigen, die Laufzeit des FIF zu verlängern. Sofern die Fondsbestim­mun­gen eine solche Ermächtigung enthalten, sind in ihnen auch die Bedingungen für die Wahrnehmung dieser Ermächtigung anzugeben. Die Laufzeit des FIF darf insgesamt nicht die maximale Laufzeit gemäß § 4 Abs. 1 Z 7 übersteigen.

(4) Jede Änderung der Fondsbestimmungen ist auf zumindest eine der in § 17 Abs. 7 zweiter Satz Z 1 bis 3 angeführten Weisen bekannt zu geben. Zusätzlich sind die Aktionäre von jeder Änderung der Fondsbestimmungen mittels eines dauerhaften Datenträgers durch den AIFM zu verständigen.

Teilgesellschaftsvermögen

§ 17. (1) Die FI-AG kann Teilgesellschaftsvermögen bilden. Die Bildung neuer Teil­ge­sellschaftsvermögen durch den Vorstand bedarf der Zustimmung des Auf­sichts­­rates, nicht jedoch der Zustimmung der Hauptversammlung. Für die Zwecke der §§ 5 bis 8 gelten Teilgesellschaftsvermögen als eigene FIF. Für Teilgesellschaftsvermögen ist ein und derselbe AIFM und ein und dieselbe Verwahrstelle gemäß § 19 AIFMG zu bestellen.

(2) Die Teilgesellschaftsvermögen sind haftungs- und vermögensrechtlich voneinan­der getrennt. Im Verhältnis der Aktionäre untereinander wird jedes Teilgesell­schaftsvermögen als eigenständiges Gesellschaftsvermögen behandelt. Die Rechte von Aktionären und Gläubigern im Hinblick auf ein Teilgesellschaftsvermögen, insbesondere dessen Bildung, Verwaltung, Übertragung und Auflösung, beschränken sich auf die Vermögenswerte dieses Teilgesellschaftsvermögens. Für die auf das einzelne Teilgesellschaftsvermögen entfallenden Verbindlichkeiten haftet nur das betreffende Teilgesellschaftsvermögen. Die haftungs- und vermögensrechtliche


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Trennung gilt auch für den Fall der Insolvenz der FIF-AG und Abwicklung eines Teilgesellschaftsvermögens.

(3) Wird die FIF-AG mit Teilgesellschaftsvermögen im Rechtsverkehr lediglich für ein oder mehrere Teilgesellschaftsvermögen tätig, so ist sie verpflichtet, dies offen zu legen und auf die haftungsrechtliche Trennung der Teilgesellschaftsvermögen hinzu­weisen.

(4) Die Kosten für die Bildung neuer Teilgesellschaftsvermögen dürfen nur zulasten der Anteilspreise der neuen Teilgesellschaftsvermögen in Rechnung gestellt werden. Der Wert des Anteils ist für jedes Teilgesellschaftsvermögen gesondert zu errechnen.

(5) Für jedes Teilgesellschaftsvermögen sind Fondsbestimmungen zu erstellen. Die Fondsbestimmungen müssen mindestens die Angaben gemäß § 16 Abs. 2 enthalten. Der AIFM hat die Bildung eines Teilgesellschaftsvermögens der FMA anzuzeigen. Der Anzeige sind ein Nachweis über die Einhaltung der Voraussetzungen gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 bis 3 und 6 bis 8 sowie die Fondsbestimmungen anzuschließen. Jede Änderung der Fondsbestimmungen ist auf zumindest eine der in § 17 Abs. 7 zweiter Satz Z 1 bis 3 angeführten Weisen bekannt zu geben. Zusätzlich sind die Aktionäre von jeder Änderung der Fondsbestimmungen mittels eines dauerhaften Datenträgers durch den AIFM zu verständigen.

(6) Die FMA hat den Vertrieb von Aktien eines Teilgesellschaftsvermögens zu unter­sagen, wenn bei der Bildung des Teilgesellschaftsvermögens nicht die Vorausset­zungen gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 bis 3 und 6 bis 8 oder die im Übrigen anwendbaren Voraussetzungen des AIFMG eingehalten werden oder die Fondsbestimmungen des Teilgesellschaftsvermögens nicht den Anforderungen gemäß § 16 Abs. 2 entsprechen. Auf die Anzeige des Teilgesellschaftsvermögens an die FMA gemäß Abs. 5 und die Untersagung durch die FMA gemäß Abs. 6 erster Satz ist das Verfahren gemäß § 29 AIFMG sinngemäß anzuwenden.


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(7) Ein Auflösungsbeschluss des Vorstandes im Sinne des § 11 Abs. 4 wird sechs Monate nach seiner Bekanntgabe wirksam. Die Bekanntgabe des Auflösungsbeschlusses kann erfolgen:

1.         In wenigstens einer Zeitung mit Verbreitung im gesamten Bundesgebiet oder

2.         durch Zur-Verfügung-Stellen an die Aktionäre in gedruckter Form kostenlos beim Sitz des AIFM oder

3.         in elektronischer Form auf der Internet-Seite des AIFM.

Zusätzlich zu der Bekanntgabe des Auflösungsbeschlusses gemäß Abs. 7 zweiter Satz sind die Aktionäre von dem Auflösungsbeschluss durch den AIFM mittels eines dauerhaften Datenträgers zu verständigen. Im Fall der Auflösung geht das Recht zur Verwaltung und Verfügung über das Teilgesellschaftsvermögen auf die Verwahrstelle über. Die Verwahrstelle hat das Teilgesellschaftsvermögen unverzüglich abzuwickeln und an die jeweiligen Aktionäre zu verteilen. § 9 Abs. 3 vierter bis sechster Satz AIFMG gilt sinngemäß. Die FI-AG hat den Auflösungsbeschluss des Vorstandes der FMA anzuzeigen.

(8) Die FMA kann durch Verordnung nähere Bestimmungen zur buchhalterischen Darstellung, Rechnungslegung und Ermittlung des Wertes jedes Teilgesellschafts­vermögens erlassen.

(9) Bei einer FI-AG mit Teilgesellschaftsvermögen sind die einzelnen Teilgesell­schafts­vermögen im Jahresbericht gemäß § 18, Jahresabschluss und Lagebericht getrennt auszuweisen. Ferner darf bei einer FI-AG mit Teilgesellschaftsvermögen der Bestä­ti­gungs­vermerk des Abschlussprüfers nur erteilt werden, wenn für jedes einzelne Teilgesellschaftsvermögen der Bestätigungsvermerk erteilt worden ist.

Rechnungslegung

§ 18. (1) Der AIFM hat für den FIF für jedes Geschäftsjahr einen Jahresbericht gemäß § 20 AIFMG zu erstellen.


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(2) Die FMA kann mittels Verordnung die Formblätter für den Jahresbericht festlegen, wobei die Anforderungen gemäß § 20 Abs. 2 AIFMG, die fonds- und gesellschafts­rechtlichen Besonderheiten des FIF, die allgemeinen bilanziellen Grundsätze des UGB und die Interessen der Aktionäre zu beachten sind. Die FMA kann in diese Verord­nung auch Informationen über die Kreditaufnahme gemäß § 7 aufnehmen und bei der Festlegung der Formblätter für den Jahresbericht und den Informationen zur Kreditaufnahme die Größe, interne Organisation sowie die Größenordnung, die Art, den Umfang und die Komplexität des FIF in angemessener Weise berücksichtigen.

Verfügungsrecht des AIFM

§ 19. (1) Nur der AIFM ist berechtigt, über die Vermögenswerte zu verfügen, die zu einem von ihm verwalteten FIF gehören und die Rechte aus diesen Vermögenswerten auszuüben. Er hat die Interessen der Aktionäre zu wahren, die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters im Sinne des § 84 Abs. 1 AktG anzuwenden sowie die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes, des AIFMG und die Fondsbestimmungen einzuhalten.

(2) Verschmelzungen von FIF sind zulässig. Es ist dabei eines der Verschmelzungs­verfahren gemäß § 3 Abs. 2 Z 15 InvFG 2011 sinngemäß und mit der Maßgabe anzuwenden, dass FIF an die Stelle von OGAW und Teilgesellschaftsvermögen an die Stelle von Teilfonds treten. Verschmelzungen bedürfen einer Mehrheit der Aktionäre, die mindestens drei Viertel des Grundkapitals der beteiligten FIF oder drei Viertel der auf die beteiligten Teilgesellschaftsvermögen entfallenden Anteile am Grundkapital umfasst. In den Fondsbestimmungen kann die Zustimmung einer größeren Mehrheit vorbehalten werden. Verschmelzungen bedürfen überdies der Zustimmung der Verwahrstelle oder Verwahrstellen. Der AIFM hat eine Verschmelzung der FMA unverzüglich anzuzeigen.

Haftungsverhältnisse

§ 20. (1) Zur Sicherstellung oder Hereinbringung von Forderungen gegen Aktionäre kann auf deren Anteile am FIF, jedoch nicht auf die Vermögenswerte des FIF Exekution geführt werden.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll224. Sitzung, 224. Sitzung des Nationalrats vom 6. Juli 2023 / Seite 497

(2) Zur Sicherstellung oder Hereinbringung von Forderungen aus Verbindlichkeiten, die der AIFM für einen FIF nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes wirksam begründet hat, kann nur auf die Vermögenswerte des FIF Exekution geführt werden.

Aufsicht

§ 21. Die Aufsicht über die FI-AG und den AIFM auf Einhaltung dieses Bundesgeset­zes obliegt der FMA. Sie hat dabei jeweils die Befugnisse gemäß § 56 Abs. 1 und 2 AIFMG. Die FMA kann mit ausländischen Behörden zu Zwecken der Erfüllung von Aufgaben dieses Bundesgesetzes zusammenarbeiten. Diese Zusammenarbeit umfasst insbesondere auch den Informationsaustausch mit ausländischen Behörden. Auf diese Zusammenarbeit ist der 2. Abschnitt des 9. Teils des AIFMG anzuwenden.

Schutz von Bezeichnungen

§ 22. Die Bezeichnung „Flexible Investements-Aktiengesellschaft“ oder Wortverbin­dungen, die diese Bezeichnung enthalten, oder die Abkürzung „FI-AG“ dürfen im Firmenwortlaut, im Geschäftsverkehr und in der Werbung nur von der FI-AG und von AIFM, die die Errichtung eines FIF gemäß § 4 Abs. 2 angezeigt haben, verwendet werden.

Strafbestimmungen

§ 23. (1) Wer die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters (§ 84 Abs. 1 AktG) verletzt, indem er

1.         wiederholt den AIFM an der Erfüllung von dessen Verwaltungspflichten hindert und damit gegen § 15 Abs. 2 erster Satz verstößt, oder

2.         unter erheblichem Verstoß gegen seine Überwachungspflicht gemäß § 15 Abs. 2 fünfter Satz einem AIFM, der sich als nicht geeignet für die Verwaltung des FIF erwiesen hat, nicht die Verwaltung gemäß § 15 Abs. 5 kündigt und einen geeigneten AIFM bestellt,


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll224. Sitzung, 224. Sitzung des Nationalrats vom 6. Juli 2023 / Seite 498

begeht eine Verwaltungsübertretung und ist dafür von der FMA mit einer Geldstrafe bis zu 100 000 Euro zu bestrafen.

(2) Wer

1.         gegen das Erfordernis einer Anzeige der Errichtung eines FIF gemäß § 4 Abs. 2 verstößt,oder

2.         gegen § 22 verstößt, indem er den Bezeichnungsschutz verletzt,

begeht eine Verwaltungsübertretung und ist dafür von der FMA mit einer Geldstrafe bis zu 60 000 Euro zu bestrafen.

(3) Die von der FMA gemäß diesem Bundesgesetz verhängten Geldstrafen fließen dem Bund zu.

Verweise und Verordnungen

§ 24. (1) Soweit in diesem Bundesgesetz auf andere Bundesgesetze verwiesen wird, sind diese in ihrer jeweils geltenden Fassung anzuwenden, außer es ist ausdrücklich Anderes angeordnet.

(2) Verordnungen auf Grund dieses Bundesgesetzes in seiner jeweiligen Fassung dürfen bereits von dem Tag an erlassen werden, der der Kundmachung des durchzuführenden Bundesgesetzes folgt; sie dürfen jedoch nicht vor den durch­zuführenden Gesetzesbestimmungen in Kraft treten.

Sprachliche Gleichbehandlung

§ 25. Soweit in diesem Bundesgesetz personenbezogene Bezeichnungen nur in männlicher Form angeführt sind, beziehen sie sich auf alle Geschlechter in gleicher Weise. Bei der Anwendung auf bestimmte Personen ist die jeweils geschlechts­spezifische Form zu verwenden.

Vollzugsklausel

§ 26. Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes ist


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1.         hinsichtlich der §§ 10 und 11 der Bundesminister für Finanzen im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Justiz und

2.         hinsichtlich aller übrigen Bestimmungen der Bundesminister für Finanzen

betraut.

Inkrafttreten

§ 27. Dieses Bundesgesetz tritt mit dem auf die Kundmachung folgenden Tag in Kraft.

Artikel 2 Änderung des Finanzmarktaufsichtsbehördengesetzes

Das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz – FMABG, BGBl. I Nr. 97/2001, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. XXX/202X, wird wie folgt geändert:

1.         In § 2 Abs. 3 wird folgende Z 24 angefügt:  „24. im Flexinvestmentfondsgesetz – FIFG, BGBl. I Nr. XXX/2023,“

2.         In § 22b Abs. 1, § 22c Abs. 1 und § 22d Abs. 1 wird jeweils nach dem Verweis „§ 47 PKG,“ der Verweis „§ 23 Abs. 2 Z 1 FIFG,“ eingefügt.

3.         Dem § 28 wird folgender Abs. 49 angefügt: „(49) § 2 Abs. 3 Z 24, § 22b Abs. 1, § 22c Abs. 1 und § 22d Abs. 1 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XXX/2023 treten mit dem auf die Kundmachung folgenden Tag in Kraft.“

Artikel 3 Änderung des Alternative Investmentfonds Manager-Gesetzes

Das Alternative Investmentfonds Manager-Gesetz – AIFMG, BGBl. I Nr. 135/2013, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. XXX/202X, wird wie folgt geändert:

1.         In § 58 wird nach der Wortfolge „§ 49 Abs. 2, 3, 9 und 11“ die Wortfolge „dieses Bundesgesetzes sowie § 4 Abs. 2, § 12 Abs. 2, § 13, § 15 Abs. 4 bis 6, § 17 Abs. 5 und 7 und § 19 Abs. 2 des Flexinvestmentfondsgesetz – FIFG, BGBl. I Nr. XXX/2023,“ eingefügt.


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2.         Dem § 74 wird folgender Abs. 20 angefügt:

„(20) § 58 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XXX/2023 tritt mit dem auf die Kundmachung folgenden Tag in Kraft.“

Artikel 4 Änderung des Investmentfondsgesetzes 2011

Das Investmentfondsgesetz 2011 – InvFG 2011, BGBl. I Nr. 77/2011, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. XXX/202X, wird wie folgt geändert:

1.Dem § 164 Abs. 3 Z 8 wird folgender Satz angefügt:

„Zusätzlich zu den Angaben gemäß § 53 Abs. 3 haben die Fondsbestimmungen Angaben darüber zu enthalten, in welchem Ausmaß die zum Sondervermögen gehörenden Vermögenswerte im Treuhandeigentum der Verwaltungsgesellschaft (§ 166 Abs. 3) oder im Miteigentum der Anteilinhaber stehen. Stehen zum Anderen Sondervermögen gehörende Vermögensgegenstände im Treuhandeigentum der Verwaltungsgesellschaft, so findet § 46 Abs. 1 mit der Maßgabe Anwendung, dass die Anteilscheine eine schuldrechtliche Teilhabe an den Vermögenswerten des im Treuhandeigentum der Verwaltungsgesellschaft stehenden Sondervermögens verbriefen.“

2. Dem § 166 wird folgender Abs. 3 angefügt:

„(3) Ein Anderes Sondervermögen, das die Anforderungen für Spezialfonds gemäß § 163 erfüllt, darf zusätzlich zu den in Abs. 1 genannten Vermögensgegenständen Vermögenswerte gemäß § 5 Abs. 2 Z 2 bis 9 des Flexinvestmentfondsgesetz - FIFG, BGBl. I Nr. XXX/2023, Wertpapiere im Sinne von § 3 Abs. 2 Z 13, welche die Kriterien gemäß § 69 Abs. 1 Z 2 bis 5 nicht erfüllen, sowie sonstige Organismen für gemeinsame Anlagen bis zu 20 vH des Fondsvermögens erwerben, sofern alle Anteilinhaber dieses Spezialfonds dem Erwerb derartiger Vermögenswerte ihre ausdrückliche Zustimmung erteilt haben. Die Veranlagung in derartige Vermögens­werte begründet keine Verpflichtung der Verwaltungsgesellschaft, für diesen Spezialfonds besondere Rückzahlungsmodalitäten im Sinne von § 167 Abs. 2


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vorzusehen. Die Bewertung dieser Vermögenswerte hat nach den Bestimmungen des § 17 AIFMG zu erfolgen. Im Zuge der Auszahlung der Anteile bei Anteilscheinrück­gaben kann die

Verwaltungsgesellschaft unter Berücksichtigung der Interessen der Anteilinhaber eine anteilige oder im Vertrag mit den Anteilinhabern des Spezialfonds konkretisierte Auskehrung derartiger Vermögensgegenstände vornehmen. Ebenso erfolgt im Falle der Abwicklung eines Spezialfonds eine unter Berücksichtigung der Interessen der Anteilinhaber durchzuführende Auskehrung derartiger Vermögenswerte an die Anteil­inhaber, wenn die entsprechenden Vermögenswerte nicht innerhalb einer ange­messenen Frist ab Beginn der Abwicklung liquidiert werden können. Auf die in Abs. 3 erster Satz genannten zusätzlichen Vermögenswerte ist § 78 Abs. 2 Z 3 mit der Maßgabe anzuwenden, dass ein Prozentsatz von bis zu 20 vH gilt. Zum Anderen Sondervermögen gehörende Vermögensgegenstände können abweichend von Abs. 1 erster Satz nach Maßgabe der Fondsbestimmungen im Eigentum der Verwaltungs­gesellschaft stehen, die diese treuhändig für die Anteilinhaber hält und verwaltet. Das im Treuhandeigentum der Kapitalanlagegesellschaft und das im Miteigentum der Anteilinhaber stehende Sondervermögen ist von dem eigenen Vermögen der Kapital­anlagegesellschaft getrennt zu halten und gehört nicht zur Insolvenzmasse der Verwaltungsgesellschaft.“

3. 186 wird wie folgt geändert:

a) In Abs. 1 Z 1 entfällt der Begriff „oder“.

b) In Abs. 1 Z 2 wird nach der Wortfolge „AIF in Immobilien im Sinne des AIFMG,“ der Begriff „oder“ angefügt.

c) In Abs. 1 wird folgende Z 3 angefügt: „3. FIF im Sinne des FIFG,“

d) In Abs. 3 wird im ersten und zweiten Satz jeweils nach der Wortfolge „oder des Anteils an einem AIF“ die Wortfolge „oder einem FIF“ eingefügt.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll224. Sitzung, 224. Sitzung des Nationalrats vom 6. Juli 2023 / Seite 502

e) In Abs. 5 Z 2 lit. c wird die Zahl „10“ durch die Zahl „20“ ersetzt und nach der Wortfolge „gelten die gemäß lit. b ermittelten Erträge als Einkünfte gemäß § 27 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes 1988“ das Wort samt Sonderzeichen „(Bagatell­regelung)“ eingefügt.

f) In Abs. 5 Z 2 wird folgende lit. d angefügt: „d) Die    Bagatellregelung    gemäß    lit. c    erfasst    auch    Einkünfte    gemäß    § 27    des Einkommensteuergesetzes 1988, die keinem besonderen Steuersatz gemäß § 27a Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes 1988 unterliegen.“

g) In Abs. 7 wird nach der Wortfolge „AIF im Sinne des AIFMG“ die Wortfolge „und FI-AG im Sinne des FIFG“ eingefügt.

