
Plenarsitzung
des Nationalrates
257. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich
Donnerstag, 21. März 2024
XXVII. Gesetzgebungsperiode
Nationalratssaal
Stenographisches Protokoll
257. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich
XXVII. Gesetzgebungsperiode Donnerstag, 21. März 2024
Dauer der Sitzung
Donnerstag, 21. März 2024: 9.06 – 18.36 Uhr
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Tagesordnung
1. Punkt: Bericht über das Volksbegehren „NEHAMMER MUSS WEG“
2. Punkt: Bericht über den Antrag 3952/A der Abgeordneten Lukas Hammer, Tanja Graf, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz geändert wird
3. Punkt: Bericht über den Antrag 3951/A der Abgeordneten Lukas Hammer, Tanja Graf, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Energieeffizienzgesetz geändert wird
4. Punkt: Protokoll zu dem Übereinkommen von 1979 über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung betreffend die Verringerung von Versauerung, Eutrophierung und bodennahem Ozon
5. Punkt: Entscheidung 2012/2 zur Änderung des Wortlauts und der Anhänge II bis IX des Protokolls von 1999 betreffend die Verringerung von Versauerung,
Eutrophierung und bodennahem Ozon und Aufnahme der neuen Anhänge X und XI
6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Altlastensanierungsgesetz, das Umweltförderungsgesetz und das Umweltkontrollgesetz geändert werden (ALSAG-Novelle 2024)
7. Punkt: Bericht über den Antrag 3872/A der Abgeordneten Andreas Ottenschläger, Hermann Weratschnig, MBA MSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Luftfahrtgesetz geändert wird
8. Punkt: Änderungen des Übereinkommens über den internationalen Eisenbahnverkehr (COTIF) und der Anhänge E (CUI) und G (ATMF) sowie die Einfügung des neuen Anhangs H (EST) zum Übereinkommen
9. Punkt: Bundesgesetz, mit dem zur Lösung haftungsrechtlicher Fragen bei Bäumen das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch geändert wird (Haftungsrechts-Änderungsgesetz 2024 – HaftRÄG 2024)
10. Punkt: Bericht über den Antrag 3822/A der Abgeordneten Mag. Michaela Steinacker, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Strafprozeßordnung 1975, das Jugendgerichtsgesetz 1988, das Finanzstrafgesetz und das Verwaltungsstrafgesetz 1991 geändert werden
11. Punkt: Bericht über den Achten Bericht des Bundeskanzlers zur Lage der Jugend in Österreich
12. Punkt: Bericht über die Petition Nr. 90/PET betreffend „Mental Health Now – stärkt unsere Jugend!“
13. Punkt: Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Bundesrepublik Deutschland über die Zusammenarbeit gegen nichtmilitärische Bedrohungen aus der Luft
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Inhalt
Personalien
Verhinderungen ........................................................................................................... 20
Ordnungsruf ............................................................................................................... 114
Geschäftsbehandlung
Antrag der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen, dem Ausschuss für Arbeit und Soziales zur Berichterstattung über den Antrag 3397/A(E) der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Mehr Mitteleffizienz bei Bildungskarenz“ gemäß § 43 Abs. 1 GOG eine Frist bis 19. April 2024 zu setzen 67
Verlangen gemäß § 43 Abs. 3 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer kurzen Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG ...................................................................................... 67
Redner:innen:
Mag. Gerald Loacker ................................................................................................ .. 229
Tanja Graf ................................................................................................................. .. 235
Josef Muchitsch ....................................................................................................... .. 237
Dr. Dagmar Belakowitsch ....................................................................................... .. 240
Mag. Markus Koza ................................................................................................... .. 243
Mag. Martina Künsberg Sarre ................................................................................. .. 246
Ablehnung des Fristsetzungsantrages .................................................................... 248
Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 5 GOG ............................................................................................................................... 68
Ersuchen der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch um Erteilung eines Ordnungsrufes ............................................................................................................................... 98
Unterbrechung der Sitzung ............................................................................. 229, 287
Verlangen auf Durchführung einer namentlichen Abstimmung .......................... 286
Fragestunde (26.)
Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie ............ 21
Andreas Ottenschläger (327/M); Klaus Köchl, Mag. Ernst Gödl
Lukas Hammer (335/M); Christoph Stark, Mag. Christian Ragger, Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer
Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (333/M); Dr. Christoph Matznetter, Johann Höfinger
Dipl.-Ing. Gerhard Deimek (332/M); Rebecca Kirchbaumer
Michael Bernhard (334/M); Maximilian Linder, Ing. Martin Litschauer, MMag. Michaela Schmidt
Johannes Schmuckenschlager (329/M)
Alois Stöger, diplomé (339/M); Michael Bernhard
Bundesregierung
Vertretungsschreiben ................................................................................................. 20
Ausschüsse
Zuweisungen ................................................................................................................ 66
Verhandlungen
1. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über das Volksbegehren (2079 d.B.) „NEHAMMER MUSS WEG“ (2476 d.B.) ............................................................. .... 68
Redner:innen:
Dr. Christian Stocker ............................................................................................... .... 68
Mag. Selma Yildirim ................................................................................................. .... 71
Dr. Dagmar Belakowitsch ....................................................................................... .... 73
Mag. Agnes Sirkka Prammer ................................................................................... .... 77
Dr. Nikolaus Scherak, MA ....................................................................................... .... 80
Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich ............................................................................... .... 82
Mag. Christian Drobits ............................................................................................ .... 86
Dr. Susanne Fürst ..................................................................................................... .... 88
Mag. Muna Duzdar .................................................................................................. .... 91
Christian Oxonitsch ................................................................................................. .... 93
Michael Schnedlitz ................................................................................................... .... 95
Michel Reimon, MBA ............................................................................................... .... 97
Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 2476 d.B. ............................................... 99
Gemeinsame Beratung über
2. Punkt: Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über den Antrag 3952/A der Abgeordneten Lukas Hammer, Tanja Graf, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz geändert wird (2468 d.B.) .................................................................................................................... 99
3. Punkt: Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über den Antrag 3951/A der Abgeordneten Lukas Hammer, Tanja Graf, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Energieeffizienzgesetz geändert wird (2469 d.B.) .................................................................................................................... 99
Redner:innen:
Alois Schroll ................................................................................................................. 100
Lukas Hammer .................................................................................................. 105, 142
MMMag. Dr. Axel Kassegger .................................................................................. .. 108
Tanja Graf ................................................................................................................. .. 114
Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer .................................................................................. .. 117
Ing. Martin Litschauer ............................................................................................. .. 120
Bundesministerin Leonore Gewessler, BA .............................................................. .. 122
MMag. Michaela Schmidt ....................................................................................... .. 126
Christoph Stark ........................................................................................................ .. 129
Maximilian Linder .................................................................................................... .. 131
Ing. Klaus Lindinger, BSc ......................................................................................... .. 134
Rainer Wimmer ........................................................................................................ .. 137
Dr. Christoph Matznetter ........................................................................................ .. 140
Alois Kainz ................................................................................................................ .. 144
Entschließungsantrag der Abgeordneten Alois Schroll, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Schluss mit den obszönen Übergewinnen – her mit leistbaren Preisen!“ – Ablehnung 103, 146
Annahme der beiden Gesetzentwürfe in 2468 und 2469 d.B. ........................... 145
Gemeinsame Beratung über
4. Punkt: Bericht des Umweltausschusses über die Regierungsvorlage (2464 d.B.): Protokoll zu dem Übereinkommen von 1979 über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung betreffend die Verringerung von Versauerung, Eutrophierung und bodennahem Ozon (2477 d.B.) .................................................................................................................. 146
5. Punkt: Bericht des Umweltausschusses über die Regierungsvorlage (2465 d.B.): Entscheidung 2012/2 zur Änderung des Wortlauts und der Anhänge II bis IX des Protokolls von 1999 betreffend die Verringerung von Versauerung, Eutrophierung und bodennahem Ozon und Aufnahme der neuen Anhänge X und XI (2478 d.B.) ........................................... 146
Redner:innen:
Dr. Astrid Rössler ........................................................................................................ 147
Robert Laimer ............................................................................................................. 148
Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich ............................................................................... .. 150
Michael Bernhard .................................................................................................... .. 152
Bundesministerin Leonore Gewessler, BA .............................................................. .. 153
Franz Hörl ................................................................................................................. .. 155
Nikolaus Prinz .......................................................................................................... .. 157
Genehmigung der beiden Staatsverträge in 2477 und 2478 d.B. ...................... 159
Beschlussfassung im Sinne des Art. 50 Abs. 2 Z 4 B-VG hinsichtlich 2477 und 2478 d.B. ............................................................................................................................. 159
6. Punkt: Bericht des Umweltausschusses über die Regierungsvorlage (2432 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Altlastensanierungsgesetz, das Umweltförderungsgesetz und das Umweltkontrollgesetz geändert werden (ALSAG-Novelle 2024) (2479 d.B.) .. 160
Redner:innen:
Dr. Astrid Rössler ..................................................................................................... .. 160
Dietmar Keck ........................................................................................................... .. 163
Maximilian Linder .................................................................................................... .. 164
Johannes Schmuckenschlager ................................................................................ .. 166
Michael Bernhard .................................................................................................... .. 168
Bundesministerin Leonore Gewessler, BA .............................................................. .. 170
Joachim Schnabel .................................................................................................... .. 174
Martina Diesner-Wais ............................................................................................. .. 176
Annahme des Gesetzentwurfes in 2479 d.B. ........................................................ 177
7. Punkt: Bericht des Verkehrsausschusses über den Antrag 3872/A der Abgeordneten Andreas Ottenschläger, Hermann Weratschnig, MBA MSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Luftfahrtgesetz geändert wird (2489 d.B.) ............................................................................................................................. 177
Redner:innen:
Hermann Weratschnig, MBA MSc .......................................................................... .. 178
Alois Stöger, diplômé .................................................................................................. 179
Dipl.-Ing. Gerhard Deimek ...................................................................................... .. 190
Andreas Ottenschläger ............................................................................................ .. 191
MMag. Katharina Werner, Bakk. ............................................................................ .. 195
Bundesministerin Leonore Gewessler, BA .............................................................. .. 196
Dietmar Keck ........................................................................................................... .. 198
Christoph Stark ........................................................................................................ .. 199
Joachim Schnabel .................................................................................................... .. 201
Dr. Josef Smolle ........................................................................................................ .. 202
Annahme des Gesetzentwurfes in 2489 d.B. ........................................................ 204
8. Punkt: Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (2406 d.B.): Änderungen des Übereinkommens über den internationalen Eisenbahnverkehr (COTIF) und der Anhänge E (CUI) und G (ATMF) sowie die Einfügung des neuen Anhangs H (EST) zum Übereinkommen (2490 d.B.) .................................................................................. 205
Redner:innen:
Hermann Weratschnig, MBA MSc .......................................................................... .. 205
Melanie Erasim, MSc ............................................................................................... .. 207
Dipl.-Ing. Gerhard Deimek ...................................................................................... .. 208
Johann Singer ........................................................................................................... .. 210
Alois Schroll .............................................................................................................. .. 211
Rebecca Kirchbaumer .............................................................................................. .. 212
Genehmigung des Staatsvertrages in 2490 d.B. ................................................... 214
9. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (2462 d.B.): Bundesgesetz, mit dem zur Lösung haftungsrechtlicher Fragen bei Bäumen das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch geändert wird (Haftungsrechts-Änderungsgesetz 2024 – HaftRÄG 2024) (2481 d.B.) .................................................................................................................. 214
Redner:innen:
Mag. Agnes Sirkka Prammer ................................................................................... .. 215
Mag. Selma Yildirim .................................................................................................... 217
Mag. Christian Ragger ................................................................................................ 219
Mag. Michaela Steinacker ....................................................................................... .. 220
Dr. Nikolaus Scherak, MA ....................................................................................... .. 222
Bundesministerin Dr. Alma Zadić, LL.M. ................................................................ .. 224
Dr. Astrid Rössler ..................................................................................................... .. 226
Mag. Ruth Becher .................................................................................................... .. 228
MMMag. Gertraud Salzmann ................................................................................. .. 248
Ing. Manfred Hofinger ............................................................................................. .. 250
Annahme des Gesetzentwurfes in 2481 d.B. ........................................................ 251
10. Punkt: Bericht des Justizausschusses über den Antrag 3822/A der Abgeordneten Mag. Michaela Steinacker, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Strafprozeßordnung 1975, das Jugendgerichtsgesetz 1988, das Finanzstrafgesetz und das Verwaltungsstrafgesetz 1991 geändert werden (2482 d.B.) ............................................................................................................................. 252
Redner:innen:
Mag. Agnes Sirkka Prammer ........................................................................... 252, 277
Mag. Selma Yildirim ................................................................................................. .. 255
Mag. Harald Stefan .................................................................................................. .. 257
Mag. Corinna Scharzenberger ................................................................................ .. 264
Mag. Christian Drobits ............................................................................................ .. 267
Christian Lausch ...................................................................................................... .. 269
Mag. Philipp Schrangl .............................................................................................. .. 272
Michael Schnedlitz ................................................................................................... .. 274
Mag. Michaela Steinacker ....................................................................................... .. 281
Mag. Hannes Amesbauer, BA ................................................................................. .. 284
Annahme des Gesetzentwurfes in 2482 d.B. (namentliche Abstimmung) . 285, 324
Verzeichnis des Ergebnisses der namentlichen Abstimmung ............................. 288
11. Punkt: Bericht des Ausschusses für Familie und Jugend über den Achten Bericht des Bundeskanzlers zur Lage der Jugend in Österreich (III-1083/2466 d.B.) .... 290
Redner:innen:
Lukas Brandweiner .................................................................................................. .. 290
Maximilian Köllner, MA ........................................................................................... .. 293
Rosa Ecker, MBA ........................................................................................................ 295
Barbara Neßler ........................................................................................................... 304
Mag. Yannick Shetty .................................................................................................. 307
Staatssekretärin Claudia Plakolm ............................................................................. 309
MMag. Dr. Agnes Totter, BEd ................................................................................. .. 313
Mag. Yannick Shetty (tatsächliche Berichtigung) ................................................... 315
Eva Maria Holzleitner, BSc ......................................................................................... 316
David Stögmüller ..................................................................................................... .. 318
Christian Oxonitsch ................................................................................................. .. 320
Entschließungsantrag der Abgeordneten Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Herabsetzung der Strafmündigkeit“ – Ablehnung .................................... 298, 323
Kenntnisnahme des Berichtes III-1083 d.B. .......................................................... 323
12. Punkt: Bericht des Ausschusses für Familie und Jugend über die Petition Nr. 90/PET betreffend „Mental Health Now – stärkt unsere Jugend!“, überreicht von den Abgeordneten Mag. Yannick Shetty, Mag. Martina Künsberg Sarre und Fiona Fiedler, BEd (2467 d.B.) ............................................................................................................................. 324
Redner:innen:
Hermann Brückl, MA ............................................................................................... .. 324
Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler .......................................................................... .. 327
Mag. Gerald Hauser ................................................................................................. .. 330
Petra Wimmer ............................................................................................................. 334
Barbara Neßler ........................................................................................................... 340
Mag. Yannick Shetty .................................................................................................. 342
Norbert Sieber .......................................................................................................... .. 344
Entschließungsantrag der Abgeordneten Petra Wimmer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Schulen als Orte der Gesundheit fördern“ – Ablehnung .................................... 337, 347
Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 2467 d.B. ............................................. 346
13. Punkt: Bericht des Landesverteidigungsausschusses über die Regierungsvorlage (2286 d.B.): Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Bundesrepublik Deutschland über die Zusammenarbeit gegen nichtmilitärische Bedrohungen aus der Luft (2483 d.B.) ............................................................................................ 347
Redner:innen:
Mag. Friedrich Ofenauer ......................................................................................... .. 347
Robert Laimer ........................................................................................................... .. 349
David Stögmüller ..................................................................................................... .. 352
Mario Lindner ........................................................................................................... .. 354
Bundesministerin Mag. Klaudia Tanner ................................................................. .. 356
Genehmigung des Staatsvertrages in 2483 d.B. ................................................... 357
Eingebracht wurden
Anträge der Abgeordneten
Hermann Weratschnig, MBA MSc, Andreas Ottenschläger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert wird (35. StVO-Novelle) (3975/A)
Alois Schroll, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schluss mit den obszönen Übergewinnen – her mit leistbaren Preisen! (3976/A)(E)
Hermann Brückl, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Weg mit der verpflichtenden abschließenden Arbeit! (3977/A)(E)
Dr. Susanne Fürst, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ablehnung des „WHO-Pandemievertrags“ sowie der novellierten Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV) (3978/A)(E)
Katharina Kucharowits, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Wahlen vor Deepfakes schützen“ (3979/A)(E)
Werner Herbert, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Verordnung der Bundesregierung vom 29. März 1955, betreffend die Gebühren bei Dienstreisen, Dienstverrichtungen im Dienstort, Dienstzuteilungen und Versetzungen (Reisegebührenvorschrift 1955), BGBI. Nr. 133/1955, zuletzt geändert mit BGBI. I Nr. 205/2022, geändert wird (3980/A)
Petra Wimmer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Schulen als Orte der Gesundheit fördern“ (3981/A)(E)
Petra Wimmer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Schulen als Orte der Gesundheit fördern“ (3982/A)(E)
Mag. Ernst Gödl, Mag. Markus Koza, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz,
das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Selbständigen-Sozialversicherungsgesetz und das Sozialversicherungs-Ergänzungsgesetz geändert werden (3983/A)
Mag. Wolfgang Gerstl, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesministeriengesetz 1986 geändert wird (Bundesministeriengesetz-Novelle 2024) (3984/A)
Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Modernisierung des Bundesarchivgesetzes – Zugang zu historischen Gerichtsakten (3985/A)(E)
Julia Elisabeth Herr, Kolleginnen und Kollegen betreffend vorausschauende Planung und besseres Datenmonitoring für eine resiliente Wasserwirtschaft (3986/A)(E)
Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Postenschacher bei Interessentensuchen beenden (3987/A)(E)
Peter Haubner, Dr. Elisabeth Götze, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Förderung von Handwerkerleistungen geändert wird (3988/A)
Franz Hörl, Melanie Erasim, MSc, Barbara Neßler, Kolleginnen und Kollegen betreffend Zukunftsperspektiven für die Tourismusforschung in Österreich (3989/A)(E)
Anfragen der Abgeordneten
Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft betreffend Leistungen zuzüglich zum Arbeitslosengeld bzw. zur Notstandshilfe (18127/J)
Rudolf Silvan, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Eklatanter Hürden bei der Begutachtung von ME /CFS und Long Covid Patient*innen (18128/J)
Rudolf Silvan, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend der Erforschung von ME/CFS und Long Covid (18129/J)
Mag. Eva Blimlinger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien betreffend Angriffe auf Pressefreiheit bei FPÖ-Kundgebung (18130/J)
Mag. Eva Blimlinger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Angriffe auf Pressefreiheit bei FPÖ-Kundgebung (18131/J)
Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Kriminalität in österreichischen Schulen und Bildungseinrichtungen 2021-2023 (18132/J)
Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Kriminalität in burgenländischen Schulen und Bildungseinrichtungen 2021-2023 (18133/J)
Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Kriminalität in Kärntner Schulen und Bildungseinrichtungen 2021-2023 (18134/J)
Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Kriminalität in niederösterreichischen Schulen und Bildungseinrichtungen 2021-2023 (18135/J)
Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Kriminalität in oberösterreichischen Schulen und Bildungseinrichtungen 2021-2023 (18136/J)
Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Kriminalität in Salzburger Schulen und Bildungseinrichtungen 2021-2023 (18137/J)
Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Kriminalität in Tiroler Schulen und Bildungseinrichtungen 2021-2023 (18138/J)
Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Kriminalität in Vorarlberger Schulen und Bildungseinrichtungen 2021-2023 (18139/J)
Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Kriminalität in Wiener Schulen und Bildungseinrichtungen 2021-2023 (18140/J)
Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Aufenthaltstitel russischer Staatsangehöriger in Österreich (18141/J)
Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend „Terror-Bubis“ sind noch immer auf freiem Fuß (18142/J)
Ing. Mag. Volker Reifenberger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landesverteidigung betreffend Ergebnisse von „Zündende Idee“ – Betriebliches Vorschlagswesen im BMLV aus dem Jahr 2021 (18143/J)
Mag. Dr. Martin Graf, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Privilegien, Vorrechte und Befreiungen für NGOs, internationale Organisationen und Quasi-Internationale Organisationen (18144/J)
Werner Herbert, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Einrichtung einer Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Jugendkriminalität (EJK) (18145/J)
Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Herkunft von vermeintlich umweltfreundlichen HVO (18146/J)
Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Jugendstrafvollzug neu in Wien Simmering Münnichplatz (18147/J)
Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Unfassbare Gewalt- und Mordserie durch Migranten an Frauen und Mädchen (18148/J)
Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Versandhandel: AK-Konsumentenschützer warnen vor Risiken bei Abstellgenehmigungen (18149/J)
Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Bearbeitungszeit für Anträge auf Angehörigenbonus (18150/J)
Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Generische Genera (18151/J)
Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Zukunft der Community Nurses fraglich (18152/J)
Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien betreffend Ist die ORF-Haushaltsabgabe eine „Retourkutsche“ an alle Kritiker? (18153/J)
Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend Erteilung von Visa an russische Staatsangehörige (18154/J)
Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend VKI-Test Haarspülungen: Problematische und unnötige Chemikalien (18155/J)
Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend VKI: Mehrere Klauseln in „zupfdi.at“-AGB laut HG Wien unzulässig (18156/J)
Thomas Spalt, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport betreffend Folgeanfrage Belästigung im Kulturbetrieb (18157/J)
Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Bewusste Behinderung von Ausfuhrgenehmigungen (18158/J)
Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport betreffend Personalmangel, Teilzeitarbeit, Nebentätigkeiten und Nebenbeschäftigung (18159/J)
Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft betreffend Personalmangel, Teilzeitarbeit, Nebentätigkeiten und Nebenbeschäftigung (18160/J)
Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Personalmangel, Teilzeitarbeit, Nebentätigkeiten und Nebenbeschäftigung (18161/J)
Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien betreffend Personalmangel, Teilzeitarbeit, Nebentätigkeiten und Nebenbeschäftigung (18162/J)
Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Personalmangel, Teilzeitarbeit, Nebentätigkeiten und Nebenbeschäftigung (18163/J)
Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft betreffend Personalmangel, Teilzeitarbeit, Nebentätigkeiten und Nebenbeschäftigung (18164/J)
Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Personalmangel, Teilzeitarbeit, Nebentätigkeiten und Nebenbeschäftigung (18165/J)
Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Personalmangel, Teilzeitarbeit, Nebentätigkeiten und Nebenbeschäftigung (18166/J)
Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend Personalmangel, Teilzeitarbeit, Nebentätigkeiten und Nebenbeschäftigung (18167/J)
Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Personalmangel, Teilzeitarbeit, Nebentätigkeiten und Nebenbeschäftigung (18168/J)
Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für EU und Verfassung betreffend Personalmangel, Teilzeitarbeit, Nebentätigkeiten und Nebenbeschäftigung (18169/J)
Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Personalmangel, Teilzeitarbeit, Nebentätigkeiten und Nebenbeschäftigung (18170/J)
Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landesverteidigung betreffend Personalmangel, Teilzeitarbeit, Nebentätigkeiten und Nebenbeschäftigung (18171/J)
Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Personalmangel, Teilzeitarbeit, Nebentätigkeiten und Nebenbeschäftigung (18172/J)
Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft betreffend AK warnt vor unseriösen Schlüsseldiensten (18173/J)
Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Zahl der jugendlichen Drogentoten steigt (18174/J)
Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend VKI: OGH bestätigt irreführende Werbung bei „Gröbi Waldbeere“ (18175/J)
Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend VKI-Urteil gegen Amazon Prime (18176/J)
Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend AK warnt vor unseriösen Schlüsseldiensten (18177/J)
Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Informations- und Werbekampagne „Berufe für Berufene“ sowie Facebook-Postings (18178/J)
Anfragebeantwortungen
des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen (16962/AB zu 17506/J)
des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Mario Lindner, Kolleginnen und Kollegen (16963/AB zu 17515/J)
Beginn der Sitzung: 9.06 Uhr
Vorsitzende: Präsident Mag. Wolfgang Sobotka, Zweite Präsidentin Doris Bures, Dritter Präsident Ing. Norbert Hofer.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, ich darf die 257. Sitzung des Nationalrates für eröffnet erklären. Ich darf die Damen und Herren der Journalistik, die Gäste auf der Besuchergalerie und zu Hause vor den Bildschirmen am zweiten Sitzungstag recht herzlich begrüßen.
Als verhindert gemeldet sind heute die Abgeordneten Mag. Johanna Jachs, Dr. Gudrun Kugler, Mag. Dr. Maria Theresia Niss, MBA, Rudolf Silvan, Dr. Harald Troch, Walter Rauch, Christian Ries, Wolfgang Zanger, Heike Grebien, Mag. Ulrike Fischer, Dr. Helmut Brandstätter, Fiona Fiedler, BEd und Dr. Johannes Margreiter.
Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Für den heutigen Sitzungstag hat das Bundeskanzleramt über die Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung, welche sich in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union aufhalten, folgende Mitteilung gemacht:
Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc wird durch die Staatssekretärin im Bundeskanzleramt Claudia Plakolm vertreten und die Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler durch den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft Mag. Norbert Totschnig, MSc.
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Wie üblich überträgt ORF 2 die Sitzung bis 13 Uhr, ORF III bis 19.15 Uhr und dann anschließend via Livestream; auch die privaten Fernsehanstalten übertragen Teile unserer Sitzung.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen nun zur Fragestunde.
Ich darf Frau Bundesministerin Gewessler recht herzlich begrüßen.
Die Fragestellungen werden – das ist bekannt – von den beiden Rednerpulten im Halbrund aus vorgenommen, die Frau Minister antwortet vom Rednerpult in der Mitte.
Ich werde dann immer still und heimlich die Zeit einmahnen, damit wir mit 2 Minuten bei der Beantwortung und dann jeweils 1 Minute sowohl für die Fragestellung als auch für die Antwort auskommen.
Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Erste an der Reihe ist Abgeordneter Ottenschläger. Bei ihm steht das Wort.
Abgeordneter Andreas Ottenschläger (ÖVP): Guten Morgen, Frau Bundesministerin! Frau Bundesministerin, wie Sie, wie wir – möglicherweise auch aus eigener Erfahrung – wissen, stehen wir derzeit durchaus vor Herausforderungen bei den ÖBB. Mir ist bewusst, dass das vielerlei Ursachen hat, auch externe, wie zum Beispiel Lieferkettenprobleme beim Wagenmaterial – dass es verspätet kommen wird – oder auch die Probleme beim Deutschen Eck.
Insgesamt investieren wir ja sehr viel Steuergeld in die ÖBB, und ich glaube, es sollte unser aller Anspruch sein, dass die Qualität auch wieder entsprechend besser wird. Deswegen stelle ich an Sie folgende Frage:
„Welche Maßnahmen setzen Sie, damit die bei den ÖBB bestellten und vom Steuerzahler bezahlten Verkehre in vereinbarter Qualität im Personennah- und ‑fernverkehr wieder auf ein angemessenes, kundenfreundliches Niveau angehoben werden?“
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.
Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Herzlichen Dank, Herr Abgeordneter, für die Frage! Guten Morgen auch von meiner Seite! Zur aktuellen Lage im Schienenpersonenverkehr: Ja, die Situation war im Dezember und Jänner in manchen Regionen Österreichs nicht zufriedenstellend, so deutlich muss man das sagen. Gerade die Bahn ist aber im Klimaschutz unerlässlich, und die Menschen müssen sich auf sie verlassen können.
Sie haben die Gründe genannt: Lieferverzögerungen, Lieferkettenprobleme auch bei den Ersatzteilen, und als Folge dessen muss das vorhandene Wagenmaterial dann länger und intensiver eingesetzt werden. Ich kann versichern, alle Beteiligten bei den ÖBB arbeiten mit Hochdruck an der Behebung der Ursachen, auch ich erwarte mir im Namen der Kundinnen und Kunden, dass die Probleme dauerhaft in den Griff bekommen werden und die ÖBB zu gewohnter Verlässlichkeit zurückfinden.
Die ÖBB haben zahlreiche Maßnahmen ergriffen, Wartungszusatzschichten eingeteilt, neue Lieferanten zertifiziert, um Lieferungen zu beschleunigen, Instandhaltungsprioritäten für Fahrzeuge des Nahverkehrs in der Ostregion erhöht und auch Fahrzeuge aus anderen Regionen oder anderen EVUs, wenn es möglich war, in den Fuhrpark der Ostregion übernommen. Längerfristig planen ja die ÖBB-Personenverkehr, 380 neue Fahrzeuge anzuschaffen – man ist ja schon in der Beschaffung –, um das Sitzplatzangebot weiter zu steigern.
Auch wenn wir noch nicht am Ziel sind, konnten die ÖBB wirklich deutliche Verbesserungen für die Kund:innen erreichen. Die Zahl der Zugausfälle wurde insgesamt – im Vergleich zum Höhepunkt im Dezember – kontinuierlich verringert. Die Pünktlichkeit im Nah- und Fernverkehr ist im Vergleich zum Dezember 2023 wieder deutlich besser. Besonders freut mich, dass die S3 in Wien und Niederösterreich ab 2. April, also nach Ostern, wieder den Normalfahrplan einhalten wird. Das ist ein guter Schritt für den öffentlichen Verkehr in Niederösterreich, und ich bin froh, dass die ÖBB die gesetzten Maßnahmen nun zurücknehmen können.
Ich möchte an dieser Stelle auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der ÖBB, die dies durch ihren Einsatz ermöglicht haben, ein herzliches Danke sagen. (Beifall der Abgeordneten Holzleitner und Matznetter.) – Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der ÖBB verdienen sich einen Applaus.
Wir wissen auch, dass es noch längere Anstrengungen braucht, um den gewünschten Zustand verlässlich wiederherzustellen.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.
Abgeordneter Andreas Ottenschläger (ÖVP): Dem Dank schließen wir uns natürlich an.
Frau Bundesministerin, es gibt ja auch auf europäischer Ebene die Herausforderung, dass es beispielsweise bei den Buchungssystemen kein kundenfreundliches Angebot gibt. Wie sehen Sie die Entwicklung betreffend eine europäische Buchungsplattform für Bahnkunden beziehungsweise wie sprechen Sie diese Thematik auch im Verkehrsministerrat an?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.
Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Ich kann den Wunsch und das Verlangen
nach einer europäischen Vertriebsplattform wirklich vollinhaltlich nachvollziehen. Wir haben uns das ja in Österreich vorgenommen und mit One Mobility und rund um das Klimaticket die ersten Schritte in diese Richtung einer nationalen Buchungsplattform gesetzt.
Auf EU-Ebene können aber ohne einheitliche Vorgaben keine wirklichen Fortschritte erzielt werden, denn es braucht einheitliche Vorgaben hinsichtlich der Datenschnittstellen in der Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Verkehrssystemen. Ein entsprechender Rechtsakt der Europäischen Union war für Herbst 2023 angekündigt worden, wurde aber wider Erwarten nicht von der Kommission vorgelegt. Ob von der nächsten Kommission ein Regelwerk zu erwarten ist, bleibt abzuwarten. Wir setzen uns jedenfalls dafür ein: sowohl im Minister-, Ministerinnenrat als auch in Plattformen mit anderen Mitgliedstaaten. Der Personenverkehr muss bei dieser Frage im 21. Jahrhundert ankommen.
Die ÖBB haben diesbezüglich sicher eine Frontrunnerposition innerhalb Europas und erfüllen die Ticketing Roadmap, die sich die Branche selbst gegeben hat, schon jetzt. Wir müssen aber auf europäischer Ebene weiterkommen, und das fordere ich ein.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Köchl. – Bitte.
Abgeordneter Klaus Köchl (SPÖ): Guten Morgen, Frau Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sie haben gerade ausgeführt, dass Qualität und Niveau der Kundenfreundlichkeit bei den ÖBB irrsinnig wichtig sind. Ich bin der Meinung, dass es ohne Personal nicht gehen wird. Daher meine Frage: Werden Sie durch mehr Personal die Qualität der vom Steuerzahler bezahlten Vereine in Zukunft gewährleisten?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.
Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Ich glaube, wir müssen bei dieser Frage
zwei Dinge auseinanderhalten. Das eine ist die momentane Situation. Wie ich vorhin ausgeführt habe, leiden – so muss man das sagen – die ÖBB unter den Lieferverzögerungen von Zügen, teilweise um zwei Jahre und mehr, den Lieferketten für die Ersatzteile, Unwettern, die insbesondere Railjet-Züge in die Wartung geschickt haben, und vielem mehr. Daran wird jetzt gearbeitet.
Parallel dazu sehen sich die ÖBB – wie auch das Ministerium, wie viele andere Organisationen – einem Generationenwechsel gegenüber. Eine Pensionierungswelle steht an: die der Babyboomergeneration, die sich langsam, aber sicher Richtung Ruhestand bewegt. Da unternehmen die ÖBB konzernweit wirklich massive Anstrengungen, um das Arbeiten im und Beitragen zum größten Klimaschutzunternehmen Österreichs attraktiv zu machen, um Neuaufnahmen zu generieren; sie investieren ins Lehrlingsprogramm und vieles mehr.
Insbesondere das Lehrlingsprogramm unterstützen wir auch aus dem Budget, und ich bin sehr, sehr froh, dass wir – wenn mich die Zahlen nicht trügen – über 2 000 Lehrlinge aus der öffentlichen Hand unterstützen können.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Zusatzfrage stellt Herr Abgeordneter Gödl. – Bitte.
Abgeordneter Mag. Ernst Gödl (ÖVP): Guten Morgen, Frau Bundesministerin! Wenn wir vom „Niveau der Kundenfreundlichkeit“ sprechen, dann möchte ich kurz ein regionales Thema ansprechen und dazu eine Frage stellen.
Derzeit läuft ja die Umsetzung des Jahrhundertprojektes Koralmbahn von Graz bis nach Klagenfurt. Diese Zugtrasse führt durch meinen Bezirk Graz-Umgebung. Es mutet tatsächlich wie ein Schildbürgerstreich an, dass der Zug exakt am Tor des Flughafens Graz vorbeifährt, aber dort keine Haltestelle implementiert wird – wo es doch beim Flughafen bis zu einer Million Bewegungen gibt, also Menschen, die ankommen, Menschen, die wegfliegen. Just an diesem Punkt wäre kein Haltepunkt?! Das wird wie gesagt als Schildbürgerstreich empfunden.
Daher die Frage an Sie: Was haben Sie schon unternommen oder was werden Sie unternehmen, um die ÖBB davon zu überzeugen, dass an diesem neuralgischen Punkt auch ein Schnellzug anhalten sollte?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.
Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Dieses Thema bewegt die Steiermark, das weiß ich; wir haben es ja auch schon öfter im Verkehrsausschuss zur Diskussion gehabt.
Entscheidungen beim Infrastrukturbau haben immer eine extrem lange Vorlaufzeit. Der Grundgedanke der Koralmbahn – und ich glaube, das sollten wir alle uns wirklich noch einmal vor Augen halten – ist eine Kantenfahrzeit von 45 Minuten zwischen Graz und Klagenfurt. Das ist kaum vorstellbar, wenn man die jetzige Verbindung dieser zwei Landeshauptstädte kennt. Insofern ist das wirklich, wirklich ein Quantensprung.
Um diese 45 Minuten einzuhalten, ist nur eine limitierte Anzahl von Zwischenhalten möglich. Die Entscheidung für diese Zwischenhalte ist lange vor meiner Amtszeit gefallen, wir haben aber auch so sichergestellt, dass sich die Anbindung des Flughafens Graz deutlich verbessert, und zwar aus der Region, weil auch über den Nahverkehrsbahnhof eine deutlich verbesserte Anbindung möglich ist.
Ich würde wirklich ersuchen, dass wir uns das mit Inbetriebnahme einmal anschauen. Vielleicht haben ja meine Vorgängerinnen und Vorgänger schon so weit mitgedacht und eine gute Lösung auch für den Flughafen Graz gefunden.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die Anfragen 2 und 3 entfallen leider, sodass wir mit der Anfrage 4 fortsetzen. Diese stellt Abgeordneter Hammer. – Bitte sehr. Bei Ihnen steht das Wort.
Abgeordneter Lukas Hammer (Grüne): Guten Morgen, Frau Ministerin! Wir haben uns beziehungsweise Sie haben sich das Ziel gesetzt, bis 2030 zu 100 Prozent auf Ökostrom umzusteigen. Dieses Ziel haben sich frühere Regierungen auch gesetzt, es war aber leider so, dass zu wenig Erneuerbare zugebaut wurden. Auch der Energiebedarf ist gestiegen, und so sind wir diesem Ziel von 100 Prozent Ökostrom in den Netzen im Prinzip nie wirklich näher gekommen.
Daher meine Frage an Sie: Wie hat sich die Energiewende seit Ihrem Amtsantritt entwickelt, und sind wir unserem Zielpfad näher gekommen?
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Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 335/M, hat folgenden Wortlaut:
„Wie hat sich die Energiewende mit dem Erneuerbaren-Ausbau seit Beginn der Grünen Regierungsbeteiligung entwickelt, liegen wir mittlerweile auf dem Zielpfad, dem Österreich in der Vergangenheit so weit hinterhergehinkt ist?“
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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.
Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Ja, ich beginne gleich mit den wirklich guten Nachrichten: Wir liegen auf dem Zielpfad für die Ziele im Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz. Das sind wirklich großartige Nachrichten, weil 100 Prozent erneuerbarer Strom für unser Land eine Notwendigkeit sind. Ich formuliere es wirklich so drastisch, weil wir in den letzten zwei Jahren gesehen haben, was uns die Abhängigkeit von fossilen Energien kostet, wie sie uns schmerzt und inwieweit sie eine Gefahr für unsere Sicherheit, unseren Wohlstand und natürlich auch für den Klimaschutz ist.
Wir haben mit dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz wirklich neue Maßstäbe gesetzt. Mit den Verordnungen, mit denen wir die Förderungen auf stabile neue Beine gestellt haben, haben wir die jährlich geförderte Fotovoltaikleistung gegenüber 2019 mehr als verzehnfacht. Wir haben 1 Milliarde Euro an Fotovoltaikförderungen zur Verfügung gestellt. Mit den neuen Verordnungen von vergangener Woche haben wir diese Förderungen mithin auch für zwei Jahre abgesichert. Wir stellen mit diesen neuen Förderungen und insbesondere mit der Marktprämie wirklich ein Rekordvolumen in allen Technologien für den Ausbau zur Verfügung. Das wird also ein richtiger Boost für den Ausbau: über 1 Gigawatt Fotovoltaik, knapp 600 Megawatt Wind.
Wir haben mit Gesetzen wie dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz, mit der UVP-G-Novelle, mit dem integrierten Netzinfrastrukturplan, mit den Energiegemeinschaften – wo wir in Europa wirklich Vorreiter sind und uns freuen, dass wir jetzt bereits 1 000 Energiegemeinschaften in unserem Land haben – wirklich die Energiewende in Österreich ins Rollen gebracht.
Es funktioniert, das zeigen die Zahlen: 87 Prozent der Stromproduktion in Österreich waren im Jahr 2023 aus erneuerbaren Quellen. 2024 hat mit einem Rekord begonnen: Rund 85 Prozent unseres Stromverbrauches waren aus erneuerbaren Quellen. Üblicherweise sind es im ersten Quartal rund um die 60 Prozent. Auch der Zubau bei der PV übertrifft alle Erwartungen: Wir haben erstmals die Gigawattmarke geknackt. Insofern: Wir sind auf Zielkurs. – Großartig.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage, Herr Abgeordneter? – Bitte.
Abgeordneter Lukas Hammer (Grüne): Es ist sehr erfreulich, dass wir auf Zielpfad sind und dass wir sozusagen den Turbo eingelegt haben. Wir wissen aber alle, dass es natürlich noch Dinge gibt, die dem noch schnelleren Ausbau der Erneuerbaren in Österreich entgegenstehen.
Sie wissen, ein Thema ist der Netzausbau, das andere Thema sind die Flächen, die wir zum Beispiel für die Windenergie brauchen, wobei es, wie in Kärnten zum Beispiel, Vorschriften gibt wie die Sichtbarkeitsverordnung, die dem Windausbau oder dem politischen Willen entgegenstehen.
Daher meine Frage an Sie: Welche weiteren Maßnahmen haben Sie geplant, um den Ausbau der Erneuerbaren noch weiter voranzutreiben und zu beschleunigen?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Ministerin.
Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Ich möchte hier stellvertretend drei Themen erwähnen. Das erste ist der integrierte Netzinfrastrukturplan, der jetzt in der Finalisierungsphase ist. Netze sind, wie auch von Oesterreichs Energie oft gesagt wird, die Enabler der Energiewende. Sie müssen smart, digital und modern werden. Da haben wir viel zu tun, gerade auf der Verteilnetzebene für die Fotovoltaik.
Wir haben, und Sie haben es angesprochen, die Situation, dass in manchen Bundesländern noch kein Windrad steht. Wir haben Verordnungen, die in manchen Bundesländern den Ausbau deutlich erschweren, deswegen ist das Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungsgesetz, das im Ministerium erarbeitet wurde und jetzt in politischer Abstimmung ist, ein weiterer sehr, sehr wichtiger Baustein.
Das Dritte ist das Elektrizitätswirtschaftsgesetz, das ich hoffe bald auch Ihnen hier zur Diskussion vorlegen zu können. Das ist das neue Betriebssystem für den österreichischen Strommarkt – ich habe es letztens damit verglichen, dass wir am Computer ja auch nicht mehr mit Windows 95 arbeiten. Das ElWG wird das Betriebssystem für das 21. Jahrhundert für unseren Strommarkt mit Fokus auf Kunden und Kundinnen, mit Fokus auf gute, smarte, effiziente Nutzung des Netzes für mehr Transparenz und Planungssicherheit.
Das sind drei Bausteine von sicher noch mehreren, aber stellvertretend genannt.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Stark. – Bitte.
Abgeordneter Christoph Stark (ÖVP): Guten Morgen, Frau Ministerin! Wie wir alle wissen, ist mit der Energiewende auch die Gasversorgung in Österreich eng verbunden. Neben den Gräueln des Krieges in der Ukraine steht damit auch das Aus für Transporte und die Transportverträge des russischen Gases nach Österreich in Verbindung, was natürlich für den österreichischen Standort einen enormen Wettbewerbsnachteil mit sich bringen kann.
Nun meine Frage: Welche Maßnahmen ergreifen Sie ganz konkret angesichts dieses bald drohenden Szenarios des Endes der Transitverträge und des Endes des Transits von russischem Gas?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Ministerin.
Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Wir wissen, dass der Transitvertrag zwischen Naftogaz und Gazprom Ende des Jahres ausläuft. Das ist keine Überraschung und das war eines der vielen Risiken, auf die sich diese Bundesregierung in den letzten zwei Jahren vorbereitet hat – genauso wie auf das Risiko, dass Gasinfrastruktur, die durch ein Kriegsgebiet verläuft, unterbrochen werden kann, und genauso wie auf die größte Gefahr, nämlich dass Wladimir Putin am Hebel für unsere Gasversorgung sitzt und es deswegen in der Hand hat, jede Gelegenheit zu nützen, so natürlich auch das Ende des Transitvertrags, um uns wieder mit den Gaslieferungen zu erpressen.
Insofern würde ich einer Annahme in der Fragestellung vielleicht ein bisschen widersprechen wollen: Unser Problem ist zu viel russisches Gas und die Abhängigkeit von Wladimir Putin in der Frage, ob unsere Industrie produzieren kann und wir die Häuser warm halten können. Wir müssen raus aus dieser Abhängigkeit – und nicht auf eine Verlängerung hoffen.
Wir haben, ich habe deswegen auch als nächsten konkreten Schritt, neben all den Dingen, die wir schon gemacht haben – Speicher, Gasreserve, Diversifizierungsförderung et cetera –, auch eine Diversifizierungspflicht vorgeschlagen, denn wenn der Markt diese Verantwortung, auch tatsächlich nicht-russisches Gas nach Österreich zu bringen, nicht wahrnimmt, dann muss der Staat da eingreifen.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Zusatzfrage stellt Abgeordneter Ragger, und dann kommt Frau Abgeordnete Doppelbauer. – Bitte.
Abgeordneter Mag. Christian Ragger (FPÖ): Schönen guten Morgen, Herr Präsident! Geschätzte Frau Minister! Meine Fragestellung bezieht sich auf die Windkraft, Windenergie:
Kärnten hat einen extrem hohen Selbstversorgungsgrad und einen sehr hohen Anteil – fast 100 Prozent – erneuerbarer Energie. Nunmehr ist die Aufgabe der Landesregierung im Bereich dieses Masterplans für Energie, neue Windräder zu errichten. Die Analyse hat ergeben, dass man sie in ganz Kärnten nur auf einen einzigen Berg positionieren kann, das ist die Koralpe zwischen der Steiermark und Kärnten.
Ich möchte an Sie als Ministerin die Frage stellen, wie Sie die Abwägung sehen: auf der einen Seite der Bau von Hunderten Windrädern am Berg und auf der anderen Seite natürlich das kritische Bild in Verbindung mit dem Landschaftsbild. Wie ist das in Einklang zu bringen, wenn sich Kärnten bereits selbst mit Alternativenergie versorgt?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Ministerin.
Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Dazu zwei Themen: Ja, Kärnten ist im Strombereich weit, wie wir insgesamt in Österreich, aber der Strombereich ist nicht das Energiesystem. Das heißt, wir haben noch viele Bereiche, die wir in
Zukunft elektrifizieren werden, von der Mobilität bis zur Industrie, um aus den fossilen Energien rauszukommen.
Das heißt, wir haben in Österreich gesamthaft – neun Bundesländer gemeinsam, solidarisch, eine Republik – einen Ausbaubedarf an erneuerbarer Energie. Und wir sehen es in anderen Bundesländern, sei es im Burgenland, sei es in Niederösterreich, sei es im Nachbarbundesland Steiermark, das schon jetzt mehr Windräder hat als Kärnten: Die haben, sage ich als Steirerin mit großer Überzeugung, ein schönes Landschaftsbild, sind lebenswerte Bundesländer, und ich bin mir sicher, es wird auch in Kärnten gut gelingen, das in Übereinstimmung zu bringen.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Eine weitere Zusatzfrage stellt Frau Abgeordnete Doppelbauer. – Bitte.
Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Herr Präsident! Frau Ministerin! Im zurückgezogenen NEKP-Entwurf wird festgehalten, dass im With-additional-measures-Szenario im Strombereich trotzdem noch eine Lücke von 7 Terawattstunden zusätzlich zum aktuellen EAG-Zielpfad verbleibt, deren Schließung zur Erreichung des Ziels, bis 2030 den Gesamtstromverbrauch zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energiequellen im Inland zu decken, erforderlich ist.
Ich weiß, dass der Entwurf zurückgezogen ist, aber wie sieht denn die Situation hinsichtlich der Zielerreichung bis 2030 aus, wenn dieser zusätzliche Bedarf auch noch berücksichtigt werden sollte?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Ministerin.
Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Wir haben, sowohl was ambitionierte Zielsetzungen auf der nationalen Ebene – 100 Prozent erneuerbarer Strom bis 2030 – als auch auf der europäischen Ebene betrifft, immer auch gesagt, der
Ausbaubedarf hört mit den 27 Terawattstunden, die wir im EAG, im Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz, schon festgeschrieben haben, nicht auf, sondern wir werden auch darüber hinaus erneuerbaren Strom ausbauen.
Wir sind jetzt auf Zielkurs für die 27 Terawattstunden, wir sind bei der Fotovoltaik sogar über dem Zielkurs, den wir uns für 2030 gesetzt haben, und wir sehen, wir haben Potenzial, auch noch schneller zu werden. Das haben wir mit der UVP-G-Novelle gehoben, das werden wir mit dem Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungsgesetz, mit dem wir auch die Vorgaben der europäischen Erneuerbare-Energie-Richtlinie III, sogenannte Beschleunigungsgebiete, umsetzen, auch noch einmal heben, und auch mit dem ElWG und dem Fokus auf das Netz und vielen anderen Maßnahmen rundherum. Wir können auch schneller sein, wenn alle anpacken, wenn alle ihre Verantwortung übernehmen, insbesondere Flächen ausweisen – das ist ja auch vorhin bei den letzten beiden Fragen schon ein Thema gewesen.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt ebenfalls Frau Abgeordnete Doppelbauer, daher kann sie gleich hierbleiben. – Bitte sehr.
Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Frau Bundesministerin, meine Frage lautet:
„Welche konkreten Maßnahmen haben Sie auf europäischer Ebene und im direkten Dialog mit dem deutschen Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, Robert Habeck, ergriffen, um eine Änderung der EU-rechtswidrigen deutschen Gasumlage zu erreichen?“
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Ministerin.
Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Ich stimme mit Ihnen überein, die Einhebung der deutschen Gasspeicherumlage an den Grenzübergangspunkten
zu den Nachbarstaaten ist aus meiner Sicht nicht kompatibel mit EU-Recht, sie ist auch kein gutes Zeichen für den gemeinsamen europäischen Binnenmarkt und widerspricht zum Teil auch der Solidarität, denn auch Österreich trägt ja mit seinen Speichern zur Stabilisierung des Gasmarkts in Süddeutschland bei.
Diese Umlage erschwert uns auch den Ausstieg aus russischem Gas, weil sie die Importe verteuert. Deswegen haben wir, ich und auch die Experten, Expertinnen im Klimaschutzministerium, seit August 2022, also seit dieses Thema öffentlich geworden ist und angekündigt wurde, auf fachlicher Ebene in einer Vielzahl von Austauschformaten – schriftlich, mündlich, persönlich – auf politischer Ebene einerseits dagegen protestiert und uns andererseits dafür eingesetzt, dass sie wieder abgeschafft wird.
Wir haben das in zahlreichen Energieminister-, ‑ministerinnenräten diskutiert. Robert Habeck war im Februar 2023 zu Besuch in Wien, auch da haben wir das Thema diskutiert, war die Umlage ein Thema.
Wir haben nicht alles immer öffentlich gemacht, wie es sich, glaube ich, unter Nachbarn im guten nachbarschaftlichen Zusammenarbeiten auch gehört. Wir haben aber dann den Schritt auch zur Europäischen Kommission – die ein Pilotverfahren gegen Deutschland eingeleitet hat – gemacht, und zwar in einem gemeinsamen Schreiben von Österreich, Tschechien, Ungarn und Polen mit einer Beschwerde gegen diese Umlage, um eben sicherzustellen, dass auch die Europäische Kommission eine klare Position, insbesondere im Hinblick auf die EU-Rechtswidrigkeit dieser Umlage, einnimmt. Wir haben dieses Thema Anfang März 2024 auch auf der Tagesordnung des Rates gehabt. Die Energiekommissarin hat dazu sehr deutliche, sehr kritische Worte gefunden.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage, Frau Abgeordnete? – Bitte.
Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Da geht es auch um Fragen, die die Kommission betreffen. Und zwar wollten wir wissen, wie Ihr konkreter Zeitplan von der Klärung offener rechtlicher Fragen mit der Kommission bezüglich
der Ausstiegsmöglichkeiten aus russischem Gas auf Basis der Trilogeinigung der europäischen Gesamtmarktverordnung bis hin zur Durchsetzung in Richtung eines tatsächlichen Ausstiegs aus dem Vertrag ist?
Sie wissen es, wir haben rechtlich ein bisschen einen anderen Blick. Wir glauben, es wäre mit dieser Regelung möglich, auszusteigen. Sie haben gesagt, es sind noch Fragen zu klären. Da würde mich eben interessieren, wie der konkrete Zeitplan zur Klärung aussieht.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.
Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Worum geht es? – Der Hintergrund: Im letzten Gasmarktpaket gibt es eine Regelung, die vorsieht, dass man an der Grenze der Europäischen Union, also an den Außengrenzen zu Russland und Weißrussland, den Import von russischem Gas physisch beschränken kann. Unsere Interpretation war – und das ist die Antwort auf die Frage; mittlerweile auch von der Europäischen Kommission uns gegenüber so bestätigt –, dass das eben nur die Außengrenzen des Binnenmarktes betrifft und damit für uns als Binnenland im Herzen der Europäischen Union nicht schlagend ist.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Zusatzfrage stellt Abgeordneter Matznetter. – Bitte sehr.
Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Danke, Frau Bundesministerin, dass Sie dargestellt haben, dass Sie sich gegen Ihren grünen Amtskollegen Robert Habeck seit Mitte 2022 nicht durchsetzen können und dass Sie versuchen, auf europäischer Ebene die Kommission zu bewegen.
Meine konkrete Frage ist: Warum bringen Sie angesichts des enormen Schadens, den die österreichische Volkswirtschaft durch die Gasumlage erleidet, nicht eine entsprechende eigene Beschwerde Österreichs beim EuGH ein, so wie damals in der Frage Maut?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.
Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Zuerst darf ich Ihnen versichern, dass ich mit Robert Habeck oft gesprochen habe, aber Robert Habeck ist – das ist wie in Österreich, wo manche Vorschläge, die ich mache, auch anders ausfallen würden, wenn ich die Entscheidung allein treffen könnte – in einer Koalition. Insofern würde ich Sie gerne ersuchen, bei Ihrer Schwesterpartei, die dort den Bundeskanzler stellt (Abg. Hörl: Aha! So geht das!), unsere Forderung zu unterstützen. Das würde helfen. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Hörl: Das könnte ich auch oft sagen, Frau Gewessler! – Abg. Matznetter: Das war nicht meine Frage!) – Ich weiß. Ich beantworte natürlich auch die Frage, aber ich verbinde sie mit einer Bitte. (Abg. Leichtfried: Jetzt ist der Kollege Hörl ...!)
Wir haben alles gemacht, was notwendig war, um die europarechtliche Anfechtung zu ermöglichen: die Europäische Kommission auf diesen Sachverhalt hingewiesen, bilateral informiert und eben jetzt auch ein Pilotverfahren eingeleitet. Dieses Verfahren gibt es ja jetzt schon.
Mein Ressort hat aber darüber hinaus auch der AGGM ein Gutachten finanziert, um die prozessualen Handlungsmöglichkeiten zu prüfen, die die Unternehmen haben, die von dieser Umlage betroffen sind. Eine zivilrechtliche Feststellungsklage – das hat dieses Gutachten ergeben – gegen die THE, die die Umlage einhebt, ist derzeit die beste prozessuale Handlungsmöglichkeit. Die steht den Unternehmen offen.
Auch der für Energie zuständige Sektionschef bei mir im Ressort hat wiederholt die Unternehmen dazu aufgerufen, Rechtsmittel dagegen einzulegen. Wenn Sie hier unterstützen können, begrüße ich das auch sehr. Ich bin zuversichtlich, dass nach dem sogenannten Pilotverfahren der nächste Schritt im Vertragsverletzungsverfahren bald eingeleitet wird.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Eine Zusatzfrage stellt Abgeordneter Höfinger. – Bitte.
Abgeordneter Johann Höfinger (ÖVP): Frau Bundesminister! Gab es im Zusammenhang mit dieser Gasumlage – Sie haben es jetzt teilweise schon skizziert, aber nochmals eine genaue Nachfrage – direkte Gespräche mit betroffenen weiteren Mitgliedstaaten beziehungsweise wie ist deren Position dazu? Oder gibt es sogar Überlegungen, rechtliche Schritte dagegen einzuleiten?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.
Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Wir haben uns im Hinblick auf die Gasumlage bei zahlreichen Gelegenheiten auch mit anderen Mitgliedsländern ausgetauscht und abgestimmt. Es ist ein Thema, das insbesondere die Nachbarländer Tschechien, Ungarn und Polen sehr intensiv bewegt, aber nicht nur diese, denn es verteuert – so die Logik – natürlich zuerst die Importe nach Österreich, aber insgesamt halt Gas, das aus Deutschland importiert wird.
Wir haben uns in dem Fall gemeinsam mit Tschechien, Ungarn und Polen mit der Beschwerde gegen die Umlage zuerst an die Kommission gewandt und Anfang März 2024 gemeinsam mit Tschechien das Thema auf die Tagesordnung des Rates gebracht. Wir sind da wirklich mit den Ländern aus der Region sehr gut abgestimmt und auch einer Meinung, und ich erwarte wie gesagt, dass der nächste Schritt im Vertragsverletzungsverfahren auch bald eingeleitet wird. Die zuständige Kommissarin hat sich beim Rat wirklich deutlich geäußert.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Frau Abgeordnete Graf. – Bitte.
Abgeordnete Tanja Graf (ÖVP): Frau Bundesministerin! Wir haben es bei der Frage zuvor schon gehört: Die Gasumlage spielt eine große Rolle für Österreich. Die Kosten der Gasimporte von Deutschland nach Österreich sind massiv
gestiegen. Wir reden da von Mehrkosten von mehr als 100 Millionen Euro, die für Österreich an Mehrbelastungen zustande gekommen sind. Damit wurde leider wiederum eine Abhängigkeit von russischem Gas verursacht, weil eben die andere Leitung zu teuer war.
Jetzt habe ich auch vernommen, dass Gleiches seitens Italiens geplant ist, mit einer vergleichbaren Steuer namens Neutrality Charge, die geplant worden ist. Kollege Matznetter hat es auch gesagt: 2019 waren wir vonseiten Österreichs eigentlich sehr erfolgreich hinsichtlich der Lkw-Maut.
Meine Frage lautet:
„Welche Maßnahmen haben Sie auf EU- und bilateraler Ebene gegen die lt. Gutachten rechtswidrige deutsche Gasspeicherumlage, welche die Gasimporte aus Deutschland verteuert, sowie die drohende Einführung einer dem deutschen Beispiel folgenden Neutrality Charge von Seiten Italiens gesetzt?“
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.
Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Ich habe in der Beantwortung der vorigen Fragen schon die Historie unseres – im Ministerium – beziehungsweise meines Einsatzes Deutschland gegenüber ausgeführt, die seit der Ankündigung dieser Umlage im August 2022 jetzt wirklich eine Chronologie von bald zwei Seiten aufweist.
Wir haben deswegen ja auch erreicht, dass die Kommission jetzt schon ein Pilotverfahren durchführt. Ich erwarte wie gesagt, dass die nächsten Schritte im Vertragsverletzungsverfahren tatsächlich bald eingeleitet werden. Auch da darf ich noch einmal unterstreichen: Eine weitere rechtliche Möglichkeit wäre eben, dass betroffene Unternehmen direkt rechtliche Schritte einleiten. Ich
werbe da auch gerne um Unterstützung. Das wäre eine der schnellsten und effizientesten und effektivsten Möglichkeiten.
Auf die italienische Ankündigung, eine ähnliche Umlage einzuführen, haben wir natürlich auch sofort mit ähnlicher Ablehnung – also sehr klarer und damit gleicher Ablehnung – reagiert. Wir haben uns an der öffentlichen Konsultation beteiligt, auch dort eine negative Stellungnahme abgegeben; im Rat war die Diskussion Anfang März 2024. Nachdem sich die Kommission sehr kritisch gegenüber Deutschland geäußert hat, hat Italien daraufhin angekündigt, von den eigenen Plänen zur Einführung einer Gasspeicherumlage abzusehen. Das sind also gute Neuigkeiten.
Und: Ja, es stimmt, diese Umlage macht uns die Diversifizierung schwerer und hat zwischen Oktober 2022 und Dezember 2023 – da ist die Quelle Acer – auf europäischer Ebene 39 Millionen Euro an Kosten verursacht.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage, Frau Abgeordnete? – Bitte.
Abgeordnete Tanja Graf (ÖVP): Sie haben es kurz erwähnt: Vertragsverletzungsverfahren. Wird jetzt von Österreichs Seite ein Vertragsverletzungsverfahren angestrebt?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.
Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Wir haben uns auf europäischer Ebene sehr intensiv dafür eingesetzt, dass dieses Pilotverfahren gestartet wird; also wir haben alles gemacht, was notwendig war, um diese europarechtliche Anfechtung auch tatsächlich zu ermöglichen. Die Europäische Kommission ist dem auch gefolgt. Es gibt das Pilotverfahren. Ich gehe wie gesagt davon aus, dass die nächsten Schritte im tatsächlichen Vertragsverletzungsverfahren auch bald eingeleitet werden.
Ich darf aber nochmal darauf hinweisen: Schnell, effizient – und mein Sektionschef Jürgen Schneider war mit vielen Unternehmen schon in Kontakt – ist eine zivilrechtliche Feststellungsklage gegen die THE. Das ist derzeit die beste prozessuale Handlungsmöglichkeit, gerade für die Unternehmen, die ja sonst in der Zwischenzeit auch zahlen müssen. Insofern: Wenn Sie hier unterstützen können, Unternehmen zu motivieren, auch mit ihren Möglichkeiten die rechtlichen Schritte zu setzen, dann wäre das sehr, sehr hilfreich. – Herzlichen Dank.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Abgeordneter Schroll. – Bitte.
Abgeordneter Alois Schroll (SPÖ): Schönen guten Morgen, Frau Bundesministerin! Jüngst wurde in den Medien berichtet, Bundesministerin Gewessler im BMK betreibt mit 36 externen Anbietern über 70 Websites und Social-Media-Plattformen: „Laut Rechnungshof sind die Gesamtkosten dafür nicht bekannt.“ Was auch drinnen steht, ist, dass diese Plattformen die breite Öffentlichkeit nicht erreichen.
Jetzt wurde in der jüngsten Vergangenheit durch eine Anfrage unseres Klubobmannes festgestellt, dass im BMK in drei Monaten, von Oktober bis Dezember, eine halbe Million Euro ausgegeben wurde, und davon wieder 44 700 Euro alleine für Medien, Fotozukauf. Aufgrund der Anfragebeantwortung kann man als Außenstehender feststellen, dass eigentlich keine Konsequenzen aus dem Rechnungshofbericht gezogen wurden. Deswegen meine Frage:
„Welche Konsequenzen ziehen Sie aus der grundlegenden Kritik des Rechnungshofs an der Medienarbeit Ihres Ministeriums?“
(Beifall bei der SPÖ.)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Ministerin, bitte.
Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Selbstverständlich nehme ich die Empfehlungen des Rechnungshofes sehr, sehr ernst, egal in welchem Bereich. Der in der Frage angesprochene Rechnungshofbericht betrifft nicht nur meine Amtszeit, sondern auch das BMVIT vor meiner Amtszeit, zu einem Teil natürlich auch das heutige BMK. Die Empfehlungen aus dem Bericht werden jedenfalls bereits umgesetzt.
Die Abteilung Öffentlichkeitsarbeit ist die zentrale Anlaufstelle für Informationskampagnen im Ressort. Eine der zentralen Forderungen war, dass wir unsere Kampagnen evidenzbasiert planen. Die Abteilung Öffentlichkeitsarbeit erarbeitet gemeinsam mit den beteiligten Fachbereichen Ziele, Inhalte, Zielgruppen und Kommunikationskanäle.
Ich darf vielleicht ein Beispiel dafür nennen: Die Grundlage für die Energiesparkampagne Mission 11, die wir ja auch hier oft diskutiert haben, war eine Erhebung der Österreichischen Energieagentur dazu, welches Potenzial es überhaupt zum Energiesparen gibt, ohne dass man viel Geld in die Hand nehmen muss. Dann hat man ein Ziel definiert: Bewusstsein für das persönliche Energiesparpotenzial im Haushalt zu heben, dafür, tatsächlich sorgsam mit Energie umzugehen.
Wir haben die Zielerreichung überprüft, durch Umfragen eines Meinungsforschungsinstituts vor und nach Kampagnenstart. Im Vergleich zur ersten Erhebung sahen bei der zweiten Befragung deutlich mehr Befragte Sparpotenzial beim Heizen; auch fanden es mehr als zwei Drittel der Befragten gut, dass es Kampagnen gibt. – Das könnte ich jetzt noch an zwei weiteren Kampagnen ausführen, wie wir auch in meiner Amtszeit evidenzbasiert planen.
Ganz grundsätzlich wurde in den letzten Monaten intensiv daran gearbeitet, unsere Medienarbeit im Ressort weiter zu vereinheitlichen – das war ja auch
eine Empfehlung des Rechnungshofes –, diese auch stärker zentral zu steuern. Die Abteilung Öffentlichkeitsarbeit ist die entscheidende Schnittstelle; alle entgeltlichen Kommunikationsmaßnahmen werden mit der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit abgestimmt und auch zentral über die BBG-Rahmenvereinbarung für Mediaagenturleistungen gebucht.
Zusätzlich wird gerade auch die ressortweit gültige Kommunikationsstrategie des Klimaschutzministeriums in der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit überarbeitet. Das betrifft natürlich auch die Websites, bei denen die Vergabe teilweise jahrelang zurückliegt. Wir arbeiten laufend daran, die Empfehlungen umzusetzen.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schroll? – Bitte.
Abgeordneter Alois Schroll (SPÖ): Wäre das Geld in Klimaschutzmaßnahmen geflossen: Kann man sagen, wie viele Tonnen CO2 dann hätten eingespart werden können? (Heiterkeit bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Lukas Hammer: ... Populismus!)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Ministerin, bitte.
Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Ich darf vielleicht ein zweites Beispiel nehmen, den Sanierungsbonus. Auch diese Kampagne wird nach klaren und messbaren Kriterien abgewickelt. Die Zielerreichung wird einerseits natürlich an der Steigerung von Förderanträgen gemessen, andererseits wird eine begleitende Marktforschung durchgeführt.
Aus diesem Grund – weil wir ein gemeinsames Anliegen haben, nämlich die Steigerung der tatsächlichen Anträge zum Kesseltausch – hat auch die Umweltförderkommission, die diese Förderung begleitet, diese Kampagne begrüßt und dem Budget für diese Kampagne aus dem Fördertopf zugestimmt. Es hilft nämlich nichts, wenn wir viele, viele Millionen an Förderungen haben, aber die
Menschen nicht darüber Bescheid wissen, dass sie die Förderungen abholen können. Insofern helfen die Kampagnen sogar dabei, mehr CO2 zu sparen, weil es mehr Anträge für den Heizkesseltausch gibt.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Abgeordneter Deimek. – Bitte.
Abgeordneter Dipl.-Ing. Gerhard Deimek (FPÖ): Guten Morgen, Frau Bundesministerin! Wie Sie wissen, haben sich im Jahr 2023 die EU-Kommission und das EU-Parlament darauf verständigt, ab 2035 nur mehr Fahrzeuge auf den Markt zu lassen, die keine klimaschädlichen Treibhausgase ausstoßen – das sogenannte Verbrennerverbot.
Jetzt gab es jüngst Gerüchte in den Medien – ich sage, bewusst geschürt –, bei denen es darum ging, dass das Verbrennerverbot gefallen wäre. In Wirklichkeit geht es um eine freiwillige Methodik und vom Rechtlichen her um die Position von EU-Parlamentsausschüssen; die kompletten Trilogverhandlungen sind noch ausstehend.
Dafür, dass das Verbrennerverbot fällt, gibt es absolut keine Hinweise, es gibt keine fixen Aussagen dazu. Auf der anderen Seite braucht aber die Wirtschaft, brauchen die Konsumenten und brauchen vor allem die Arbeitskräfte Rechtssicherheit und verlässliche Rahmenbedingungen. Das heißt, wir kommen in die Situation, dass wir Hunderttausende Arbeitsplätze verlieren würden.
Meine Frage ist:
„Wird sich die ÖVP/Grüne-Bundesregierung auf EU-Ebene für einen Ausstieg aus dem Verbrenner-Aus 2035 einsetzen?“
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Ministerin, bitte.
Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Sie sagen völlig zu Recht, Herr Abgeordneter, die Menschen in unserem Land erwarten sich Planungssicherheit und Verlässlichkeit. Der Umstieg auf klimafreundliche Autos in der Europäischen Union ist geltendes Recht; Österreich hat dem auch zugestimmt. Auf EU-Ebene gibt es das CO2-Reduktionsziel von minus 100 Prozent ab 2035 für neue Pkw und leichte Nutzfahrzeuge – also wir haben Klimaneutralität beschlossen.
Die Technologieentscheidung beim Auto ist weltweit gefallen, die Industrie hat sich entschieden. Die Zukunft auf der Straße – und das sagt auch der Europäische Rechnungshof –, das Einzige, was im Zeitraum bis 2030 einen relevanten Beitrag zur Emissionsreduktion auf der Straße leisten kann, ist die emissionsfreie Mobilität, ist in diesem Fall – das setzt sich gerade technologisch durch – das E-Auto.
Insofern ist mein Appell an alle, nicht mit Scheindebatten von dieser klaren Richtung abzulenken. Wir haben es in Großbritannien gesehen. Die Erste, die auf die Ankündigung der Regierung in Großbritannien, vom Zeitplan abzuweichen, reagiert hat, war die Industrie, die gesagt hat: Nein, bleibt bei eurem Zeitplan, wir stellen uns jetzt darauf ein!