4. Dem § 200 wird folgender Abs. 37 angefügt:

„(37) § 164 Abs. 3 Z 8, § 166 Abs. 3 sowie § 186 Abs. 1, 3 und 7 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XXX/2023 treten mit dem auf die Kundmachung folgenden Tag in Kraft. § 186 Abs. 5 Z 2 lit. c und d in der Fassung des Bundesge­setzes BGBl. I Nr. XXX/2023 treten mit 1. Jänner 2024 in Kraft und sind erstmalig auf Geschäftsjahre anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2023 beginnen.“

Artikel 5 Änderung des Einkommensteuergesetzes 1988

Das Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988, zuletzt geändert durch das BGBl. I Nr. xx/202x, wird wie folgt geändert:

1. In § 27a wird nach Abs. 2 folgender Abs. 2a eingefügt:

„(2a) Handelt es sich bei den Einkünften gemäß Abs. 2 Z 2 um tatsächlich ausge­schüt­tete oder als ausgeschüttet geltende Erträge aus einem § 186 oder § 188 InvFG 2011 oder einem § 40 oder § 42 ImmoInvFG unterliegenden Gebilde, dessen Anteile oder Anteilscheine bei ihrer Begebung in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht einem unbestimmten Personenkreis angeboten worden sind, gelten die diesen Einkünften zugrunde liegenden Wirtschaftsgüter stets als an einen unbestimmten Personenkreis angeboten.“


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll224. Sitzung, 224. Sitzung des Nationalrats vom 6. Juli 2023 / Seite 503

2. In § 124b wird nach Z 435 folgende Z 436 angefügt:

 „436. § 27a Abs. 2a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XXX/2023 tritt mit 1. Jänner 2024 in Kraft.“

Begründung

Das von der Bundesregierung vorgelegte Wagniskapitalfondsgesetz - WKFG ist aufgrund der im Gesetz festgelegte Ausgestaltung des Fonds als Aktiengesellschaft dem Grund nach für das Wagniskapitalgeschäft (Venture Capital bzw. Private Equity – VC/PE) nicht geeignet. Die international übliche und den Anforderungen des typischen VC/PE-Geschäftsmodells gerecht werdende Rechtsform ist nicht die einer Kapitalgesellschaft, sondern die einer Kommanditgesellschaft (bzw. besondere Formen der Kommanditgesellschaft).

Bei dem Investitionsvehikel, das mit dem vorgelegten Wagniskapitalfondsgesetz – WKFG geschaffenen werden soll, handelt es sich um eine spezifische Form eines Investmentfonds für institutionelle Anleger wie Banken und Pensionsfonds. Es ist jedenfalls kein Wagniskapitalfondsgesetz im inhaltlichen Sinne, weil es als Fonds­vehikel für das Wagniskapitalgeschäft grundsätzlich nicht geeignet ist.

Um Verwechslungen mit einem noch zu schaffenden Wagniskapitalfondsgesetz im eigentlichen Sinne - das nämlich den Anforderungen des typischen VC/PE-Geschäftsmodells tatsächlich gerecht wird - zu vermeiden, sollte der vorgelegte Gesetzesentwurf einen Namen bekommen, der es auch mit seinem Inhalt übereinstimmt. Der Antrag fordert daher die Umbenennung des Gesetzes in Bundesgesetz über Flexible Investmentfonds (Flexinvestmentfondsgesetz– FIFG).

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Abänderungsantrag ist in Grundzügen erläutert worden, ist ordnungsgemäß eingebracht und steht somit in Ver­hand­lung.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll224. Sitzung, 224. Sitzung des Nationalrats vom 6. Juli 2023 / Seite 504

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Brandstötter. – Frau Abgeordnete, Sie haben das Wort.


21.36.32

Abgeordnete Henrike Brandstötter (NEOS): Start-ups sind ja sehr beliebt in der heimischen Politik. Seit vielen Jahren landen diverse Reformversprechen in Regierungsprogrammen. Da werden dann Beratungsgremien eingesetzt, da werden Start-up-Erklärungen unterzeichnet, und jedes Jahr gibt es dann auch ein buntes Heft mit ganz vielen Zahlen. Genauso konsequent ignoriert die Politik aber die immer gleichen Reformerwartungen an sich selbst.

Jetzt werden endlich Schritte gesetzt, aber bei genauerem Hinsehen entpuppt es sich halt wieder einmal nur als Show.

Der Mangel an Risikokapital in Österreich ist einfach eklatant. Man sieht es auch an den Zahlen des Internationalen Währungsfonds, da liegt Österreich bei den Private-Equity-Investitionen wieder einmal weit abgeschlagen am letzten Platz in Europa, nämlich mit nur 0,22 Prozent Anteil am BIP.

Seit Jahren kommen auch laufend Studien und Berichte heraus, sogar von der eigenen Bundesregierung, die genau darauf hinweisen, dass der Mangel an Risikokapital ein ganz zentraler Grund dafür ist, dass einfach nicht genügend Wachstumskapital in Österreich vorhanden ist, dass Start-ups ins Ausland auswandern, abziehen, dass trotz hoher Forschungsquote in Österreich dann sehr wenig Spin-offs aus den Universitäten heraus gegründet werden und dass wir einfach auch generell sehr wenige Start-ups in Österreich haben. In Österreich kommen 687 Start-ups auf eine Million Einwohner. Zum Vergleich: In den Niederlanden sind es 2 400 Start-ups auf eine Million Einwohner – also mehr als dreimal so viel.

Auch da ist Österreich wieder einmal absolutes Schlusslicht. Experten sagen auch ganz klar, dass der vorliegende Gesetzentwurf nicht dazu gedacht ist und nicht erreichen wird, dass genau diese Lücken geschlossen werden. Die


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll224. Sitzung, 224. Sitzung des Nationalrats vom 6. Juli 2023 / Seite 505

Interessen der heimischen Gründerinnen und Gründer bleiben auf der Strecke, weil wir eben keine Instrumente nach internationalen Standards haben und deshalb auch nicht genügend internationale Investoren damit anziehen können.

Nun noch ein Wort zum Start-up-Paket – da zeichnet sich genau das gleiche Drama ab –: Die Mitarbeiterbeteiligung ist unfassbar kompliziert aufgesetzt. Es entspricht keinen internationalen Standards. Es ist sogar unattraktiver als die wirklich schlechte deutsche Variante, und das muss man auch erst einmal zustande bringen. Sogar die Deutschen arbeiten jetzt daran, ihre schlechte Variante zu verbessern. Die neue Gesellschaftsform ist immer noch voller unnötiger bürokra­tischer Hürden; schnelle digitale Gründungen – ebenso Fehlanzeige.

All das kann man aus den vielen vorliegenden Stellungnahmen auch herauslesen. Leider nimmt die Bundesregierung weder die Stellungnahmen der Expertinnen und Experten noch die Anliegen der Start-ups ernst. Die Devise scheint zu sein: Wir machen einfach ein bisschen etwas, faule Kompromisse, statt einfach einmal eine große Reform anzugehen.

Wenn man den Start-ups zuhört, dann reden die Gründerinnen und Gründer hinter den Kulissen auch darüber, dass sie froh sind, dass überhaupt irgendetwas kommt. So abgestumpft sind sie mittlerweile, dass sie sich sogar darüber freuen, dass ein schlechter Kompromiss daherkommt. Das finde ich aber schade. Ich würde mir wünschen, dass diese Regierung sich von der Motivation, dem Spirit, dem Tatendrang unserer Start-ups anstecken lässt und dass sie einfach ambi­tioniert ist und innovativer denkt, denn dann kommt am Ende auch etwas Besseres dabei heraus. (Beifall bei den NEOS.)

21.39


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Brunner. – Bitte sehr, Herr Bundesminister.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll224. Sitzung, 224. Sitzung des Nationalrats vom 6. Juli 2023 / Seite 506

21.40.04

Bundesminister für Finanzen Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Vielleicht ganz kurz zum Start-up-Paket: Das ist ja interessant, Frau Abgeordnete, was Sie da gerade gesagt haben, denn dieses Start-up-Paket ist von der Start-up-Szene begeistert aufgenommen worden, war mit ihr abgesprochen. (Abg. Brandstötter – erheitert –: Begeistert! Ein Feuerwerk!) – Ja, wirklich. Danke, dass Sie das auch so sehen! Ja, Feuerwerk ist der richtige Ausdruck. Also das war mit der Szene abgestimmt und ist begeistert aufgenommen worden. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Oder ich war bei der falschen Veranstaltung, bei der ich das mit Frau Ministerin Zadić vor zwei Wochen in der Start-up-Szene mit der Start-up-Szene gemeinsam präsentieren durfte. Ich glaube, da reden wir von unterschiedlichen Dingen, aber vielleicht können wir später noch darüber reden.

Über diese Vorlage wurde ja inhaltlich schon vieles gesagt, darum nur ein paar grundsätzliche Anmerkungen: Warum machen wir dieses Gesetz, dieses Wagnis­kapitalfondsgesetz? – Weil österreichische Unternehmen auch im internatio­nalen Vergleich über relativ geringes Eigenkapital verfügen – unsere Unternehmen finanzieren sich zu einem großen Teil natürlich über Fremdkapital, über Fremd­mittel, zumeist über Kredite –, und natürlich hatten auch die Krisen in den letzten Jahren negative Auswirkungen auf die Ausstattung der Unternehmen mit Eigenkapital.

Wir wissen übrigens auch aus Studien, dass die Eigenmittelquote um das Doppelte gesunken wäre, wenn wir als Staat diese Unternehmen in der Krise nicht entsprechend mit finanziellen Hilfsmaßnahmen unterstützt hätten.

Vor dem Hintergrund der Krise und weil wir natürlich auch viel Nachholbedarf in diesem Bereich haben, wollen wir nun eben die Bereitstellung von dringend benötigten Eigenmitteln erleichtern. Wir machen das mit diesem Wagniskapital­fondsgesetz, und das, Kollege Einwallner, natürlich vor allem zugunsten von kleineren und mittleren Unternehmen, die dadurch mehr Zugang und leichter


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll224. Sitzung, 224. Sitzung des Nationalrats vom 6. Juli 2023 / Seite 507

Zugang zu Kapital bekommen. Es wird eben nicht in börsenotierte Unternehmen, wie Sie es dargestellt haben, investiert.

Zu Frau Kollegin Doppelbauer vielleicht auch noch eine Anmerkung: Ja, natürlich kann man mehr machen, das ist überhaupt keine Frage; das kann man immer weiter diskutieren. Ich glaube aber, dass das jetzt wirklich ein guter Schritt ist – überhaupt keine Mogelpackung, sondern ein guter Schritt. Man kann da noch mehr machen, darüber kann man gerne reden, vielleicht im Herbst dann. Es ist auch ein wichtiger Schritt, um die wirtschaftliche Resistenz unserer Unternehmen zu stärken, und deswegen bitte ich trotzdem noch um Zustim­mung, wenn es sich ausgeht. Wir können ja dann im Herbst noch einmal weiterreden. Es ist ein guter erster Schritt. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

21.42 21.43.00


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist damit geschlossen. (Abg. Wöginger: Es ist nichts mehr hinzuzufügen!)

Wünscht die Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 20: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über Wagniskapital­fonds erlassen und das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz, das Alternative Investmentfonds Manager-Gesetz, das Investmentfondsgesetz und das Einkommensteuergesetz geändert werden, in 2096 der Beilagen.

Hiezu liegt ein gesamtändernder Abänderungsantrag der Abgeordneten Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen vor.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll224. Sitzung, 224. Sitzung des Nationalrats vom 6. Juli 2023 / Seite 508

Ich werde zunächst über den erwähnten gesamtändernden Abänderungsantrag und im Falle seiner Ablehnung über den Gesetzentwurf in der Fassung der Regierungsvorlage abstimmen lassen.

Wir kommen zur Abstimmung über den gesamtändernden Abänderungsantrag der Abgeordneten Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in der Fassung der Regierungsvorlage.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit, angenommen.

Wir kommen gleich zur dritten Lesung.

Wer auch in dritter Lesung dafür ist, wird um ein Zeichen gebeten. – Das ist das gleiche Stimmverhalten. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 21: Antrag des Finanzausschusses, seinen Bericht 2142 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer dies tut, möge das mit einem Zeichen zum Ausdruck bringen. – Das ist die Mehrheit, und damit ist dieser Bericht zur Kenntnis genommen.

21.45.0122. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (2095 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Katastrophenfondsgesetz 1996 geändert wird (2143 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen nunmehr zum 22. Punkt der Tagesordnung.


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Auf eine mündliche Berichterstattung ist verzichtet worden.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Obernosterer. – Bei Ihnen steht das Wort, Herr Abgeordneter. Bitte sehr.


21.45.30

Abgeordneter Gabriel Obernosterer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Finanzminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren auf der Galerie und zu Hause vor den Fernsehschirmen! Worum geht es beim Tagesordnungspunkt 22? – Es geht um eine Ministerratsvorlage, mit der das Katastrophenfondsgesetz geändert wird.

Es werden sich sicherlich noch alle erinnern: Es ist genau ein Jahr her, dass es in Kärnten, in Treffen und in Arriach, diese wirklich furchtbare Unwetter­katastrophe gegeben hat, die natürlich, ob im privaten oder im öffentlichen Bereich, riesige Schäden angerichtet hat.

Die Summen belaufen sich – man kann sie nicht genau abschätzen – auf circa 35 bis 40 Millionen Euro. Das Katastrophenfondsgesetz in Österreich ist gut aufgestellt, ist bewährt. Wir wissen, dass der Bund bei Schäden an Landes- und Gemeindeeigentum 50 Prozent der Schäden mitfinanziert, im privaten Bereich 60 Prozent, bei Wildwasser- und Wildbachverbauungen bis zu 62 Prozent.

Den Rest macht das Land selbst über das Katastrophenreferat. Und wo nimmt das Katastrophenreferat dieses Geld her? – Von den Ertragsanteilen der Gemeinden werden im Schnitt, und das sind alles Ergebnisse aus den Finanzaus­gleichsverhandlungen, die dort auch mitgeführt werden, 12,8 Prozent der Mittel zurückgehalten, die dann der Gemeinde- oder der Katastrophenreferent dort, wo es notwendig ist, zur Verfügung stellen kann. In Kärnten alleine machen diese circa 12,8 Prozent der Ertragsanteile für die Gemeinden circa 100 Millionen Euro aus, aus denen diese Zahlungen bedient werden können.

Es waren damals auch die Bürgermeister dieser Gemeinden hier im Parlament. Sie haben sich mit allen Abgeordneten dieses Hauses getroffen, und es war ja


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll224. Sitzung, 224. Sitzung des Nationalrats vom 6. Juli 2023 / Seite 510

damals auch der Herr Bundeskanzler vor Ort, hat sich diese Schäden angeschaut und hat gesagt, er wird – neben dem, was sowieso läuft –auch das Möglichste tun. Man hat dann gemeinsam geschaut, wie gesagt, den Gemeinden zu helfen.

Ich komme selbst aus einer kleinen Gemeinde, der Gemeinde Lesachtal. Wir haben vor vier Jahren solch eine Katastrophe gehabt. Die Mittel der Gemeinde Lesachtal sind, obwohl sie zum Teil nur ein paar Prozent von diesen Verbau­ungen bezahlen muss, mit den Bedarfszuweisungen und den außerordentlichen Bedarfszuweisungen für die nächsten Jahre praktisch gebunden, und genau so geht es auch den Gemeinden Treffen und Arriach.

Die Summen wurden zusammengestellt, es wurde alles mit dem Katastrophen­referenten, mit dem Büro Fellner und mit dem Landesrat selbst koordiniert und mit ihnen zusammen gemacht, und ich bringe es jetzt auf den Punkt und möchte mich dafür bedanken – im Ausschuss ist das alles schon einstimmig abge­handelt worden –, dass 3 Millionen Euro für diese zwei Gemeinden zur Verfügung stehen. Und wofür stehen sie zur Verfügung? – Das sind jene Mittel, die die Gemeinden noch als Eigenmittel für die Wildbachverbauungen und Hochwasserschutzmaßnahmen einbringen müssen.

Von den Bürgermeistern dieser zwei Gemeinden, mit denen ich telefoniert habe und die mich danach auch noch angerufen haben, darf ich euch schöne Grüße ausrichten, und sie möchten sich bei allen Verantwortlichen – beim Bundes­kanzler, bei allen Ministern, die da zuständig sind, beim Herrn Finanzminister, bei dir, und natürlich bei uns, bei allen Abgeordneten, recht, recht herzlich bedanken, denn wie jeder in diesem Hohen Haus weiß, ist es keine Selbstver­ständ­lichkeit, dass man für solche Dinge ein eigenes Gesetz macht, um diesen zwei kleinen Gemeinden zu helfen, und zwar in Form der Bereitstellung dieser 3 Millionen Euro. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich möchte mich für die Einstimmigkeit, wie sie auch im Ausschuss bereits kundgetan worden ist, bedanken. Die Gemeinden zeigen sich zufrieden.


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Eines muss ich auch dazusagen: Man wird in Zukunft bei diesen Katastrophen auch schauen müssen, wie man für die kleinen Gemeinden, die auch die Schutzverbauungen für die Zentralräume machen, wirklich eine Lösung findet, um über das Katastrophenschutzgesetz für sie noch Mittel zur Verfügung zu stellen, sodass man nicht jedes Mal ein eigenes Gesetz machen muss, mit dem man diese kleinen Gemeinden schadlos hält, denn die haben für die nächsten Jahre keine Möglichkeit mehr, Straßen oder sonstige Infrastrukturen zu bauen. Es sind genug Bürgermeister hier; die wissen genau, wovon ich rede, und ich kenne das von der kleinen Gemeinde Lesachtal.

Ich möchte jetzt, zur späten Stunde, nicht zu lang reden, sondern ich möchte mich für diese Einstimmigkeit bedanken. Ich glaube, es ist ein schöner Tag für uns Abgeordnete, dass wir in solchen Fällen über die Parteigrenzen hinweg praktisch helfen. Zu helfen ist dort, wo Not ist, und nicht, wo irgendeine Partei ist.

Weil ich schon gefragt worden bin: Obernosterer, warum hast du dich da eingesetzt? Es sind sicher schwarze Bürgermeister! – Ich sage euch eines: Es ist kein schwarzer Bürgermeister dabei, sondern es sind ein roter und ein frei­heitlicher Bürgermeister. Unsere Aufgabe sehen wir darin, dort zu helfen, wo Not am Mann ist. – Danke vielmals, und danke, Herr Finanzminister. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie der Abgeordneten Krainer und Kaniak.)

21.51


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Köchl. – Bitte.


21.51.14

Abgeordneter Klaus Köchl (SPÖ): Geschätzter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Man kann sich den Worten des Kollegen Obernosterer nur anschließen. Als Kärntner muss man sich bedanken: 3 Millionen Euro zusätzlich.


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Es war schon sehr interessant in diesen beiden Gemeinden: Häuser wurden zerstört, Felder und Straßen, da hat man überhaupt nichts mehr gehabt, Felsbrocken rückten mitten in das Ortszentrum, ein ganzer Bauhof ist ganz einfach verschwunden. Also es gab bei dieser Katastrophe schon ein Ausmaß, bei dem man sagen muss, da muss man zusammenhalten. Ich möchte da auch sagen, dass das in Kärnten einfach sehr gut funktioniert. Landeshauptmann Peter Kaiser und Katastrophenreferent Daniel Fellner gemeinsam mit dem jetzigen Landeshauptmann-Stellvertreter Gruber: Da ist schon ausgezeichnet zusammengearbeitet worden.

Es wurden sofort 8 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, den Leuten ist unbüro­kratisch geholfen worden – von 1 000 Euro bis 10 000 Euro –, es hat bestens funktioniert. Was vor allem sehr gut funktioniert hat – das muss man wirklich sagen –, ist, dass alle Gemeinden mitgeholfen haben.

Ich bin selber Bürgermeister von Liebenfels. Wir haben drei Tage den Bauhof mit sämtlicher Gerätschaft in das Krisengebiet geschickt, und alle Gemeinden haben da zusammengeholfen und gearbeitet. Ich glaube, das war etwas Einmaliges, und ich glaube, so sollte man diese Dinge auch weiterhin unternehmen.

Ich bin froh, dass es jetzt zusätzlich 3 Millionen Euro gibt. Wenn man dort Bürgermeister ist und einfach nicht mehr weiß, woher man Geld kriegt, ist das echt nicht einfach – abgesehen davon, dass man da sicher sehr viele schlaflose Nächte hat; man hat doch die gesamte Verantwortung dafür.

Dafür, dass das so ausgezeichnet funktioniert, darf ich mich hier beim National­rat, bei dir, Kollege Obernosterer, bei Kollegen Krainer – du hast es auch ausgezeichnet gemacht, hast beraten; ich glaube, das war ganz, ganz wichtig – und bei dir, Herr Minister, bedanken –, dafür, dass das so ausgezeichnet geklappt hat. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeord­neten von ÖVP und Grünen.)

21.53



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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist der Abgeordnete Linder. (Ruf bei der ÖVP: Dauerabo?) – Bitte.


21.53.23

Abgeordneter Maximilian Linder (FPÖ): Herr Minister! Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen! Geschätzte Kollegen! Ob des Zeitmangels: Die Dimen­sion dieses Unwetters war eine Katastrophe – eine unvorstellbare Dimension! Sechs Jahre vorher haben wir etwas in dieser Dimension in unserer eigenen Gemeinde erlebt.

Zwei Dinge dazu: Die Gemeinden sind dankbar, dass sie die 3 Millionen Euro bekommen, aber sie bleiben nach wie vor auf Schulden oder noch offenen Beträgen sitzen – Arriach auf 1,2 Millionen Euro, Treffen auf 3,6 Millionen. Das Land wird einspringen, davon bin ich überzeugt.

Zwei Dinge aber betreffend die Privaten – Gabi, das ist ein bisschen unklar herausgekommen –: Die Privaten bekommen zwischen 20 und 50 Prozent aus dem Katastrophenfonds, aus dem Kärntner Nothilfswerk, nicht 60 Prozent. (Abg. Obernosterer: Vom Bund 60 Prozent!) Zu diesen 20 bis 50 Prozent gibt der Bund dazu.

Das Zweite, lieber Kollege Köchl: Die Schwierigkeit dabei ist, dass die Privaten zuerst alles wiederherstellen müssen, bis sie zu Geld kommen. Sie haben zwar 10 000 Euro als Sofortmaßnahme bekommen, aber sie müssen den Rest auch wiederherstellen, und das ist die Katastrophe dabei. Da müssen wir eine Regelung finden.

Und das Dritte: Lieber Gabi Obernosterer, ich gebe dir recht, wir müssen noch eine Regelung finden, damit die Gemeinden nicht als Bittsteller heraus­kommen und sagen müssen: Helft uns, wir wissen nicht, wie wir das stemmen können, wenn die Unwetter tagtäglich mehr werden! – Wir haben es selber erlebt: Man zittert bis zum Schluss, man weiß nicht, ob man Aufträge vergeben darf, weil einfach das Geld fehlt, weil man einfach nicht in der Lage bist,


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll224. Sitzung, 224. Sitzung des Nationalrats vom 6. Juli 2023 / Seite 514

vorzufinanzieren, und man steht als Bürgermeister einer kleinen Gemeinde vor einem Riesenschuldenberg.

Das muss möglich sein, Herr Minister. Ich weiß, du hast letztens schon gesagt: Ja, dafür haben die Länder Geld! – Nein, ich glaube, da müssen sich Länder und Bund darauf einigen, dass wir für die Gemeinden einen Schutzschirm bilden, dass wir sagen, dass sie, wenn so etwas passiert, die Schäden ersetzt bekom­men –das müssen sie wissen –, denn sonst ist es nicht umsetzbar.

Auch bei den Privaten bin ich der Meinung, dass man, wenn man miterlebt, wie Familien, die neue Häuser gebaut haben und 300 000, 400 000, 500 000 Euro Schulden haben, wirklich vor dem Nichts stehen und plötzlich nichts haben, eine Lösung finden sollte, auch die zu entschädigen, denn die Versicherungen – und das ist leider das Traurige – sind gar nicht bereit, zu versichern. Ich habe bei mir selbst erlebt, dass die Versicherung noch vor der Katastrophe eine Höher­versicherung meines Objektes abgelehnt hat, weil sie gesagt hat, diese Dinge werden nicht versichert.

Ich glaube, dass wir da sehr wohl die Verpflichtung haben, a) den Privaten zu helfen, aber auch b) in weiterer Folge für die Gemeinden eine Lösung zu finden, dass wir den Gemeinden diese Sorge der Finanzierung abnehmen.

Vielleicht gelingt das in der nächsten Zeit. Es wäre schön, wenn wir auch so wie heute parteiübergreifend etwas zusammenbrächten. – Danke. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Krainer: ... Angerer hat sich auch dafür eingesetzt!)

21.56


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Weidinger. – Bitte.


21.56.19

Abgeordneter Mag. Peter Weidinger (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus! Letzten Freitag war ich in Treffen. Ich war von der Freiwilligen Feuerwehr anlässlich einer Fahrzeugsegnung und eines historischen Ereignisses in der


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Gemeinde eingeladen: Es wurde erstmals eine Feuerwehrjugend eingeweiht – 26 junge Menschen, die gesagt haben, sie möchten sich in den Dienst der guten Sache stellen, mithelfen, ihren Beitrag leisten und unterstützen, wenn Not am Mann oder an der Frau ist.

Es war Bürgermeister Klaus Glanznig von der SPÖ, der sich dafür bedankt hat, wie hier überparteilich zusammengearbeitet wurde, auch dafür, dass sich der Herr Bundeskanzler vor Ort in Treffen und in Arriach persönlich ein Bild gemacht hat und dass die staatlichen Institutionen so ausgezeichnet zusam­mengearbeitet haben – sei es Bund, sei es Land, sei es Gemeinde.

Ich glaube, das ist auch ein Beispiel für einen Grundsatz, der uns allen Hoffnung schenken soll, nämlich wie gut es funktionieren kann, wenn wir alle aufeinander zugehen und uns um das kümmern, worum es geht, nämlich die Menschen zu unterstützen, wenn sie in einer Notlage sind.

Daher sind diese 3 Millionen Euro, die für die kleinen Gemeinden sehr, sehr viel Geld sind und eine große Summe darstellen, auch eine große symbolische Unterstützung und beweisen und unterstreichen, dass wir an ihrer Seite stehen, wenn es wirklich darauf ankommt, das Ehrenamt und die Menschen nicht alleine zu lassen.

So möchte ich mich hier neben den Bürgermeistern auch herzlich bei den gesamten Gemeindevorständen bedanken, wie bei Gemeindevorstand Bertram Mayrbrugger, Roswitha Reiner und auch Manfred Vidmar aus Arriach und Treffen, die sich mit vielen anderen Menschen sehr stark dafür eingesetzt haben, den Wiederaufbau in diesen Gemeinden voranzutreiben.

Es hat sich auch als sehr klug herausgestellt, dass die Zusammenarbeit zwischen Bezirkshauptmannschaft, Bundesheer, Feuerwehr und den Hilfsorganisationen im Vorfeld strukturiert geklärt wurde, und so war ein reibungsloser Ablauf möglich.


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Ich möchte aber auch noch auf den Punkt eingehen, den Kollege Bürgermeister Maximilian Linder genannt hat: Was natürlich bei solchen Fällen auch immer wieder hervortritt und was Abgeordneter Gabriel Obernosterer – bei dem ich mich auch persönlich herzlich bedanken möchte, weil ich quasi aus der Nachbar­gemeinde von Treffen und Arriach, aus der Stadt Villach, bin – angeführt hat, ist, dass man aus solchen Krisen auch immer lernen muss und es sicher auch Diskussionen bedarf, was man auf Landes- und Gemeinde-, aber auch auf Bun­des­ebene besser machen kann, wie zum Beispiel was die Richtlinie im Katastrophenfonds betrifft, der bei den Bundesländern liegt und überall unter­schiedlich ist.

Lassen Sie mich aber zum Schluss noch einmal zusammenfassen, wie es auch der Bürgermeister von Treffen gesagt hat: Er bedankt sich dafür, dass ein Ver­sprechen abgegeben wurde, und dieses Versprechen wurde von der Bundes­re­gie­rung und uns hier im Parlament auch gehalten. – Ein herzliches Ver­geltsgott dafür!

Wenn es darum geht, die Menschen zu unterstützen, können Sie sich auf uns verlassen – heute, morgen und übermorgen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

21.59


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Voglauer. – Bitte.


21.59.42

Abgeordnete Dipl.-Ing. Olga Voglauer (Grüne): Sehr geehrtes Hohes Haus! Spoštovana Visoka Hiša! Ja, es liegt etwas mehr als ein Jahr zurück, dass Kärnten in Wirklichkeit stillgestanden ist. Dieses Ereignis in Treffen und Arriach hat niemanden in unserem Bundesland kaltgelassen.

Egal wohin man kommt, es war das gesamte letzte Jahr so, wie es die Kollegen aus meinem Heimatbundesland, aus Kärnten, jetzt auch schon erklärt haben: Es


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gibt niemanden, der nicht irgendwen kennt, der in Treffen oder Arriach war oder selbst dort war – um zu helfen, um den Menschen, den Familien, den Betrof­fenen vor Ort, aber auch den Kommunen seine persönliche Hilfe anzubieten, sei es beim Schlammschaufeln, sei es, dass man die Scheibtruhe irgendwohin wegführen musste; man denke aber auch an die vielen Einsatzkräfte, die dort im Einsatz waren. Es war ein Schulterschluss über alle Parteigrenzen hinweg, dort im Moment einfach zu helfen, bei den Menschen zu sein und dafür Sorge zu tragen, dass auch wieder Normalität einkehrt.

Man hat das vorbildlichst geschafft, und deshalb wird morgen auch ein großes Dankesfest ausgerichtet, bei dem wir Kärntner Abgeordnete aufgrund der Plenarsitzung nicht dabei sein können, bei dem aber viele noch einmal ihre Dankbarkeit und auch ihre Zuversicht ausdrücken können.

Es ist aber auch dieser Tage so, dass es in Kärnten Wetterereignisse und Starkregen gibt, wie wir sie in der Vergangenheit selten gekannt haben, und in diesen Tagen ist es auch gerade dort, wo wir voriges Jahr diese unbeschreibliche Katastrophe erlebt haben, wieder zu Überschwemmungen gekommen.

Umso mehr freut es mich natürlich, dass wir es vonseiten des Bundes und über den Herrn Finanzminister geschafft haben, diese 3 Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung zu stellen, denn das ist auch ein Schulterschluss über die Landes­grenzen hinweg. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir kennen solche Ereignisse auch aus anderen Bundesländern. Gerade jetzt, dieser Tage, gibt es Murenabgänge in der Steiermark. Da muss man schon auch ein bisschen kritisch zur Raumordnung stehen. Letztendlich werden wir zukünftig darüber reden müssen: Wie gehen wir mit unserem Boden um? Wie schützen wir die Retentionsräume, die auch bei Starkregenereignissen Wasser zurückhalten und Überflutungen verhindern können?

Umso wichtiger ist es, dass wir auf unseren Boden schauen, dass wir genau darauf schauen, womit wir ihn verbauen und womit nicht – auch vor Ort in


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Kärnten: Muss es wirklich ein weiteres Chaletdorf sein oder kann es einfach eine Alm bleiben, die weiterhin den Siedlungsraum darunter schützt? – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

22.02 22.02.33


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Wünscht der Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Dann kommen wir zur Abstimmung.

Ich darf die Damen und Herren, die dem Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 2095 der Beilagen die Zustimmung erteilen, um ein Zeichen ersuchen. – Der ist somit einstimmig angenommen.

Wir kommen gleich zur dritten Lesung.

Wer dies auch in dritter Lesung tut, wird um ein Zeichen gebeten. – Das ist das gleiche Stimmverhalten. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung einstimmig angenommen.

22.03.0923. Punkt

Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über die Regie­rungs­vorlage (2047 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Weingesetz 2009 geändert wird (2163 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zum 23. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Ich darf den Herrn Bundesminister für Landwirtschaft herzlich begrüßen.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Schmiedlechner. – Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort. Bitte sehr.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll224. Sitzung, 224. Sitzung des Nationalrats vom 6. Juli 2023 / Seite 519

22.03.50

Abgeordneter Peter Schmiedlechner (FPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Bundesgesetz, mit dem das Weinge­setz 2009 geändert wird: Mit dieser vorliegenden Novelle des Weingesetzes sollen in spezifischen Themenbereichen Anpassungen beziehungsweise Ergänzungen vorgenommen werden.

Wir können diesem Gesetz die Zustimmung nicht erteilen. Durch die Einfüh­rung der ortsübergreifenden Weinbaugemeinde kann der Name einer Gemeinde oder eines Gemeindeteils von allen in einer Weinbaufläche gelegenen Gemeinden geführt werden. Was heißt das? – Für den Konsumen­ten wird die Herkunft des Weines schwerer nachvollziehbar. Es ist eh klar, dass die ÖVP ja irgendwie ein Problem mit der Herkunftskennzeichnung hat; deswegen muss man jetzt auch im Weinbereich eine Änderung durchführen.

Für die kleineren Winzer wird eine Positionierung der eigenen Marke erschwert, und wir befürchten, dass es zu einer massiven Markenkonzentration kommen wird. Wird die Ernte- und die Bestandsmeldung nicht fristgerecht abgegeben, wird keine staatliche Prüfnummer für Qualitätswein erteilt und der Wein darf nicht mit einer anderen Herkunftsangabe als Österreich und nur ohne Rebsortenbezeichnung in Verkehr gebracht werden.

Mit der Novelle des Weingesetzes schaffen wir den Grundsatz Beraten statt strafen ab, und das ist eine massive Belastung für die Winzer.

Aus diesem Grunde bringen wir folgenden Antrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen zum Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über die Regie­rungsvorlage (2047 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Weingesetz 2009 geändert wird (2163 d.B.) (TOP 23)


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Der Nationalrat wolle in 2. Lesung beschließen:

Der dem Ausschussbericht angeschlossene Gesetzentwurf wird wie folgt geändert:

1. In Z 10 lautet§ 29 Abs. 3:

„(3) Wird die Meldung gemäß Abs. 1 oder 2 nicht oder nicht fristgerecht abgegeben, kann für Weine, die von den Meldepflichtigen in Verkehr gebracht werden, keine staatlichen Prüfnummer für Qualitätswein erteilt werden und der Wein darf nicht mit einer anderen Herkunftsangabe als Österreich und nur ohne Rebsorten- und ohne Jahrgangsbezeichnung in Verkehr gebracht werden, bis die Meldung nachgeholt wurde.“

*****

(Beifall bei der FPÖ.)