China stellt sich darauf ein, die USA stellen sich darauf ein. Wenn wir in Europa nicht unseren Nokia-Moment, wie ich es einmal ausgedrückt habe (Heiterkeit der Rednerin), erleben wollen, nämlich einen Technologiesprung zu versäumen, dann muss sich auch Europa auf diesen Weg machen. Die Autoindustrie dabei bestmöglich zu unterstützen sehe ich als unsere gemeinsame Aufgabe. Weltweit ist jedes fünfte neu zugelassene Auto ein E-Auto – weltweit! Das hat sich in einer Geschwindigkeit gesteigert, dass uns gerade die Technologie überholt. Insofern sprechen auch die Zulassungszahlen dafür. In Österreich wurden im Jahr 2023 mehr Elektroautos als Dieselverbrenner neu zugelassen. Es ist wirklich wichtig, dass wir die Zeichen der Zeit richtig lesen.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.
Abgeordneter Dipl.-Ing. Gerhard Deimek (FPÖ): Das heißt aber, Sie bleiben dabei und es wird wahrscheinlich auch auf europäischer Seite dabei bleiben, dass das Verbrennerverbot nicht fällt. Wir haben daher aus unserer Sicht überzogene Forderungen bei den Klimazielen, vor allem im Vergleich mit den USA, China und Japan, wie Sie ja selbst angeführt haben.
Es gibt aber in Österreich die Situation, dass die Bundesregierung diese europäischen Klimaziele noch weiter verschärft. Das Ergebnis der Arbeit der Bundesregierung ist aber gleichzeitig, dass wir nicht einmal die Grundforderungen der EU-Ebene in Österreich erfüllen können und daher Strafzahlungen von 4,7 Milliarden Euro drohen. Was tun Sie, um dieses drohende Fiasko zu vermeiden?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Ministerin, bitte.
Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Klimaschutz vorantreiben, denn es gibt eine europäische Zielsetzung, und die können wir auch nicht alleine beeinflussen. Das ist eine Beschlussfassung von 27 Mitgliedstaaten, die Klimaneutralität 2050 festgelegt haben, die Ziele bis 2030 vorgegeben haben.
Wir haben in den letzten vier Jahren in diesem Haus gemeinsam gezeigt, wir können im Klimaschutz vorankommen, wir können die Emissionen reduzieren. Wir haben bis 2030 noch etwas zu tun, denn wir haben in unserem Plan noch eine Lücke. Ich lade Sie gerne dazu ein, beim Schließen dieser Lücke mitzuhelfen. Ich bin für alle Vorschläge, mittels denen Emissionen reduziert werden können, die bis 2030 wirken, sehr, sehr offen, denn es geht eben genau darum, Ausgleichszahlungen zu verhindern und die Klimaziele auch tatsächlich zu erreichen. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Deimek: Danke!)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Zusatzfrage stellt Frau Abgeordnete Kirchbaumer. – Bitte.
Abgeordnete Rebecca Kirchbaumer (ÖVP): Herr Präsident! Werte Frau Bundesministerin! CO2-Reduktion: Die Europäische Union ist in der Frage der Emissionsberechnung zu einem ganzheitlichen Ansatz übereingekommen. Das File zum Thema Count Emissions European Union, bei dem unsere Tiroler Europaabgeordnete, unsere Wirtschaftskammerpräsidentin Barbara Thaler die Berichterstatterin war, regelt in der Zukunft, wie Treibhausgasemissionen über die gesamte Lebensspanne eines Verkehrsträgers inklusive der benötigten Energieträger einbezogen werden sollen. Dabei zeigt sich, dass Fahrzeuge, die mit Biofuels und mit E-Fuels betrieben werden, außerordentlich gut abschneiden.
Frau Bundesministerin, wie stehen Sie persönlich zu dieser Technologie Biofuels und E-Fuels betreffend die CO2-Rechnung gegenüber Autos?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Ministerin, bitte.
Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Ich glaube, wir müssen in diesem Zusammenhang zwei Dinge auseinanderhalten: Count Emissions EU ist eine Verordnung, die gerade in Diskussion ist – also auch noch nicht in der Abstimmung –: die Emissionen der Transporte von allen Verkehrsträgern, und zwar mit einem einheitlichen Ansatz, vergleichbar zu machen. Da zeigt sich dann, wenn man annimmt, dass ein Benzin- oder ein Dieselmotor pro Kilometer 164, 152 Gramm CO2-Äquivalent hat und – am besten Ende – ein E-Auto mit einem erneuerbaren Strommix 2 Gramm CO2-Äquivalent pro Kilometer.
Wir sehen also schon, die Spanne ist riesig, und dementsprechend müssen wir uns bemühen, überall dort auf die allerbeste Technologie zu setzen, die wir haben, damit wir eben mit den Emissionen runterkommen.
Wir werden E-Fuels brauchen, ja, wir werden andere Kraftstoffe brauchen, aber wir werden sie in großen, großen, großen Mengen dort brauchen, wo wir keine Alternative haben. Das ist im Flugverkehr, eventuell auch im Schiffsverkehr,
eventuell auch im Langstreckentransit. Wir haben beim Auto einfach eine Technologie, die sich durchsetzt, die günstiger ist, die jetzt schon verfügbar ist, aber keine Sorge, wir werden E-Fuels in rauen Mengen brauchen, aber eben in den Bereichen, in denen wir sie tatsächlich einsetzen können. Beim Auto werden sie auch unleistbar bleiben, fürchte ich.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Abgeordnete Rössler. – Bitte.
Abgeordnete Dr. Astrid Rössler (Grüne): Guten Morgen, Frau Bundesministerin! Viel wurde jetzt schon zum Thema Energie und Mobilität gefragt. Das sind zwei große Punkte, die man mit Klimaschutz verbindet. Klimaschutz ist aber natürlich auch viel mehr, und da gehe ich jetzt ein wenig in Richtung Kreislaufwirtschaft. Wir müssen auch in der Wirtschaft viele Prozesse verändern, nachhaltiger gestalten, und da gibt es die phänomenal gute Kreislaufwirtschaftsstrategie aus Ihrem Haus, aus dem BMK. Mir ist bekannt, dass es schon einige sehr schöne Initiativen gibt – Brachflächenrecycling –, bei denen man auch schon nacharbeitet, aber es gibt meines Wissens auch noch andere wichtige Projekte. Mich würden einige Highlights in der Umsetzung der Kreislaufwirtschaftsstrategie interessieren.
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Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 336/M, hat folgenden Wortlaut:
„Welche Maßnahmen zur Umsetzung der Kreislaufwirtschaftsstrategie sind in nächster Zeit geplant – können Sie einige Highlights nennen, wie die Transformation der Wirtschaft vorangebracht wird?“
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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau
Bundesministerin.
Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Herzlichen Dank auch für die positiven Worte der Strategie gegenüber! Die haben wir in der Bundesregierung mit einem klaren Ziel vor Augen beschlossen, nämlich unseren Ressourcenverbrauch wirklich runterzubekommen. Das ist eine komplexe Aufgabe, weil sie Wertschöpfungsketten und viele, viele Wirtschaftsbereiche betrifft, aber wir haben uns schon im ersten Jahr der Umsetzung wirklich Schwerpunkte gesetzt.
Das eine: Wir haben erstmals im Umweltförderungsgesetz einen eigenen Förderschwerpunkt Kreislaufwirtschaft – danke auch hier an alle, die in der Umweltförderkommission an der Ausarbeitung der Richtlinien für diesen Schwerpunkt mitarbeiten. Wir wollen im Frühjahr die erste Ausschreibung mit einem Fokus auf sozialökonomische Betriebe veröffentlichen.
Auf europäischer Ebene arbeiten wir gerade intensiv an der Umsetzung der Ökodesign-Verordnung. Warum ist das wichtig? – Wir haben auch national oft ein Vernichtungsverbot für ungenutzte, aber unverkaufte Kleidung oder Produkte insgesamt diskutiert. Textilien sind jetzt der erste Bereich, den die Kommission angeht, da bringen wir uns sehr intensiv ein.
Im Circularity Lab, das wir beim Climate Lab in der Spittelau angesiedelt haben, gründet sich gerade eine Matratzenallianz. Ich weiß, das klingt immer sehr amüsant, aber wir haben in Österreich pro Jahr über eine Million Matratzen – wir sind ein Tourismusland –, und da liegt ein enormes Potenzial für die Kreislaufwirtschaft.
In der Bauwirtschaft – vielleicht als letztes Beispiel – werden auch wichtige Maßnahmen gesetzt, weil da ein ganz großer Hebel für die Reduktion von Ressourcenverbrauch und CO2-Emissionen liegt.
Der mengenmäßig größte Stoffstrom sind die mineralischen Rohstoffe, deswegen überarbeiten wir auch gerade die Kriterien des Nationalen Aktionsplans für nachhaltige öffentliche Beschaffung für den Bereich Hoch- und Tiefbau.
Da sind wir in der Endabstimmung, damit wir auch dort, wo wir über die öffentliche Vergabe einen Hebel haben, den Einsatz von Sekundärrohstoffen forcieren.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.
Abgeordnete Dr. Astrid Rössler (Grüne): Das Stichwort Bodenaushub: 42 Millionen Tonnen Bodenaushub jedes Jahr sind unfassbar viel. Die Kreislaufwirtschaftsstrategie geht auch dort hinein: Die sieben Transformationsschwerpunkte sind unter anderem eben auch „Bauwirtschaft und Infrastruktur“, „Mobilität“ und „Biomasse“.
Interessanterweise ist bei dem Schwerpunkt Biomasse auch der Umgang mit Boden, sogar in Richtung Biodiversität, erwähnt, was ich fantastisch finde – diese Interdisziplinarität der Strategie. Da würde mich interessieren, wie man Infrastruktur und Biodiversität besser vernetzt. Was könnten Sie allenfalls zur ÖV- - (Abg. Holzleitner: Zur ÖVP sagen! – Heiterkeit bei Grünen und SPÖ sowie der Rednerin.) – Die Biodiversität und die ÖVP, das wäre auch eine spannende Frage, ich meine aber die ÖBB: ÖBB und Biodiversität.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.
Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Herzlichen Dank für die Frage! Das Schmunzeln wird jetzt der Wichtigkeit der Frage nicht gerecht, aber Infrastruktur, Bau und Biodiversitätserhalt sind tatsächlich ein Feld, das wir integriert und gemeinsam angehen müssen. Deswegen haben wir auf struktureller Ebene die Infrastrukturbetreiber im öffentlichen oder teilweise öffentlichen Eigentum – also insbesondere die ÖBB, die Asfinag und die Viadonau – bei mir im Ressort an einen Tisch geholt, damit sie sich wirklich strukturiert untereinander austauschen, zum Thema Biodiversität arbeiten, voneinander lernen, Synergien heben.
Beispiele aus der ÖBB gibt es einige, nämlich nicht nur bei den großen Bauprojekten: Ausgleichsflächen, klimafitter Wald, Ökowaldinseln; oder bei
städtischen Nachverdichtungen: Flächenverbrauch und Entsiegeln. Wir haben zuletzt bei den ÖBB auch 113 Hektar an den Nationalpark Gesäuse übergeben. Sie treiben das also wirklich voran, ich könnte noch viele Beispiele nennen.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Abgeordneter Bernhard. – Bitte.
Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Guten Morgen, Frau Ministerin! Sie haben ja vor mittlerweile mehr als vier Jahren im Regierungsprogramm verankert, die Klimaneutralität bis 2040 erreichen zu wollen. Jetzt ist es so, dass die europäischen Ziele für Österreich weniger ambitioniert sind als jene der Bundesregierung. Um diese europäischen Ziele zu erreichen – also ohnehin jene, die unter Ihren eigenen Zielen liegen –, gibt es den Nationalen Energie- und Klimaplan.
Jetzt muss man wissen, dass eine erste Frist bereits verstrichen ist und von allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union ausschließlich Österreich und Polen keinen Plan eingereicht haben – beziehungsweise in Ihrem Fall haben Sie einen Plan eingereicht, den Ihre Ministerkollegin Edtstadler wieder zurückgezogen hat. Jetzt verhält es sich also so, dass wir das einzige Land in der Europäischen Union sind, das keinen Regierungswechsel hatte und keinen Plan vorgelegt hat, und der Plan, den Sie ursprünglich vorgelegt haben, sogar lückenhaft war, also deutlich unterhalb der Ziele, die Sie als Regierung sich gesetzt haben.
Frau Ministerin, die konkrete Frage ist daher:
„Wann werden Sie den Entwurf des Nationalen Energie- und Klimaplans bei der Europäischen Kommission einreichen?“
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau
Bundesministerin.
Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Sie haben es in Ihrer Fragestellung selbst schon angesprochen – als kurze Antwort: Ich habe den Entwurf vom 3. November 2023 eingereicht, dieser wurde dann zurückgezogen – wie Sie auch wissen, nicht von mir. Wir arbeiten, das ließe sich sehr schnell erledigen, aber wir haben eine Verpflichtung der Europäischen Union gegenüber, nämlich bis Ende Juni, also bis Halbjahr, einen finalen Plan abzugeben.
Beim Entwurf für weitere Maßnahmen, der sich weitestgehend am aktuellen Rechtsbestand, an den Maßnahmen, die die Bundesregierung schon beschlossen hat, orientiert, hat uns das Bundesumweltamt unterstützt, auch die anderen Ressorts haben sich in diesen Prozess eingebracht, aber Sie haben recht, da gibt es noch eine Lücke. Ich konzentriere mich jetzt darauf, diese Lücke zu schließen, denn darum geht es. Wir haben in der Frage davor gerade die Strafzahlungen diskutiert.
Um diese Zielerreichungslücke zu schließen, haben wir im Sommer eine öffentliche Konsultation gehabt, da gab es Gelegenheit, auch Vorschläge für zusätzliche Maßnahmen zu machen. Die Stadt Wien etwa, wo Sie ja auch in der Regierung sind, hat Tempo 100 auf Autobahnen vorgeschlagen. Temporeduktionen kamen zum Beispiel auch vom ÖGB, um nur Beispiele zu nennen.
Vor Kurzem hat das CCCA auch eine wissenschaftliche Analyse der Maßnahmenvorschläge aus der Konsultation abgeschlossen, auch diese Vorschläge fließen in die weitere Arbeit ein. Mein Ziel ist also, bis Sommer fristgerecht einen finalen Plan mit zusätzlichen Maßnahmen im Inland vorzulegen, mit dem wir die Lücke schließen können.
Klar ist aber auch – das zeigen auch schon die genannten Beispiele –: Wir brauchen Maßnahmen, die eine breite Akzeptanz haben und die auch eine Mehrheit in diesem Haus haben. Ich bin aber davon überzeugt, dass wir, wenn wir das gut abschließen und gemeinsam auch einen guten finalen Plan
erarbeiten, da gut vorankommen. Wir haben schon oft auch schwierige Aufgaben gemeistert.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bevor ich Ihnen für die Zusatzfrage das Wort erteile, darf ich noch die Reihenfolge der zusätzlichen Zusatzfragen bekannt geben, weil sich diese ja während der Sitzung geändert hat: Die erste Zusatzfrage stellt dann Abgeordneter Linder, erst die zweite dann Abgeordneter Litschauer und die dritte dann Abgeordnete Schmidt.
Jetzt ist zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Bernhard zu Wort gemeldet. – Bitte sehr.
Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Frau Ministerin, man muss aufgrund der Antwort schon auch festhalten, dass Sie selbst nach vier Jahren des Regierens noch keinen Plan vorgelegt haben, wie Sie das Ziel, das Sie sich im Regierungsprogramm gesetzt haben, in irgendeiner Form erreichen wollen.
Jetzt haben Sie das CCCA angesprochen, das wissenschaftliche Gremium. Es gibt aus unserer Sicht den Bedarf, nicht nur mit der Wissenschaft zu reden – was zweifellos wichtig ist –, sondern auch mit der mittelständischen Wirtschaft, die ja nicht von der Wirtschaftskammer vertreten wird, denn die Wirtschaftskammer verfolgt ja Klimaziele aus dem 19. Jahrhundert.
Jetzt wäre meine Frage: Wie stellen Sie sicher, dass Ihr Ministerium auch wirklich mit der mittelständischen Wirtschaft in einen Austausch kommt, damit man gemeinsam die Klimaziele erreichen kann?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.
Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Wir haben natürlich – da stimme ich Ihnen zu – bei Beteiligungsformaten immer auch eine Aufgabe – ganz egal, ob es um Konsultationen geht, ob es um Formate wie einen Klimarat geht, ob es um Formate wie den Klimadialog geht, der gerade stattfindet –, nämlich uns wirklich
immer umfassend anzuschauen, dass wir alle Sektoren vertreten und eine gute Repräsentation auch in der Teilhabe haben, dass wir einen umfassenden Austausch haben.
Sie können sich sicher sein: Gerade die kleinen, gerade auch die Unternehmen, die Sie jetzt noch gar nicht genannt haben – Einpersonenunternehmen und alles, was zum bunten Ökosystem der Wirtschaft dazugehört –, sind besonders der Grünen Partei ein großes Anliegen. Wenn wir bei bestimmten Formaten noch nachbessern können, dann bin ich gerne bereit, das auch zu tun. Ein umfassender Austausch ist speziell in dem Bereich wichtig, und deswegen versuchen wir auch, mit ganz konkreten Fördermöglichkeiten auf genau die Unternehmensnotwendigkeiten einzugehen, weil es da eben andere Voraussetzungen als bei großen Unternehmen gibt, die vielleicht eine eigene Abteilung für den Bereich Klimaschutz haben. Es geht darum, wirklich dort hinzuschauen, wo wir noch konkret unterstützen können.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Zusatzfrage stellt Abgeordneter Linder. – Bitte sehr.
Abgeordneter Maximilian Linder (FPÖ): Sehr geehrte Frau Minister! Teil Ihrer Klimastrategie oder Ihres Klimaplans ist ja auch die Besteuerung von CO2, die natürlich zu ganz hohen Energiepreisen führt, die auch die Konsumenten an den Tankstellen merken. Um das ein bisschen abzufedern, wurde der Klimabonus ins Leben gerufen.
Aus der Praxis heraus wissen wir, dass die Verteilung dieses Klimabonus sehr, sehr ungerecht ist. Ich nehme meine Gemeinde her: Bei uns bekommen die Bürger Klimabonusklasse drei: 185 Euro. Die zwei Nachbargemeinden, die näher an den Städten liegen, die an denselben Buslinien liegen – der Bus fährt durch das Tal durch –, sind in der Klimabonusklasse vier, da bekommen die Menschen 220 Euro. Das bedeutet für eine Familie mit vier Personen eine Ungerechtigkeit von 140 Euro, die keiner versteht. Wir haben auch vom Kollegen Kollross Ähnliches gehört.
Meine Frage an Sie: Wann, denken Sie, werden Sie die Verteilung des Klimabonus überarbeiten und wann werden Sie dafür sorgen, dass da Gerechtigkeit – nachvollziehbare Gerechtigkeit – eintritt?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.
Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Wir haben mit der CO2-Bepreisung wirklich einen Meilenstein im österreichischen Steuersystem geschaffen, und wir haben dafür gesorgt, dass es sozial gerecht ausgestaltet wird. Das hat auch der Budgetdienst des Parlaments evaluiert: Der Klimabonus sorgt dafür, dass gerade den einkommensschwächeren Haushalten nach unten hin mehr übrig bleibt. Er wirkt also progressiv, und trotzdem hat die Steuer eine Lenkungswirkung. Also das ist wirklich ein gut durchdachtes und gut konzipiertes System.
Wir haben uns deswegen auch darum bemüht, einen regionalen Ausgleich zu finden, denn es hat nicht jede Gemeinde die Infrastruktur einer Großstadt. Es gilt zu beachten: Wie nah ist die Bezirkshauptmannschaft, die Schule, der Arbeitsplatz, das nächste öffentliche Verkehrsmittel? Diese Kategorisierung hat aber nicht das Ministerium vorgenommen, sondern diese Kategorisierung haben wir bewusst an Expertenorganisationen ausgelagert. Die Statistik Austria war daran federführend beteiligt. Wir haben auch vor, diese Kategorisierung regelmäßig zu evaluieren. Das ist letztes Jahr geschehen, wonach wir teilweise umkategorisiert haben. Die nächste Evaluierung wird nach dem Durchlauf 2024 stattfinden.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Zusatzfrage stellt Abgeordneter Litschauer. – Bitte.
Abgeordneter Ing. Martin Litschauer (Grüne): Die nationalen Energie- und Klimapläne sind ja für alle Länder in der EU eine Herausforderung. Jetzt haben wir in den letzten Jahren erlebt, dass vor allem die atomkraftfreundlichen Länder viele Regelungen auf EU-Ebene verschleppt und verwässert haben und uns die
Aufgabe noch schwerer gemacht haben. Gleichzeitig sind die Atomkraftanlagen selber vom Klimawandel betroffen: Steigende Meeresspiegel, Hochwasser, Stürme und Co sowie fehlendes Kühlwasser setzen den Atomanlagen zu.
Aktuell liefert die Atomindustrie weniger Strom als eigentlich ursprünglich zugesagt. In Frankreich wurden wieder Kohlekraftwerke angeworfen, und jetzt wurde angekündigt, dass neue Atomkraftwerke in Frankreich gebaut werden sollen, wo es noch gar keine fertigen Pläne, keine Finanzierungen und auch noch keine Atommülllager gibt, die man dafür bräuchte.
Wie realistisch ist es denn überhaupt, dass diese Länder mit diesen Ankündigungen die nationalen Energie- und Klimapläne überhaupt einhalten können, sodass die Klimaziele dann erreicht werden, denn wir wissen ja, dass der Bau meistens länger dauert?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.
Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Das ist ein Thema, das die europäische Atomindustrie seit Jahren und Jahrzehnten begleitet: Sie kann ihre eigenen Versprechen nicht einlösen. Ich finde, das zeigt sich ja auch sehr gut in den Aussagen bei der letzten Klimakonferenz. Wir haben für alle Staaten verbindlich beschlossen, wir verdreifachen den Erneuerbarenanteil bis 2030. Die Atomindustrie traut sich das Versprechen nicht einmal gescheit bis 2050 abzugeben. Wir sehen aber in der Realität: Sie hält diese Versprechen nicht ein.
Warum? – Weil sich die Bauzeiten ständig, und zwar massiv, um Jahre und Jahrzehnte verzögern, weil die Kosten bei allen bekannten Projekten, die derzeit in Bau sind, explodieren und weil sich damit einfach die bessere Technologie durchsetzt – und das sind die Erneuerbaren. Der Ausbau der erneuerbaren Energien ist die kostengünstigste Möglichkeit für die Klimazielerreichung. Ganz egal, welches Szenario man sich anschaut, das Szenario der Europäischen
Kommission und sogar das Szenario der französischen Umweltagentur zeigen ganz klar: Der Großteil des Strommixes, des Energiemixes wird 2050 aus Erneuerbaren kommen, und genau deswegen müssen wir dort hinschauen.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Zusatzfrage stellt Frau Abgeordnete Schmidt.
Abgeordnete MMag. Michaela Schmidt (SPÖ): Guten Morgen, Frau Ministerin! Dass sich die Regierung beim Klimaschutz nicht einig ist, zeigt ja vor allem das nach wie vor fehlende Klimaschutzgesetz. Es fehlt mittlerweile seit 1 170 Tagen und sollte ja eigentlich die nationalen Klimaziele definieren, damit man eben Strafzahlungen, die ansonsten drohen, vermeiden kann.
Meine Frage dahin gehend wäre jetzt: Ist es zutreffend, dass sich die ÖVP-geführten Ministerien im Prozess zum Nationalen Energie- und Klimaplan dafür eingesetzt haben, zur Vermeidung dieser Strafzahlungen lieber CO2-Zertifikate zu kaufen, als Maßnahmen zu setzen? (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Krainer: Eine gute Frage!)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.
Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Dass diese Regierung im Klimaschutz sehr, sehr, sehr viel in den letzten Jahren weitergebracht hat, das sind nicht meine Aussagen, das zeigen die Zahlen. Es ist das erste Mal in der Republik, dass die Emissionen tatsächlich runtergehen, und zwar deutlich, nicht nur in den Prognosen, sondern in der Realität, von Jahr zu Jahr und in allen Sektoren, inklusive des Verkehrsbereiches, in dem wir jahrzehntelang nur Steigerungen zusammengebracht haben. Das liegt an den ganz konkreten Maßnahmen, die wir in den letzten vier Jahren umgesetzt, die wir durchgesetzt haben und die jetzt zu wirken beginnen. Das ist gut und es freut mich wirklich, dass wir das so geschafft haben.
Ja, wir sind noch nicht in allem einig. Ich habe auch schon gesagt: Könnte ich es allein entscheiden, hätten wir schon ein Klimaschutzgesetz, aber am Ende geht es darum: Wir kriegen eine Lösung auf den Boden, das werden wir auch beim Nationalen Energie- und Klimaplan schaffen. Es ist kein Geheimnis: Ich halte es nicht für die beste Lösung, Klimaschutz im Ausland zu finanzieren, indem wir Milliarden für Zertifikatskäufe ins Ausland überweisen, sondern wir tun uns alle einen Gefallen, wenn wir diese Milliarden in die Hand nehmen und sie im Inland in den Klimaschutz investieren. Das bringt Wohlstand, Jobs und Klimaschutz.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage, 329/M, stellt Abgeordneter Schmuckenschlager. – Bitte sehr. (Abg. Krainer: Die Frage haben Sie aber nicht beantwortet! Die war sehr klar!)
Abgeordneter Johannes Schmuckenschlager (ÖVP): Frau Bundesministerin! Einer der Haupttreiber für CO2 ist ja der Verkehr. In diesem Bereich müssen wir alle Technologien einsetzen, die uns zur Verfügung stehen. Sie sind natürlich sehr für die Elektromobilität, die ein wesentlicher Weg sein wird, aber wir brauchen Technologieoffenheit.
Sie zitieren hier gerne den Nokia-Effekt. Ich möchte nur darauf hinweisen: Nokia hat als Holzproduzent, als Zellstoffproduzent begonnen. Mittlerweile ist es ein Unternehmen mit einem Jahresumsatz von 22 Milliarden Euro und mit neun Nobelpreisen im Bereich der Forschung. Also ein Nokia-Effekt für Österreich wäre gar nicht so verkehrt, aber es geht wie gesagt um die Frage der Technologieoffenheit. Selbst die Post stellt jetzt ihren kompletten Schwerverkehr auf HVO, auf erneuerbare Treibstoffe um. Ich glaube, das ist ein wichtiger Weg für gewisse Formen im Verkehrsbereich.
Daher die Frage:
„Welche konkreten Maßnahmen und Strategien werden vom BMK forciert, um fossile durch alternative Treibstoffe zu ersetzen?“
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.
Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Handlungsleitend für den Verkehrsbereich sind der Mobilitätsmasterplan sowie die daran anknüpfenden Teilstrategien für den Güterverkehr, für die Digitalisierung und natürlich die verbindlichen EU-Ziele für die Dekarbonisierung.
Das heißt auf der einen Seite: Wir setzen konkrete Maßnahmen, um fossile Energieträger durch erneuerbare Energieträger beim Strom zu ersetzen: mit der E-Mobilitätsförderung, mit den Förderprogrammen Ebin, Enin, Ladin – der Kürze halber nenne ich jetzt nur die Abkürzungen für die Förderprogramme –, mit denen wir batterieelektrische, auch brennstoffzellenelektrische Fahrzeuge und die nötige Infrastruktur fördern.
Wir unterstützen Forschungsaktivitäten zu Mobilitätstechnologien mit dem klaren Fokus, diese auch effizienter und nachhaltiger zu gestalten, und haben als unmittelbar wirksame gesetzliche Maßnahme – weil die RED II, die Erneuerbaren-Richtlinie II, auf europäischer Ebene ja hier ganz klare Ziele vorlegt: bis 2030 müssen mindestens 14 Prozent des Endenergieverbrauchs im Verkehr durch erneuerbare Energie gedeckt sein – auch die Novelle der Kraftstoffverordnung umgesetzt, wo wir in der Kraftstoffverordnung Ziele festgeschrieben haben, die all jene Unternehmen betreffen, die fossile Kraftstoffe in Österreich in Verkehr bringen. Und zur Erreichung dieser Ziele müssen fossile Kraftstoffe durch erneuerbare Kraftstoffe in ihrer umfassenden Bandbreite beziehungsweise erneuerbare Energie substituiert werden.
Die Effekte sind da auch schon im Absatz spürbar, insbesondere bei einer mehr als Verdoppelung der Menge an erneuerbarem Strom sind die Mengen schon spürbar. Wir arbeiten aber darüber hinaus – auch das haben wir ja schon öfter diskutiert, unter anderem im Verkehrsausschuss – zur Unterstützung des
raschen Hochlaufs von nachhaltigen Treibstoffen insbesondere für den Flugverkehr, denn dort brauchen wir flüssige erneuerbare Kraftstoffe wie gesagt in großen Mengen, an einer SAF-Roadmap, die gerade in der Finalisierung ist.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schmuckenschlager? (Abg. Schmuckenschlager: Nein, das war es!) – Passt.
Dann kommt die nächste Anfrage von Herrn Abgeordneten Stöger. – Bitte sehr.
Abgeordneter Alois Stöger, diplômé (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin, guten Morgen! Frau Bundesministerin, das Bundesstraßengesetz ordnet den Bau der S 1, der Wiener Außenring-Schnellstraße, zwischen Schwechat und Süßenbrunn an. Mir ist keine Regierungsvorlage zur Änderung des Bundesstraßengesetzes bekannt.
Sie haben öffentlich erklärt, Gesetzesbruch zu begehen und den Ausbau dieser Schnellstraße zu verhindern. Das ist Gesetzesbruch mit Anlauf! Ich frage mich, wie Sie das mit Ihrem Amtseid vereinbaren können. (Beifall bei der SPÖ.)
Daher meine Frage:
„Wann werden die Bautätigkeiten für den Lobautunnel (geplante Trasse) begonnen werden, nachdem nunmehr sämtliche notwendige Verwaltungsverfahren abgeschlossen sind?“
(Beifall bei der SPÖ.)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.
Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Sie wissen, wir haben dieses Thema ja auch schon oft im Verkehrsausschuss diskutiert, und ich möchte auch hier
wieder ganz klar sagen: Ich bewege mich, auch gutachterlich abgesichert, im Rahmen meiner gesetzlichen Kompetenzen mit der Evaluierung des Asfinag-Bauprogramms. (Beifall bei den Grünen.)
Wir müssen halt mit der Evaluierung auch feststellen, nicht alles, was vor 20, 30 Jahren eine gute Idee war, ist es heute noch. (Beifall bei den Grünen.) Deswegen auch hier wieder: Völlig auf Basis der gesetzlich vorgeschriebenen Vorgehensweise läuft derzeit eine strategische Prüfung Verkehr. (Abg. Stöger: Ist nicht vorgesehen!) Wie Sie wissen, ist die strategische Prüfung Verkehr die Voraussetzung, um den Abschnitt aus dem Bundesstraßengesetz auch letztgültig herauszunehmen.
Wir haben im Zuge dessen und auch in diesem Rahmen die Alternativenprüfung zu machen. Ich habe sowohl das Land Niederösterreich als auch Wien mehrfach zur Mitwirkung eingeladen. Vielleicht können auch Sie, Herr Abgeordneter, hier noch einmal einwirken. Wir brauchen eine gemeinsame zukunftsorientierte Lösung für die Mobilität für den betroffenen Raum.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage, Herr Abgeordneter?
Abgeordneter Alois Stöger, diplômé (SPÖ): Frau Bundesministerin, wir brauchen Regierungsmitglieder, die sich an die Gesetze dieses Nationalrates halten. (Abg. Michael Hammer: Der Republik!) Das ist das Entscheidende. Die Gesetze sind einzuhalten, und wenn man der Meinung ist, ein Gesetz passt nicht mehr, dann muss die Regierung einen Änderungsantrag einbringen. (Beifall bei der SPÖ.) Und solange ein solcher nicht eingebracht ist, hat sich ein Regierungsmitglied an die Gesetze zu halten. Punkt.
Daher meine Frage, wenn Sie schon meinen, dass es Alternativen braucht: Welche Alternativen haben Sie für den Güter- und Personenverkehr auf dieser Strecke ausarbeiten lassen, und wann werden diese Alternativen für die Verkehrsteilnehmer wirksam?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.
Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Ich darf noch einmal unterstreichen, dass ich mich selbstverständlich an alle gesetzlichen Vorgaben halte, wie zum Beispiel die strategische Prüfung Verkehr es voraus- - (Abg. Stöger: Nein, die gibt es nicht!) Die ist gesetzlich vorgesehen. (Abg. Stöger: Die ist nicht vorgesehen! Ist nicht vorgesehen!) Ich darf nachher gerne auch den entsprechenden Gesetzesparagrafen vorlegen. Das ist eine andere Situation als damals bei der Wiener Stadtstraße, da hat der Gesetzgeber in der Zwischenzeit das Gesetz geändert.
Also eine strategische Prüfung Verkehr ist die Voraussetzung für die Vorlage eines entsprechenden Beschlusses und eine Zuweisung an den Nationalrat. In dieser strategischen Prüfung Verkehr findet auch die Alternativenausarbeitung statt. Derzeitiger Zeitplan ist, dass wir das noch in diesem Jahr abschließen wollen. (Abg. Michael Hammer: Nach der Wahl oder wie?) Wie gesagt, ich kann nur alle zur Mitarbeit einladen.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Zusatzfrage stellt der Abgeordnete Bernhard. – Bitte.
Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Frau Ministerin, die bisherigen Gutachten und Analysen haben gezeigt, dass der Lobautunnel bis 2035 eine entsprechende Entlastung auf der Nord-Süd-Achse gebracht hätte. 2035 hätte sich das durch das Bevölkerungswachstum wieder ausgeglichen.
Jetzt und schon seit vielen Jahren ist es so, dass wir die Situation haben, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Hauptverkehrszeit vom Süden Wiens kaum in den Norden kommen beziehungsweise umgekehrt in den Süden von Wien. Das Gleiche gilt für die Umlandgemeinden.
Wir als NEOS haben ursprünglich den Vorschlag unterstützt, dass man vom Lobautunnel wegdenkt und andere Alternativen entwickelt, damit dieses Verkehrschaos kurzfristiger gelöst werden kann.
Sie haben in den letzten zwei Jahren viel geprüft und nichts gemacht. Das heißt, für die Menschen und die Unternehmen, die in der betroffenen Region derzeit leiden, gab es keine Verbesserung. Es ist ähnlich wie bei den Klimazielen: Sie haben viel versprochen, aber Sie haben das, was Sie angekündigt haben, nicht geliefert.
Die konkrete Frage ist daher: Was werden Sie in den Monaten, die jetzt in dieser Regierungsperiode noch bleiben, konkret umsetzen, um die Situation, die für die Bürgerinnen und Bürger sehr schwierig ist, zu verbessern?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.
Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Nur ganz kurz zurück auf die Frage davor: Die konkrete Alternativenplanung findet im Rahmen der strategischen Prüfung Verkehr statt, die vorgesehenerweise noch in diesem Jahr abgeschlossen sein wird.
Wir haben darüber hinaus natürlich insbesondere für den Personenverkehr, um jetzt ein Beispiel zu nehmen, im Großraum Wien sowohl mit dem ÖBB-Rahmenplan als auch jetzt mit dem Zielnetz 2040 einen massiven Schub beim Ausbau des öffentlichen Verkehrs im Großraum Wien vor: Neue Verbindungen, dichtere Takte, mehr Angebot, das alles wird in den nächsten Jahren schon wirken, bis 2030, Ausbau Stammstrecke bereits in Bau, Südbahn bereits in Bau. Also das heißt, wir haben da wirklich eine massive Verbesserung des Angebots und werden natürlich in diese Richtung weiterarbeiten.
Ich sage auch: Eine zukunftsfähige Mobilitätslösung wird eine Kombination aus dem Ausbau des öffentlichen Verkehrs, damit wir Alternativen schaffen, und der Verstärkung des niederrangigen Straßennetzes sein; wir müssen uns natürlich anschauen, wo wir da eine Verstärkung brauchen. Stichwort Anbindung der Seestadt, da haben wir immer gesagt, das ist eine wichtige Maßnahme, und die muss man auch durchführen.
All diese Fragen werden natürlich parallel angegangen und geprüft.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt der Abgeordnete Schnabel. – Bitte.
Abgeordneter Joachim Schnabel (ÖVP): Sehr geehrte Frau Ministerin! Wie wir wissen, braucht es zum Gelingen der Energiewende viele verschiedene Maßnahmen und Investitionen in die verschiedensten Technologien. Ein wichtiger Energieträger der Zukunft wird das Element Wasserstoff, wohlgemerkt: erneuerbarer Wasserstoff, sein. Und mittlerweile bin ich ja froh darüber, dass wir in der Diskussion um die Wasserstofftechnologie diese nicht mehr als Kür, als Champagner der Energiewende bezeichnen, sondern als wichtige und künftige Säule der Energieversorgung.
Neben der Technologie gibt es mittlerweile sowohl auf europäischer Ebene als auch auf nationaler Ebene erste wichtige logistische Maßnahmen. Das Wasserstofffördergesetz ist jetzt in Begutachtung. Es braucht dieses, um den entsprechenden Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft zu ermöglichen. Und es ist absehbar, dass wir, auch wenn es uns gelingt, eine wirklich große Menge an Wasserstoff national zu produzieren, weiterhin den Import von Wasserstoff brauchen, damit die Energiewende gelingen kann.
Es werden somit große Mengen an Wasserstoff transportiert werden müssen und das Gasnetz muss da entsprechend adaptiert werden.
Frau Ministerin, meine Frage:
„Welche notwendigen Maßnahmen treffen Sie, dass bezüglich des Wasserstoffes die erforderlichen Transportkapazitäten gesichert sind?“
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.
Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Herzlichen Dank! Es können manchmal zwei Dinge gleichzeitig wahr sein: Wasserstoff ist ein enorm wichtiger Energieträger und gleichzeitig ein enorm teurer und wertvoller. Ob Champagner auf ewig das beste Bild ist, sei jetzt dahingestellt, aber trotzdem bleibt beides gleichzeitig wahr.
Ich darf am Anfang den Vorsitzenden des Beirats unserer Wasserstoff-Plattform Wolfgang Anzengruber zitieren, der bei der Präsentation der Empfehlungen des Beirats auch noch einmal deutlich gemacht hat: Wir stehen in Österreich beim Thema Wasserstoff im internationalen Vergleich wirklich gut da. Bei den Elektrolysekapazitäten, die in Europa, in der EU installiert sind, sind wir auf Platz drei.
Das heißt natürlich nicht, dass wir nicht noch viel zu tun haben, aber man sollte auch einmal anerkennen: Da ist wirklich, wirklich viel passiert, und wir haben mit dieser Plattform auch einen Beirat geschaffen, der uns auf diesem Weg begleitet und unterstützt. Diesen Weg müssen wir jetzt konsequent weitergehen. Die Infrastruktur ist eine der wichtigen Maßnahmen in diesem Bereich.
Der erste Schritt ist die Entwicklung des integrierten österreichischen Netzinfrastrukturplans, wo wir uns sowohl das Strom- als auch das Gasnetz anschauen und im Gasnetz natürlich die abnehmenden Methankapazitäten und die ansteigenden Wasserstoffinfrastrukturkapazitäten berücksichtigen. Die Veröffentlichung im Önip, der auch das Wasserstoffnetz umfasst, wird sich nicht mehr vor Ostern ausgehen, aber zeitnah danach.
Das zweite Handlungsfeld ist eine Novelle des Gaswirtschaftsgesetzes zur Umsetzung des EU-Gasmarktpaketes, in der wichtige Regulierungen für die Wasserstoffinfrastruktur enthalten sind. Natürlich werden wir den Handel mit Drittstaaten brauchen, das heißt, die Wasserstoffinfrastruktur endet nicht an unseren Grenzen. Wir haben bereits nicht nur die Zusammenarbeit mit
potenziellen Importpartnern gestartet, sondern auch die strategische Zusammenarbeit – insbesondere mit den Nachbarländern Italien und Deutschland – zum Aufbau des sogenannten Südkorridors des europäischen Kernnetzes für die Wasserstoffinfrastruktur.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.
Abgeordneter Joachim Schnabel (ÖVP): In aller Kürze: Die von Ihnen genannte Hydrogen Partnership Austria hat ja in ihrem Empfehlungspapier die Sicherstellung von Mitteln für die Wasserstoffforschung mit vielen einzelnen Maßnahmen definiert.
Deswegen meine Zusatzfrage: Inwieweit werden die Forschung und die Entwicklung im Bereich Wasserstoff gefördert, die für einen starken Wirtschafts- und Technologiestandort eben wirklich essenziell sind?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.
Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Wir haben für den Bereich Wasserstoff Finanzmittel in großen Mengen zur Verfügung gestellt, um einerseits natürlich dort, wo wir schon die Lösungen haben, in die Umsetzung zu kommen, zum Beispiel beim Aufbau von Elektrolysekapazitäten. Die Verordnung ist gerade in Koordination, ich gehe davon aus, dass wir sie zeitnah veröffentlichen können. Über das Wasserstoffgesetz gibt es eine Produktionsförderung mit einer fixen Prämie für den erzeugten Wasserstoff. Und im Forschungsbereich gibt es für das Thema Wasserstoff vielleicht nicht die eine Förderung, die das Mascherl Wasserstoff hat, aber von den Basisprogrammen in der FFG bis hin zur Energieforschung im Ministerium gibt es ganz, ganz viele Programme, für die das Thema Wasserstoff einreichberechtigt ist und in denen Wasserstoffforschung zum Zug kommt.
Nicht zuletzt: Transformation der Industrie. Bei der gemeinsamen Transformationsoffensive der Bundesregierung sind ganz viele Transformationsprojekte in
Richtung Wasserstoff dabei, die über die unterschiedlichen TRL-Levels von der Forschung bis zur Umsetzung eine durchgängige Förderung ermöglichen. Ich glaube, was da gelungen ist, lässt sich herzeigen. (Abg. Michael Hammer: Super, Schnabel!)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Danke schön.
Da alle Anfragen zum Aufruf gelangt sind, darf ich die Fragestunde für beendet erklären.
Ich darf mich recht herzlich bei Frau Ministerin Gewessler bedanken. Es ist gelungen, alle Fragen umfassend zu beantworten. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.
Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:
A. Eingelangte Verhandlungsgegenstände:
1. Schriftliche Anfragen: 18127/J bis 18178/J
2. Anfragebeantwortungen: 16962/AB und 16963/AB
B. Zuweisungen in dieser Sitzung:
zur Vorberatung:
Finanzausschuss:
Bundesgesetz, mit dem das Funkanlagen-Marktüberwachungs-Gesetz und das Postmarktgesetz geändert werden (2502 d.B.)
Gesundheitsausschuss:
Bundesgesetz, mit dem das Psychotherapiegesetz 2024 (PThG 2024) erlassen sowie das Musiktherapiegesetz und das Psychologengesetz 2013 geändert werden (2503 d.B.)
Wissenschaftsausschuss:
Bundesgesetz, mit dem das Universitätsgesetz 2002, das Hochschulgesetz 2005, das Hochschul-Qualitätssicherungsgesetz, das Fachhochschulgesetz, das Privathochschulgesetz und das Waldfondsgesetz geändert werden (2504 d.B.)
*****
Fristsetzungsantrag
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Vor Eingang in die Tagesordnung darf ich mitteilen, dass die Abgeordneten Loacker, Kolleginnen und Kollegen beantragt haben, dem Ausschuss für Arbeit und Soziales zur Berichterstattung über den Antrag 3397/A der Abgeordneten Loacker, Künsberg Sarre, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Mehr Mitteleffizienz bei Bildungskarenz“ eine Frist bis zum 19. April 2024 zu setzen.
Ferner liegt das von fünf Abgeordneten gemäß § 43 Abs. 3 der Geschäftsordnung gestellte Verlangen vor, eine kurze Debatte über diesen Fristsetzungsantrag durchzuführen. Diese kurze Debatte wird nach Erledigung der Tagesordnung, jedoch spätestens um 15 Uhr stattfinden. Die Abstimmung über den Fristsetzungsantrag erfolgt am Ende der Debatte.
Behandlung der Tagesordnung
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Es ist vorgeschlagen, die Debatten über die Punkte 2 und 3 sowie 4 und 5 der Tagesordnung jeweils zusammenzufassen.
Wird dagegen ein Einwand erhoben? – Das ist nicht der Fall.
Redezeitbeschränkung
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zwischen den Mitgliedern der Präsidialkonferenz wurde ein Konsens über die Dauer der Debatten erzielt. Demgemäß entspricht die Tagesblockzeit einer Zeit von 8 „Wiener Stunden“. Es ergeben sich die Redezeiten wie folgt: ÖVP 156, SPÖ 108, FPÖ 88, Grüne 80 sowie NEOS 64 Minuten.
Gemäß § 57 Abs. 7 der Geschäftsordnung beträgt die Redezeit für die gesamte Tagesordnung für jene Abgeordneten, die keinem Klub angehören, 32 Minuten. Die Redezeit pro Debatte wird wie üblich auf 5 Minuten beschränkt.
Ich darf fragen, ob die dargestellten Redezeiten auf Ihre Zustimmung treffen, und bitte Sie um ein dementsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig.
Wir gehen nun in die Tagesordnung ein.
Bericht des Verfassungsausschusses über das Volksbegehren (2079 d.B.) „NEHAMMER MUSS WEG“ (2476 d.B.)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen zum 1. Punkt der Tagesordnung.
Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Stocker. Bei ihm steht das Wort. – Bitte, Herr Abgeordneter.
Abgeordneter Dr. Christian Stocker (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen im Hohen Haus! Meine verehrten Zuseherinnen und Zuseher, die diese Sitzung hier im Saal oder auch von zu Hause verfolgen! Vorweg darf ich die Vertreterinnen und Vertreter des Seniorenbundes Weitra sehr herzlich im Hohen Haus begrüßen. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie der Abg. Künsberg Sarre.)
Volksbegehren sind Instrumente der direkten Demokratie und als solche auch in unserer Verfassung verankert. Wir erleben derzeit, dass sehr viele Volksbegehren in Behandlung sind beziehungsweise es in der letzten Zeit insgesamt immer so etwa an die 100 in der Phase des Sammelns der Unterstützungserklärungen gibt.
Über die Motive und Hintergründe dieser Volksbegehren kann man durchaus geteilter Meinung sein. Manche Medien haben ja kolportiert, dass es unter Umständen finanzielle Anreize sein könnten, die für diese Vielzahl an Volksbegehren sorgen. Ich finde, dass wir diesem Instrument als verfassungsmäßigem Recht Respekt entgegenzubringen haben. Ein Volksbegehren kann natürlich auch Ausdruck einer lebendigen Demokratie sein.
Allerdings ist dieser Respekt, den wir diesem Instrument entgegenbringen, etwas, das man auch von jenen, die diese Volksbegehren initiieren, einfordern kann. (Beifall bei der ÖVP, bei Abgeordneten der SPÖ sowie der Abgeordneten Lukas Hammer und Prammer.)
In der Regel sind diese Volksbegehren in der Sache begründet und haben auch einen sachlichen Hintergrund: einen Gesetzeswunsch, der hier im Hohen Haus diskutiert und beraten werden soll. Bei diesem Volksbegehren ist es etwas anders, weil es einen ganz persönlichen Hintergrund hat: Nehammer muss weg. Das heißt, in der Begründung des Volksbegehrens wird zwar angegebenen, dass im Wege der direkten Demokratie auch ein Bundeskanzler gewählt oder abgewählt werden können soll, aber das hat ja mit Karl Nehammer an sich nichts zu tun (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch – Abg. Schnedlitz: Man hört ... dass es so wichtig ist!), sondern dann wäre erwartbar gewesen, dass dieses Volksbegehren heißt: Direktwahl des Bundeskanzlers. (Abg. Kickl: Das ist ein bisscherl schief – so wie euer U-Ausschuss!) – Ja, ich weiß schon. (Abg. Kickl – erheitert –: Na ja! – Abg. Belakowitsch: Warum der Nehammer weg muss, das steht schon drinnen, warum genau!) Ich komme dann noch auf die FPÖ, die Freunde Putins in Österreich, zurück. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Abg. Kickl – erheitert –: Ja, ja! – Weiterer Ruf bei der FPÖ: Ihr kriegts einen Putin-Verfolgungswahn, oder?)
Dass Ihnen das gefällt, glaube ich schon, denn eine der Begründungen in diesem Volksbegehren war ja, der Bundeskanzler habe das Vertrauen Putins verspielt. Also ich weiß nicht, wer im Hohen Haus dagegen etwas haben kann – vielleicht nur die (in Richtung FPÖ), die mir da gegenübersitzen. (Abgeordnete der FPÖ halten Tafeln in die Höhe, die Fotos zeigen, auf denen zum einen Wladimir Putin und Bundesministerin Edtstadler und zum anderen Jan Marsalek und Präsident Sobotka zu sehen sind. – Rufe bei der FPÖ: Ja, ja, so schau ma aus! – Abg. Kickl: Freundin Putins in Österreich, in den russischen Nationalfarben!) – Ja, ja.
Wer kann etwas dagegen haben, wenn man das Vertrauen Putins verspielt, eines Diktators, der das Nachbarland überfallen hat? Der wird in diesem Haus nur von Ihnen, sehr geehrter Herr Klubobmann Kickl, unterstützt und von sonst keiner Fraktion. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Schwarz. – Abg. Kickl: Er wird nicht unterstützt! Sie haben Neutralität noch immer nicht verstanden!) Sie sind der Freund dieses Diktators in Österreich. (Abg. Kickl: Machen Sie nur so weiter!) Sie haben mit dieser Partei einen Freundschaftsvertrag. Sie stellen hier einen Antrag nach dem anderen zugunsten der Interessen Putins. (Abg. Kickl: So ein - -! Zugunsten unserer Neutralität, Herr Stocker, die in Ihre Birne nicht hineingeht! – Zwischenruf der Abg. Erasim.) Sie sind keine Freiheitliche Partei mehr. Sie sind die Partei der Freunde Putins in Österreich. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der FPÖ. – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.)
Das Zweite, das in diesem Volksbegehren angeführt wird (Abg. Erasim: Das ist scheinheilig! – Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von FPÖ und ÖVP), ist: Der Bundeskanzler muss weg (Ruf bei der FPÖ: Haben Sie den Widerruf schon vergessen, den Sie machen haben müssen?), weil er nicht direkt gewählt wurde. (Zwischenruf der Abg. Erasim.) Kein Bundeskanzler der Zweiten Republik wurde direkt vom Volk gewählt. (Ruf bei der ÖVP: Nicht einmal der Vokaki!) So gesehen hätte jeder Bundeskanzler weg müssen, und auch da zeigt sich, dass das, was in der Begründung angeführt wird, etwas abstrus ist. (Ruf bei der ÖVP: Wahnsinn!)
Als letzter Grund steht im Volksbegehren, dass der Vorwurf im Raum steht, die Wahlkampfkostenobergrenze sei 2019 überschritten worden und er habe das als Generalsekretär zu verantworten gehabt.
Erstens stimmt es nicht, weil sie nicht überschritten wurde. Das ist mir als derzeitiger Generalsekretär wichtig, festzuhalten. Zum Zweiten ist das sicherlich kein Grund für eine Änderung der Bundesverfassung. So gesehen ist es auch kein Wunder, dass von 6 345 470 Stimmberechtigten 106 440 dieses Volksbegehren unterzeichnet haben, das heißt, die Hürde zur Behandlung im Parlament wurde knapp genommen, aber mit 1,68 Prozent der Stimmberechtigten nehmen wir das Ergebnis als etwas, was es ist, nämlich eine Minderheitenfeststellung. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Michael Hammer: Die FPÖ hat das Instrument der Volksbefragung kaputtgemacht!)
10.30
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Yildirim. – Bitte.
Abgeordnete Mag. Selma Yildirim (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Volksbegehren Nehammer muss weg ist ein Volksbegehren, mit dem wir uns im Verfassungsausschuss bereits auseinandergesetzt haben. Ich bin auch eine Verfechterin der repräsentativen Demokratie, die wir in Österreich haben, weil sie sehr, sehr sinnvoll ist. Sie ermöglicht vielen Interessengruppen, sich an der demokratischen Willensbildung zu beteiligen. Es gibt Elemente der direkten Demokratie wie das Volksbegehren, die auch dazu dienen, einerseits tagesaktuelle Themen, andererseits auch Entscheidungen der vergangenen Jahre und durchaus sehr kritische Entwicklungen in diesem Land zum Thema zu machen.
Ich möchte dieses Volksbegehren zum Anlass nehmen und in Erinnerung rufen, dass wir in den vergangenen dreieinhalb bis vier Jahren das Vertrauen sehr, sehr vieler Menschen leider verloren haben. Unsere Gesellschaft hat eine Spaltung
erlebt, was nicht in unser aller Interesse sein kann. Wir können nur dann eine erfolgreiche Gesellschaft sein und dieses Land ein Stück weiter verbessern, wenn wir geschlossener auftreten, und da gehört mit Sicherheit dazu, dass wir die Fehlentscheidungen der letzten Jahre im Zusammenhang mit der Gesundheitskrise, der Pandemie oder den darauf folgenden Engpässen bis hin zur Wirtschaftskrise, aus der wir ja immer noch nicht richtig herausgekommen sind, korrigieren. Ich glaube, es ist wichtig, Leute mit ihren Ängsten und Sorgen sehr ernst zu nehmen, auch wenn ich feststellen muss, dass es immer dieselben Proponentinnen und Proponenten sind, die solch ein Volksbegehren initiieren.
Wenn über 100 000 Menschen das unterschreiben, dann zeigt das auch, dass es doch eine nicht unbeachtliche Menge an Personen ist, die sich Sorgen machen. Die machen sich Sorgen, und wir sollten uns seriös mit diesen Sorgen auseinandersetzen und das auch sehr ernst nehmen. Es geht auch darum, dass sehr viele Menschen sich das Leben leider nicht mehr leisten können. Wir haben in Westeuropa die höchste Inflationsrate (Abg. Obernosterer: Das höchste Haushaltseinkommen! Da sagst nichts!), aber es gibt keine nachhaltigen, inflationsdämpfenden Maßnahmen. Das sind Antworten, die man von uns erwartet. (Beifall bei der SPÖ.)
Ich halte die Rechtsstaatlichkeit sehr, sehr hoch – nicht nur ich, viele von uns tun das –, aber es gibt Meldungen, die bei uns Kopfschütteln erzeugen, etwa wenn es darum geht, auf einmal Zitierverbote auf die Tagesordnung zu setzen. Was bedeutet denn das? – Das ist ja ein wichtiges Instrument der Aufklärung, und es würde bedeuten, dass über vieles nicht mehr geschrieben werden kann. Ich bin der Meinung, viele Korruptionsfälle konnten dadurch aufgedeckt werden und können dadurch aufgearbeitet werden. Daher: Nehmen wir die Ängste und Sorgen der Initiator:innen und der Unterstützer:innen ernst und unternehmen wir auch vieles dafür, um das Vertrauen der Menschen wieder zurückzugewinnen! (Beifall bei der SPÖ.)
10.34
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Belakowitsch. – Bitte sehr.
Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmgeräten und auch hier auf der Galerie! Herr Kollege Stocker fordert hier Respekt ein, aber man muss schon eines festhalten: Es ist gerade die ÖVP, bei der es mit dem Respekt vor dem Hohen Haus nicht unbedingt sehr weit her ist. Sie machen einen Untersuchungsausschuss, bei dem mehr als fragwürdig ist, ob dessen Untersuchungsgegenstand verfassungskonform ist. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Das wird sich erst noch zeigen, Sie brauchen gar nicht nervös zu werden. Sogar die Mainstreammedien, also die Staatsmedien, haben das als reinen „Wahlkampf-Ausschuss“ bezeichnet – so viel dazu.
Des Weiteren, was Respekt anbelangt, Herr Kollege Stocker: Es ist nicht sehr respektvoll, denn Sie mussten als ÖVP einen Widerruf machen und dieser Widerruf lautete: „Wir“ – ÖVP – „haben in einer APA-OTS-Aussendung vom 3.2.2023 mit dem Titel ‚Stocker: ‚FPÖ lässt sich in ihrer Politik offenbar vom Ausland beeinflussen‘‘ bzw in der APA-OTS-Aussendung vom 4.2.2023 mit dem Titel ‚Lopatka: ‚FPÖ muss wegen ausländischem Einflusses ihre Parteienfinanzierung offenlegen‘‘ sinngemäß behauptet, dass die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) – Die Freiheitlichen für Anträge im Nationalrat Geld aus Russland entgegengenommen habe und die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) – Die Freiheitlichen Geld aus Russland erhalten habe. Wir widerrufen diese Behauptung als unwahr.“ – ÖVP-Bundespartei. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Prinz.)
Dann stellen Sie sich hierher, verstecken sich hinter Ihrer Immunität, um hier weiterzumachen. – Das ist respektlos, respektlos gegenüber Gerichtsurteilen, Herr Stocker! (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Stocker: Dann haben Sie das Urteil nicht verstanden! – Zwischenruf der Abg. Pfurtscheller.)
Wir diskutieren heute über das Volksbegehren Nehammer muss weg, und es gibt ganz gute Gründe, warum Nehammer weg muss. (Zwischenruf des Abg. Brandweiner. – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Warum seid ihr denn immer so nervös? Ich weiß es nicht. (Ruf bei der ÖVP: Es geht um Respekt! Respekt, das kennt ihr nicht!) Seit fünf Jahren ist Karl Nehammer Mitglied dieser Bundesregierung, seit fünf Jahren, seit Jänner 2020. Was hat er in diesen fünf Jahren gemacht? – Fangen wir einmal im Jahr 2020 an: Im März 2020 ist er im Ausweichlokal am Rednerpult der Regierungsbank gestanden und hat sich damit gebrüstet, dass er als „Flex“ im Innenministerium – so hat er sich selbst bezeichnet – die Polizisten dazu angehalten hat, alte Frauen zu bestrafen, weil sie sich auf dem Parkbankerl niedergelassen haben. (Abg. Hanger: Geh bitte!) – Nicht: „Geh bitte!“, lest das nach! Er hat sich damit gebrüstet. (Zwischenruf des Abg. Stocker.) Wörtlich hat er gesagt: Das sind die „Lebensgefährder“, das sind die, die sich nicht an die Maßnahmen halten! – Das waren 70-jährige Frauen, die beim Spazierengehen müde wurden, die vielleicht kranke Beine hatten, diese hat er bestrafen lassen. (Zwischenruf des Abg. Egger.)
Aber das war ja noch nicht alles, es ist dann weitergegangen: Wir wollten dann vom damaligen Herrn Innenminister Nehammer die Protokolle der sogenannten Coronasitzungen haben, die im Innenministerium stattgefunden haben. Herr Nehammer hat gesagt: Da gibt es keine Protokolle, wir haben keine Protokolle! – Wenige Tage später wurde dann im Radio daraus zitiert, es war zu hören, wie von seinem Vorvorgänger gesprochen wurde: Wir müssen den Menschen mehr Angst machen! – Das hat Nehammer absichtlich unter der Decke halten wollen; das war Karl Nehammer. (Abg. Stocker: Verstecken Sie sich hinter der Immunität?)
Als es dann mit eurer Coronapolitik immer schlimmer wurde und immer mehr Demonstrationen stattfinden wollten und sollten, war es Innenminister Karl Nehammer, der die Demonstrationen hat verbieten lassen. Auch da gab es ein Gerichtsurteil dahin gehend, dass Demonstrationen selbstverständlich
stattzufinden haben. Er konnte die Demonstrationen dann nicht mehr verhindern, und was hat er dann gemacht? – Er hat eine Pressekonferenz gegeben und gesagt, es gab einen Sturm aufs Parlament.
Zur Erinnerung für alle: Dieses Parlament war eine Baustelle, und vor dieser Baustelle waren Zighunderte (Abg. Pfurtscheller: Zighunderttausende!) Bauhütten aufgebaut, ewig hoch. Es gab keinen Sturm. Als nach 24 Stunden nicht einmal mehr ein Lüfterl übrig geblieben ist, hat er bei der nächsten Demonstration die nächste Pressekonferenz gemacht. (Abg. Egger: Ich glaube, das ist die falsche Rede!) Er hat gesagt, es gab einen Sturm aufs Versicherungsgebäude. – Auch das war Karl Nehammer, auch dort ist nichts von seinem Sturm geblieben.
Dann hat er noch etwas gemacht: Er hat gesagt – weil er ja Verantwortung übernimmt; da war er gerade einmal ein paar Wochen Bundeskanzler –, er wird nicht aufs Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker gehen. Das hat er sogar schriftlich auf Facebook festgehalten, jeder kann das nachlesen. Es wäre ein falsches Signal, weil: „Die bevorstehende Omikron-Welle erfordert strengere Maßnahmen für alle Menschen – ich möchte mich selbst davon nicht ausnehmen!“ – Deshalb geht er nicht aufs Neujahrskonzert.
Was hat er stattdessen gemacht? – Er war in einer Skihütte am Katschberg in illustrer Runde und hat dort mit Freunden getrunken. Das hat er gemacht. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe der Abgeordneten Baumgartner und Gahr.) Was war das Ergebnis? – Er ist ein Superspreader gewesen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Er war dann drei Wochen krank, obwohl dreifach geimpft, drei Wochen in Quarantäne, weil die ja bei ihm verlängert werden musste; und die Skihütte ist gesperrt worden, weil dort alle krank waren. Die gesamte Skihütte ist zugesperrt worden! Das war damals Karl Nehammer! (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Stocker: Also gibt’s Corona doch?! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)
Er ist dann wieder gesund geworden und hat gesagt, er hätte gerne eine Impfprämie für alle, die sich impfen lassen. Er hat die Impfpflicht eingeführt, als er Bundeskanzler war; trotz Omikronwelle haben wir dann die Impfpflicht
eingeführt. – Das war Bundeskanzler Nehammer in der Coronazeit. (Zwischenruf des Abg. Ofenauer.)
Parallel ist ja etwas anderes auch noch passiert in diesem Land, es gab nämlich einen ganz dramatischen Terroranschlag in Wien, mit vier toten Menschen. Für diesen Terroranschlag hat auch Karl Nehammer die politische Verantwortung. Er wurde von den Nachrichtendiensten aus der Bundesrepublik Deutschland gewarnt; er wurde von den Nachrichtendiensten aus der Slowakei gewarnt; nachweisbar wurde er gewarnt, dass hier das Islamistentreffen stattgefunden hat, und genau jene Herrschaften, die dann diesen Terroranschlag durchgeführt haben, waren dort dabei. Das wusste er. – Nichts hat er gemacht. Da hat er die Verantwortung.
Was hat er noch gemacht? – Die Massenzuwanderung hat er in diesem Land zugelassen (Heiterkeit bei Abgeordneten der ÖVP), begonnen im Jahr 2020. Da waren Sie, meine Damen und Herren, alle eingesperrt. Jeder, der das Deutsche Eck überqueren musste, musste weiß Gott wie viele Formulare bringen (Zwischenruf bei der ÖVP), aber im Jahr 2020, unter Innenminister Karl Nehammer, hatte Österreich die höchste Quote an illegaler Migration, die höchste Quote in der gesamten EU. – Verantwortung: Karl Nehammer. (Zwischenruf des Abg. Ofenauer.)
Auch 2021: Karl Nehammer, illegale Migration. 2022 war dann schon Nachfolger Karner dafür zuständig, aber er als Bundeskanzler hat zugesehen. Seit 2020 (Abg. Stocker: ... Seminar wie der Kollege Hauser besucht!) – das sind genau die Coronajahre; horchen Sie gut zu, Herr Stocker! – sind mehr als 225 000 Menschen nach Österreich gekommen, die einen Asylantrag gestellt haben – mehr als 225 000 Menschen! Das sind mehr Menschen, als Linz Einwohner hat, nur damit man sich einmal die Größenverhältnisse vor Augen hält. Und da rede ich noch nicht von denen, die hier als U-Boote leben, die hier keine Anträge gestellt haben. Mehr als 225 000 Menschen – alles Verantwortung Karl Nehammer, er ist dafür zuständig. (Abg. Leichtfried: Redezeit! – Abg. Pfurtscheller: Bitte noch hinweisen auf ...! – Abg. Leichtfried: Redezeit!) – Was regen Sie sich denn auf? Ich
weiß schon, ihr seid überall dabei, das hat euch schon gepasst, aber jetzt geht es einmal um den Nehammer, jetzt müsst ihr damit leben, dass ihr gerade nicht im Fokus steht!
Was hat er noch gemacht? – Er hat mit seinem McDonald’s-Sager Familien, die wenig Geld haben, verhöhnt, indem er gesagt hat: Es ist nicht gesund, aber für die wird es reichen! – Das ist auch Karl Nehammer, das sind seine Aussagen.
Er hat gesagt, uns sei die Neutralität aufgezwungen worden. Eigentlich will er zur Nato. Davon ist er erst abgegangen, als er gesehen hat, dass 80 Prozent der Österreicher nicht zur Nato wollen. – Auch das ist Karl Nehammer (Abg. Leichtfried: Ja, aber der Kickl wollte zur Nato!), auch deshalb hat Karl Nehammer zurückzutreten. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Leichtfried: Wollte nicht der Kickl zur Nato?)
Was ist die Antwort Karl Nehammers auf die wirtschaftliche Entwicklung in unserem Land? Was ist die Antwort darauf, dass er den Wohlstand abgebaut hat? (Zwischenruf des Abg. Ofenauer.) – „Alkohol oder Psychopharmaka“, das ist Bundeskanzler Nehammer. (Ruf: Das braucht man bei Ihnen aber, wenn man Ihnen zuhört!)
Nehammer ist rücktrittsreif, aber schon seit fünf Jahren, meine Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe der Abgeordneten Gahr und Stocker. – Abg. Leichtfried: Ich glaube, der Kickl wollte zur Nato, oder?)
10.43
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Prammer. – Bitte.
Abgeordnete Mag. Agnes Sirkka Prammer (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Was wir jetzt gerade von Frau Kollegin Belakowitsch gehört haben, war eine Wahlkampfrede. (Ruf bei der ÖVP: Aber eine schlechte!) Genau darum geht es.
Wer in dieser Republik Bundeskanzler oder Bundeskanzlerin ist, entscheiden die Menschen bei einer Wahl; bei einer Wahl (Abg. Wurm: Eigentlich nicht! – weitere Zwischenrufe bei der FPÖ – Abg. Loacker: Haben Sie Jus studiert, Frau Kollegin? – Abg. Wurm: Haben Sie nicht aufgepasst, Frau Kollegin? – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen) – zuhören! –, bei der wir den Nationalrat wählen und bei der wir der Partei die Stimme geben, von der wir möchten, dass sie dieses Land gestaltet. (Beifall der Abgeordneten Hofer und Schnedlitz. – Abg. Belakowitsch: Das stimmt jetzt! Das stimmt! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)
Unser System ist so aufgebaut, dass die Partei, der die meisten Menschen in diesem Land das zutrauen (Ruf bei der FPÖ: Soll den Bundeskanzler stellen!), mit dem Auftrag versehen wird, eine Regierung zu bilden. (Beifall der Abgeordneten Kaniak und Schnedlitz. – Ah-Rufe bei der FPÖ.) – Ja, sind Sie auch dabei? (Abg. Belakowitsch – erheitert –: So weit schon, ja!) Na Gott sei Dank! Zum Glück sind wir uns da jetzt einig. (Abg. Leichtfried: Wie war das bei Schüssel ...? – Abg. Stöger: Bei Schüssel war das nicht so!) So funktioniert unser System der repräsentativen Demokratie.
Jetzt kann man natürlich in einem Volksbegehren verlangen, dieses System zu ändern. Das ist gar keine Frage, dafür sind Volksbegehren da: Ich habe ein Anliegen, ich möchte eine Gesetzesänderung bewirken und initiiere dafür ein Volksbegehren. Dann sollte dieses Volksbegehren aber auch mit diesem Anliegen ausgestattet sein und sagen: Ich möchte, dass in Zukunft der Bundeskanzler, die Bundeskanzlerin direkt gewählt wird! – Das kann man machen. Das könnte man, wenn man ein bisschen Fantasie hat, sogar ins System integrieren. Das wäre kein großes Problem, das muss man nur wollen. Ob es dafür einen Konsens gibt, das müsste man dann in Diskussionen herausfinden.
Was bei diesem Volksbegehren hier aber gemacht wurde, ist etwas anderes. Bei diesem Volksbegehren hat man sich einen catchy Slogan gesucht, „Nehammer muss weg“ – das kann man machen –, und hat – und das ist das, was ich kritisiere
und womit ich wirklich ein Problem habe – den Menschen, die dieses Volksbegehren unterschrieben haben, suggeriert, dass sie das mit einem Volksbegehren erreichen können. Das geht aber nicht.
Mit einem Volksbegehren kann man nicht erreichen, dass sich an der Regierungsspitze etwas ändert, weil das System anders aufgebaut ist. Das ist das, was mich an diesem Volksbegehren wirklich stört. Da geht es mir nicht um den Inhalt des Begehrens, da geht es mir auch nicht um die Personen.
Was ich wirklich schlimm finde, ist: Es geht dabei um Personen, um Proponenten, die wirklich Erfahrung mit Volksbegehren haben. Das sage ich auch nicht wertend, sondern diese Personen haben wirklich Erfahrung damit, was man mit Volksbegehren bewirken kann, was man erreichen kann und was der Inhalt eines sinnvollen, zielgerichteten Volksbegehrens sein kann.
All das haben sie ignoriert und einfach nur mit diesem Titel, der – wie Sie vermuten – von vielen Menschen unterstützt wird, ein Volksbegehren gemacht, um eine Diskussion zu starten. – Das ist okay, kann man machen. Was ich daran wirklich verwerflich finde, ist, dass Sie all diesen Menschen, die dieses Volksbegehren unterschrieben haben, suggeriert haben, dass sie damit das erreichen, was in der Überschrift steht. (Ruf bei der FPÖ: Wenn der Herr Bundeskanzler politische Verantwortung übernehmen würde, dann würden sie das erreichen!)
Das passt einfach nicht, denn man muss ehrlich sein mit den Menschen. Wenn ich ein Anliegen habe und wenn ich das so formuliere, dann müssen die Menschen auch wissen, ob das überhaupt möglich ist und ob das, was sie da unterschreiben, von denen, die ihnen sagen, dass sie sich dafür einsetzen, auch erreicht werden kann. (Abg. Kickl: Wieso denn nicht?) Das ist das große Problem daran. Wie gesagt, wenn man ehrlich ist - - (Abg. Kickl: Ein Misstrauensantrag und die Mehrheit im Haus, und dann ist das erledigt!) – Ja, das können Sie als Partei machen, haben Sie ja auch schon gemacht. (Abg. Kickl:
Ja, wenn wir das ernst nehmen, was viele Leute sagen, dann schließen Sie sich an und dann ist er weg! – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.)
Sie schlagen vor, einen Misstrauensantrag zu machen. – Ja, das kann man machen, das ist aber nicht die Aufgabe eines Volksbegehrens (Abg. Kickl: Wieso denn nicht?), deshalb ist es für mich wie gesagt wichtig, zu sagen: Man kann das System ändern, wenn man möchte, dass ein Bundeskanzler direkt gewählt wird, da muss man sich eine Mehrheit dafür suchen. Ich denke – zumindest wie ich die politische Lage im Moment einschätze –, das wird es nicht spielen, aber das macht nichts. Man kann über alles diskutieren, dafür ist dieses Hohe Haus da. So funktioniert Demokratie und so funktioniert unser System. Das ist richtig und wichtig.
Volksbegehren sind eine wichtige und richtige Ergänzung für dieses System, und es ist wichtig, dass Menschen Anliegen in Form von Volksbegehren an dieses Hohe Haus herantragen. Es ist aber genauso wichtig, dass diejenigen, die die Volksbegehren initiieren, sich der Verantwortung bewusst sind, die sie damit haben, hinsichtlich der Erwartungshaltung, die sie bei den Menschen, die das Volksbegehren unterstützen, auslösen. – Danke sehr. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Kickl: Der erste Teil war gut!)
10.48
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Scherak. – Bitte.
Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Herr Präsident! Hohes Haus! Im Gegensatz zu meiner Kollegin Prammer bin ich schon grundsätzlich der Meinung, dass man sich mit einem Volksbegehren an den Nationalrat wenden und auch seinen Unmut über eine Regierung äußern kann.
Ein Volksbegehren kann darauf abzielen, dass wir hier tätig werden und entsprechende Gesetze beschließen. Es gibt auch die Möglichkeit, dass man ein
Volksbegehren initiiert und uns auffordern will, einen entsprechenden Misstrauensantrag gegen die Regierung oder den Bundeskanzler einzubringen. Also theoretisch kann man das ohne Weiteres machen, finde ich.
Die Frage bei Volksbegehren ist aus meiner Sicht immer, worauf sie abzielen und – zusätzlich – wie sie begründet werden. In diesem Fall ist insbesondere die Begründung ein wenig – sagen wir einmal – herausfordernd. Da werden Dinge angeführt, die ich so nicht sehe, die auch verfassungsrechtlich nicht nachvollziehbar sind. Es wird geschrieben, dass Bundeskanzler Nehammer nie zum Bundeskanzler gewählt wurde. – Der Bundeskanzler wird in Österreich nicht gewählt, er wird vom Bundespräsidenten ernannt.
Es wird auch geschrieben, dass es einen Bruch der Gewaltentrennung gab, weil Karl Nehammer für das Parlament kandidiert hat, hier Abgeordneter wurde und dann Bundeskanzler. – Ich muss kurz überlegen, aber ich glaube, es gab ganz wenige Bundeskanzler, die nicht zuerst ins Parlament gewählt wurden; das gab es auch schon, aber grundsätzlich ist die Idee dahinter: Parteien treten mit Spitzenkandidaten an, die werden ins Parlament gewählt und oft – oder meistens – danach auch Bundeskanzler. Insofern, glaube ich, wird da ein bisschen etwas durcheinander gebracht.
Es wird auch darüber gesprochen, dass Bundeskanzler Nehammer das Vertrauen Russlands in Österreich verspielt hat. Jetzt bin ich der Meinung, es gibt Schlimmeres im Leben, als dass man das Vertrauen von Wladimir Putin nicht mehr hat.
Es wird dann auch darüber gesprochen, dass es ganz falsch sei, weil er gesagt hat, die Neutralität wurde Österreich aufgezwungen, und in Wirklichkeit haben wir das ja aus freien Stücken entschieden. Wenn man sich in dem Zusammenhang ein bisschen mit der Geschichte auseinandersetzt: Es war natürlich eine Bedingung der Sowjetunion, dass wir neutral sind, damit wir überhaupt unabhängig werden konnten. Jetzt kann man semantisch lange darüber diskutieren, ob es uns aufgezwungen wurde oder nicht. Es war jedenfalls eine
Bedingung, und ich glaube, alle Historikerinnen und Historiker in Österreich sind sich dahin gehend einig.
Das ändert nichts daran, dass mein Vertrauen in Bundeskanzler Nehammer auch enden wollend beziehungsweise nicht vorhanden ist. Man kann andere Gründe dafür finden (Zwischenruf des Abg. Egger): wenn man, Kollege Egger, sich anschaut, wie zum Beispiel die Inflationsrate in Österreich ist, nämlich weitaus höher als im europäischen Durchschnitt (Abg. Egger: Zack, zack!); wenn man sich anschaut, was sich die ÖVP gemeinsam mit den Grünen überlegt hat, wie hoch die Steuer- und Abgabenquote in Österreich sein sollte. Im gemeinsamen Regierungsprogramm steht eine Steuer- und Abgabenquote von 40 Prozent, sie liegt weitaus höher, wie wir wissen. Das bedeutet, dass Sie, sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher, jedes Jahr 2 130 Euro mehr an Steuern bezahlen, als sich ÖVP und Grüne eigentlich vorgenommen haben, dass Sie zahlen sollten.
Ich glaube, es gibt viele Gründe, Bundeskanzler Nehammer diesbezüglich nicht zu vertrauen. Wenn man sich überlegt, dass die ÖVP seit 37 Jahren in der Bundesregierung ist und immer wieder Versprechungen macht, sich aber nie daran hält, dann würde ich Ihnen raten, auch in Zukunft nicht den Versprechungen zu glauben, die Nehammer oder andere ÖVP-Proponenten Ihnen jetzt geben. (Beifall bei den NEOS.)
10.51
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Berlakovich. – Bitte.
Abgeordneter Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus! Ich darf eingangs zwei Besuchergruppen begrüßen: im Namen von Abgeordneten Hermann Gahr die Besuchergruppe seiner Heimatgemeinde Terfens mit Bürgermeister Florian Gartlacher. – Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)
Die zweite Besuchergruppe ist jene des Abgeordneten Hans Singer: die Senioren von Neuhofen an der Krems. – Auch Ihnen ein herzliches Willkommen! (Allgemeiner Beifall.)
Zum Thema: Frau Kollegin Belakowitsch, Sie stehen hier und bejammern, wie garstig wir zu Ihnen sind. (Abg. Belakowitsch: Das habe ich ja gar nicht gemacht!) Die FPÖ, Sie und Ihre Kolleginnen und Kollegen, die hier von der Mumie in der Hofburg, von Eseln und Rennpferden auf der Regierungsbank schwadronieren und sich sonst ja auch nicht davor scheuen, tief in die rhetorische Kiste hineinzugreifen, beklagen sich dann und sagen: Fairness für die FPÖ! Bitte nicht so garstig sein! Gerechtigkeit! (Abg. Singer: Immer am Jammern!) – Das passt nicht zusammen. Wenn man austeilt, muss man auch einstecken können und darf nicht zimperlich und wehleidig sein. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Kassegger: Geh bitte! Welche Rede hast du gehört? Hat ja keiner gejammert! Du hast eine andere Rede gehört! – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch. – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.)
Zum konkreten Volksbegehren Nehammer muss weg: Natürlich ist ein Volksbegehren legitim. Was für mich sehr irritierend ist, ist, dass es sich auf einen Menschen bezieht: Karl Nehammer muss weg. Wo endet das? Muss das nächste Mal Frau Müller weg und dann Herr Meier? (Abg. Belakowitsch: Frau Edtstadler!) Ich halte das persönlich nicht für richtig. Man kann eine Bundesregierung kritisieren und sagen, die gehört weg, aber es gezielt auf einen Menschen anzulegen halte ich nicht für gut. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Kickl – erheitert –: Na geh!)
Jedenfalls ist es so, dass wir klare Regelungen in der Bundesverfassung haben. Die Bundesregierung oder einzelne Mitglieder sind Nationalrat und Bundesrat verantwortlich, auch in der politischen Verantwortung, wie wir das immer wieder diskutieren. (Abg. Belakowitsch: Aber du bist eine Ausnahme! Bei dir merkt ...! – Ruf bei der FPÖ: Das ist es ja! Das ist ja was ganz anderes!) Das Volksbegehren bietet aber eine gute Möglichkeit und Gelegenheit, die Arbeit von Bundeskanzler Nehammer und der Bundesregierung zu beleuchten.
Karl Nehammer wurde als Bundeskanzler in einer Zeit angelobt, als wir mitten in der Coronakrise gestanden sind. Das Ziel von ihm und der Bundesregierung war, in einer schwierigen Phase zu helfen und zu unterstützen. Wenn Sie sich erinnern: Damals herrschte weltweit große Unsicherheit. Für die Wirtschaft war es schwierig: Lockdowns, Hotels mussten sperren, Restaurants und so weiter. (Abg. Kassegger: Die sind auch nicht vom Himmel gefallen, die Lockdowns!) Da war es wichtig, zu helfen, und insgesamt wurde 600 000 Unternehmen geholfen, vornehmlich Klein- und Mittelbetrieben. Rund 46 Milliarden Euro Gesundheitskosten, aber auch Hilfen für die Wirtschaft wurden verteilt.
Das hat einen Effekt gehabt (Ruf bei der FPÖ: Die Schulden sind gewachsen!), den wir in internationalen Bewertungen darstellen können. Bewertungen haben ergeben, dass Österreich bei der Pandemiebewältigung an der dritten Stelle ist, Deutschland ist an zwölfter Stelle, das vielgerühmte Schweden an der 15. Stelle. Wir sind also doch einigermaßen besser durch die Krise gekommen als andere Staaten – auch bei der Arbeitslosigkeit. (Beifall bei der ÖVP.)
Die Wirtschaft hat sich erfreulicherweise besser erholt, und die Steuereinnahmen sind besser geworden. Daher können wir jetzt weitere Maßnahmen setzen, und Kanzler Nehammer und die Bundesregierung haben das gemacht.
Wir dürfen auch nicht vergessen: Es gibt Studien, die besagen, wenn es keine finanzielle Unterstützung gegeben hätte, wären rund 30 000 bis 40 000 Unternehmen illiquide, also zahlungsunfähig, geworden und rund 200 000 Menschen hätten ihren Job verloren. Es hätte schon schwierig ausgehen können, und die Hilfe der Bundesregierung war wichtig.
Dann kam während der Amtszeit von Bundeskanzler Nehammer und dieser Regierung der Einmarsch von Russland in der Ukraine dazu – eine unglaubliche Herausforderung für uns alle und natürlich für jede Regierung. Auch da war es so, dass die Regierung rasch geholfen hat. Die Inflation ist gestiegen, die Energiepreise sind ins Enorme gegangen, und die Bevölkerung war entsprechend verunsichert.
Das Ziel der Bundesregierung und von Karl Nehammer war klar: die Kaufkraft der Menschen zu erhalten. Das heißt, dass die Menschen mehr Geld im Geldbörsel haben, damit sie sich eben die gestiegenen Preise leisten können. Dafür hat es eine Reihe von Maßnahmen gegeben, die ich hier nur exemplarisch erwähnen darf: Die Senkung von zwei Einkommensteuerstufen hat die Menschen um 4,3 Milliarden Euro entlastet. Die Senkung der Körperschaftsteuer – 900 Millionen Euro – hat Unternehmen entlastet. (Abg. Matznetter: Konzerne!) Lohnnebenkostensenkungen gab es im Ausmaß von 800 Millionen Euro. Die ökosoziale Steuerreform, eine Ökologisierung, hat 22 Milliarden Euro gebracht.
Das heißt, die Kaufkraft der Menschen zu stärken, und die Studien beweisen es auch. Gestern hat auch Finanzminister Brunner gesagt: Wir sind an der dritten Stelle in Europa, was die Stärkung der Kaufkraft anlangt, viel, viel besser als viele Staaten bei uns in der Region.
Die Abschaffung der kalten Progression war eine weitere Maßnahme. Rund 20 Milliarden Euro mehr bis 2026 bleiben den Menschen im Geldbörsel. Diejenigen, die Leistung erbringen, müssen nicht so viel Steuer zahlen und bekommen Geld zurück. Das soll die Menschen entlasten, das ist das große Ziel.
Weitere Maßnahmen gegen die Teuerung: die Valorisierung der Sozialleistungen; die Pensionen für die ältere Generation, für die, die dieses Land aufgebaut haben, wurden angehoben. Es gab viele, viele Maßnahmen. Daher ist es wichtig, dass Bundeskanzler Nehammer und die Bundesregierung auf diesem Weg weiterarbeiten, um die Menschen zu entlasten und Österreich voranzubringen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)
10.57
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Drobits. – Bitte.
10.57
Abgeordneter Mag. Christian Drobits (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Gestatten Sie auch mir ein paar Gedanken zu diesem Tagesordnungspunkt.
Der erste Gedanke ist, dass Volksbegehren grundsätzlich ein wichtiges und positives Signal sind, dass sich Menschen im Sinne der direkten Demokratie in Österreich beteiligen können. Es ist auch richtig und wichtig, dass diese Volksbegehren ab einer gewissen Anzahl an Unterschriften auch im Parlament, im Plenum behandelt werden. Es ist auch korrekt, dass der Wille des Wählers und der Wille der österreichischen Bevölkerung hier auch kundgetan werden dürfen.
Nur gestatten Sie mir auch, zu sagen, dass ein Volksbegehren als Instrument der direkten Demokratie grundsätzlich nicht dazu geeignet ist, gleichzeitig auch die repräsentative Demokratie auszuhebeln. In diesem Volksbegehren sehe ich durchaus eine auffällige Vorgehensweise, dass die repräsentative Demokratie, sprich das Parlament, auch die parlamentarische Kontrolle und auch die Möglichkeit des Parlaments und Nationalrates ausgehebelt werden können. Das ist antidemokratisch, und das würde ich in einem Volksbegehren nicht sehen wollen.
Ich denke aber auch, dass wir grundsätzlich über Volksbegehren reden müssen. Wenn wir sehen, dass in den letzten Jahren eine inflationäre Verwendung von Volksbegehren vonstattengegangen ist, wobei meistens nicht über 200 000 Unterschriften vorliegen, so wie es in den Jahren zuvor war, glaube ich auch, dass es mittlerweile eine gewisse Verwässerung gibt. (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)
Es gibt auch ein gewisses Geschäftsmodell, das dahintersteht. Es gibt zwei, drei Bevollmächtigte, die viel mehr Volksbegehren initiieren als andere. Wenn man weiß, dass nunmehr die Gebühren bei 3 400 Euro liegen und das Fünffache dessen an Geld lukriert werden kann, ist das Volksbegehren in den
Augen mancher ein Geschäftsmodell. Ich denke, dass wir darauf schauen müssen, dass wir diese Obergrenze einziehen, damit das nicht weiterhin als Geschäftsmodell gilt. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte nicht auf den Titel eingehen, aber ich möchte darauf eingehen, dass der Unmut der Menschen in Österreich eigentlich darauf gerichtet ist, dass diese Bundesregierung und diese Koalition am Ende sind.
Ich möchte es mit einfachen Beispielen erklären. Gestern haben wir darüber geredet, dass es eine Abzocke durch Mogelpackungen gibt. Eine ältere Frau sagte mir dann nach dem gestrigen Gespräch, das zum Ergebnis hatte, dass vertagt wird beziehungsweise eine Prüfung durchgeführt wird: Ich habe ein Waschmittel, mit dem ich bisher 63 Waschgänge machen konnte. Derzeit gehen sich 54 Waschgänge aus. Es handelt sich um eine bekannte Marke in Österreich – und der Preis ist höher geworden, die Verpackungsgröße ist gleich geblieben. Das ist es, wie die Österreicherinnen und Österreicher abgezockt werden.
Ähnliches geschieht im Pflegebereich, wenn es heißt, man braucht Pflegekräfte – die Schwerarbeitspension wird diesen Pflegekräften verweigert! Das ist der Unmut, der durch die Volksbegehren ausgedrückt wird.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, abschließend noch ein Punkt: Wir reden über Volksbegehren. Wir müssen aber auch darüber reden, dass endlich das Staatsarchivgesetz geändert wird. Wir haben für das Bundesarchivgesetz einen Antrag gestellt. Derzeit ist es weiterhin möglich, dass der ehemalige Bundeskanzler Kurz und weitere oberste Organe die Eintragungen in ihren Diensthandys löschen. Das, finde ich, ist unfair. Jede und jeder Einzelne muss das nachweisen, die obersten Organe in Österreich können weiterhin ihre SMS, Whatsapp und so weiter löschen, weil es keine Digitalisierung im Staatsarchivgesetz
gibt. Das ist, glaube ich, nicht richtig und nicht mehr zeitgemäß. – Danke für ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)
11.01
Präsidentin Doris Bures: Nun ist Frau Abgeordnete Susanne Fürst zu Wort gemeldet. – Bitte.
Abgeordnete Dr. Susanne Fürst (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Kollege Stocker, der überall manisch auf der Suche nach den Freunden Russlands unterwegs ist! – Ich kann Ihnen sagen, wo die sind. (Ruf bei der ÖVP: Na hallo!) Es waren nicht Frau Dagmar Belakowitsch oder ich (Zwischenruf der Abg. Ribo), die Seite an Seite mit Putin, aufgemascherlt in russischen Nationalfarben (Bezug nehmend auf die von der FPÖ in die Höhe gehaltenen Tafeln mit den bereits beschriebenen Fotos – Oh-Rufe bei der ÖVP), stolz lächelnd hier entlanggeschritten sind. Das war schon Frau Minister Edtstadler, die, glaube ich, Ihrer Partei zuzurechnen ist. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Ribo.) Ich glaube, auch Wolfgang Schüssel, der vom Bundeskanzleramt zu einem russischen Mobilfunkkonzern und dann zum russischen Ölkonzern Lukoil gewechselt ist, ist nicht unbedingt uns zuzurechnen. Ich glaube, auch Hans-Jörg Schelling, der Finanzminister, der direkt vom Ministerium zu Gazprom gewechselt ist, ist der ÖVP zuzurechnen. Ich nehme an, es war keine ehrenamtliche Tätigkeit, sondern dafür wird schon Geld ausbezahlt worden sein. Bleibt bitte sachlich! Schauen wir, wo die Freunde Russlands sind! (Beifall bei der FPÖ.)
Zum Volksbegehren Nehammer muss weg: Ja, normalerweise sollten Volksbegehren sachliche Titel haben. Man muss aber sagen, in diesen Zeiten hat man Verständnis für diesen Titel, der einfach ganz kurz sagt: Nehammer muss weg. Wenn man sich alleine die Tätigkeiten unseres Bundeskanzlers in den letzten Tagen ansieht, kann man nur sagen: Das Volksbegehren und die Initiatoren, denen man für ihre Mühe danken muss, haben recht.
Unser Bundeskanzler reist mit EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen nach Ägypten, um dort ein Migrationsabkommen abzuschließen. Nehammer lässt uns wissen, er sei ganz stolz auf die enge Zusammenarbeit im Kampf gegen die illegale Migration – wir bekommen auch die entsprechenden Bilder: entschlossene Miene, Schulterklopfen –, er sorgt jetzt für mehr Sicherheit in Österreich, in Europa und auch vor Ort in Ägypten und er setzt sich ja schon seit Jahren für effektive Migrationsabkommen ein.
Nun, was ist an diesen drei Aussagen, die er vom Bundeskanzleramt verlauten lässt, dran? Wie sieht das Migrationsabkommen mit Ägypten aus? – 7,4 Milliarden Euro an europäischem Steuergeld fließen nach Ägypten. Wir sind wieder überproportional dabei, weil wir Nettozahler sind. Das Geld bekommt der ehemalige Feldmarschall und nunmehrige Langzeitpräsident al-Sisi. Der nimmt es einmal; er ist ja ein bekannter Philanthrop und wird es also auch wirklich entsprechend verteilen. Mit 7,4 Milliarden Euro könnte man jetzt die Grenzen sicher schützen, wenn man denn wollte.
Was verrät uns der Herr Bundeskanzler allerdings nicht? Oder weiß er es nicht? – Ich weiß es nicht. Von den 7,4 Milliarden Euro werden ganz offiziell, schwarz auf weiß, 5 Milliarden Euro als Kredit an Ägypten vergeben – ich bin wirklich guten Mutes, dass wir das mit Zinsen zurückbezahlt bekommen (Ruf bei der FPÖ: ... alles zurück!) –, 1,8 Milliarden Euro für Investitionen – vielleicht wird der Palast von al-Sisi ausgebaut –, 400 Millionen Euro für bilaterale Projekte für was auch immer und ganze 200 Millionen Euro für die Bekämpfung der illegalen Migration. 200 Millionen Euro von 7,4 Milliarden Euro europäischem Steuergeld – und von der Leyen und Nehammer erzählen uns, dass diese Milliarden für die Bekämpfung der illegalen Migration ausgegeben werden! Das sind 2,7 Prozent.
Ja, so sieht es aus, wenn diese Geschäfte gemacht worden sind. Nichtsdestotrotz aber erzählt uns Bundeskanzler Nehammer im EU-Hauptausschuss unverdrossen, auf diese Weise, mit diesem Abkommen, wird das EU-Asylsystem repariert. Er sei ein Gegner von Abkommen, die von oben herab mit Nordafrika
abgeschlossen werden, es soll schon auf Augenhöhe sein. Ich kann nur sagen: Keine Angst, Herr Bundeskanzler Nehammer, al-Sisi redet sicher nicht auf Augenhöhe mit von der Leyen und Nehammer, sondern er redet von oben herab, weil er weiß, dass er am längeren Ast sitzt – und er sagt auch: Gebt mir die Milliarden, sonst schicke ich noch mehr Flüchtlinge! – Nehammer meint trotzdem, das Abkommen muss auch Vorteile für Ägypten bringen. Keine Angst, es bringt nur Vorteile für Ägypten! Es soll eine Win-win-Situation für Europa und Ägypten sein. – Nein, es ist Win-win für Ägypten, weil die das Geld bekommen und die Leute trotzdem schicken. (Beifall bei der FPÖ.)
Dritte Behauptung von Nehammer: Er setzt sich ja schon seit Jahren für effektive Migrationsabkommen ein. Ich erinnere nur ganz kurz an das Tunesien-Abkommen vor ein paar Monaten, welches auch abgeschlossen wurde. Es gab wieder die Bilder mit von der Leyen mit entschlossenem Gesicht im Kampf gegen die illegale Migration. 900 Millionen Euro europäisches Steuergeld wandern nach Tunesien, der vertrauenserweckende Präsident dort nimmt es. Was ist die Folge? – Es kommen mehr denn je aus Tunesien. Der tunesische Präsident schickt dann noch 120 Millionen Euro wieder zurück und verweigert einer EU-Delegation die Einreise. Er sagt, er lässt sich von Europa überhaupt nichts erzählen. Das ist wieder ein Abkommen auf Augenhöhe mit Nehammer und Co!
Österreich hat unter Bundeskanzler Nehammer auch schon ganz erfolgreiche Abkommen geschlossen: mit Marokko – und Indien war auf einmal letzten Sommer das große Thema. Ersteres hatte ebenfalls zur Folge: Es kommen mehr denn je aus Marokko. Es hat sich nichts geändert, und es wäre naiv zu glauben, dass in irgendeinem dieser Abkommen auch von Rückführungen die Rede ist, dass man sagt: Wenigstens nehmt ihr für das Geld die Leute wieder zurück, bei denen der Asylbescheid abgelehnt worden ist! – Nein, nein, nein, Rückführungen sind nirgendwo das Thema, weil nämlich al-Sisi und Co die Devisen gerne nehmen, die zurückgeschickt werden.
Ja, gestern war der Besuch von EU-Parlamentspräsidentin Metsola, sie wurde von Nehammer empfangen. Die Präsidentin meinte, es geht um viel. Das ist richtig. Sie kämpft ja gegen den Rechtsruck in der Europäischen Union bei der anstehenden Europawahl. Bundeskanzler Nehammer steht daneben – und man könnte jetzt irgendwie glauben: Na ja, gegen rechts würde ich so nicht sagen; ich meine, die ÖVP, war ich eigentlich der Meinung, definiert sich als rechte konservative Partei. Dann ist mir aber eingefallen: Nein, sie ist ja jetzt natürlich nur mehr für die Mitte da (Abg. Leichtfried: Hat das mit dem Volksbegehren noch was zu tun?), nur mehr für die Mitte im Nirgendwo, kein Profil, keine Kante, keine Meinung. Sie steht für nichts, irgendwo im mittlerweile linken Nirgendwo. (Beifall bei der FPÖ.) Dafür ist er ein echtes Schwergewicht im Verhandeln auf Augenhöhe. (Beifall bei der FPÖ.)
11.08
Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Muna Duzdar. – Bitte.
Abgeordnete Mag. Muna Duzdar (SPÖ): Frau Präsidentin! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Liebe Zuseher und Zuseherinnen auf der Galerie! Ja, wir stellen hier im Hohen Haus fest, dass wir immer mehr Volksbegehren behandeln, und wie auch viele Vorredner schon gesagt haben: Volksbegehren sind ein wichtiges Instrument der direkten Demokratie, und natürlich muss die Politik hinhören, wenn Bürger und Bürgerinnen viel Zeit aufwenden, weil sie sich politisch engagieren wollen, weil sie politisch mitbestimmen wollen und Gebrauch von Instrumenten der direkten Demokratie machen.
Es ist aber auch schon gesagt worden, dass ein Volksbegehren eben politische Anliegen formuliert und es nicht darum geht, unser politisches System auszuhebeln, so wie es in diesem Volksbegehren eben auch passiert. Nichtsdestotrotz bin ich der Meinung, wenn ein Volksbegehren von mehr als 100 000 Bürgerinnen und Bürgern unterzeichnet wird, dann kann man das nicht ignorieren und
muss auch genauer hinschauen; denn wir stellen in Österreich fest, dass es einen gewissen politischen Unmut gibt, dass es eine politische Skepsis gibt. Die hat ihre Gründe – denn, liebe Kolleginnen und Kollegen, heute ist eine ORF-Umfrage veröffentlicht worden, laut der 20 Prozent der Menschen in Österreich angeben, ökonomisch gerade über die Runden zu kommen. Es gibt in Österreich ein negatives Stimmungsbild bezüglich der Zukunft. Nur 16 Prozent der Bevölkerung sehen eine positive Entwicklung.
Das hat natürlich auch mit der Regierung und mit dem Kanzler zu tun, und das muss man auch so sagen. Wir von der Sozialdemokratie vergessen nicht. Wir vergessen nicht, dass Karl Nehammer, als er Innenminister war, gut integrierte Kinder abschieben ließ; wir vergessen nicht die Missstände im BVT; wir vergessen nicht das Totalversagen in der Terrornacht, als vier Menschen getötet wurden, weshalb wir vonseiten der Sozialdemokratie damals einen Misstrauensantrag eingebracht haben.
Liebe Kollegen und Kolleginnen, unter seiner Kanzlerschaft wurden viel zu wenig Maßnahmen gegen die Teuerung, gegen die hohe Inflationsrate gesetzt. Wer als Bundeskanzler angesichts dieser Teuerungskrise erklärt, es gebe nur noch zwei Entscheidungen, nämlich Alkohol oder Psychopharmaka, wer behauptet, es gebe in unserem Land keine Kinderarmut, und Eltern zugleich empfiehlt, ihren Kindern um 1,40 Euro einen Burger zu kaufen (Zwischenruf des Abg. Obernosterer) – ich zitiere: die billigste Mahlzeit Österreichs –, wer die Menschen in unserem Land derart verhöhnt (Zwischenruf des Abg. Zarits), der hat Ansehen und Vertrauen tatsächlich verspielt. (Beifall bei der SPÖ.)
Das, liebe Kollegen und Kolleginnen, wird die ÖVP auch bei den nächsten Wahlen zu spüren bekommen. (Abg. Michael Hammer: Genau, wo Sie nicht mehr aufgestellt werden!) Aber: Es braucht eben kein Volksbegehren, um Karl Nehammer abzusetzen, sondern die Bevölkerung wird Herrn Nehammer absetzen. – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ.– Abg. Hofinger: Aber Babler wird ...! – Abg. Michael Hammer: Und Sie auch! Sie hat der Herr Ludwig schon abgesetzt!)
11.11
Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Christian Oxonitsch. – Bitte. (Abg. Michael Hammer – in Richtung Abg. Duzdar –: Listenplatz 15, oder wo sind wir denn? – Abg. Holzleitner: Wie bösartig kann man eigentlich sein? Persönlich beleidigend ist das! – Zwischenruf der Abg. Greiner. – Ruf bei der ÖVP: Was war denn die ganze Rede jetzt? Es war die ganze Zeit persönlich! – Abg. Michael Hammer: Was ist da persönlich?– Abg. Holzleitner: So was von beschämend! Kritisieren Sie doch einmal Inhalte! – Weitere Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von ÖVP und SPÖ.)
Zu Wort gelangt jetzt Herr Abgeordneter Christian Oxonitsch. – Bitte, Herr Abgeordneter.
Abgeordneter Christian Oxonitsch (SPÖ): Frau Präsidentin! Liebe Zuhörerinnen, liebe Zuhörer! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Liste von Kollegin Duzdar ließe sich ja noch lange fortsetzen: das Versagen in der Bildungspolitik, das Zerschlagen des Gesundheitssystems und vieles andere mehr. (Abg. Michael Hammer: Ihr seid immer angerührt! Das sind Tatsachen! – Abg. Holzleitner: Ich weiß nicht, was für ein Problem Sie mit Frauen haben, Herr Kollege! Jedes Mal schreien Sie bei Frauen rein! – Weitere Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von ÖVP und SPÖ. – Abg. Michael Hammer: Wenn sie sagt, Nehammer muss gehen, dann kann man auch sagen, dass sie geht! – Ruf bei der ÖVP: Was machst du mit dem Kollross? – Abg. Belakowitsch: Ihr wollt doch zusammen regieren!)
Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter, würden Sie bitte Ihre Rede fortsetzen?
Abgeordneter Christian Oxonitsch (fortsetzend): Es ist ja durchaus spannend, wenn man sich anschaut, dass da jetzt seitens der ÖVP dazwischengerufen wird (Ruf bei der ÖVP: Das ist aber Ihre Fraktion! – Abg. Michael Hammer: Ja, eure Fraktion ruft dazwischen!): Wir werden sehen, wie viele von der ÖVP nach der nächsten Wahl noch in diesem Haus sind. Das sollte man sich einmal
anschauen, bevor man hier unqualifizierte Zwischenrufe macht. (Beifall bei der SPÖ.)
Aber wir sprechen ja über ein Volksbegehren, und diese Episode der Zwischenrufe schließt fast ein bisschen daran an, was das Spannende an dieser Debatte ist: Jetzt gibt es hier in diesem Saal ein Gefecht zwischen der ÖVP und der FPÖ, also zwischen jenen zwei Parteien, die in drei Bundesländern gemeinsam regieren; die eine Partei regiert mit der Partei, die Herrn Kickl zum Innenminister gemacht hat. Dass das Scheingefechte sind, die vor den Wahlen immer stattfinden, um danach etwas anderes zu tun, kennen wir auch schon, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das zeigt natürlich letztendlich auch, dass wir uns alle, glaube ich, schon auf die Wahlen in fünf Monaten freuen können, damit das ein Ende hat.
Wie gesagt, die Liste des Versagens des Bundeskanzlers ist aus Sicht der Sozialdemokratie lang. Es wurde auf die Teuerung, auf das Zerschlagen des Gesundheitssystems, auf das Versagen in der Bildungspolitik, in der es keine neuen Akzente gibt, hingewiesen. (Abg. Hofinger: Da haben wir es ja schon wieder: das Versagen! Immer nur: das Versagen, Oxonitsch!)
Auf der anderen Seite gibt es aber – und das ist natürlich unsere Kritik an diesem Volksbegehren, so wichtig wir Volksbegehren auch finden – unsere elegante Verfassung, wie der Herr Bundespräsident gesagt hat, und diese sieht gewisse Mechanismen vor. Zu diesen bekennen wir uns als Sozialdemokratie, und zu diesen bekenne auch ich mich, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Daher: In fünf Monaten gibt es die Chance. Man kann dieser Kanzlerschaft ein Ende setzen, aber dafür gibt es Wahlen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)
11.13
Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Michael Schnedlitz. – Bitte sehr.
11.14
Abgeordneter Michael Schnedlitz (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich verstehe die große Nervosität (Abg. Hofinger: Nein, wir sind nicht nervös!), wenn über 100 000 Menschen ein Volksbegehren mit dem Titel Nehammer muss weg unterschreiben. Man könnte sogar auf die Idee kommen, dass das von ÖVPlern initiiert ist, die selbst nicht mehr dabei zuschauen wollen, wir ihr Bundeskanzler die Partei zugrunde richtet und sie in Richtung Einstelligkeit führt. Ich sage das, weil ich diverse Persönlichkeiten von Ihnen schätze. Man muss ja teilweise wirklich schon Mitleid mit Ihnen haben, denn viele haben das, was dieser Kanzler mit Ihrer Partei anrichtet und Ihrer Partei antut, nicht verdient. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)
Oder es kommt aus der Bevölkerung, da die Menschen sich nach Coronawahnsinn, nach Kriegstreiberei, wegen der Teuerung und wegen des Sicherheitskollaps nicht mehr anders zu helfen wissen und einen Befreiungsschlag setzen wollen, damit es mit diesem Land endlich nicht mehr bergab, sondern wieder bergauf geht.
Das wollen wir auch, sehr geehrte Damen und Herren. Sie können uns daher ruhig als die Freunde Putins in Österreich oder Ähnliches bezeichnen; die Menschen draußen haben ja durchschaut, warum wir da einen anderen Zugang haben und dass wir Österreich im Blick haben anstatt etwas anderes. (Abg. Michael Hammer: Ihr seid eh nicht die Freunde Putins, ihr seid seine Knechte!)
Sehr geehrte Damen und Herren, damit auch Sie von der Österreichischen Volkspartei es verstehen: Wir Freiheitliche sind keine Putin-Versteher. (Abg. Höfinger: Bla bla!) Aber in aller Deutlichkeit: Wir Freiheitliche sind auch keine Nato-Versteher, Amerika-Versteher oder sonstige Versteher. (Abg. Michael Hammer: Das hat aber der Herr Bösch anders gesehen!) Wir sind Österreich-Versteher, und es kann nicht sein, dass die Bevölkerung den hohen Preis für Kriegstreiberei und Sanktionen bezahlen muss. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Michael Hammer: Der Bösch wollte zur Nato!)
Wenn es ein Volksbegehren gibt, das wie ein Befreiungsschlag ist und das 100 000 Menschen unterschreiben (Abg. Michael Hammer: Der größte Flop überhaupt!) – und ein Volksbegehren unterschreibt man ja nicht im Vorbeigehen, das ist ja keine Onlinepetition, das ist schon etwas, wenn man so etwas unterschreibt –, dann ist das dadurch entstanden, dass die Menschen endlich wieder durchatmen wollen. (Abg. Michael Hammer: Sind ja immer die Gleichen!)
Sehr geehrte Damen und Herren, von den Jungen bis zu den Alten: Die Generationen, die dieses Land unter Verzicht, im Schweiße ihres Angesichts aufgebaut haben – das waren nicht die großen Politiker, das war die Bevölkerung –, wollen nicht zusehen, wie Sie in wenigen Jahren zugrunde richten, was über Jahrzehnte und über Generationen aufgebaut wurde. (Beifall bei der FPÖ.)
Auch die Jungen, sehr geehrte Damen und Herren, sind nicht diejenigen, die sich selbst als die letzte Generation bezeichnen; das sind die, die die mediale Aufmerksamkeit bekommen. Viele Junge wollen noch eine Zukunft haben, viele Junge wollen auf dem aufbauen, was ihre Eltern und Großeltern geschaffen haben, die wollen einen Befreiungsschlag setzen, und genau deshalb unterschreiben 100 000 Menschen ein Volksbegehren mit dem Titel Nehammer muss weg. (Beifall bei der FPÖ.)
Sehr geehrte Damen und Herren, auch wenn es jetzt nicht funktionieren wird, dass dieses Volksbegehren dazu führt, dass Nehammer den Bundeskanzlersessel räumt, wir haben vorhin richtig gehört: Es dauert nicht mehr lange, dann können Sie nicht davonlaufen, dann ist der Wähler, dann ist das Volk am Wort. (Abg. Michael Hammer: Bis dahin könnt ihr noch zehn Volksbegehren machen!) Eines müssten Sie doch langsam verstehen, lesen Sie Ihre Umfragen: Die Menschen wollen, dass sich die Politik nicht um Politiker und Parteien dreht (Abg. Hofinger: Also nicht um den Kickl, genau!), sondern um die Menschen draußen, die jetzt unter der Teuerung leiden, und dass wir nicht Probleme schaffen, sondern Probleme lösen.
Genau zu diesem Befreiungsschlag wird die Bevölkerung bei der nächsten Wahl ansetzen (Abg. Michael Hammer: Schauen wir mal!), und wir stehen dann bereit, um Ihren Scherbenhaufen aufzuräumen, selbst wenn wir ihn nicht verursacht haben, da es dringend nötig ist: für die Jungen, für die Alten, für die Unternehmer, für die Hackler, für die Fleißigen in diesem Land, auch für die, denen es nicht so gut geht, denen Sie in den letzten fünf Jahren viel zu viel angetan haben. (Rufe bei der ÖVP: Wo ist eigentlich der Kickl? Wo ist der?)
Sehr geehrte Damen und Herren, freuen Sie sich darauf, der Befreiungsschlag ist nahe! (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Michael Hammer: Fürchtet euch nicht! Schauen wir es uns an, wenn es so weit ist!)
11.17
Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Michel Reimon. – Bitte, Herr Abgeordneter.
Abgeordneter Michel Reimon, MBA (Grüne): Wenn sich drei Freiheitliche hintereinander hier dagegen wehren, dass sie die Freunde Putins in Österreich seien, kann man das so nicht stehen lassen. (Abg. Michael Hammer: Sie sind die Knechte Putins!) Ihr habt einen aufrechten Freundschaftsvertrag mit der Partei von Wladimir Putin (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ), in dem steht, dass er explizit gekündigt werden muss, da er sich sonst automatisch verlängert, und das legt ihr nicht vor. Legt die Kündigung des Freundschaftsvertrages vor! Das macht ihr seit Jahren nicht, da er aufrecht ist, und jetzt wird es euch peinlich, weil euch dieser ganze Krieg über den Kopf wächst.
Ihr seid hier in diesem Parlament, in diesem Land die Vertreter Putins, ihr seid seine Lobbyisten, die ganze Zeit. Ihr bekämpft die Sanktionen, ihr bekämpft die Unterstützung der Ukraine, ihr bekämpft alles, was für Frieden sorgen könnte. (Rufe bei der FPÖ: Aber im Interesse Österreichs! Habt ihr es immer noch nicht verstanden?) Wenn irgendjemand in diesem Parlament nicht neutral ist,
dann sind das die Freiheitlichen! (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)
Ihr seid die einzige Partei in diesem Parlament, die eine ausländische militärische Macht bei einem Angriffskrieg unterstützt – und ihr wollt die neutralen Patrioten sein? (Zwischenruf bei der FPÖ.) Ihr seid hier die Agenten einer ausländischen militärischen Macht – das seid ihr! Ihr seid alle rücktrittsreif, nicht irgendein Bundeskanzler. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)
Die Freiheitlichen sind die am wenigsten neutrale Partei in diesem Land. Ihr seid die Agenten einer ausländischen Macht. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)
11.19
Präsidentin Doris Bures: Jetzt liegt mir eine Wortmeldung zur Geschäftsordnung vor: Frau Abgeordnete Belakowitsch, bitte.
*****
Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Frau Präsidentin, Abgeordneter Michel Reimon hat hier wörtlich den Ausdruck verwendet: Wir sind Agenten einer ausländischen Militärmacht, die Freiheitliche Partei seien Agenten einer fremden militärischen Macht.
Das ist der Vorwurf eines Hochverrates. Ich würde Sie bitten, das auch mindestens mit einem Ordnungsruf zu bedenken. – Danke. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Matznetter.)
11.20
*****
Präsidentin Doris Bures: Gibt es eine weitere Wortmeldung zur Geschäftsbehandlung? – Das ist nicht der Fall. Dann werde ich darum ersuchen, diesen Punkt in der nächsten Präsidialkonferenz auf die Tagesordnung zu nehmen.
Nun ist dazu niemand mehr zu Wort gemeldet, daher schließe ich diese Debatte.
Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Verfassungsausschusses, seinen Bericht 2476 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.
Wer sich für die Kenntnisnahme ausspricht, den bitte ich um ein zustimmendes Zeichen. – Das ist einstimmig zur Kenntnis genommen.
Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über den Antrag 3952/A der Abgeordneten Lukas Hammer, Tanja Graf, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz geändert wird (2468 d.B.)
3. Punkt
Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über den Antrag 3951/A der Abgeordneten Lukas Hammer, Tanja Graf, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Energieeffizienzgesetz geändert wird (2469 d.B.)
Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir nun zu den Punkten 2 und 3 der heutigen Tagesordnung, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.
Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.
Erster Redner: Herr Abgeordneter Alois Schroll. – Bitte.
11.21
Abgeordneter Alois Schroll (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuhörerinnen und Zuhörer! Vorweg ist es mir ein großes Anliegen und eine Freude, liebe Freunde von der SPÖ Persenbeug-Gottsdorf, angeführt von Bürgermeister Gerhard Leeb und der geschäftsführenden Gemeinderätin Monika Hebenstreit, euch hier im Hohen Haus herzlich willkommen zu heißen. (Beifall bei Abgeordneten von SPÖ, ÖVP, FPÖ, Grünen und NEOS.)
Ebenfalls ein großes Anliegen ist es mir, einen lieben Freund, den Vizepräsidenten des Österreichischen Kameradschaftsbundes Johann Glöckl, aus Ybbs an der Donau zu begrüßen. – Herzlich willkommen! (Beifall bei Abgeordneten von SPÖ, ÖVP, FPÖ, Grünen und NEOS.)
Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, man muss sich wirklich an den Kopf greifen. Wir stehen vor der größten Herausforderung unserer Zeit: dem Kampf gegen die Klimakrise, einem Krieg in Europa, einem Krieg im Nahen Osten, und vor allem haben wir eine Rekordteuerung hinter uns und nach wie vor vor uns, wir haben die höchste Inflation in Westeuropa. Viele Menschen sind in die Armut geschlittert, die Leute haben wie gesagt massive Probleme. In einer Zeit multipler Krisen wissen viele nicht mehr, wie sie über die Runden kommen sollen.
Eine Sache ist dabei allen Betroffenen klar: Die schwarz-grüne Bundesregierung wird nichts unternehmen, um die Situation im Land zu verbessern. Ich werde Ihnen das heute auch anhand von zwei Beispielen dokumentieren. Vor einigen Wochen hat mir eine ältere Dame aus Niederösterreich geschrieben, die den Wohnschirm der Bundesregierung beansprucht hat. Trotz Zuschusses wird sie sich die kommende Nachzahlung im Mai nicht leisten können, sie weiß nicht, ob sie die Stromrechnung und ihre Heizkosten bezahlen kann, sie weiß nicht einmal, ob sie im Mai noch ihre Wohnung wird behalten können. (Abg. Maurer: Hast sie hoffentlich auf den Wohnschirm verwiesen!)
Vor einem Monat war ich im neuen Eigenheim von jungen Familien, die ihre Heizkosten nicht mehr zahlen können. Die Höhe ihrer Rechnungen hat sich teilweise verdreifacht – verdreifacht! –, sie wissen nicht mehr, wie sie die Rechnungen zahlen sollen. In der heutigen Debatte präsentiert uns die Bundesregierung ihre Vorschläge, um die weiterhin viel zu hohen Preise zu senken. Was fällt dieser Bundesregierung ein? – Eine überflüssige Förderung für Unternehmen und, seit gestern auch eingebracht, für landwirtschaftliche Betriebe. Wem wird das helfen? (Abg. Lindinger: Es ist dazu da, dass es keine Verschlechterungen gibt!) Wem wird das helfen, die Stromrechnungen zu zahlen? (Beifall bei der SPÖ.) – Lieber Kollege, du brauchst dich nicht aufzuregen!
Liebe Damen und Herren, das passt ja wunderbar ins Bild dieser Regierung: Energiekonzerne machen Übergewinne, Überübergewinne, die Kundinnen und Kunden werden geschröpft. Also ihr alle, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, zahlt erhöhte Gas- und Stromrechnungen (Abg. Götze: Stromrechnungen nicht!), und damit nicht genug gibt es eine Reihe von ausstehenden Vorhaben der Regierung.
Frau Bundesministerin Gewessler, Sie scheitern mit dem Klimaplan und Klimaschutzgesetz an Ministerin Edtstadler – jeden Tag zu lesen. Die Grünen wollen einen Made-in-Europe-Bonus, ohne mit der ÖVP geredet zu haben, das Beschleunigungsgesetz liegt noch immer in der Schublade der Ministerin. Der Kanzler kommt nach zwei Jahren Energiekrise auf die Idee, dass man die Gasversorgung jetzt sicherstellen muss.
Man muss sich das wirklich einmal auf der Zunge zergehen lassen: Bundeskanzler Nehammer hat vor wenigen Tagen – in der APA zitiert – gesagt, wir müssen gerüstet sein, es kann eine Krise auf uns zukommen. – Ja wo um Gottes Himmels willen war denn der Herr Bundeskanzler die letzten zwei Jahre? (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)
Geschätzte Kolleginnen und Kollegen der ÖVP, ihr braucht nicht nervös zu werden, du kannst dich melden (in Richtung Abg. Lindinger), du kannst herauskommen.
Ich sage nur, die Deutschen haben sich für die kommende Gaskrise gerüstet. Deutschland hat sich gerüstet, die haben vorgesorgt, die haben in zwei Jahren neun LNG-Terminals gebaut, drei sind bereits in Betrieb, drei werden heuer noch in Betrieb gehen. Österreich hat es nicht einmal geschafft, in zwei Jahren 40 Kilometer Pipeline zu bauen, damit wir eine Sicherheit für die Gasversorgung haben. (Abg. Lindinger: Diese Bundesregierung hat dafür gesorgt, dass genug da ist!)
Die jüngsten Meldungen zeigen es ganz deutlich: Die Bundesregierung hat aufgehört zusammenzuarbeiten, die Grünen machen Ankündigungspolitik und rühren die Wahlkampftrommel, die ÖVP macht das, was sie am besten kann, nämlich blockieren.
Geschätzte Damen und Herren, weil die Bundesregierung bei der Abschöpfung der obszönen Übergewinne nichts zusammengebracht hat – der Verbund schreibt für das Jahr 2023 2,3 Milliarden Euro Übergewinne, die Sie alle, geschätzte Damen und Herren, bezahlt haben –, bringe ich folgenden Entschließungsantrag ein:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Alois Schroll, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Schluss mit den obszönen Übergewinnen – her mit leistbaren Preisen!“
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie und der Bundesminister für Finanzen, werden aufgefordert, folgende Sofortmaßnahmen gegen übermäßige Energiepreise und Übergewinne der Energiekonzerne umzusetzen:
- Eine entschlossene Regulierung des Energiemarkts, sodass Energiekonzerne keine Übergewinne machen, sondern die Energiepreise sich an den Produktionskosten orientieren;
- Die Einführung einer befristeten zielgerichteten Übergewinnbesteuerung für all jene Konzerne, die sich aufgrund der aktuellen Teuerung zu Lasten der Menschen in Österreich bereichert haben.“
*****
Stimmen Sie diesem Antrag zu! – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf bei der ÖVP.)
11.27
Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Alois Schroll,
Genossinnen und Genossen
betreffend Schluss mit den obszönen Übergewinnen – her mit leistbaren Preisen!
Eingebracht im Zuge der Debatte über Tagesordnungspunkt 3 Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über den Antrag 3951/A der Abgeordneten Lukas Hammer, Tanja Graf, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Energieeffizienzgesetz geändert wird (2469 d.B.)
Seit Oktober 2021 warnt die SPÖ vor den dramatischen Folgen steigender und nach wie vor anhaltend hoher Energiepreise für die Österreicherinnen und Österreicher sowie die hiesigen Unternehmen. Die österreichische Bundesregierung verweigert aber konsequent mit Markteingriffen die Preise zu senken und hält an ihrer gescheiterten Politik der Einmalzahlungen und des Nichtstuns fest.
Die weitgehend ungebremste Inflation, die ihren Ursprung im Energiesektor hatte, hat sich mittlerweile auf alle wesentlichen Sektoren ausgebreitet und stellt die österreichische Bevölkerung, aber auch die heimische Wirtschaft, vor immense Herausforderungen.
Im Energiesektor sprudeln nach wie vor die Übergewinne in bisher ungeahntem Ausmaß. Mittlerweile scheint es, als seien die Übergewinne den Energiekonzernen selbst schon peinlich. So verwies etwa die EVN darauf, dass sie lieber einen reduzierten Stromeinkaufspreis beim Verbund hätte, als die hohe Dividendenausschüttung 1.
Und diese Rekorderträge auf dem Rücken der Stromkund:innen werden noch weiter gehen, denn erst vergangene Woche präsentierte die VERBUND AG ihr Ergebnis für 2023: ein Rekordgewinn von 2.300 Mio. Euro! Die von den Regierungsparteien ÖVP und Grüne gefeierte „Gewinnabschöpfung“ betrug lediglich 95 Mio. Euro.
Anstatt die Energiekonzerne in die Pflicht zu nehmen, haben ÖVP und Grüne die Energieunternehmen beim Energieeffizienzgesetz sogar noch aus der Verantwortung entlassen.
Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden
Entschließungsantrag
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie und der Bundesminister für Finanzen, werden aufgefordert, folgende Sofortmaßnahmen gegen übermäßige Energiepreise und Übergewinne der Energiekonzerne umzusetzen:
- Eine entschlossene Regulierung des Energiemarkts, sodass Energiekonzerne keine Übergewinne machen, sondern die Energiepreise sich an den Produktionskosten orientieren;
- Die Einführung einer befristeten zielgerichteten Übergewinnbesteuerung für all jene Konzerne, die sich aufgrund der aktuellen Teuerung zu Lasten der Menschen in Österreich bereichert haben.“
1 https://energynewsmagazine.at/2022/05/30/verbund-dividende-sorgt-fuer-unmut/
*****
Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, steht daher auch mit in Verhandlung.
Nächster Redner: Herr Abgeordneter Lukas Hammer. – Bitte.
Abgeordneter Lukas Hammer (Grüne): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich zum Thema spreche, möchte ich schon noch auf den Redebeitrag des Kollegen Schroll und vor allem auf deinen Entschließungsantrag, über den ich mich wirklich nur wundern kann, eingehen.
Du schreibst in dem Entschließungsantrag, die Regierung hat Markteingriffe verweigert, um die Preise zu senken, und sie soll eine Übergewinnsteuer einführen. Lieber Kollege Schroll, wir haben eine Übergewinnsteuer eingeführt. (Beifall bei Abgeordneten von Grünen und ÖVP. – Abg. Schroll: Ja, ja, nur zu ...!) Wir haben sie verlängert. Wer hat dagegengestimmt? – Ihr habt dagegengestimmt. (Abg. Herr: Weil es zu wenig ist! – Abg. Matznetter: 150 Millionen sind lächerlich! – Abg. Schroll: Lächerlich ist das!)
Als ob das nicht schon eine Chuzpe wäre, geht euer Landeshauptmann im Burgenland – als er draufgekommen ist, oh, die Übergewinnsteuer betrifft ja auch Landesenergieversorgungsunternehmen wie die Energie Burgenland – zum Verfassungsgerichtshof, um die Übergewinnsteuer zu bekämpfen, die ihr fordert, die wir schon eingeführt haben. (Beifall bei Grünen und ÖVP.) Spürts ihr euch noch? Das gibt’s ja nicht! (Zwischenruf des Abg. Matznetter. – Abg. Schroll: Deswegen soll es ... geregelt werden!)
Der zweite Punkt in eurem Antrag: Wir sollen in die Preise eingreifen. – Wir haben in die Preise eingegriffen. Wir haben eine Stromkostenbremse eingeführt. Erzählt den Leuten nicht, dass die Leute so viel für ihren Strom zahlen, man zahlt 10 Cent, 10 Cent pro Kilowattstunde. (Abg. Schroll: Wer zahlt den Rest?)
Wenn du jetzt nachschaust: Die Kilowattstunde kostet bei Wien Energie für Neukunden 16 Cent, durch die Stromkostenbremse 10 Cent. Wie finanzieren wir die? – Durch die Übergewinnsteuer, zum Beispiel beim Verbund sind das 90 Millionen Euro – danke an die Energie Burgenland: 17,3 Millionen Euro –, und durch die Dividende. (Beifall bei den Grünen.)
Was ihr schon dazusagen müsst: Die meisten Energieversorger sind natürlich im Eigentum der öffentlichen Hand. Könnten die Landesregierungen da ein bisschen mehr tun, vielleicht ein bisschen mehr eingreifen? – Ja, könnten sie. (Zwischenruf des Abg. Matznetter.) Man muss aber schon dazusagen: Die Dividende beim Verbund machte letztes Jahr 650 Millionen Euro aus, das geht ins Budget und damit unterstützen wir den Wohnschirm und unterstützen die Stromkostenbremse. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Kassegger: Wer zahlt das alles?)
Es ist wirklich enttäuschend von einer ehemals staatstragenden Partei, dass ihr wie die FPÖ agiert, einfach die Leute verunsichert und Dinge, die getan wurden (Abg. Matznetter: Kann man sagen, dass die anderen schuld sind ...!), wider besseres Wissen ignoriert. Ich finde das eigentlich ungeheuerlich.
Aber zurück zum Thema: Wir besprechen heute das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz und das Bundes-Energieeffizienzgesetz, die wir novellieren. Da ist, wie wir heute schon in der Fragestunde gehört haben, unglaublich viel weitergegangen. Wir haben letztes Jahr den Rekordanteil von 87 Prozent Ökostrom in unserem Netz gehabt, und das ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass wir gerade eine solare Revolution erleben.
Wir haben hier im Haus gemeinsam mit der SPÖ das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz beschlossen, und es wirkt. Wir sehen: Diese Gesetze, die wir hier gemeinsam beschlossen haben, wirken.
Ich darf Ihnen das hier zeigen (eine Tafel mit der Aufschrift „Sonnenstrom in Österreich“ und einem Säulendiagramm, das die entsprechende Entwicklung in den letzten Jahren zeigt, in die Höhe haltend – Abg. Matznetter: Das schaut ... wie Schulden ...!): Das ist die Entwicklung der Sonnenenergie, das sind die Neuzuwächse bei den Fotovoltaikanlagen pro Jahr. Wir haben letztes Jahr zehnmal mehr installiert als noch 2018. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Wir sind letztes Jahr auf 2 Gigawatt gekommen. Damit können über 700 000 Haushalte mit Strom versorgt werden. (Abg. Matznetter: Wenn .... eingespeist werden können!) Wir haben letztes Jahr eine Leistung von 2,8 Gigawatt durch Fotovoltaik gefördert. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Matznetter.) Wir sehen: Da geht unglaublich viel weiter. Wir sind bei der Fotovoltaik sogar über dem Zielerreichungspfad (Ruf: 70 Prozent!), und das ist eine gute Nachricht.
Was wir aber gesehen haben: Da gibt es einen Boom. Wir haben da letztes Jahr 600 Millionen Euro an Investitionsförderung bereitgestellt. Da übersteigt die Masse das, was die Förderstelle, die Oemag, die sehr gute Arbeit leistet, bewältigen kann. Wir haben uns gemeinsam entschlossen, das entsprechend den Wünschen der Branche umzustellen. Wir haben die Mehrwertsteuer für Fotovoltaikanlagen und Speicher erlassen, auf null gesetzt.
Für eine kleine Gruppe von Unternehmen – nämlich für jene, die kleine Anlagen auf Dächern von Gebäuden montieren wollen, die sowohl gewerblich als auch privat genützt werden – stellen wir jetzt den früheren Zustand wieder her, nämlich dass auch sie eine Investitionsförderung bekommen können.
Das andere ist eine kleine Änderung des Bundes-Energieeffizienzgesetzes. Wir wissen, für Digitalisierung, künstliche Intelligenz et cetera braucht es sehr viel Strom. Es gibt immer mehr und immer größere Rechenzentren. Es wird
gerechnet, dass in diesem Bereich bereits 7 bis8 Prozent des weltweiten Stromverbrauchs konsumiert werden und 2 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verursacht werden.
Hier ist ein erster Schritt, den wir heute umsetzen, dass Betreiber:innen beziehungsweise Eigentümer:innen von diesen Rechenzentren in Österreich alle Daten melden müssen: Energieverbrauch, Energiebezug, wie viel Erneuerbare sie haben, damit wir überhaupt sozusagen das Know-how haben, um dann Maßnahmen setzen zu können.
Hätte ich noch mehr Redezeit, würde ich darauf eingehen, was wir im Bereich der Energieeffizienz alles gemacht haben. Ich erwähne vielleicht zwei Dinge: Wir haben den Sanierungsbonus verdreifacht. Das ist eine der besten Möglichkeiten, Geld und Energie zu sparen. Es gibt so viel Förderung wie noch nie, und zwar für alle, die sie brauchen, das ganze Jahr über. – Bitte holen Sie sich das ab! Das ist auch ein Beitrag zum Klimaschutz und zu unserer Unabhängigkeit von russischem Gas. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)
11.32
Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Axel Kassegger. – Bitte.
Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (FPÖ): Die zwei kleinen Gesetzesänderungen, um die es hier geht, sind in Wahrheit eine Reparatur eines Pfusches, würde Kollege Matznetter sagen (Zwischenruf des Abg. Matznetter), im Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz: Dort hat man übersehen, dass man da in eine Doppelförderungsfalle hineinläuft. Man hätte halt doch auf die Opposition hören müssen. Das wird jetzt repariert. Da sind wir auch dafür.
Das Zweite ist, wie Kollege Lukas Hammer schon angesprochen hat, eine Änderung des Bundes-Energieeffizienzgesetzes, wonach jetzt auch
Rechenzentren in diesen Wust an Berichts- und Dokumentationspflichten miteinbezogen werden.
Wir waren schon beim ursprünglichen Bundes-Energieeffizienzgesetz nicht dabei, weil wir der Meinung sind, dass sich Effizienz aus dem Wirtschaften eines freien, selbstbestimmten Menschen, eines Unternehmers ergibt, daraus, dass er rechnen kann und dass er selbst eine gute Relation zwischen Input und Output herstellen kann; und wir sind der Meinung, dass es nicht notwendig ist, dass eine Frau Ministerin oder eine Frau Kommissionspräsidentin dem Unternehmer per Gesetz und Direktive vorschreibt, wie er effizient zu sein hat. – Das zum Grundsätzlichen. (Beifall bei der FPÖ.)
Ich bin eigentlich eh schon darauf eingegangen, aber ich möchte jetzt noch zwei Sätze zum Thema Übergewinnbesteuerung sagen: Kollege Schroll war dagegen und Kollege Hammer versteht das nicht. Kollege Schroll war deshalb dagegen, weil ihm das noch viel zu wenig war, was Sie an Übergewinnsteuern vorgeschlagen haben. Da muss ich sagen: Wir Freiheitliche sind da vollkommen anderer Meinung. Wir lehnen die Übergewinnsteuer grundsätzlich ab, und ich werde Ihnen auch erzählen, warum.
Es hat sich ja aus Ihrer Diskussion schon ergeben: Da geht es letztlich doch nur darum, das Geld im Kreis zu schicken – Sie haben es eh dargestellt –: Und wer profitiert am Ende? – Ob auf dem Taferl Gewinnausschüttung, Dividende, Körperschaftsteuer, KESt oder Übergewinnsteuer draufsteht, ist letztlich egal; es profitieren jedenfalls der Herr Finanzminister, der Moloch Staat (Abg. Lukas Hammer: „Der Moloch Staat“!) und die Landesfürsten. Das interessiert mich nicht! Mich interessiert: Wer zahlt das?
Sie interessiert das offensichtlich nicht, aber das zahlt der berühmte Endverbraucher: Das sind unsere Bürger, das sind wir (Ruf: Deine Kunden!), das sind die Unternehmen. Das heißt, da sollten Sie ansetzen, dass die endlich einmal weniger zahlen. (Beifall bei der FPÖ.) Da sollten Sie auch strukturell ansetzen. Da passiert nämlich überhaupt nichts.
Unser österreichischer Energiemarkt ist ein Oligopol von Energieunternehmen, die sich das wechselseitig ausmachen. Natürlich, da ist die rote Burgenland Energie und da ist die schwarze EVN, was auch immer. Die mauscheln sich das aus, die Schwarzen und die Roten, und da geschieht überhaupt nichts. Lesen Sie den Bericht der Bundeswettbewerbsbehörde! – Das meine ich, wenn ich sage, dass man das Problem an der Ursache packen muss.
Dazu sind Sie nicht in der Lage. Sie betreiben Symptombekämpfung um teures Geld, das Sie nicht haben und das Sie – und da bin ich bei gestern – den Bürgern aus der Tasche ziehen. Wir haben Steuereinnahmen ohne Ende, so hoch wie noch nie. (Ruf: Übergewinn! – Abg. Voglauer: ..., das haben wir gestern schon besprochen, Axel! – Ruf bei den Grünen: Genau!) Mit so einer Politik können Sie doch nicht weitermachen! Wir haben Schulden in Milliardenhöhe! (Zwischenruf des Abg. Matznetter.) Geld ist abgeschafft: dort eine Förderung, dort eine Förderung – das führt zu Fehlallokationen ohne Ende. (Ruf bei den Grünen: EVN ...! – Abg. Schroll: EVN forscht in Niederösterreich!)
Kollege Lukas Hammer, das ist an sich in Ordnung, dass der Ausbau der Fotovoltaik so gut funktioniert (Zwischenruf des Abg. Matznetter – Ruf bei der ÖVP: Sie haben die Grazer ... nicht erwähnt, oder?), und du weißt, wir waren bei diesen Dingen nicht dagegen. Ich kann mich noch erinnern: In der letzten GP hat es ein Extrapaket von 36 Millionen Euro für die Fotovoltaik gegeben, auf unsere Initiative; die Abschaffung oder das Nichteinheben der Umsatzsteuer ist in Wahrheit unsere Initiative. (Ruf bei den Grünen: Das ist mir neu!)
Aber Sie müssen das systemisch denken. Sie kommen ja nicht zurecht, der Netzausbau hängt Lichtjahre hintennach. Kollege Matznetter hat vollkommen richtig angemerkt: Das ist schön und gut, dass wir das jetzt produzieren können, aber das wird ja nicht ans Netz angeschlossen. Das ist auch eine ökonomische Ineffizienz der Extraklasse.
Und wenn wir beim ElWOG sind: Da wird jetzt diskutiert, dass die Netzbetreiber die Einspeiser auf 70 Prozent, bei Wind sogar auf 80 Prozent runterdrehen
dürfen, die Wasserkraft komischerweise nicht. Wo ist denn da die sachlogische Argumentation dafür? (Abg. Schnabel: Weil es volatil ist!) Also Sie haben das nicht im Griff, weil Sie dieses energiepolitische Dreieck nicht im Griff haben, das ich für die Freiheitliche Partei als Energiesprecher und Wirtschaftssprecher seit Jahren predige.
Wir sind nicht gegen den Ausbau der Erneuerbaren (Abg. Schnabel: Aber dafür auch nicht!), aber das muss bitte in einer Balance sein mit den anderen Zielen, die Sie völlig vergessen. (Ruf bei den Grünen: Außer es ist Windkraft!) Ausbau der Erneuerbaren: ja, aber vergessen Sie die Versorgungssicherheit und die Netzstabilität nicht – das tun Sie! Und vergessen Sie bitte auch die Wirtschaftlichkeit und Leistbarkeit nicht! Das muss irgendjemand zahlen. Auch das vergessen Sie. Das ist Ihnen vollkommen wurscht. Sie sagen nur: Ausbau, Ausbau, Ausbau!, aber Sie vergessen die Netze!
Darum sagen wir: Ausbau der Erneuerbaren: ja, aber doch mit dem prioritären Ziel, die Resilienz, Unabhängigkeit und Selbstversorgungsfähigkeit der Republik Österreich im Bereich Energie sicherzustellen. (Beifall bei der FPÖ.)
Auch da versagen Sie: Sie sind gegen jedes Wasserkraftwerk wegen dem Floh XY, Sie sind gegen die Exploration von Gasvorkommen, die wir haben, indem Sie sagen: Gas ist sowieso das Allerfurchtbarste und Böseste! – Ist es nicht. Es ist eine Brückentechnologie, die uns im Umstieg auf die Erneuerbaren hilft, aber nicht übermorgen, sondern das ist ein Projekt mit Maß und Ziel, das jahrelang, generationenlang dauert. Na und? Wir haben die Zeit! Das muss man mit Maß und Ziel machen. Sie hingegen machen es vollkommen überschießend.
Sie sagen: Wir wollen unabhängig vom russischen Pipelinegas werden!, und dann erzählen Sie die Geschichte so, also ob der böse Russe Putin uns jetzt erpresst. In Wahrheit sitzt der ukrainische Energieminister dort und sagt: Ich leite das Gas, ich sorge dafür, dass das Gas nicht mehr durchgeleitet wird!
Da würde ich mir von Ihnen erwarten – wir sind da, glaube ich, zum Beispiel bei der OMV beteiligt (Zwischenruf des Abg. Matznetter) –, dass man da einmal in die Gänge kommt und diese Gefahr erkennt. Das ist am 1.1.2025, da machen Sie überhaupt nichts. Sie sitzen da, schauen auf den Boden und sagen: Wird schon irgendwie gehen! – Nein, es wird nicht gehen! Wenn der ukrainische Minister seine Drohung wahrmacht, dann explodieren natürlich wieder die Preise, das erkennt doch jedes Kind. Und Sie machen nichts, und das ist nicht verantwortungsvoll, Frau Bundesminister!
Das ist der Energieminister der Ukraine, jenes Staates, dem Sie und Frau von der Leyen, ÖVP, Europäische Union, wer auch immer, mittlerweile 50 Milliarden Euro aus unserem Steuergeld rüberschieben (Ruf bei der SPÖ: Eine Täter-Opfer-Umkehr!), ohne irgendwelche Bedingungen. Vielleicht wäre es einmal an der Zeit, zu sagen: Wenn ihr das macht, dann kriegt ihr kein Geld mehr von uns! Das wäre systemisch denkende, verantwortungsvolle Politik (Abg. Voglauer: Ja, so denken Putin-Freunde!) im Sinne der Österreicher (Abg. Lukas Hammer: Im Sinne Russlands!) und nicht irgendwelcher Russen und Ukrainer. Das interessiert mich nicht! Mich interessieren die Österreicher! (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Voglauer: Doch, Putin interessiert Sie schon, vor allem in der Steiermark!) Sie machen eine Politik, die die Wirtschaft und damit den Wohlstand und die Arbeitsplätze der Europäer, vor allem der Deutschen und der Österreicher, dramatisch gefährdet. Sie werden es sehen, wir werden das leider in den nächsten Monaten zu spüren bekommen. Die Wirtschaftsdaten köpfeln, und das ist Ihnen egal. Es ist Ihnen alles egal, außer Klimapolitik – das ist das Wichtigste!
Ich zitiere jetzt noch einmal Herrn Knill von der Industriellenvereinigung – das ist kein Freiheitlicher (Rufe bei SPÖ und Grünen: Na ja!) –, der appelliert an Sie, an die ÖVP.