Wir denken einfach, gerade in Zeiten wie diesen, da die Belastung für die Land­wirtschaft ohnehin schon groß genug ist und es gerade auch für die Wein­bauern in der Erntezeit oft sehr stressig ist, sollte man Nachsicht üben, und da man auch einmal etwas vergessen kann, sollte man durchaus auch die Möglichkeit schaffen, dass die Weinbauern das nachmelden können. (Beifall bei der FPÖ.)

22.07

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Peter Schmiedlechner

und weiterer Abgeordneter

zum Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über die Regierungsvorlage (2047 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Weingesetz 2009 geändert wird (2163 d.B.) (TOP 23)


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Der Nationalrat wolle in 2. Lesung beschließen:

Der dem Ausschussbericht angeschlossene Gesetzentwurf wird wie folgt geändert:

1. In Z 10 lautet § 29 Abs. 3:

„(3) Wird die Meldung gemäß Abs. 1 oder 2 nicht oder nicht fristgerecht abgegeben, kann für Weine, die von den Meldepflichtigen in Verkehr gebracht werden, keine staatlichen Prüfnummer für Qualitätswein erteilt werden und der Wein darf nicht mit einer anderen Herkunftsangabe als Österreich und nur ohne Rebsorten- und ohne Jahrgangsbezeichnung in Verkehr gebracht werden, bis die Meldung nachgeholt wurde.“

Begründung

Allgemeiner Teil

Mit der Novelle des Weingesetzes wird der Grundsatz „Beraten statt Strafen“ für heimische Winzer abgeschafft. Dieser besagt seit 1. Jänner 2019, dass die Verwaltungsstrafbehörden bei geringfügigen Verwaltungsübertretungen – unter bestimmten Voraussetzungen – zunächst keine Verwaltungsstrafe verhängen, sondern beraten sollen. Diese Möglichkeit besteht vor allem nicht bei Vorsatz, wiederholten Verwaltungsübertretungen oder Entziehung von Berechtigungen.

Bislang drohte gemäß § 61 Abs. 1 Z 4 Weingesetz 2009 die Verhängung einer Verwaltungsstrafe, wenn ein Winzer die Ernte- und Erzeugungsmeldung vergessen hatte. Der Grundsatz „Beraten statt Strafen“ war dabei zugunsten der betroffenen Winzer anzuwenden.

Durch die Novelle des Weingesetzes von ÖVP und Grünen kommt es darüber hinaus zu einer maßgeblichen Verschärfung: Wer nach der neuen Regelung nicht fristgerecht die Ernte- bzw. Erzeugungsmeldung vornimmt, weil die Stichtage in die betriebsame Zeit fallen oder andere gute Gründe zur Fristversäumung führen, wird gemäß § 29 Abs. 3 erster Satz im novellierten Weingesetz zusätzlich bestraft:


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Wird die Meldung gemäß Abs. 1 oder 2 nicht oder nicht fristgerecht abgegeben, kann für Weine, die von den Meldepflichtigen in Verkehr gebracht werden, keine staatlichen Prüfnummer für Qualitätswein erteilt werden und der Wein darf nicht mit einer anderen Herkunftsangabe als Österreich und nur ohne Rebsorten- und ohne Jahrgangsbezeichnung in Verkehr gebracht werden.

Ohne Möglichkeit die versäumte Meldung nachzuholen, erfolgt die einer Enteignung gleichkommende komplette Abwertung der Qualitäten eines gesamten Jahrganges. Zugleich kommt es im Widerspruch zum Doppelbestrafungsverbot des Art 4 7. ZPMRK zu einem Verfahren wegen einer Verwaltungsübertretung, welche von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe bis zu 1 820 € zu bestrafen ist.

Sinnvoller und angemessener wäre eine Sperre der Qualitätsbezeichnung bis zum Vorliegen der Meldungen. Dieses Modell kennt das Weingesetz bereits betreffend die Erteilung der staatlichen Prüfnummer. Im Fall einer nicht fristgerechten Entrichtung des Entgelts für die Erteilung, erfolgt gem. § 25 Abs. 4 letzter Satz eine Sperre. Wird der offene Betrag beglichen, wird die staatliche Prüfnummer erteilt.

Zwar heißt es in den Erläuterungen der Novelle, dass die Bundeskellereiinspektion vor Verhängung der Sanktion die betreffenden Betriebe kontaktieren und zur umge­hen­den Abgabe der Meldung auffordern wird, im Gesetz selbst fehlt jedoch eine korrespondierende Norm. Ob, wie und wann Betriebe tatsächlich kontaktiert werden, bleibt der Bundeskellereiinspektion selbst überlassen. Mit schwerwiegenden Eigentumseingriffen als Konsequenz, wird damit der Willkür Tür und Tor geöffnet.

Besonderer Teil

Durch die Beifügung der Wortfolge „bis die Meldung nachgeholt wurde“ in § 29 Abs. 3 wird die Möglichkeit eingeführt, eine versäumte Ernte- bzw. Erzeugungsmeldung nachzuholen. Bis zu dieser Nachmeldung bleibt die Qualitätsbezeichnung gesperrt.

*****



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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Abänderungsantrag ist ordnungsmäßig eingebracht, ausreichend unterstützt und steht somit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Schmuckenschlager. – Bitte.


22.07.53

Abgeordneter Johannes Schmuckenschlager (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Die heutige Novelle zum Weingesetz hat eigentlich zwei wesentliche Punkte.

Der erste ist die Einführung ortsübergreifender Weinbaugemeinden. Das bedeu­tet, dass wir zum Beispiel im Weinbaugebiet Thermenregion die Bezeichnung Gumpoldskirchen auch für die angrenzenden Rieden in Guntramsdorf, Traiskirchen oder Mödling verwenden können. Das geht aber nur dann, wenn sich die Regionen selbst dafür entscheiden und die Weine auch eine homogene, gebiets­typische Ausprägung haben. Das wird auch in anderen Gebieten so ange­wendet, ist auch international gängig, und es ist auch ein großer Wunsch aus der Branche gewesen, da noch genauer mit der Herkunft zu arbeiten.

Der zweite Teil ist eine weingesetzliche Anpassung, was Ernte- und Bestands­meldung betrifft, zwei Meldungen, die die Betriebe jährlich abzugeben haben. Da geht man vom Papierdokument komplett weg und zu einem digitalen Dokument über. Diesen Übergang haben wir ja schon begonnen, jetzt wird er komplett umgesetzt. Das heißt: Verwaltungsvereinfachung durch neue Technologie; und wenn es der eine oder andere Winzer digital nicht zustande bringt, wird er über die Bezirksbauernkammern selbstverständlich unterstützt. Dass man da auch assistiert, ist gerade bei älteren oder kleineren Betrieben vielleicht da oder dort einmal notwendig.

Eines hat man dazu aber auch eingeführt: Weil die Weinwirtschaft bitter gelernt hat, dass Schummeln etwas ist, das bei uns nicht funktionieren kann und am Markt kein Vertrauen schafft (Heiterkeit der Abg. Krisper), hat man vor allem bei


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den Ernte- und Bestandsmeldungen auch eine Strafe eingeführt. Bisher war eine Nichtabgabe dieser Meldung mit einer Verwaltungsstrafe belegt. Das war aber seitens der Kontrolle durch die Bundeskellereiinspektionen zu schwach und konnte gewisse Betriebe nicht dazu animieren, diese Dokumente in Zukunft abzugeben.

Nun ist es so: Bringt ein Betrieb diese Dokumente nicht bei, , kann keine Prüf­nummer für Qualitätswein erteilt werden, das heißt, er kann den Wein nur mehr in den unteren Qualitätsbereichen verkaufen. Somit will man ein bisschen einen Erziehungsfaktor mithineinbringen, und es ist selbstverständlich so, dass Betriebe, die das nicht zeitgerecht beibringen, extra dazu aufgefordert werden, das nachträglich noch einzubringen (Zwischenruf des Abg. Loacker), ganz im Sinne der Bundeskellereiinspektion: beraten, kontrollieren, informieren, gemein­sam mit der Branche da Ordnung schaffen, denn das ist das Wesentliche: Vertrauen in die Weinwirtschaft, das ist der Erfolgsweg des österreichischen Weins. Gerade die Herkunftswerbung ist so wichtig, und darum wird ja die Her­kunft über die Marken gestellt und ist uns die Herkunft heilig.

Heute ist auch ein neues Projekt für Österreich jetzt vollkommen vollständig: Österreich ist das erste Weinbauland auf der Welt, in dem ein vollständiger Riedenkatalog digital im Internet abrufbar ist. Unter riedenkarten.at können Sie alle einzelnen 5 000 Lagen Österreichs im Internet erforschen, schauen, welche Wetterbedingungen dort herrschen, und das nachvollziehen. Das heißt, das ist eigentlich das genaueste Herkunftssystem, das es gibt, somit ein Riesenservice für die Konsumenten.

Mit diesem Gesetz geben wir weitere Basis für den erfolgreichen Weg des öster­reichischen Weines. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie des Abg. Kucher.)

22.11


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Ecker. – Bitte.



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22.11.28

Abgeordnete Cornelia Ecker (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Der Weinskandal 1985, einer der größten Lebensmittelskandale in der Zweiten Republik, hat dazu geführt, dass Österreich eines der strengsten Weingesetze weltweit hat.

Nach diesem Schock erfolgte eine Erfolgsgeschichte des österreichischen Weines. Mit einem grundsätzlich neuen und strengeren, aber auch fortschritt­lichen Weingesetz wurden die Grundlagen für eine ökonomische Absicherung Tausender Familienbetriebe in Österreich gesichert und die Qualität unserer heimischen Weine wiederhergestellt.

Wie sich herausstellen sollte, ist die Weinwirtschaft wieder zukunftsfit gemacht worden. Jede Änderung des Weingesetzes steht immer insbesondere unter dem Blickwinkel eines guten wirtschaftlichen Fortkommens unserer Weinbaubetriebe und natürlich auch der Qualität der österreichischen Weine. Auch diese Novelle soll zu dem Ziel führen, dass die Qualität und auch das Vertrauen der vor allem treuen österreichischen Weinkundinnen und -kunden wiederhergestellt wird.

Die vorliegende Novelle enthält unter anderem Regelungen, auf deren Grundlage in Zukunft Ernte- und Bestandsmeldungen digital erfolgen sollten, wie mein Vorredner schon ausgeführt hat. Eine automationsunterstützte Datenbank wird mit den Invekos-Daten verknüpft, dem integrierten Verwaltungs- und Kon­trollsystem der EU. In Zukunft wird die Abgabe der Ernte- und Bestands­meldun­gen digital erfolgen müssen. Die Stammdaten von Invekos werden mit der AMA aktualisiert werden. Die Folge soll eine präzisere, mit dem Rebflächen­ver­zeichnis verknüpfte Erhebung der Daten sein.

Auf dieser Basis wird die Kontrolltätigkeit der Bundeskellereiinspektion erfol­gen, deren Aufgabe es ist, eine erfolgreiche und den fairen Wettbewerb sichernde Kontrolltätigkeit durchzuführen. Bei inkorrekten Meldungen, wie der Kollege schon ausgeführt hat, wird die Bundeskellereiinspektion vor


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Verhängung der Sanktion, die bereits nach erstmaliger inkorrekter Meldung erfolgen soll, die betreffenden Betriebe eben kontaktieren und zur umgehenden Meldung auffordern. Dies wurde uns auch im Ausschuss versichert, und deshalb werden wir da zustimmen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Herr Bundesminister, wir wissen, wie überaus wichtig auch weiterhin gerade ein florierender Weinexport für die Preisstabilisierung sein wird. Das Nationale Weinkomitee diskutiert derzeit ja ein System, wie sich der Export des öster­reichi­schen Weines in Zukunft entwickeln soll. Entscheiden Sie, Herr Minister, im Rahmen Ihrer gleichzeitig eingeräumten Aufsichtsmöglichkeiten über die Körperschaft öffentlichen Rechts des Nationalen Weinkomitees so, dass der Weinstandort Österreich und die Weinbaubetriebe in Österreich im Sinne der Qualitätsproduktion gesichert bleiben! – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

22.15


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Doppelbauer. – Bitte sehr, Frau Abgeordnete.


22.15.13

Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Herr Präsident! Herr Landwirtschaftsminister! Hohes Haus! Ja, wir haben es schon gehört, es geht heute um eine Änderung im Weingesetz beziehungsweise um eine nachhaltige, verschärfte Verbesserung der DAC-Kennzeichnung, und DAC, meine Damen und Herren – ich glaube, das wissen viele von uns –, ist einfach die höchste österreichische Auszeichnung für die Weinqualität. Es ist tatsächlich etwas, das bei österreichischem Qualitätswein sehr, sehr wichtig ist, vor allem auch für die Vermarktung.

Es geht um gebietstypische Charakteristika, es geht um ein Qualitätspro­gramm, das aus unserer Sicht ohne Zweifel auch so erhalten bleiben soll, und in dieser Novelle, die wir heute diskutieren, geht es eben darum, dass man


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mit dem Programm die Bestimmungen der EU über den Schutz geschützter Ursprungsangaben in Einklang bringt.

Jetzt darf ich für meine Fraktion zu dieser Tageszeit oder zu diesem späteren Zeitpunkt sagen: Wir alle stehen voll und ganz hinter der hohen Qualität des DAC und werden da durchaus mitstimmen. (Beifall bei den NEOS, bei Abgeordne­ten der ÖVP sowie der Abg. Voglauer.)

Was wir uns natürlich auch angeschaut haben, ist das, was Kollege Schmiedlechner schon angesprochen hat: Es ist bei den Sanktionen überbordend. Da aber in der Kennzeichnung auch dabeisteht, dass die Sanktionen eben nur dann umgesetzt werden, nachdem Betriebe kontaktiert wurden, finden wir das nach­vollziehbar, obwohl wir natürlich auch finden: Das hätte durchaus auch im Gesetzestext Niederschlag finden können.

Weil wir jetzt so viel über dieses Weingesetz gesprochen haben, würde ich ganz gerne noch über die Dinge sprechen, die wir nicht im Landwirtschaftsausschuss besprechen.

Herr Landwirtschaftsminister, ich darf Ihnen gratulieren. Sie sind jetzt relativ genau ein Jahr im Amt, ich glaube, am 17. Juli wird es ein Jahr. Es gab vier Aus­schusssitzungen in diesem Jahr, und in diesen vier Ausschusssitzungen wurden genau zwei Regierungsvorlagen behandelt; eine, mit der wir den Bauern mehr Geld aus der Tasche ziehen, weil die AMA-Beiträge erhöht worden sind, und die zweite heute zum DAC-Gesetz.

Jetzt könnte man glauben, es sei alles großartig in der österreichischen Land­wirtschaft (Zwischenruf der Abg. Seidl), aber dem, meine Damen und Herren, ist nicht so. Worüber wir nicht reden, sind EU-Novellen, die auf uns zukommen, im Augenblick eine große Diskussion zum Thema Gentechnik, eine Riesendis­kus­sion zum Thema Mercosur, eine Riesendiskussion zur Renaturierung, eine Riesendiskussion darüber, wie es denn in der Landwirtschaft weitergehen soll. Diese findet außerhalb dieses Hohen Hauses statt, nicht aber hier herinnen.


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Die Suppe ist, bei allem Respekt, Herr Landwirtschaftsminister, zu dünn. Sie müssen wirklich in die Gänge kommen, und ich erwarte mir da sehr viel mehr, auch als Vorlagen von Ihrer Seite, die dann im Herbst und Winter in den Landwirtschaftsausschuss kommen. Es gibt unglaublich große Probleme, die wir angehen müssen, und diese – ganz im Ernst – lassen Sie im Augenblick liegen. Das ist wirklich schade. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

22.18


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist der Herr Bundes­minister. – Bitte.


22.18.25

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft Mag. Norbert Totschnig, MSc: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Geschätzte Damen und Herren! Frau Kollegin Doppelbauer, ich bin seit Mai 2022 im Amt, und das erste Gesetz war das GAP-Grundsätzegesetz. Das ist ein ganz wichtiges Gesetz gewesen, denn darauf aufbauend konnten wir den GAP-Strategieplan beschließen. Dadurch, dass Agrarpolitik eine verge­meinschaftete Politik ist, ist natürlich ein wesentlicher Schwerpunkt auf Brüsseler Ebene zu bewältigen, und da ist uns, muss ich sagen – und das sage ich mit Stolz–, sehr viel gelungen, wenn ich an die Umsetzung der neuen Gemeinsamen Agrarpolitik denke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Die österreichischen Winzerinnen und Winzer sind besonders innovativ und produzieren Spitzenweine, die weltweit einen ausgezeichneten Ruf genießen. Die geografische Lage Österreichs ist ein wichtiger Faktor für die einzigartige Qualität unserer Weine. Weine mit einer spezifischen Gebietscharakteristik werden in Österreich mit dem Namen des Gebiets und dem Zusatz, wir haben es gehört, DAC – Districtus Austriae Controllatus – ausgezeichnet.

Wir haben in Österreich 17 DAC-Gebiete, Weinviertel DAC, Südsteier­mark DAC, Neusiedlersee DAC, und das ist eine wirkliche Erfolgsgeschichte, die sich in den


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letzten 20 Jahren entwickelt hat. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Warum ist das so? – Weil dieses DAC-System unsere österreichischen Weine unverwechselbar macht, indem es die Herkunft des Weines in den Vor­dergrund stellt. Um Österreichs Vorsprung in der Weinwirtschaft noch weiter auszubauen, haben wir mit dem Koalitionspartner und vor allem mit der Weinbranche eine Novelle des Weingesetzes auf den Weg gebracht, die heute hier zur Debatte steht.

Was sind die drei Schwerpunkte in dieser Novelle? – Der erste ist die Stär­kung der DAC-Ursprungsbezeichnung. Wie erreichen wir das? – Wir erreichen das durch eine rechtliche Klarstellung, die sicherstellt, dass DAC-Weine in vollem Umfang den im EU-Recht vorgesehenen Schutz von Ursprungsbezeich­nungen genießen können. Damit wird ermöglicht, dass wir in Zukunft die umfangreichen Möglichkeiten, Ursprungskennzeichnungen, Ursprungsbezeich­nungen zu definieren und zu spezifizieren, vollumfänglich nutzen können.