Wachen Sie bitte auf und sagen Sie es bitte Frau von der Leyen weiter. Ein Vielfaches von diesem Blödsinn kommt nämlich von Frau von der Leyen. Erzählen Sie den Menschen nicht die Geschichte: Ja, die Frau Minister Gewessler fährt ihr Programm – das ist ja absolut in Ordnung, das ist ihr Programm, das ist
überhaupt nicht das Programm der Freiheitlichen –, und wir müssen da mit. Das stimmt ja nicht! Das Wesentliche dieser energiepolitischen Wahnsinnigkeiten steht nämlich im Green Deal der Europäischen Union. Wessen Kind, wessen Baby ist das? – Das ist das Baby der Frau Ursula von der Leyen von der CDU, der Schwesterpartei der ÖVP. Und Sie sagen jetzt: Ursula von der Leyen, das ist unsere Kandidatin für die Position der Kommissionspräsidentin, wir unterstützen sie vollkommen! Sie stehen also genauso hinter dieser Energiepolitik. Verstecken Sie sich nicht hinter Frau Bundesminister Gewessler! Das kommt von Ihnen und von Frau von der Leyen.
Hören Sie bitte auf Herrn Knill, den Präsidenten der Industriellenvereinigung – das ist die Stimme der Wirtschaft –, der da ziemlich deutlich wird. Ich zitiere nur: „In den USA verfolgt man Wirtschaftsinteressen, in Europa wurden Klimaschutzinteressen stark in den Vordergrund gestellt.“
Das heißt, die europäische Wirtschaft wird irgendwann brutal in die Knie gehen. Da geht es um Arbeitsplätze, da geht es um Lebenssicherheit, da geht es um Einkommensmöglichkeiten. Da geht es darum, dass unsere Menschen sich selbst ernähren können, einen Job haben. Das entspricht unserem freiheitlichen Menschenbild. Da wird nicht von oben irgendetwas angeschafft, etwa mit einer totalen Planwirtschaft, wie das von Ursula von der Leyen von Ihrer Schwesterpartei gemacht wird. (Abg. Maurer: Meine Güte! – Abg. Lukas Hammer: Ist uns auch schon aufgefallen!)
Wachen Sie bitte auf! – Und an die Menschen da draußen: Ihr habt am 9. Juni die Gelegenheit, eine Wende herbeizuführen!
Ich glaube nicht, dass Sie aufwachen, Sie fahren da weiter, Sie glauben, Sie können sich da wegducken und die Schuld auf andere schieben oder was auch immer. Das ist nicht so, Sie sind in der Hauptverantwortung. Wachen Sie auf!
An die Menschen draußen das Angebot: Am 9. Juni ist Europawahl und im September Nationalratswahl. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ. – Die
Abgeordneten Hörl und Schnabel: ÖVP! ÖVP! – Ruf bei der ÖVP: ÖVP hast du vergessen!)
11.42
Präsidentin Doris Bures: Bevor ich Frau Abgeordneter Graf das Wort erteile, möchte ich noch einmal auf die Geschäftsordnungswortmeldung zurückkommen.
Ich habe mir in der Zwischenzeit das Stenographische Protokoll bringen lassen. Ich bleibe jedenfalls dabei: Ich ersuche, dass wir das auf die Tagesordnung der Präsidialkonferenz nehmen.
Aus dem Protokoll ist ersichtlich, Herr Abgeordneter Reimon, dass Sie dezidiert gesagt haben: „Ihr seid [...] die Agenten einer ausländischen militärischen Macht“. Dafür erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf.
Ich ersuche, dass wir im weiteren Verlauf der Diskussion trotz unterschiedlicher Standpunkte wieder zu einer Mäßigung in der Ausdrucksweise kommen. (Beifall bei der FPÖ sowie der Abg. Krisper.)
*****
Präsidentin Doris Bures: Frau Abgeordnete Graf, Sie gelangen zu Wort. – Bitte.
Abgeordnete Tanja Graf (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzte Ministerin! Ich würde sagen, das war jetzt eine Werbeeinschaltung von Herrn Kassegger zur EU-Wahl und zur kommenden Nationalratswahl. Wenn Sie für die starke Mitte sind, dann würde ich empfehlen, dass Sie sich für die ÖVP entscheiden. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Matznetter: ... gesagt, die ÖVP sei
Mittelmaß, Frau Kollegin? Das stimmt ja nicht! – Abg. Krainer: Die ÖVP ist deutlich unter Mittelmaß! Ein Minderleister! Ich glaube, das ist wissenschaftlich bestätigt!)
Wir haben ja schon gehört, dass wir nun zwei Anträge behandeln. Ich möchte jetzt wieder auf den nationalen Bereich zu sprechen kommen. Wir haben hier zwei Anträge vorliegen, die wir behandeln. Beim einen, das hat Kollege Hammer schon gesagt, geht es darum, dass Rechenzentren in das Energieeffizienzgesetz einbezogen werden, sie werden nämlich von der EU-Richtlinie erfasst. Wir reden von ungefähr 50 Rechenzentren in Österreich, die das betrifft. Das sind kleinere Anpassungen, die gut und richtig sind und die wir auch unterstützen werden.
Beim zweiten Antrag geht es um eine Korrektur im Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz. In dem Bereich möchten wir auf alle Fälle, dass Betriebe weiterhin einen Antrag nach dem EAG stellen können, und das wird mit diesem Antrag klargestellt. Wir haben klar festgelegt, dass wir 2024 bis 2026 die privaten Haushalte, die privaten Menschen in Österreich dahin gehend unterstützen wollen, dass sie keinen Antrag mehr stellen müssen, es unbürokratischer wird und sie automatisch von der Mehrwertsteuer befreit werden. Dieses Ziel haben wir erst im November per Gesetz beschlossen. Wir haben zeitgleich im EAG dafür Sorge getragen, dass es zu keiner Doppelförderung kommt. Die zwei Gesetze sprechen natürlich auch untereinander.
Weil auch erwähnt worden ist, dass Herr Matznetter gesagt hat, es sei ein Husch-Pfusch-Gesetz: Wenn es ein Husch-Pfusch-Gesetz ist, stelle ich mir die Frage, warum die SPÖ im Dezember dem EAG zugestimmt hat, wohl wissend, dass es ein Husch-Pfusch-Gesetz und nicht korrekt ist? Man kann schon auch die Frage stellen: Hat die SPÖ das bewusst gemacht, dass sie zugestimmt hat, in der Annahme, dass sie die Betriebe gar nicht unterstützen will? Will sie nicht, dass die Betriebe weiterhin nach dem EAG eine Förderung bekommen? (Abg. Krainer: Wollen Sie jetzt von Ihrer Minderleistung ablenken?) Das ist nämlich die Frage, die man stellen sollte. (Abg. Krainer: Das ist aber schon sehr peinlich!)
Sie stimmen dem Antrag jetzt nicht zu, Sie gehen einen Weg, dank dem der kleine Bäcker neben dem Häuselbauer (Abg. Schroll: Jetzt mehr kriegt als der Häuselbauer!) keine Förderung mehr bekommt. (Abg. Michael Hammer: Genau! – Abg. Schroll: Doppelt! – Abg. Lindinger: Stimmt gar nicht! Ihr müsst das Gesetz einmal lesen!) Dem würden Sie nicht zustimmen? Sie würden nicht sagen, der kleine Bäcker neben dem Häuselbauer soll auch eine Förderung bekommen?
Ihre Aussage im Ausschuss, Kollege Schroll, war: Der Häuselbauer wird gegenüber einem Betrieb benachteiligt! Ich sage Ihnen, der Häuselbauer hat einen Vorteil, er braucht keinen Antrag mehr zu stellen, er kriegt automatisch 20 Prozent Mehrwertsteuer erlassen. (Abg. Schroll: Tanja, es gibt bessere und bessere bei euch!) Der Bäcker, der vom Haus nebenan die Semmeln liefert, der kleine Bäcker, soll jetzt einen Nachteil haben und bei den Förderungen komplett durchfallen? – Das kann ich mir in meiner Welt nicht vorstellen. (Abg. Schroll: Nein, der kriegt dasselbe wie der Häuselbauer! Er kriegt dasselbe wie der Häuselbauer! – Abg. Lindinger: Ihr wollt sie schlechter stellen! – Abg. Schroll: Nein! – Abg. Lindinger: Sicher!)
Wir sind die KMU-Vertreter und wir unterstützen auch die Mitte. Die SPÖ zeigt damit eines ganz klar: Sie unterstützen keine KMUs, Sie unterstützen auch keine Arbeitnehmer. Ein KMU hat Lehrlinge, ein KMU hat drei bis fünf Arbeitnehmer – die unterstützen Sie alle nicht. Sie schaffen eine Neidgesellschaft, und das unterstützen wir nicht. (Beifall bei der ÖVP.)
Wenn Sie uns klarmachen wollen, dass es da Ungerechtigkeiten gibt, dann verstehe ich Ihren Weg nicht. Ich verstehe nicht, warum Sie diesen Antrag jetzt nicht – zur Klarstellung – mitunterstützen. Die KMUs sind die Stütze Österreichs, unseres Staates, von uns allen. Wir haben 90 Prozent KMUs, Herr Kollege – und die wollen Sie nicht unterstützen? (Abg. Schroll: Und was ist mit den Leuten?) – Die bekommen die Mehrwertsteuerbefreiung. (Abg. Schroll: Die kriegen es nur einmal, und die Betriebe kriegen es zweimal! – Abg. Lindinger: Stimmt ja gar nicht! ... ein Durchlaufposten!) Jeder Häuselbauer hat es davor genauso bekommen. (Abg. Schroll: Nein, die haben es nur einmal gekriegt!) – Die haben davor einen
Antrag stellen müssen, was sehr bürokratisch war, und das haben wir abgestellt. Was Sie sagen, ist: Der Bäcker neben dem Häuselbauer soll – in der Wahrnehmung der SPÖ – in Zukunft keine Fotovoltaik mehr bekommen! Das unterstützen wir aber nicht. (Beifall bei der ÖVP.)
Zu deiner Aussage von wegen Energie und dergleichen: Ich kann jetzt wieder alles aufzählen, was wir gemacht haben: Energiekostenzuschuss, Heizkostenzuschuss, Fotovoltaikausbau. Wir haben mehr Geld in die Hand genommen für den Umbau auf Erneuerbare, wir haben mehr Geld in die Hand genommen, um damit die Menschen zu unterstützen. (Abg. Schroll: Darum haben wir die höchste Inflation und die höchsten Energiepreise! – Abg. Lindinger: Blödsinn!)
Vielleicht kann sich euer Landeshauptmann im Burgenland ein Beispiel an unserem Vorarlberger Landeshauptmann nehmen. Wenn ich mir die Illwerke anschaue, die derzeit einen Strompreis für Endkunden von 9,2 Cent haben, dann frage ich mich, was die SPÖ bei ihren Landeshauptleuten generell so zum Sagen hat. Sie sind gegen KMUs, Sie sind gegen die Unternehmer und gegen die Privaten, wenn Sie es nicht unterstützen, dass die Preise gesenkt werden! – Danke. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Schroll: Die Kollegin wird es aufklären!)
11.48
Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Karin Doppelbauer. – Bitte.
Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Man sieht, wir sind im Wahlkampfgeplänkel angelangt, hier werden sehr viele Nachrichten ausgetauscht. Um zur Sache zurückzukommen: Es geht hier heute darum, dass ein Gesetz verabschiedet wurde, das jetzt, glaube ich, zum fünften Mal repariert wird, weil: Im Augenblick kommen immer wieder Initiativanträge, Husch-Pfusch-Gesetze, und das funktioniert halt nicht; so wie heute, Kollegin Graf hat es gerade ganz richtig gesagt, dass
KMUs auch in den Genuss der Investitionsförderung kommen sollen, damit diese auch Vergünstigungen bei den PV-Modulen bekommen.
Was die SPÖ im Ausschuss nicht verstanden hat, ist, wie das mit dem Vorsteuerabzug funktioniert. (Abg. Tanja Graf: Genau, das hat sie nicht verstanden!) Offenbar wurde das nicht wirklich verstanden und deswegen wurde dagegen argumentiert. (Abg. Schroll: Haben wir schon verstanden, Karin!) Natürlich hat Kollegin Graf recht, indem sie sagt, dass die KMUs einfach auch in den Genuss dieser Förderung kommen sollten.
Warum wir dagegen sind, hat ein bissl einen anderen Grund. Der Grund ist vor allem der, dass wir sagen, Umsatzsteuerbefreiungen, die, ja, leichter administrierbar sind, sind einfach der falsche Weg. Warum? – Weil wir aus der letzten Zeit – oder eigentlich aus den letzten Jahrzehnten – wissen, dass Umsatzsteuerbefreiungen nicht mehr als ein schönes Konzept sind. Das hört sich wahnsinnig gut an. Dann nimmt man halt die Umsatzsteuer runter – und was machen die Unternehmen? – Sie geben das am Anfang vielleicht ein bisschen weiter, und nach zwei, drei, vier Jahren ist das alles weg. Die Effekte verpuffen: volkswirtschaftlich oft geprüft und nachgewiesen. Deswegen ist das aus unserer Sicht einfach ein falsches Instrument, das da generell angewendet wurde, weshalb wir auch generell gegen die Umsatzsteuerbefreiung von PV-Modulen argumentiert haben.
Der nächste Punkt, der hier natürlich gleichfalls immer wieder erwähnt werden muss, ist – und Sie, Frau Bundesministerin, haben es ja selber auch gesagt –: Wir haben eigentlich nicht mehr das Problem mit den PV-Modulen. Ich glaube, alle Menschen, die irgendwie können, setzen sich diese Dinger aufs Dach. Die Preise sind gesunken, alle Lager sind voll – nicht nur in Österreich, sondern in ganz Europa –, das heißt, es braucht aus unserer Sicht wirklich nicht mehr diese großen Förderungen für die PV-Anlagen selber. Was aus unserer Sicht wichtig gewesen wäre, ist, dass man vielleicht über Speichermodule nachdenkt – was man diesbezüglich machen kann – beziehungsweise natürlich und zuallererst über den Ausbau der Netze, denn es ist ja doch auch so, dass die
meisten Menschen – so wie ich persönlich – inzwischen ein halbes Jahr auf einen Netzanschluss warten, damit sie auch einspeisen können, wenn man denn dann die PV-Anlage am Dach hat.
Über die Qualität des Gesetzes haben wir schon gesprochen. Gestern am Abend – um 19.03 Uhr, wenn ich mich recht entsinne – kam der nächste Abänderungsantrag zu diesem unglaublich großartig gemachten Paket dazu; das war die fünfte Novellierung seit Dezember. Das ist so, wenn man Gesetze immer ohne Begutachtung macht und sie dann einfach irgendwo in den Prozess hineinschmeißt, dann stimmt die Qualität halt nicht – und das ist in Wahrheit ein Kernproblem dieser Bundesregierung. (Beifall bei den NEOS.)
Die Aufgabe dieses Haus wäre nämlich wirklich, Rahmenbedingungen zu schaffen und Rechtssicherheit zu schaffen, und genau mit diesem Hin und Her und Hop und Hü und noch mal was dazu passiert das einfach nicht, und das ist wirklich sehr, sehr schade, vor allem für die Unternehmerinnen und Unternehmer in diesem Land.
Dann noch ein Satz zum Bundes-Energieeffizienzgesetz: Worum geht es da? – Da geht es um Rechenzentren. Das ist eine Verordnung der Europäischen Union, also eigentlich nur deren Umsetzung in Österreich, mit der man Rechenzentren auffordert, dass sie jetzt sehr viele Informationen zum Thema Energieverbrauch, Stromnutzung, Temperatursollwerte, Abwärmenutzung und, und, und liefern müssen.
Wir haben uns das angeschaut: Jetzt ist das auf der einen Seite natürlich nur eine Umsetzung, auf der anderen Seite glauben wir, dass es durchaus eine überbordende Umsetzung ist, also wieder einmal ein Gold Plating beim Bürokratismus, der in Österreich für Datenzentren, Rechenzentren geschaffen wird.
Datacenter sind das Backbone der Digitalisierung, der Innovation im Wirtschaftsbereich, der Kommunikation, die wir alle so notwendig brauchen, und da
wieder ein überbordendes Bürokratismuswerk hinzulegen und die Datacenter wieder damit zu belasten – wir haben eh nicht so viele in Österreich –, ist aus unserer Sicht eben auch der falsche Weg. Deswegen – in diesem Sinne – gibt es auch keine Zustimmung zu diesem Gesetz. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)
11.52
Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Martin Litschauer. – Bitte.
Abgeordneter Ing. Martin Litschauer (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ja, ich bin froh, dass wir das EAG beziehungsweise das ElWOG immer wieder auf der Tagesordnung haben, weil wir es an den Markt anpassen. Der bewegt sich, und da sind wir innovativ, weil wir uns regelmäßig an den Markt anpassen und genau diese Schritte nicht verpassen.
Frau Doppelbauer, wenn die Modulpreise sinken, dann ist das gut für den Ausbau der Energiewende (Zwischenruf der Abg. Doppelbauer), aber man muss trotzdem auf die Amortisationszeiten schauen, denn die Vergütungen, die man erwirtschaften kann, und die Strompreise in der Rechnung ändern sich halt auch. Ich hätte mir zumindest erwartet, dass man auf die Amortisationszeit und nicht nur auf die Investitionskosten schaut. (Beifall bei den Grünen. – Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Doppelbauer.)
Wir haben da einiges gemacht. Das Thema Netz wurde schon angesprochen. Wir müssen uns natürlich darum kümmern, dass die Netze ausgebaut werden, genauso müssen wir uns aber auch darum kümmern, die vorhandenen Netze entsprechend gut zu nutzen, denn es gibt genug Netze, die wir nutzen könnten. Zum Beispiel gibt es im Weinviertel Windkraftanlagen, neben die wir jederzeit Fotovoltaikanlagen bauen könnten, die man mit dem gleichen Trafo ohne Netzausbau sofort nutzen kann. Nur: Was erleben wir im
Weinviertel? – Die Freiheitliche Partei sagt: Neiiiiiin! Ja keine Fotovoltaik im Weinviertel! (Beifall bei den Grünen.) Nutzen wir die Trafos nicht! Bauen wir nichts! Lassen wir die Landwirte nichts verdienen, denn das ist ja böse, böse, und die Leute brauchen ja auch keinen billigen Strom!
Im Waldviertel kommt dann (Abg. Schroll: Wo ist denn der billig?) – ich erkläre es dann gleich – Kollege Waldhäusl und sagt: Neiiiiiin! Keine Windräder im Waldviertel! Bauen wir doch die Fotovoltaik, weil der Kollege im Weinviertel will sie ja nicht! Dort hätten wir einen 110-kV-Ring, der frei wäre, den wir nutzen könnten, aber den wollen die Freiheitlichen natürlich nicht nutzen, denn da könnten wir nämlich zu einem günstigen Strom kommen. (Abg. Kassegger: Da muss man aber mit der EVN vorher auch reden, ob der Ring angeschlossen wird! Tut den Ring vorher einmal anschließen! Du erzählst immer nur die halbe Geschichte!)
So wird in jeder Region in der Heimat die heimische Energie von den Freiheitlichen blockiert, denn egal, was gebaut wird: Ihr seid immer dagegen. Einmal ist es die Fotovoltaik, einmal ist es die Windkraft.
Was passiert aber, wenn man es gut macht, nämlich mit der heimischen Energie? – Das zeige ich euch jetzt, das könnte man im Burgenland nämlich auch machen: Wir haben im Waldviertel bei mir im Bezirk eine Pilotregion geschaffen (Abg. Schroll: Aber Burgenland ist überdimensional gut!), da wurde vor Kurzem über die Windkraftnutzung abgestimmt, und da wurden auch Windkraftwerke errichtet. Was ist jetzt der Benefit? – Wir haben in der Region für die Standortgemeinden eine Strompreisbremse durch den Projektbetreiber (der Redner hält eine Tafel in die Höhe, auf der unter anderem „11,90 ct/kWh exkl. USt ist ab heute 12. März 2024 gültig“ zu lesen ist): 11,9 Cent garantierter Maximalpreis bis 2034 (Beifall bei den Grünen) – bis 2034, ohne Indexanpassung, garantiert für jeden Privathaushalt (Abg. Schroll: Das sind die, die dann wieder ... sind!), für jede Gemeinde der Standortgemeinden (Abg. Kassegger: Die können wir dann im Insolvenzverfahren wieder sanieren!), weil die Projektwerber diese
Preise weitergeben. (Zwischenruf des Abg. Matznetter.) Warum passiert denn das im Burgenland oder in anderen Regionen nicht?
Das ist nicht einmal das Ende der Fahnenstange! 6 Prozent des Windkraftstromes kommen in die Energiegemeinschaften der Gemeinden, denn auch das wurde mit dem EAG geschaffen. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Matznetter.) Wir haben Energiegemeinschaften geschaffen, die regionalen Strom nutzen können und dann auch entsprechend günstig in der Region weitergeben können. (Abg. Kassegger: Aber die Netzbetreiber habt ihr nicht im Griff, weil ihr mit denen nicht redet!) Diese Energiegemeinschaften und diese Pilotprojekte brechen das Meritordersystem, und so schaffen wir nämlich die Meritorder indirekt ab (Abg. Schmidt: Ah, deswegen habt ihr es behalten! – Abg. Schroll: Deswegen haben wir es nicht abgeschafft!), was ihr (in Richtung FPÖ) immer wollt. Nur wenn wir es dann konkret in der Region machen, dann sind eure Kollegen genau gegen diese Projekte. Wenn wir Maximalpreise geschaffen haben, wenn wir niedrige Energiepreise schaffen, dann sind die Freiheitlichen dagegen. (Abg. Kassegger: Aber du kannst doch nicht bis 2038 einen Garantiepreis machen!)
Daran werden wir arbeiten, da lassen wir uns nicht bremsen. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Kollross – in Richtung des sich zu seinem Sitzplatz begebenden Abg. Litschauer –: ... Ankündigung! – Abg. Litschauer: Das ist keine Ankündigung, das ist eine garantierte Zusage!)
11.56
Präsidentin Doris Bures: Nun ist Frau Bundesministerin Gewessler zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Ministerin.
Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Werte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher im Hohen Haus! (Abg. Litschauer steht in den Bankreihen der SPÖ und diskutiert lautstark mit den Abgeordneten Matznetter und Kollross.) Ich freue mich immer, wenn der
Erneuerbarenausbau mit viel Energie und Verve diskutiert wird, aber ich glaube, wir alle sollten einfach schlicht und ergreifend anerkennen: Wir haben gemeinsam im Erneuerbarenausbau in den letzten Jahren – Abgeordneter Hammer hat vorhin die Grafik hergezeigt – wirklich enorme Schritte gemacht.
Wir haben mit dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz die notwendigen bundesgesetzlichen Rahmenbedingungen für die Energiewende geschaffen, und gerade bei der Fotovoltaik brechen wir einen Rekord nach dem anderen. (Abg. Kassegger: Ja, aber nur bei der! Nur bei der, sonst Flaute!) Wir haben in den letzten zwei Jahren fast 900 Millionen Euro an Fördermitteln bereitgestellt, damit über 200 000 Förderverträge ausgestellt und über 3 Gigawatt an zusätzlicher Leistung gebaut.
Es ist noch nicht lange her, da konnten wir uns nicht vorstellen, überhaupt 1 Gigawatt pro Jahr zu schaffen; diesen Rekord haben wir 2022 geknackt. 2023 haben wir ihn pulverisiert, indem wir den Ausbau verdoppelt haben. Also wir sehen einfach, das geht in großen, großen, großen Schritten weiter, und das ist gut, und damit dürfen wir alle miteinander auch einmal zufrieden sein. (Beifall bei den Grünen sowie der Abgeordneten Bogner-Strauß und Steinacker.)
Natürlich sehen wir Folgendes, liebe Kollegin Doppelbauer, und ich kann mich erinnern, als wir das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz beschlossen haben – ich bin hier gestanden oder im Ausschuss, also in einem der beiden –, habe ich gesagt: Mir ist völlig klar, wir werden das Gesetz novellieren. Das ist inhärent und notwendig, weil wir eben ein sich rasch vollständig änderndes Marktumfeld haben, weil sich die Bedingungen verändern.
Deswegen haben wir ja letztes Jahr nachgesteuert: Für Private gilt jetzt die Grenze bis 35 kW Peak, wir müssen nicht mehr 160 000 Förderanträge im Jahr schaffen, und Private müssen keinen Förderantrag mehr stellen, mit allem, was dazugehört, sondern null Umsatzsteuer, null Bürokratie. Damit machen wir die Förderung noch einfacher, und vor allem haben wir parallel dazu, das
haben wir auch im Ausschuss einmal diskutiert, auch die Befugnisse der Bundeswettbewerbsbehörde ausgebaut und machen ein Monitoring, damit das eben auch wirklich ankommt. Aber null Umsatzsteuer, null Bürokratie, das macht das Leben beim Fotovoltaikausbau für ganz viele Menschen in unserem Land wirklich, wirklich deutlich einfacher. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Damit es zu keiner Doppelförderung kommt – das war ja der Ursprung der Dezembernovelle –, haben wir das EAG entsprechend angepasst. Wer auf der Rechnung einen Nullsteuersatz hat, wurde somit von der Förderung ausgeschlossen. Nun gibt es allerdings – Abgeordnete Graf hat es zitiert – Betriebe – der Bäcker in der Erdgeschoßzone eines Wohngebäudes, der Mechaniker in der Erdgeschoßzone in der Stadt –, die mit dieser Novelle gegenüber anderen Betrieben schlechtergestellt werden würden, schlechter gestellt, als sie es noch im Jahr 2023 waren
Die vorliegende, von Ihnen heute abzustimmende Gesetzesnovelle soll also gewährleisten, dass diese Betriebe wie bisher eine Förderung erhalten, wenn sie eine PV-Anlage errichten, und damit eben nicht gegenüber anderen Unternehmen schlechtergestellt werden. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Eines noch, weil sowohl von Abgeordnetem Kassegger als auch in der hitzigen Debatte davor oft das Thema der Netze angesprochen wurde: Selbstverständlich haben wir beim Erneuerbarenausbau eine Vielzahl von Maßnahmen vorgesehen; nicht nur den Ausbau, Herr Kassegger. Auf Ihre Frage von vorhin: Es geht nicht nur um den Ausbau, es geht natürlich genauso um die Netze, um eine Flexibilisierung, um die Speicher – all das sind Themen, die heute hier gefallen sind. (Abg. Kassegger: Deswegen zahlen die die doppelten Netzgebühren!) Frau Abgeordnete Doppelbauer: Speicher fördern wir im Klimafonds – sowohl kleine als auch große Speicher – mit einem Rekordbudget, auch dieses Jahr.
Zu den Netzen: Wir haben in dieser Bundesregierung das erste Mal überhaupt in unserem Land einen integrierten Netzinfrastrukturplan gemacht, den Önip, das habe ich vorhin in der Fragestunde schon beantwortet. Es wird sich nicht mehr vor Ostern ausgehen, aber er ist in der Finalisierung, und wir werden ihn präsentieren. Wir gehen mit dem ElWG – und deswegen wirklich eine Einladung (Abg. Kassegger: Zwei Jahre zu spät!), sich dieses Gesetz intensiv anzuschauen (Abg. Kassegger: Zwei Jahre zu spät!) – genau dorthin: smarte, effiziente Nutzung der Netze und Ausbau. Wir geben den Netzbetreibern auch die Tools für den Ausbau in die Hand. Die Branche braucht dieses Gesetz dringend, also spreche ich eine große Einladung an alle Parteien hier im Haus aus, sich mit diesem Gesetz intensiv auseinanderzusetzen. (Abg. Schroll: Das verhindert der Koalitionspartner!) Ich arbeite mit Hochdruck daran, dass es bald bei Ihnen zur Verhandlung ist. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Schroll: Der Koalitionspartner verhindert das!)
Ein letzter Punkt, der mir noch wichtig ist, zum Energieeffizienzgesetz – weil Abgeordnete Doppelbauer meinte, es sei reiner „Bürokratismus“. Ich möchte deswegen noch einmal kurz erklären, warum wir das machen und warum diese Vorlage von der europäischen Ebene kommt.
Ich war – ich habe das Beispiel in der Ausschusssitzung erzählt – vor wenigen Wochen in der Klinik Floridsdorf. Die Wärme für das gesamte Krankenhaus wird dort aus der Abwärme des Rechenzentrums nebenan gewonnen. Die Abwärme wird mit einer Großwärmepumpe auf die notwendige Temperatur gehoben. Das ist eine Win-win-Situation für alle: Das Rechenzentrum muss kühlen, die Klinik muss heizen – und wir nutzen Abwärme, die im Rechenzentrum sowieso entsteht.
Das ist der Hintergedanke dieses Gesetzes, dieser EU-Vorgabe: Wenn Daten wie diese in einer transparenten Art und Weise vorliegen, dann wird es einfacher möglich, Projekte wie das in der Klinik Floridsdorf tatsächlich umzusetzen.
Natürlich haben wir uns bemüht, das so einfach wie möglich zu machen, deswegen haben wir uns auch streng an die Richtlinie gehalten. Die Wirtschaftskammer – ich habe es in der Ausschusssitzung gesagt – schätzt, dass das circa 50 Unternehmen in Österreich betreffen wird, aber wenn aus jedem dieser 50 ein großartiges Projekt wird, dann freue ich mich sehr darüber, denn dann haben wir für die Energiewende gemeinsam viel geschafft.
Insofern darf ich bitten, dass Sie beiden vorliegenden Initiativen heute Ihre Zustimmung erteilen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
12.03
Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Frau Abgeordnete Michaela Schmidt zu Wort. – Bitte.
Abgeordnete MMag. Michaela Schmidt (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Ich habe gestern hier im Plenum gesagt, die Übergewinnsteuer der Regierung ist so lächerlich, dass die Bundesregierung sie gar nicht mehr erwähnt. Lieber Kollege Hammer, ich glaube wirklich, das wäre die gescheitere Strategie gewesen – aber wenn Sie jetzt darüber reden wollen, dann reden wir halt darüber.
4 Milliarden Euro wolltet ihr mit der Übergewinnsteuer einnehmen, geworden sind es 225 Millionen Euro: 5 Prozent. Um 95 Prozent verrechnet, gratuliere! Jetzt könnte man natürlich sagen: Das ist passiert, weil die Energieunternehmen keine Gewinne gemacht haben, da braucht man keine Übergewinnsteuer zu zahlen! Ist das so? – Ist es nicht! Der Verbund hat 2,3 Milliarden Euro Gewinn gemacht. Wie viel hat er Übergewinnsteuer bezahlt? – 95 Millionen Euro. Damit werden wir natürlich das Budget sanieren! (Zwischenruf des Abg. Koza.)
Zum Vergleich, wie es andere Länder gemacht haben: Die OMV zahlt in Österreich 18 Millionen Euro Übergewinnsteuer, in Rumänien 500 Millionen
Euro. Man kann also sogar in Rumänien eine bessere Übergewinnsteuer erzielen, als Sie das in Österreich gemacht haben. (Abg. Lindinger: Wir sagen, dass sie investieren sollen! Sie können es investieren ins Netz, den Netzausbau!) Dann erklären Sie uns als Entschuldigung: Das ist ja nicht so schlimm, denn das geht ja eh irgendwie ins Budget! Die Stromkund:innen haben halt viel bezahlt, aber sie bekommen es ja irgendwie übers Budget wieder zurück.
Erstens: Es gibt durchaus auch private Energieunternehmen, die satte Gewinne gemacht haben. (Abg. Lukas Hammer: Welche?) Sie können sich ja einmal die Bilanzen der Windparks und die Bilanzen der Fotovoltaikparks anschauen. Ich habe sie mir angeschaut. Von dem Geld sehen die Steuerzahler und Steuerzahlerinnen nichts mehr, das ist weg. (Abg. Lukas Hammer: Das ist euer Hass gegen die Erneuerbaren!) – Nein, es ist unser Unverständnis, dass man diese Übergewinne zulässt. (Abg. Lukas Hammer: Das ist lächerlich!)
Zweitens: Das Geld geht ins Budget, es soll das Budget finanzieren, aber was hat denn das für Auswirkungen gehabt? – Die Auswirkung war, dass die Stromkundinnen und -kunden extreme Energiepreise gezahlt haben. Sie haben die Teuerung angeheizt, damit Sie Ihr Budget finanzieren. Das ist zumindest ehrlich.
Ich möchte trotzdem noch etwas zu diesen Husch-Pfusch-Gesetzen von Kollegin Graf sagen, die jetzt leider nicht mehr da ist. (Abg. Tanja Graf: Doch, doch, bin eh da! – Ruf bei der ÖVP: Man muss nur schauen!) – Ah, Tanja, hallo! Die Opposition dafür verantwortlich zu machen, dass die Regierung Husch-Pfusch-Gesetze macht, das lässt mich ehrlich gesagt ein bisschen sprachlos zurück. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Tanja Graf: ... nie zugestimmt!)
Wenn ich Kollegen Litschauer richtig verstanden habe, ist er froh darüber, dass das ständig repariert werden muss, denn dann kann er immer im Plenum darüber reden. Das ist natürlich auch eine Taktik, die man verfolgen kann. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)
Es ist eigentlich schade, denn ich wollte heute tatsächlich etwas Positives sagen. Ich wollte eigentlich die Regierung – Sie, Frau Ministerin – für den Teil des Energieeffizienzgesetzes loben. Es ist Ihnen diesmal nämlich tatsächlich gelungen, einen Teil dieser EU-Richtlinie vor der vorgesehenen Frist und inhaltlich sinnvoll umzusetzen. Das sind wir ja nicht gewöhnt. Daher wollte ich das heute eigentlich positiv anmerken: rechtzeitig, inhaltlich sinnvoll – und deswegen werden wir dem Gesetz auch zustimmen.
Wir erinnern uns, wie es mit dem anderen Energieeffizienzgesetz beim letzten Mal gelaufen ist: Da hat sich die Regierung so lange Zeit gelassen, dass ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet wurde. Es wurde erst im Juni 2023 umgesetzt: zweieinhalb Jahre zu spät. Wir hatten zweieinhalb Jahre lang keine Energiesparziele und daher auch keine entsprechenden Maßnahmen.
Nun wissen wir natürlich, dass die ÖVP das Energieeffizienzgesetz verzögert hat und nicht Sie, Frau Ministerin. Leider hat sich die ÖVP auch inhaltlich durchgesetzt, denn statt – wie im Regierungsprogramm vereinbart – die Energiekonzerne in die Pflicht zu nehmen, ihnen vorzuschreiben, dass sie Energiesparmaßnahmen umsetzen müssen, hat die Regierung beschlossen, die Energieunternehmen völlig aus der Verantwortung zu lassen.
Stattdessen war die Lösung der Regierung die gleiche wie immer, wenn man sich nicht einigen kann: mehr Geld, mehr Förderungen – und das natürlich auf Kosten der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Die sollen zahlen, die Energiekonzerne nicht – denn sonst wären deren Gewinne vielleicht um ein paar Millionen niedriger gewesen, das darf natürlich nicht sein. So jagt medial wöchentlich ein Rekordgewinn der Energieunternehmen den nächsten, während die Menschen immer noch mit den erhöhten Energiepreisen zu kämpfen haben. (Abg. Rainer Wimmer: Koste es, was es wolle! – Abg. Schroll: Genau!)
Es ist auch ein zukunftsvergessener Weg, den die Regierung da gegangen ist, denn jede eingesparte Kilowattstunde Energie ist der beste Weg zu niedrigeren Energiepreisen, der beste Weg zur Unabhängigkeit von russischem Gas und zu
weniger Kosten für die Haushalte und die Unternehmen. Das weiß im Übrigen auch die Wirtschaft. Drei Viertel der von der Wirtschaftskammer befragten Unternehmen sind sich einig, dass mehr Energieeffizienz der beste Schutz gegen hohe Energiepreise ist.
Eigentlich sollte die Regierung schon mitten in den Verhandlungen stehen, weil die nächste Energieeffizienzrichtlinie auf europäischer Ebene schon beschlossen wurde – die sollte in Österreich schon wieder umgesetzt werden. Deadline dafür ist Oktober 2025 – und man will sich offenbar wieder Zeit lassen. Dieses Spiel auf Zeit muss endlich ein Ende finden, weil die neue Richtlinie noch höhere Einsparziele vorsieht, und wie immer gilt: Je länger zugewartet wird, desto teurer wird dann später die Umsetzung und desto radikaler müssen dann die Maßnahmen sein. Die Unternehmen und die Haushalte haben sich wirklich rechtzeitige, ambitionierte Energiesparmaßnahmen verdient. Dafür muss man auch endlich die Energiekonzerne zum Energiesparen verpflichten.
Das wird sich aber wie so vieles in dieser Regierung wohl auch nicht mehr ausgehen. Das wird die Sozialdemokratie dann in der nächsten Regierung richten müssen. (Beifall bei der SPÖ. – Heiterkeit des Abg. Lindinger. – Abg. Schroll: Eine sehr gute Rede!)
12.09
Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Christoph Stark. – Bitte.
Abgeordneter Christoph Stark (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher hier im Hohen Haus! Ich darf vorweg namens meines Kollegen Laurenz Pöttinger die Tafelrunde Pernstein mit Franz Pachleitner an der Spitze herzlich begrüßen. Willkommen im Hohen Haus! (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ und Grünen.)
Ein Satz zu meiner Vorrednerin, Kollegin Schmidt: Bei der Übergewinnsteuer vergessen Sie aber zu erwähnen, dass die Energiekonzerne über die Dividende einen großen Beitrag zum österreichischen Budget geleistet haben, womit wir auch wiederum den Sozialstaat finanzieren. (Abg. Schmidt: Ja, eine Steuer für die Stromkunden ist das!) Das kann man nicht ganz vernachlässigen. Und: Wir haben mit der Stromkostenbremse für die Menschen auch etwas betreffend den Energiepreis getan. (Abg. Matznetter: Nur habts das Gas vergessen! – Abg. Schmidt: Eine Steuererhöhung der Stromkunden, gratuliere!) Momentan zahlen wir 10 Cent. Ich glaube, das ist nicht ganz von der Hand zu weisen. (Beifall bei der ÖVP.)
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es geht auch jetzt um das Thema Energie, in einem Zusammenhang, den wir vielleicht nicht immer ganz so sehen, nämlich mit der künstlichen Intelligenz. Wir alle nutzen sie. Google ist dabei, die KI auch in seine Suchmaschinen einzubauen, was bedeutet, dass die KI auch da für Energieverbräuche sorgt. Mithilfe von KI haben wir in Gleisdorf, in meiner Stadt, unsere Stadt vermessen lassen, um den Versiegelungsgrad auf Quadratzentimeter genau zu bestimmen, und die KI ist in der Medizin eigentlich nicht mehr wegzudenken.
KI braucht aber unheimlich viel Energie. Chat-GPT zum Beispiel benötigt am Tag gleich viel Strom wie 17 000 US-Haushalte. Das ist unvorstellbar. (Abg. Loacker: Das ist, weil ...!) Ein Training eines Sprachmodells verursacht einen so hohen CO2-Verbrauch wie fünf Verbrennermotoren über ihre gesamte Lebenszeit. Auch das ist eine unvorstellbare Summe.
Will heißen: So bequem KI mit all ihren Anwendungen für uns ist, so viel Energie wird durch die KI verbraucht. Das bedeutet auf der anderen Seite: Wir brauchen, um diese Technologie zu bedienen, Rechenzentren über die Welt verteilt, auch in Österreich, Rechenzentren, die diese Datenströme lenken und produzieren können; und diese Rechenzentren verbrauchen natürlich eine Unmenge an Energie.
Nun beschließen wir heute hier im Hohen Haus mit der Änderung des Bundes-Energieeffizienzgesetzes die Umsetzung einer EU-Richtlinie, für die eine Frist bis Mitte Mai 2024 gilt, und damit wird genau geregelt, dass diese Rechenzentren eben Bericht ablegen müssen, wie viel Energie sie wo verbrauchen und welche Maßnahmen sie treffen, um Energie zu sparen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das ist keine Knebelung, das ist ein notwendiger Schritt, um diesen Energieverbrauch irgendwie in Schach zu halten, weil er exponentiell ansteigt. Diese Berichtspflicht soll auch eine Motivation für die Betreiber von Rechenzentren sein, darüber nachzudenken: Was kann man tun, um diesen Energieverbrauch zu optimieren? Was kann man technologisch tun, um diesem Energieverbrauch entgegenzuwirken? (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte daher um euer aller Zustimmung. Es ist keine Riesengeschichte, aber wir folgen damit in der Zeit, wie Kollegin Schmidt sagte, einer EU-Norm. Ich bin überzeugt davon, dass KI uns unser Leben lang begleiten wird, aber der Energieverbrauch dafür ist beträchtlich, und daher sollten wir auch Maßnahmen setzen, um diesen Energieverbrauch zu reduzieren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)
12.13
Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Maximilian Linder. – Bitte.
Abgeordneter Maximilian Linder (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsident! Frau Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen, geschätzte Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren Zuhörerinnen hier und zu Hause vor den Geräten! Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz: Im Prinzip handelt es sich da um eine Gesetzesreparatur – so wie wir in der letzten Zeit schon ganz viele Gesetze hier herinnen reparieren mussten, sie wieder behandeln mussten oder an ihnen Veränderungen vornehmen mussten.
Das zeigt ein bisschen, wie oberflächlich die Regierungsparteien ÖVP und Grüne arbeiten; das sieht man vor allem auch daran, wie oft sie – anscheinend aufgrund interner Abstimmungsschwierigkeiten – erst im letzten Augenblick Anträge bringen. Wir haben es jetzt zweimal erlebt. Gerade zu diesem Thema haben wir die Tagesordnung für den Ausschuss erst am Vortag um 9 Uhr am Vormittag bekommen. – Das geht so nicht. So können wir als Oppositionspartei nicht arbeiten.
Oder auch gestern, Finanzausgleichsgesetz: Wir haben damals im Ausschuss 17 Stunden vorher den Antrag bekommen. – So geht man mit der Opposition nicht um.
In der Sache stimmen wir der Änderung zu, weil das eine wirkliche Benachteiligung der vorsteuerabzugsberechtigten Personen aufhebt. Auch da zeigt sich: Das Gesetz wurde im Dezember beschlossen, aber das hat keiner von der ÖVP bedacht, und plötzlich müssen wir es wieder reparieren.
Zum zweiten Thema, dem Bundes-Energieeffizienzgesetz, haben wir schon gehört: Rechenzentren mit über 500 Kilowatt Energieverbrauch müssen aufgrund einer EU-Vorgabe eine Datenbank befüllen, regelmäßige Meldungen machen. Das ist für diese Betriebe eine zusätzliche Belastung.
Kollege Kassegger hat heute schon betont: Jeder Unternehmer hat das ureigenste Interesse, seinen Betrieb wirtschaftlich zu führen, darüber nachzudenken: Wo kann ich sparen?, Wie kann ich meine Energie besser weiterverwerten?, und so weiter. Und weil ich jetzt gerade meinen Vorredner, Kollegen Stark, gehört habe: Ich hatte nicht den Eindruck, dass da einer von der Wirtschaftspartei heraußen steht und sich darüber Gedanken macht.
Es ist wieder so, dass die EU eine Regelung vorgegeben hat. Diese Regelungswut in der EU trifft uns tagtäglich. Ich bringe ein kleines Beispiel aus der Landwirtschaft: Wir Bauern wissen, wie wichtig es ist, dass Eschen im Gelände sind, in den Böschungen sind, um die Böschungen zu halten. Plötzlich bekommen wir
aber eine EU-Datenbank aufgebrummt: dass wir alle Bäume kategorisieren müssen und die EU sagen darf, wann wir einen Baum weghacken dürfen und wann nicht. – Das sind Dinge, die wir Bauern – Kollege Eßl, ich glaube, da stimmst du mir zu – seit Jahrhunderten können und von denen wir wissen, wie wichtig sie sind.
Und da, meine Damen und Herren, schließt sich für mich jetzt ein bisschen der Kreis. Gestern beim Bericht über die Klein- und Mittelbetriebe war das genau das Thema: Was trifft die Betriebe am meisten? – Die Bürokratisierung, dass wir als Betriebe nicht mehr wissen, wie viele Formulare wir noch ausfüllen müssen, wie viele Datenbanken wir befüllen müssen.
Deshalb bin ich heute wieder perplex. Die ÖVP stimmt dem zu, heißt das sogar noch gut, mit dem Ergebnis, dass wahrscheinlich in zwei Tagen der Wirtschaftsbundgeneralsekretär wieder beim „Kurier“ sitzen und sagen wird: Es ist alles so schlimm, wir Betriebe kommen nicht mehr zurecht, weil wir so viel Verwaltung aufgebrummt bekommen! Meine Damen und Herren, habt entweder den Mut, einmal dagegenzustimmen – oder sonst: Jammert nicht, dass die Betriebe nicht mehr wissen, wie sie mit der Verwaltung umgehen sollen!
Wir glauben, wir sollten den Betrieben die Möglichkeit geben, zu arbeiten, und sie nicht einfach mit unnötigen EU-Regeln belasten und eindecken. (Beifall bei der FPÖ.)
12.16
Präsidentin Doris Bures: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe gerade gehört, dass heute eine Delegation des neuseeländischen Parlaments bei uns auf Besuch ist. (Allgemeiner Beifall.)
Es gab ja bereits eine Aussprache mit den Mitgliedern der Bilateralen Parlamentarischen Gruppe Australien, Neuseeland, Ozeanien. Herzlich willkommen bei uns im österreichischen Parlament!
Nun erteile ich Herrn Abgeordnetem Klaus Lindinger das Wort. – Bitte.
12.17
Abgeordneter Ing. Klaus Lindinger, BSc (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher auf der Galerie und vor den Bildschirmen! Wir diskutieren hier wieder einmal das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz, und dabei geht es uns, meine sehr verehrten Damen und Herren, vor allem um jenen Punkt: dass es keine Schlechterstellung für Betriebe, für KMUs gibt, die landwirtschaftlichen Betriebe inbegriffen.
Wir haben es ja im EAG so geregelt, dass ab 1.1. die Mehrwertsteuer für PV-Anlagen bis 35 kWp entfällt. Das ist eine Entbürokratisierung. Wir nehmen das Wort ernst, wir setzen es auch um, und es ist wirklich eine Vereinfachung für die Menschen in Österreich. (Beifall und Bravoruf bei der ÖVP sowie Beifall der Abg. Rössler.)
Wir sind jedem dankbar, der einen Beitrag zum Klimaschutz leistet, der auf erneuerbaren Strom umsteigt, der Investitionen in die Zukunft tätigt und dahin gehend auch Investitionen in den Klimaschutz. Deshalb war es uns wichtig, dass wir da eine Korrektur durchführen, damit die Betriebe – ich habe es schon angesprochen –, die kleinen und mittelständischen Betriebe, aber auch die landwirtschaftlichen Betriebe, keine Schlechterstellung erfahren.
Deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren, darf ich folgenden Antrag einbringen:
Abänderungsantrag
der Abgeordneten Lukas Hammer, Tanja Graf, Kolleginnen und Kollegen zum Antrag 3952/A der Abgeordneten Lukas Hammer, Tanja Graf, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz geändert wird, in der Fassung des Ausschussberichtes in 2468 d.B. (TOP 2)
Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:
Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag (3952/A) wird wie folgt geändert:
Z 1 lautet:
„1. Dem § 55 Abs. 10 wird folgender Satz angefügt:
‚Dies gilt nicht, sofern der Förderwerber zum Zeitpunkt der Antragstellung ein Mitglied der Kammern der gewerblichen Wirtschaft ist, einer Pflichtversicherung gemäß dem Gewerblichen Sozialversicherungsgesetz (GSVG), BGBl. Nr. 560/1978, oder dem Freiberuflichen-Sozialversicherungsgesetz (FSVG), BGBl. Nr. 624/1978 unterliegt oder von der Pflichtversicherung gemäß § 5 GSVG ausgenommen ist und nicht vollständig vom Vorsteuerabzug gemäß § 12 Abs. 3 UStG 1994 ausgeschlossen ist, oder dem Bauern-Sozialversicherungsgesetz (BSVG), BGBl. Nr. 559/1978, unterliegt und seine Umsätze nicht gemäß § 22 UStG 1994, sondern nach den allgemeinen Vorschriften des UStG 1994 versteuert.‘“
*****
Ich habe es schon angesprochen, es geht darum, dass die Schlechterstellung der KMUs und landwirtschaftlichen Betriebe korrigiert wird. Wir stehen dazu. Da geht es um den landwirtschaftlichen Betrieb um die Ecke, der das Frühstücksei liefert, da geht es um den Tischler im Ort, der auch für Arbeitsplätze sorgt, und, meine sehr geehrten Damen und Herren – Kollege Wimmer wartet eh schon –, da geht es auch um die Arbeitsplätze (Abg. Rainer Wimmer: Ja, ja! Das habe ich schon befürchtet!), nämlich jene Betriebe, die in erneuerbare Energie investieren. (Abg. Schroll: Und die Leute, die arbeiten?!)
Das wollen wir unterstützen, das werden wir unterstützen, dazu stehen wir, dazu haben wir uns bekannt. (Abg. Schroll: Hat sich der Bauernbund wieder durchgesetzt?!) Mit der ÖVP in dieser Bundesregierung gibt es Klimaschutz mit Hausverstand. Da geht es nicht ums Anpicken, sondern da geht es um den
Klimaschutz, darum, dass alle auch in die erneuerbaren Energien investieren können.
Stimmt bitte diesem Gesetzentwurf zu! (Beifall bei der ÖVP.)
12.21
Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:
Abänderungsantrag
der Abgeordneten Lukas Hammer, Tanja Graf,
Kolleginnen und Kollegen
zum Antrag 3952/A der Abgeordneten Lukas Hammer, Tanja Graf, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz geändert wird in der Fassung des Ausschussberichts in 2468 d.B. (TOP 2)
Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:
Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag (3952/A) wird wie folgt geändert:
Z 1 lautet:
„1. Dem § 55 Abs. 10 wird folgender Satz angefügt:
„Dies gilt nicht, sofern der Förderwerber zum Zeitpunkt der Antragstellung ein Mitglied der Kammern der gewerblichen Wirtschaft ist, einer Pflichtversicherung gemäß dem Gewerblichen Sozialversicherungsgesetz (GSVG), BGBl. Nr. 560/1978, oder dem Freiberuflichen-Sozialversicherungsgesetz (FSVG), BGBl. Nr. 624/1978 unterliegt oder von der Pflichtversicherung gemäß § 5 GSVG ausgenommen ist und nicht vollständig vom Vorsteuerabzug gemäß § 12 Abs. 3 UStG 1994 ausgeschlossen ist, oder dem Bauern-Sozialversicherungsgesetz (BSVG), BGBl. Nr. 559/1978, unterliegt und seine Umsätze nicht gemäß § 22 UStG 1994, sondern nach den allgemeinen Vorschriften des UStG 1994 versteuert.““
Begründung
Photovoltaikanlagen, welche gemäß § 28 Abs. 62 UStG 1994 von der Umsatzsteuer befreit sind, sind von der Gewährung eines Investitionszuschusses ausgeschlossen. Nach dem Initiativantrag 3952/A sollen all jene Betriebe, welche bisher bereits vorsteuerabzugsberechtigt waren und somit von der Steuerbefreiung nicht profitieren, weiterhin eine Förderung erhalten können. Vergleichbar mit den gewerblichen Betrieben sollen auch land- und forstwirtschaftliche Betriebe erfasst werden.
*****
Präsidentin Doris Bures: Der Abänderungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.
Herr Abgeordneter Rainer Wimmer, ich erteile Ihnen das Wort.
Abgeordneter Rainer Wimmer (SPÖ): Frau Präsidentin! Werte Frau Bundesministerin! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ich darf eine Pensionistenverbandsgruppe aus Liezen recht herzlich begrüßen, mit ihrem Vorsitzenden Josef Horn, einem ehemaligen Nationalratsabgeordneten – herzlich willkommen in unserer Mitte! (Allgemeiner Beifall.)
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, wir behandeln heute einen etwas eigenartigen Antrag: Nach drei Monaten kommen nun die Regierungsparteien drauf, dass umsatzsteuerbefreite Betriebe von den Förderungen nicht wirklich profitieren können, weil sie sowieso keine Umsatzsteuer zahlen. Die Frage ist nur, ob ihr das im Dezember noch nicht gewusst habt, meine sehr geschätzten Freunde von der ÖVP (Abg. Tanja Graf: Na, ihr anscheinend auch nicht! – weitere Zwischenrufe bei der ÖVP), weil die ja auch im Dezember schon keine Umsatzsteuer bezahlt haben. (Abg. Tanja Graf: Ihr habts zugestimmt!) Das will man heute ändern.
Ich glaube, was ihr wirklich wollt, ist, ihr wollt einfach doppelt moppeln, liebe Kolleginnen und Kollegen. Darum sagen wir – und werden dem Antrag nicht
zustimmen –, das ist nicht fair, das ist ungerecht. Der normale Konsument ist der Teschek, der bleibt auf der Strecke. (Abg. Tanja Graf: Stimmt ja gar nicht! – Rufe bei der ÖVP: Stimmt ja gar nicht! Stimmt nicht, du weißt es ganz genau!)
Ich werde Ihnen ein Beispiel zeigen, weil Frau Doppelmayr uns erklärt hat, wie denn das jetzt wirklich (Ruf bei den Grünen: Doppelbauer!) mit der Umsatzsteuerbefreiung läuft. (Abg. Lukas Hammer: Doppelmayr ist ein Lift!) Ich hätte wetten können, dass da den Bauernvertretern noch etwas einfällt. Es gibt ein klares Beispiel, das zeigt (Abg. Lindinger: Ja, weil es nur fair ist, was wir machen! Es ist fair!), wo die Bauern und die Selbstständigen einfach weniger zahlen. Ich werde Ihnen das jetzt sagen.
Eine PV-Anlage mit 15 kW – das sind jene Anlagen, die wir uns als Normalverbraucher auf die Häuser schrauben – kostet 24 000 Euro; ich habe das wirklich recherchieren lassen. Der normale Konsument bezahlt 20 000 Euro, die Selbstständigen und die Bauern würden in Zukunft 17 225 Euro bezahlen. Das heißt, die Kosten sind eindeutig geringer, und das ist genau das, was wir nicht wollen. Wir wollen eine Gleichstellung haben, wir wollen nicht haben, dass die Ersparnis durch die Förderung bei den Konsumenten nur 4 000 Euro ausmacht und bei den Selbstständigen dafür 6 775 Euro. (Abg. Lindinger: Das ist typisch SPÖ! Immer auf die Betriebe und die Bauern hinhauen!) Das ist ein Unterschied von 2 775 Euro. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)
Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen, jetzt sind die Bauern natürlich auch dabei, und ich hätte wetten können, dass euch etwas einfällt. Ich muss ja schmunzeln, denn ihr seid wirklich Weltmeister. Ihr seid so kreativ, das kann man sich ja gar nicht vorstellen (Zwischenrufe bei der ÖVP), nach dem Motto: Jedem Haserl sein Graserl! – Ihr wart ja schon immer erfolgreich. (Abg. Lindinger: Die Excel-Tabelle möchte ich sehen, wo du das gerechnet hast!) Da ist das heute in Wirklichkeit ein Lerchenschenkerl, meine sehr geschätzten Damen und Herren, wenn ich daran denke: 2020: 350 Millionen Euro für Holzlagerplätze – Parkplätze für Käferbäume –, also das war überhaupt eine weltmeisterliche Leistung.
(Abg. Zarits: Du kennst dich überhaupt nicht aus! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)
Oder: 25 Millionen Euro habt ihr euch damals für energieautarke Bauernhöfe geholt – was immer das heißt, wie immer das verteilt wird. (Anhaltende Zwischenrufe bei der ÖVP.) Wir schauen eh ein bisschen neidisch darauf, aber, Kolleginnen und Kollegen, das ist Klientelpolitik, das ist eine Politik (Rufe bei der ÖVP: Du kennst dich nicht aus!), mit der ihr ausschließlich eurer Klientel helft und die anderen Menschen im Regen stehen lasst. (Rufe bei der ÖVP: Das stimmt nicht!) Das ist das, was wir bekritteln. Bei der Teuerung lasst ihr die Menschen außen vor, da rührt ihr keinen Finger. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Lindinger: Wir unterstützen alle Menschen, sonst hätten wir nicht den 0-Prozent-Steuersatz eingeführt! Eine Vereinfachung, die gekommen ist, seit 1. Jänner!)
Geschätzte Frau Bundesministerin, ich muss Sie jetzt beim EAG auch ein bisschen miteinbeziehen, weil Sie da eigentlich schon seit Jahren säumig sind, die Verordnung zu erlassen, die im § 6 festgeschrieben ist. Die haben wir als Sozialdemokraten ja damals nicht aus Jux und Tollerei gefordert, sondern weil uns die sozialen Kriterien sehr wichtig sind. Ich bin im ständigen Austausch mit den Arbeitgebervertretern der Elektroindustrie. Wir wollen auch die Wertschöpfung haben, und das bedeutet natürlich auch Arbeitsplätze. Darum verstehe ich überhaupt nicht, dass Sie diese Verordnung bis heute nicht erlassen haben.
Wir haben ja heute in der Fragestunde schon gehört, Sie nehmen es mit dem Gesetz nicht immer ganz ernst – wenn wir an den Lobautunnel denken. So sehen wir das jetzt auch. (Ruf bei der ÖVP: Rainer, lass den Matznetter raus! Lass es gut sein!) Diese Verordnung zu machen kann ja nicht davon abhängen (Abg. Lindinger: Lass es gut sein, passt schon!), ob Sie lustig sind oder nicht, sondern Sie haben das umzusetzen und durchzuführen, das steht nämlich im EAG drinnen.
Meine sehr geschätzten Damen und Herren und geschätzte Frau Bundesminister, tun Sie das bitte endlich! Wir brauchen diese Verordnung. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf bei der ÖVP.)
12.26
Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Christoph Matznetter. – Bitte.
Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Geschätzte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundesministerin! Kollegen und Kolleginnen! Vor allem Zuseherinnen und Zuseher! Das waren viele Begrüßungen; was ich nicht begrüße, ist, dass wir uns permanent damit auseinandersetzen müssen, dass etwas nicht funktioniert hat und man jetzt schon wieder nachbessern muss – ich habe gestern schon davon gesprochen. (Ruf bei den Grünen: Manchmal verändert sich ...!)
Vielleicht fangen wir so an: Geschätzte Damen und Herren Abgeordnete der Regierungsparteien, ich weiß nicht, wie Sie das mit Ihrem Auto machen. (Abg. Lukas Hammer: Ich habe kein Auto!) Nehmen wir an, Sie haben eine Werkstätte – das kann auch eine Fahrradwerkstätte sein –, und jedes Mal, nachdem Sie es dort beim Service gehabt haben, fällt Ihnen, wenn Sie rausfahren, eine Schraube runter, kommt vielleicht Öl aus dem Motor raus oder verlieren Sie beim Fahrrad die Kette. Sie fahren wieder hin, dann wird das eine gemacht, und das Nächste funktioniert nicht. Wann begreifen Sie, dass diese Werkstätte qualitativ nicht das leistet, was eine Werkstätte leisten muss?
Dieses Mindestmaß an Benchmark sollten wir auch bei der Gesetzgebung in diesem Haus und bei Vorlagen, die diese Regierung macht, ansetzen. Diese Benchmark erfordert, dass man nicht so wie die Frau Bundesministerin sagt: Na, wir haben das EAG gemacht, damit wir öfter kommen können! – Die Verhältnisse ändern sich nicht. (Zwischenbemerkung von Bundesministerin Gewessler.)
Frau Bundesministerin, die Verhältnisse zum Vorsteuerabzug haben sich dem Grunde nach seit 1972 – 1974 in Kraft getreten – nicht geändert. Für Unternehmerinnen, Unternehmer, die einen Vorsteuerabzug haben, ist es egal, ob eine Rechnung mit Mehrwertsteuer kommt und sie sich diese als Vorsteuer abziehen oder sie mit 0 Prozent Steuer kommt, wo sie dann nichts abziehen können. Es bleibt immer Netto für Netto. Das haben Sie vor drei Jahren gewusst, das haben Sie voriges Jahr gewusst, das haben Sie gewusst, als Sie jetzt die Förderung geändert haben.
Das, was passiert ist, ist ein handwerklicher Pfusch, und jetzt verlangen Sie von uns (Abg. Tanja Graf: Es wird nicht besser ...!) eine Zustimmung zu dem Kleister drauf. Das wäre genauso, wie wenn eine Ölablassschraube, Kollegin Graf, mit dem Uhu eingeklebt wird, statt sie ordentlich festzuziehen.
Sie sind ja jetzt nicht einmal in der Lage, ordnungsgemäß Bezug zu nehmen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Die Regelung gehörte so, dass es von der Höhe des Vorsteuerabzuges abhängig ist. Der kann nämlich 100 Prozent sein, der kann bei gemischten Umsätzen auch nur teilweise sein. (Abg. Haubner: Geh!) Daher wäre es richtig gewesen, zu sagen: Weis nach, notfalls durch Bestätigung des Finanzamtes – das kann man online machen –, im nächsten Jahr, dass du 100 Prozent oder 40 oder 50 Prozent Vorsteuerabzug gehabt hättest! – Und in dem Ausmaß kann es dann Förderungen geben.
Jetzt aber wird auf die Sozialversicherung Bezug genommen. Sagt einmal, wer macht bei euch die Gesetzestexte, die ihr als Initiativantrag einbringt? (Abg. Voglauer: Dazwischen steht ein Und! Und!) Das hat nichts mit der Sozialversicherung zu tun, das Gesetz nennt sich Umsatzsteuergesetz 1994 – vielleicht findet ihr es dann im RIS und könnt auf das richtige Gesetz Bezug nehmen.
Damit werden wir uns hier wieder beschäftigen müssen, weil offensichtlich keine Bereitschaft besteht, die Qualität auf ein Mindestmaß zu heben; schade eigentlich, denn das Thema wäre ernst genug: Wie schafft man den weiteren Ausbau?
Der Rest ist, glaube ich, gut erklärt worden. Frau Kollegin Mag. Schmidt hat Ihnen klar erklärt: Übergewinnsteuer Wirkung null. Das Ergebnis ist: von der Tasche des Konsumenten in die Tasche der Aktionäre. (Abg. Tanja Graf: So ein Blödsinn!) Seien es auch Bundesländer: Völlig wurscht, Sie hätten das stoppen müssen. – Sie, Frau Kollegin Graf, haben es verhindert, die Grünen wollten einen Preisdeckel beim Gas. (Abg. Hofinger: Christoph, das siehst du falsch!) Warum? – Weil in der Stadt mehr Gas zum Heizen verwendet wird. Schämen Sie sich einmal für diese Art der Politik am Rücken der Leute! – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Unmöglich!)
12.30
Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Lukas Hammer. – Nein (in Richtung des sich zum Redner:innenpult begebenden Abg. Kainz), Herr Abgeordneter, wir haben pro-contra. – Bitte.
Abgeordneter Lukas Hammer (Grüne): Ich wollte mich jetzt noch einmal kurz melden, weil ich die Aussagen von Kollegen Christoph Matznetter von der SPÖ, der sich hierherstellt und sagt: Das funktioniert alles nicht und das ist alles ein Pfusch!, so nicht stehen lassen kann.
Ich zeige Ihnen das noch einmal (eine Tafel mit der Aufschrift „Sonnenstrom in Österreich“ und einem Balkendiagramm, das die Entwicklung in den letzten Jahren zeigt, in die Höhe haltend): Lieber Christoph, da (auf den linken Teil des Balkendiagramms weisend) wart ihr in der Regierung (Abg. Schroll: Lukas, sie können nicht mehr anschließen!), das war das Ökostromgesetz. Das (auf den rechten Teil des Balkendiagramms weisend) ist das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz – es funktioniert! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Matznetter.)
Erinnern wir uns an die Zeiten des alten Ökostromgesetzes! Worum ist es da in den kleinen Ökostromgesetznovellen jedes Mal gegangen? – Die Damen und Herren von SPÖ und ÖVP können sich sicher noch gut erinnern: Es ging immer
darum, die Warteschlangen abzubauen. Was war das? – Das waren fixfertig geplante Projekte, genehmigte Projekte, die hätten gebaut werden können, hätte es genug Fördermittel gegeben. Das war die damalige Regierung, und ich habe den leisen Verdacht, dass es auch an der SPÖ gelegen ist, denn das Windrad könnte ja auf dem Grundstück eines Bauern sein und der könnte ja vielleicht noch mitverdienen – das will man nicht.
Es war halt immer zu wenig Geld da. Jetzt ist genug Geld da. (Abg. Schroll: ..., die Leute zahlen es eh ...!) Wir haben gesehen, es funktioniert, und wir machen kleine Nachbesserungen. Wir haben erklärt, warum wir die Novelle gemacht haben: weil wir letztes Jahr über 150 000 private Anträge gehabt haben, die wir alle fördern konnten, weil genug Geld da war. Wir haben gesagt: Nein, wir wollen das umstellen, für die Privaten machen wir das unbürokratisch, da streichen wir die Umsatzsteuer beim Kauf einer Fotovoltaikanlage! (Abg. Matznetter: ... trotzdem die Gesetze ...!)
Weil gesagt wurde, wir bevorzugen jetzt wieder irgendwen: Wir stellen damit denselben Zustand wie vor der Novelle wieder her – dass niemand benachteiligt wird. Ihr habt dem selber zugestimmt. Die Unternehmen, die vorsteuerabzugsberechtigt waren (Abg. Schroll: Die Unternehmen zahlen weniger als die Haushalte!), haben damals schon – da hast du mitgestimmt, lieber Alois – ein Anrecht auf die Investitionsförderung gehabt. Das ziehen wir jetzt mit dieser kleinen Novelle nach. Das heißt, wir stellen einfach nur den Zustand wieder her, den ihr selbst mitbeschlossen habt – dafür noch einmal ein herzliches Dankeschön. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Schroll: Uns hat’s ja gepasst! – Zwischenruf des Abg. Matznetter.)
12.33
Präsidentin Doris Bures: Jetzt gelangen Sie, Herr Abgeordneter Alois Kainz, zu Wort. Bitte.
12.33
Abgeordneter Alois Kainz (FPÖ): Frau Präsident! Frau Bundesminister! Geschätzte Kollegen! Werte Zuseher zu Hause und auf der Galerie! Wie wir alle vernommen haben, wurde im Bundesfinanzgesetz beschlossen, den Waldfonds von 350 Millionen Euro auf 450 Millionen aufzustocken – mit einem gewissen Sinn, das war ja wirklich eine sinnvolle Lösung. (Abg. Lindinger: Na ja, siehst! Einsicht ist der erste Weg! – Abg. Hofinger: Da kann man mal Danke sagen dieser Bundesregierung!)
Daraus gehen zehn Maßnahmen hervor: „Wiederaufforstung und Pflegemaßnahmen nach Schadereignissen“, die „Regulierung der Baumartenzusammensetzung“, klimafitte Wälder. Da versteht man überhaupt nicht, warum man dann Windräder in den Wald hineinbauen muss. Da bewerben wir immer wieder unser Waldviertel – Waldviertel mit Wald –, und dann sagt mein Kollege aus dem Waldviertel, der zweite Landtagspräsident will im Waldviertel überhaupt keine Windräder haben.
Das muss ich jetzt klar- und richtigstellen: Das ist unrichtig. (Zwischenruf des Abg. Zorba.) Der zweite Präsident und auch unsere Fraktion im Waldviertel wollen keine Windräder im Wald – nicht im Waldviertel. Wir verschließen uns nicht der erneuerbaren Energie, aber das muss man einmal klar und deutlich sagen (Zwischenruf des Abg. Matznetter): Es passt nicht zusammen. Da haben wir 450 Millionen Euro für den Wald, da steht nirgends drinnen, dass man den Wald für Industrieanlagen im Wald roden muss. (Abg. Lukas Hammer: Nur den Wald roden für die Biomasse, das ist besser!) Das ist die Botschaft. Uns ist der klimafitte Wald sehr viel wert. – Danke. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Litschauer.)
Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.
Wird seitens der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.
Wenn alle ihre Plätze einnehmen, kommen wir jetzt zu den Abstimmungen.
Wir kommen zu den Abstimmungen, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.
Abstimmung über Tagesordnungspunkt 2: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz geändert wird, in 2468 der Beilagen.
Hiezu haben die Abgeordneten Lukas Hammer, Tanja Graf, Kolleginnen und Kollegen einen Abänderungsantrag eingebracht. Ich werde daher zunächst über den vom erwähnten Abänderungsantrag betroffenen Teil und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.
Lukas Hammer, Tanja Graf, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungsantrag betreffend die Ziffer 1 eingebracht.
Wer sich dafür ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit so angenommen.
Schließlich kommen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes.
Wer spricht sich dafür aus? – Das ist auch mit Mehrheit angenommen.
Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.
Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung mit Mehrheit angenommen.
Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 3: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Energieeffizienzgesetz geändert wird, samt Titel und Eingang in 2469 der Beilagen.
Wer sich für diesen Gesetzentwurf ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.
Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.
Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung mit Mehrheit angenommen.
Wir kommen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Alois Schroll, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Schluss mit den obszönen Übergewinnen – her mit leistbaren Preisen!“
Wer ist für diesen Entschließungsantrag? – Das ist die Minderheit, abgelehnt. (Abg. Steinacker: Ein Ordnungsruf für das Wort obszön!)
Bericht des Umweltausschusses über die Regierungsvorlage (2464 d.B.): Protokoll zu dem Übereinkommen von 1979 über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung betreffend die Verringerung von Versauerung, Eutrophierung und bodennahem Ozon (2477 d.B.)
5. Punkt
Bericht des Umweltausschusses über die Regierungsvorlage (2465 d.B.): Entscheidung 2012/2 zur Änderung des Wortlauts und der Anhänge II bis IX des Protokolls von 1999 betreffend die Verringerung von Versauerung, Eutrophierung und bodennahem Ozon und Aufnahme der neuen Anhänge X und XI (2478 d.B.)
Präsidentin Doris Bures: Damit kommen wir zu den Tagesordnungspunkten 4 und 5, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.
Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.
Frau Abgeordnete Astrid Rössler, Sie gelangen zu Wort. – Bitte.
12.38
Abgeordnete Dr. Astrid Rössler (Grüne): Frau Präsidentin! Sehr geschätzte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Das Thema Luft ist hier vielleicht nicht ganz so oft Gegenstand, aber heute gibt es einen sehr erfreulichen Anlass: die Ratifikation eines internationalen Abkommens.
Es geht um das Genfer Abkommen zur Luftreinhaltung von 1979 mit seinen Folgeprotokollen. Wir werden heute sozusagen die Letztfassung, das Göteborgprotokoll, als Grundlage dieses Beschlusses haben. Das Ziel dieses internationalen Abkommens ist in erster Linie die Reduktion weiträumiger, grenzüberschreitender Luftverschmutzungen.
Diese Luftschadstoffe, um die es geht, sind ganz konkret Schwefeldioxid, Stickoxide, Ammoniak. Da geht es um die Versauerung der Natur, der Umwelt, aber auch um Effekte wie Überdüngung bei Stickoxiden und letztlich auch um die Entwicklung von bodennahem Ozon – einem Luftschadstoff, der auch gesundheitsschädigend ist.
Manche von Ihnen, die Jüngeren, kennen das Thema saurer Regen vielleicht aus Erzählungen, andere wie ich können sich noch sehr gut erinnern: In der Schulzeit haben wir in der Schule plötzlich von kaputten Wäldern gehört und sie gesehen – den Lamettaeffekt bei Nadelbäumen von saurem Regen –, und wir haben die Berichte von stark übersäuerten, kaputten Seen in Nordeuropa gesehen. Alle waren ziemlich fassungslos, was da im Gang war.
Mich hat das damals sehr bewegt, aber dann auch die Lösung: dass mit technischem Fortschritt, mit entsprechenden Wäschern von Abluftanlagen das Problem tatsächlich gelöst worden ist.
Der damalige Auslöser war ja in Wahrheit auch das fossile Zeitalter. Es war der Schwefelgehalt in der Braunkohle; Braunkohle wurde dann verboten. Es war natürlich auch der Schwefelgehalt in der Steinkohle und im Mineralöl.
Das zeigt, internationale Abkommen haben extrem hohe Relevanz für unsere Gesundheit, für die Lösung von international dringend anzugehenden Umweltproblemen, und es lohnt sich, in diesen internationalen Abkommen eine führende Rolle zu spielen. (Beifall bei Abgeordneten der Grünen.)
Inzwischen gibt es seit 1979 insgesamt acht Protokolle, also vor 45 Jahren hat dieser Prozess begonnen. Für mich ist es wichtig, dass gerade auch kleine Länder wie Österreich eine führende Rolle spielen müssen, weil sie nicht nur das Know-how haben, sondern natürlich auch die Leidtragenden von Auswirkungen sind, die in anderen Ländern verursacht werden. Die Emissionen in den Siebzigerjahren waren ja verursacht durch große Industriestandorte – Großbritannien, Norddeutschland –, und es wurden die Auswirkungen erkannt, die die Verfrachtung in andere Länder fernab vom Entstehungsort hat, und diese Länder waren die Leidtragenden. Das muss auch unsere Devise für andere globale Lösungen sein, die derzeit anstehen, für die Biodiversitätsverhandlungen, natürlich für den Klimaschutz, für den Ausstieg aus fossiler Energie.
Für mich ist dieses wichtige Abkommen beispielgebend, wie man ein Problem gemeinsam lösen kann, und ich freue mich sehr über die breite Zustimmung zur Ratifikation dieses wichtigen Abkommens. (Beifall bei Abgeordneten von Grünen, ÖVP und NEOS.)
12.41
Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Robert Laimer. – Bitte.
Abgeordneter Robert Laimer (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Trotz überschaubarer Fortschritte bei der Luftreinhaltung müssen wir eine traurige Realität zur Kenntnis nehmen: Laut der Europäischen Umweltagentur werden in Österreich immer noch 4 480 vorzeitige Todesfälle aufgrund von Luftverschmutzung verzeichnet, wovon 3 200
auf Feinstaub entfallen. Diese Zahlen sind erschreckend und zeigen, dass dringender Handlungsbedarf besteht.
Es ist nicht akzeptabel, dass Österreich weiterhin Probleme bei der Umsetzung der NEC-Richtlinie und der Reduktion von Ammoniak hat. Die mangelnde Bereitschaft, da verbindliche Maßnahmen festzulegen, gefährdet nicht nur unsere Umwelt, sondern auch die Gesundheit unserer Bevölkerung in Österreich. Die jüngste Entscheidung der Bundesregierung, das Nationale Luftreinhalteprogramm ohne konkrete Ziele für die Reduktion von Ammoniak zu verabschieden, ist ein Schlag ins Gesicht für alle, die sich für saubere Luft und eine gesunde Umwelt einsetzen.
Nun wird endlich – bin ich versucht zu sagen – das Göteborgprotokoll ratifiziert. Es ist ein wichtiger Schritt, um verbindliche Maßnahmen zu setzen und die Gesundheit unserer Bevölkerung zu schützen. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)
Ich sage jedoch auch, Partikularinteressen einiger weniger, aber einer starken Lobby dürfen nicht dazu führen, dass es zum Sterben vor der Zeit kommt. Das ist inakzeptabel. Es geht um das höchste Gut, es geht um die Gesundheit unserer Menschen, die auf dem Spiel steht, und es liegt an uns allen hier, unverzüglich Maßnahmen zu treffen.
Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Bundesministerin, wo ist das Klimaschutzgesetz, das den Namen auch würdig verdient? Nehmen Sie konkrete Maßnahmen gegen die Umweltverschmutzung und gegen den Klimawandel in Angriff! Die Zeit zu handeln ist jetzt, es gibt dafür kein Morgen mehr, denn wir schulden es unseren Kindern, unseren Enkeln und den kommenden Generationen, ihnen eine lebenswerte Welt zu hinterlassen. Statt die dringend benötigten Schritte zu unternehmen, um unsere CO2-Emissionen zu reduzieren, werden leider oft halbherzige Regierungskompromisse geschlossen und diese dann auch nicht ausreichend stringent verfolgt.
Es liegt an uns, Frau Bundesministerin, heute die Weichen für morgen zu stellen. Der Planet Erde wird uns keine zweite Chance geben. Einen Plan B haben wir als Menschheit hier nicht, denn Klima, Kriege, Kapitalismus werden zusehends ein Tanz auf dem Vulkan. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)
12.44
Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Nikolaus Berlakovich. – Bitte.
Abgeordneter Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Ich darf kurz auf den Vorredner eingehen, Kollegen Wimmer, weil er sich ein bisschen über den Waldfonds lustig gemacht hat, so habe ich den Eindruck gehabt. Er hat davon gesprochen, dass sehr viel Geld für Holzlagerplätze verwendet wird.
Der Ausgangspunkt ist, dass wir insbesondere im Wald- und im Mühlviertel eine enorme Borkenkäferkalamität, -invasion gehabt haben und riesige Mengen von Holz geschlägert werden mussten, dass Familien ihre Existenz verloren haben, weil sie Forstwirtschaft betreiben und dort auf Generationen hinaus kein Holz mehr ernten können. Daher wurde der Waldfonds mit vielen Maßnahmen eingerichtet: Bestandsumbau, Neuaufforstung und, und, und. Und ein kleiner Teil davon ist die Errichtung von Holzlagerplätzen, weil die verarbeitende Industrie diese Menge Holzes nicht verarbeiten konnte. Damit das Produkt nicht vernichtet werden muss oder zugrunde geht, wurden diese Lagerplätze errichtet. Also bitte das nicht ins Lächerliche zu ziehen, das ist ja im gemeinsamen Interesse (Beifall bei der ÖVP), im Interesse der Arbeitnehmer in der Papierindustrie und der Waldbauern, der Forstwirtschaft. Darum ersuche ich bitte.
Zum Thema Ozon, von dem vorhin auch gesprochen wurde: Luftreinhaltung ist natürlich ein zentrales Element, aber man muss sich ein bisschen auch an den Erfolgen aufbauen. In den Achtzigerjahren hat man festgestellt, dass die schützende Ozonschicht, die die Menschen vor der schädlichen UV-Strahlung
schützt, am Süd- und Nordpol dünner wird. Damals ist der Begriff des Ozonlochs entstanden. Es war eine große Dramatik in der damaligen Diskussion. Die Wissenschaft hat festgestellt, dass die Fluorchlorkohlenwasserstoffe die Auslöser waren. Wo waren die drinnen? – Praktisch in allen Spraydosen vom Fliegentod bis zum Autolack, in Lösungsmitteln, Kühlmitteln, Schaumstoffen, Reinigungsmitteln. Sie fanden eine enorm große Verwendung in der Industrie. Ab da hat die Industrie begonnen, sehr schnell umzustellen, und es ist durch große Kraftanstrengungen und auch durch Abkommen gelungen, dieses Ozonloch wieder zu schließen.
Ich meine, man soll sich an diesen Erfolgen aufbauen. Damals im Jahr 1985 sind in Wien die UNO-Vertragsstaaten zusammengekommen, und 1987 ist das Montrealprotokoll als erstes Umweltabkommen entstanden, infolge dessen konsequent grenzüberschreitend an dem Problem gearbeitet wurde, und das hat einen Erfolg gebracht.
Bei diesem Abkommen, das wir hier diskutieren, ist es genauso: Ursprünglich wurde die Luftverunreinigung regional gesehen; Kollegin Rössler hat es erwähnt. Fischbestände in Skandinavien sind durch versauertes Wasser zugrunde gegangen. Dann hat man gemeinsame Kraftanstrengungen unternommen und in der Zeit des Kalten Krieges dieses Abkommen, das wir jetzt diskutieren, abgeschlossen. Es ist wichtig, dass man grenzüberschreitend zusammenarbeitet, dann können wir auch Erfolge haben. Man weiß, es ist im Umweltbereich mühsam, wenn man viele Interessen unter einen Hut bringen muss, aber neben dem Erfolg beim Ozonloch war ja auch die Bekämpfung des Waldsterbens ein positiver Aspekt, wo es gelungen ist, sauren Regen zu reduzieren, und, und, und. Das ist ein komplexeres Thema, weil natürlich Trockenheit und Bestandsumbau auch eine Rolle spielen, aber im Grunde ist es wichtig, dass man auf diesen Themen draufbleibt und sich dafür einsetzt, dass man die Umwelt schützt und damit die Gesundheit der Menschen sichert. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)
12.48
Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Michael Bernhard. – Bitte.
Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Ja, meine Vorrednerinnen und -redner haben es schon angesprochen: Das Göteborgprotokoll ist ein sehr schönes Beispiel dafür, wie internationale Umweltpolitik funktionieren kann: dass man anerkennt, es gibt ein Umweltproblem, dass die Weltgemeinschaft unter dem Dach der Vereinten Nationen zusammenkommt, dass man auf die Wissenschaft hört und auch einen konkreten Plan mit Ordnungspolitik verfolgt, der dafür sorgt, dass bestimmte Möglichkeiten der Umweltzerstörung nicht mehr gegeben sind, und dass man eine konsequente Umsetzung auf nationalstaatlicher Ebene macht.
Dieses Abkommen soll uns Mut machen in einer Zeit, in der wir anscheinend vergessen haben, dass unsere Umwelt auch schon schlimmer unter Druck war, als es um die klassische Verschmutzung und Zerstörung gegangen ist. Das haben wir heute vielleicht nicht mehr so in Erinnerung. Und es kann auch ein leuchtendes Beispiel dafür sein, in der Klimapolitik ähnlich vorzugehen. Da ist die Weltgemeinschaft ebenfalls zusammengekommen, man hat den Pariser Klimavertrag damals ausverhandelt, den wir auch ratifiziert haben, aber es fehlt dieser Schritt, dass man auf die Wissenschaft hört und dann auch die Nationalstaaten gleich entschlossen vorgehen, um die Treibhausgasemissionen zu reduzieren.
Wir als NEOS, Frau Ministerin, sind jedenfalls immer ein starker Partner, wenn es darum geht, auf internationaler Ebene für Österreich und für die Weltgemeinschaft für mehr Nachhaltigkeit einzutreten, für weniger Umweltzerstörung einzutreten und dass wir das, was wir international versprechen, auf nationalstaatlicher Ebene auch entsprechend umsetzen.
Wenn man sich im Detail ansieht, wie sich die Schadstoffe entwickelt haben – und das haben viele Vorredner schon angesprochen –, nämlich dass wir bei
Schwefeldioxid, bei Stickstoffoxiden und auch bei Ozon deutliche Verbesserungen durch internationale Umweltabkommen erreicht haben, dann kann man feststellen, das ist ein schöner Schritt nach vorne.
Wo wir es nicht geschafft haben und wo wir auch wissen, dass wir in Österreich nach wie vor Handlungsbedarf haben, ist einerseits bei Ammoniak und andererseits auch bei Feinstaub. Das ist ein Thema, das uns auch im Umweltausschuss immer wieder beschäftigt.
Ich möchte aber auch ein Thema ansprechen, das jetzt vielleicht ein bisschen weit hergeholt ist, es ist aber am Ende des Tages sehr nahe dran. Ich glaube, nach mir redet Kollege Hörl, deswegen kann ich es ihm auch gleich mitgeben: Wir sehen, dass aufgrund dieser erfolgreichen Umweltpolitik, im Rahmen derer wir viele gesundheits- und umweltschädliche Stoffe reduziert haben, die Situation eingetreten ist, dass wir uns mehr Gedanken darüber machen, wie wir unser Land reindustrialisieren können. In unserem Land ist die Produktion anscheinend deutlich weniger umweltschädlich und -zerstörend als in anderen Staaten dieser Welt, daher wäre es sehr wichtig, dass die Emission der permanenten Steigerung der Lohnnebenkosten gestoppt wird und man in die Gegenrichtung marschiert, denn wir haben die richtigen Umweltstandards, um in Österreich nachhaltig zu produzieren.
Daher wäre unser Wunsch: konsequent in der Umweltpolitik, aber genauso konsequent bei den Lohnnebenkosten. – Dazu können Sie, Herr Kollege Hörl, sicher einen Beitrag leisten. – Danke schön. (Beifall bei den NEOS.)
12.51
Präsidentin Doris Bures: Jetzt hat sich aber vorher noch die Frau Bundesministerin zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Ministerin.
Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Frau Präsidentin! Werte Abgeordnete!
Werte Besucherinnen und Besucher! Ganz kurz, da sowohl Abgeordnete Rössler, Abgeordneter Berlakovich als auch Abgeordneter Bernhard schon auf die enorme Bedeutung sowohl der Genfer Luftreinhaltekonvention als auch des zugehörigen Göteborgprotokolls für den Gesundheitsschutz, für den Umweltschutz in unserem Land eingegangen sind: Das ist ein zentrales und erfolgreiches Vertragswerk der europäischen und der internationalen grenzüberschreitenden Luftreinhaltung und des internationalen und grenzüberschreitenden Gesundheitsschutzes, und deswegen darf ich Sie alle wirklich ersuchen, dieser Ratifikation heute Ihre Zustimmung zu erteilen.
Es stehen wieder Vertragsverhandlungen an, und damit wir auch bei diesen Vertragsverhandlungen gut auftreten können, müssen wir auch Vertragspartei zum letztgültigen Stand werden. Daher darf ich Sie heute wirklich um die Zustimmung zur Ratifikation ersuchen.
Zentrale Elemente des Protokolls – und darauf möchte ich noch ganz kurz eingehen – sind ja die Emissionsreduktionsvorgaben für eine Anzahl von Schadstoffen sowie Emissionsgrenzwerte für relevante Quellen – aus den unterschiedlichen Quellen wie eben Industrie, Verkehr, Energieversorgung, Kleinverbrauch und Landwirtschaft. In Österreich ist die spezielle Transformation des Göteborgprotokolls bereits abschließend durch Unionsrecht, wie die NEC-Richtlinie – Kollege Laimer hat ja auch darauf hingewiesen –, sowie die nationale Umsetzung dieser Richtlinien im Emissionsgesetz-Luft 2018 und im Anlagen- und Verkehrsrecht erfolgt.
Ich darf an dieser Stelle schon berichten, dass wir seit 2020 außer für Ammoniak alle geltenden Reduktionsverpflichtungen einhalten, und auch bei Ammoniak haben wir mit der Ammoniakreduktionsverordnung einen Schritt gemacht, der auch für das laufende Jahr, also für 2024, dazu führt, dass wir mit der Einhaltung auch bei Ammoniak rechnen. Selbstverständlich finden sich auch im Luftreinhalteprogramm, das wir gestern im Ministerrat beschlossen haben, im österreichischen Luftreinhalteprogramm auf Seite 3 beziehungsweise detaillierter auf Seite 26 die geltenden Reduktionsverpflichtungen für Ammoniak wieder.
Wir haben im Zusammenhang mit Luft wirklich ein Thema des Gesundheitsschutzes für unsere Bevölkerung, und daher darf ich Sie wirklich um breite Zustimmung ersuchen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)
12.53
Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Franz Hörl. – Bitte.
Abgeordneter Franz Hörl (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Ich darf heute zum Göteborgprotokoll sprechen – ich habe es hier in der Hand (ein Exemplar in die Höhe haltend); ich werde es nicht vorlesen. Das Göteborgprotokoll ist – Frau Kollegin Rössler hat es ohnehin schon vorgestellt – aus 1979, mit späteren Änderungen und Ergänzungen 1999, 2012. Es ist ein internationales, weltweites Abkommen zur grenzüberschreitenden Reduktion von Luftschadstoffen und deshalb auch für EU-Bürger von Bedeutung.
Warum Göteborg? – Göteborg ist die zweitgrößte Stadt in Schweden und ist international.
Österreich ist seit 1983 dabei, es wurden seither acht Protokolle erarbeitet, mit Verpflichtungen, die jährlichen Emissionen zu reduzieren, und Bundesminister Schallenberg legt es jetzt zur Ratifizierung vor.
Seit 1979, also seit 45 Jahren, gibt es Bestrebungen, gemeinsam vorzugehen und die Wirkung von verschiedenen grenzüberschreitenden Luftschadstoffen auf Umwelt und menschliche Gesundheit zu reduzieren. Ich denke, wir sind dabei sehr erfolgreich, denn: Schwefeldioxid minus 76 Prozent, Kohlenmonoxid minus 50 Prozent, flüchtige organische Verbindungen ohne Methan minus 53 Prozent, Methan minus 38 Prozent, Stickoxide minus 34 Prozent, Ammoniak minus 19 Prozent, sodass man, glaube ich, schon auch einmal das Positive darstellen und sagen kann, dass das internationale Vorgehen richtig ist. Zum Unterschied
vom Wetter, das wir ja lokal erleben, müssen eben Klimaschutz und Umweltschutz global gesehen werden.
Seit 2012 ergänzt: Verpflichtungen zur Reduktion von Feinstaub PM2,5 – minus 44,5 –, und die Rußpartikel wurden auch reduziert.
Es ist in unser aller Interesse, Umwelt und Gesundheit und natürlich auch das Klima zu schonen, aber es sollten nicht so wie in den Coronajahren 2020 bis 2023 gute Umweltdaten nur aufgrund eines gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Stillstandes entstehen, sondern langfristig muss es eben so sein, dass Umwelt- und Klimaschutz kein Gegensatz zur wirtschaftlichen Entwicklung und kein Gegensatz – Kollege Bernhard hat recht – zur Pflege des Standortes hier in Österreich sind, denn das ist die Voraussetzung dafür, dass wir einen entsprechenden Wohlstand in unserem Lande haben, und die Kunst ist es eben, das in die Reihe zu bringen.
Beim Lkw-Verkehr, darauf möchte ich schon einmal hinweisen, sind die spezifischen Emissionen pro Kilometer seit 1995 durch bessere Motoren, bessere Technik, Abgastechnik, und eine bessere Kraftstoffqualität gesunken. Die Schwefeldioxidemissionen verringerten sich sogar um 99 Prozent, die CO2-Emissionen zwar nur um 8,5 Prozent, das erscheint wenig, aber dies, obwohl die Fahrleistung der Lkws in diesem Zeitraum um 34,5 Prozent zugenommen hat. Wenn man bedenkt, wie viele Kilometer mehr gefahren wurden, sieht man, dass auch das ein großer Erfolg ist.
Fortschritte, und davon bin ich überzeugt, basieren auf Forschung und Entwicklung. Und unsere Probleme, Frau Bundesminister – ich sage es immer wieder –, werden Techniker und Wissenschaftler und nicht die Ideologen lösen. Daran glaube ich fest. (Beifall bei der ÖVP.)
Wir müssen uns natürlich Umweltschutz auch leisten können. Dazu folgende Zahlen: 7 Prozent der Weltbevölkerung leisten ein Fünftel des globalen BIP, 10 Prozent der Emissionen stehen 40 Prozent der Klimaschutzfinanzierung
gegenüber. Diese Relation muss man, glaube ich, auch bedenken. Und wir müssen auch die Kraft und die finanzielle Möglichkeit haben, uns entsprechend weiterzuentwickeln.
Frau Bundesminister, Ihnen liegt seit Kurzem der Entwurf über die im Trilog beschlossenen herabgesetzten Emissionsrichtwerte aus Brüssel vor – das Land Tirol wartet ja schon lange darauf. Die nationale Umsetzung werden Sie, wie ich Sie kenne, rasch vorantreiben; das vermute ich. Insbesondere die Reduktion bei Feinstaub PM2,5 von 25 Mikrogramm auf 10 Mikrogramm macht doch sehr nachdenklich. Österreichweit gibt es nämlich Luftsanierungsgebiete, die teilweise fast deckungsgleich mit den jeweiligen Industrie- und Produktionsgebieten sind. Oft sind diese Gebiete auch attraktive Wohngebiete, denken Sie allein an Graz und Umgebung.
Wir haben dringend darauf zu achten, dass ein konkurrenzfähiger Standort als Grundlage des Wohlstandes erhalten wird, abgesehen davon, dass gerade diese dicht besiedelten Gebiete, die attraktive Wohngebiete sind, Nöte bei den Heizungssystemen in Bezug auf Feinstaub haben.
Ich bitte Sie daher, Frau Bundesminister, da mit Augenmaß vorzugehen und zu bedenken, dass wir unseren Wohlstand und den Umweltschutz erhalten müssen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)
12.58
Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Herr Abgeordneter Nikolaus Prinz zu Wort. – Bitte.
Abgeordneter Nikolaus Prinz (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Es ist schon ein paarmal gesagt worden, worum es bei diesem Tagesordnungspunkt geht. Österreich hat ja das Göteborgprotokoll schon im Jahre 1999 unterzeichnet und das Protokoll ist seit Mai 2005
völkerrechtlich in Kraft. Der heutige Beschluss ist eigentlich nur deshalb notwendig, damit die endgültigen Texte in Rechtskraft treten können.
Es ist auch schon einige Male erwähnt worden, dass Schadstoffe, Treibhausgase natürlich keine Ländergrenzen kennen, und darum ist es gut, das international zu sehen. Da die Schadstoffe eben keine Ländergrenzen kennen, ist es, glaube ich, wichtig, dass Europa aufpasst, welche Bestimmungen es macht, nämlich im Hinblick auf Arbeitsplätze, Industrie, Beschäftigung und so weiter.
Man weiß – ohne mit Zahlen zu arbeiten –, dass China in etwa das Dreifache dessen emittiert, was ganz Europa emittiert. Ich denke daher, dass wir aufpassen müssen und schauen müssen, dass wir sozusagen einen vernünftigen Gleichklang haben, was die Umweltvorgaben und die Wirtschaft und die Industrie betrifft, denn es geht auch um die Erhaltung der Arbeitsplätze, damit wir nicht eine Abwanderung haben und dann sozusagen die Verschmutzung zurückkommt. Da müssen wir also aufpassen. (Präsident Hofer übernimmt den Vorsitz.)
Aus meiner Sicht ist eines ein Thema – ich weiß nicht, Kolleginnen und Kollegen, wie es euch da geht –: Wenn man im Sommer in der Natur ist – vielleicht bei der Arbeit so wie ich als Bauer –, dann kann man bei schönem Wetter relativ gut die Kondensstreifen am Himmel beobachten, wenn die Flieger fliegen. Wenn man bedenkt, wie viel davon man in den Jahren 2020, 2021 beobachten konnte, und zum Beispiel den letzten Sommer oder die Gegenwart hernimmt: Der Flugverkehr ist wieder total auf dem alten Level, wenn er nicht sogar mehr geworden ist.
Ich glaube, dass ein Einsatz in Richtung Kerosinbesteuerung ein ganz wichtiger Punkt ist, wobei ich schon weiß: Österreich allein kann das nicht machen, sondern eigentlich müsste man es weltweit machen, denn im Vergleich zu den Preisen der Billigflüge ist ja jede Zugfahrt wesentlich teurer. Somit wird man zu den Billigflügen greifen. Also Kerosinbesteuerung wäre ein wesentlicher Punkt in Richtung weniger Luftverschmutzung und mehr Vernunft.
Klima- und Umweltschutz sind natürlich für uns alle ein wichtiges Thema. Wenn man mit offenen Augen unterwegs ist, dann weiß man auch, dass sich etwas verändert. Ich glaube aber, dass es wichtig ist, dass wir Klimaschutz mit Hausverstand machen und ihn so gestalten, dass die Mehrheit der Bevölkerung mitgeht. Aktionen wie von den Klimaklebern erreichen genau das Gegenteil. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.) Die Politik ist wie schon gesagt gefordert, Klimaschutz und Verbesserungen für die Umwelt so zu gestalten, dass wirklich die breite Masse den positiven Weg der Veränderung mitgeht. Daran werden wir auch in der Zukunft weiterarbeiten. (Beifall bei der ÖVP.)
Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.
Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.
Wir gelangen nun zu den Abstimmungen über Tagesordnungspunkt 4: Antrag des Umweltausschusses, den Abschluss des Staatsvertrages: Protokoll zu dem Übereinkommen von 1979 über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung betreffend die Verringerung von Versauerung, Eutrophierung und bodennahem Ozon, in 2464 der Beilagen gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 Bundes-Verfassungsgesetz zu genehmigen.
Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.
Ich lasse jetzt über den Antrag des Umweltausschusses, wonach dieser Staatsvertrag im Sinne des Art. 50 Abs. 2 Z 4 Bundes-Verfassungsgesetz durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen ist, abstimmen.
Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben, ebenfalls um ein entsprechendes Zeichen. – Auch das ist einstimmig angenommen.
Wir gelangen nun zu den Abstimmungen über Tagesordnungspunkt 5: Antrag des Umweltausschusses, den Abschluss des Staatsvertrages: Entscheidung 2012/2 zur Änderung des Wortlauts und der Anhänge II bis IX des Protokolls von 1999 betreffend die Verringerung von Versauerung, Eutrophierung und bodennahem Ozon und Aufnahme der neuen Anhänge X und XI, in 2465 der Beilagen gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 Bundes-Verfassungsgesetz zu genehmigen.
Wer dazu seine oder ihre Zustimmung gibt, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.
Ich lasse jetzt über den Antrag des Umweltausschusses, wonach dieser Staatsvertrag im Sinne des Art. 50 Abs. 2 Z 4 Bundes-Verfassungsgesetz durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen ist, abstimmen.
Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.
Bericht des Umweltausschusses über die Regierungsvorlage (2432 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Altlastensanierungsgesetz, das Umweltförderungsgesetz und das Umweltkontrollgesetz geändert werden (ALSAG-Novelle 2024) (2479 d.B.)
Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir kommen nun zum 6. Punkt der Tagesordnung.
Auf eine mündliche Berichterstattung ist verzichtet worden.
Zu Wort gelangt Frau Dr.in Astrid Rössler. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.
Abgeordnete Dr. Astrid Rössler (Grüne): Herr Präsident! Noch einmal herzlich willkommen, Frau Bundesministerin! Kolleginnen und Kollegen! Besucherinnen und Besucher! Wir freuen uns immer, wenn wir nicht unter uns sind. Der
Gegenstand jetzt ist die ALSAG-Novelle. Es geht, wie allseits bekannt, um das Altlastensanierungsgesetz.
Das hört sich jetzt vielleicht ein bisschen technisch an, aber vielleicht haben Sie es einmal erlebt, dass jemand Trinkwasser aus einem Hausbrunnen hat, das plötzlich nicht mehr die geeignete Qualität hat. Dann fängt man an zu suchen: Was ist der Grund? Die Wasserwerte sind schlecht, die Gemeinde ruft an: Trinkwasser nicht nutzen! Wir haben da ein Problem! – Dann stellt sich vielleicht heraus: Der Untergrund ist schwer belastet, mit Substanzen, Abfällen – legal oder illegal –, und auf einmal beginnt ein Kreislauf, um herauszufinden: Was ist da los?
Das österreichische Modell, seit 35 Jahren sehr bewährt: Es gibt einen großen Sanierungstopf mit Geldern, zweckgebundenen Mitteln aus der Abfallwirtschaft, die genau dafür da sind, Kontaminationen im Untergrund, Altlasten nicht nur zu erheben, sondern dann auch zu überlegen: Was kann man tun, um das zu sanieren oder zumindest zu sichern? Man kann nicht bei allen Altlasten tatsächlich so sanieren, dass der Untergrund nachher völlig unbelastet ist. Das geht in manchen Fällen gar nicht.
Österreich hat doch einige sehr erschreckende Fälle von Altlasten gehabt. Beispiele: Die Fischer-Deponie vor vielen Jahren: Dort gab es unglaubliche Mengen an illegalen Industrie- und Gewerbeabfällen. Es gab aber auch andere Rohstoffe von Raffinerien, Chemieparks, chemischen Putzereien, die oft im Untergrund lange Abwasserfahnen produziert haben. Das waren also schon ganz erhebliche Probleme.
Es waren manchmal illegale – um nicht zu sagen: kriminelle – Verhaltensweisen, die dazu geführt haben, dass Abfälle wo gelandet sind, wo sie nicht hingehört hätten. Es kommen aber auch neue Substanzen dazu, und das betrifft die Pfas, die per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen.
Das sind Substanzen – man liest es jetzt immer öfter –, die plötzlich im Grundwasser, auch im Trinkwasser auftauchen, und das sind ganz neue Herausforderungen. Da ist es extrem wichtig, zu wissen, es gibt Fördermittel für die Sanierung beziehungsweise Sicherung, doch es gibt noch keine wirkliche Entsorgungsmöglichkeit für kontaminierten Untergrund. Derzeit ist ein großer Fall, der mit der Prioritätenklasse eins vordringlich behandelt wird, die große Pfas-Altlast am Flughafen Salzburg aus jahrelangen Feuerlöschübungen. In den Schäumen sind diese Pfas, und das produziert inzwischen ganz ordentliche Probleme. Es ist ein sehr, sehr aufwendiger Prozess mit vielen, vielen Maßnahmen allein zur Absicherung, um das neue Eindringen in den Grundwasserstrom zu verhindern.
Wir sind sehr, sehr froh, dass mit dieser ALSAG-Novelle jetzt das Gesetz modernisiert wird: Sie bringt neue Verfahrensbestimmungen, viel Beschleunigung und Klarheit, was die Ausweisung von Altlasten betrifft. Es wird aber auch die Grundlage geschaffen: Was macht man denn mit sanierten Flächen? Das ist der wichtigste Punkt: dass man tatsächlich ein Modell entwickelt hat, eine Förderschiene zur Entwicklung von Brachflächen auf alten Standorten, mit oder ohne Kontaminationen. Es ist extrem wichtig zu wissen, dass man Gelder für ein Konzept, für Untergrunduntersuchungen, auch für Bauwerksuntersuchungen hat.
Es ist ein höchst attraktives Fördermodell für Gemeinden, Projektentwickler, Grundeigentümer für Standorte in ortsnaher Lage. Die Altlastensanierungskommission bewertet und empfiehlt, die entsprechenden Fördermittel freizugeben. Es gibt hohe Förderquoten – für alle, die damit vielleicht zu tun haben könnten –: 75 Prozent für das Entwicklungskonzept bis 60 000 Euro, 75 Prozent für die Untersuchungen von Untergrund und Bauwerk und für besonderen standortgebundenen Mehraufwand 50 Prozent bis 15 000 Euro. Das ist ein hoch attraktives, extrem wichtiges Instrument, mit dem wir alte Standorte weiterentwickeln und vor allem neuen Flächenverbrauch hintanhalten können. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)
13.08
Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Abgeordneter Dietmar Keck. – Bitte, Herr Abgeordneter.
Abgeordneter Dietmar Keck (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Das Ziel dieser ALSAG-Novelle ist eine stärkere Verknüpfung von Altlastensanierung und Flächenrecycling – das hat ja Kollegin Rössler vorhin schon gesagt –, um auch den Flächenverbrauch zu reduzieren. Ich denke da sehr massiv auch an meine Firma, die ja aus den ehemaligen Hermann-Göring-Werken entstanden ist, die bei Beendigung des Zweiten Weltkriegs massiv bombardiert wurden. Sprengmittel gehören ja genauso zu Altlasten wie alle anderen, und teilweise konnten Flächen nicht genutzt werden, weil wir nicht wussten, was da darunter ist.
Da ist auch bei uns mit einem Altlastensanierungsprogramm begonnen worden und man hat sich diese Flächen angesehen. Da ist teilweise bis zu 30 Meter tief der Erdaushub vorgenommen worden, weil ein Gerät angezeigt hat, dass da irgendein Metall drunter ist. Es wurden teilweise auch noch Sprengmittel, aber auch andere Dinge gefunden. Beim Wiederaufbau des Werkes damals ist auch nicht besonders auf die Kontaminierung geschaut worden, sondern es ist halt alles in der Erde belassen worden. Da sind wirklich große Flächen im Zuge einer Altlastensanierung bereinigt worden, und man konnte dort wieder Anlagen draufstellen, was vorher nicht gegangen ist.
Daher begrüßen wir auch diese ALSAG-Novelle speziell für diese Firmen, die versuchen, sich zu verbreitern, und wo der dafür vorhandene Boden wie bei uns ohnehin sehr, sehr knapp bemessen ist. Wir werden natürlich dieser ALSAG-Novelle zustimmen und auch in Diskussionen mit den Firmen dafür sorgen, dass die Maßnahmen, die da getroffen werden, auch angenommen werden. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Schmuckenschlager.)
13.09
Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Abgeordneter Maximilian Linder. – Bitte schön, Herr Abgeordneter. (Rufe bei der ÖVP: Der Maxl! – Abg. Michael Hammer: Das ist ihm wichtig, das Thema, das hat er im Ausschuss schon gesagt! – Abg. Linder – auf dem Weg zum Redner:innenpult, erheitert –: Hat schon irgendwer Respekt jetzt, oder wie?)
Abgeordneter Maximilian Linder (FPÖ): Sehr geehrte Frau Minister! Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen! Geschätzte Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie! Die Novelle zum Altlastensanierungsgesetz ist grundsätzlich eine Gesetzesänderung, die durchaus positiv ist. Wir werden sie auch mittragen.
Positiv ist, dass Altlasten mit einem geringen Gefährdungspotenzial einen Beobachtungsstatus bekommen, sodass man sie nicht gleich sanieren muss, sondern einmal schaut: Was ist drinnen? Was passiert? Wie geht es vor sich? Positiv ist auch, dass Haftungsfragen klargestellt werden, dass die Verursacherhaftung auch auf Rechtsnachfolger übergeht, im Gegenzug aber die Liegenschaftseigentümerhaftung entfällt. Ich glaube, auch das ist ein wichtiger Bereich.
Flächenrecycling, finanzielle Hilfe bei den Untersuchungen, Sanierung von Risikoflächen: Ich glaube, auch uns Gemeinden kommt das sehr entgegen. Wir kennen das: Es sind oft gewisse Flächen – Betriebe, die aufgelassen sind –, die niemand mehr haben will, weil jeder Angst davor hat. Ich glaube, da hat man die Chance, das eine oder das andere wieder zu revitalisieren, Flächen wieder in Anspruch zu nehmen und zu nützen.
Im Zuge dessen haben wir aber beim Altlastensanierungsbeitrag auch ganz intensiv folgendes Thema diskutiert – und das berührt natürlich mich als Bürgermeister sehr –: Im Fall von Unwetterkatastrophen, Muren, Geschiebematerial, das durch Katastrophen mit in die Orte hinunterkommt, das unten
liegen bliebt, ist es zu 99 Prozent der Fall, dass der Einsatzleiter der Bürgermeister ist. Auch wenn es einen Krisenstab gibt, einen Einsatzstab gibt, die Verantwortung für diese Maßnahmen trägt der Bürgermeister, und wenn etwas danebengeht, damit auch die Haftung. Es geht da ganz im Speziellen um die Verbringung von Murenmaterial, auch ohne Katastrophen das Räumen von Rückhaltesperren, von Ablagerungsflächen. Da gibt es nach wie vor einen Graubereich in Verbindung mit dem ALSAG-Beitrag.
Vielleicht für die Zuhörer: Altlastensanierungsbeitrag heißt, dass du pro Tonne mindestens 10 Euro bezahlen musst. Ich kenne einen Bürgermeister (Abg. Michael Hammer: Ich kenne auch einen! Ich bin sogar einer!), das hab ich schon gesagt, einen ÖVP-Bürgermeister, der im Nachhinein mit seiner Gemeinde für eine große Menge Material den Altlastensanierungsbeitrag bezahlen musste, und davor haben die Gemeinden, die Bürgermeister natürlich große Angst.
Herkommen tut das Ganze von einer EU-Abfallwirtschaftsrichtlinie, die besagt, dass Material, Geschiebematerial als Abfall einzustufen ist. Für mich ist das wieder so bezeichnend, dass wir bei uns das Material, das unsere Gebirgsbäche, die Trinkwasserqualität haben, unsere Flüsse, die nahezu alle Trinkwasserqualität haben, mitbringen, automatisch als Abfall einstufen. Ich glaube, da müssen wir umdenken. Wir dürfen uns nicht dieser ewigen Gleichmacherei der EU unterziehen und unterwerfen.
Ein bissel enttäuscht war ich – Kollege Schmuckenschlager, ich glaube, du bist eh der Nächste, der herauskommt –: Nein, das ist kein Skandalisierungsversuch der FPÖ, dass wir da etwas aufzeigen, sondern das ist etwas, das uns Bürgermeister in der täglichen Arbeit oder bei der Abwicklung von Katastrophen belastet. Deswegen glaube ich, wir sollten gemeinsam schauen, dass wir eine Lösung finden, die für uns Gemeinden tragbar ist und vor allem auch für die Bürgermeister weitestgehend Rechtssicherheit herstellt, denn wir haben in der Diskussion mit Sektionschef Holzer sehr wohl erkannt, dass es Probleme gibt und dass die Gefahr der Haftung für die Bürgermeister natürlich da ist.
Wir wissen alle, der Bürgermeister haftet wirklich noch persönlich, was viele von uns hier im Nationalrat gar nicht kennen: dass du als Politiker für Maßnahmen, für die du oft gar nicht unbedingt etwas kannst, haftest, sogar mit deinem Privatvermögen. Deshalb, glaube ich, ist das Thema ernst, und wir sollten uns ohne politischen Streit einmal zusammensetzen und da eine gemeinsame Lösung suchen. – Danke. (Beifall bei Abgeordneten der FPÖ.)
13.14
Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Abgeordneter Johannes Schmuckenschlager. – Bitte, Herr Abgeordneter.
Abgeordneter Johannes Schmuckenschlager (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren! Es tut mir leid, wenn der Vorredner enttäuscht ist. Von Ihrer Fraktion bin ich schon lange nicht mehr enttäuscht, weil da die Erwartungen nicht mehr allzu hoch sind. (Beifall bei der ÖVP.)
Geschätzte Damen und Herren! Wir müssen bei diesem Thema schon auch seriös bleiben, und ich glaube, dieses Altlastensanierungsgesetz ist wirklich ein Erfolgsmodell, denn wir sehen, wie wir über Jahrzehnte mit einer nachhaltigen Politik zu einer Verbesserung des Umweltstandards in Österreich gekommen sind. Wir haben es dort, wo wir kontaminierte Böden haben, geschafft, auch etwas zu renaturieren, zu verbessern, nicht mehr nur zuzudecken, sondern wirklich aufzuarbeiten. Da sind enorme Summen in Bewegung, und wir sehen, dass wir diese Altlasten schon Stück für Stück abgearbeitet haben.
Daher haben wir Möglichkeiten, uns jetzt in diesen Budgets auch neuen Themen anzunähern, zum Beispiel der Frage des Flächenrecyclings bei alten Industrieanlagen et cetera. Ich glaube, das ist sehr, sehr notwendig, denn der sorgsame Umgang mit der Ressource Boden betrifft uns ja alle, und wenn wir diese Möglichkeiten haben, alte Böden wieder in die Bewirtschaftung und in die Bespielung zu bekommen, sollen wir das durchaus nutzen.
Die Thematik rund um die Altlastensanierungsgebühren bei den Gemeinden, die vorhin angesprochen worden ist, ist ganz klar geregelt: Dort, wo es ein Katastrophenfall ist, entfallen diese Altlastensanierungsgebühren. Das muss man schon sagen. Wenn man sich hierherstellt und sagt: Die Bürgermeister sind dann in der Ziehung, sie haben die Verantwortung!, und dergleichen: Ja, das ist richtig, das wissen wir. Ich glaube, gerade die Fraktion der Österreichischen Volkspartei hat die meisten Bürgermeister hier im Haus, aber in jeder Fraktion sind Bürgermeister, also da sollten wir uns auch nichts aufrechnen.
Das Thema ist schon, dass man auch damit seriös umgehen muss. Wenn es eben keine Last gibt, dann kann man auch nicht sagen, da gehört eine Erleichterung her, weil die Bürgermeister und die Gemeinden in der Ziehung sind. Wenn es das gibt, dann muss man darüber reden. Was aber natürlich unter die Verantwortung fällt, ist, wie man, wenn etwas aufgeräumt wird, dann mit diesen Materialien umgeht.
Natürlich kann es sein, dass es bei einer Mure et cetera sogar aus einem Naturschutzpark eine Geröllmenge oder irgendeine Erdbewegung gibt. Wenn die aber über eine Tankstelle drüberläuft und dann natürlich eine Kontamination da ist, muss man das auch gesondert entsorgen. Da müssen wir über die Kosten reden, dass die eben nicht bei der Kommune hängen bleiben. Da gibt es viele Verantwortlichkeiten bei Land und Bund. Wir haben aber sehr oft auch die Situation – und ich glaube, auch dafür gibt es Beispiele –, dass gerade in diesen Fällen auch der Katastrophenfonds eingeschaltet wird, dass dann Bundesmittel in Bewegung gesetzt werden, denn das ist schon eine Grundverantwortung, dann nicht zu sagen, wir streuen kontaminiertes Material in der ganzen Gegend aus, womit wir dann erst recht wieder kontaminierte Böden haben. Also diese Sorgsamkeit sollten wir haben.
Ich glaube, alles in allem ist es gut, im Altlastensanierungsgesetz jetzt auch Erweiterungen zu haben, es auch als eigene Rechtsmaterie aus dem Abfallwirtschaftsgesetz heraußen zu haben, und generell müssen wir aber auch im
Abfallwirtschaftsgesetz, glaube ich, noch weitere Schritte setzen. Da sind wir ja auch in Verhandlungen.
Ich glaube, ein Riesenthema, das uns in Zukunft noch stärker betreffen wird, ist auch die Frage: Wie gehen wir mit den Akkus in den Geräten um? Das müssen wir im Abfallwirtschaftsgesetz regeln, uns da bis hin zu einem Pfandsystem entwickeln, denn die Frage der Abfallverwertung mit der Gefahr des Brandes und der Entzündung dieser Geräte haben wir heute nicht nur in den Haushalten, sondern auch bei den Entsorgern – ein Riesenproblem, das da auf uns zukommt. Wir haben also genug zu tun, aber ich glaube, gerade beim Altlastensanierungsgesetz gibt es auch Grund zur Freude darüber, dass heute in Österreich ein guter umwelttechnischer Standard herrscht. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)
13.18
Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Abgeordneter Michael Bernhard. – Bitte, Herr Abgeordneter.
Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Herr Präsident! Frau Ministerin! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Ja, zum Altlastensanierungsgesetz: Es ist schon viel darüber gesagt worden. Wir haben im Umweltausschuss damals sehr, sehr massiv diskutiert – nicht wegen des Inhalts des Gesetzes, sondern wegen der Vorgehensweise des Ministeriums.
Die Novelle ist eigentlich im Umweltministerium, später im BMK knapp fünf Jahre gelegen, und dennoch war es notwendig, dass man uns weniger als 24 Stunden vor der Abstimmung im Ausschuss dann einen Abänderungsantrag schickt. Also wenn man fünf Jahre Zeit hat, sollte es, so finden wir, im parlamentarischen Prozess schon möglich sein, fertige Novellen in einen Umweltausschuss zu bringen, sodass sich Parlamentarier auch vorbereiten können, bevor sie zu einer Abstimmung genötigt sind. (Beifall bei den NEOS.)
Wir haben mit vielen Stakeholdern darüber gesprochen, wie denn diese Altlastensanierung derzeit empfunden wird, wie sich die Novelle auswirken wird, und wir haben weitestgehend positives Feedback bekommen, Frau Ministerin. Das haben wir auch im Ausschuss schon gesagt, dass wir deutliche Verbesserungen sehen, gerade beim Verursacherprinzip, dass nämlich, wenn eine Kontaminierung stattfindet und man die Liegenschaft dann in Unkenntnis kauft und erst später draufkommt, der ursprüngliche Verursacher zur Kasse gebeten werden kann und man nicht plötzlich vor einer fast unlösbaren Aufgabe steht.
Wir sehen auch positiv, dass man durch diese neue Vorgehensweise und die Effizienz – man hat gesagt, man schaut sich vorher an, ob man das reparieren kann, ob quasi saniert werden muss – bis 2050 Einsparungen in der Sanierung der Altlasten in Höhe von 4 bis 6 Milliarden Euro haben wird. Das finden wir ebenfalls sehr positiv.
In der Debatte, die Kollegin Astrid Rössler angestoßen hat – nämlich über die Pfas und die Kontaminierung am Flughafen in Salzburg –, sind wir natürlich ganz der Meinung, dass man das rasch auflösen muss. Ich würde nur bitten, dass wir bei diesen umweltspezifischen Materien immer auch bei den Fakten bleiben; die Pfas sind ja eine sehr große Gruppe an Chemikalien und wir sind gerade in einer politischen Debatte, was das in der Frage der Abgrenzung genau bedeutet. Innerhalb der Pfas gibt es beispielsweise die Fluorpolymere, zu denen es eine Reihe von Gutachten gibt, die besagen, dass sie in keinster Weise umwelt- oder gesundheitsschädlich sind. Sie werden aber in der Gruppe der Pfas mitgenannt und oft mitgemeint.
In Österreich gibt es aber eine Industrie, deren Produktion auf diesen gesundheitlich unbedenklichen Stoffen basiert und die für die ganze Welt produziert. Das heißt, wenn wir Stoffe, die nicht gesundheitsschädlich oder umweltschädlich sind, in Österreich oder auch in der Europäischen Union verbieten, dann verbieten wir teilweise eine Industrie, die sich dann woanders ansiedelt. Bei unbedenklichen Stoffen sind wir NEOS jedenfalls der Meinung, dass das nicht gerechtfertigt ist.
An dieser Stelle möchte ich gesagt haben: Wir sind sehr froh, dass wir als NEOS durch unser Drängen von 2018 bis heute – auch das BMK, Frau Ministerin, ich weiß, dass Sie das auf dem Radar haben – den Druck ausreichend hochhalten konnten, dass auch die Themen Flächenrecycling und Flächenverbrauch immer stärker in den Vordergrund rücken. Wir meinen, dass wir überall dort, wo der Bund heute eine Kompetenz hat – leider viel zu selten – den Flächenverbrauch so adressieren sollten, dass es zu weniger Verbrauch und zu einer besseren Nutzung des Bodens kommt.
Abschließend: Ich finde es besonders bemerkenswert, dass es eine Reihe von ÖVP-Abgeordneten gibt, die uns dann von hier heraußen aus sagen, wie toll wir die Böden neu verwenden können, und sich gleichzeitig, wenn sie das Parlament verlassen (Ruf bei der ÖVP: So ein Blödsinn!), hauptsächlich darum bemühen, dass so viel Fläche wie noch nie verbraucht werden kann, ohne dass es bundeseinheitliche Ziele und Grenzwerte gibt, die der Versiegelung Österreichs endlich ein Ende setzen. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)
13.22
Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer Stellungnahme hat sich nun Frau Bundesministerin Gewessler zu Wort gemeldet. – Bitte schön, Frau Bundesministerin.
Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Herr Präsident! Werte Abgeordnete! Werte Zuseherinnen und Zuseher hier im Hohen Haus, aber auch zu Hause via Livestream! Ich freue mich wirklich außerordentlich, dass wir heute im Nationalrat ein Umweltgesetz, und zwar ein enorm wichtiges Umweltgesetz, auf der Tagesordnung haben.
Das Altlastensanierungsgesetz und die Novelle, die Sie heute diskutieren, ist ohne Zweifel ein Meilenstein in der Abfallwirtschaft, in der Altlastensanierung, in der Umweltgesetzgebung in dieser Legislaturperiode. Es verbessert nämlich ein
seit 35 Jahren bestehendes Modell zur Sanierung von Altlasten, das schon aus der Historie her einzigartig ist: Im gesamten EU-Raum gibt es kein vergleichbares Finanzierungsmodell, das zweckgebunden Abgaben aus der Abfallwirtschaft ausschließlich der Altlastensanierung zuführt. Mit dieser Novelle holen wir dieses Gesetz jetzt in ein neues Zeitalter, und da muss ich sagen, es freut mich wirklich außerordentlich, dass wir das heute hier beschließen können. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Was kann diese Novelle? – Es ist in unterschiedlichen Redebeiträgen schon angeklungen. Ich möchte mit einer tatsächlichen Vereinfachung beginnen. Warum? – Maßnahmen zur Sicherung und Sanierung von Altlasten werden nach alter Rechtslage auf Basis von Wasserrechtsgesetz, Gewerbeordnung, Abfallwirtschaftsgesetz beauftragt und bewilligt. Diesen Materiengesetzen liegt ein Prinzip zugrunde, das bei Altlasten oft dazu führt, dass man extrem teure und auch wenig praktikable Sicherungs- und Sanierungsmaßnahmen durchführt.
Das Ziel der gegenständlichen Novelle ist zweifach, nämlich einerseits ändern wir das ALSAG von einem reinen Finanzierungsgesetz tatsächlich zu einem eigenständigen Materien- und Verfahrensgesetz – das macht es damit klarer, einfacher; Verwaltungsvereinfachung –, und andererseits sollen in Zukunft bei der Durchführung von Altlastensanierungsmaßnahmen die Besonderheiten von Standort und Nutzung berücksichtigt werden. Darauf hat Abgeordneter – ich glaube – Michi Bernhard gerade hingewiesen – Entschuldigung, ich war mir jetzt nicht mehr sicher. Dabei geht es darum, das Reparaturprinzip in den Vordergrund zu stellen. Dadurch werden die Gesamtkosten für die Maßnahmen bei historischen Kontaminationen, also den Altlasten, die vor 1. Juli 1989 in unserem Land verursacht wurden, von über 10 Milliarden Euro auf rund 5 bis 6 Milliarden Euro reduziert. Damit ermöglichen wir die Bewältigung der Altlastensanierung in Österreich bis 2050 rasch und mit hohen Standards. Das sind wirklich gute Neuigkeiten. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Was mir aber besonders am Herzen liegt – das haben sowohl Abgeordnete Rössler als auch Abgeordneter Bernhard in Bezug auf dieses Gesetz schon
erwähnt –, ist das Thema Bodenschutz. Wir leben in einer Zeit, in der wir den Bodenschutz intensiv diskutieren, und das heißt natürlich auch, dass wir mit jeder Maßnahme, die wir setzen, in der Verantwortung sind. Wir haben auf Bundesebene auch tatsächlich Kompetenz, diesbezüglich Schritte zu setzen.
Deswegen ist das Thema Brachflächenrecycling ein besonders wichtiger Inhalt dieser Novelle. Mit der Novelle schaffen wir die Rechtsgrundlage für die zusätzliche Förderung von Untersuchungen und umweltbezogenen Maßnahmen bei brachliegenden ehemaligen Industrie- und Gewerbestandorten. Frau Abgeordnete Rössler hat die Förderung schon beschrieben; sie wird in Zukunft aus 5 Prozent der Beitragseinnahmen aus dem Altlastensanierungsbeitrag gespeist. Durch diese Förderung, durch diese Finanzmittel, die wir dazu zweckwidmen, machen wir es einfacher, alte Industriebrachen, die jetzt ungenutzt sind – weil man Sorge hat, was sich da verbirgt, weil es irgendwie kompliziert und aufwendig ist –, wieder zu nutzen, wodurch wir einen Beitrag zur Reduktion des Neuflächenverbrauchs in Österreich leisten.
Das Zweite beim Thema Bodenschutz – auch das ist in der Diskussion schon gefallen – sind die Haftungsregeln. Dabei geht es vor allem um den Entfall der subsidiären Liegenschaftseigentümerhaftung. Das bedeutet, dass die Eigentümer, Eigentümerinnen, die nicht zur Kontamination der Altlast beigetragen haben, auch nicht mehr haften müssen. Dadurch steigt natürlich die Attraktivität der Nachnutzung, aber die Wertsteigerung, die wir mit der Sanierung und mit der Finanzierung der Sanierung erreichen, wird abgeschöpft. Das ist ein wirklich innovatives und gescheites Modell in diesem Gesetz: Der Liegenschaftseigentümer, der die Altlast nicht verursacht hat, muss zwar nicht die Sanierung und die Sicherung bezahlen, aber er wird dadurch auch nicht bereichert. Damit schaffen wir es, in einem volkswirtschaftlichen und sozialen Sinn, diese Altflächen wieder wirklich sinnvoll in die Nutzung zu kriegen. Auch das ist ein wesentlicher Beitrag für den Bodenschutz. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Damit diese Flächen tatsächlich gut nutzbar sind und gut nutzbar werden, gibt es eine digitalisierte Darstellung der Altlasten und jener Altablagerungen und Altstandorte, für die mit diesem Gesetz zusätzliche Förderungsmöglichkeiten entstehen. Das wird eine GIS-basierte Onlinekarte unter www.altlasten.gv.at. Das steigert die Transparenz, das macht es für Gemeinden und die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister leichter, diese Flächen zu identifizieren und sie als Grundlage für Raumplanung mitzudenken und einzubeziehen.
Vor dem Hintergrund dieser Novelle haben wir im Umweltförderungsgesetz und im Umweltkontrollgesetz Adaptierungen vorgenommen. Es werden vor allem die notwendigen Rahmenbedingungen für die Förderung der Wiedernutzung von Brachflächen, die die Schwelle einer Altlast gemäß ALSAG nicht erreichen, geschaffen. Damit setzen wir einen weiteren Baustein zur Verringerung des Neuflächenverbrauchs um. Sie sehen: Die Freude bei mir ist groß, dass wir diese Novelle heute auf der Tagesordnung haben.
Ich möchte mit einem zweifachen Danke schließen, einerseits mit einem Danke an Sie alle für die breite Unterstützung dieses Gesetzes seitens der Fraktionen, die Sie schon jetzt in Ihren Redebeiträgen zugesichert haben, andererseits mit einem Dank an die Beamtinnen und Beamten bei mir im Haus, das ist Sektionschef Holzer mit seinem ganzen Team. Der Sektionschef arbeitet an dem Thema schon seit Jahrzehnten, das darf ich ohne Übertreibung sagen. Man kann sagen, dass er und sein ganzes Team gemeinsam dieses Altlastensanierungsgesetz mit wirklich hervorragender Arbeit ins nächste Jahrhundert gebeamt haben.
Das freut mich wirklich sehr, und deswegen einen großen Dank an die vielen engagierten Beamten und Beamtinnen im BMK. (Beifall bei den Grünen, bei Abgeordneten der ÖVP sowie des Abg. Bernhard.)
13.30
Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Joachim Schnabel. – Bitte, Herr Abgeordneter.
13.30
Abgeordneter Joachim Schnabel (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Frau Ministerin! Hohes Haus! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher hier im Plenum und vor den Bildschirmen! Das ist eine sehr konsensuale Debatte hier zur ALSAG-Novelle. Ich habe mir die Mühe gemacht, etwas in der Entstehungsgeschichte dieses Gesetzes zu kramen, denn wir feiern heuer das 35-jährige Jubiläum dieses Gesetzes; es war nämlich am 7. Juni 1989, als es hier im Nationalrat beschlossen wurde – eingebracht von einer visionären Ministerin, Frau Dr. Marilies Flemming, von der ÖVP, die in vielen Belangen sehr weitsichtig war und vor allem für das Land viel gemacht hat. Damals haben die zwei staatstragenden Parteien – auch wenn wir heute teilweise eine kontroverse Debatte gehabt haben –, die ÖVP und die SPÖ, es beschlossen, und die FPÖ war wie immer dagegen; mit einem: Ja, aber!, dagegen.
Genau heißt es: „Die Freiheitliche Partei [...] ist, obwohl wir die Notwendigkeit einer raschen Sanierung der Altlasten durchaus anerkennen, nicht überzeugt davon, daß dieses Gesetz ein taugliches Instrumentarium schafft.“ – Genau das Gegenteil ist hiermit bewiesen, nach 35 Jahren Gesetz: 300 Altlasten, viele Altlasten, die einer Sanierung zugeführt werden konnten, viele sanierte Altlasten, die einer guten Verwertung zugeführt werden konnten, beweisen das Gegenteil. Das Gesetz hat gewirkt. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)
Es gibt eine Parallele zu vielen Beschlüssen, die wir zum Thema Umwelt- und Klimaschutz in diesen Tagen fassen. Wir diskutieren eine Novelle des EAG, die notwendig ist, um die Energiegewinnung auf Erneuerbare umzustellen. Wir diskutieren, wie wir das EAG so ausbilden, dass es praxistauglicher wird. Herr Kollege Kassegger von der FPÖ sagt: Ja, wir wollen Klimaschutz, aber nicht so, wir sind nicht dabei! – Das ist die gleiche Diktion wie vor 35 Jahren.
Herr Kollege Ragger hat heute in der Früh in der Fragestunde die Ministerin gefragt, ob Windräder in Kärnten sinnvoll sind, weil man sie ja sehen würde. – Ich meine, das ist sowieso etwas perfid, weil Windräder auf der Koralm ja vor
allem auf der steirischen Seite stehen. Sie werden sie sehen, und wir Steirer und Steirerinnen können eben von dieser günstigen erneuerbaren Energie profitieren; es ist unverständlich, warum das in Kärnten nicht der Fall sein sollte. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen sowie Bravoruf des Abg. Litschauer.) Auf die Details werde ich jetzt nicht näher eingehen.
Wir haben auch in meiner Gemeinde eine Altlast, die mit diesem Altlastensanierungsgesetz saniert werden konnte. 12 000 Quadratmeter Fläche, 45 000 Kubikmeter Müll wurden gesichert, vor allem im Sinne des Grundwasserschongebietes konnte in meiner Gemeinde und für viele Damen und Herren in unserer Region das Grundwasser gesichert werden.
Damit bleibe ich aber auch beim Thema Grundwasser: Ich habe hier ein Dokument mitgenommen, das ist der Pfas-Aktionsplan (den genannten Aktionsplan in die Höhe haltend) – sehr frisch, sehr neu ausgedruckt. Herr Kollege Bernhard und Frau Kollegin Rössler haben ja schon ausführlich über Pfas gesprochen, das ist wirklich die Herausforderung unserer Zeit.
Ich möchte mit einem Appell und einer Bitte schließen: Wir haben nicht nur in Salzburg, sondern auch bei uns im Süden der Steiermark mit Pfas ein Problem. Die Feuerwehr- und Zivilschutzschule Lebring, die über Jahrzehnte sehr vorbildlich Feuerwehrmänner und Feuerwehrfrauen ausbildet, hat eben mit Löschschaum eine Kontamination verursacht. Im Mai 2021 hat man das herausgefunden, seither ist man dieser Verunreinigung auf der Spur. Wir brauchen da im Sinne des ALSAG eine Sanierung. Das ist jetzt mittlerweile fast drei Jahre im Laufen, bis dato ist die Abteilung 15 des Landes zuständig gewesen – sehr langsam, wie mir die Bürgermeisterkollegen Franz Labugger und Walter Novak mitteilen.
Wir brauchen da die entsprechende Schutzkategorie, damit im Sinne des ALSAG diese Sanierung durchgeführt werden kann, damit eben das Trinkwasser für unsere Region und vor allem für die Gemeinden Lebring-Sankt Margarethen und Tillmitsch in Zukunft gesichert ist. Frau Ministerin, das liegt jetzt meiner
Kenntnis nach beim Umweltbundesamt und das soll vorangetrieben werden, damit wir mit dieser ALSAG-Novelle auch das Problem Pfas in der Südsteiermark beheben können. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)
13.34
Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Martina Diesner-Wais. – Bitte, Frau Abgeordnete.
Abgeordnete Martina Diesner-Wais (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Meine Damen und Herren im Nationalrat! Werte Zuseher auf der Galerie, aber auch vor den Fernsehgeräten! Mit der folgenden Novellierung des Altlastensanierungsgesetzes wollen wir eine stärkere Revitalisierung von ehemaligen Industrie- und Gewerbestandorten vorantreiben.
Wir haben ein Fördersystem für das Brachflächenrecycling geschaffen, denn diese Gebiete waren einst das Rückgrat der industriellen Entwicklung und nun sind sie vernachlässigt und liegen meistens brach. Dies ist eine Verschwendung von wirklich wertvollen Ressourcen und bringt potenzielle Gefahren auch für die Umwelt mit sich. Das Recycling dieser Brachflächen ist daher eine große Chance, einerseits für eine nachhaltige Stadtentwicklung, andererseits aber auch hinsichtlich Schaffung von lebenswerten Räumen. Durch die Wiederverwendung dieser Gebiete können die Umweltbelastungen reduziert werden, es entstehen Chancen für ein Wirtschaftswachstum und es schafft Beschäftigung.
Eine Beschleunigung der Behebung der Altlasten entsteht dadurch, dass wir Verfahrensfristen setzen. Mit dieser Novelle wurde auch ein eigenes Verfahrensrecht geschaffen, damit kann die Altlastensanierung nun rasch und kostengünstig – natürlich unter Beibehaltung der hohen Gesundheits- und Umweltstandards – gewährleistet werden. Zudem enthält die Novelle ein
strenges Haftungssystem für Altlasten, in dem die Verpflichtung der Verursacher verstärkt wird.
In diesem Sinne machen wir mit dieser ALSAG-Novelle einen großen Schritt, einen Schritt hin zu mehr Schutz für die Bevölkerung, zur Sicherstellung von Umweltschutz und Wasserqualität und einen großen Schritt in Richtung weniger zusätzlichen Bodenverbrauch. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Disoski und Rössler.)
Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.
Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.
Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 2479 der Beilagen.
Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.
Wir kommen gleich zur dritten Lesung.
Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist einstimmig. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.
Bericht des Verkehrsausschusses über den Antrag 3872/A der Abgeordneten Andreas Ottenschläger, Hermann Weratschnig, MBA MSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Luftfahrtgesetz geändert wird (2489 d.B.)
Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir kommen nun zum 7. Punkt der Tagesordnung.
Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.
Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Hermann Weratschnig. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.
Abgeordneter Hermann Weratschnig, MBA MSc (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher hier und daheim! Im Namen der Frau Abgeordneten Blimlinger und der Frau Abgeordneten Ribo darf ich insbesondere die HTL Bulme aus Graz-Gösting herzlich hier im Saal begrüßen. (Beifall bei Abgeordneten von Grünen, ÖVP, SPÖ und NEOS.)
Ja, ein technischer Bereich: Es geht um das Luftfahrtgesetz, es geht um eine Änderung, die die Einsätze von Notarzt- und Rettungshubschraubern betrifft. Wir schaffen mit diesem Beschluss heute Rechtssicherheit für Pilotinnen und Piloten, für all jene Fälle, in denen es notwendig wird, bei Einsätzen zwischenzulanden, aufzutanken, für jene, die im 24-Stunden-Einsatz sind, die vor allem auch im Nachteinsatz sind und die die Zivilflugplätze außerhalb der Betriebszeiten nutzen. Es geht ausschließlich um Rettungsflüge. Ich glaube, das ist ganz wichtig, auch in Richtung aller Anrainerinnen und Anrainer: Es müssen keine Sorgen vorherrschen, dass wir damit im Bereich der Hubschrauberflüge Tür und Tor aufmachen; es geht ausschließlich um Rettungsflüge.
Es geht vor allem um jene Hubschrauber, die nachtflugfähig sind. Man geht davon aus, dass 5 Prozent aller Einsätze in der Nacht erfolgen. Wenn man sich eine Zahl vor Augen führt: Die meisten Einsätze werden von den 17 ÖAMTC-Hubschraubern in Österreich durchgeführt. 2023 waren das 57 Einsätze pro Tag, also da kommt schon einiges zusammen, die Hälfte davon internistische und neurologische Notfälle.
Es geht um eine Erleichterung, um eine rechtliche Klarstellung. An dieser Stelle, glaube ich, sollte auch unser Respekt gegenüber den Pilotinnen, den Piloten, den
Ärztinnen und Ärzten und allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die in den Leitstellen sitzen und das Ganze koordinieren, ausgesprochen werden. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Eine zweite wichtige Änderung ist die bedarfsgerechte Nachtkennzeichnung statt der Dauerbefeuerung bei Windrädern. Vielleicht zur Erklärung: Mit Befeuerung meint man die Lichtkennzeichnung von Windkraftanlagen, also das Rotblinken bei Windkraftanlagen, um auf Luftfahrthindernisse hinzuweisen. Die Steuerung sollte mit einem technischen Equipment in guter Abstimmung mit der Austro Control erfolgen, um diese bedarfsgerechte Nachtkennzeichnung sicherzustellen. Sie ist auf der einen Seite durch die Austro Control und auf der anderen Seite durch eine bordgesteuerte Technik bei den Flugobjekten sichergestellt.
Ich glaube, das sind zwei wichtige Änderungen im Luftfahrtgesetz, einerseits für die Windkraftanlagen, für die Anrainerinnen und Anrainer und für die Gemeinden. Es ist auch ein Anliegen, das aus den Gemeinden kommt, das technische Know-how, den Fortschritt der Technik auch einzusetzen. Zum Zweiten ist der Hauptpunkt, bei der Sicherung der Rettungshubschrauber und Notarzthubschrauber diese rechtliche Klarstellung zu machen.
Ich hoffe auf eine sehr breite Zustimmung. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)
13.41
Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Alois Stöger. – Bitte, Herr Abgeordneter.
Abgeordneter Alois Stöger, diplômé (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei dieser Gesetzesvorlage geht es darum, ein paar Probleme bei den Rettungsflügen zu beheben. Das ist grundsätzlich richtig, und dem kann man zustimmen. Es geht auch um ein paar
administrative Probleme, die ausgeräumt werden sollen. Das ist gut so. Das Thema der Lichtverschmutzung kann man angehen, das haben wir auch im Ausschuss positiv bewertet.
Ein bisschen haben wir das Gefühl, dass das ganze Thema Luftfahrt bei der Frau Ministerin nicht recht gut aufgehoben ist, denn mit der Luftfahrt will sie nicht anhängen. Daher hat die Luftfahrtindustrie ein bisschen das Gefühl, dass man zu wenig tut.