Der zweite Schwerpunkt ist die Einführung des Begriffs ortsübergreifende Weinbaugemeinde. Der Herkunftsbegriff bei DAC-Weinen beschreibt ja neben dem Ursprung auch die Qualität von bestimmten Ortschaften über Gebiete, Großlagen bis hin zu den einzelnen Weingärten, den sogenannten Rieden – da steht dann auf der Flasche Gebietswein, Ortswein oder Riedenwein. Die Herkunftsebene ist sowohl für die Winzerschaft als auch für die österreichischen Konsumentinnen und Konsumenten ein wichtiges Kommunikationsmittel, um herkunftstypische Weine zu beschreiben. Mit der Aufnahme des Begriffs ortsübergreifende Weinbaugemeinde ins Weingesetz schaffen wir ein zusätzliches Alleinstellungsmerkmal für unsere vor allem kleinstrukturierte Weinwirtschaft in Österreich.

Der dritte Aspekt ist die Digitalisierung des Meldewesens im Weinsektor; da geht es insbesondere um die Bestands- und um die Erntemeldung. Dies ermöglicht eine bürokratische Entlastung für die Betriebe. Damit wird eine


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wesentlich präzisere und mit dem Rebflächenverzeichnis verknüpfte Erhebung der Daten ermöglicht, was vor allem den Winzerfamilien zusätzlichen Verwal­tungsaufwand erspart.

Meine Damen und Herren, unser österreichischer Wein zählt mittlerweile zu den besten der Welt. Der Weinbau ist identitätsstiftend und steht für vieles, was auch für Österreich insgesamt typisch ist, zum Beispiel das Thema Nachhaltigkeit und Qualität. Es ist dies vor allem ein Verdienst unserer Winzerinnen und Win­zer in Österreich, und mit der vorliegenden Novelle des Weingesetzes leisten wir einen Beitrag zur Verbesserung der Marktchancen der österreichischen Weinwirtschaft.

Ich bitte um Zustimmung. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

22.23


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bei allem Verständ­nis für die Liebe zur Diskussion, Sie hätten auch einen praktischen Beweis antreten können, wie gut der DAC ist, und die Kollegenschaft einladen können, nicht? (Beifall bei ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS.)

Aber ich hoffe, wir werden das nachholen können. Es lässt sich gut theoretisch über den Wein diskutieren, aber man sollte das praktisch überprüfen. (Allgemeine Heiterkeit und allgemeiner Beifall. – Abg. Holzleitner: Nach der Sitzung! Nach der Sitzung! – Abg. Lindner: ... Herr Präsident!) – Natürlich nach der Sitzung, selbst­verständlich, aber ich habe die Einladung vermisst.

Zuletzt zu Wort gemeldet ist Kollege Berlakovich. – Bitte.


22.23.44

Abgeordneter Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Herr Präsident, das könnte man fortspielen: Wenn wir das nächste Mal über Schweineschnitzel reden, dann werden hier duftende, knusprige Schnitzel serviert. (Abg. Wurm: Auch super!) Zum Ernst der Lage, zum Thema. (Abg. Krainer: Aber ich würde gerne ein bisschen


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über vegane Kost auch reden!) Veganes Laborfleisch? – Das können Sie gerne haben, das gibt es heute schon alles.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, man kann mit Fug und Recht behaupten, dass Wein Kulturgut ist, dass der österreichische Wein mit Sicherheit ein wesentlicher Teil unserer Kulinarik ist und eben auch ein Aushängeschild Österreichs.

Österreich ist im Verhältnis zu anderen Weinbauregionen ein sehr kleines Land, aber die Strategie, die vor Jahrzehnten gewählt wurde, ist sehr erfolgreich, nämlich: Vor Jahrzehnten hat sich die österreichische Weinwirtschaft, haben sich die Winzerinnen und Winzer dazu entschlossen, einen konsequenten Quali­tätsweg zu gehen, um eben oben mitzuspielen und nicht mit der Masse. Das ist erfolgreich, und das heutige Gesetz fügt sich in die notwendigen Gesetze, die diesen Weg, diesen Qualitätsweg untermauern sollen, ein.

Unsere Weine sind nämlich – so wie es Norbert Totschnig gesagt hat – für die Größe des kleinen Österreichs Weltklasse, sind auf allen Märkten der Welt präsent und brauchen keinen Vergleich zu scheuen. Wenn Sie Weine aus Australien, aus Südamerika, aus Europa – Frankreich, Italien –, aus exzellenten Weinbauländern kosten: Österreichischer Wein spielt überall mit und gewinnt auch. Das ist das Verdienst der Winzerinnen und Winzer, wofür wir ihnen sehr dankbar sind. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Die Gesetzesnovellen sind notwendig, weil sich die Weinwirtschaft in einem völlig freien Markt bewegt, weil die Weinwirtschaft in Österreich enorm innovativ ist – und das auch sein muss, weil sich die Kundenwünsche ändern, die Geschmäcker ändern und die Dynamik in diesen Märkten riesig ist.

Das alles ist nicht selbstverständlich und ist schon ein harter Weg. In Österreich gibt es in etwa über 44 000 Hektar Rebfläche; knapp 70 Prozent sind Weißwein, der andere Teil ist Rotwein. In meinem Heimatbundesland Burgenland ist es


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umgekehrt: Das ist die einzige Weinbauregion, wo es mehr Rotwein gibt, nämlich knapp 55 Prozent.

Auch der Weinkonsum hat sich geändert: Interessanterweise steigt der Wein­konsum – der Bierkonsum pro Kopf ist viel höher –, aber es ändert sich das Konsumentenverhalten, denn es gibt ein höheres Gesundheitsbewusstsein, Wein wird genossen, auch die jüngeren Menschen trinken verstärkt Wein, und es ist eben anders, als es früher war: Auch der Weinabsatz hat sich zentral geändert, und das ist für die Weinwirtschaft eine große Herausforderung.

Corona war teilweise eine Katastrophe, als Restaurants, Hotels zugesperrt haben und plötzlich Absatzmärkte weggebrochen sind. Unsere Weinwirtschaft hat es deswegen geschafft, da drüberzukommen, weil sie im Export sehr erfolgreich war. Wir hatten 2021 schon ein sehr erfolgreiches Exportjahr, und 2022 wurde das sogar übertroffen – nicht in der Menge, aber in der Wertschöp­fung, im Ertrag. Dazu muss man dem Weinbaupräsidenten Schmuckenschlager und seinem Team, der Österreichischen Weinmarketing, recht herzlich gratulieren: Lieber Hannes, tolle Leistung! (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Schwarz.)

Das, was unsere Winzer machen, ist nämlich in Wahrheit, Frontrunner für den Lebensmittelbereich zu sein. Ein Gumpoldskirchner Wein ist hervorragend, genauso wie der Klosterneuburger oder auch der Mittelburgenländer, weil sie gebietstypisch sind. Das ist der USP der Weinwirtschaft: dass man gebiets­typische Weine produziert, die genau so schmeckend aus dieser Region kom­men. Das macht es spannend und das bringt den Erfolg dabei.

Deswegen gibt es neue Wege – auch in Kombination mit dem Weintourismus, wie es in meinem Heimatbundesland gemacht wird –, und daher sollten wir, wozu der Herr Präsident aufgerufen hat, auch den Wein kosten und genießen – in vernünftigen Maßen natürlich. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

22.27 22.27.36



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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Der Berichterstatter verzichtet auf ein Schlusswort.

Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 2047 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Wir stimmen zuerst über die vom erwähnten Abänderungsantrag betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile ab.

Die Abgeordneten Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungsantrag betreffend Ziffer 10 eingebracht.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über diese Teile des Gesetzentwurfes in der Fassung der Regierungsvorlage.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für die Regierungsvorlage sind, um ein dementsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit, angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung der Regierungsvorlage.

Wer das tut, wird um ein Zeichen der Zustimmung gebeten. – Das ist das gleiche Stimmverhalten.

Wir kommen zur Abstimmung in dritter Lesung.

Wer gibt dem auch in dritter Lesung die Zustimmung? – Gleiches Stimmver­halten. Dieser Gesetzentwurf ist mit Mehrheit angenommen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll224. Sitzung, 224. Sitzung des Nationalrats vom 6. Juli 2023 / Seite 534

22.28.4824. Punkt

Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Antrag 3473/A(E) der Abgeordneten Dipl.-Ing. Georg Strasser, Clemens Stammler, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Sichtbarmachung der sozialen und psychischen Heraus­forderungen für österreichische Bäuerinnen und Bauern und einem Bekenntnis zur Unterstützung, u.a. durch Weiterführung und Ausbau des bäuerlichen Sorgentelefons.“ (2164 d.B.)

25. Punkt

Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Antrag 392/A(E) der Abgeordneten Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bericht zu Selbstmorden und psychischen Erkrankungen bei Landwirtinnen und Landwirten (2165 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zu den Tagesordnungs­punkten 24 und 25, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Keck. Bei ihm steht das Wort. – Bitte sehr.


22.29.46

Abgeordneter Dietmar Keck (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Wir behandeln jetzt auch einen Antrag der Abgeordneten Strasser, Stammler, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Sichtbarmachung der sozialen und psychi­schen Herausforderungen für österreichische Bäuerinnen und Bauern und einem Bekenntnis zur Unterstützung, u.a. durch Weiterführung und Ausbau des bäuerlichen Sorgentelefons.“.

Uns ist allen bewusst, wie es in diesem Antrag steht, dass die Arbeit der Bäuerinnen und Bauern eine schwere Arbeit ist, eine körperliche Arbeit ist, eine


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stark psychisch beanspruchende Arbeit ist und dass durch diese Arbeit natürlich auch psychosoziale Probleme auftreten, die man auch behandeln muss. Wenn man sich diesen Antrag anschaut, dann kann man dort auf Seite 2 feststellen, dass im Jahr 2022 875 Bäuerinnen und Bauern ein Service dieses Sorgentelefons in Anspruch genommen haben, und da eben viel Hilfe geleistet wird.

Ich denke aber, es ist auch notwendig, mehr in diesem psychosozialen Bereich zu tun. Da wäre es notwendig, auch eine ausreichende Zahl an Behandlungsplätzen für psychisch erkrankte Menschen zu haben, denn es steht in diesem Antrag gleichfalls drinnen, dass es eben ein Unwohlsein und eine Angst davor gibt, sich einer solchen Behandlung zu unterziehen. Wir bräuchten auch kurzfristig klinisch-psychologische Behandlungen als Kassenleistung, denn auch das sind Maßnahmen, die von vielen Bäuerinnen und Bauern, wie es in diesem Antrag steht, nicht angenommen werden.

Wir brauchen auch langfristig einen Masterplan: Psychisch gesundes Österreich aller PSY-Berufe, das sind Psychiater:innen, Psychotherapeut:innen oder klinische Psycholog:innen, damit man diese Probleme, die diese Bäuerinnen und Bauern haben, aufarbeiten kann.

Ich denke aber, dass wir diese Maßnahmen nicht nur für die Bäuerinnen und Bauern hier in Österreich brauchen, sondern wir brauchen diese Maßnahmen für alle Bewohnerinnen und Bewohner Österreichs, für alle Menschen, die psycho­soziale Probleme haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Deshalb bringe ich folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dietmar Keck, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Österreichs Nachholbedarf im Bereich psychischer Erkrankungen“, eingebracht im Zusammenhang mit TOP 24 Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Antrag 3473/A(E) der Abgeordneten Dipl.-Ing. Georg


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Strasser, Clemens Stammler, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Sichtbar­machung der sozialen und psychischen Herausforderungen für österreichische Bäuerinnen und Bauern und einem Bekenntnis zur Unterstützung, u.a. durch Weiterführung und Ausbau des bäuerlichen Sorgentelefons.“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wird aufgefordert, die Forderungspunkte der Petition „Für eine bessere Versor­gung von Menschen mit psychischen Erkrankungen in Österreich“ des Berufs­verbandes Österreichischer PsychologInnen BÖP rasch vollinhaltlich umzusetzen und über die Fortschritte der Umsetzung dem Nationalrat jährlich zu berichten.“

*****

Ich denke, dieser Entschließungsantrag, Herr Minister, und speziell für dich, lieber Georg Strasser, ist ein Antrag, der den Bauern und Bäuerinnen hilft. Das ist ein Antrag, der allen Menschen in Österreich hilft. Ich setze voraus, dass auch ihr diesem Entschließungsantrag zustimmen werdet, weil er auch im Sinne eures Entschließungsantrages ist, der auch beschlossen werden soll. (Beifall bei der SPÖ.)

22.32

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dietmar Keck,

Genossinnen und Genossen

betreffend „Österreichs Nachholbedarf im Bereich psychischer Erkrankungen“

eingebracht im Zusammenhang mit TOP 24 Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Antrag 3473/A(E) der Abgeordneten Dipl.-Ing. Georg


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Strasser, Clemens Stammler, Kolleginnen und Kollegen betreffend "Sichtbar­machung der sozialen und psychischen Herausforderungen für österreichische Bäue­rinnen und Bauern und einem Bekenntnis zur Unterstützung, u.a. durch Weiter­führung und Ausbau des bäuerlichen Sorgentelefons."

Die psychischen Herausforderungen sind in Österreich sowohl für Landwirtinnen und Landwirte, als auch jede andere Berufsgruppe gestiegen. Die gesamte Bevölkerung hat durch die Krisen der letzten Jahre verstärkt gelitten.

Beinahe sämtliche psychische Erkrankungen befinden sich im Vormarsch. Kein Wun­der, in einer Welt, die so beschleunigt ist wie noch nie, in einer Welt in der permanente und digitale Vernetztheit zu mehr Einsamkeit und Isolation führt. Die zunehmenden Anforderungen in der Arbeitswelt, immer mehr in immer kürzer werdender Zeit leisten zu müssen, führen zu Belastungen. Immer mehr Menschen berichten, dass sie sich erschöpft und müde fühlen. Immer mehr Menschen sagen, dass sie sich „ausgebrannt“ fühlen. Beeinträchtigungen des Wohlbefindens sowie der psychischen und körperlichen Gesundheit sind sehr häufig geworden und haben negative Folgen wie beispielsweise Krankheiten oder eine eingeschränkte Arbeits­fähigkeit.

Vor allem in den letzten Jahren steigt die Zahl jener Menschen, die sich wegen psychi­scher Erkrankungen im Krankenstand befinden oder frühzeitig in Pension gehen, deutlich an. Diese drastische Zunahme verursacht beträchtliche Kosten und stellt eine der großen Herausforderungen für das Gesundheits- und Sozialsystem in Österreich dar.

Während 1995 noch „nur“ 10,8% aller Invaliditätspensionen auf psychische Krank­heiten als Ursache zurückzuführen waren, waren es 2011 bereits 32,1%. 1 Ähnlich hat in Österreich auch die Zahl der Krankenstandstage aufgrund psychischer Erkrankungen zugenommen.

Österreich hat in der Betreuung psychisch erkrankter Menschen großen Aufhol­bedarf. 20.000 Menschen haben daher die Petition „Für eine bessere Versorgung von


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Menschen mit psychischen Erkrankungen in Österreich“ des Berufsverbandes Österreichischer PsychologInnen BÖP unterschrieben, um diesen Missstand aufzuzeigen.

Der Bericht zu psychischen Krankheiten in Österreich (2017) „Prävalenz und Versorgung psychischer Krankheiten in Österreich“ weißt in seiner Conclusio (aus der repräsentativen Stichprobeuntersuchung) unter anderem aus:

„Psychische Erkrankungen sind in Österreich häufig“, sie „kommen unter anderem häufiger bei finanziellen Sorgen und bei der Versorgungpflicht für ein langdauernd erkranktes Familienmitglied vor“. „Es gibt Anlass zur Sorge, dass 57,5% der psychisch Kranken keinerlei Behandlung für ihre Krankheit erhielt.“2

Dies deckt sich mit Feststellungen auf europäischer bzw. internationaler Ebene. Im Jahr 2017 rückte die WHO anlässlich des Weltgesundheitstags Depressionen ins Blickfeld. Diese sind mittlerweile führende Ursache für Behinderungen und Mitverur­sacherin von rund 128.000 Selbsttötungen, die jährlich in der Europäischen Region laut WHO stattfinden. 3 Insgesamt litten rund 40 Millionen Menschen in der Euro­päischen Region an depressiven Störungen. Doch „obwohl Depressionen behandelt und vermieden werden könnten, erhalten mindestens 75% der unter schweren Depressionen leidenden Menschen keine angemessene Therapie,“ sagte WHO Regionaldirektorin für Europa Dr. Zsuzsanna Jakab.

Aus volkswirtschaftlicher Perspektive gilt zu bedenken: „Psychische Erkrankungen verursachen sowohl für den einzelnen Betroffenen als auch für die Gesellschaft insgesamt hohe Kosten.“4

In einer unter der Regie der WHO durchgeführten Studie wurden die jährlichen weltweiten Kosten von Depressionen und Angststörungen neulich auf über 1 Billion US-Dollar geschätzt. „Nicht zu handeln wäre teuer, denn die wirtschaftlichen Kosten von Depressionen und anderen psychischen Störungen sind in erster Linie wegen der Fehlzeiten und der verringerten Produktivität enorm,“ sagte Dr. Dan Chis­holm, Leiter des Programms für psychische Gesundheit am Regionalbüro.


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Während in Österreich die Zahl der Betroffenen seit Jahren zunimmt, gibt es bei der Versorgung in Österreich massive Lücken. Monatelange Wartezeiten - gerade für Kinder und Jugendliche - sind keine Seltenheit. Ein verspäteter Behandlungsbeginn führt jedoch bei Betroffenen zu mehr Leid und verursacht eben zudem im Gesund­heits- und Sozialsystem Zusatzkosten in enormer Höhe.

Die Petition „Für eine bessere Versorgung von Menschen mit psychischen Erkran­kungen in Österreich“ des Berufsverbandes Österreichischer PsychologInnen BÖP stellt daher drei konkrete Forderungen auf:

1. Ausreichend Behandlungsplätze für psychisch erkrankte Menschen. Wir fordern ambulante Behandlungsplätze für eine Vollversorgung ohne Wartezeit und auf hohem Qualitätsniveau. Im Zentrum: Der Auf- und Ausbau der Kassenplätze für Klinische PsychologInnen, PsychiaterInnen und PsychotherapeutInnen.