Wir haben aus diesem Grund ganz bewusst einen Abänderungsantrag eingebracht, in dem wir ein paar Maßnahmen zur organisatorischen Verbesserung, die die Flughäfen bräuchten, vorschlagen. Es geht darum, dass man die Sicherheit am Flughafen verbessen kann. Es geht darum, dass man den Zugang zu den Prüfungsordnungen ein bisschen verbessert und dass man das Luftfahrtgesetz anpasst. Auch eine Verbesserung im Verwaltungsverfahren bei den Fahrgastrechten bringen wir mit diesem Abänderungsantrag ein.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, weil es die Regierung nicht selber tut, haben wir den Vorschlag gemacht, konstruktiv zu sein und durch unseren Abänderungsantrag das, was die Luftfahrtbranche eigentlich braucht, auch umzusetzen. – Ich ersuche um breite Zustimmung. (Beifall bei der SPÖ.)
13.43
Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:
Abänderungsantrag
der Abgeordneten Alois Stöger, diplômé und Kolleginnen und Kollegen
zum Antrag der Abgeordneten Andreas Ottenschläger, Hermann Weratschnig, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Luftfahrtgesetz geändert wird (2489 d.B.)
Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:
Der oben zitierte Initiativantrag wird wie folgt geändert:
1. Die bisherige Z 5 erhält die Bezeichnung „7“, die Z 5 lautet:
5. In § 134a Abs. 2 wird die Wortfolge „bei erstmaliger Vorlage nicht älter als 6 Monate sein dürfen,“ durch die Wortfolge „zumindest die Wohnsitzzeiten im jeweiligen Staat abdecken müssen,“ ersetzt.
In § 134a Abs 2 wird die Wortfolge „Weiters ist zur Feststellung der Identität der zu überprüfenden Person eine Kopie eines Reisepasses, Personalausweises, Identitätsausweises, Fremdenpasses oder Konventionsreisepasses vorzulegen.“ durch die Wortfolge „Weiters ist hinsichtlich der Identität der zu überprüfenden Person eine Kopie eines Reisepasses, Personalausweises, Identitätsausweises, Fremdenpasses oder Konventionsreisepasses vorzulegen. Die Identität der zu überprüfenden Person ist vom Zivilflugplatzhalter soweit wie möglich zu überprüfen.“ ersetzt.
In § 134a wird nach Abs. 3 folgender Abs. 3a eingefügt:
„(3a) Der Zivilflugplatzhalter kann im Falle einer Mitteilung gemäß Abs. 3, dass gegen die überprüfte Person Bedenken im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 300/2008 und der Durchführungsverordnung (EU) 2015/1998 bestehen, beim Bundesminister/bei der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie die bescheidmäßige Feststellung der nicht bestehenden Zuverlässigkeit beantragen.“
In § 134a Abs 4 wird die Wortfolge „Abs. 1 bis 3“ durch die Wortfolge „Abs. 1 bis 3a“ ersetzt.
In § 134a Abs 5 wird die Wortfolge „Abs. 1 bis 3“ durch die Wortfolge „Abs. 1 bis 3a“ ersetzt.
In § 134a Abs 6 wird nach dem Wort „bestehen.“ der Satz „Abs. 3a ist anzuwenden.“ eingefügt.
In § 134a Abs 7 wird die Wortfolge „Für alle Zuverlässigkeitsüberprüfungen gilt“ durch die Wortfolge „Unbeschadet Abs. 7a gilt für alle Zuverlässigkeitsüberprüfungen“ ersetzt.
In § 134a Abs 7 Z 2 wird nach der Wortfolge „anhängig ist,“ die Wortfolge „insoweit das Strafverfahren nicht mit diversionellem Vorgehen nach § 203 Abs. 1 Strafprozessordnung 1975 (StPO), BGBl. Nr. 631/1975 (Probezeit) vorläufig eingestellt wurde,“ eingefügt.
In § 134a Abs 7 Z 3 wird die Wortfolge „innerhalb der letzten fünf Jahre“ entfernt.
In § 134a Abs 7 wird der Satz „Dieser Absatz ist bei der Wiederholung der Zuverlässigkeitsüberprüfung einer Person, die vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Bestimmung die Zuverlässigkeitsüberprüfung erfolgreich absolviert hat, nicht anzuwenden.“ entfernt.
In § 134a werden nach Abs 7 folgende Absätze 7a, 7b, 7c und 7d eingefügt:
„(7a) Liegt bei der überprüften Person
1. eine Verurteilung gemäß Abs. 7 Z 1, die drei Monate Freiheitsstrafe oder eine Geldstrafe von 180 Tagessätzen nicht übersteigt, oder
2. ein anhängiges Verfahren gemäß Abs. 7 Z 2, dessen Strafdrohung eine Freiheitsstrafe von einem Jahr oder eine Geldstrafe von 720 Tagessätzen nicht übersteigt,
vor, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Zuverlässigkeit der überprüften Person nicht gegeben ist. Der Zivilflugplatzhalter, das Luftfahrtunternehmen und die Stelle im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 300/2008 können in diesem Fall jedoch beim Bundesminister/bei der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie eine vertiefte Überprüfung der betroffenen Person beantragen. Ergibt diese vertiefte Überprüfung, dass die Zuverlässigkeit nicht gegeben ist, hat die bescheidmäßige Feststellung, dass die Zuverlässigkeit der Person im Hinblick auf die beabsichtigte Tätigkeit nicht gegeben ist, zu erfolgen.
(7b) Dem Antrag gemäß Abs. 7a sind vom Antragsteller/der Antragstellerin sämtliche Unterlagen und Dokumente, die für die Prognose, ob die Zuverlässigkeit der betroffenen Person gegeben ist, erforderlich sind, beizufügen. Diese Unterlagen haben insbesondere eine detaillierte Darlegung, aus welchen Gründen angenommen wird, dass von der betroffenen Person keine Gefährdung der Luftfahrtsicherheit ausgeht, zu enthalten. Dabei sind jedenfalls
1. eine Bestätigung, dass die Identität der betreffenden Person anhand der zum Nachweis vorgelegten Papiere festgestellt wurde,
2. eine Bestätigung, dass zumindest die Strafregistereinträge sämtlicher Staaten, in denen die betroffene Person während der letzten 5 Jahre einen Wohnsitz hatte, geprüft wurden,
3. eine Bestätigung, dass für mindestens die letzten 5 Jahre die Beschäftigungsverhältnisse, Aus- und Weiterbildungen und jegliche Lücken während dieser Jahre erfasst und geprüft wurden,
4. Anzeigen und Gerichtsurteile sowie
5. sonstige Erkenntnisse und sonstige einschlägige Informationen, die zur Verfügung stehen und die zur Einschätzung der Zuverlässigkeit der Person im Hinblick auf die Ausübung der angestrebten Funktion, von Belang sein können,
beizufügen.
(7c) Die Zuverlässigkeit ist insbesondere als nicht gegeben festzustellen, wenn aus dem bisherigen Verhalten der überprüften Person eine hohe Gewaltbereitschaft oder eine Erpressbarkeit ersichtlich oder erwartbar ist oder strafbare Handlungen im Sinne des Anhanges 2 der Richtlinie (EU) 2016/681 über die Verwendung von Fluggastdatensätzen (PNR-Daten) zur Verhütung, Aufdeckung, Ermittlung und Verfolgung von terroristischen Straftaten und schwerer Kriminalität, ABl. Nr. 119 vom 4.5.2016 S. 132, vorliegen.
(7d) Die Staatsanwaltschaften haben den Sicherheitsbehörden über deren Ersuchen zum Zweck der Überprüfung der Zuverlässigkeit gemäß dieser Bestimmung und § 140d nach Maßgabe des § 76 Abs. 4 StPO Informationen über die Anhängigkeit von Strafverfahren gegen die zu überprüfende Person sowie die diesen Verfahren zugrundeliegenden Tatbestände zu übermitteln.“
In § 134a Abs. 9 wird nach dem Wort „Sicherheitsbehörden“ die Wortfolge „oder von Ermittlungen nach der Strafprozeßordnung 1975 - StPO“ eingefügt.
2. Nach Z 5 wird folgende Z 6 eingefügt:
6. Die Überschrift des § 139a lautet:
„Schienen-Control GmbH“
3. Nach Z 6 wird folgende Z 6a eingefügt:
6a. § 139a Abs. 4 lautet:
„(4) Die Schienen-Control GmbH hat in Verwaltungsstrafverfahren betreffend Verstöße gegen die Bestimmungen gemäß Abs. 1 bis Abs. 3 sowie der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 und der Verordnung (EG) Nr. 1107/2006 Parteistellung. Sie ist berechtigt, in alle Verfahrensakte Einsicht zu nehmen sowie alle einschlägigen Auskünfte zu verlangen sowie Beschwerde gemäß Art. 132 Abs. 4 B-VG an das zuständige Landesverwaltungsgericht sowie Revision an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben und dabei die Einhaltung der Bestimmungen gemäß Abs. 1 bis Abs. 3 sowie der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 und der Verordnung (EG) Nr. 1107/2006 geltend zu machen.“
4. Nach Z 6a wird folgende Z 6b eingefügt:
6b. Dem § 139a wird folgender Abs. 5 und Abs. 6 angefügt:
„(5) Abweichend von § 27 Abs. 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl. Nr. 52/1991 in der jeweils geltenden Fassung, liegt die örtliche Zuständigkeit im Verwaltungsstrafverfahren betreffend die im Abs. 4 genannten Verstöße bei der
Bezirksverwaltungsbehörde, in deren Sprengel die Schienen Control GmbH ihren Sitz hat.
(6) Strafbar sind die in § 139a Abs. 1 bis Abs. 3 genannten Luftfahrtunternehmen auch dann, wenn sie die in § 139a Abs. 1 bis Abs. 3 angeführten Bestimmungen im Ausland verletzen.“
5. Die nunmehrige Z 7 lautet:
7. Dem § 173 wird folgender Abs. 48 angefügt:
„(48) Das Inhaltsverzeichnis, § 74a samt Überschrift, § 123a samt Überschrift, §134a Abs. 2 bis Abs. 7d, Abs. 9 sowie § 139a Abs. 4 bis Abs. 6 samt Überschrift, jeweils in der Fassung des BGBl. I Nr. xxxx/yyyy, treten mit dem der Kundmachung im Bundesgesetzblatt folgenden Tag in Kraft.“
Begründung
Zu 1.
§ 134a Abs. 2
Diese Änderung soll die Vorlage von ausländischen Strafregisterbescheinigungen erleichtern. Relevant für die Überprüfung der Zuverlässigkeit ist nämlich, dass der jeweilige Zeitraum, in dem die überprüfte Person im jeweiligen Staat ihren Wohnsitz hatte, abgedeckt ist.
Weiters soll im Sinne von Kapitel 11 Pkt. 11.1.3 der Durchführungsverordnung (EU) 2015/1998 festgelegt werden, dass die Feststellung der Identität der zu überprüfenden Person soweit wie möglich vom Zivilflugplatzhalter zu erfolgen hat.
§ 134a Abs. 3a
Mit dieser Ergänzung soll klargestellt werden, dass im Falle einer (formlosen) Mitteilung, dass gegen die überprüfte Person Bedenken bestehen, vom Zivilflugplatzhalter die bescheidmäßige Feststellung der nicht bestehenden Zuverlässigkeit beantragt werden kann.
§ 134a Abs. 7
Da es sich strafprozessual bei einem diversionellen Vorgehen nach § 203 Abs. 1 StPO um ein „unerledigt anhängiges“ Verfahren handelt, soll im Zusammenhang mit den Bestimmungen der Zuverlässigkeitsüberprüfungen festgelegt werden, dass die Z 2 nicht im Fall einer Diversion anzuwenden ist, da dies sonst überschießend wäre.
In der Z 3 soll die derzeit festgelegte zeitliche Beschränkung der Verhängung des Waffenverbotes innerhalb der letzten fünf Jahr gestrichen werden, da durch diese Beschränkung Waffenverbote, die länger zurückliegend ausgesprochen wurden, aber nach wie vor aufrecht sind, als nicht relevant im Hinblick auf die jedenfalls nicht gegebene Zuverlässigkeit anzusehen sind. Da dies jedoch unbestreitbar dem Schutzzweck der Zuverlässigkeitsüberprüfungen zuwiderläuft, soll die zeitliche Beschränkung gestrichen werden.
Schließlich soll die bisherige Übergangsbestimmung, wonach bei einer wiederholten Zuverlässigkeitsüberprüfung die Bestimmung des Abs. 7 nicht anwendbar ist, aus Gründen der Sachlichkeit und Gleichbehandlung gestrichen werden.
§ 134a Abs. 7a und Abs. 7b
Mit diesen neuen Bestimmungen soll in Fällen geringfügigerer Strafandrohungen bzw. verhängten Strafen ermöglicht werden, dass auf Antrag des Zivilflugplatzhalters, des Luftfahrtunternehmens oder der Stelle im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 300/2008 eine vertiefte Zuverlässigkeitsüberprüfung der betroffenen Person durchzuführen ist. Die Abgrenzung der geringfügigeren Tatbestände soll in Anlehnung an vergleichbare Bestimmungen in anderen Gesetzten (insbesondere GewO, PyrotechnikG, Abfallwirtschaftsgesetz, Außenwirtschaftsgesetz, Militärbefugnisgesetz,
Sprengmittelgesetz, Waffengesetz, Eisenbahn-Eignungs- und Prüfungsverordnung) erfolgen.
Die Antragsteller sollen durch Vorlage, der für die Beurteilung der Zuverlässigkeit erforderlichen Unterlagen und Dokumente mitwirken. Insbesondere soll dargelegt werden, aus welchen Gründen gegen die betroffene Person keine Bedenken im Hinblick auf die Eignung zum alleinigen Zutritt zum Sicherheitsbereich bestehen. Im Falle der aus Sicht der zuständigen Behörden auch nach der vertieften Überprüfung nicht gegebenen Zuverlässigkeit soll eine diesbezügliche bescheidmäßige Feststellung erfolgen.
§ 134a Abs. 7c
Die Zuverlässigkeit soll insbesondere als nicht gegeben festzustellen sein, wenn aus dem bisherigen Verhalten der überprüften Person eine hohe Gewaltbereitschaft oder eine Erpressbarkeit ersichtlich oder erwartbar ist oder strafbare Handlungen im Sinne des Anhanges 2 der Richtlinie (EU) 2016/681 über die Verwendung von Fluggastdatensätzen (PNR-Daten) zur Verhütung, Aufdeckung, Ermittlung und Verfolgung von terroristischen Straftaten und schwerer Kriminalität, ABl. Nr. 119 vom 4.5.2016 S. 132, vorliegen.
§ 134a Abs. 7d
Mit dieser Bestimmung soll die Rechtsgrundlage für die Übermittlung von Informationen über anhängige Strafverfahren sowie die diesen Verfahren zugrundeliegenden Tatbestände durch die Staatsanwaltschaften zum Zwecke der Überprüfung der Zuverlässigkeit geschaffen werden. Als zuverlässig gemäß Verordnung (EG) Nr. 300/2008 ist eine Person anzusehen, welche die persönliche Eignung für den unbegleiteten Zugang zu Sicherheitsbereichen eines Zivilflugplatzes mitbringt. Die Übermittlung von Informationen über anhängige Strafverfahren soll der Vollziehung des Abs. 7 Z 2 dienen. Die Zuverlässigkeit der überprüften Person ist gemäß Abs. 7 Z 2 ex lege grundsätzlich nicht gegeben, wenn gegen die Person ein Strafverfahren wegen einer von Amts wegen zu verfolgenden gerichtlich
strafbaren Handlung, die nur vorsätzlich begangen werden kann, anhängig ist (mit Ausnahme der Diversion – siehe Abs. 7). Die Übermittlungsermächtigung des neuen Abs. 7d soll sich darüber hinaus auch auf sonstige anhängige Strafverfahren erstrecken, da auch in sonstigen Fällen gegen die überprüfte Person Sicherheitsbedenken vorliegen können (vgl. auch § 140d LFG, an die Stelle der ex-lege Unzuverlässigkeit tritt die Einzelfallbeurteilung der Zuverlässigkeit).
§ 134a Abs. 9
Mit dieser Ergänzung soll verhindert werden, dass im Wege der Akteneinsicht im Zuge der Zuverlässigkeitsüberprüfung ein anhängiges Ermittlungsverfahren bekannt wird.
Zu 2.
Die Agentur für Passagier- und Fahrgastrechte, als Abteilung der Schienen-Control GmbH, ist in Österreich die gesetzliche Schlichtungs- und Durchsetzungsstelle für die Fluggastrechteverordnung (Verordnung (EG) Nr. 261/2004) und die Fluggastrechteverordnung für behinderte Flugreisende und Flugreisende mit eingeschränkter Mobilität (Verordnung (EG) Nr. 1107/2006). Mit diesem Abänderungsantrag werden zum Teil Redaktionsversehen im Gesetzgebungsprozess des § 139a LFG berichtigt.
Zu 3.
§ 139a Überschrift
Der § 139a LFG bezieht sich nicht nur auf die außergerichtliche Streitbeilegung, sondern auch auf die Aufgaben und Befugnisse der Schienen-Control GmbH als Durchsetzungsstelle.
§ 139a Abs. 4
Es soll klargestellt werden, dass die Schienen-Control GmbH auch bei Verstößen gegen die Verordnung (EG) Nr. 261/2004 und die Verordnung (EG) Nr. 1107/2006 Parteistellung hat. Dadurch soll sie als nationale Durchsetzungsstelle gemäß Art. 16 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 und Art. 14 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2006
die Möglichkeit haben, ihren Rechtsstandpunkt hinsichtlich der ordnungsgemäßen Einhaltung der Fluggastrechte und der Rechte von behinderten Flugreisenden und Flugreisenden mit eingeschränkter Mobilität in Verwaltungsstrafverfahren effektiv zu vertreten. Eine Ausdehnung der Parteistellung auch auf Verstöße gegen die Verordnung (EG) Nr. 261/2004 und die Verordnung (EG) Nr. 1107/2006 war bereits in den Erläuterungen zu § 139a Abs. 4 LFG (ErlRV 940 BlgNR XXVII. GP 16) vorgesehen, wurde jedoch – offenbar aufgrund eines Redaktionsversehens im Gesetzgebungsprozesses – nicht im Gesetzestext des Abs. 4 festgehalten.
Durch den Verweis auf Art. 132 Abs. 4 B-VG soll die Beschwerdelegitimation der Schienen-Control GmbH klargestellt werden.
Nach der derzeit geltenden Rechtslage ergibt sich eine unterschiedliche verwaltungsgerichtliche Zuständigkeit im Hinblick auf ein und dieselbe verwaltungsbehördliche Entscheidung, da eine Beschwerdeerhebung an das Bundesverwaltungsgericht – aufgrund des eindeutigen Gesetzeswortlautes – nur durch die Schienen-Control GmbH vorgesehen ist. Bei einer Beschwerdeerhebung durch eine sonstige Partei ergibt sich eine sachliche Zuständigkeit der Landesverwaltungsgerichte gemäß Art. 131 Abs. 1 B-VG, da die Vollziehung der Strafbestimmungen des § 169 LFG als mittelbare Bundesverwaltung zu qualifizieren ist. In der Praxis führt dies zu negativen Kompetenzkonflikten zwischen dem Bundesverwaltungsgericht und den Landesverwaltungsgerichten. Verfassungsrechtliche Bedenken seitens der Verwaltungsgerichte wurden zu der derzeit geltenden Dualität von verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren in derselben „Sache“ kundgetan. Durch die vorgeschlagene Änderung soll nun eine sachliche Zuständigkeit der Landesverwaltungsgerichte sowohl für Beschwerden der Schienen-Control GmbH als auch für Beschwerden von sonstigen Parteien vorgesehen werden.
Zu 4.
§ 139a Abs. 5 und Abs. 6
Um die Effektivität des Verwaltungsstrafverfahrens zu erhöhen, wird gemäß Abs. 5 die örtliche Zuständigkeit zentral der Bezirksverwaltungsbehörde, in deren Sprengel die Schienen-Control GmbH ihren Sitz hat, übertragen. Dies trägt wesentlich dazu bei, die einheitliche Rechtsanwendung der Fluggastrechteverordnungen sicherzustellen.
Im Abs. 6 erfolgt eine Konkretisierung und Klarstellung dahingehend, dass die Unternehmen auch bei Verletzungen der im § 139a Abs. 1 bis Abs. 3 genannten Bestimmungen im Ausland zur Verantwortung gezogen werden.
*****
Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Abänderungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht somit mit in Verhandlung. (Abg. Leichtfried: Das ist aber ein guter Antrag, Herr Präsident!)
Zu Wort gelangt Dipl.-Ing. Gerhard Deimek. – Bitte, Herr Abgeordneter.
Abgeordneter Dipl.-Ing. Gerhard Deimek (FPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! So kann es kommen, wenn man Windräder hat und diese beleuchtet werden müssen: Sonst gibt es Probleme bei den Rettungsflugeinsätzen, egal ob Hubschrauber oder Flächenflieger oder Ähnliches. Es gehört bereinigt. Wir haben ja auch die Probleme bei der angrenzenden Bevölkerung. Das Blenden ist lästig. Das sehen wir dort, wo es verdichtet Windräder gibt, beispielsweise in Niederösterreich. Darum finde ich es gut, dass das entsprechend adaptiert und im Gesetz bereinigt wird.
Ich finde auch gut, dass man die Transponderlösung gefunden hat, das heißt, dass bei Bedarf natürlich dann die Sicherheitseinrichtungen eingeschaltet werden können. Das ist wichtig, um diese Flüge auch entsprechend in der Nacht durchzuführen, ohne dass es zu Unfällen kommt. Das waren nämlich die ersten
Überlegungen. Ich glaube, in Summe haben wir jetzt eine technisch praktikable Lösung.
Was uns noch wirklich wichtig ist, ist, dass die Kosten von dem, was technisch notwendig ist, nicht an den Bürger weitergegeben werden.
Damit wäre ich gleich beim Antrag der SPÖ, über den wir gehört haben. Ja, es gibt etliche Probleme, Missstände rund um die Fliegerei, rund um die Luftfahrtgesetzgebung. Ich möchte anregen, dass man sich vielleicht wieder einmal mit allen Stakeholdern zusammensetzt und einen Zivilluftfahrtbeirat einberuft. Es gibt viele Themen, die in diesem Zusammenhang diskutiert und besprochen werden können.
Das heutige Gesetz werden wir jedenfalls mitbeschließen. – Danke. (Ruf bei der ÖVP: Klatschen! – Beifall bei der FPÖ.)
13.45
Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Andreas Ottenschläger. – Bitte, Herr Abgeordneter.
Abgeordneter Andreas Ottenschläger (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Kollege Stöger hat einen Abänderungsantrag eingebracht. Wir teilen grundsätzlich die Intention. Vielleicht zur Information: Es finden, speziell was die Frage der Sicherheitsüberprüfungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf den Flughäfen betrifft, die du auch angesprochen hast, noch Expertengespräche statt. Wir wollen und werden es natürlich in den nächsten Wochen lösen müssen, damit wir eben auch speziell dann im Sommerreiseverkehr kein Chaos auf den österreichischen Flughäfen haben. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir sehr bald auch einen entsprechenden Beschluss fassen können.
Ich bringe folgenden Antrag ein:
Abänderungsantrag
der Abgeordneten Andreas Ottenschläger, Hermann Weratschnig, MBA MSc, Kolleginnen und Kollegen zum Bericht des Verkehrsausschusses über den Antrag 3872/A der Abgeordneten Andreas Ottenschläger, Hermann Weratschnig, MBA MSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Luftfahrtgesetz geändert wird (2489 d.B.)
Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:
„Der dem oben zitierten Ausschussbericht angeschlossene Gesetzesentwurf wird wie folgt geändert:
1. In der Z 4 in § 123a Abs. 1 wird im vierten Satz das Wort „Luftfahrthindernissen“ durch das Wort „Luftfahrthindernisse“ ersetzt und es werden nach der Wortfolge „dieser Ausrüstung sicherstellen.“ folgende Sätze eingefügt:
„Jenen Dienststellen, die Einsatzflüge gemäß § 145 Abs. 1 oder für Einsätze notwendige Ausbildungsflüge oder operationellen militärischen Flugverkehr gemäß § 145a Abs. 1 anordnen, ist von der Austro Control GmbH eine technische oder operative Möglichkeit der Fernschaltung einzurichten. Die Austro Control GmbH hat im Einvernehmen mit den genannten Dienststellen die Grundlagen und Voraussetzungen für den Betrieb dieser Fernschaltung festzulegen.“
*****
Inhalt ist eine Klarstellung zur Möglichkeit der Fernschaltung für den militärischen Flugverkehr. Das ist auch für die Luftraumüberwachung und damit für die Sicherheit in unserem Land wichtig.
Grundsätzlich wurde der vorliegende Gesetzentwurf ja auch schon von Kollegen Weratschnig erläutert. Wir werden ihn hoffentlich in aller Breite hier beschließen.
Worum geht es? – Es ist eine Initiative aus der Steiermark betreffend Noteinsätze speziell von Rettungshubschraubern in der Nacht. Wir ermöglichen den Rettungshubschrauberbetrieb für Flugplätze auch außerhalb der regulären Betriebszeiten. Das ist eine sehr wichtige Initiative, die von Landeshauptmann Drexler und Landesrat Kornhäusl ausgegangen ist.
In der Steiermark stehen dank des ÖAMTC nachtflugtaugliche Hubschrauber für Noteinsätze nach Unfällen oder zur Personensuche zur Verfügung. Diese konnten aber aufgrund der bestehenden Gesetzeslage nur eingeschränkt zum Einsatz kommen. Das werden wir mit diesem Antrag verbessern und die Rahmenbedingungen entsprechend ändern.
Ich möchte mich an dieser Stelle aber auch bei den Rettungsorganisationen, insbesondere beim ÖAMTC und dessen Pilotinnen und Piloten bedanken, die auch in der Nacht bereit sind, lebensrettende Einsätze zu fliegen. Das ist sehr wichtig für die Region in der Steiermark, aber auch darüber hinaus, denn diese Einsätze kennen ja keine Grenzen. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Weratschnig.)
Ein zweiter Punkt wurde schon von einigen Kollegen erwähnt: Es geht darum, dass wir bei den Windrädern eine Verbesserung für die Anrainer schaffen, indem es eben auch da jetzt die Möglichkeit geben wird, diese zu deaktivieren, wenn sich kein Luftfahrzeug in der Nähe befindet. Insofern haben wir also auch da eine Verbesserung erwirkt, vor allem für Bundesländer, die viele Windräder haben. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Weratschnig.)
13.50
Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:
Abänderungsantrag
der Abgeordneten Andreas Ottenschläger, Hermann Weratschnig, MBA MSc,
Kolleginnen und Kollegen
zum Bericht des Verkehrsausschusses über den Antrag 3872/A der Abgeordneten Andreas Ottenschläger, Hermann Weratschnig, MBA MSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Luftfahrtgesetz geändert wird (2489 d.B.) – TOP 7
Der Nationalrat wolle in 2. Lesung beschließen:
Der dem oben zitierten Ausschussbericht angeschlossene Gesetzesentwurf wird wie folgt geändert:
1. In der Z 4 in § 123a Abs. 1 wird im vierten Satz das Wort „Luftfahrthindernissen“ durch das Wort „Luftfahrthindernisse“ ersetzt und es werden nach der Wortfolge „dieser Ausrüstung sicherstellen.“ folgende Sätze eingefügt:
„Jenen Dienststellen, die Einsatzflüge gemäß § 145 Abs. 1 oder für Einsätze notwendige Ausbildungsflüge oder operationellen militärischen Flugverkehr gemäß § 145a Abs. 1 anordnen, ist von der Austro Control GmbH eine technische oder operative Möglichkeit der Fernschaltung einzurichten. Die Austro Control GmbH hat im Einvernehmen mit den genannten Dienststellen die Grundlagen und Voraussetzungen für den Betrieb dieser Fernschaltung festzulegen.“
Begründung
Zu Z 1 (Z 4 - § 123a Abs. 1):
Diese Bestimmung soll für jene Dienststellen, die Einsatzflüge gemäß § 145 Abs. 1 oder für Einsätze notwendigen Ausbildungsflüge oder operationellen militärischen Flugverkehr gemäß § 145a Abs. 1 anordnen, eine technische oder operative Möglichkeit der Fernschaltung der bedarfsgerechten Nachtkennzeichnung schaffen. Die Austro Control GmbH soll im Einvernehmen mit den genannten Dienststellen die Grundlagen und Voraussetzungen für den Betrieb dieser Fernschaltung festlegen.
*****
Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Abänderungseintrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht somit auch mit in Verhandlung.
Zu Wort gelangt nun Frau MMag. Katharina Werner. – Bitte, Frau Abgeordnete.
Abgeordnete MMag. Katharina Werner, Bakk. (NEOS): Herr Präsident! Frau Ministerin! Liebe Menschen hier im Haus und zu Hause! Stellen Sie sich vor: Sie leben in Graz-Umgebung, feiern eine Hochzeit, die Party ist in vollem Gange. Es ist 23.30 Uhr, als es der Oma plötzlich zu viel wird und sie einen Herzinfarkt bekommt. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Die schnellste Möglichkeit, sie optimal zu versorgen, wäre der Notarzthubschrauber, aber dieser müsste den Flugplatz in Graz-Thalerhof in Anspruch nehmen, und die Oma hätte Pech gehabt, weil der Tower zwar bis 23.30 besetzt ist, aber danach ist es zu Ende.
Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wird das nun repariert – der Einsatz ist dann möglich, die Oma ist gerettet, und das ist gut, darum stimmen wir zu.
Ein weiterer Teil – das haben wir auch schon besprochen – ist eben die bedarfsgerechte Nachtkennzeichnung, also die Blinklichter auf den Windrädern. Das Dauerleuchten soll nun durch ein gezieltes Ein- und Ausschalten je nach Bedarf ersetzt werden, dadurch soll die Akzeptanz vor allem von den Windparks erhöht werden. Das halten wir in Anbetracht der notwendigen Energiewende für sehr zielführend. Auch die IG Windkraft hat sich positiv geäußert, und es macht Sinn, das Ganze bedarfsorientiert zu machen. Dem stimmen wir also auch zu.
Wir finden es auch gut, und das haben wir uns extra angeschaut, dass es eine zentrale Steuerung ist. Dadurch wird vermieden, dass es zu Verzögerungen bei der Umstellung kommt, so wie es jetzt in Deutschland der Fall ist.
Ein letztes Wort noch zum Abänderungsantrag der SPÖ: Die vorgeschlagenen Änderungen betreffen halt einen komplett anderen Teil des Luftfahrtgesetzes. Der Input ist total wichtig, und gerade als Konsumentenschutzsprecherin finde ich auch den Bereich, der die Schlichtungsstellen betrifft, total wichtig. Ich
bin Fan von den Schlichtungen, weil sie ganz viele Fälle außerhalb der Gerichte lösen können und sowohl für die Konsument:innen als auch für die Unternehmen eigentlich budgetschonend sind.
Wir würden das halt gern im Ausschuss diskutieren und nicht hier jetzt schnell, schnell einfach sehr viele Änderungen beschließen. Deshalb gehen wir da nicht mit (Abg. Stöger: Habt ihr aber gesagt!), würden uns aber freuen, wenn wir die Thematik in den Ausschuss holen könnten und dort besser diskutieren könnten. – Danke schön. (Beifall bei den NEOS.)
13.53
Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer Stellungnahme hat sich nun Frau Bundesministerin Gewessler zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Bundesministerin.
Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich freue mich, dass wir mit dem heutigen Initiativantrag zwei Initiativen zum Luftfahrtgesetz, und zwar wichtige Themenbereiche, aufgreifen. Frau Abgeordnete Werner hat mich jetzt doch motiviert, mich zu Wort zu melden, weil ich Steirerin bin. Meine Familie wohnt in der Steiermark, und ich möchte nur ganz klar sagen: Es muss sich niemand in der Steiermark fürchten, es gibt auch in der Steiermark Nachtflüge, Rettungseinsätze in der Nacht, und alle Großeltern werden auch in der Steiermark gut versorgt. (Beifall der Abg. Götze. – Ruf bei der ÖVP: Man muss nicht klatschen, wenn man sich nicht auskennt!)
Was wir mit dieser Novelle aber machen, ist, das Verfahren einfacher zu machen, um mit einem eigenen Bewilligungsverfahren für den 24-Stunden-Betrieb für Rettungshubschrauber auch außerhalb der Betriebszeiten der Flugplätze auf ein besonderes Anliegen aus der Steiermark einzugehen. Also wir haben ähnliche Situationen in allen Bundesländern, in der Steiermark war es ein ganz besonderes Anliegen, dass wir wirklich auch auf der Verfahrensseite nachbessern. Das tun wir jetzt und machen das einfacher. Die Bewilligung für
den 24-Stunden-Betrieb für Rettungshubschrauber auch außerhalb der Betriebszeiten der Flugplätze kann bei Flughäfen vom Klimaschutzministerium erteilt werden, bei Flugfeldern von den Bezirksverwaltungsbehörden, es muss eine Zustimmung des Bundeslandes und auch des Flugplatzhalters gegeben werden.
Ich möchte wirklich auch Danke sagen, wir haben da eine gute gemeinsame Lösung gefunden. Eine funktionierende Rettungskette, und zwar immer, wenn sie gebraucht wird, ist uns allen ein großes Anliegen, und es zeigt einfach: Im Gespräch – also im direkten, nicht im medialen Gespräch – kommt man zu guten Lösungen.
Auch für die zweite akute Herausforderung rund um Einsatzflüge bei Schlechtwetter – auch das ist ein Anliegen aus der Steiermark – wurde bereits eine Lösung auf den Weg gebracht. Die entsprechende Verordnung der Luftverkehrsregeln geht auch dieser Tage in Begutachtung.
Danke auch an die Rettungsorganisationen; nicht nur für ihren täglichen Einsatz, sondern auch für die Mitwirkung der Rettungsorganisationen und der Austro Control an der Basis für diesen Antrag.
Die bedarfsgerechte Kennzeichnung von Windrädern – es wurde schon erwähnt, aber ich möchte das auch noch einmal wirklich begrüßen – ist eine wichtige Maßnahme zur Steigerung der Akzeptanz für die Windkraft, gerade in Bundesländern – das wurde gesagt –, wo es viele Windräder gibt. Es sollte aber vielleicht auch den Bundesländern, wo es noch kein Windrad gibt, wieder ein Argument in die Hand geben, warum diese auch wirklich eine große Akzeptanz haben können. Wir haben mit der Austro Control – auch da noch einmal ein Danke – ein System entwickelt, das wirklich höchsten Sicherheitsstandards genügt. Es ist bewusst ein anderes System als in Deutschland und den Niederlanden, weil wir überzeugt sind, dass es so sinnvoller ist. Dementsprechend: Herzlichen Dank, dass wir das heute auf den Weg kriegen.
Einen Punkt habe ich noch; der Abänderungsantrag wurde ja schon kommentiert, daher nur etwas zu einem Punkt, der von Abgeordnetem Deimek direkt an mich gegangen ist: Er hat sich einen Zivilluftbeirat gewünscht. Ich wollte nur kurz sagen, dass ein solcher für den Herbst in Planung ist, weil wir uns im Ministerium – unabhängig davon, ob ich nach Brüssel mit dem Zug fahre oder fliege –natürlich auch um die Luftfahrt gut kümmern. – Herzlichen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)
13.57
Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Abgeordneter Dietmar Keck. – Bitte, Herr Abgeordneter.
Abgeordneter Dietmar Keck (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminister, Sie haben mir mit der Erklärung jetzt fast die Hälfte meiner Rede weggenommen.
Wieso stimmen wir der Rettungshubschrauberbewilligung für Zivilflughäfen zu? – Es ist ganz einfach: weil die Betriebszeiten der Zivilflugplätze meistens mit Einbruch der Dunkelheit so etwa um 17, 18 Uhr enden, und dann keine Landung mehr möglich gewesen wäre. Auch wenn die Rettungshubschrauber modernste Nachtflugsichtgeräte haben, hätten sie dort nicht landen dürfen, weil sie dafür eine Bewilligung gebraucht hätten. Das dafür notwendige Verfahren dauert aber immens lange, weil es dann wieder Einsprüche gibt. Dieses Verfahren wird vereinfacht.
Mit der Bewilligung ist es dann möglich, dass die allenfalls erforderlichen Rettungsmaßnahmen eingeleitet werden können und jene Bodeneinrichtung, die für den medizinischen Hubschraubernoteinsatzbetrieb außerhalb der Betriebszeiten erforderlich ist, sicher genutzt werden kann. Es wird keine Rettungskette unterbrochen oder sonst irgendetwas, und es wird für Pilotinnen und Piloten einfacher, auf Flughäfen zu landen, wo sie das bis jetzt nicht machen durften, obwohl angesucht werden müsste.
Das Zweite ist die Steuerung der bedarfsgerechten Nachtkennzeichnung. Um es einfach zu erklären: Aufgrund der Lichtemissionen, die wir haben, soll bei allen Nachtkennzeichnungen das Licht ausgeschaltet werden, wenn gerade kein Flugbetrieb ist. Die Austro Control schaltet es ein, wenn gerade ein Flugzeug über diese Gegend fliegt, und schaltet es wieder aus, wenn das Flugzeug weg ist. Auch das ist im Sinne von Einsparungsmaßnahmen notwendig, daher stimmen wir dem auch zu. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Disoski.)
13.58
Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Abgeordneter Christoph Stark. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.
Abgeordneter Christoph Stark (ÖVP): Herr Präsident! Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Vorweg darf ich wieder einmal einige Besucherinnen und Besucher begrüßen. Wir haben dieser Tage ja viel Besuch im Hohen Haus. Jetzt darf ich im Namen der Kollegin Holzner die Klassen 2C und 3C der HTL Braunau herzlich willkommen heißen: Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.) Und ich begrüße im Namen meines Kollegen Andreas Kühberger die Besucher und Besucherinnen aus der Gemeinde Lobmingtal mit Bürgermeister Christian Wolf: Herzlich willkommen im Parlament! (Allgemeiner Beifall.) Sie sind ebenso Besucher wie die 540 000 Menschen, die schon voriges Jahr hier im Hohen Haus waren. Sie alle sind uns herzlich willkommen, und wir freuen uns, wenn wir sehen, dass die Menschen in diesem Land das Hohe Haus so annehmen.
Geschätzte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Die Rettungshubschrauber sind in unseren Zeiten Teil unseres hochentwickelten Gesundheits- und Rettungssystems.
Klar ist, wenn es die Situation und die Not eines Betroffenen oder einer Betroffenen erfordern, dann können die Menschen in diesen Zeiten schlichtweg darauf vertrauen, dass der Hubschrauber kommt. Das ist für uns schon
gegeben, das ist Teil unseres Alltags – und dieses Vertrauen soll auch in keiner Weise erschüttert werden.
Das Paradoxon ist: Auch wenn er es technisch könnte, darf ein Hubschrauber zum Beispiel in Graz in der Nacht vom Flughafen Thalerhof nicht starten, da es dort die Betriebsgegebenheiten nicht erlauben und es auch das Gesetz nicht erlaubt hat. Das Gleiche gilt für Salzburg und Linz: Auch dort müssen sich die Hubschrauberpiloten und -pilotinnen an die Betriebszeiten halten. Das bedeutet, dass sich die Rettungskette natürlich verlängert, denn der Hubschrauber muss dann von woanders kommen, aber er kommt.
Mit diesem Gesetz werden wir jetzt klarstellen, dass das möglich sein wird und dass die Rettungskette auch an diesen Orten, an diesen Flughäfen, wo das möglich ist, geschlossen wird, auch in Nachtzeiten.
Man darf auch eines nicht vergessen, was die Situation mit sich bringt, nämlich dass es sein kann, dass Hubschrauber von woanders nach Graz kommen, zum Beispiel von Sankt Michael ins LKH fliegen, dann aber nicht mehr zurückfliegen können, da der Sprit nicht mehr reicht und sie in Graz auch nicht mehr auftanken könnten. Das hat zur Folge, dass diese Hubschrauber eben eine Zeit lang quasi stillstehen müssen und somit nicht der Rettungskette zur Verfügung stehen.
Ich danke insbesondere der steirischen Breite, die diese Gesetzesinitiative aus dem Land Steiermark ergriffen hat, vielen Dank an Landeshauptmann Christopher Drexler und Landesrat Kornhäusl.
Ich danke auch allen heute anwesenden Abgeordnetenkolleginnen und -kollegen, die dieser Gesetzesvorlage zustimmen. Wir leisten damit einen guten Beitrag für das Funktionieren des Rettungssystems in unserem Land. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Disoski und Lukas Hammer.)
14.01
Präsident Ing. Norbert Hofer: Nun gelangt wieder Herr Joachim Schnabel zu Wort. - Bitte, Herr Abgeordneter.
14.01
Abgeordneter Joachim Schnabel (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus! Geschätzte Frau Ministerin! Inhaltlich wurden ja schon viele Aspekte beleuchtet. Ich möchte mit einer Korrektur anfangen, Frau Ministerin: Es war nicht so, dass gesichert war, dass der Rettungshubschrauber in der Steiermark vom Flughafen Graz rund um die Uhr abheben konnte.
Ich bin selbst Feuerwehrmann und habe bei Einsätzen erlebt, vor Ort zu sein, wenn man eine verletzte Person aus dem Auto rausschneidet, wenn der Notarzt diese Person versorgt, lebenserhaltende Maßnahmen setzt, die Einsatzkräfte, der Einsatzleiter diese Person versorgen, die Notärzte diese Person oder auch Angehörige versorgen, die quasi in Erwartung sind, dass dieser Rettungshubschrauber kommt, um diese Person, deren Leben quasi am seidenen Faden hängt, schnellstmöglich in ein Spital zu bringen. Das ist eine riesige Stresssituation.
Wir müssen den Menschen, die verletzt sind, aber auch den Einsatzkräften 24 Stunden am Tag 365 Tage im Jahr die Sicherheit geben, dass der Rettungshubschrauber abheben kann, diese Person bergen kann, damit sie schnellstmöglich, bestmöglich medizinisch versorgt wird, um eben ihr Leben zu retten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)
Diese Sicherheit erreichen wir mit dieser Novelle. Unser Herr Landeshauptmann und der jetzige Gesundheitslandesrat Karlheinz Kornhäusl haben das vorangetrieben. Ich möchte mich aber auch bei meiner Kollegin Juliane Bogner-Strauß bedanken, die das schon viele, viele Jahr davor gefordert hat. Es war wirklich ein langer steiniger Weg, teilweise ist es auch unerklärlich, warum das so lange gedauert hat, aber: Ende gut, alles gut! Das wird sich jetzt so weit richten und wir werden vor allem für die Steiermark ein gutes Ergebnis erzielen. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Weratschnig.)
Zur heutigen Fragestunde – diesen Seitenhieb müssen Sie mir gestatten – möchte ich auch noch eine Anmerkung machen. Für uns in der Südsteiermark ist diese Novelle auch eine Redundanz im Sicherheitswesen, denn wir haben halt eine
Autobahn, die meist verstopft ist. Die Rettungswägen, die Notarztwägen kommen teilweise nicht durch – ich weiß, wovon ich spreche –, denn die Rettungsgasse wird leider nicht immer gebildet.
Wenn die Autobahn nicht ausgebaut wird, haben wir somit zumindest die Möglichkeit, die betroffenen Personen über den Flugweg schnellstmöglich ins Spital zu bringen. Möge die Autobahn dem Luftfahrtbereich folgen, dann wird die Steiermark auf dem Wege der Motorisierung auch sicherer werden! – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Weratschnig.)
14.04
Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Herr Dr. Josef Smolle. – Bitte, Herr Abgeordneter.
Abgeordneter Dr. Josef Smolle (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist ja nicht alltäglich, dass eine Luftfahrtgesetznovelle etwas mit der Medizin zu tun hat, aber diesmal ist es der Fall. Ich freue mich, dass ich mich als Arzt und Gesundheitssprecher dazu äußern darf.
Wir hatten nämlich, was das Rettungswesen in der Luft betrifft, eine gewisse Schieflage. Was erwarten wir als Gesellschaft von einem Notarzthubschrauber? – Wenn man ihn braucht und das Wetter es zulässt, dann soll er auch fliegen. Die doppelte Schieflage war nun folgende: Notarzthubschrauber zählen zur Zivilluftfahrt. Während zum Beispiel Polizeihubschrauber und Bundesheerhubschrauber die Freiheit gehabt haben, haben Notarzthubschrauber diese nicht gehabt.
Die zweite Schieflage: Diese Einschränkung hat ausgerechnet jene Standorte betroffen, die an einen Zivilflughafen angedockt waren, währenddessen solche in der Peripherie, wie zum Beispiel in der Steiermark Niederöblarn oder Sankt Michael, die Einschränkungen nicht hatten. Ich bin sehr froh, dass
dank unseres Landeshauptmannes, der früheren Gesundheitslandesrätin, des jetzigen Gesundheitslandesrates und dank Ihnen, Frau Ministerin, diese Gesetzeslage nun bereinigt worden ist. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Litschauer.)
Jetzt ist es so, dass auch jene Notarzthubschrauber, die in den Flughäfen in Graz, Linz und Salzburg stationiert sind, rund um die Uhr fliegen und die Piloten selber entscheiden können: Passt es mit dem Wetter, kann ich mir das zumuten?
Es ist ganz wichtig, dass die Bedeutung der Flugrettung mittlerweile eine ganz andere geworden ist, als sie es vielleicht noch vor einigen Jahrzehnten war. Das hängt mit dem Fortschritt der Medizin zusammen, denn heute ist es zeitkritisch, dass ein:e Patient:in mit einem Herzinfarkt oder mit einem Schlaganfall oder ein Unfallopfer wirklich rasch zu einem Zentralversorger kommen, wo etwa bei Herzinfarkt oder Schlaganfall das verschlossene Gefäß wieder geöffnet werden kann, oder bei einem Polytrauma wirklich alle Fachdisziplinen von der Unfallchirurgie bis zur Neurochirurgie dann vor Ort im Krankenhaus sind und eine lebensrettende Intervention machen können.
Flugrettung ist etwas, das auch ein weiteres, doch nicht zu vernachlässigendes persönliches Risiko für alle Beteiligten bedeutet – ich weiß, wovon ich spreche. Meine Frau ist in jüngeren Jahren als Intensivmedizinerin auch mit der Flugrettung geflogen. Irgendwie war bei mir immer ein bisschen die Sorge mit dabei, deshalb möchte ich ein ausdrückliches Danke an die Pilotinnen und Piloten, die Rettungssanitäterinnen, Rettungssanitäter und die ärztlichen Kolleginnen und Kollegen sagen, die diese segensreiche Aufgabe auf sich nehmen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)
Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.
Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.
Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 2489 der Beilagen.
Hiezu liegen ein Abänderungsantrag der Abgeordneten Andreas Ottenschläger, Hermann Weratschnig, Kolleginnen und Kollegen sowie ein Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag der Abgeordneten Alois Stöger, Kolleginnen und Kollegen vor.
Ich werde daher zunächst über die von den erwähnten Zusatz- beziehungsweise Abänderungsanträgen betroffenen Teile – der Systematik des Gesetzentwurfes folgend – und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.
Die Abgeordneten Andreas Ottenschläger, Hermann Weratschnig, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungsantrag betreffend Ziffer 4 eingebracht.
Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.
Die Abgeordneten Alois Stöger, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag betreffend Einfügung neuer Ziffern 5 bis 6b sowie Änderungen in der Folgeziffer eingebracht.
Wer dafür ist, den bitte ich um eine Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über diese Teile des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschussberichtes.
Ich ersuche jene Mitglieder des Hohen Hauses, die dafür sind, um ein zustimmendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.
Wir kommen schließlich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes.
Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Auch das ist einstimmig angenommen.
Wir kommen zur dritten Lesung.
Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Einstimmigkeit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.
Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (2406 d.B.): Änderungen des Übereinkommens über den internationalen Eisenbahnverkehr (COTIF) und der Anhänge E (CUI) und G (ATMF) sowie die Einfügung des neuen Anhangs H (EST) zum Übereinkommen (2490 d.B.)
Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir kommen zum 8. Punkt der Tagesordnung.
Es wurde auch da wieder auf eine mündliche Berichterstattung verzichtet.
Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Hermann Weratschnig. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.
Abgeordneter Hermann Weratschnig, MBA MSc (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Abgeordnete! Ja, das Übereinkommen Cotif, gegründet 1999, dient der grenzüberschreitenden Harmonisierung im internationalen Bahnverkehr. Das, was wir uns alle wünschen, nämlich mehr Harmonisierung in den Bahnverkehren, ist Gegenstand dieses Übereinkommens.
Es gibt Modellverträge, es gibt bereits 50 Staaten, die dabei sind, und es hat einen enormen Schub gegeben seit 2011, als die Europäische Union als Ganzes dem Übereinkommen Cotif beigetreten ist und nun auch da klare
Schwerpunkte in der Arbeit gesetzt werden können, nämlich Schwerpunkte im Bereich der Zugsicherung und im Bereich der Gefahrguttransporte.
Man muss aber dazusagen, Cotif ist weit entfernt von dem, was wir uns hier in Österreich unter Harmonisierung beziehungsweise Abbau von Barrieren im Bereich Eisenbahn vorstellen. Da geht es um Digitalisierung, um Automatisierung, um Sprachbarrieren, um technisches Regelwerk, um die leidige Frage der Stromnetze im Eisenbahnraum, um das Thema Ausbildung, um das Thema Tunnelweiten und natürlich auch um das Thema Zugsicherungen.
Heute beschließen wir Änderungen, die bereits 2018 auf der Generalversammlung der Zwischenstaatlichen Organisation für den Internationalen Eisenbahnverkehr, kurz Otif, beschlossen wurden. Es sind ein paar sehr technische, aber doch sehr wichtige Punkte im internationalen Eisenbahnverkehr: Unterstützung der Interoperabilität beim Grenzübertritt von Ganzzügen, geändertes Vorgehen beim Empfehlen von Methoden und Vorgangsweisen, sicherer Zugbetrieb im internationalen Verkehr und Verschiebungen bei den abkommensinternen Zuständigkeiten, also eine Klärung vor allem in der Kompetenzlage.
Man muss dazusagen: Wir sehnen uns nach viel mehr, was den internationalen Eisenbahnraum betrifft. Da spreche ich auch aus eigener Erfahrung als Abgeordneter aus Tirol, wo wir ja ganz klar dafür eintreten, den Modal Split vor allem im Güterverkehr merklich zu verändern, um die Transitbelastung zu reduzieren, und genau da braucht es in Zukunft noch viel mehr Harmonisierung, was etwa die Themen Terminals, Zugsicherung, Ausbildung betrifft, all die Punkte, die ich schon erwähnt habe.
Ich hoffe, Frau Bundesministerin, dass wir diesen österreichischen Input und den Input der Österreichischen Bundesbahnen und der privaten Anbieter hier im Lande auch mitgeben können, um international wie auch auf europäischer Ebene da einen wichtigen Beitrag in Richtung grenzüberschreitende Harmonisierung zu leisten.
Ich bitte um breite Zustimmung. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
14.13
Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächste Rednerin ist Melanie Erasim. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.
Abgeordnete Melanie Erasim, MSc (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Wir als sozialdemokratische Parlamentsfraktion unterstützen natürlich alle notwendigen Maßnahmen, um einen sicheren Betrieb von Zügen – und in diesem Übereinkommen geht es ja um die Sicherheit im internationalen Zugverkehr – zu gewährleisten, deswegen werden wir dieser Regierungsvorlage natürlich unsere Zustimmung erteilen.
Die Schwerpunkte der Otif, der für Cotif zuständigen Agentur, liegen zum Beispiel beim Eisenbahnbeförderungsrecht, bei der Beförderung gefährlicher Güter, bei der Validierung technischer Normen und bei der Annahme einheitlicher technischer Vorschriften von Eisenbahnmaterialien, aber eben auch bei der Beseitigung von Hindernissen beim Grenzübertritt.
Damit bin ich schon bei einem sehr aktuellen und brisanten Thema, das ich auch schon im Ausschuss angesprochen habe: Im Eisenbahnverkehr ist für Zigtausende Pendlerinnen und Pendler nicht nur die technische Sicherheit, sondern auch die Planungssicherheit ein Thema höchster Relevanz.
Angesichts der Probleme zum Beispiel beim Deutschen Eck, wo es oft zu extrem langen Verspätungen kommt, ersuche ich Sie, Frau Ministerin, und fordere Sie im Namen der leidgeplagten Fahrgäste auf, da aktiv zu werden, und zwar spürbar aktiv zu werden.
Es fehlen da sichtbare langfristige Strategien, aber auch internationale Abstimmungen, die auch Lösungen bringen. Im Moment braucht es nicht einmal
Grenzübertritte im Zugverkehr, um von endlosen Verspätungen geplagt und betroffen zu sein. Von West bis Ost, von Bregenz bis Bernhardsthal ist der Unmut der Pendlerinnen und Pendler so groß wie noch nie, und das zu Recht.
Auch wenn es in der politischen Diskussion um Schuldsuche geht, müssen wir hier versuchen, lösungsorientiert zu arbeiten, und ich möchte nur eines von dieser Stelle ganz deutlich sagen: Es sind sicher nicht die fleißigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Eisenbahnverkehrsunternehmen, der ÖBB, die schuld an Verspätungen sind. Die leisten Unglaubliches und halten das Werk am Laufen.
Es kann von politischer Seite Entschuldigungen geben – von Udo Landbauer,für die Ostregion oder Sonstiges –, aber ich bin wie gesagt lösungsorientiert und möchte deshalb noch einmal an Sie appellieren: Tun Sie da bitte etwas, das den Menschen wieder Planungssicherheit gibt, damit sie pünktlich in ihrer Arbeit und danach wieder zu Hause ankommen, damit sie keine Sorge haben müssen, ob sie ihre Kinder rechtzeitig vom Kindergarten abholen können, ob sie den Job verlieren oder ob sie gar, was oft gar nicht mehr leistbar ist, wieder aufs Auto umsteigen müssen.
In diesem Sinne brauchen wir einen starken Schulterschluss und aktive Maßnahmen, die noch sichtbarer sind, um Verständnis für die Probleme der Pendlerinnen und Pendler zu erreichen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)
14.16
Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Dipl.-Ing. Gerhard Deimek. – Bitte, Herr Abgeordneter.
Abgeordneter Dipl.-Ing. Gerhard Deimek (FPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Lange hat es gewährt, jetzt ist es endlich bei uns im Haus und wird beschlossen: Diese Vereinheitlichungen im Eisenbahnrecht, diese internationalen Vereinbarungen sind gut und richtig. Natürlich sind die Sicherheitseinrichtungen nur ein Teil
davon. Etliches anderes ist auch noch weiterzutreiben, und es freut uns, wenn wir da die entsprechenden Schritte mitgehen können.
Warum finden wir dieses Thema wichtig? – Wir sehen gerade beim Thema Brennerbasistunnel, dass, auch wenn es gemeinsame gesetzliche Vorgaben gibt, dann doch das Thema Sicherheit beziehungsweise das Thema Eisenbahnverkehr unterschiedlich gesehen wird. Das sind die klassischen – ich nenne es einmal so – Protektionsvorhaben in den einzelnen Ländern, um dann den gemeinsamen Eisenbahnverkehr doch nicht so zu gestalten, dass er gemeinsam ist, sondern so, dass wieder an den Grenzen Abschnitte gemacht werden und dann nationalstaatlich weiterverfahren werden soll.
Ich sehe, dass vor allem im Sicherheitsbereich endlich eine gewisse Gemeinsamkeit in Europa zutage tritt, ich würde mir das aber auch noch im täglichen Betrieb wünschen. Warum glauben wir, dass das auch im täglichen Betrieb wichtig ist? – Sie haben in vielen Reden und auch im Ausschuss das Thema Modal Split angesprochen, und auch Kollege Weratschnig hat es vorhin angesprochen. Ich finde, dass es ganz wichtig ist, diesen zu erhöhen. Das ist eines der Themen, bei denen wir sagen: Ja, da kann man wirklich im Mobilitäts- und Verkehrsbereich klimafreundlicher agieren.
Ich möchte noch mehr Überlegungen und Anstrengungen zur Verbesserung des Modal Split; er ist in den letzten Jahren ja eigentlich zurückgegangen. Da gab und gibt es Demonstrationen, von der Vida und allen möglichen. Wir müssen uns wirklich überlegen, wie wir das machen, wie wir das anstellen.
Wir erleben derzeit durchaus problematische Situationen im Bereich der ÖBB, teilweise eine Überfrachtung der Trassen. Auch die Privaten haben nicht die Steigerung der Gütermengen erleben können, wie wir sie uns gewünscht hätten. Ich finde, da ist noch einiges zu tun. Es gibt eigentlich keinen Grund, das liegen zu lassen. Gehen wir es an!, das wäre mein Appell. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)
14.19
Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Abgeordneter Johann Singer. – Bitte, Herr Abgeordneter.
Abgeordneter Johann Singer (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Geschätzte Damen und Herren! Kollege Weratschnig hat den Inhalt dieses Tagesordnungspunktes schon sehr ausführlich erläutert, daher kann ich darauf verzichten. Ich möchte aber noch ein Thema aufgreifen, nämlich die Harmonisierung des internationalen Eisenbahnverkehrs beziehungsweise die Rahmenbedingungen dafür. Für mich stellt sich in diesem Zusammenhang schon die Frage, ob ein einheitlicher europäischer Eisenbahnraum überhaupt realisierbar ist.
Das politische Wohlwollen gegenüber den europäischen Eisenbahnen ist aus meiner Sicht derzeit sehr hoch; die Verlagerung des Verkehrs auf die Schiene wird mit einem hohen finanziellen Aufwand gefördert, auch mit dem Ziel, die Verkehrsemissionen zu reduzieren.
Weitere Ziele sind – ich darf einige anführen –: die Verdoppelung des Hochgeschwindigkeitsverkehrs bis 2030 und seine Verdreifachung bis 2050; für mich ist auch die Zielsetzung der Verdoppelung des Schienengüterverkehrs bis 2050 ganz wichtig. Dazu gehören auch das Schließen fehlender Verbindungen und natürlich die Modernisierung des Netzes. Wir brauchen mehr Umschlagterminals, verbesserte Abfertigungskapazitäten an Güterterminals, kürzere Wartezeiten bei Grenzübergängen – das ist schon angesprochen worden –, längere Züge im Güterverkehr und so weiter und so fort.
Sehr geehrte Damen und Herren, leider haben wir auch noch immer vielfältige Unterschiede in den nationalen Vorschriften der Mitgliedstaaten. Wir brauchen die Einführung einer gemeinsamen Sprachregelung auf den Strecken – auch das ist heute schon angesprochen worden. Wir brauchen, wie ebenfalls schon angesprochen wurde, den Ausbau der Infrastruktur für längere Güterzüge und natürlich die Angleichung der Sicherheitsstandards.
Das sind viele Herausforderungen, deren Umsetzung leider oftmals an den Mitgliedstaaten und deren Eisenbahnen scheitert. Für mich ist das sehr, sehr schade. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)
14.22
Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Abgeordneter Alois Schroll. – Bitte, Herr Abgeordneter.
Abgeordneter Alois Schroll (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren hier im Plenarsaal und zu Hause vor den Bildschirmen! Wir beschließen hier und heute die Änderung eines internationalen Übereinkommens für den Bahnverkehr, einheitliche Rechtsvorschriften für den Betrieb von Zügen, technische Sicherheit, Planungssicherheit – alles wichtige Punkte für grenzüberschreitende Bahnreisen.
Nun mögen sich wahrscheinlich viele Kolleginnen und Kollegen hier im Saal und vor den Bildschirmen denken: technisch, trocken, sehr weit weg von mir, warum soll mich das betreffen? – Die Antwort ist aber ganz einfach, geschätzte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen: Harte Grenzen, Mauern, Stacheldrähte innerhalb Europas gehören definitiv der Vergangenheit an. Wir können frei entscheiden, ob wir in Deutschland, in Italien oder irgendwo in der EU arbeiten wollen, wir können innerhalb der EU Handel mit Produkten betreiben – und wahrscheinlich haben viele von uns Freundinnen und Freunde innerhalb der EU.
Unser europäisches Eisenbahnnetz stammt aber nicht aus dieser Zeit, es wurde in einer Zeit errichtet, in der die einzelnen Nationalstaaten für sich waren und grenzüberschreitender Verkehr eine geringere Rolle gespielt hat. Das spüren und sehen wir auch heute. Ich nenne ein Extrembeispiel: Wer zum Beispiel mit dem Zug von meiner Heimat Amstetten nach Stockholm fahren will, muss fünfmal
umsteigen, fährt mit vier verschiedenen Bahnfirmen und muss vier verschiedene Tickets buchen. Dass einem da die Zugreise vergeht, ist, glaube ich, mehr als verständlich; und es ist einem auch nicht zu verdenken, wenn man dann auf das Flugzeug umsteigt – das sind logische Konsequenzen davon.
Umso wichtiger ist es, glaube ich, dass im internationalen Bahnverkehr etwas weitergeht. Die heute hier diskutierte Änderung ist ein kleiner Baustein auf dem Weg zu einem einheitlichen europäischen Bahnsystem und zum Klimaschutz. Damit wir in Zukunft schneller und bequemer von A nach B kommen, müssen wir unsere Bahnnetze ausbauen und Hochgeschwindigkeitszüge einsetzen; wir müssen einheitliche Standards in der Technik schaffen, damit nach einer Grenze die Gleise nicht auf einmal um ein paar Zentimeter schmäler sind, wir die Verkehrszeichen nicht mehr lesen können und vieles mehr. Vor allem müssen wir ein einheitliches Ticketsystem für ganz Europa anbieten, denn damit muss man für die Fahrt von Amstetten nach Stockholm nicht mehr viermal umsteigen und sich keine vier verschiedenen Tickets besorgen. Nur so wird das Bahnfahren für immer mehr Menschen attraktiv, und das Klima wird damit effektiv geschützt.
Damit das klar ist: Ja, das Problem lässt sich nur auf europäischer Ebene lösen – ich fordere allerdings ein, dass die Bundesregierung die treibende Kraft sein muss, damit dieses Zukunftsprojekt gelingen möge. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)
14.25
Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Rebecca Kirchbaumer.– Bitte schön, Frau Abgeordnete.
Abgeordnete Rebecca Kirchbaumer (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher hier bei uns auf der Galerie oder auch zu Hause vor den Bildschirmen! Internationaler Bahnverkehr wäre natürlich etwas Tolles, wenn es tatsächlich gelingen könnte,
dass er vereinheitlicht wäre. Wir haben schon viel gehört von meinen Vorredner:innen, aber ich möchte gerne auf zwei Themen eingehen.
Kommen wir zum Thema Rollende Landstraße! Wenn wir bis 2050 die Verdoppelung der Verlagerung des Transports von Gütern vom Lkw auf die Schiene tatsächlich umsetzen wollen, dann werden wir das ausbauen müssen. Es gibt von 2022 bis 2023 von Wörgl bis zum Brenner ein Minus von 17 Prozent, die Güter werden also eher weniger auf der Schiene transportiert als mehr. Eigentlich wollen wir ja die Verlagerung auf die Schiene forcieren, das ist ja für die Umwelt gut und natürlich auch für die Stausituation in Tirol – Tirol ist ein sehr, sehr belastetes Transitland.
Kollegin Erasim hat auch das Deutsche Eck angesprochen. Kürzlich hatte ich ein nettes Gespräch mit einem Lokführer, der seit 21 Jahren auf der Rollenden Landstraße Güter transportiert. Er hat zu mir gesagt: Er fährt natürlich auch international, und das Schlimmste für jeden Lokführer ist, wenn er über das Deutsche Eck fahren muss. Das ist ein Lottospiel: Bleibt man stehen, bleibt man liegen? – Im Jargon der Lokführer bleibt man dort liegen.
Ich glaube schon, dass wir in Zukunft viel, viel mehr und mit vehementer Kraft dahinter sein müssen, dass wir grenzüberschreitende Regelungen auf der europäischen Ebene schaffen, dass die Sprache vereinheitlicht wird, dass die Signalsysteme, die Lichtsysteme, die Bremssysteme und das Stromnetz gleichermaßen umgesetzt werden, dass diese Vorgaben gleich sind. Wenn man am Brenner steht, dann wird von Wechselstrom auf Gleichstrom umgestellt, die Bremsen müssen geändert werden, und vielleicht muss sogar auch noch die Lok getauscht werden – bis hin zum Lokführer.
Wir müssen auf internationaler Ebene in der Europäischen Union vorantreiben, dass diese Möglichkeit besteht. Wenn man in ein Flugzeug nach Spanien einsteigt, dann ist es auch nicht so, dass über Italien der Pilot beziehungsweise vielleicht sogar die Antriebsart getauscht werden muss. Ich glaube, dass wir das in der heutigen Zeit, im Zeitalter der Digitalisierung schon umsetzen können.
Frau Bundesministerin, an dieser Stelle hätte ich noch eine große, große Bitte an Sie, beziehungsweise fordere ich Sie sogar diesbezüglich auf: Wir brauchen endlich die Zulaufstrecken von Deutschland für den Brennerbasistunnel. Das geht so nicht mehr weiter mit diesen ständigen Ankündigungen, diesen ständigen Gesprächen: Schauen wir einmal, wissen wir nicht, wollen wir, nein, bis 2040 und vielleicht bis 2050. – Na ja, wir können auch ins 23. Jahrhundert überleiten. Irgendwann einmal muss es da tatsächlich einen Stichtag geben, dass Deutschland sich endlich zum Brennerbasistunnel bekennt.
Ich bitte Sie inständig, dass Sie da wirklich auf die Tube drücken, dass Sie das auch einfordern und nicht nur Gespräche führen.– Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)
Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.
Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das kann ich nicht erkennen.
Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Antrag des Verkehrsausschusses, den Abschluss des gegenständlichen Staatsvertrages in 2406 der Beilagen gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 Bundes-Verfassungsgesetz zu genehmigen.
Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.
Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (2462 d.B.): Bundesgesetz, mit dem zur Lösung haftungsrechtlicher Fragen bei Bäumen das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch geändert wird (Haftungsrechts-Änderungsgesetz 2024 – HaftRÄG 2024) (2481 d.B.)
Präsident Ing. Norbert Hofer: Damit kommen wir schon zum 9. Punkt der Tagesordnung.
Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.
Zu Wort gelangt nun Frau Mag.a Agnes Sirkka Prammer. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.
Ich darf die Frau Bundesminister verabschieden und mich für ihre Geduld und Ausdauer bedanken.
Abgeordnete Mag. Agnes Sirkka Prammer (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Haftungsrechts-Änderungsgesetz – das klingt ein bisschen sperrig, ist aber in Wirklichkeit etwas ganz Großartiges. Was wir hier machen, ist etwas ganz Seltenes, denn wir ändern das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch. (Abg. Einwallner: Ministerin ist keine da, oder?) Das ist nicht alltäglich und das ist auch etwas, das man immer mit besonderer Sorgfalt machen muss, weil dieses Gesetzeswerk die Basis unseres Zivilrechts bildet.
Darin gibt es einen Teil, der sich mit Haftungsrecht, also mit Schadenersatz, beschäftigt. (Abg. Einwallner: Wo ist die Ministerin?) Da gibt es einen Grundsatz, der besagt: Wenn mir ein Schaden passiert, dann bin ich grundsätzlich selbst dafür verantwortlich. Ich muss diesen Schaden tragen, es sei denn, es ist jemand anderer dafür verantwortlich, es hat mir jemand diesen Schaden schuldhaft zugefügt. Das ist das Grundprinzip beim Schadenersatzrecht, und da gibt es dann einige Spezialbestimmungen, die in bestimmten Sonderfällen gesonderte Regelungen erwirken. (Abg. Einwallner: Wo ist die Bundesministerin für Justiz? – Ruf bei den Grünen: Im Lift! Im Lift ist sie!)
Es gibt einen Teil, der bisher keine eigene Regelung hatte, und zwar folgender: Was passiert, wenn jemandem ein Schaden dadurch entsteht, dass zum Beispiel etwas von einem Baum herunterfällt? Was passiert, wenn dadurch ein
Gegenstand beschädigt oder man dadurch am Körper verletzt wird? Kriege ich so einen Schaden ersetzt oder nicht? Gibt es jemanden, der dafür verantwortlich ist, oder nicht? Muss ich selbst für diesen Schaden aufkommen?
Weil dieser Teil noch nicht geregelt war, haben wir das jetzt gemacht. Man hat sich früher damit beholfen, dass man gesagt hat: Ein Baum gehört jemandem, und derjenige, dem der Baum gehört, soll für den Schaden haften. Da es aber keine eigenen Regelungen dafür gibt, hat man sich an den Regelungen betreffend Gebäude orientiert und gesagt: Ein Baum ist so ähnlich wie ein Gebäude, das ist auch etwas, das aus der Erde herauskommt, das auf der Erde draufsteht, und wenn von einem Baum etwas herunterfällt, dann behandelt man es so, als würde etwas von einem Gebäude herunterfallen.
Ein Baum ist aber logischerweise etwas anderes als ein Gebäude, weil er nicht von Menschen gemacht wurde. Wenn ein Mensch etwas macht, wenn ein Mensch ein Gebäude errichtet, ist es nachvollziehbar, dass ich ihn dafür in die Verantwortung nehme, wenn vom Gebäude etwas herunterfällt und jemand davon getroffen wird. Wenn ein Baum natürlich wächst, sich immer wieder natürlich erneuert, fallen immer wieder einmal Teile herunter. Das muss ich natürlich auch bewerten, aber eher so, als sei niemand dafür verantwortlich.
Es kann aber auch nicht sein, dass ich, wenn ich einen Baum habe, an dem viele Menschen vorbeigehen, mich nicht darum kümmern muss, dass dieser Baum auch in Ordnung ist. Deshalb ist es wichtig, dass man diese Regelungen so trifft, dass man sagt: Wenn durch einen Baum ein Schaden verursacht wird, dann schaue ich mir an: Wurde von demjenigen, dem der Baum gehört, alles dafür getan, diesen Schaden von anderen Menschen abzuhalten?
Da gibt es mehrere Möglichkeiten: Erstens muss ich mir natürlich immer anschauen, in welchem Zustand dieser Baum ist – wie muss ich für diesen Baum sorgen? –, und vor allem: Wo steht dieser Baum? Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass Menschen oder Gegenstände Schaden erleiden, wenn mit
dem Baum irgendetwas passiert, wenn zum Beispiel ein Ast herunterfällt, wenn Zweige herunterfallen? All das sind Themen, mit denen man sich befassen muss.
Wir haben ein Haftpflichtrecht geschaffen, eine eigene Haftungsregelung geschaffen, mit der wir das regeln. Das Prinzip ist Folgendes: Wenn ich einen Baum habe, dann muss ich dafür sorgen, dass niemand anderem etwas passiert, und ich muss Vorkehrmaßnahmen treffen, die für den Bereich, in dem der Baum steht, angemessen sind. Wenn ich das gemacht habe, dann hafte ich nicht mehr dafür. Ich hafte nur so lange dafür, solange ich diese Pflicht verletze.
Ich denke, wir haben hiermit ein gutes Gesetz geschaffen, eine faire Lösung für Menschen und für Bäume. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Bundesministerin Zadić betritt den Saal. – Abg. Martin Graf – in Richtung Abg. Prammer –: Können Sie das noch einmal wiederholen? Die Frau Bundesministerin hat nichts mitgekriegt!)
14.34
Präsident Ing. Norbert Hofer: Ich darf Frau Bundesministerin Zadić sehr herzlich im Parlament willkommen heißen.
Zu Wort gelangt nun Mag. Selma Yildirim. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.
Abgeordnete Mag. Selma Yildirim (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Ministerin! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren Besucher:innen im Hohen Haus! Der Baum am Straßenrand, im Hof oder vor dem Haus fällt oft erst dann auf, wenn er weg ist. Ein Baum, sehr geehrte Damen und Herren, produziert in etwa die Menge an Sauerstoff, die zehn Menschen zum Atmen brauchen. Seine Wurzeln binden Wasser, er sorgt durch Verdunstung für Kühlung an heißen Sommertagen und zusätzlich filtert er pro Jahr rund 1 Tonne Staub, aber auch Bakterien und Pilzsporen aus der Luft.
Durch den Klimawandel steigt die Zahl der Hitzetage in unseren Städten. Das ist nicht nur unangenehm, sondern das hat für viele Menschen auch gesundheitliche Konsequenzen. Kaum etwas beeinflusst das Klima in unseren Städten so positiv, wie das große Bäume tun. Wir sollten die Bäume also möglichst erhalten. In Mitteleuropa ist die Oberflächentemperatur von mit Bäumen bewachsenen Flächen im Vergleich zu bebauten Flächen um 8 bis 12 Grad kühler. Das belegen uns Studien zu dem Thema.
Durch die neue Baumhaftungsregelung möchten wir verhindern, dass Bäume aus – teilweise übertriebener – Angst vor Haftung gefällt werden, obwohl das aus Sicherheitsgründen nicht immer notwendig wäre. Daher haben wir das schon seit Längerem im Justizausschuss etwas intensiver debattiert und sind einstimmig zum Schluss gekommen, dass es eine eigene Haftungsregelung braucht.
Das bedeutet aber nicht – obwohl auch von Entschärfung oder von Beweislastumkehr die Rede ist; das wird auch zum Teil der Fall sein –, dass die Sorgfaltspflichten vernachlässigt werden können. Es ist nach wie vor so, dass man Verantwortung dafür hat, darauf zu achten, dass geschädigte Bäume nicht umfallen oder ein Ast nicht abbricht und herunterfällt. Da ist also Vorsorge zu treffen, damit das nicht passiert und zu einem Schaden führt. Wir wollen einfach verhindern – was viele von Ihnen in Ihren Gemeinden und Städten beobachten –, dass ganze Alleen aus übertriebener Vorsicht und Angst gefällt werden, dass ganze Baumreihen verschwinden.
Frau Ministerin – weil Sie hier sitzen –, Innsbruck hat einen grünen Bürgermeister und böse Zungen behaupten, seit es den grünen Bürgermeister gibt, gibt es mehr Baumschläge als davor. Ich hoffe, dass dieses Gesetz dazu beiträgt, dass in Innsbruck mehr Bäume überleben werden, und daher werden wir dieser Änderung der Haftungsregelung zustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)
14.38
Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Mag. Christian Ragger. – Bitte, Herr Abgeordneter.
Abgeordneter Mag. Christian Ragger (FPÖ): Geschätzter Herr Präsident! Liebe Frau Ministerin! Das Baumgesetz ist ein in die Tiefe gehendes Thema. Im Wesentlichen haben wir eine Ausgangssituation vorgefunden, die uns doch einen sehr ernsten Hintergrund aufzeigt, nämlich dass wir über Jahre hinweg mit einer Analogie gearbeitet haben, weil es keine Bestimmung gegeben hat, was passiert, wenn ein Baum umfällt und das eine Verletzung nach sich zieht.
Es hat ein sehr dramatisches Ereignis gegeben, viele Zuhörer werden das mitbekommen haben. In den letzten Jahren wurden die Wettervorhersagen immer knapper aktualisiert, das hat zum Teil zu massiven Unfällen geführt. Bei uns ist dann Folgendes passiert: Es sind zwei Kinder tödlich verunglückt, sie sind von Bäumen erschlagen worden.
Wenn man nach der alten Rechtslage gegangen wäre, hätte man nach dem ABGB nur die Möglichkeit gehabt, zu interpretieren. Wir haben eine Gesetzesstelle angewendet, die sagt: Pass auf, wenn du ein Mauerwerk hast und von diesem Mauerwerk Gebäudeteile herabfallen, dann kann man das anhand einer Haftung festmachen! – Eine rechtliche Regelung in Bezug auf Bäume hat es nicht gegeben. Diese Lücke haben wir jetzt geschlossen, und das ist, glaube ich, gut so.
Das hat natürlich auch seine Bewandtnis dahin gehend, dass man jetzt nicht sagen kann, man muss jeden Tag jeden seiner Bäume durchzählen gehen und schauen, ob sie korrekt und ordnungsgemäß gehalten werden. Man muss natürlich die Sorgfaltspflicht einhalten, aber – so wie es die Vorrednerin erwähnt hat – es ist hinkünftig notwendig, dass man als Geschädigter den Nachweis erbringt; dass man, wenn man einen Schaden erlitten hat, den auch beweist.
Darauf zielt dieses Gesetz ab. Es ist damit eine gute Lückenschließung im Bereich von Bäumen, herabfallenden Ästen oder Sonstigem – eine hinzugefügte ABGB-Neuregelung. Dabei kann man es bewenden lassen, sage ich einmal.
Es ist natürlich auch noch hervorzuheben, dass das nichts mit dem Forstgesetz zu tun hat. Also, ÖVP: Die Ängste der Landwirte können sich wieder legen! Das Forstgesetz bleibt natürlich aufrecht. § 176 Forstgesetz ist weiter der Paragraf betreffend diese Regelung.
Dementsprechend werden wir dieser Novellierung auch zustimmen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)
14.40
Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Michaela Steinacker. – Bitte, Frau Abgeordnete.
Abgeordnete Mag. Michaela Steinacker (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren, die Sie hier zuhören! Aus meiner Sicht darf ich sagen: Was lange währt, wird endlich gut. – Ich glaube, ich beschäftige mich mit dem Thema der Baumhaftung seit geschätzt acht Jahren, seit ich hier im Hohen Haus bin, und es bedurfte jetzt der vereinigten Kräfte, dass wir eine so gute und saubere Lösung gefunden haben.
Die Vorredner haben es schon gesagt: Die analoge Regelung, die die Rechtsprechung angewandt hat – nämlich die Gebäudehaftung –, passt halt einfach nicht zu einem lebenden Ding wie einem Baum. Ein Baum verändert sich: Ein Baum wächst, ein Baum kann hohl werden, es können Äste abbrechen, und zwar noch viel eher, als bei einem Haus etwas herunterfällt, weil Wind und Wetter auf einen Baum natürlich ganz anders einwirken.
Diese neue Regelung ist insofern ganz, ganz wichtig, weil wir nicht mehr die sogenannte Beweislastumkehr haben, sondern der Geschädigte muss beweisen, dass dieser Baum sozusagen nicht ordentlich gepflegt war.
Meine Damen und Herren! Der Kollege hat es vorhin schon gesagt: Ich glaube, wichtig war auch, dass wir das Forstgesetz und die Regelungen des Forstgesetzes bezüglich der Bäume, die im Wald stehen, so belassen haben, wie sie sind. Jeder kann sich das vorstellen: Ein Wald ist anders, denn ein Wald hat sehr, sehr viele Bäume – das ist etwas anderes als Bäume, die an einer Straße als Begrenzung für Licht und Schatten stehen, etwas anderes als Bäume, die in der Stadt stehen, um einen Hof zu begrünen, etwas anderes als Bäume, die auf einem Spielplatz stehen, um Schatten zu spenden, wenn Kinder spielen.
Wichtig ist auch, dass genau diese Regelung im Forstgesetz so geblieben ist, weil es natürlich durch die Öffnung der Wälder im Jahr 1975 die Möglichkeit gibt, dass Menschen zu Erholungszwecken dort einfach hineingehen dürfen. Diese Regelungen haben wir so belassen.
Die Verunsicherung für die Baumhalter ist weg. Es gibt mit dem § 1319b im ABGB ganz klare neue Haftungsregelungen. Ja, wir sind auch darauf stolz, dass wir im Justizausschuss so eine gute, fundierte Diskussion zu diesem Thema haben durften und dass alle Parteien dieser neuen Regelung zustimmen.
Was mir noch wichtig erscheint, ist, zu erwähnen, dass der Maßstab der neuen Haftung natürlich der Sorgfaltsmaßstab ist, aber anders als damals – als wir seinerzeit bei der Almwanderung über Haftungsmaßstäbe und Eigenverantwortung gesprochen haben und dann einen Leitfaden für die Nutzung herausgegeben haben – ist dieser Leitfaden jetzt schon existent (die Rednerin hält ein Exemplar des Leitfadens in die Höhe), der „Leitfaden Baumsicherheitsmanagement“.
Dieser ist ganz extrem wichtig für all diejenigen, die sich fragen: Wann muss ich einen Baum wie schneiden? Einen Baum im Hinterhof, an dem keiner vorbeigeht,
der aber für die Luft und Kühlung dieser Wohnhausanlage wichtig ist, wird man sicher anders zu behandeln haben als einen Baum bei einem Spielplatz, auf dem vielleicht auch bei stärkerem Wind Kinder sind. Dieser Leitfaden (einige Seiten des Leitfadens aufblätternd) gibt eben entsprechende Anleitungen, auch mit Bildern. Er ist ergänzend zu der neuen Regelung im ABGB als praxistaugliche Orientierungshilfe ganz, ganz wichtig.
Meine Damen und Herren, ich freue mich über diese Regelung. Noch einmal: Was lange währt, wird endlich gut!
Frau Bundesministerin, danke, dass wir diese Diskussionen auch mit Ihrem Haus führen durften, sodass wir jetzt diese, wie ich glaube, sehr saubere Lösung gefunden haben – eben mit dem Maßstab Eigenverantwortung, aber auf der anderen Seite auch mit Rechtssicherheit für alle, die in Österreich Bäume halten und dafür verantwortlich sind. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Prammer.)
14.44
Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Dr. Nikolaus Scherak. – Bitte, Herr Abgeordneter.
Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Kollegin Prammer hat es schon angesprochen: Das ABGB hat ein gewisses Alter erreicht, und wir sind sehr froh, dass wir in den grundsätzlichen Fragen des Privatrechts mit einem Rechtstext aus dem Jahr 1811 noch das Auslangen finden und das ausgezeichnet funktioniert, aber natürlich gibt es Dinge, die sich ändern und die uns vor gewisse Herausforderungen stellen – und so stellte sich eben auch über viele Jahre hinweg die Frage: Was passiert denn, wenn aufgrund eines morschen Baumes oder irgendetwas dergleichen ein Schaden entsteht? – Weil wir als Gesetzgeber auf diese Sondersituation keine
konkrete Antwort gegeben haben – sagen wir einmal so; man hätte wahrscheinlich mit den normalen Haftungsregeln auch das Auslangen gefunden –, hat sich die Rechtsprechung auf die Bauwerkhaftung bezogen.
Das kann man sehen, wie man will – es ist ganz einfach so gewesen und dementsprechend war es so. Nichtsdestotrotz ist es ein Faktum, dass es einen Unterschied gibt zwischen einem Baum, der ja lebendig ist und sich selbst weiterentwickelt und auf den der Halter wohl keinen Einfluss hat, und einem Bauwerk, bei dem klar ist, dass entsprechende Bauvorschriften einzuhalten sind und dass man es natürlich auch entsprechend pflegen muss.
Die Judikatur hat eine Entscheidung getroffen, die zu einer Situation geführt hat, dass bei Bäumen die Beweislast umkehrbar war und der Baumhalter erklären musste, wie sorgfältig er den Baum gepflegt hat. Das stellt einen Baumhalter vor einige Herausforderungen. Es ist aus meiner Sicht nicht ganz logisch, wieso da die gleichen Regeln gelten sollten wie bei Bauwerken.
Deswegen gibt es jetzt eine Novelle, die auch lang und breit diskutiert wurde und mit der man aus meiner Sicht auch eine sehr gute Regelung gefunden hat, indem man auf unterschiedliche Orte, wo diese Bäume sind, abstellt, indem man sich auch die Sorgfaltspflichten entsprechend anschaut, also wo denn welche Sorgfalt notwendig ist, und anschaut, wie die Pflichten eingehalten werden müssen. Am Schluss ist es so, dass natürlich – so wie sonst auch immer – der Geschädigte erklären muss, wieso er der Meinung ist, dass es da eine mangelnde Sorgfalt des Baumhalters gab – wie bei anderen Dingen auch.
Dementsprechend glaube ich, dass es eine gute Lösung ist, die da gefunden wurde, und dementsprechend werden wir auch zustimmen. (Beifall und Bravoruf bei den NEOS. – Abg. Krainer: Es ist zwar schon alles gesagt, aber noch nicht von allen!)
14.47
Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer Stellungnahme ist nun Frau Bundesministerin Alma Zadić zu Wort gemeldet. – Bitte schön, Frau Bundesministerin.
14.47
Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren Abgeordnete! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Es ist mir wirklich eine besondere Freude, denn wie ich jetzt den Debattenbeiträgen der Vorredner:innen entnehmen kann, wird es ja hoffentlich ein einstimmiger Beschluss des Nationalrates, und das ist wirklich eine große Sache, gerade in diesem wichtigen Punkt, denn ja, wir haben sie endlich – und es hat länger gedauert, aber wir haben sie. Wir haben endlich eine Regelung, wie mit Bäumen umzugehen ist, und zwar mit Bäumen außerhalb des Waldes. (Abg. Wurm: Bäume wachsen doch in den Himmel!)
Bisher, und das wurde auch in vielen Reden erwähnt, war es nämlich so, dass es eine verschärfte schadenersatzrechtliche Haftung gegeben hat, weil wir eine Beweislastumkehr hatten. Mit der Beweislastumkehr war es so, dass der Baumhalter beweisen musste, dass er alles richtig gemacht hat. Jetzt führen wir das normale System ein, nämlich diese klassische Verschuldenshaftung, die wir ja auch aus anderen Bereichen kennen, dass nämlich der Geschädigte beweisen muss, dass der Baumhalter seinen Sorgfaltspflichten schuldhaft nicht nachgekommen ist.
Das ist eine wesentliche Verbesserung für alle Baumhalter, und ich gehe davon aus, dass es sogenannte Angstschnitte, die in Ballungszentren jetzt immer wieder vorkommen, nicht mehr geben wird, dass diese endlich der Vergangenheit angehören (Beifall bei den Grünen sowie der Abgeordneten Steinacker und Salzmann), und das ist, glaube ich, ein Meilenstein!
Ein Punkt wurde erwähnt und dieser war mir auch in den Verhandlungen besonders wichtig: Es kommt auf den Standort des Baumes und die damit verbundene Gefahr an, denn ein Baum, der in der Nähe eines Spielplatzes steht, ist natürlich anders zu behandeln als ein abgelegener Baum in einem Hinterhof oder in der freien Landschaft. Natürlich braucht es höhere Sorgfaltspflichten
bei einem Baum in der Nähe eines belebten Kinderspielplatzes. Ich glaube, dass das auch ein wichtiger Aspekt dieser Regelung ist.
Frau Abgeordnete Steinacker hat ja schon auf den Leitfaden hingewiesen – diesen möchte ich auch noch einmal in die Höhe halten (ein Exemplar des Leitfadens in die Höhe haltend), weil er wichtig ist. Auf diesen „Leitfaden Baumsicherheitsmanagement“ beziehen sich auch die Erläuterungen zu diesem Gesetzestext. Er gibt einen Überblick darüber, welche Kontrollen für welchen Baum notwendig sind. Damit gibt es da eine klare Anleitung, wie man Bäume besser schützen kann.
Hervorheben möchte ich noch zwei Sachen. Erstens die Eigenverantwortung von Menschen: Natürlich wird es nicht notwendig sein, die Menschen extra darauf hinzuweisen, dass bei einem Sturm von einem Baum natürlich eine gewisse Gefahr ausgeht. Diese Eigenverantwortung ist auch in den Erläuterungen zum Gesetzestext noch einmal klar festgehalten, damit das einfach noch einmal unterstrichen wird.
Der zweite Punkt ist der Aspekt des Umweltschutzes, denn zum ersten Mal wird im Zusammenhang mit der Haftung für Bäume auch der Umweltschutz in den Vordergrund gerückt. Bei der Zumutbarkeit von Kontroll- und Sicherungsmaßnahmen ist erstmals die explizite Berücksichtigung eines besonderen Interesses an der Erhaltung eines möglichst naturbelassenen Zustandes eines Baumes im Gesetz vorgesehen, gerade wenn es um Bäume bei Naturdenkmälern, in Nationalparks oder sonstigen Schutzgebieten geht.
Meine Damen und Herren, ich freue mich wirklich sehr, dass uns eine Einigung gelungen ist. Dass das Ganze auch einstimmig beschlossen wird, ist wirklich ein schöner Erfolg für den Baumschutz. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Hörl: Ein Baum, der liegt, steht nicht mehr auf! Eine alte Weisheit ...!)
14.51
Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Frau Dr.in Astrid Rössler. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.
Abgeordnete Dr. Astrid Rössler (Grüne): Herr Präsident! Sehr geschätzte Frau Bundesministerin! Es ist nicht so oft der Fall, dass die Bäume so einen prominenten Platz hier im Hohen Haus haben. Umso schöner ist es, dass heute dieser wunderbare Beschluss zum Thema Haftungsänderung – und damit für mehr Schutz für Bäume – gefasst werden kann.
Ich möchte auf den Prozess eingehen, denn ganz selten werden in einem legistischen Prozess so bemüht und so inhaltlich kompetent die Argumente abgewogen – für den Schutz der Menschen, aber auch für die Funktion und den Schutz der Pflanzen im Zusammenhang mit Lebensqualität. Das ist sicher einmalig, wenn man die Erläuterungen zu diesem Gesetz liest und dann der Exkurs zum ökologischen Wert und zur Gemeinwohlwirkung von Bäumen folgt. Das ist ganz ungewöhnlich, dass quasi in einer Haftungsregelung die Gemeinwohlwirkung von Bäumen so prominent beschrieben wird. Das ist wunderbar zu lesen und es zeigt auch, dass in diesem Gesetzwerdungsprozess tatsächlich alle Interessen zu Wort gekommen sind. Das könnte man als beispielgebend für viele andere Materien, bei denen auch Zielkonflikte und unterschiedliche Interessen mit hineingenommen werden, bezeichnen.
Es lohnt sich, einige dieser Formulierungen hier noch einmal Revue passieren zu lassen. Es ist tatsächlich die Rede davon, dass der Baum sich in seiner Art von allen anderen Pflanzen „abhebt“. Vielen fällt oft ein, dass man eine persönliche Beziehung zu Bäumen hat, zu alleinstehenden Bäumen in der Landschaft, denen man oft begegnet, wenn man dort spazieren geht; sie wachsen einem ein wenig ans Herz. Das wird in der Formulierung zum Ausdruck gebracht, dass Bäume sich von anderen Pflanzen abheben. Sie sind „strukturreich“, haben eine Bedeutung für die Artenvielfalt, aber natürlich auch gerade für die Lebensqualität in Städten. Sie sind ein entscheidender Faktor in den Städten, um die Gesundheit der
Bewohner zu unterstützen und die Lebensqualität zu erhalten. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Salzmann.)
Klima, Wohlfahrtswirkung, Schatten, Verdunstung: All das hört man oft. Darüber hinaus wird ein Baum aber auch umso wertvoller, je älter er wird, weil er genau dann Funktionen übernehmen kann, die ein junger Baum so nicht haben kann. (Abg. Hörl: Das ist wie beim französischen Wein! Wie beim Bordeaux!) – Wie Bordeaux, sagt unser lieber Kollege Hörl. – Dementsprechend ist immer auch abzuwägen, welche Pflegemaßnahmen es braucht, welche Kenntnis von Bäumen man braucht, um diese in zunehmendem Alter und bei zunehmender Knorrigkeit entsprechend zu pflegen und zu erhalten.
Ich möchte, weil von Kollegin Yildirim Kritik kam, darauf zweifach antworten. Erstens: In Innsbruck gibt es eine sehr detaillierte Baumerhebung. Von 25 000 Bäumen sind 220 aus Sicherheitsgründen entfernt worden und 250 neu gepflanzt worden. Es lohnt sich, diese Bilanz natürlich kritisch zu sehen, aber es wird darauf geschaut, dass mehr Bäume neu gepflanzt werden. (Beifall bei den Grünen.)
Ich möchte die Wiener Bauordnung positiv hervorheben. Die Wiener Bauordnung hat den Schutz von Bäumen und die Vorgaben betreffend das Pflanzen von Bäumen verbessert und verstärkt. Je fünf Parkplätze ist ein großkroniger Baum zu pflanzen. Das ist ein großer Schritt, und ich gratuliere der Stadt Wien zu dieser Initiative für den Baumschutz. Wir brauchen in allen Städten Baumschutzgesetze. Es gibt in Österreich leider derzeit noch viel zu wenige, aber die Sicherheit wird mit dem heute vorliegenden Gesetzentwurf ein Stück weit besser geregelt. Das ist ein starkes Signal für mehr Bäume und mehr Lebensqualität in den Städten – dafür heute vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
14.55
Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag.a Ruth Becher. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.
14.55
Abgeordnete Mag. Ruth Becher (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn internationale Delegationen nach Wien ins Hohe Haus kommen, erwähnen diese Besucher oft, wie schön Wien ist und was für schöne alte Bäume wir hier haben. Ich ermuntere die Wienbesucher dann sehr oft, darauf zu achten, dass bei den Bäumen Schilder mit einer Nummernprägung angebracht sind, denn alle Bäume sind natürlich auch erfasst und registriert. Es gibt den Baumkataster, in dem diese Daten festgehalten werden. Auf der Internetseite wien.gv.at kann man jeden einzelnen Baum im öffentlichen Raum ansehen. Bei der Darstellung wird sogar nach der Größe der Baumkronen unterschieden.
Wien und alle anderen Ballungszentren sind natürlich sehr stolz auf ihre Bäume. Durch den Klimawandel haben diese Schattenspender natürlich sehr an Bedeutung gewonnen. Schließlich kann ein großer Baum im Sommer an die 200 Liter Wasser verdunsten, was Verdunstungskälte erzeugt. Es handelt sich dabei sozusagen um eine biologische Klimaanlage, die zusätzlich Schatten und Sauerstoff spendet. Daher gibt es ein großes öffentliches Interesse an älteren Bäumen, auch solchen auf privatem Grund.
Ein Problem, das die privaten Eigentümer trifft, ist die Frage der Haftung, die heute schon angesprochen wurde, wenn es zum Umstürzen eines Baumes oder zum Herabfallen von Ästen kommt und etwas passiert. Wir, der Gesetzgeber, werden nun mit einer neuen Bestimmung im ABGB diese Haftung lockern. Es kommt in diesem Fall zu einer Beweislastumkehr: Der oder die Geschädigte muss dann eine grobe Fahrlässigkeit des Baumhalters nachweisen. (Präsident Sobotka übernimmt den Vorsitz.)
Ziel ist, dass in Zukunft weniger rigorose Rückschnitte und weniger rigorose Rodungen erfolgen, also mehr Baumpracht erhalten bleibt. Das ist eine sehr sinnvolle Maßnahme. Wir werden dieser Regelung daher auch zustimmen. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)
14.57
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Vielen herzlichen Dank.
Ich unterbreche nun die Verhandlungen über Tagesordnungspunkt 9, um um 15 Uhr mit der kurzen Debatte starten zu können.
Die Sitzung ist unterbrochen.
(Die Sitzung wird um 14.58 Uhr unterbrochen und um 15 Uhr wieder aufgenommen.)
*****
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.
Wir kommen zur kurzen Debatte.
Die kurze Debatte betrifft den Antrag der Abgeordneten Loacker, Kolleginnen und Kollegen, dem Ausschuss für Arbeit und Soziales zur Berichterstattung über den Antrag des Abgeordneten Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Mehr Mitteleffizienz bei Bildungskarenz“, 3397/A(E), eine Frist bis zum 19. April 2024 zu setzen.
Nach dem Schluss der Debatte wird die Abstimmung über den gegenständlichen Fristsetzungsantrag stattfinden.
Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Loacker. – Sie wissen, was Ihnen zusteht.
Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Hohes Haus! Die geschätzten Damen und Herren haben es vielleicht heute im „Standard“ gelesen:
Wieder einmal ist die Bildungskarenz im Gespräch. Sie ist eine der vielen, vielen Geldquellen des österreichischen Sozialsystems, die nicht immer sehr treffsicher sind.
Finanziert wird die Bildungskarenz – also wenn sich jemand von seinem Arbeitgeber karenzieren lässt, um eine Weiterbildung zu machen – aus den Geldern der Arbeitslosenversicherung. Die Überlegung damals, als man das eingeführt hat, war: Es gibt Menschen, die auf dem Arbeitsmarkt benachteiligt sind, die noch keine höhere Ausbildung abgeschlossen haben, und diesen Menschen wollen wir die Brücke zu einer besseren Ausbildung legen.
Jetzt stellt sich heraus, dass die Menschen, die diese Bildungskarenz nützen, zu ganz wesentlichen Teilen ganz andere sind, nämlich vor allem junge Leute, vor allem gut qualifizierte Leute, die oft schon akademische Abschlüsse haben. Die gehen in Bildungskarenz, denen zahlt die Arbeitslosenversicherung mit dem Geld der Gemeinschaft der Versicherten noch einmal die Freizeit für eine weitere Ausbildung. Damit bekommen es natürlich die Falschen, wenn viele Akademiker darunter sind.
Dann gibt es noch einen Trend, der sich in den letzten Jahren verstärkt hat. Ich habe das gegenüber den jeweils zuständigen Ministern seit 2018 zur Sprache gebracht: Immer mehr Personen verwenden die Bildungskarenz als Verlängerung der Elternkarenz. Da kann man einfach noch ein Jahr länger zu Hause bleiben. Das haben Unternehmen als Marktlücke entdeckt und auch genauso beworben: Verlängere deine Babykarenz um ein Jahr! Bleib ein drittes Jahr zu Hause! (Abg. Belakowitsch: Ein drittes?) Dann vereinbaren diese Leute mit dem Arbeitgeber statt des Wiedereintritts nach der Karenz eine Bildungskarenz und lassen sich ein drittes Jahr zu Hause zahlen. – Dafür war das Instrument nicht gedacht.
Es sind insgesamt mehr als die Hälfte der Fälle von Bildungskarenz, die der Verlängerung der Elternkarenz dienen – mehr als die Hälfte! Und wenn man sich die Frauen anschaut: 69 Prozent der Frauen, die in Bildungskarenz gehen,
verlängern damit ihre Elternkarenz. Das ist also eine echte Themenverfehlung – eine echte Verfehlung dieser Investition aus der Arbeitslosenversicherung.
Warum ist das überhaupt relevant? – Weil wir in Österreich eine sehr teure Arbeitslosenversicherung haben. Mit 5,9 Prozent Beitrag ist sie mehr als doppelt so teuer wie in Deutschland, dreimal so teuer wie in der Schweiz. Das ist Geld, das den Erwerbstätigen fehlt, die sich mehr Netto vom Brutto wünschen, und wir finanzieren damit Leuten eine Bildungskarenz.
Dann gibt es natürlich Menschen, die optimieren. Schuld sind bitte nicht die Menschen, die das in Anspruch nehmen; schuld sind immer jene, die schlechte Gesetze schnitzen. (Beifall bei den NEOS.)
Die Menschen optimieren, weil sie schlau sind und weil der Homo ein Homo oeconomicus und nicht ein Homo Sozi ist. (Heiterkeit bei Abgeordneten der NEOS. – Abg. Belakowitsch: Was? – Abg. Hörl: Ja, Gott sei Dank!) Sie denken: Wie kann ich mein Leben optimieren? – Dann verstehen sie: Aha! Ich nehme das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld für ein Jahr, nehme im zweiten Jahr Bildungskarenz und bin zwei Jahre zu Hause; und da bekomme ich viel mehr Geld, als wenn ich von vornherein das zweijährige Kinderbetreuungsgeld nähme. (Abg. Belakowitsch: Ja!) Die Menschen optimieren, aber sie optimieren auf Kosten der anderen, und das war nicht der Plan bei der Einführung der Bildungskarenz.
Ich kann verstehen, dass Menschen eine Pause machen, dass sie sagen: Ich nehme mir eine Auszeit! Dann sollen aber bitte diese gut verdienenden Akademiker, um die es da oft geht, mit ihrem Arbeitgeber von mir aus ein Sabbatical vereinbaren. Das kann man. Es ist aber nicht fair, zu sagen: Ich nehme eine Bildungskarenz und lasse die kleinen Arbeiterinnen und Arbeiter mit ihren Arbeitslosenversicherungsbeiträgen meine Freizeit zahlen. – Das ist nicht richtig. (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Stark.)
Wenn die Menschen optimieren, optimieren sie ja noch viel weiter. Man kann sich nämlich die Zeit der Elternkarenz als Arbeitszeit, die man nachweisen muss, damit man in Bildungskarenz gehen kann, anrechnen lassen. Wenn man also in Karenz ist, wertet das AMS das als Arbeitszeit, wenn für die Berechnung geschaut wird, ob genug Arbeitszeit gesammelt wurde, um Bildungskarenz in Anspruch zu nehmen.
Man kann aber noch weiter optimieren. Wenn man nämlich danach an die Uni geht, ein Unistudium macht, dann hat man zum Beispiel drei Jahre gearbeitet, geht ein Jahr in Bildungskarenz und hat dann vier Jahre – die Bildungskarenz zählt nämlich auch als Arbeitszeit für das Selbsterhalterstipendium auf der Uni. Dann hat die Person drei Jahre gearbeitet, war ein Jahr in Bildungskarenz, hat damit die ersten zwei Semester absolviert, und die nächsten vier Jahre bis zum Master zahlen wir dann mit dem Selbsterhalterstipendium. Drei Jahre hackeln, fünf Jahre auf öffentliche Kosten: Ist das nicht toll? – Und die Grünen verteidigen das. Ja, es gibt in der ÖVP ein paar, die es kritisieren, aber die Grünen machen denen, die die öffentlichen Kassen ausräumen, die Mauer. (Beifall bei den NEOS.)
Es geht aber natürlich in Österreich nicht ohne Föderalismus. Die Länder müssen auf jeden Unfug, den der Bundesgesetzgeber macht, noch etwas draufpappen. So zahlen dann einzelne Bundesländer noch einmal Förderbeiträge an Unternehmen, die solche Elternkarenzverlängerungsbildungskarenzprogramme anbieten, oder fördern die Teilnahme an solchen Elternkarenzverlängerungsbildungskarenzprogrammen mit Geld aus den Länderbudgets. Auch toll, nicht? – Die kriegen dann die Freizeit und die Ausbildungsmaßnahme auch noch bezahlt, und der Bildungsanbieter kriegt auch noch eine Förderung.
Das ist so viel öffentliches Geld, das wir in dieses System hineinschießen – Geld, das mit Schulden finanziert wird. Wir haben nämlich nichts übrig. Mit Arbeitnehmerbeiträgen, Arbeitgeberbeiträgen und mit Schulden wird das finanziert. Bei den Ländern ist es wurscht. Wenn die Länder pleite sind, dann klopfen sie
beim Finanzminister an und nehmen den aus – haben wir gestern gesehen: Wohnbaupaket.
Es ist ja nicht so, dass die Verantwortlichen das nicht sähen. Die von der roten Seite besetzte Vorständin des AMS, Frau Draxl, beispielsweise sagt, „Bildungskarenz sollte nicht verlängerte Elternkarenz sein“. (Abg. Belakowitsch: Eh nicht!) Es hat sich aber bis in die SPÖ-Fraktion noch nicht durchgesprochen, dass das aus arbeitsmarktpolitischer Sicht eigentlich keine gescheite Maßnahme ist. Wir kaufen damit ja in Zeiten des Arbeitskräftemangels hoch qualifizierte, junge Akademiker aus dem Arbeitsmarkt heraus, damit die ein Jahr zu Hause bleiben; und die fehlen auf dem Arbeitsmarkt und haben eine längere Pause in der Erwerbsbiographie, was das Lebenseinkommen senkt.
Dann kommt noch dazu, dass sich das AMS manchmal nicht ans Gesetz hält. Im Gesetz steht nämlich, dass die Länge der Bildungskarenz der Dauer der Weiterbildungsmaßnahme entsprechen muss. Tatsächlich kann man aber auch ein Unistudium beginnen und einfach die ersten zwei Semester in Bildungskarenz sein. Wenn man aber einen Bachelor irgendwo auf der Uni macht, dauert der drei Jahre, und das AMS darf dann eigentlich gar nicht die ersten zwei Semester in Bildungskarenz ermöglichen – macht es aber, gesetzwidrig. Das ist jedem wurscht, jedem Minister, dem ich das in einer Anfrage geschrieben habe: Gesetzesbruch ist doch in Österreich egal; wenn die Verantwortlichen im AMS die richtige Farbe haben, dann dürfen sie alles machen. (Beifall bei den NEOS.)
Es gibt auch keine Qualitätssicherung für die Bildungsmaßnahme, die man absolviert. Man muss kein Zertifikat erwerben, man muss kein Zeugnis bringen und man muss keine Prüfung machen. Man muss nur teilgenommen haben.
Es gibt aber noch etwas viel Tolleres – das wissen noch nicht so viele –: Man braucht gar keine Bildungskarenz. Man muss überhaupt keine Bildung absolvieren, man muss mit seinem Arbeitgeber nur eine sogenannte Freistellung gegen Entfall der Bezüge vereinbaren, die länger als sechs Monate dauert. Dann bekommt man auch Weiterbildungsgeld vom AMS – zwar nicht für eine
Bildungskarenz, sondern nur für die Freistellung gegen Entfall der Bezüge. Dann kann man eine Weiterbildung machen, muss aber gar nicht. Man kann bezahlt mit dem Cash aus der Arbeitslosenversicherung in Mexiko am Strand sitzen und sich das zahlen lassen. Ist das geil? – Das geht in Österreich, mit Ihrem Geld, geschätzte Zuschauerinnen und Zuschauer, mit Ihrem Geld, das Sie in die Arbeitslosenversicherung einbezahlt haben!
Schauen wir uns das an: Bildungskarenz. Man pausiert irgendwo, man arbeitet bis zu einem Zeitpunkt, dann ist man in Bildungskarenz, dann kommt man wieder zurück. – Weit weniger als die Hälfte kommt aber überhaupt ins Unternehmen zurück – weniger als die Hälfte! Was ist denn der Grund? – Ja, Arbeitgeber optimieren auch und sehen: Ah, das kann man auch als Golden Handshake verwenden! Wenn man sich von einem Mitarbeiter trennen will, dann kündigt man ihn nicht, sondern schickt ihn in Bildungskarenz und macht gleich aus, dass er nicht mehr zurückkommt. Ist auch super, nicht?
Warum ist das so? – Weil der Gesetzgeber in seiner grenzenlosen Weisheit beschlossen hat, man muss jetzt Golden Handshakes voll versteuern. Man hat keinen 6-prozentigen Satz mehr auf freiwillige Abfertigungen, also muss man sich etwas anderes einfallen lassen, und das ist ja der Super-Golden-Handshake, der geht nämlich auf Kosten Dritter. Das Unternehmen und der Mitarbeiter vereinbaren eine Bildungskarenz, die ein anderer zahlt. So funktioniert das bei uns in Österreich: immer die anderen zahlen lassen.
Das ist nicht der Sinn der Arbeitslosenversicherung, das ist nicht der Sinn der Beiträge, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zahlen, und daher gehört da ein Riegel vorgeschoben und die Bildungskarenz auf jene beschränkt, die es auf dem Arbeitsmarkt dringend brauchen. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der ÖVP.)
15.10
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Graf. – Bitte sehr.
15.10
Abgeordnete Tanja Graf (ÖVP): Ich darf mich bedanken, dass es diese kurze Debatte zum Thema Bildungskarenz in Österreich gibt. Da habe ich jetzt auch die Gelegenheit, kurz auf unsere Sicht der Dinge einzugehen.
Warum wurde eigentlich vor 25 Jahren die Bildungskarenz gegründet? – Der ursprüngliche Grund der Bildungskarenz war, dass wir Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen weiterqualifizieren wollten, überqualifizieren, damit sie auch davon profitieren, dass sie mehr Gehalt bekommen. Für den Unternehmer war natürlich der Vorteil, dass man höherqualifizierte Mitarbeiter hatte. Das ist also ein Ansatz, der eigentlich für beide Seiten eine Verbesserung in der Qualität bringen sollte.
Gerade dieses Ziel wurde leider in den letzten Jahren immer mehr aus den Augen verloren. Die Entwicklung der vergangenen Jahre zeigt auch, dass der ursprüngliche Gedanke dieser Maßnahme, die wir gesetzt haben, verloren gegangen ist. Der Rechnungshof hat es leider auch aufgezeigt, insbesondere für Fälle, bei denen das für die faktische Verlängerung der Babykarenz in Anspruch genommen worden ist. Auch das hat in den letzten Jahren dazu beigetragen, dass sich die Kosten verdoppelt haben.
Daher sollten wir gemeinsam wieder den Fokus verändern, das Instrument überdenken, neu gestalten, um sicherzustellen, dass wir das Ziel, das wir ursprünglich hatten, nicht aus den Augen verlieren und wieder in den Fokus stellen, nämlich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weiterzubilden, zu unterstützen. Von dieser Idee profitieren wie gesagt nicht nur die Mitarbeiter, sondern auch die Unternehmer. (Beifall bei ÖVP und NEOS.)
Wir stehen in Österreich noch immer vor der Herausforderung, dass wir zu wenig qualifizierte Arbeitskräfte haben. Daher ist es auch umso wichtiger, die Weiterbildung, die Qualifizierung wahrzunehmen. Einerseits sollten wir natürlich die Motivation zur Weiterbildung nicht bremsen, andererseits sollten wir in der Weiterbildung auch treffsicherer werden. Daher hat auch unser
Bundesminister Martin Kocher bereits eine Reform angekündigt. Da ist es wichtig, dass wir erstens Kosten versus Nachhaltigkeit der Weiterbildung genau betrachten. Die Höhe der Kosten zeigt uns, dass wir Handlungsbedarf haben.
Zweitens sollten Nachschärfungen bei den Maßnahmen vorgenommen werden, einerseits bei der Ausrichtung und andererseits bei der Zielsetzung der Aus- und Weiterbildung, denn das ursprüngliche Ziel war sicher nicht die Verlängerung der Karenzzeit.
Drittens sollten auch Evaluierung und Transparenz ein Anreiz sein. Es braucht neue Ansätze zum Antrag bis hin zu einer klaren Definition der Maßnahme. Ein detailliertes Antragsformular und mehr soziodemografische Daten zu den Antragstellern würden eine bessere Evaluierung dieses Instruments ermöglichen. Wir müssen sicherstellen, dass die Bildungskarenz tatsächlich zur Weiterbildung führt und nicht als Auszeit mit Freizeitfaktor gesehen wird. (Beifall bei ÖVP und NEOS.) Daher bin ich überzeugt, dass Transparenz auch der Schlüssel dafür ist, die Nachhaltigkeit zu messen.
Viertens brauchen wir Klarheit und Nachweispflichten. Die Anforderungen hinsichtlich Art, Dauer und Nachvollziehbarkeit der Weiterbildung sollen klarer definiert werden. Nur so können wir sicherstellen, dass die Bildungskarenz ihren Zweck erfüllt. Wir brauchen klare Richtlinien für die Nachweispflichten.
Abschließend möchte ich hier auch erwähnen, dass unser Wirtschaftsminister und Arbeitsminister Martin Kocher bereits an einer Reform arbeitet. Um diese auf eine evidenzbasierte Grundlage zu stellen, wurde das Wifo mit einer umfassenden Evaluierung und Bewertung beauftragt. Das Ergebnis soll uns in den nächsten Tagen beziehungsweise nächste Woche vorliegen und auch die weitere Grundlage zur Weiterentwicklung dieses Instruments sein.
Es ist wichtig, dass wir alle gemeinsam die Bildungskarenz treffsicherer machen und gestalten und gleichzeitig die Nachweispflicht klarer definieren. Eine Reform steht zwar nicht im Regierungsprogramm – das müssen wir auch sagen –, aber
ich gehe davon aus, dass wir alle das gleiche Interesse daran haben, dass wir Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen höherqualifizieren, dass sie auch die Chancen haben, bessere Bezahlungen zu bekommen und einen Job nachhaltig behalten zu können. Dieses Ziel sollten wir nicht aus den Augen verlieren. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Künsberg Sarre und Loacker.)
Wenn wir diese Verbesserungen umsetzen, werden wir die Aufgabe der Bildungskarenz wieder stärken. Lassen wir uns hier gemeinsam etwas einfallen und setzen wir neue Ansätze, um die Bildungskarenz wieder dorthin zu bringen, wo sie auch ihren Ursprung hatte! – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der NEOS. – Abg. Ottenschläger: Das war eine gute Rede!)
15.15
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Muchitsch. – Bitte.
Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf zu Beginn im Auftrag unseres Abgeordneten Dietmar Keck recht herzlich den Pensionistenverband Spallerhof bei Linz begrüßen – herzlich willkommen im Hohen Haus! (Allgemeiner Beifall.)
Von den Pensionisten zur Bildungskarenz: Grundsätzlich, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist die Bildungskarenz ja wirklich die einzige Möglichkeit, bei aufrechtem Arbeitsverhältnis eine Aus- und Weiterbildung zu absolvieren. Das ist in der Zielausrichtung ein gutes und wichtiges Instrument in der Arbeitsmarktpolitik für die persönliche Entwicklung der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen und muss auch als solches Instrument erhalten bleiben.
Aber: So wichtig dieses Instrument auch ist, ja, es gibt aufgezeigte Mängel – nicht, dass wir das jetzt verschweigen, auch in unserer Fraktion, Kollege Loacker, denn die Kritik vom Rechnungshof vom April 2023 ist bekannt, wie du weißt; wir haben das ja schon im Ausschuss im Vorjahr, 2023, diskutiert. Es liegt halt aber
bis dato kein Vorschlag einer Evaluierung seitens des Herrn Arbeitsministers am Tisch.
Die Kritik ist uns ja bekannt, dass vor allem Personen mit höheren Bildungsabschlüssen diese Bildungskarenz in Anspruch nehmen. Warum? – Weil es dort vielleicht auch eher leistbar ist. Menschen, die nicht so ein hohes Einkommen haben, werden das nicht vom Arbeitslosengeld in Anspruch nehmen können – dass sie da ihre Lebensunterhaltskosten zahlen können, wenn sie eine Bildungskarenz in Anspruch nehmen.
Ja, es wird relativ viel Geld aufgebracht und es braucht natürlich auch eine Verbesserung. Auch die Kritik ist zu bestätigen: Die Bildungsnachweise sind eher ein bisschen lax, sagen wir einmal so. Die Qualifikationskriterien sind auch nicht sehr hoch geschraubt.
Ja, die Kombination Babypause mit anschließender Bildungskarenz ist da. Dafür gibt es aber eine Ursache, und das wird halt leider auch verschwiegen. Wen man sagt, die Frauen nehmen das so stark in Anspruch, dann ist das nach der Statistik richtig, aber es hat eine Ursache. Die Ursache ist, dass halt viele Frauen das in Anspruch nehmen, um die Kinderbetreuung zu Hause zu verlängern, weil es in Österreich nicht ausreichend Kinderbetreuungsplätze gibt. Das ist auch eine Ursache dafür, dass viele sich dieses Instruments bedienen – das muss man auch einmal erwähnen. Deswegen sind flächendeckende Kinderbetreuungseinrichtungen so wichtig. (Beifall bei der SPÖ.)
Zurück zum Rechnungshofbericht: Dieser empfiehlt, die gesetzlichen Bestimmungen zu überarbeiten. Ziel wäre es wirklich, dass mehr Menschen in dieses Modell gehen können, also auch Menschen, die es sich bis dato nicht leisten können, eine Bildungskarenz in Anspruch zu nehmen.
Man kann auch weiterdiskutieren, was die Dauer betrifft. Wenn wir Menschen mit einem normalen Bildungsabschluss und einer niedrigen Qualifikation in diese Bildungskarenz bringen wollen, dann braucht es erstens wahrscheinlich einen
längeren Zeitraum, um eine Bildungskarenz in Anspruch zu nehmen, und es braucht wie gesagt zweitens auch ein Einkommen während dieser Aus- und Weiterbildung, mit dem man auch die Lebensunterhaltskosten bezahlen kann.
Generell sagen wir und halten wir auch fest, dass die Menschen sich ja mehrfach in einem Berufsleben weiterbilden müssen. So wie es anno dazumal war – man geht in eine Lehre, kommt in eine Schule, ist 45 Jahre in der Arbeitswelt und geht dann in Pension –, das ist vorbei.
Die Arbeitswelt ist auch durch die Digitalisierung komplexer geworden, es ist schwieriger geworden. Wir müssen allen Menschen in diesem Land die Möglichkeit geben, ihre Qualifikation zu erhöhen und sich weiterzubilden, denn da geht es letztendlich auch um die Sicherung von Arbeitsplätzen.
Abschließend zusammengefasst: Die Bildungskarenz war und ist eine gute Maßnahme, aber ja, sie muss weiterentwickelt werden. Wir müssen sie reformieren, aber nicht, um Geld einzusparen, sondern – unsere Position ist klar – um dieses Geld anders einzusetzen, nämlich so, dass mehr Menschen sich weiterbilden können.
Vielleicht ist es dann auch eine Möglichkeit und eine Chance, dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Vielleicht ist es eine Chance, dass die ewig diskutierte Mangelberufsliste, die immer nur länger und länger wird, einmal kürzer wird. Vielleicht ist es auch eine Chance, dass wir in Österreich nicht so viele Rot-Weiß-Rot-Karten brauchen, weil wir jenen Menschen in diesem Land eine Chance geben, die sich eben höher- und weiterqualifizieren wollen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Hörl: Sind eh ganz wenige ...!)
15.20
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Belakowitsch. – Bitte sehr.
15.20
Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich schließe jetzt gleich dort an, wo mein Vorredner aufgehört hat: bei der Rot-Weiß-Rot-Karte. Es ist interessant, was Sie gesagt haben. Wir sind sowieso sehr kritisch, was diese Rot-Weiß-Rot-Karte anbelangt, weil wir der Meinung sind, dass man zunächst einmal im eigenen Land schauen sollte, was man an Arbeitskräftepotenzial hat, aber Sie von der SPÖ stimmen ja doch immer wieder mit.
Zurück zur Bildungskarenz an und für sich: Ja, sie ist eingeführt worden, damit sich Arbeitnehmer weiterqualifizieren. Ich möchte jetzt aber nicht unterscheiden: Sind das jetzt Leute, die nur einen Pflichtschulabschluss haben, oder sind es auch schon gut Ausgebildete? Sie soll für alle Arbeitnehmer sein, die sich weiterbilden möchten.
Dazu bekennen wir uns, aber – diese Kritik ist ja heute schon mehrfach genannt worden – diese Weiterbildungsmaßnahmen, diese Qualifikationen müssen vom AMS auch tatsächlich ordentlich überprüft werden. Der Umgang damit ist derzeit ein bisschen schleißig, das hat auch der Rechnungshof festgestellt. Da braucht es tatsächlich eine Reform.
Ein zweiter Punkt – er wurde schon angesprochen, vor allem von Kollegen Loacker, auch ganz massiv von Kollegin Graf – ist Bildungskarenz im Anschluss an eine Mütterkarenz. Meine Damen und Herren, im Jahr 2010 hat die damalige SPÖ-ÖVP-Regierung das Kinderbetreuungsgeld reformiert und das einkommensabhängige Karenzgeld eingeführt. Das ist ein Karenzgeld, das vor allem für höher qualifizierte beziehungsweise für besser verdienende Frauen interessant ist. Das ist auf ein Jahr beschränkt.
Wenn wir wollen, dass die Bildungskarenz tatsächlich nicht als Verlängerung einer Babykarenz missbraucht wird – und das passiert –, dann müssen wir endlich das Kinderbetreuungsgeld beziehungsweise das Karenzgeld so reformieren, dass Sie Ihre ideologischen Scheuklappen endlich einmal weggeben und
sagen (Abg. Heinisch-Hosek: Das Karenzgeld ist weg – Kinderbetreuungsgeld!): Ja, Mütter wollen eben länger bei ihren Kindern bleiben. Es ist nicht das Ziel der Mütter, die Kinder sofort nach der Geburt wegzugeben.
Nicht umsonst ist die lange Kindergeldvariante, nämlich jene mit zweieinhalb Jahren, die meistgebuchte, die beliebteste Form für junge Mütter. Die Frage ist nur: Wer kann es sich leisten? Wenn man in der langen Variante ist, kriegt man ein bisschen über 400 Euro im Monat. Das ist eine Frage der Finanzierbarkeit für junge Familien, die oftmals im Aufbau sind, die Kosten haben, die Fixkosten haben. Daher ist es für viele, gerade für besser verdienende Frauen, die entsprechend höhere Fixkosten haben, nicht leistbar, die Langvariante zu nehmen, und so hat sich das eingeschlichen. Wir müssen zuerst eine Reform der Babykarenz machen, und zwar eine, die den Bedürfnissen junger Familien und vor allem junger Mütter entgegenkommt.
Da muss ich Kollegen Loacker massiv widersprechen, der sagt, da würden dann die jungen, hoch qualifizierten Frauen vom Arbeitsmarkt abgezogen. – Ja, soll so sein, dann sind sie bei ihren Kindern! Na bestens, etwas Besseres kann unserer Gesellschaft doch gar nicht passieren (Beifall bei der FPÖ), als dass gut ausgebildete junge Frauen bei ihren Kindern bleiben (Abg. Erasim: In welcher Welt leben Sie?), dass die Mütter ihre Kinder selbst aufziehen. Das ist doch für die Gesellschaft das Plus überhaupt. (Abg. Erasim: Das sind ja keine Gansln zum Stopfen!)
Ich weiß ja nicht, welche Probleme Sie da drüben haben, aber die müssen enorm sein, wenn Sie hier von irgendwelchen Gänsen sprechen. (Abg. Erasim: Aufziehen sagt aber auch niemand!) Ich meine, wir reden gerade über Menschenkinder, über Säuglinge, über kleine und Kleinstkinder, die Frauen gerne selbst aufziehen wollen. Das ist der Wunsch junger Mütter. (Beifall bei der FPÖ.)
Und das ist das Problem in unserer Republik: Wir haben (in Richtung SPÖ) hier den ideologisch motivierten Zugang, dass man die Kinder sofort weggibt. Das
erinnert an DDR-Zeiten: Sie werden geboren, sechs Wochen später weg, ab in die Betreuung – das ist Ihr Modell, das ist bekannt (Abg. Erasim: Das ist eine Lüge, das stimmt nicht, die Unwahrheit!), aber das Problem ist, dass das nicht mit den Wünschen der jungen Mütter, die bei ihren Kindern bleiben wollen, kompatibel ist.
Kommen wir zurück zur Bildungskarenz: Wir werden dem Problem nur dann Herr werden, wenn wir tatsächlich die Elternkarenz so reformieren, dass sie den Bedürfnissen gerecht wird, denn sonst werden die jungen Familien weiterhin versuchen, sich das über Umwege so zu verlängern, dass es für sie auch leistbar ist, und das gerade in Zeiten einer massiven Inflation und Teuerungswelle. (Abg. Erasim: Mit Herdprämie, dass die Gewalt noch mehr steigt! Wir haben eh so wenig Femizide in Österreich!)
Da können Sie von der SPÖ weiter dazwischen schreien. Wien ist ja der Hotspot der Teuerung, und da gibt es ja die Ideen, dass es ab dem ersten Lebensjahr einen Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung gibt. (Abg. Erasim: Ja, schrecklich!) Gerade dass Sie nicht noch die Pflicht fordern, das ist ja das Zweite – das ist Ihre Ideologie, die ist aber nicht mehrheitsfähig. Gott sei Dank wollen viele Eltern ihre Kinder selbst betreuen. (Abg. Erasim: Sie reden immer nur von den Müttern, nie von den Vätern!)
Viele Arbeitnehmer wollen gerne Bildungskarenz in Anspruch nehmen, weil sie sich weiterbilden wollen, daher müssen wir beide Systeme erhalten, beide Systeme evaluieren, verbessern, wo Fehler sind, diese auch ausbessern. Ich glaube, dann haben wir ein gutes Weiterbildungssystem, das vom AMS bezahlt wird, denn es ist nicht Aufgabe des AMS und der Arbeitslosenversicherung, Elternkarenz zu finanzieren. (Beifall bei der FPÖ.)
15.26
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Koza. – Bitte.
15.26
Abgeordneter Mag. Markus Koza (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Das Thema Bildungskarenz ist ein Thema, das alle paar Jahre wieder aufpoppt, und eigentlich geht es immer so ziemlich um das Gleiche und dasselbe. (Abg. Steinacker: Na ja, es gibt schon einen Rechnungshofbericht dazu!)
Meine sehr geehrten Damen und Herren, schauen wir uns einmal an, wovon wir überhaupt sprechen: Wie viele Menschen sind aktuell in Bildungskarenz, wie viele nutzen sie, wie viel von dem, was immer wieder behauptet wird, entspricht den Tatsachen, oder kann man vielleicht auch etwas anders sehen?
Aktuell sind circa 20 000 Menschen in Bildungskarenz, drei Viertel davon Frauen. Drei Viertel derjenigen, die aktuell in Bildungskarenz sind, sind Frauen. Das wird also von Frauen sehr gerne wahrgenommen.
Es hat insbesondere in den letzten Jahren einen starken Anstieg gegeben, und man muss jetzt kein besonderer Raketenwissenschafter sein, um zu erkennen, warum das so war: Wir haben Krisenjahre gehabt, wir haben die Covid-Krise gehabt, in der viele Menschen von Arbeitslosigkeit bedroht waren, in der sie teilweise lieber in die Bildungskarenz gegangen sind, die Zeit auch genutzt haben, um sich weiterzuqualifizieren, sich weiterzubilden, sich umzuschulen. Fragen Sie beim AMS nach, das ist dort regelmäßig passiert. Natürlich ist die Bildungskarenz auch ein Kriseninstrument – ja, es ist so, das muss man auch ehrlicherweise so sagen. (Abg. Loacker: Was haben wir jetzt gerade? Arbeitskräftemangel!)
Eigentlich finde ich es insgesamt sehr erfreulich, dass wir einen Anstieg der Zugänge zur Bildungskarenz haben, denn an Weiterbildung, Qualifizierung und beruflicher Umorientierung kann ja wohl an sich nichts Schlechtes sein. Wir reden ständig von Fachkräftemangel, wir reden von der Wissensgesellschaft, wir reden von der Notwendigkeit lebensbegleitenden Lernens, und dann, wenn wir auf einmal immer mehr Leute haben, die das tatsächlich nutzen, die eine
Bildungskarenz machen, die eine Ausbildung machen, haben wir auf einmal ein Problem damit. (Zwischenruf der Abg. Graf. – Abg. Loacker: ... Englischkurs und sitzen in Hawaii!)
Meine sehr geehrten Damen und Herren, nein, ich habe damit kein Problem, es tut mir aufrichtig leid. (Ruf bei der ÖVP: Es gibt einen sehr spannenden Rechnungshofbericht dazu!) Ich finde es sogar sehr vorteilhaft, wenn möglichst viele Menschen in Bildungsmaßnahmen sind.
Was ich allerdings bedenklich finde, sage ich auch ganz ehrlich: diesen Diskurs, den wir in den letzten Tagen, in den letzten Wochen teilweise gehabt haben, in dem genau die Leute, die in Aus- und Weiterbildung waren, auch junge Mütter, auf einmal zum großen Problem geworden sind. Die Menge an Unterstellungen, die Leute, die Bildungskarenz in Anspruch nehmen, da über sich ergehen lassen mussten, geht – sorry – auf keine Kuhhaut.
Das sind Leute, die ihre Matura nachmachen, das sind Leute, die ein Studium nachholen, die ihren Studienabschluss nachmachen, das sind Leute, die sich weiter-, zusätzlich qualifizieren wollen, damit sie mehr Einkommen haben, damit sie mehr Chancen im Betrieb haben, damit sie im Betrieb aufsteigen. (Abg. Loacker: ... verdienen weniger ...! ... AMS-Studie lesen!) Ja, das sind Abertausende, und Abertausende derartige Karrieren gibt es. Schau einfach einmal im Bericht des AMS aus dem Jahr 2019 (ein Exemplar des genannten Berichtes in die Höhe haltend) nach, da wirst du einiges darüber lesen.
Ehrlich gesagt: Die Leute, die diese Erwerbskarrieren, diese Bildungskarrieren gemacht haben, haben sich diesen Umgang und diese mangelnde Wertschätzung schlichtweg nicht verdient. (Beifall bei den Grünen.)
Kommen wir jetzt vielleicht zu ein paar Argumenten, die da immer sehr gerne gebracht werden: Ein sehr beliebtes Argument ist, dass die Bildungskarenz eine Akademikerförderung ist. Schauen wir uns die Zahlen an: 24 Prozent derjenigen, die in Bildungskarenz sind, sind Akademiker:innen. Wie hoch ist der Anteil im
Bevölkerungsdurchschnitt? – Ungefähr 20 Prozent. Na, so ein großer Unterschied ist das nicht. So eine große Akademikerförderung ist es anscheinend dann doch nicht.
In der Altersgruppe, in der die meisten in Bildungskarenz sind, nämlich knapp über 30, Mitte 30, ist der Akademikeranteil in der Bevölkerung sogar höher als unter denen, die in der Bildungskarenz sind.
Zweites Vorurteil, das immer wieder gekommen ist: Das bringt nichts, ist ineffizient, führt zu nichts! – Im Rechnungshofbericht selber steht drinnen, dass ein Drittel all jener, die in Bildungskarenz gegangen sind, im ersten Jahr nach der Bildungskarenz mehr verdient. Und nach drei Jahren sind es über 50 Prozent, die mehr verdienen. Im Rechnungshofbericht steht ebenso drinnen, dass 75 Prozent derjenigen, die in Bildungskarenz gegangen sind, nach dem ersten Jahr nach der Bildungskarenz nach wie vor in Beschäftigung sind. Das ist in Wirklichkeit, wenn man sich alle arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen anschaut, sogar eine ziemlich sinnvolle, eine ziemlich erfolgreiche arbeitsmarktpolitische Maßnahme. (Beifall bei den Grünen.)
Und dann kommt immer wieder diese Frage der Verlängerung der Babykarenz: Ist die Bildungskarenz dazu da, die Elternkarenz zu verlängern? – Nein, ist sie natürlich nicht. Der Sinn von Bildungskarenz ist natürlich Bildung, ist natürlich Qualifizierung, ist Weiterbildung. Nur, es wird doch wirklich niemanden hier herinnen wundern, und das betrifft die Elternkarenz, das betrifft den Präsenzdienst, das betrifft genauso den Zivildienst: Das sind Phasen, in denen Leute aus dem Erwerbsleben kurzfristig oder auch längerfristig ausscheiden, und danach denken sehr viele Leute darüber nach: Was mache ich weiter?, Wie gehe ich meinen Weg weiter?, und wollen sich weiterbilden, wollen sich qualifizieren, wollen sich vielleicht auch umorientieren. Ja, und genau dafür ist die Bildungskarenz gedacht.
Ich habe jetzt überhaupt kein Problem damit, wenn wir über Qualitätskriterien sprechen. Ich habe überhaupt kein Problem damit, wenn wir uns anschauen, wer
Leistungen anbietet und ob das wirklich gescheite Leistungen sind, die man am Arbeitsmarkt brauchen kann. Ich habe auch kein Problem damit, wenn man so etwas wie eine Bildungsberatung, eine obligatorische Bildungsberatung für diejenigen einführt, die in Bildungskarenz gehen wollen, um sie darüber zu informieren: Was ist sinnvoll? Was ist gescheit? Was sollen die Leute machen? Ich habe kein Problem damit.
Ich sage aber schon, womit ich ein gröberes Problem habe: Ein gröberes Problem habe ich damit, wenn man die Diskussion über die Bildungskarenz darüber führt, den Leuten Barrieren aufzubauen, es ihnen schwerer zu machen, ihnen den Zugang zur Bildungskarenz zu erschweren, in Wirklichkeit Perspektiven abzubauen, statt Perspektiven zu geben und letztlich massiv einzusparen in einem Bereich, in dem es für mich kein Sparen geben kann. Dafür stehen wir nicht zur Verfügung. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)
15.32
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Künsberg Sarre. – Bitte.
Abgeordnete Mag. Martina Künsberg Sarre (NEOS): Herr Präsident! Frau Minister! Herr Kollege Koza, ich habe jetzt die ganze Zeit darüber nachgedacht, warum die Grünen so sehr gegen eine Reform der Bildungskarenz sind. (Abg. Koza: Weil sie richtig ist!) Ich denke, Sie können Studien lesen, Sie verstehen hoffentlich Studien. Aber wenn Sie glauben, dass die Bildungskarenz ein Kriseninstrument ist oder für eine Phase der Umorientierung gedacht ist (Abg. Koza: Auch!), dann haben Sie nicht verstanden, wofür die Bildungskarenz überhaupt entwickelt wurde. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Koza: Ich verstehe es relativ gut, glauben Sie mir! Ich bin ein Realist!)
Ja, das kann schon sein, dass Sie ein Realist sind, aber Sie haben es trotzdem nicht ganz verstanden. Die Bildungskarenz wurde für wenig qualifizierte Menschen zur Weiterqualifizierung gemacht und nicht für jene, die sie jetzt vor
allem in Anspruch nehmen. Die größte Gruppe davon sind nämlich die sehr gut Ausgebildeten, und davon wiederum sind die jungen Mütter eine große Gruppe, die so ihre Babypause verlängern.
Die Grünen stehen doch immer dafür ein – wofür auch wir kämpfen –, dass sich die Frauenaltersarmut verringert, aber wenn jemand lange in Karenz ist und dann anschließend noch in Bildungskarenz geht - - (Abg. Maurer: Drei Viertel Frauen! Das ist unlogisch, Frau Kollegin!) – Das verlängert sich, das ist so, dazu gibt es Zahlen, das hat langfristige Auswirkungen auf das Lebenserwerbseinkommen von Frauen. Das ist so. Lesen Sie den IHS-Bericht! Den gibt es, der ist öffentlich zugänglich. (Beifall bei den NEOS.)
Man kann sich alles schönreden und sagen, das stimmt ja alles nicht. Vor allem dürften die Grünen ihren Qualitätsanspruch aufgegeben haben – ihnen ist wichtig, dass man eine Fortbildung macht, egal, ob sie Sinn macht oder nicht. Man will nicht einmal schauen, ob es eigentlich etwas genützt hat, was die Leute da gemacht haben, ob ein Yogakurs oder irgendein anderer Kurs, den man online macht und wo nicht einmal eine Prüfung abgelegt werden muss, überhaupt sinnvoll ist. Ich finde es schade, dass die Grünen mittlerweile so wenig Anspruch an diese Qualität haben. Das ist echt sehr, sehr traurig. (Abg. Koza: Bildungspartei NEOS!)
Das ist vor allem schade vor dem Hintergrund, dass es endlich einmal eine Situation gibt, in der der zuständige Minister sagt, ich würde gerne was ändern oder ich bin gerade dabei, etwas zu ändern. Die Länder haben ihn aufgefordert: Mach doch was! Und dann stehen die Grünen hier und sagen: Dafür sind wir nicht zu haben. (Abg. Koza: Ihr wollt in der Arbeitsmarktpolitik immer kürzen! Das ist nichts Neues!)
Diese Situation würde ich mir gerne einmal im Bildungsbereich wünschen (Beifall bei den NEOS), dass der Bildungsminister sagt: Ich bin bereit, eine Reform anzugehen!, und die Länder sagen: Genau, mach endlich einmal was! – Passiert nie.
Also: Hören Sie doch auf! Schauen Sie sich die Zahlen an! Machen wir doch etwas Gescheites aus diesem Instrument, damit etwas daraus wird, dass die schlecht und wenig Qualifizierten etwas davon haben – aber nicht die Frauen, die ihre Elternkarenz damit noch weiter verlängern wollen! (Beifall bei den NEOS.)
15.35
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist damit geschlossen.
Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Loacker, Kolleginnen und Kollegen, dem Ausschuss für Arbeit und Soziales zur Berichterstattung über den Antrag der Abgeordneten Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Mehr Mitteleffizienz bei Bildungskarenz“, 3397/A(E), eine Frist bis zum 19. April zu setzen.
Wer dafür ist, den bitte ich um ein dementsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit, daher abgelehnt.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich nehme die Verhandlungen über Tagesordnungspunkt 9 wieder auf.
Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Salzmann.
Abgeordnete MMMag. Gertraud Salzmann (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher hier im Haus! Es ist die Galerie auch heute wieder sehr gut gefüllt. Wir freuen uns immer, wenn die Bürgerinnen und Bürger Österreichs hier bei uns im Hohen Haus sind und unserer Debatte folgen. Sie werden sehen, sehr geehrte Bürgerinnen und Bürger,
wir haben ganz viele Themen, in denen es große Einigkeit gibt, so wie es auch hier der Fall ist, nämlich bei der sogenannten Baumhaftung. Sie sollen auch den Eindruck haben, dass wir hier gut debattieren, dass wir uns fachlich sehr gut auseinandersetzen und dass nicht nur gestritten wird, so wie das über die Medien auch immer wieder transportiert wird.
Meine Damen und Herren! Die Baumhaftung wird jetzt erstmalig mit der Schaffung eines neuen § 1319b im ABGB verwirklicht, wodurch es in Zukunft endlich Rechtssicherheit für alle Rechtsunterworfenen geben wird, das heißt einerseits für die Baumhalter, andererseits aber auch für die Bürgerinnen und Bürger, die durch Bäume geschädigt werden. Es geht dabei um die Bäume in der freien Fläche, nicht um die Bäume im Wald, denn das Forstgesetz ist von dieser Regelung unberührt.
Was wollen wir? – Wir wollen Rechtssicherheit schaffen für diejenigen, die Baumhalter sind, Rechtssicherheit aber auch in den Fällen, in denen aufgrund eines umstürzenden Baumes oder auch aufgrund von herabfallenden Ästen Personen verletzt, schlimmstenfalls getötet werden oder Sachen beschädigt werden. Da greift die Baumhalterhaftung. Das heißt, sofern die erforderlichen Sorgfaltspflichten vom Baumhalter nicht eingehalten wurden, muss er für den entstandenen Schaden haften. Was heißt erforderliche Sorgfaltspflicht, meine Damen und Herren? – Die hängt ab vom Standort des Baumes, vom Wuchs, von der Größe, von der damit verbundenen Gefahr.
Uns ist es auch wichtig, da ganz klar ein Zeichen zu setzen und zu sagen: Wir wollen nicht, dass Bäume aufgrund einer rechtlichen Unsicherheit massivst zurückgeschnitten werden, damit ja nichts passiert, sondern wir wollen diese erforderliche Sorgfaltspflicht so weit einschränken, dass sie ein zumutbares Maß hat. Da verweisen wir auch auf die Sicherheitsbestimmungen, die es für die Baumhaltung gibt.