2. Kurzfristig: Klinisch-psychologische Behandlung als Kassenleistung. Klinisch-psychologische Behandlung wirkt effizient. Das belegen wissenschaftliche Studien. Während klinisch-psychologische Behandlung im stationären Bereich (Kranken­anstalten) längst etabliert und gesetzlich seit 1993 verankert ist, gibt es das Angebot klinisch-psychologischer Behandlung als Kassenleistung im niedergelassenen Bereich noch immer nicht. Obwohl damit eine massive Versorgungslücke auch in den ländlichen Gebieten rasch und hoch qualitativ zu schließen wäre. Durch die Aufnahme klinisch-psychologischer Behandlung als Kassenleistung ins Allgemeine Sozialver­sicherungsgesetz (ASVG) wird der dringendste akute Versorgungsbedarf für Menschen mit psychischen Erkrankungen gedeckt.

3. Langfristig: „Masterplan: Psychisch gesundes Österreich“ aller PSY-Berufe. Egal, ob PsychiaterInnen, PsychotherapeutInnen oder Klinische PsychologInnen - jede Pro­fession leistet ihren wichtigen Beitrag zur Verbesserung der psychischen Versorgung in Österreich. Klar ist daher: Diese Verbesserung kann nur langfristig und unter Einbindung aller PSY-Berufe und gemeinsam mit der Politik erfolgen. Wir schlagen deshalb die gemeinsame Erarbeitung eines „Masterplan: Psychisch gesundes Österreich“ vor.


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Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher den

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wird aufgefordert, die Forderungspunkte der Petition „Für eine bessere Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen in Österreich“ des Berufsverbandes Österreichischer PsychologInnen BÖP rasch vollinhaltlich umzusetzen und über die Fortschritte der Umsetzung dem Nationalrat jährlich zu berichten.“

[1] Wissenschaftlicher Bericht: Psychische Krankheiten in Österreich_Prävalenz und Versorgung psychischer Krankheiten in Österreich. S. 6-7. https://www.meduniwien.ac.at/hp/sozialpsychiatrie/wissenschaft-forschung/projektestudien/studie-psychische-gesundheit-in-oesterreich/

2 Wissenschaftlicher Bericht: Psychische Krankheiten in Österreich_Prävalenz und Versorgung psychischer Krankheiten in Österreich. S. 165. https://www.meduniwien.ac.at/hp/sozialpsychiatrie/wissenschaft-forschung/projektestudien/studie-psychische-gesundheit-in-oesterreich/

3 http://www.euro.who.int/de/media-centre/events/events/2017/04/world-health-day-2017-depression-lets-talk/news/news/2017/04/world-health-day-open-dialogue-about-depression-is-needed-to-raise-awareness,-build-understanding-and-reduce-stigma

4 Wissenschaftlicher Bericht: Psychische Krankheiten in Österreich_Prävalenz und Versorgung psychischer Krankheiten in Österreich. S. 6. https://www.meduniwien.ac.at/hp/sozialpsychiatrie/wissenschaft-forschung/projektestudien/studie-psychische-gesundheit-in-oesterreich/

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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Entschließungsantrag ist ordnungs­gemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht in Verhandlung.

Zu Wort gelangt Abgeordnete Neumann-Hartberger. – Bitte sehr, Frau Abgeordnete.


22.33.03

Abgeordnete Irene Neumann-Hartberger (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen und noch verbliebene Zuse­herinnen und Zuseher! Wir diskutieren heute zwei Entschließungsanträge zu aus meiner Sicht sehr sensiblen Themen. Es geht uns um die Sichtbarmachung der sozialen und psychischen Herausforderungen für österreichische Bäuerinnen und Bauern und um ein Bekenntnis zur Unterstützung, unter anderem auch durch Weiterführung und Ausbau des bäuerlichen Sorgentelefons.

Die oftmals idyllische Darstellung eines romantisierten Lebens am Bauernhof entspricht in den seltensten Fällen der heutigen Realität. Vielmehr gehören unternehmerische Arbeitsleistungen, Zukunftsängste, Generationenkonflikte und – nicht zu vergessen – der große Druck, den steigenden Anforderungen der Gesellschaft gerecht zu werden, zum Alltag auf unseren Höfen. Das Zusam­menspiel dieser einzelnen Faktoren bringt ein erhöhtes Belastungs­potenzial mit sich, das sich häufig auf die psychische Gesundheit und das mentale Wohl­befinden unserer Bäuerinnen und Bauern auswirkt.

Vor allem im ländlichem Raum sind psychosoziale Erkrankungen aber nach wie vor ein Tabuthema, das noch immer schambehaftet ist. Eine erste Anlaufstelle ist das bäuerliche Sorgentelefon, das als Teil des Projekts Lebensqualität Bauernhof durch das LFI, das Ländliche Fortbildungsinstitut betrieben wird.

Es ist eine erste niederschwellige Unterstützungsmöglichkeit für Betroffene, um mit speziell geschulten Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartnern in Erstkontakt zu treten; allein im vergangenen Jahr 875 Mal genutzt – das haben


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wir gehört – und seit dem Bestehen bereits über 10 000 Mal in Anspruch genommen.

Neben dem Sorgentelefon ist aber auch die hochqualitative flächendeckende Präsenzberatung in den Landwirtschaftskammern ein wichtiges Angebot. Die Beraterinnen und Berater kennen die bäuerlichen Arbeitsweisen, können auf individuelle Lebensabschnittsherausforderungen eingehen und in einem nächsten Schritt gezielt auf persönlicher sowie auf beruflicher Ebene Hilfestel­lung leisten. Es macht in der Beratung einen Unterschied, ob ich zum Beispiel Jungübernehmerin bin, ob ich mitten in der Investition meines Lebenswerkes stehe oder ob ich Hofübergeberin bin und bereits beginne, mein Lebenswerk loszulassen, und in jüngere Hände lege. Beide Seiten bringen emotionale Heraus­forderungen, die durchaus auch belasten können.

Um aber betriebliche Erfolge sicherzustellen, muss das psychische Wohlbefinden der Bäuerinnen und Bauern langfristig gesichert werden. Dabei spielt es eine wichtige Rolle, bestmöglich zu verhindern, dass Überlastung und Überforderung das Leben einschränken. Gezielte Präventionsmaßnahmen sind daher ein Schlüsselfaktor für uns. Umfassende Seminare, Kurse und hochqualitative Bildungsangebote, die auf die Förderung der psychischen Gesundheit abzielen, müssen daher weiterhin ein fester Bestandteil im Rahmen von Lebensqualität Bauernhof sein, angeboten und auch zukünftig forciert werden.

Deshalb braucht es die geforderte Erhebung von Daten, um die Ursachen für die erhöhte psychische Belastung im landwirtschaftlichen Bereich exakt identifizieren zu können. Nur so können wir sicherstellen, dass die Bäuerinnen und Bauern auch in Zukunft zielgerichtet unterstützt werden können. Es ist oftmals ein großer erster Schritt für Betroffene, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Daher müssen wir dafür sorgen, dass die Hemmschwelle, diesen Schritt zu gehen, durch einfache, zugängliche Beratungsangebote herabgesetzt wird. Fest steht jedenfalls: Unser Zugang ist die individuelle Beratung und Hilfestellung zur Prävention.


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Im Antrag der FPÖ, der heute mitdiskutiert wird, sehen wir hingegen keinen konstruktiven Punkt, der auch nur einen einzigen Fall verhindern würde. Vor allem wenn es um die Gesundheit geht, gilt für uns der Grundsatz: Vorsicht ist besser als Nachsicht. Vielen Dank, Herr Minister, für die Unterstützung dieser Initiative. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Stammler und Voglauer.)

22.37


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Schmiedlechner. – Bitte.


22.37.46

Abgeordneter Peter Schmiedlechner (FPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Sehr geehrte Zuseher! Wir reden jetzt über zwei Anträge – die Anträge betreffend die psychische Gesundheit von Bäuerinnen und Bauern. Natürlich ist dieses Thema ein sehr wichtiges und ein sehr ernstes. Es gilt da einfach auch zu sagen: Uns als Freiheitlichen, als Freiheitliche Bauern ist dieses Thema auch sehr wichtig, deswegen haben wir bereits im Februar 2020 einen entsprechenden Antrag eingebracht. Leider wurde dieser stets vertagt. Und jetzt endlich, nach drei Jahren, hat die ÖVP das Thema beziehungsweise das Problem erkannt und nimmt sich dessen auch an. Das ist natürlich zu begrüßen.

Ich appelliere aber an die Regierungsparteien: Vielleicht schauen Sie sich die anderen Vorschläge, die wir Oppositionsparteien im Landwirtschaftsausschuss eingebracht haben, auch an und finden das eine oder andere, damit wir Probleme endlich angehen können, damit wir Probleme für die Bauern und Bäuerinnen in Österreich endlich lösen können. Besser zu spät als nie. Natürlich ist es auch keine Schande, wenn Sie sich von uns Freiheitlichen etwas abschauen. (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Minister, Sie haben unlängst auf Servus-TV in einem Interview gesagt, Sie hätten in puncto Entlastungen in der Landwirtschaft bereits viel gemacht. Für mich klingt das sehr komisch, denn die Bäuerinnen und Bauern spüren davon


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nichts. Die vielen Herausforderungen und der Druck für die Betriebsführer, aber auch für die gesamten Bauernfamilien werden immer größer.

Finanzielle Sorgen, Vorschriften, Auflagen, Kontrollen, Diffamierungen und Falschmeldungen von sogenannten Klimaschützern oder Tierschützern, illegale Stalleinbrüche, dass sich aktuell – was die Bäuerinnen und Bauern massiv wurmt – die wirtschaftliche Situation massiv zuspitzt, die hohe Inflation, der Preisverfall, Billigimporte von Getreide aus der Ukraine: Herr Minister, da wäre es für die ÖVP und für Sie als Landwirtschaftsminister längst nötig, endlich zu handeln und Lösungen herbeizuführen. (Beifall bei der FPÖ.)

Die ÖVP aber macht das, was sie immer tut: Sie wartet, bis es richtig anbrennt, und erst dann werden halbherzige Lösungen geschaffen, die als großer Erfolg verkauft werden. Viele Probleme hätten schon lange abgefedert werden können, die Situation hätte bereits verbessert werden müssen. Herr Minister, wenn die ÖVP es nicht kann: Die FPÖ (Abg. Hechenberger: Kann es erst recht nicht!) kann es Ihnen gerne zeigen!

Ich denke, es ist höchst an der Zeit, dass im Landwirtschaftsministerium einmal ordentlich aufgeräumt wird, damit die Bauern endlich entlastet werden. Sozialversicherungsbeiträge für die Bauern übernehmen, die Mineralölsteuer für landwirtschaftliche Betriebe abschaffen, die AMA-Marketinggebühr abschaffen, der Ausstieg aus dem Grünen Deal – und das ist möglich, Schweden macht es gerade vor – und Ihre Untätigkeit betreffend Import von gentechnisch verändertem Getreide aus der Ukraine: Es gäbe genug Handlungsbedarf, da könnten Sie endlich einmal zeigen, was Sie können.

Ich glaube, so würden sich viele Probleme der Bauern lösen und der psychische Druck würde dann wahrscheinlich auch weniger. Der psychische Druck, der auf den bäuerlichen Betrieben lastet, ist hauptsächlich dem geschuldet, dass die finanziellen Nöte der Betriebe momentan so groß sind.


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Dahin gehend sollten endlich Handlungen passieren und nicht nur Lippen­bekenntnisse abgegeben werden. (Beifall bei der FPÖ.)

22.42


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Stammler. – Bitte.


22.42.26

Abgeordneter Clemens Stammler (Grüne): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzter Herr Bundesminister! „Geht’s dir gut?“ – Das war der Titel unserer letzten Ausgabe von „Grünes Land“, der Zeitung der Grünen Bäuerinnen und Bauern. Dieser Artikel beschäftigte sich mit der psychosozialen Gesundheit auf Bauernhöfen. Wir hatten noch nie eine so große Resonanz von unseren Leserinnen und Lesern wie auf diesen Artikel. Es erreichten uns auch viele Anrufe, fast fühlten wir uns selbst als Sorgentelefon.

Die Landwirtschaft ist im Wandel und steht unter Druck, da hat Kollege Schmiedlechner recht, doch die psychosoziale Gesundheit mit Pestiziden oder Kunstdünger zu lösen, wird nicht funktionieren. (Beifall bei den Grünen.)

Druck entsteht hauptsächlich oder unter anderem gerade wegen des Klima­wandels. Wir als Bäuerinnen und Bauern kennen das gut genug, wenn es Wochen nicht regnet und dann so viel regnet, dass die Ernte weg ist. Druck entsteht in Landwirtschaften durch Mehrgenerationenhäuser. Oft leben bis zu vier Generationen unter einem Dach. Manche kommen nicht einmal mit sich selbst zurande. Druck entsteht, weil du 24/7 für deine Tiere da sein musst. Wenn die Melkmaschine, die Lüftung oder die Fütterung am Samstag ausfällt, kannst du nicht sagen: Am Dienstag kommt der Monteur oder der Techniker! Da braucht man gleich eine Lösung.

Es entsteht natürlich auch Druck finanzieller Natur, das wissen wir. Auch mein Hof war jahrelang hoch verschuldet, weil ich einen Hof übernommen habe,


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bei dem ein Investitionsstau aufgelaufen ist. Ich habe – frisch von der Land­wirtschaftsschule – Geld gebraucht, habe mir das Geld von der Bank geholt und dann 20 Jahre wirklich schlecht geschlafen.

Ich denke, das Sorgentelefon, das bisher nur am Vormittag erreichbar war, ist enorm wichtig. Wenn man, Kollege Strasser und ich haben das gemacht, sich intensiv mit den Leuten, die am anderen Ende des Telefons sitzen, unterhält, merkt man ganz schnell, dass auch die schon unter Druck sind. Das Sorgen­tele­fon läutet ununterbrochen und die Sorgen, die einem da mitgeteilt werden, steckt man nicht einfach so weg. Das war für uns, nämlich für Georg Strasser und mich, der Anlass, dieses Sorgentelefon auszubauen, es eventuell auch am Nachmittag anzubieten, die Kapazitäten zu verdoppeln, um ganz einfach Entlastung auf beiden Seiten zu schaffen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ein ganz wichtiger Punkt war für mich in diesem Zusammenhang, auch die Ausbildung beziehungsweise eine Fortbildung für Menschen, die auf Bauernhöfe kommen, wie Betreuungstierärzte, Kontrollassistenten, Biokontrollore und dergleichen, anzubieten. Ich selbst war 20 Jahre Biokontrollor. Ich war in dieser Zeit auf Tausenden Betrieben und habe immer wieder feststellen müssen: Du bist ratlos in diesen 2 Stunden, in denen du in diesem Betrieb bist, du weißt nicht, wie du mit der Situation umgehst. Du merkst ganz genau, dass da etwas nicht stimmt, du spürst das Leid, du weißt aber nicht, wie du damit umgehen sollst. Du weißt nicht, ob zum Beispiel die Visitenkarte des Sorgentelefons reicht. Sprichst du die Menschen direkt an? Unternimmst du etwas dagegen? Schreitest du massiv ein? Drückst du den Menschen dann noch tiefer runter? – Das ist eine schwierige Entscheidung. Du hast Fachkompetenz, aber nicht in diesem Bereich. In diesem Bereich aber müssen wir Fachkompetenz vermitteln. (Beifall bei den Grünen.)

Des Weiteren soll uns eine Studie helfen, die Nöte besser zu erkennen, mehr Sichtbarkeit in das Thema hineinzubekommen und es unter die Menschen – also aufs Land – zu bringen. Die resche Bäuerin und der gestandene Bauer sind in


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der Regel nicht ganz einfach so bereit, sich selbst etwas einzugestehen. Es ist noch schwieriger, vor jemand anderem seine Schwächen eizugestehen. Eine eingegipste Hand kann man erklären – das war ein Unfall – und man weiß, sie heilt wieder. Eine kaputte Seele ist schwerer zu erklären. (Beifall bei den Grünen.)

Wir wissen, dass nur rund 26 Prozent der Bäuerinnen und Bauern regelmäßig auf Urlaub fahren. Das liegt ganz einfach daran, dass eine große Verantwortung auf diesen Menschen lastet, die oft unterschätzt wird. Es gibt keinen 8-Stunden-Tag, es gibt keine Wochenenden, es gibt keine fünf Wochen Urlaub – es gibt meistens nicht einmal das Personal, um überhaupt wegfahren zu können. Es gibt diese Arten der Entlastung nicht, auch das sollten wir uns in einem weiteren Schritt anschauen. Sollten uns noch Bäuerinnen und Bauern zusehen: Unter 0810/676810 ist jemand erreichbar, der dir die Frage stellt: „Geht’s dir gut?“, und das ist keine rhetorische Frage. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

22.48


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Werner. – Bitte sehr.


22.48.36

Abgeordnete MMag. Katharina Werner, Bakk. (NEOS): Herr Präsident! Herr Minister! Liebe Menschen hier im Saal! Immer wieder werden wir von den Medien mit Berichten von verwahrlosten Nutztieren konfrontiert. Wir denken, es ist ein systemisches Problem, aber es stehen auch persönliche Schicksale dahinter. Diese Bilder zeigen, was passiert, wenn Menschen, die in Österreich in der Landwirtschaft tätig sind und mit Tieren arbeiten, einfach nicht mehr können – weil die Arbeit zu viel ist, weil die Geldsorgen zu groß sind, weil sie neben sich selbst und ihren Tieren vielleicht auch noch die Eltern oder die Schwiegereltern versorgen und sich um sie kümmern oder sie vielleicht sogar


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pflegen müssen, weil nicht nur der Körper erschöpft ist, sondern auch das Herz und die Seele.

Ich kann mich gut erinnern, ich glaube, es war eine der ersten Ausschuss­sitzun­gen mit Ihnen (in Richtung Bundesminister Totschnig), in der das Thema schon einmal aufgekommen ist. Seit damals haben wir immer wieder gefordert, dass diese psychosoziale Unterstützung für Landwirt:innen ausgebaut wird. Das passiert jetzt mit diesem Antrag. Es ist auch gut, dass andere Menschen, die auf den Hof kommen – Tierärzte, Kontrollore, wir haben es schon gehört –, in dieses System einbezogen werden, weil auch die sehen, wenn es Hilfe braucht. Es wäre gut und wichtig und es ist richtig, dass man vorher schaut, dass es Hilfe gibt, bevor dann solche Bilder in die Medien kommen.

Es ist auch gut, dass es diese wissenschaftliche Studie zur Belastung in der Landwirtschaft geben soll, und deshalb unterstützen wir das auch.

Wir haben aber auch ein bisschen Kritik: Wir kritisieren zum Beispiel, dass das Angebot wieder bei der Landwirtschaftskammer angesiedelt ist. Es gibt die Scham. Wir haben gerade gehört, dass es der Stolz ist, der die Landwirte auch auszeichnet, der dem entgegenstehen kann, dass man sich dann dort meldet. Darum wäre es uns schon ein Anliegen gewesen, das außerhalb anzusiedeln. Es hätte Alternativen gegeben, eben beim Sorgentelefon eine Klappe, 1450, oder bei der Helpline, beim BÖP, mit spezialisiertem Personal.

Was ganz wichtig ist, worauf ich auch noch eingehen möchte, was meine Kollegin vorhin schon angesprochen hat: Was es wirklich braucht, das wären einfach diese strukturellen Reformen, Reformen, die es den Landwirten und Landwirtinnen ermöglichen, wenn sie mit der Tierhaltung überfordert sind, auszusteigen.

Wir haben es im Ausschuss besprochen: Wir haben jetzt über ein Jahr Krieg in der Ukraine, und wir haben es noch immer nicht geschafft, dass wir unsere Landwirt:innen wegen des fehlenden Netzausbaus zu Energiewirt:innen machen.


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Im Ausschuss haben Sie sich diesbezüglich ein bisschen an den Bundesländern abgeputzt. Bitte, nehmt endlich eure Landeshäuptlinge in die Pflicht und schenkt euren Landwirten die Freiheit, sodass sie mit den Solaranlagen auf dem Dach, mit der Windkraft eine Zusatzeinnahmequelle haben, denn wenn einmal diese finanziellen Sorgen ein bisschen leichter werden, dann tun sie sich in der Zukunft leichter.

Wir sehen auch kritisch, dass der Antrag der FPÖ, diese Studie zu den Suiziden, mit dem Argument, dass es dann einen Werthereffekt geben würde, abgelehnt wird.

Ich glaube, das Thema psychosoziale Versorgung in Österreich – da bin ich bei der SPÖ – ist viel weitreichender. Wir müssen endlich sehen, dass eine gebrochene Seele dieselbe Aufmerksamkeit braucht wie ein gebrochenes Bein – egal bei wem, ob es ein Landwirt ist, ob es ein Jugendlicher ist, ob es der normal arbeitende Mensch in einem Betrieb ist –, und das besser gestern als morgen. – Danke. (Beifall bei NEOS und SPÖ.)

22.52


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Strasser. – Bitte.


22.52.38

Abgeordneter Dipl.-Ing. Georg Strasser (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Ich darf mich für die engagierte Diskussion bedanken. Wir hatten vor dem Ausschuss ein paar Treffen, eines auch gemeinsam mit der Opposition. Der Ausschuss war sehr engagiert und auch die Debatte heute – an dieser Stelle ein großes Dankeschön.

Nicht nur die Pandemie hat in den letzten Jahren bei der Gesundheit und speziell bei der mentalen Gesundheit in der Bevölkerung ihre Spuren hinterlassen, son­dern viele andere Themen haben das auch: familiäre Belastungen und berufliche


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Belastungen, Zukunftsängste. Die Bundesregierung sieht diese Notwendig­keiten, diese Bedürfnisse der Menschen, und hat aus diesem Grund schon einige sehr engagierte Maßnahmen auf den Weg gebracht.

Zum einen darf ich das Projekt Gesund aus der Krise erwähnen, 2022 mit 18 Mil­lionen Euro, 2023, heuer, mit 20 Millionen Euro ausgestattet. Es geht dabei um die Förderung der mentalen Gesundheit von Kindern und Jugend­lichen. – Das ist der erste Teil.

Der zweite Teil ist 2023 der Ausbau der Primärversorgung. Da darf ich erwäh­nen: Heuer noch sollen 100 zusätzliche Kassenärzte in Österreich installiert werden: Allgemeinmediziner, Kinderärzte und auch Gynäkologen. In diesem Projekt sind auch der Ausbau und die Verbesserung der psychosozialen Versor­gung ganz allgemein für die Bevölkerung vorgesehen.

Ich darf mich beim Koalitionspartner bedanken, ich darf mich bei Gaby Schwarz, die jetzt Volksanwältin ist, bedanken, und ich darf mich besonders bei Seppi Smolle, unserem Gesundheitssprecher, bedanken – dafür, dass diese Projekte in den letzten zwei Jahren, würde ich sagen, auf den Weg gebracht wurden. Ein herzliches Dankeschön dafür! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Clemens Stammler und ich haben uns dann um einen Antrag bemüht, der Projekte betrifft, die sozusagen in unserem Wirkungsbereich liegen – im Wirkungs­bereich des Ministeriums, im Wirkungsbereich der Landwirtschaftskammern, im Wirkungsbereich der Bäuerinnen und Bauern, die österreichweit im Sinne der Ehrenamtlichkeit engagiert sind. Wir sehen da seit über zehn Jahren ein großes Know-how, was Angebote speziell für Bäuerinnen und Bauern im Bereich der psychischen Gesundheit betrifft. Diese Angebote wollen wir ausbauen und verstärken. Das ist zum einen das Projekt Lebensqualität Bauernhof, in dem es wie gesagt seit gut zehn Jahren Bildungs- und Beratungsangebote gibt, die wir stärken und ausbauen wollen.


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Auch ich darf ein wenig einen Einblick in die Situation der bäuerlichen Familien geben. Peter Schmiedlechner hat das schon angesprochen, Clemens Stammler, gleichfalls praktizierender Landwirt, hat das ebenfalls ange­sprochen: Die Hauptthemen in der Beratung – ich sage dann später auch noch etwas zum bäuerlichen Sorgentelefon – sind der Generationenkonflikt und die Situation der Hofübergabe. Das sind in einer bäuerlichen Familie, aber auch in einem bäuerlichen Betrieb sehr entscheidende Situationen.

Dann gibt es das bäuerliche Sorgentelefon. Das ist eine Anlaufstelle, bei der man anonym größere und kleinere Probleme eingeben darf. Wenn man jetzt zehn Jahre zurückschaut: Es sind dort in Summe über 10 000 Anrufe eingegangen. Das ist eine sehr hohe Zahl, und das ist auch ein Zeugnis dafür, dass dort ausgebaut und gestärkt werden muss.

Ich möchte mich auch dafür bedanken, dass du, Herr Bundesminister, diese Studie in Auftrag geben wirst – wissenschaftlich unterstützt –, wie es denn wirklich mit der psychosozialen Gesundheit der Bäuerinnen und Bauern aussieht, damit genau diese Angebote, die es schon gibt, punktgenau weiterentwickelt werden können und damit auch die Angebote der SVS, der Sozialversiche­rungs­anstalt der Selbstständigen, was die Prävention betrifft, treffsicher entwickelt werden können. Auch da gute Nachrichten: Es hat vor Kurzem in diesem Sozialversicherungsträger den Beschluss gegeben, dass im Bereich der Präven­tion die Angebote ausgebaut werden. Das ist ein wichtiges Zeichen und in Wahrheit ein Gebot der Stunde.

Abschließend darf ich mich bei einer Dame und einem Herren bedanken, die in diesen vorbereitenden Sitzungen bei uns im Parlament zu Gast waren, Birgit Bratengeyer und Josef Stangl, die uns zur Seite gestanden sind und uns infor­miert haben, was denn beim Sorgentelefon wirklich so abgeht, und uns auf der anderen Seite gezeigt haben, welche Angebote es im Sinne des Projektes Lebensqualität Bauernhof für Bäuerinnen und Bauern im Bereich Prävention, Bildung und Beratung gibt.


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Abschließend zu Kollegen Keck: Wir beschließen heute Dinge und Projekte, die im Wirkungsbereich der Landwirtschaft im klassischen Sinne sind. Soweit ich den Antrag abgrenzen, verstehen kann und ein Gespräch mit Seppi Smolle hier zusammenfassen darf: Viele Projekte, die in eurem Antrag enthalten sind, sind in Arbeit und entsprechen absolut auch unserer Zielvorstellung. Unser Zugang ist aber heute, Dinge zu beschließen, die wir sehr kurzfristig in Umsetzung bringen, weil sie in unseren Wirkungsbereich fallen. (Abg. Einwallner: Alles ... in unseren Wirkungsbereich!)

Aus diesem Grund ersuche ich Sie um Zustimmung. Es geht uns nicht nur um das Schicksal der Bäuerinnen und Bauern, sondern es geht uns um das Schick­sal der gesamten Bevölkerung. Ich hoffe, ich habe das mit meinen Ausfüh­rungen doku­mentiert. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

22.58


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Feichtinger. – Bitte.


22.59.04

Abgeordnete Elisabeth Feichtinger, BEd BEd (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Seelische Belastungen wie Zukunftsängste, Geldsorgen, Nachfolgethemen, Generationenkonflikte sind das tägliche Brot von vielen Bäuerinnen und Bauern. Einen landwirtschaftlichen Betrieb zu führen stellt einen außerdem vor unternehmerische Herausforde­rungen und Risiken. Krankenstand oder Urlaubsanspruch sind eigentlich fast ein Fremdwort, gerade in der Landwirtschaft.

Insbesondere Bäuerinnen stehen vor besonderen Herausforderungen. Sie müssen oftmals Familie, Betrieb und Pflege unter einen Hut bringen. Aufgrund dessen ist der Ausbau des Projektes Lebensqualität Bauernhof eine wichtige


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Initiative. Das bäuerliche Sorgentelefon, das Herzstück davon, ermöglicht ano­nyme psychosoziale Beratung.

Die geplante begleitende Studie nimmt Arbeitsbelastung als bestehende Ursache an. Wir sehen das ein bissel anders. Besser wäre es, eine Studie über die Ursachen der Belastung in Auftrag zu geben, um diese nicht vorwegzunehmen. Nur so kann das Beratungsangebot entsprechend den Anforderungen ausgebaut und präventiv ausgerichtet werden.

Jetzt müssen wir nur noch sicherstellen, dass dieses Unterstützungsangebot nicht nur verfügbar, sondern auch zugänglich und effektiv ist. Was ich in diesem Zusammenhang kritisch sehe, ist die Ansiedelung in der Kammer, ich habe das schon erwähnt. Viele der Probleme, die die Landwirtinnen und Landwirte haben, sind mit Scham und mit Hemmschwellen verbunden. Der Weg zur Kammer wird mit diesen Problemen, glaube ich, eher schwierig sein, da die Betroffenen dort dann auch noch gesichtet werden können, was dann zum Thema werden kann. Natürlich sind die Themen anonym zu behandeln, aber die Scham und die Angst kann man nicht einfach wegwischen. Man muss auch darauf hinweisen, dass aus denselben Gründen nicht alle am Telefon ihre Probleme offenlegen wollen, diese definieren und thematisieren wollen. Es braucht daher dafür mehr externes Angebot.

Uns ist aber vor allem wichtig, dass nicht nur die Landwirt:innen, sondern alle Berufsgruppen ein gutes Beratungsangebot bekommen. (Beifall bei der SPÖ.) Wir müssen uns dafür einsetzen, dass alle Unterstützung bekommen, die diese benötigen. Wir haben auch schon viele Anträge zu diesem Thema im Gesund­heits­ausschuss gehabt, die immer wieder vertagt worden sind. Wir finden es wichtig, dass auch diese Anträge behandelt werden, diese mit beschlossen werden, so wie wir jetzt auch diesen Antrag mittragen. Wir wünschen uns von den Regierungsfraktionen, dass auch alle anderen Berufsgruppen wie diese Gruppe gleichwertig behandelt werden. (Beifall bei der SPÖ.)


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Es braucht endlich eine Entstigmatisierung von psychischen Gesundheitsprob­lemen in unserer Gesellschaft. Ein entsprechendes kostenloses und nieder­schwelliges Beratungsangebot für alle ist ein erster wichtiger Schritt in die richtige Richtung. (Beifall bei der SPÖ.)

23.02


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Weber. – Bitte.


23.02.07

Abgeordneter Ing. Johann Weber (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren, von wo auch immer Sie jetzt zu dieser späten Stunde die Sitzung noch verfol­gen! Ich möchte meine Rede sehr persönlich beginnen: Wie viele vermutlich wissen, bin ich ein begeisterter Lehrer im land- und forstwirtschaftlichen Schulwesen. Ich freue mich jeden Tag, an dem ich in die Schule kommen kann, auf die unterschiedlichsten Kontakte mit unseren Jugendlichen. Sie alle haben nämlich eine Zukunft vor sich, auf die sich alle sehr freuen; und wir, die Lehrer, dürfen sie dabei begleiten, ihre Träume wahrzumachen. Wir sind ihnen Lehrer, Erzieher, Wegbegleiter, und vielleicht speziell aufgrund der Tatsache, dass die landwirtschaftlichen Fachschulen in Österreich vielfach auch ein Internat angeschlossen haben, sind wir auch Freunde und Versteher von diesen Schülerinnen und Schülern.

Die Jugendlichen kommen mit ihren Ängsten und Sorgen genauso zu uns wie mit ihren freudigen Nachrichten. Dort, wo Sonne ist, ist auch Schatten, und manchmal wird es ganz, ganz finster. Vor einiger Zeit mussten wir an unserer Schule miterleben, dass sich ein junger Absolvent das Leben genommen hat. Er sah anscheinend keinen Ausweg, hatte für sein Leben keine Perspektiven mehr. Er war als Nachfolger am elterlichen Hof vorgesehen und kam mit der


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Situation einfach nicht mehr zurecht. Übrig blieb eine Familie, ein Hof, der kei­nen Hoferben, keinen Hofübernehmer mehr hatte, und es stellten sich neue Belastungen für die Familie.

Genau in Zeiten wie diesen, genau in solchen Situationen darf es keine Berührungsängste geben. Genau für solche Situationen wurde vor Jahren das bäuerliche Sorgentelefon eingeführt. Eine einfache und anonyme erste Anlaufstelle für kleine und auch große Probleme der Menschen aus dem landwirtschaftlichen Bereich war damit gegeben. Dort hören professionelle sach- und auch fachkundige Ansprechpartner zu und geben Antworten, Antworten beispielsweise zu Konflikten zwischen Jung und Alt, bei der Hofübergabe, bei der Hofübernahme, bei wirtschaftlichen Sorgen, bei der Partnerschaft, bei Überlastung und bei vielem mehr darüber hinaus.

Kompetente Gesprächspartner hören sich am bäuerlichen Sorgentelefon die Probleme an und versuchen, gemeinsam eine Lösungsmöglichkeit zu finden. Da kann man über die eigene Situation reden, es wird zugehört – und das alles österreichweit, anonym, vertraulich und zum Ortstarif. Dieses Sorgentelefon hat sich bewährt und muss unbedingt erhalten und ausgebaut werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Geschätzte Damen und Herren! Das ist ein sehr, sehr ernstes, aber auch wich­tiges Thema, denn ein Bauernhof ist viel, viel mehr als nur Urlaub am Bauernhof. – Danke. (Beifall bei der ÖVP, bei Abgeordneten der Grünen sowie des Abg. Kucher.)

23.05


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Kainz. – Bitte.


23.05.38

Abgeordneter Alois Kainz (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kollegen! Werte Zuseher zu Hause vor den Bildschirmen! Burn-out


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ist mittlerweile ein Problem, das in der Gesellschaft angekommen ist, egal ob beim Lehrer, beim Schichtarbeiter oder beim Gesundheitspersonal. Burn-out ist eine akzeptierte Krankheit, die allgemein wie auch in zahlreichen Firmen anerkannt ist und sehr ernst genommen wird.

Grundsätzlich muss man festhalten, dass die Zahlen sehr alarmierend sind: 39 Prozent aller Österreicher fühlen sich durch Stress im Beruf erheblich beein­trächtigt. Beinahe jeder Vierte nähert sich dem Ende seiner Kräfte, also einem Burn-out. Das sind die Ergebnisse einer Studie von der Allianz-Versicherung zum Thema: Wie gestresst ist Österreich? Die Zahlen sind deshalb so alarmierend, da zwischen 7 und 10 Prozent aller Burn-out-betroffenen Personen Selbstmord begehen.

Wie schon eingangs erwähnt wird bei diesem Thema viel über Lehrer, Schicht­arbeiter, Manager gesprochen, aber eine Berufsgruppe ist vor allem im öffentlichen Diskurs dieses Themas vollkommen untergegangen: Das sind unsere Landwirte. Bauern leiden zu oft schon jahrelang unter Stress und Überforderung. Sie sind einfach da und funktionieren. Sie stellen ohne großes Aufsehen unsere Lebensmittelversorgung sicher, aber wahrscheinlich ist genau diese Unsichtbarkeit der Grund, der zu diesen dramatischen Zuständen führt.

Bereits im Februar 2020 haben sich die FPÖ und Kollege Schmiedlechner der prekären Situation angenommen und einen Entschließungsantrag eingebracht, welcher fordert, dass eine Studie zur genannten Problematik erstellt wird, um die Situation in Österreich zu analysieren und notfalls besser eingreifen zu können. (Beifall bei der FPÖ.) Natürlich orientiert sich der Antrag am Leitfaden zur Suizid­be­richterstattung des Wiener Kriseninterventionszentrums.

Vor wenigen Wochen wurde von der schwarz-grünen Bundesregierung ein Entschließungsantrag eingebracht, der fast dasselbe fordert wie bereits unser eigener Entschließungsantrag, der seit drei Jahren immer wieder auf die lange Bank geschoben wird. – Sei es, wie es sei.


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Sichtlich haben die Damen und Herren erkannt, dass wir da etwas unternehmen müssen und unsere Landwirte nicht im Regen stehen lassen dürfen, weshalb es zu begrüßen ist, dass da endlich etwas unternommen wird. (Beifall bei der FPÖ.)

23.08


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Hechenberger. – Bitte.


23.08.38

Abgeordneter Ing. Josef Hechenberger (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Geschätzte Bäuerinnen und Bauern! Für mich als aktiven Bauer ist es wirklich wichtig, dass wir heute dieses sehr, sehr ernste Thema ausführlich diskutieren und auch in die Umsetzung bringen. Aus dem Grund sage ich ein herzliches Danke an unsere Abgeordnetenkollegen Strasser und Stammler, dass dieser Antrag jetzt umgesetzt wird, dass wir dieses Thema angehen, so die Herausforderungen wirklich annehmen und den Bauern zur Seite stehen und sie unterstützen.

Ich möchte an dieser Stelle aber auch Folgendes sagen, weil Kollege Kainz den Antrag der FPÖ angesprochen hat: Das ist der Unterschied, die FPÖ will Studien machen, wir bringen Anträge ein, um Probleme zu lösen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Lausch: Geh! Plagiat! – Abg. Wurm: Josef! – Abg. Martin Graf: ... nur plagiiert!)

Weil das Thema Lebensqualität und das Sorgentelefon Themen sind, die uns durchaus schon längere Zeit begleiten, darf ich eines vorausschicken: Dieses Thema hat unsere sehr visionäre Landesbäuerin Resi Schiffmann bereits im Jahr 2006 erkannt. (Abg. Schmiedlechner: Und warum habts seit 2006 nichts gemacht?) Wir haben das in Tirol gestartet, und oft sind schon viele Innovationen von Tirol ausgegangen, wo wir dieses Projekt umgesetzt haben. Ich habe dieses Thema unlängst mit unserer Mitarbeiterin Angelika Wagner diskutiert, und sie hat mir einige Fälle geschildert, die wirklich dramatisch sind.


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Ich muss eines zurückweisen, nämlich wenn von den NEOS gesagt wird, es sei falsch, wenn das die Landwirtschaftskammer macht. – Nein, es ist genau richtig. Wir haben ausgezeichnete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Landwirt­schaftskammer, dafür verbürge ich mich. Genau da gehört es hin, weil die Bäuerinnen und Bauern mit ihren Problemen kommen, damit wir sie gemeinsam lösen können. (Beifall bei der ÖVP.)

Es ist vielfach auch so, dass es einerseits den Generationenkonflikt gibt – ich glaube, für eine Bauernfamilie ist es die größte Auszeichnung, wenn die Hofübergabe wirklich so funktioniert, dass es keine Spannungen in der Familie gibt; da braucht es die entsprechende Begleitung und Unterstützung –, aber andererseits gibt es leider Gottes auch in der Landwirtschaft Partnerschafts­konflikte, so wie generell in der Gesellschaft.

Wirtschaftliche Probleme, wirtschaftliche Herausforderungen beziehungsweise Burn-out sind natürlich Themen, die auch die Landwirtschaft herausfordern, für die wir aber Lösungen bringen beziehungsweise gemeinsam erreichen müssen.

Ich darf jetzt ein Thema ansprechen, das heute schon sehr ausführlich diskutiert wurde, was auch sehr wichtig ist, und ich hoffe, dass alle Parteien diesen Beschluss mittragen, um für die bäuerlichen Betriebe wirklich etwas weiterzu­bringen. Ich muss aber eines sagen, und das geht jetzt an die Adresse der SPÖ, die ganz weit links sitzt: Es ist für mich schon bezeichnend (Zwischenruf des Abg. Matznetter), wenn man sich da so herstellt und meint, man versteht die bäuerlichen Betriebe, man versteht die bäuerlichen Sorgen, und macht dann einen Angriff nach dem anderen auf die bäuerlichen Betriebe. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Das Thema Vermögensteuer: Eines ist für mich klar, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, eine Vermögensteuer ist ein Angriff auf das Eigentum, ist letztendlich ein Angriff auf die landwirtschaftlichen Flächen, die unser Arbeitsplatz sind. (Abg. Lausch: Geht’s dir gut?) Für uns ist auch klar – ich habe es von der FPÖ noch nicht


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gehört, auch von den NEOS nicht (Zwischenrufe bei der SPÖ); ihr braucht jetzt nicht so nervös zu werden, geschätzte Kollegen von der SPÖ –: Wir sind ganz klar gegen Vermögensteuern.

Mein abschließender Appell an die Bauernfamilien ist folgender: Wenn ihr Prob­leme habt (Ruf bei der SPÖ: Geht nicht zum Bauernbund!) und Lösungen braucht, kommt bitte zur Landwirtschaftskammer, zu unseren Beraterinnen und Beratern, und nützt diese Chance, diese Möglichkeit! – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

23.12


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Hauser. – Bitte. (Abg. Michael Hammer: Verschwörungs-TV noch zum Schluss! – Unruhe im Saal. – Abg. Wurm: Silentium, bitte!)


23.12.27

Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Kolleginnen und Kollegen! Bevor wir in die Sommerpause gehen, auch von mir noch ein - - (Unruhe im Saal. – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen. – Ruf bei der ÖVP: Setzen, fünf!) – Wenigstens Stimmung zum Schluss, ist ja auch etwas! Am Abend werden Sie munter. (Ruf bei den Grünen: Du hast noch nie unsere Stimmung gehoben!)

Sorgentelefon: in Ordnung, wird schon passen. Nur, Herr Minister, viel besser wäre es ja – und das habe ich vermisst, Kollege Hechenberger –, nicht 4 Minuten über das Sorgentelefon zu reden, sondern wichtig wäre, Herr Minister, dass man den Bauern die Sorgen nimmt: der bäuerlichen Bevölkerung nicht ein Kopf­wehpulver geben, sondern ihr die vielen, vielen Sorgen, die sie hat, nehmen, denn die Sorgen werden ja von Tag zu Tag mehr! (Beifall bei der FPÖ.)

Das ist der Grund, wieso viele Bäuerinnen und Bauern wirklich ein Problem haben. Die Zeit reicht ja nicht aus, um all die Probleme aufzuzählen. Es wird aber wohl einen Grund haben, dass es 1960 noch 400 000 Betriebe gab und im


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Jahr 2020 noch ungefähr 150 000 Betriebe übrig waren. (Der Redner stellt eine Tafel, auf der unter der Überschrift „Grüner Bericht 2022 Entwicklung der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe in Österreich 1960 –2020“ ein Säulendiagramm abgebildet ist, auf das Redner:innenpult.) Allein das beweist, dass zu viele, vor allem Kleinbetriebe, aufhören müssen.

Schauen wir uns einmal die Einkommenssituation über die letzten Jahre an: Die letzte Einkommensstatistik – Grüner Bericht – war Gott sei Dank gut, aber im Jahr 2017 sind die Einkommen bei 31 133 Euro pro landwirtschaftlichem Betrieb gelegen, im Jahr 2021 bei 32 146 Euro. Wenn man jetzt die massive Inflation hernimmt, sieht man, dass das ein massiver Einkommensverlust ist – da gibt es ja nichts schönzureden.

Die Bäuerinnen und Bauern haben einen verantwortungsvollen Beruf. Wir bedanken uns bei ihnen, dass sie uns tollste landwirtschaftliche Produkte zur Verfügung stellen. Sie sind die Letzten, die jammern, und sie arbeiten 365 Tage im Jahr, das muss man einmal feststellen. Deswegen ist es notwendig, die Probleme zu beseitigen.

Jetzt nur ein paar Aufzählungen: Mercosur – natürlich macht Mercosur den Bauern Kopfweh. EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen teilt den Bäuerinnen und Bauern mit, dass spätestens im Herbst Mercosur beschlossen wird. Na dann wissen Sie, was passieren wird: Wir tauschen Autos gegen Fleisch – Fleisch, das in Südamerika wesentlich billiger produziert wird.

Natürlich macht das Kopfweh. Ich bin ja schon gespannt, wie da die ÖVP zum Schluss noch umfallen wird, wenn Frau von der Leyen, gegen die die Euro­päische Staatsanwaltschaft ermittelt, das durchdrücken will.

Schauen wir uns die Situation bei der neuen Gentechnik an – das Thema ist aufgepoppt –: Wir in Österreich hatten ein Gentechnik-Volksbegehren, das 1,2 Millionen Österreicherinnen und Österreicher unterschrieben haben. Das


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wollen wir nicht, das will die Bevölkerung nicht. Weg mit dieser Gentechnik! Das darf doch nicht sein! (Beifall bei der FPÖ.)

Schauen wir uns die Sache mit dem Borkenkäfer an: Ganze Landstriche, ganze Talschaften sind durch den Borkenkäfer bedroht. Natürlich macht das Kopfweh, Herr Minister, natürlich muss da viel mehr getan werden. (Rufe bei der SPÖ: Zeit!) Mich wundert es nicht, dass da nicht nur die Bauern, sondern auch die Bevölkerung nicht mehr schlafen kann.

Schauen wir uns die Sache mit der Renaturierung an: Ein Fünftel der Flächen hätte renaturiert werden sollen – natürlich macht das Kopfweh. (Abg. Lukas Hammer: Zur Sache, bitte!)

Zum Schluss kommen wir noch zu einem anderen Thema, zum Thema Wolf: Da haben wir als Freiheitliche Partei bereits im Jahr 2021 gewarnt. Da haben wir Initiativen und Anträge - - (Unruhe im Saal. – Rufe: Zur Sache!) – Herr Präsident, vielleicht - -


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Reden Sie zur Sache! (Unruhe im Saal.)


Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (fortsetzend): Ja, ich rede zur Sache.

Herr Minister, im Jahr 2021 haben wir hier im Parlament einen Antrag betref­fend „Bevölkerungsschutz in wolfsnahen Siedlungsgebieten durch Anpassung der FFH-Richtlinie“ (eine Tafel mit der Aufschrift „Entschließungsantrag 585/UEA vom 08.07.2021 (XXVII. GP)“ und dem genannten Betreff auf das Redner:in­nenpult stellend –Beifall bei der FPÖ – Unruhe im Saal) eingebracht. Was ist denn pas­siert? – All diese Anträge zum Wolf, so ein Stapel (mit Daumen und Zeigefinger eine entsprechende Höhe andeutend), sind von der Einheitspartei ÖVP/SPÖ/Grüne/NEOS abgelehnt worden. Das ist die Situation. Wie schaut jetzt die Situation aus? – Täglich Wolfsrisse! Das macht den Bauern Kopfweh, Herr Minister! (Unruhe im Saal.)

23.18



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll224. Sitzung, 224. Sitzung des Nationalrats vom 6. Juli 2023 / Seite 562

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ihre Redezeit ist zu Ende. (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP sowie Beifall bei SPÖ und Grünen. – Abg. Michael Hammer: Aus Eigenschutz: setzen!) Die Redezeit ist schon überschritten. Die Gesamt­redezeit ist zu Ende.

(Beifall bei der FPÖ für den sich zu seinem Sitzplatz begebenden Abg. Hauser.)

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Ecker. – Bitte.


23.18.08

Abgeordnete Cornelia Ecker (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf heute, nach zehn Jahren als Abgeordnete in diesem Haus, meine allerletzte Rede halten – dies zu einem Thema, das mir persönlich auch sehr am Herzen liegt.

Die Psyche eines Menschen definiert das emotionale Befinden und entscheidet, wie sich die eigene Zukunft gestaltet. Umso wichtiger ist es, auf das Vorhan­densein psychischer Erkrankungen hinzuweisen und die Ursachen und Folgen dieser nicht wegzuleugnen. Die psychische Gesundheit ist der Grundbaustein für ein erfülltes und zufriedenes Leben. Demnach können wir die Augen davor auf keinen Fall verschließen.

Da braucht es in Österreich noch viel an Leistung, Herr Minister. Es gibt einen großen Nachholbedarf in der Anerkennung, in der Diagnostik und in der Behandlung von psychischen Erkrankungen. Somit kann einer Verbesserung in diesem Bereich von Betroffenen nur zugestimmt werden.

Ich bin froh, dass diese Regierung die Dringlichkeit dieser Thematik, diesbe­züglich Maßnahmen zu ergreifen, erkannt hat, auch wenn sich dieser Antrag ausschließlich auf psychische Erkrankungen von Bäuerinnen und Bauern beschränkt.

Es ist ein erster Schritt, um den Betroffenen zu helfen, dass sie Unterstützung erwarten können, aber mehr auch nicht. So wichtig diese erste Errungenschaft in


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dem Bereich auch ist – es werden viele Berufsgruppen einfach ausgelassen, und das kann es für die Zukunft nicht sein. (Beifall bei der SPÖ.) Denn es darf nicht sein, dass Hilfeleistungen nur ein Exklusivangebot für Bäuerinnen und Bauern bleiben  auch nicht bei der gesamten Wichtigkeit. Psychische Erkran­kungen machen nämlich nicht halt vor bestimmten Berufsgruppen. Während der Coronapandemie haben wir alle gesehen, dass psychische Erkrankungen von Menschen drastisch angestiegen sind. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Wurm.)

Wieso nehmen Sie sich als Regierung also das Recht heraus, nur eine Berufsgruppe herauszustellen und diese zu bedienen? Bei aller Wichtigkeit möchte ich an Sie appellieren: Vergessen Sie nicht alle Menschen in diesem Land, vor allem die Kinder und die Jugendlichen, die psychische Erkrankungen haben! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von FPÖ und NEOS.)

Erst zu Beginn dieses Jahres wurde mit einer Studie  mit einer Covid-Kinder-Studie in Tirol  festgestellt, dass ein Drittel aller Kinder sehr starken psychi­schen Belastungen ausgesetzt ist. Da gibt es also dringenden Handlungsbedarf, große Lücken in der Versorgung, monatelange Wartezeiten, und das kann es nicht sein.

Um noch einmal zum Antrag zurückzukommen: Herr Minister, wir sehen es auch sehr kritisch, dass die Landwirtschaftskammer da die Anlaufstelle ist. Ich sehe das anders als Sie, Herr Hechenberger, denn es ist mit viel Angst und Scham verbunden, sich zu outen, sage ich einmal. Ich weiß nicht, ob die dringend not­wen­dige Anonymität in der Landwirtschaftskammer gegeben ist. Daran ändert einfach auch ein Hintereingang, wie es im Ausschuss berichtet wurde, nichts. Ich denke, man soll sich das jetzt einmal anschauen. Wir lassen uns eines Besseren belehren.

Auch wenn wie gesagt mit diesem Antrag einige Mängel und Schwachstellen verbunden sind, werden wir zustimmen, weil wir es für ganz, ganz wichtig halten, dass da geholfen wird.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll224. Sitzung, 224. Sitzung des Nationalrats vom 6. Juli 2023 / Seite 564

Ich darf mich abschließend bei Ihnen allen, aber vorrangig beim SPÖ-National­ratsklub, für die Zusammenarbeit in den letzten zehn Jahren bedanken, bei der Parlamentsdirektion, bei allen Mitarbeiter:innen, bei meinen parlamentarischen Mitarbeitern, die mich in diesen zehn Jahren begleitet haben. – Herzlichen Dank. Es waren zehn intensive, sehr lehrreiche und auch prägende Jahre, an die ich mich mit Sicherheit gerne erinnern werde.

Ich werde mich aber auch an schwierige und frustrierende Sitzungen erinnern. Deshalb richte ich auch von dieser Stelle an die Regierungsparteien, an die Grünen und an die ÖVP, einen Appell: Achten Sie auf mehr politisches Engage­ment, einen stärkeren Willen zur Zusammenarbeit mit der Opposition bei gleichzeitig weniger Eitelkeit! (Beifall bei SPÖ, FPÖ und NEOS.)

Die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land haben es sich verdient, eine Regie­rung zu haben, die alle Bedürfnisse der Menschen in den Vordergrund stellt und sich der Erfüllung dieser mit Verantwortung und Respekt widmet.

Ich werde diesen Optimismus hinlänglich nicht verlieren. Ich werde meine Leiden­schaft zur Politik nun in meiner Heimatgemeinde als Bürgermeisterin leben. Ich wünsche Ihnen, ich wünsche euch alles erdenklich Gute, viel politisches Gespür und viel Erfolg für unser Land. Vielen Dank und auf Wie­der­sehen. (Allgemeiner Beifall sowie anhaltender, stehend dargebrachter Beifall bei der SPÖ. – Abg. Kucher überreicht Abg. Ecker einen Blumenstrauß.)

23.23


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Ich darf Ihnen für Ihr Engagement in diesen letzten Jahren in den Ausschüssen, aber vor allem im Plenum ein herzliches Dankeschön sagen. Ich wünsche Ihnen für Ihre Arbeit als Bürgermeisterin, wenn Sie sehr direkt mit den Anliegen von, aber auch mit den Lösungen für Menschen konfrontiert sind, das Beste. Ich wünsche Ihnen dabei viel Erfolg und dass Sie dieses Animo mitnehmen, wie Sie es auch gesagt haben. – Herzlichen Glückwunsch dazu! (Allgemeiner Beifall.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll224. Sitzung, 224. Sitzung des Nationalrats vom 6. Juli 2023 / Seite 565

*****23.25.09


Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist damit geschlossen.

Wünscht der Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 24, die dem Ausschussbericht 2164 der Beilagen angeschlossene Entschließung betreffend „Sichtbarmachung der sozialen und psychischen Herausforderungen für österreichische Bäuerinnen und Bauern und einem Bekenntnis zur Unterstüt­zung, u.a. durch Weiterführung und Ausbau des bäuerlichen Sorgen­telefons.“

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen. (333/E)

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Keck, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Österreichs Nachholbedarf im Bereich psychischer Erkrankungen“.

Wer diesem Entschließungsantrag die Zustimmung geben möchte, ist gebeten, sich zu erheben. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 25: Antrag des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft, seinen Bericht 2165 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer dies tut, der ist um ein dementsprechendes Zeichen gebeten. – Das ist die Mehrheit. Damit ist dieser Bericht angenommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll224. Sitzung, 224. Sitzung des Nationalrats vom 6. Juli 2023 / Seite 566

23.26.26 Einlauf


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf bekannt geben, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 3509/A(E) bis 3522/A(E) eingebracht worden sind.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die geschäftsordnungsmäßige Mitteilungen und Zuweisungen betreffen wird, berufe ich für 23.26 Uhr – das ist gleich im Anschluss an diese Sitzung – ein.

Diese Sitzung ist geschlossen.

23.26.50 Schluss der Sitzung: 23.26 Uhr

 

 

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