Uns ist auch wichtig, dass wir die Beweislastumkehr einführen, so wie es im Schadenersatzrecht in Österreich gang und gäbe ist. Das heißt, sollte ein
Schaden entstehen, dann muss der Geschädigte beweisen, dass der Schaden aufgrund einer mangelnden Sorgfalt des Baumhalters entstanden ist. Die Verkehrssicherungspflichten nehmen wir sehr ernst.
Frau Minister und geschätzte Bürgerinnen und Bürger! Sie sehen da eine Gesetzesänderung, die absolut Sinn macht, die aus der Praxis kommt und die in der Praxis dann sinnvoll wirken soll und zu der eine ganz breite, nämlich einhellige Zustimmung im Haus herrscht. Sie sehen, dass das, was wir hier im Parlament machen, für alle Bürgerinnen und Bürger sinnvoll ist. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)
15.39
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Hofinger. – Bitte.
Abgeordneter Ing. Manfred Hofinger (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Besucherinnen und Besucher! Wir diskutieren heute das Haftungsrechts-Änderungsgesetz oder – so könnte man es auch abkürzen – das Baumhaftungsgesetz. Wir schaffen damit eine Grundlage für alle Baumbesitzer, Baumhalter, die wir unbedingt brauchen.
Früher war es ja so, dass der Baumbesitzer beweisen musste, dass er so gut wie möglich alles unternommen hat, dass er einen Schaden abwenden kann. Jetzt kehrt sich das um: Nur dann, wenn grobe Vernachlässigung der Sorgfaltspflicht herrscht, ist er haftbar.
Das ist ein ganz wichtiger Punkt, auch für mich als Gemeindesprecher, denn in Stadtgebieten, in Gemeinden gibt es solche Bäume beziehungsweise haben wir dort genau solche Probleme. Wir lösen das jetzt und schaffen eine entsprechende Rechtsgrundlage. Es steht genau drinnen, welche Bäume betroffen sind – meistens geht es um Bäume, die auf Spielplätzen, in Parkanlagen oder entlang von Straßen sind; diese Bäume betrifft es.
Wir haben nun die Rechtsgrundlage, wie oft wir die Bäume kontrollieren müssen – meistens ist das nur einmal im Jahr oder nach einem Unwetter –, und dann ist das zu dokumentieren. Es wird dann auch unterschieden, ob man eine genaue Einzelbaumkontrolle durchführen muss, zum Beispiel in einem Park oder in Spielplatznähe, wo es wirklich darum geht, dass ein Schaden absolut abgewendet werden muss.
Es wird entkriminalisiert und auf Eigenverantwortung gesetzt. Das ist, glaube ich, auch ganz wichtig. Das heißt schlussendlich, dass, sobald ein Unglück passiert, nicht automatisch der Baumhalter rechtlich belangt werden kann.
Das ist eine Gesetzesmaterie, die wir unbedingt brauchen, die eigentlich spannend ist und die vor allem für die Gemeinden und Städte wichtig ist. Ich möchte mich bei allen, die mitgeholfen haben – bei den Ministerien, aber genauso beim Gemeindebund –, recht herzlich für die Mitarbeit bedanken. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Maurer.)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist damit geschlossen.
Wünscht die Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das scheint nicht der Fall zu sein.
Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 2462 der Beilagen.
Ich darf die Damen und Herren, die dem zustimmen, um ein entsprechendes Zeichen ersuchen. – Das ist einstimmig angenommen.
Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.
Wer das auch in dritter Lesung tut, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Damit ist das auch in dritter Lesung einstimmig angenommen.
10. Punkt
Bericht des Justizausschusses über den Antrag 3822/A der Abgeordneten Mag. Michaela Steinacker, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Strafprozessordnung 1975, das Jugendgerichtsgesetz 1988, das Finanzstrafgesetz und das Verwaltungsstrafgesetz 1991 geändert werden (2482 d.B.)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zum 10. Tagesordnungspunkt.
Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.
Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Prammer. – Bitte, bei Ihnen steht das Wort.
Abgeordnete Mag. Agnes Sirkka Prammer (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Wir haben hier eine Anpassung vorzunehmen. Es gab eine Richtlinie der Europäischen Union, die genau ausgeführt hat, wie die Rechte der Beschuldigten auf einen Rechtsbeistand auszuführen sind. Diese Richtlinie wurde in Österreich auch umgesetzt, allerdings gab es ein Feedback von der Europäischen Kommission, dass die Umsetzung, wie wir sie vorgenommen haben, nicht ganz dem entspricht, was die Europäische Kommission sich vorgestellt hat. – Das ist der Inhalt dieses Gesetzes; wir haben da an gewissen Stellen nachgebessert.
Es geht einerseits darum, dass die Verständigungspflichten noch ausgedehnt werden müssen. Sie kennen den Spruch, der in den Krimiserien immer gesagt wird: „Sie haben das Recht auf einen Verteidiger.“ – Bei uns muss man ein bisschen mehr sagen: Sie haben nicht nur das Recht auf einen Verteidiger, Sie können auch darauf verzichten. Wenn Sie darauf verzichten, dann können Sie das auch jederzeit wieder ändern. – Das sind zum Beispiel solche Ergänzungen, die wir hier jetzt vorgenommen haben.
Es ist wichtig und es ist der Sinn dieser Novelle, dass Menschen, die als Beschuldigte in einem Strafverfahren, in einem Finanzstrafverfahren geführt werden und sich dort verteidigen müssen, ordentlich darüber belehrt werden und wissen, welche Rechte sie auf eine ordentliche Verteidigung haben, denn das ist ein wesentlicher Grundsatz des Strafverfahrens, und dem kommen wir natürlich sehr gerne nach.
Wir haben einen kleinen Schreibfehler in diesem Antrag, den ich berichtigen möchte, und darum bringe ich einen Abänderungsantrag ein:
Abänderungsantrag
der Abgeordneten Mag. Michaela Steinacker, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Kolleginnen und Kollegen
Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:
Der Antrag der Abgeordneten Mag. Michaela Steinacker, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Strafprozeßordnung 1975, das Jugendgerichtsgesetz 1988, das Finanzstrafgesetz und das Verwaltungsstrafgesetz 1991 geändert werden, in der Fassung des Berichtes des Justizausschusses (2482 d.B.) wird wie folgt geändert:
In Artikel 1 Ziffer 4 wird in der Novellierungsanordnung die Absatzbezeichnung „53“ durch „54“ ersetzt und der mit der Z4 angefügte Absatz erhält die Absatzbezeichnung „(54)“.
*****
Ich bitte Sie, diesem Antrag samt dem Abänderungsantrag zuzustimmen. – Danke schön. (Beifall bei Abgeordneten von Grünen und ÖVP.)
15.45
Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:
Abänderungsantrag
der Abgeordneten Mag. Michaela Steinacker, Mag.a Agnes-Sirkka Prammer, Kolleginnen und Kollegen zum Bericht des Justizausschusses (2482 d.B.) über den Antrag der Abgeordneten Mag. Michaela Steinacker, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Strafprozeßordnung 1975, das Jugendgerichtsgesetz 1988, das Finanzstrafgesetz und das Verwaltungsstrafgesetz 1991 geändert werden (3822/A) (TOP 10)
Antrag
Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:
Der Antrag der Abgeordneten Mag. Michaela Steinacker, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Strafprozeßordnung 1975, das Jugendgerichtsgesetz 1988, das Finanzstrafgesetz und das Verwaltungsstrafgesetz 1991 geändert werden in der Fassung des Berichtes des Justizausschusses (2482 d.B.) wird wie folgt geändert:
In Artikel 1 Ziffer 4 wird in der Novellierungsanordnung die Absatzbezeichnung „53“ durch „54“ ersetzt und der mit der Z4 angefügte Absatz erhält die Absatzbezeichnung „(54)“.
Begründung
Behebung eines Redaktionsversehens.
*****
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Abänderungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht somit mit in Verhandlung.
Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Yildirim. – Bitte sehr, Frau Abgeordnete.
15.45
Abgeordnete Mag. Selma Yildirim (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Ministerin! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren der Pensionist:innengruppe der Gewerkschaft PRO-GE, in Begleitung des Metallerchefs Reinhold Binder, herzlich willkommen im Hohen Haus! (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Zugang zum Recht, zu fairen Verfahren und die Einhaltung von Grundrechten, all das sind zentrale Säulen unserer Rechtsstaatlichkeit – sie sind wichtig, und wir sollten sie auch hochhalten.
Die EU-Kommission hat nun bemerkt, dass bei einer Richtlinienumsetzung – Frau Ministerin, das haben wir eigentlich im Justizausschuss schon behandelt – diese nicht ganz korrekt umgesetzt wurde. Das wird hiermit entsprechend korrigiert. Wir werden dem auch zustimmen, diese Klarstellung begrüßen wir.
Ein Teil davon betrifft das Jugendgerichtsgesetz – und weil ich, bevor ich hier ans Rednerpult getreten bin, geschaut habe: Zu solch einem Thema haben sich interessanterweise fünf FPÖ-Abgeordnete zu je 5 Minuten zu Wort gemeldet. Interessant! Könnte das damit zusammenhängen, dass Sie jetzt im Wahlkampf diese Gruppe beziehungsweise das Thema der Jugendkriminalität für sich entdeckt haben (Heiterkeit bei Abgeordneten der FPÖ) und hier Szenarien zeichnen (Zwischenruf des Abg. Kaniak), Verunsicherung schüren, statt eine Lösung der Probleme, mit denen wir es zu tun haben, aufzuzeigen? (Abg. Schrangl: Sie regen sich darüber auf, dass wir zu einem Gesetz sprechen? Das mache ich das nächste Mal auch, wenn die SPÖ zum Thema Wohnen spricht!)
Der Umgang mit unmündigen Straftätern beschäftigt uns seit Wochen und beschäftigt uns auch seit gestern im Hohen Haus. In der politischen Diskussion erfolgt Ihrerseits, also seitens der FPÖ-Politiker, auf allen Ebenen, in allen Bundesländern eine Schwerpunktsetzung darauf, als wäre jetzt generalstabsmäßig ausgerufen worden: Thematisiert das, wo es Sitzungen gibt! – Wenn
Sie finden, dass das ein guter Zugang ist, um Probleme zu lösen – es bleibt Ihnen unbenommen. (Ruf bei der FPÖ: Danke!)
Was mich aber wirklich wundert, ist, dass die ÖVP auch auf diesen Zug aufspringt. Ganz ehrlich, ich möchte das hier an dieser Stelle unterstreichen: Wir verabscheuen jede Form von Gewalt und wir lehnen sie ab, und wir werden auch entschieden dagegen auftreten, mit allen nach dem Rechtsstaatlichkeitsprinzip uns zur Verfügung stehenden Mitteln (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ), aber wir werden den Rechtsstaat nicht verlassen, nur weil es Ihnen in Ihrem Wahlkampf jetzt vielleicht nutzen würde. Das tun wir nicht! (Beifall bei der SPÖ.)
Ich bin überrascht, dass jetzt auch die ÖVP – im Chor mit der FPÖ – die Herabsetzung der Strafmündigkeit von 14 auf zehn oder zwölf Jahre diskutiert und es Arbeitsgruppen gibt; das hat uns ja gestern wiederum Innenminister Karner bestätigt. (Zwischenruf des Abg. Deimek.) Ich wundere mich deswegen, da vor drei, dreieinhalb Jahren – es ist keine dreieinhalb Jahre her – Abgeordnete Kugler gemeinsam mit Abgeordneter Plakolm und grünen Kolleginnen einen Entschließungsantrag an die Justizministerin gestellt hat – an Sie, Frau Ministerin – und an die Verfassungsministerin Karoline Edtstadler – die jetzt prüfen soll, ob sie sie herabsetzen kann. Und dieser Antrag beinhaltet nicht weniger, als dass sich die Republik beziehungsweise die Mitglieder der Bundesregierung dafür starkmachen sollen, dass innerhalb der EU und darüber hinaus, weltweit, das Strafmündigkeitsalter auf zumindest 14 Jahre angehoben wird. (Ruf bei der SPÖ: Hört! Hört!)
Interessant, dass Sie das wollten, und jetzt im Wahlkampf weichen Sie plötzlich davon ab und wollen es herabsetzen. Damals beriefen Sie sich auf die UN-Kinderrechtskonvention, damals haben Sie noch vernünftig argumentiert, dass das menschenrechtswidrig ist; Heranwachsende, die kriminell sind, gehören außerhalb des Strafrechtes sehr wohl auch sozial und psychologisch betreut.
Es kann nicht sein, dass da keine Regeln sind, es braucht aber angemessene Maßnahmen und nicht irgendwelche Falschinformationen, wie, die Schweiz
würde Kinder schon ab zehn Jahren in Strafhaft nehmen, was nicht stimmt. (Abg. Lausch: Das haben wir nie gesagt! Nein!) Mit Halbwahrheiten Stimmung erzeugen, Unsicherheit schüren und nicht seriös auf Sicherheitsprobleme eingehen: Das werfe ich Ihnen schon vor, weil es notwendig ist, gerade in einem so wunderschönen und sicheren Land die Sicherheit durch Präventionsarbeit, Integrationsarbeit, Bildungsarbeit auch weiterhin aufrechtzuerhalten, und zwar unter Einhaltung der Rechtsstaatlichkeitsprinzipien. Das ist es. (Beifall bei der SPÖ.)
Damit möchte ich meine Rede beschließen. Wir, die SPÖ, stehen für die Verhinderung von Gewalt, für Opferschutz. Dieser Opferschutz muss ausgebaut werden. Ausbauen! Nicht nur die häusliche Gewalt gehört stärker in den Fokus gerückt, sondern auch die Gewalt im öffentlichen Raum. Dafür haben wir Konzepte, die Sie Tag für Tag, Jahr für Jahr vertagen, anstatt sich ernsthaft damit auseinanderzusetzen. (Abg. Höfinger: Die Stadt Wien hat wenige Konzepte! – Abg. Lausch: Seien Sie nicht so nervös! ... im Ausschuss waren Sie so nervös!)
Wir sind dafür, dass Täterkarrieren, Kriminalitätskarrieren gestoppt und nicht durch Haft verlängert werden. Das ist ein echter, seriöser Lösungsansatz.
Sie brauchen aber das Thema, um Ängste zu schüren (Abg. Kickl: Nein, da braucht es uns leider nicht dafür!), um in den Umfragen und bei den Wahlen wieder die Nummer eins zu sein. Das ist unwürdig. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Lausch.)
15.51
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Stefan. – Bitte.
Abgeordneter Mag. Harald Stefan (FPÖ): Sehr geehrte Frau Bundesminister! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Zuerst direkt zum Tagesordnungspunkt: Da werden Beschuldigtenrechte gestärkt. Also
der Rechtsstaat ist uns immer ein großes Anliegen, wir haben darauf immer wieder hingewiesen. Wir warten auch schon auf die Reform der Abnahme von elektronischen Geräten: wie das zu handhaben ist, sodass dort der Rechtsschutz besser wird, die richterliche Verantwortung besser gewährleistet ist. Also das ist uns ein großes Anliegen.
Meine Vorrednerin hat das aber schon richtig erkannt.
Es wird ja hier auch das Jugendgerichtsgesetz geändert, und daher bringe ich einen Abänderungsantrag ein, den ich verlesen muss, damit er ordnungsgemäß eingebracht wird:
Abänderungsantrag
der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen
Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:
Der eingangs bezeichnete Antrag (3822/A.), in der Fassung des Ausschussberichtes (2482 d.B.), wird wie folgt geändert:
Artikel 2
Änderung des Jugendgerichtsgesetzes 1988
1. Die neue Ziffer 1 lautet:
Im § 1 Abs. 1 werden die Ziffern 1 und 2 wie folgt geändert:
„1. Unmündiger: wer das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet hat;
2. Jugendlicher: wer das zwölfte, aber noch nicht das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat;“
2. Die Ziffern 1 bis 3 alt werden zu den Ziffern 2 bis 4 neu.
3. Die Ziffer 4 alt wird zur Ziffer 5 neu und lautet:
Dem § 63 wird folgender Abs. 18 angefügt:
„(18) § 1 Abs. 1 Z 1 und 2, § 35 Abs. 4 und § 38 Abs. 1a und 2 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr. xxx/2024 treten mit dem der Kundmachung folgenden Tag in Kraft.“
4. Die Ziffer 5 alt wird zur Ziffer 6 neu.
*****
So weit der Antrag. Der Kern ist – Sie haben es schon richtig verstanden –: Wir sind dafür, dass das Strafmündigkeitsalter auf zwölf Jahre herabgesetzt wird. (Beifall bei der FPÖ.)
Wir sind uns dessen vollkommen bewusst, dass wir mit dieser einzelnen Maßnahme nicht das Problem lösen. Also Sie brauchen uns jetzt nicht hier vorzuwerfen, dass wir so naiv wären, das zu glauben.
Wir haben dieses Thema auch nicht erst heute erkannt und in den Wahlkampf eingeworfen (Abg. Lausch: Das stimmt!), sondern wir haben bereits vor etwa einem Jahr einen Initiativantrag eingebracht, und zwar einen sehr fundierten, über den wir auch schon mindestens zwei Mal im Justizausschuss debattiert haben, weil wir darin eben auch klargemacht haben, was unser Anliegen dabei ist: Wir haben in den letzten Jahren festgestellt – und das hat viel mit der Zuwanderung zu tun –, dass es unmündige Minderjährige gibt, die offensichtlich in ihrer persönlichen Entwicklung und in ihrer Sozialisierung so weit sind, dass sie unglaublich arge Straftaten begehen, und zwar Raub, Mord, Vergewaltigung – ich rede nicht von Kaugummidiebstahl –, und dass die Gesellschaft auf dieses Phänomen reagieren muss. (Beifall bei der FPÖ.)
Wir haben klargemacht, dass wir uns auch dessen bewusst sind, dass das ein heikles Thema ist und dass man sich daher bei jedem konkret zuerst anschauen muss: Ist dieser junge Mensch in der Lage, an sich zu erkennen, dass etwas ein Unrecht ist? Ist er zweitens in der Lage, wenn er das Unrecht an sich erkennt, zu
entscheiden, ob er die Tat begeht? Diese zwei Dinge müssen immer konkret geprüft werden. Wenn die aber vorliegen, dann muss auch der unter Zwölfjährige mit massiven Folgen rechnen, wenn er derartige Straftaten begeht.
Wir haben konkrete Hinweise oder sogar Beweise, dass zum Beispiel zwei 13-jährige Mädchen, die in Deutschland ein drittes Mädchen ermordet haben, davor im Internet recherchiert haben, ob sie eh nicht bestraft werden können, wenn sie diese Tat im Alter von unter 14 Jahren begehen. Da wollen Sie erklären, die sind unmündig, und daher können sie nicht bestraft werden?! – Nein. Man muss da genau differenzieren, und die Gesellschaft muss reagieren.
Es ist ja interessant, dass die ÖVP das jetzt auch erkannt hat, obwohl wir Ihnen das schon vor einem Jahr vorgelegt haben. (Abg. Yildirim: Es ist Wahlkampf!) Damals haben Sie es weggewischt, und jetzt sind Sie mit Bundeskanzler und zwei Ministern ausgerückt und haben plötzlich gemeint, Sie seien auch für diese Herabsetzung des Strafmündigkeitsalters. Daher gebe ich Ihnen heute die Chance, hier zu reagieren. Es ist ein ganz einfacher Antrag. Man kann also hier im Rahmen dieses Gesetzes diesem Abänderungsantrag einfach zustimmen, und dann können Sie ja zeigen, ob Sie es ernst meinen.
Wie gesagt: Es ist ein wichtiges, ein heikles Thema. Die Gesellschaft muss reagieren können. Wir können nicht sagen, wir schauen weg, weil es irgendwelche ideologischen Scheuklappen gibt, man darf darüber nicht diskutieren. Das ist ein Fehler und vor allem auch unserer Gesellschaft gegenüber völlig unverantwortlich. (Beifall bei der FPÖ.)
15.56
Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:
Abänderungsantrag
der Abgeordneten Herbert Kickl, Mag. Harald Stefan
und weiterer Abgeordneter
zum Bericht des Justizausschusses über den Antrag 3822/A der Abgeordneten Mag. Michaela Steinacker, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Strafprozeßordnung 1975, das Jugendgerichtsgesetz 1988, das Finanzstrafgesetz und das Verwaltungsstrafgesetz 1991 geändert werden (2482 d.B.).
Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:
Der eingangs bezeichnete Antrag (3822/A.), in der Fassung des Ausschussberichtes (2482 d.B.), wird wie folgt geändert:
Artikel 2
Änderung des Jugendgerichtsgesetzes 1988
1. Die neue Ziffer 1 lautet:
Im § 1 Abs. 1 werden die Ziffern 1 und 2 wie folgt geändert:
„1. Unmündiger: wer das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet hat;
2. Jugendlicher: wer das zwölfte, aber noch nicht das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat;“
2. Die Ziffern 1 bis 3 alt werden zu den Ziffern 2 bis 4 neu.
3. Die Ziffer 4 alt wird zur Ziffer 5 neu und lautet:
Dem § 63 wird folgender Abs. 18 angefügt:
„(18) § 1 Abs. 1 Z 1 und 2, § 35 Abs. 4 und § 38 Abs. 1a und 2 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr. xxx/2024 treten mit dem der Kundmachung folgenden Tag in Kraft.“
4. Die Ziffer 5 alt wird zur Ziffer 6 neu.
Begründung
Die Entwicklung der Jugendkriminalität in den vergangenen 11 Jahren zeigt, dass die Fallzahlen in Bezug auf strafmündige Minderjährige nach einem durch die Maßnahmen in der Corona-Zeit verursachten Rückgang im Jahr 2022 mit 33.442 Anzeigen das Vor-Corona-Niveau überschritten haben. Seitdem halten sich die Anzeigenzahlen stabil. Im Jahr 2023 war bei den strafmündigen Minderjährigen lediglich ein leichter Rückgang um 1,5% festzustellen.
Die Fallzahlen bei Minderjährigen zwischen dem 10. und 14. Lebensjahr zeigen einen ähnlichen Trend. Bereits vor der und auch nach der Maßnahmenpolitik der Bundesregierung in der Corona-Zeit war und ist ein sukzessiver Anstieg zu verzeichnen. Im Jahr 2013 waren es noch 5.587 Anzeigen, 7.951 Anzeigen im Jahr 2019, im Jahr 2022 10.428 und mit Anzahl von 9.750 Anzeigen im Jahr 2023 knapp unter dem Jahr 2022.
Vor allem in den Ballungsräumen ist eine Zunahme von Diebstahlsdelikten durch mobile, ethnisch gemischte Jugendgruppen festzustellen.
Weiters ist festzustellen, dass diese Jugendgruppen, die stark von Tätern mit politisch-islamischem Hintergrund dominiert werden, die österreichische Gesellschaft und insbesondere Frauen, die sich nicht ihrer kulturellen Gesellschaftsform anpassen, als minderwertig wahrnehmen. Das von diesen Gruppierungen ausgehende Gewaltpotenzial und die Gewaltintensität nimmt massiv zu.
Verbale Auseinandersetzungen eskalieren immer schneller und münden zum Teil in erhebliche Tätlichkeiten, wobei die Opfer dieser Auseinandersetzungen meist selbst Kinder und Jugendliche sind.
Kinder, die in einem der österreichischen Gesellschaftsform fremden kulturellen, familiären und sozialen Umfeld aufwachsen, werden Gewalt als legitimes Mittel ansehen, um ihre Art des Zusammenlebens durchzusetzen. Nicht nur Schlägereien, Messerstechereien, Drogenhandel stehen auf der Tagesordnung dieser Kinder- und Jugendbanden, sondern auch Vergewaltigungen von Mädchen und Frauen. Die
Opfer müssen nicht nur dieses Martyrium über sich ergehen lassen, sie werden auch noch zusätzlich gedemütigt, indem mit den Handys der jugendlichen Gewalttäter Videos von den Vergewaltigungen aufgenommen werden, um die Opfer zu erpressen.
Die Zunahme der von Kinder- und Jugendbanden begangenen Straftaten begann mit den ersten durch die EU-Politik ausgelösten Massenmigrationen im Jahr 2015.
Die Maßnahmen der Regierung, während der von ihr ausgerufenen Pandemie, haben die von Gewalt und Verachtung geprägte Energie dieser Kinder und Jugendlichen verstärkt.
Da dieser Welle grausamer Gewalt mit herkömmlichen Maßnahmen nicht mehr wirksam und effizient begegnet werden kann, ist der Staat verpflichtet, für Ordnung und Sicherheit zu sorgen, ohne die Grund- und Freiheitsrechte jenes Teils der österreichischen Staatsbürger einzuschränken, der als Gesellschaft Opfer dieser abscheulichen Gewalt geworden ist.
Mit der Herabsetzung Deliktsfähigkeit auf 12 Jahre ist ein Mehrstufenplan zu entwickeln, der eine Strafhaft als allerletzte Maßnahme vorsieht. Es müssen die Diskretionsfähigkeit, also die Fähigkeit, das Unrecht der eigenen Tat einzusehen, und die Dispositionsfähigkeit, also die Fähigkeit, dieser Einsicht folgend zu handeln, konkret nachgewiesen und dürfen nicht vorausgesetzt werden.
Zusätzlich zu der Herabsetzung der Deliktsfähigkeit und der Strafmündigkeit auf 12 Jahre, sind begleitende Maßnahmen zu entwickeln, die es diesen jungen Menschen ermöglichen, mit sozialer und psychologischer Betreuung einen selbst gewählten oder durch Einfluss älterer Personen angenommen falschen Weg zu verlassen. Richterlich angeordnete, betreute „Schnupperhaft“, Gespräche mit Gefängnisinsassen und gemeinnützige Arbeit sind Möglichkeiten, die jungen Menschen zu einer Rückkehr in ein gutes Umfeld zu motivieren.
*****
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Abänderungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht in Verhandlung.
Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Scharzenberger. – Bitte.
Abgeordnete Mag. Corinna Scharzenberger (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Wir haben hier im Parlament immer wieder über Beschuldigtenrechte diskutiert, wir haben auch oft über den § 8 der StPO, die Unschuldsvermutung, diskutiert. Unter Beschuldigtenrechte fallen aber auch präzisere Regelungen, wie die Rechte, die einem Beschuldigten während eines Verfahrens zustehen.
Bei diesem Tagesordnungspunkt heute geht es um eine EU-Richtlinie, konkret um das Recht auf Rechtsbeistand und das Recht auf Benachrichtigung eines Dritten bei und während eines Freiheitsentzugs. Wir ändern die StPO, das Jugendgerichtsgesetz, das Finanzstrafgesetz und das Verwaltungsstrafgesetz nach Kritikpunkten der Europäischen Kommission.
Wir schärfen also in der Strafprozessordnung nach. So darf künftig von der Beiziehung eines Rechtsbeistandes auch bei Anhaltung des Beschuldigten nur dann abgesehen werden, wenn es aufgrund besonderer Umstände unbedingt erforderlich erscheint.
Wir erweitern auch die Belehrung des Beschuldigten. Jedem Beschuldigten muss klar sein, was die Folgen sind, wenn er auf seinen Rechtsbeistand verzichtet. Eine solche Belehrung muss bei jeder einzelnen Vernehmung durchgeführt werden.
Auch bei der Verständigung eines Erziehungsberechtigten über Freiheitsentzug gibt es noch Anpassungen. Diese soll nämlich dann unterbleiben, wenn sie dem Kindeswohl zuwiderläuft.
Gestern hatten wir hier im Hohen Haus eine Kurzdebatte zur Jugendkriminalität; jetzt gerade haben wir gehört, dass die Kollegen von der Freiheitlichen Partei einen Abänderungsantrag eingebracht haben. Ja, Herr Kollege Stefan, es ist unerträglich, dass mutmaßliche Vergewaltiger, die die Strafmündigkeit noch nicht erreicht haben, frei herumlaufen und dass unsere Rechtsordnung keine Sanktionen für sie vorsieht. (Abg. Lausch: Richtig!) Die Jugend von heute ist reifer geworden, und wenn Zwölfjährige vergewaltigen, dann sind sie keine Kinder mehr. Ich glaube, in diesem Punkt sind wir uns einig. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ. – Abg. Kickl: Jetzt wird es spannend! – Abg. Lausch: Wie man so umschwenken kann auf unsere Linie!)
Es bedarf unbedingt einer breiten Diskussion darüber, einer breiten Debatte über eine allfällige Senkung des Strafmündigkeitsalters von Jugendlichen. Genau aus diesem Grund hat unser Bundeskanzler Karl Nehammer Frau Bundesministerin Edtstadler und Herrn Bundesminister Karner auch beauftragt (Abg. Lausch: Aber der Koalitionspartner will es nicht!), Anpassungen in der Rechtsordnung auszuarbeiten. (Abg. Lausch: Nichts setzen Sie um! Die armen Opfer!)
Wir wissen aber auch, Herr Kollege Lausch, dass das Senken des Deliktfähigkeitsalters allein keine Straftaten verhindert. (Abg. Lausch: Aber 11 000 2023!) Wir können auch darüber diskutieren, ob Justizvollzugsanstalten der geeignete Ort für jugendliche Straftäter sind. Auch darüber können wir diskutieren.
Wir wissen, dass in vielen Fällen ein durch – ich würde sagen – Zuwanderung importiertes, verändertes Frauenbild das Problem ist. (Abg. Lausch: Richtig!) Genau daher dürfen wir nicht erst dann hinschauen, wenn Straftaten passieren, sondern müssen das schon viel früher tun, nämlich dann, wenn die Menschen über die Landesgrenze kommen. Es wundert mich, dass die Freiheitliche Partei das gar nicht so sieht, sondern jetzt im Abänderungsantrag wirklich nur eine Anlassgesetzgebung fordert und diesen Punkt gänzlich übersieht. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Lausch: Sie sagen da was und wissen, Sie können es gar nicht umsetzen,
weil es der Koalitionspartner verhindert! – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen. – Abg. Lausch: Na das ist ja die Wahrheit! – Ruf: Kommst ja eh gleich dran, Lauschi! – Abg. Lausch: Ja, hoffentlich!) – Sie brauchen sich nicht aufzuregen, Herr Kollege Lausch.
Wir haben einen umfassenderen Zugang zu diesem Punkt. Wir stimmen in vielen Punkten überein, keine Frage (Ruf bei der FPÖ: Ja, aber ihr kommts nicht zum Tun!) – weil die Frau Kollegin Yildirim vorhin auch quasi gleich geschimpft hat –, wir wollen einen breiten Diskurs darüber. (Abg. Kassegger: Bildets jetzt eine Arbeitsgruppe! Eine Expertenkommission!) Ich bin der Meinung, Prävention alleine ist auch nicht des Rätsels Lösung. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Kassegger: Das sind Codewörter für: Ich will nichts tun: Arbeitsgruppe, Expertenkommission!)
Kollege Lausch, Sie haben vorhin gesagt, diese Emotion von Frau Kollegin Yildirim hätten Sie sich im Ausschuss gewünscht (Abg. Lausch: Richtig! Zugehört!) – wörtlich haben Sie gesagt, gewunschen, aber egal. Jedenfalls bin ich der Meinung, dass es gut ist, dass wir bisher einen sehr objektiven Zugang im Diskurs im Ausschuss hatten und dieses Thema weitgehend emotionsfrei diskutieren konnten. (Abg. Lausch: Aber jetzt war sie so emotionell! Das sind wir gar nicht gewohnt bei den Roten!)
Es braucht also ein Gesamtpaket - - (Abg. Lausch – in Richtung SPÖ –: Sie haben gesagt ..., oder?) – Herr Kollege Lausch, es ist auch unerträglich, dass Sie ständig hineinschreien. (Ruf bei der FPÖ: Haben wir einen Präsidenten, oder ...?) Es braucht ein Gesamtpaket und keine Schnellschüsse. (Abg. Lausch: Das ist ja unfassbar, so was!) – Herr Kollege Lausch! Schnellschüsse sind nämlich meistens nicht gut. (Beifall bei der ÖVP. – Ruf bei der FPÖ: Wahnsinn!)
Insgesamt kommen wir heute unserer Aufgabe als nationaler Gesetzgeber bei der Umsetzung der Richtlinie nach, nämlich dort zu präzisieren, wo es notwendig ist, und gleichzeitig an allen gesetzlichen Stellen zu schrauben, wo Adaptierungen aufgrund der faktischen Veränderung der Wirklichkeit geboten sind. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Kickl: Also die ÖVP stimmt nicht zu! – Abg.
Lausch: Das ist die Mitte! – Ruf bei der ÖVP: Du musst dich auflauschen und nicht so aufbauschen! – Abg. Lausch: Nichts umsetzen, versprechen, nix halten! – Ruf bei der ÖVP: Nur schreien und keine Verantwortung übernehmen! – Abg. Kickl: Sie hätten die Mehrheit da, ganz einfach!)
16.02
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Drobits. – Bitte.
Abgeordneter Mag. Christian Drobits (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Eigentlich geht es bei diesem Tagesordnungspunkt um eine längst überfällige Umsetzung einer EU-Richtlinie, die sich darauf bezieht, dass endlich der Zugang zu einem Rechtsbeistand so hergestellt wird, dass auch ein Beschuldigter seine Möglichkeiten ausspielen kann und während der Vernehmung auch einen Rechtsvertreter beiziehen kann.
Das ist momentan nicht gewährleistet. Das war nicht klar, das war zu unpräzise geregelt, vor allem in der Strafprozessordnung, aber auch in den Verwaltungsstrafgesetzen, und Österreich hat es nach langem Zaudern und Zögern – dabei sind wir eigentlich einer der Meister im EU-Bereich, wenn es um die Umsetzung von EU-Richtlinien geht – nunmehr geschafft, dass eine Präzisierung bei der Umsetzung dieses Rechtsbeistandes erfolgt ist.
Darum geht es dabei eigentlich: Es geht darum, dass auch bei den Belehrungen hinsichtlich eines Verzichtes auf einen Rechtsbeistand klar und eindeutig gesagt wird, dass dieser Verzicht nur nach Belehrung entsprechend gültig sein soll.
Diese Unschärfen waren lange Zeit da; wir haben nur eine Orientierungshilfe gehabt. Im Endeffekt haben wir irrsinnig lange gebraucht, um das umzusetzen. Es war sogar ein Vertragsverletzungsverfahren im Spiel, wie in anderen Umsetzungsverfahren von EU-Richtlinien. Das heißt, Österreich ist sehr, sehr schwach, wenn es um diese rasche Umsetzung geht.
Gleichzeitig erfolgt auch eine Umsetzung im Bereich des Jugendgerichtsgesetzes – und das war Anlass der Diskussion der Vorredner –, und ganz klar ist: Gewalt muss verhindert werden, unter allen Umständen. Es muss auch, wenn neue Anlassfälle kommen, diskutiert werden dürfen. Im Jugendbereich ist natürlich auch die Wiedereinführung des Jugendgerichtshofes zu überlegen, und es ist auch klar festzuhalten, dass auch junge Menschen nicht neue Täterkarrieren starten sollen, sondern dass im Endeffekt verhindert werden soll, dass Täter zukünftig auch noch verstärkt tätig werden.
Nun, wenn wir schon über EU-Richtlinien sprechen, darf ich auch die Verbandsklagenrichtlinie ansprechen, und da muss ich sagen: Da ist Österreich eigentlich Letzter bei der Umsetzung dieser sogenannten Sammelklagen. Warum wollen wir das eigentlich nicht in Österreich? Warum will das die ÖVP nicht, dass jetzt endlich die Verbandsklagenrichtlinie, die seit Dezember 2022 umgesetzt werden soll – die Frau Bundesministerin nickt –, umgesetzt wird?
Wir haben jetzt seit November letzten Jahres auch ein Vertragsverletzungsverfahren laufen, und ich sage Ihnen offen und ehrlich: Wenn wir da nichts machen, kriegen wir Strafen. Wenn das heuer in dieser Legislaturperiode nicht gelingt, werden die Strafen folgen, und vielleicht in Millionenhöhe. Die Frau Bundesministerin nickt wieder.
Ich denke mir: Woran scheitert es? Scheitert es daran, dass im Endeffekt die Zahl entscheidend ist – 50, fünf, zehn Personen, die diese Sammelklagen machen wollen –, oder scheitert das an anderen Gegebenheiten? Ich denke mir: Daran kann es eigentlich nicht scheitern, denn wir sehen es beim VW-Dieselskandal oder bei anderen: Wir müssen einen fairen Wettbewerb herstellen. Deshalb sage ich auch eindeutig: Auch da müssen wir Schritte setzen. Die Verbandsklagenrichtlinie gehört in nationales Recht umgesetzt, und ich würde Sie bitten, auch diese Umsetzung – so wie die heute – vorzunehmen. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)
16.05
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Lausch. – Bitte.
Abgeordneter Christian Lausch (FPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ja, auf die SPÖ will ich gar nicht mehr viel eingehen. Ich hätte mir die Emotionen – die Aussage hat mir Kollegin Scharzenberger schon abgenommen – der SPÖ im Ausschuss gewünscht, und nicht, dass sie hier jetzt dann nervös wird, weil fünf Freiheitliche sprechen, denn wir, das kann Ihnen die Frau Bundesministerin bestätigen, tragen dieses Thema – Senkung der Strafmündigkeit – der Frau Bundesminister ja schon seit dem Frühjahr 2023 vor.
Wir haben das als Erste erkannt, noch vor den Linzer Vorfällen – da hat es diese schrecklichen Vorfälle noch gar nicht gegeben. Es geht ja um die Sache, und die Sache ist – lassen Sie es sich auf der Zunge zergehen, und ich hoffe, dass heute nicht sehr viele Opfer von 2023 zuschauen –: Das waren fast 11 000 an der Zahl: Übergriffe, Anzeigen, polizeiliche Aufnahmen von Strafunmündigen. Würden die Opfer heute zuschauen und sehen, wie man hier mit Opferrechten umgeht, würde es ihnen den Magen umdrehen. Auch Opfer haben Rechte! Opfer sind zu schützen, und die Opfer sind uns Freiheitlichen wichtig! (Beifall bei der FPÖ.)
Wenn Sie immer daherkommen – Frau Kollegin Yildirim überschlägt sich da schon laufend, gestern hat sie das bei der Kurzdebatte behauptet –: Vor zehn Jahren hat Schwarz-Blau bla, bla, bla den Jugendgerichtshof geschlossen! (Zwischenrufe der Abgeordneten Greiner und Heinisch-Hosek.) Da muss man ja eines einfach sagen, Kollegin Yildirim: Erstens ist das 21 Jahre her, und 2014 wart doch ihr in der Regierung und habt den Kanzler gehabt und habt nichts gemacht. (Abg. Stöger: Na geh! 2000 bis 2006! Wer war da in der Regierung?) Und jetzt plötzlich das alles zu entdecken – jetzt, wo der Hut brennt –, ist ein bisschen erbärmlich. (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Zur ÖVP, zur Partei der Mitte, komme ich auch noch. Die ÖVP hat das im Ausschuss schon einmal überhaupt nicht interessiert, sie hat sich gar nicht an der Debatte beteiligt, und wenn man der Frau Bundesminister – die ist wenigstens ehrlich – im Ausschuss zugehört hätte, wenn man gehört hätte, was sie gesagt hat, als wir gesagt haben, wir wollen die Strafmündigkeit senken, weil dringend notwendig: Die Frau Bundesminister hat gesagt, das geht mit ihr so nicht, sie ist nicht dafür. – Das ist der Koalitionspartner! Und diese Versprechen von Kanzler Nehammer und was ihr da von euch gebt, heute wieder, das ist ja nicht würdig, da muss sich ja die Bevölkerung wirklich elendig vorkommen, wenn Sie etwas versprechen, was mit diesem Koalitionspartner nie und nimmer umsetzbar ist! (Beifall bei der FPÖ.)
Was ihr vergessen habt: Ihr habt noch sechs Monate Zeit. Wir werden uns ganz genau anschauen, was ihr in den sechs Monaten noch umsetzt, und das wäre eine wichtige Maßnahme. Frau Bundesministerin, Sie können doch nicht die Augen verschließen, wenn die Gewalt bei Strafunmündigen immer, immer mehr wird. Wenn man immer sagt, man kann ja Jugendliche nicht ins Gefängnis stecken: Ja, das wollen wir jetzt auch nicht um jeden Preis, aber – das sage ich schon dazu – wenn ein Strafunmündiger morden, vergewaltigen, schwere Gewalttaten setzen kann, dann kann er auch ins Gefängnis gehen. (Beifall bei der FPÖ.)
Da ist uns der Schutz der Allgemeinheit, der Schutz unserer Frauen und Kinder und der Bevölkerung wichtiger als der einzelne Täter, muss ich schon sagen.
Wenn man da immer so sagt von der linken Seite: Na ja, dieses Gefängnis, alles so böse!, dann bitte besuchen Sie einmal Jugendheime und Jugendanstalten in Rumänien, Bulgarien – alles in der EU –, besuchen Sie die einmal und vergleichen Sie das dann mit unserem Jugendstrafvollzug – Vorzeigejugendstrafvollzug, was ich gar nicht immer so gut finde, weil der Jugendliche dann gar nicht das Unrecht der Tat erkennt. Bei uns gehen oft die Jugendlichen rein und haben so etwas noch nie gesehen, was da mit ihnen an Therapien gemacht wird. Jugendliche,
Kinder erkennen schwerlich das Unrecht ihrer Tat und sagen – auf gut Deutsch gesagt –, im Häfn ist es eh leiwand.
Das ist aber Ihre Politik, das ist die jahrzehntelange Politik von schwarzen Justizministern, die da nichts gemacht haben! (Beifall bei der FPÖ.) Kollegin Zadić ist natürlich auch sehr, sehr untätig, und ich bin wirklich sehr enttäuscht, aber natürlich war das Erbe eurer Minister, das sie übernommen hat, kein einfaches. Ihr habt im Strafvollzug nichts gemacht, nichts geleistet, viel versprochen, wie jetzt auch – die Bevölkerung kennt euch schon –, viel versprochen, nichts gehalten, nichts umgesetzt. Das ist euer Problem, darum wählt euch keiner mehr und darum vertraut euch keiner mehr; das muss man einfach so sagen.
Frau Bundesminister, ich fordere Sie auf: Setzen Sie Maßnahmen zum Schutz unserer Kinder, unserer Frauen, unserer Familien! Tragödien spielen sich da ab. Schauen Sie einmal in den 10. Bezirk, schauen Sie in die Ballungszentren, machen Sie da etwas! Da ist wirklich Gefahr im Verzug! Handeln Sie schnell! Da muss eine Maßnahme kommen!
Die ÖVP will schon wieder einmal einen Arbeitskreis und sagt: Überlegen wir!, und: Schauen wir! – So lange seid ihr leider Gottes – oder Gott sei Dank müssen wir sagen (Heiterkeit des Redners) – nicht mehr in der Regierung. Ihr könnt ja in den sechs Monaten nichts mehr umsetzen, bitte. Wenn ihr da noch lange überlegt, dann haben wir medial die nächsten Fälle und die nächsten Opfer. Jedes Opfer ist traurig und zu beklagen und ein Opfer zu viel!
Macht bitte weniger Täterschutz, kümmert euch um die Opfer, schaut auf die Frauen, schaut auf die Familien! (Beifall bei der FPÖ.)
2015 habt ihr sehr, sehr viel in dieser Politik verbrochen, sehr, sehr viel verbrochen. (Abg. Holzleitner: Da habt ihr gegen den Po-Grapsch-Paragrafen gestimmt, im Übrigen! So wichtig sind euch Übergriffe! Da wart ihr dagegen!) – Warum sind Sie jetzt so nervös bei der SPÖ? Das ist unfassbar! Ich würde mir diese Emotionen im Ausschuss, wo gearbeitet wird, wünschen, da hört man von euch nichts; aber
ist ja egal. (Abg. Holzleitner: 2015 wart ihr dagegen, so wichtig sind euch die Frauen! Gegen den Po-Grapsch-Paragrafen wart ihr damals! – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.)
(In Richtung ÖVP:) Ihr müsst jedenfalls einmal schauen, dass ihr mit eurem Koalitionspartner auch etwas umsetzt. Die Ministerin will das nicht, die will das nicht umsetzen. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)
16.12
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Schrangl. – Bitte.
Abgeordneter Mag. Philipp Schrangl (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren Kollegen im Haus, meine Damen und Herren auf der Galerie und zu Hause! Es geht hier um das Jugendgerichtsgesetz, aber auch um die Strafprozessordnung. Ich wollte eigentlich etwas dazu sagen, aber ich muss meine Rede etwas umstellen, weil ich auf Abgeordnete Yildirim von der SPÖ replizieren muss, die gemeint hat, sie findet das komisch – ich weiß nicht mehr, was sie genau gesagt hat – oder sonderlich oder sie ist verwundert darüber, dass sich so viele FPÖ-Abgeordnete zu diesem Thema zu Wort melden. (Abg. Yildirim: Habt ihr keinen ...?) Dazu muss ich schon eindeutig sagen: Frau Abgeordnete, Sie wissen doch, dass die FPÖ die Sicherheitspartei Österreichs ist (Beifall bei der FPÖ); natürlich melden wir uns zu einem Thema, bei dem es um die Sicherheit der Österreicherinnen und Österreicher geht. (Abg. Yildirim: Im Ausschuss hat die FPÖ nichts gesagt!)
Ich meine, das ist ja wirklich komisch: Von der ehemaligen Mieterpartei oder Wohnpartei SPÖ – die FPÖ hat euch dieses Thema mittlerweile ja weggenommen, weil wir viel bessere Wohnpolitik machen als ihr (Abg. Holzleitner: Wo denn?) – haben sich gestern fünf Abgeordnete der SPÖ zum Thema Wohnen zu Wort gemeldet – na das ist ja ein Wahnsinn! Das ist für euch ein wichtiges
Thema, deswegen habt ihr euch gemeldet (Abg. Yildirim: Warum habt ihr denn im Justizausschuss nichts gesagt?), und deswegen melden wir uns heute, wenn es um die Sicherheit der Österreicherinnen und Österreicher geht. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Yildirim: Warum habt ihr im Justizausschuss nichts gesagt?)
Meine sehr verehrte Kollegin Yildirim, Sie haben von Rechtsstaatlichkeit gesprochen: Sie wissen ganz genau, rechtsstaatlich ist es ja nur, wenn ein unabhängiger weisungsfreier Richter Jugendlichen einen Auftrag gibt, eine Weisung gibt, jemand anderer darf das nicht. (Abg. Yildirim: Und deshalb hat der Böhmdorfer den Jugendgerichtshof abgeschafft!) In der Strafprozessordnung ist ja genau festgelegt, dass Richter so etwas können, die können nämlich Weisungen geben.
Uns geht es bitte nicht darum, Zwölfjährige mit Erwachsenen in ein Gefängnis einzusperren, wo sie vielleicht ihre kriminelle Karriere starten, nein, es geht darum, auch schon Zwölfjährigen, die heute schwere Verbrechen begehen – und wenn sie auch nur anfangen, kleine Verbrechen zu begehen –, Weisungen geben zu können, dass sie sich zum Beispiel einer Gewalttherapie oder einer Drogentherapie unterziehen müssen. (Abg. Prammer: Das geht alles!) – Ich weiß schon, dass die Grünen das gerne selber machen würden, aber in Österreich gibt es eben Rechtsstaatlichkeit, und nur der weisungsfreie unabhängige Richter kann sie zu Zwangsmaßnahmen verpflichten. Jemand anderer kann es nicht, Frau Kollegin, Sie können das auch gerne nachlesen. (Beifall bei der FPÖ.)
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich komme zum Schluss meiner Rede und ich möchte eines sagen: Wir sprechen hier immer mehr von Opferschutz, und das ist wichtig, aber den Freiheitlichen geht es darum, dass wir überhaupt keine Opfer mehr haben.
Daher sagen wir: Österreich sagt Ja, und ja heißt: jetzt abschieben! – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)
16.15
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Schnedlitz. – Bitte.
16.15
Abgeordneter Michael Schnedlitz (FPÖ): Herr Präsident! Frau Justizministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Sicherheitslage ufert aus. Wir haben gestern darüber gesprochen, wir sprechen heute darüber, aber die Leute draußen erwarten sich, dass hier endlich gehandelt wird, und genau das wäre Ihre Aufgabe, das wäre die Aufgabe der Österreichischen Volkspartei und der Grünen, besonders was die Straftaten der Jugendlichen betrifft. (Beifall bei der FPÖ.)
Die Grünen haben sich gestern aufgeregt, dass ich, wenn wir von Jugendkriminalität sprechen, das Wort nur einmal in den Mund genommen habe – weil Ihnen das so passen würde.
Sehr geehrte Damen und Herren, Faktum ist aber, dass es nicht die breite Jugend ist, die diese Straftaten begeht. Nein, nein, es sind nicht die Banden aus der Steiermark und aus Oberösterreich, die in Favoriten Mädchen vergewaltigen und mit dem Messer anrücken. (Abg. Yildirim: Die tun nur Antisemitismus betreiben!) Sehr geehrte Damen und Herren, das sind diejenigen, die 2015 und 2016 zu uns gekommen sind, die Sie regelrecht in unser Land hereingeklatscht haben. (Beifall bei der FPÖ.)
Nicht nur die Grünen und die Roten, natürlich auch die Österreichische Volkspartei: ÖVP-Innenministerin Mikl-Leitner, ÖVP-Innenminister Sobotka – die eine belohnt mit einem Landeshauptfrauposten, der andere sitzt hinter mir am Präsidium des Parlaments – und auch hochrangige Politiker, wie zum Beispiel ein Landeshauptmann Drexler in der Steiermark, und Co. In ihrer Verantwortung haben Sie diese ganzen Probleme hereingeklatscht, und die Menschen draußen und all die Opfer müssen das jetzt ausbaden. (Beifall bei der FPÖ.)
Ihre Argumentation damals und auch heute: Es geht ja um Menschlichkeit und um Menschenrechte! – Jetzt sage ich Ihnen einmal etwas: Ich denke an Leonie, ich denke an die 16-jährige Manuela aus Wiener Neustadt. Leonie wurde wie ein Müllsack an einem Baum abgelegt, nachdem sie ermordet wurde. Die 16-jährige
Manuela wurde im Park zuerst umgebracht und danach vergewaltigt, gefunden von ihrer Mutter, die im Übrigen auch Manuela heißt. Ich kenne die Dame und sie hat mir etwas Richtiges gesagt: Sie kann das mit den Menschenrechten all dieser Geflüchteten nicht mehr hören, denn wo war das Menschenrecht ihrer Tochter? Wo war das Menschrecht ihrer Tochter, das Recht auf Leben? (Beifall bei der FPÖ.)
Diese Mutter hat vollkommen recht, und Sie müssen mit Ihrem Gewissen vereinbaren, dass Sie schon längst Ihre Optik verstellt haben, nämlich zu weit von der Realität entfernt. Jetzt ist der Schaden da und jetzt muss gehandelt werden, sehr geehrte Damen und Herren!
Die Österreichische Volkspartei kommt heraus und sagt: Na, die Freiheitlichen wollen doch nur eine Anlassgesetzgebung!, Schnellschüsse hätten noch nie etwas gebracht. – Wissen Sie, wozu Sie es gebracht haben? – Wir kommen mit über 10 000 Straftaten von Jugendlichen pro Jahr aus einer Anlassgesetzgebung gar nicht mehr heraus; pro Stunde ein Anlass, pro Stunde eine Straftat (Beifall bei der FPÖ), allein heute, an diesem Tag, 24 Straftaten, und das sieben Tage die Woche, zwölf Monate im Jahr. Wie wollen Sie da herauskommen mit Ihrer Argumentation, die lautet: Aber Anlassgesetzgebung können wir da keine machen!
Das haben Sie verursacht, und weil Sie nicht handeln, befürchte ich, dass die Zahl weiterhin nach oben gehen wird. Der Innenminister will die Zahlen, wie wir ja seit gestern wissen, nicht einmal mehr hergeben.
Deshalb, sehr geehrte Damen und Herren, braucht es Sofortmaßnahmen – das hat nichts mit Anlassgesetzgebung zu tun –, Sofortmaßnahmen wie einen Asylstopp, Quote null – ganz leicht zu verstehen: null! (Beifall bei der FPÖ) –, und auch weitere Maßnahmen, wie das Absenken der Strafmündigkeit: Wer alt genug ist, zu morden, sehr geehrte Damen und Herren, und zu vergewaltigen, der ist alt genug, eingesperrt zu werden! (Beifall bei der FPÖ.)
Die lachen ja über Sie und über unser Rechtssystem! Die Häftlinge lachen über Sie. Frau Ministerin, jene Häftlinge, die Sie dann einsperren und die Ihnen davonlaufen, weil Sie sie ja auch nicht fesseln, die armen Buben, wissen das. Sie haben den Erlass aufgehoben – und sie wissen das –, heimlich, still und leise (Abg. Prammer: Das ist nicht richtig! Das stimmt so nicht!) haben Sie die Verantwortung dann auf die Justizwachebeamten abgeschoben. Sie geben denen alle Narrenfreiheit, sehr geehrten Damen und Herren! Narrenfreiheit! Denen stellen Sie einen Freibrief aus, denn ohne Senkung des Alters für die Strafmündigkeit können die gar nicht verfolgt werden, und jene, die dann verfolgt werden können, haben Narrenfreiheit in der Kuscheljustiz und im Luxushäfn. Sehr geehrte Damen und Herren, auch da lachen sie über uns und über unser Rechtssystem! (Beifall bei der FPÖ.)
Das weiß ja die Bevölkerung gar nicht: Da kommt jemand aus Syrien, aus Afghanistan oder die Kinder aus Moria kommen zu uns, werden straffällig und kommen dann ins Gefängnis – da stellt sich die Bevölkerung ein strenges Gefängnis vor –, und dort erwartet sie auf Steuerzahlerkosten: Fußballspielen mit Prominenten, dort erwartet sie ein Flatscreen in jeder Zelle, ein Radio und eine Playstation, sehr geehrte Damen und Herren – eine Playstation gibt es nicht in jeder Zelle, aber in der Justizanstalt Josefstadt zum Beispiel vier an der Zahl – und die neuesten Spiele. (Bundesministerin Zadić greift sich erheitert und kopfschüttelnd an die Stirn.) – Frau Ministerin, Sie brauchen nicht zu lachen. Das sind die Sachen, die sich viele Kinder und viele Familien privat wegen der Teuerung nicht mehr leisten können. Für die Häftlinge und für die Straftäter haben wir das Ganze als Belohnung – so absurd ist das. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf der Abg. Blimlinger. – Abg. Neßler macht die sogenannte Scheibenwischerbewegung.)
Dass die Grünen so sind, das wissen wir. (Zwischenruf des Abg. Matznetter.) Die schützen und hätscheln lieber die Täter, anstatt die Opfer zu schützen. (Ruf bei den Grünen: Stimmt nicht!) Ich weiß aber auch, dass die Österreichische Volkspartei so eigentlich nicht ist. – Ich weiß, dass viele von Ihnen so nicht sind,
darum sage ich Ihnen auch eines: Wir haben eine Mehrheit im Nationalrat. Dieses Problem hat durchaus etwas mit Zuwanderung und mit Migration zu tun. Sie können, ohne dass Sie den Koalitionsvertrag brechen, wenn Sie wollen, heute hier mit uns den ersten Schritt in Richtung Sicherheit gehen, den ersten Schritt zurück Richtung Politik mit Hausverstand gehen und endlich dafür Sorge tragen, dass nicht die Täter beschützt und verhätschelt werden, sondern dass das Augenmerk wieder auf die Opfer gelegt wird. Das wird heute Ihre Nagelprobe sein. (Beifall bei der FPÖ.)
Ich bitte Sie, ich bitte Sie aus tiefstem Herzen: Gehen wir gemeinsam den ersten Schritt, um diesem Wahnsinn endlich ein Ende zu bereiten! (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Voglauer: Du hast kein Herz! – Abg. Lukas Hammer: Welches Herz?!)
16.21
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Prammer. – Bitte. (Zwischenruf des Abg. Matznetter. – Ruf bei den Grünen: Das Herz von Kollegen Schnedlitz ist ...!)
Abgeordnete Mag. Agnes Sirkka Prammer (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! – Alles ruhig, danke schön. Schön, dass wir jetzt wieder ein bisschen beruhigt sind, denn: Worum geht es? Es ist auch für uns so – selbstverständlich ist es so! –, dass jedes Opfer eines zu viel ist. Wir sehen das ganz genauso so. (Abg. Schnedlitz: Ich gebe Ihnen die Telefonnummer von der Mutter von der Manuela, dann rufen Sie sie einmal an und sagen ihr das, aber dazu sind Sie nicht mutig genug! – Ruf bei den Grünen: Zuhören!)
Aber auch jeder Täter ist einer zu viel – das ist genau der Punkt, bei dem man ansetzen muss. (Zwischenruf bei der FPÖ.) Dafür hat unser Gesetzesantrag die richtigen Vorkehrungen. Es ist nämlich nicht so, dass Kinder einfach groß werden, bis sie 14 sind, und dann, wenn sie etwas angestellt haben, vor den Strafrichter kommen, sondern es ist sehr wohl so, dass der Staat dort, wo die Eltern bei der Erziehung auslassen, eine Verantwortlichkeit hat und diese
Verantwortlichkeit auch wahrnimmt. Diese Verantwortlichkeit liegt bei der Kinder- und Jugendhilfe. (Rufe bei der FPÖ: Nein, nein! Zwangsmaßnahmen! – Abg. Deimek: Was ist mit der afghanischen Jugendbehörde?!) Dort liegt die Verantwortlichkeit dafür und dort liegen auch sämtliche Kompetenzen, Erziehungsmaßnahmen wahrzunehmen, denn Kinder muss man erziehen, Kinder sperrt man nicht ein.
Wissen Sie auch, warum? Wissen Sie, warum? – Wenn man Kinder einsperrt, wenn man kleine Kriminelle einsperrt, kommen große Kriminelle wieder raus – das ist nämlich das Prinzip. (Beifall bei den Grünen, bei Abgeordneten der SPÖ sowie der Abg. Bogner-Strauß. – Abg. Kickl: Ach, und heraußen passiert das nicht? ... waren alle vorher eingesperrt, bevor sie vergewaltigt haben? Das gibt’s ja nicht!) Wenn man aber dafür sorgt, dass diejenigen, die irgendwo einmal anfangen, falsch abzubiegen, wieder in die richtige Richtung gehen (Ruf bei der FPÖ: Genau!), dann haben wir gewonnen als gesamte Gesellschaft. (Ruf bei der FPÖ: Ja!) Was glauben Sie denn, mit welcher Kompetenz diese Kinder, wenn sie erwachsen sind, einmal ihre eigenen Kinder erziehen werden? (Abg. Deimek: Afghanen können in Afghanistan erwachsen werden! – Weiterer Ruf bei der FPÖ: Gar nicht!) Das vervielfältigt das Problem.
Wenn man jetzt ordentlich ansetzt, dort ansetzt, wo wir noch die Chance haben, Kinder ordentlich zu erziehen, sie entsprechend unserer Werte, unserer Kultur (Abg. Kickl: Von welchen Werten reden Sie denn überhaupt? – weitere Zwischenrufe bei der FPÖ – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen), unserer Rechtsordnung in eine ordentliche Richtung zu bringen, dann haben wir eine Chance. Wenn wir das nicht machen – und ich sage Ihnen, das passiert im Moment viel zu wenig –, wenn wir das verabsäumen (Abg. Amesbauer: Das haben Sie schon verabsäumt!), dann haben wir als gesamte Gesellschaft verloren. So viele Gefängnisse können wir gar nicht bauen, wie wir dann Menschen einsperren müssten. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Lausch: Wer soll das machen ...? – Weiterer Zwischenruf bei der FPÖ.)
Wenn es Ihnen unbedingt darum geht, dass man irgendwo zusperrt, dann kann ich Ihnen sagen: Das ist jetzt schon möglich, im Übrigen mit richterlicher Anordnung. Nur ist es jetzt so, dass unsere Gesetzgebung die Zuständigkeit so regelt, dass für die Antragstellung die Kinder- und Jugendhilfe zuständig ist und dass für den Ausspruch solcher Maßnahmen der Familienrichter zuständig ist. (Abg. Deimek: Und was machen die? – Nix! ...!) Das ändert aber nichts an dem Prinzip, dass das gemacht werden muss. Das kann nur dann gemacht werden, wenn man diese Institutionen mit ausreichenden Mitteln ausstattet. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)
Ich sage Ihnen das, weil ich es aus eigener Erfahrung weiß: Sprechen Sie einmal mit Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern, die für die Kinder- und Jugendhilfe tätig sind. Die wissen gar nicht, wie sie diesen Mangel am besten verwalten sollten. Es gibt zig Familien, in die sie reinmüssten, bei denen es wichtig wäre, frühzeitig einzugreifen, denn ich sage es Ihnen noch einmal: Natürlich wollen wir nicht, dass Menschen Opfer werden, aber wir wollen auch nicht, dass Menschen Täter werden, und da muss man frühzeitig eingreifen – nur so kann man Straftaten verhindern. (Abg. Amesbauer: Und wenn sie dann Täter sind ... nichts mehr! – Ruf bei der FPÖ: Ihr lebt ja alle in einer Traumwelt!)
Sich hinterher um Opfer zu kümmern, ist wichtig und richtig, aber in Wirklichkeit ist es wichtiger, dass es gar keine Opfer gibt. (Abg. Lausch: Aber es gibt 11 000 Opfer! – Weiterer Ruf bei der FPÖ: Wie lange sind Sie in der Regierung? – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.) Das kann ich eben nur verhindern, wenn ich verhindere, dass Menschen zu Tätern werden. (Beifall bei den Grünen, bei Abgeordneten der SPÖ sowie der Abgeordneten Bogner-Strauß und Wöginger.)
Das wiederum kann ich nur dann machen, wenn Menschen, die dafür ausgebildet sind, nämlich Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter, rechtzeitig mit diesen Familien arbeiten – nicht nur mit den Kindern, auch mit den Eltern –, und den Eltern das beibringen, was wichtig ist, was man können muss, nämlich wie man Kinder richtig anleitet, wie man sie in die richtige Bahn lenkt und ihnen so
Normen und Werte verdeutlicht. (Abg. Amesbauer: Das versteht ja kein Mensch, was Sie hier reden! – Abg. Voglauer: Na, wir schon! – Zwischenruf des Abg. Matznetter.)
Das ist genau das, was wir machen müssen. (Ruf bei der FPÖ: Sagen Sie das den 11 000 Opfern! – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.) Das ist genau das, was die Länder endlich machen müssten – wenn ich es richtig in Erinnerung habe, sind Sie in drei Ländern in der Regierungsverantwortung –; die Länder müssten diese Verantwortung endlich einmal wahrnehmen und die Kinder- und Jugendhilfe mit ausreichenden Mitteln ausstatten. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)
Ich bin vollkommen der Meinung, dass es nicht passieren darf, dass Kinder mit zehn, zwölf Jahren Verbrechen begehen (Abg. Kassegger: Das passiert aber!), schon gar nicht schwere Verbrechen. (Abg. Amesbauer: Das passiert aber am laufenden Band!) Das darf nicht passieren, und das können wir uns als Gesellschaft weder leisten (Ruf bei der FPÖ: 10 000 Mal passiert es!), noch dürfen wir es tolerieren. (Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)
Deshalb müssen wir dort ansetzen, wo wir die Maßnahmen schon an der Hand haben. Eine Verlagerung in die Justiz bringt überhaupt nichts. Das bringt überhaupt nichts (Abg. Lausch: O ja, es schützt!), und schon gar nicht in der Art (Abg. Amesbauer: Was bringt was? Zusehen?!), in der Sie es im Antrag ausgeführt haben: einfach eine Zahl durch eine andere zu ersetzen (Abg. Amesbauer: Machen wir eine Demo gegen rechts, das wird helfen!), ohne irgendwelche Maßnahmen zu beschließen, ohne das mit irgendwelchen Mitteln auszustatten, sich einfach nur hinzustellen und zu sagen: Oh, das kommt gerade gut an, wir machen das, und dann haben wir etwas gemacht! (Abg. Lausch: ... jetzt schon zwei Jahre!)
Setzen Sie mit uns einen ersten Schritt!
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Rufen Sie bitte nicht dauernd heraus.
Es ist doch so einfach: Sie können sich wieder zu Wort melden, dann müssen Sie nicht permanent stören. Es ist einfach so nicht wirklich zu handhaben. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP, SPÖ und Grünen.)
Das ist eine ernste Diskussion, melden Sie sich an, gehen Sie heraus! (Abg. Lausch: Beim Hauser war’s wurscht, gestern! – Zwischenruf des Abg. Hauser.) – Ich appelliere an alle, ich habe keine Partei genannt. (Ruf: ... in Ruhe reden!)
Abgeordnete Mag. Agnes Sirkka Prammer (fortsetzend): Vielen Dank. Das gibt mir jetzt noch die Gelegenheit, einen ordentlichen Schlusssatz zu formulieren.
Wie gesagt: Es ist uns wichtig, dass es keine Opfer gibt, es ist uns genauso wichtig, dass es keine Täter gibt. Der Staat muss seine Verantwortung in diesem Punkt wahrnehmen (Abg. Amesbauer: Tut er aber nicht!), er hat alle Mittel in der Hand, um das zu machen. Man muss es nur tun. – Danke. (Beifall bei den Grünen, bei Abgeordneten der SPÖ sowie der Abgeordneten Hanger und Wöginger.)
16.27
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Steinacker. – Bitte. (Abg. Amesbauer: Paralleluniversum! – Abg. Matznetter: ... sinnlos, das sind Hassprediger ...!)
Abgeordnete Mag. Michaela Steinacker (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Haben wir mit steigender Jugendkriminalität ein Problem? – Ja. Ist dieser Antrag der FPÖ die Lösung? – Nein.
Wir müssen darüber diskutieren (Ruf bei der FPÖ: Diskutieren, okay, tun wir diskutieren!), wie wir der steigenden Jugendkriminalität, des Nichtverantwortens der eigenen Taten Herr werden können. Wir müssen darüber nachdenken und besprechen: Sind junge Menschen heute, die zwölf Jahre alt sind und jemanden vergewaltigen, zur Rechenschaft zu ziehen, und wenn sie zur Rechenschaft gezogen werden sollen, in welcher Form?
Wenn Kollege Lausch meint, wir können ja inhaftieren – es muss nicht sein, aber wir können Zwölfjährige inhaftieren (Ruf bei der FPÖ: Ja, wenn es sein muss, ja!) –, dann antworte ich: Das kann nicht die Lösung sein. Kann es die Lösung sein, einen Zwölfjährigen durch Senkung der Strafmündigkeit in die Verantwortung zu nehmen? – Ja, reden wir darüber (Abg. Lausch: Aber wenn Sie das senken - -!), aber reden wir über begleitende Maßnahmen – aber dieser Antrag allein ist zu wenig. (Abg. Amesbauer: Sagen Sie das den Grünen!) Es geht um Kinder und Jugendliche. (Abg. Lausch: Aber wenn Sie senken ...! – Abg. Schnedlitz: Auch bei den Opfern, Frau Kollegin, auch bei den Opfern! – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.)
Aus welchen Gründen sind sie denn in eine Schieflage geraten? Aus welchen Gründen wenden sie Gewalt an? – Möglicherweise, weil sie von Älteren dazu angeleitet werden. Wir erleben es ja oftmals in Wien und in anderen Regionen: 17-, 18-Jährige in Banden sagen dem Zwölfjährigen: Begehe du den Diebstahl, du bist nicht strafmündig! – Wir müssen darüber reden.
Wir müssen darüber reden (Abg. Kickl: Redet darüber, ja!), wenn einer vorgeschickt wird. Wir müssen aber auch mit Experten, mit Medizinern reden: Wo ist die geistige Reife? (Ruf bei der FPÖ: Mit Experten reden!) Warum haben Elternhäuser, Schulen, Erziehungsberechtigte vom Kindergarten an versagt? (Zwischenruf des Abg. Martin Graf.) Warum sind die Kinder nicht in der Lage, Unrecht zu erkennen?
Im Bereich des BMI wird viel getan. Es werden Polizistinnen und Polizisten in Zivil in die Schulen gebracht, sie gehen hin und reden mit den Jugendlichen.
Man versucht, ihnen beizubringen, dass Konfliktlösung im Dialog passieren kann, dass das Messer, die Waffe, die Gewalt, das Machtausüben gegenüber Frauen nicht die Lösung ist, sondern reden, reden, so wie ich es meinen Kindern beigebracht habe (Beifall bei ÖVP und Grünen): Löst Konflikte, reden wir darüber! Was
ist dein Problem? Wohin kannst du dich wenden? (Abg. Amesbauer: Kollegin, Fahren Sie nach Favoriten und reden Sie mit den Afghanen! Machen S’ das!)
Wir haben zum Thema Gewaltschutz in den letzten Wochen und Monaten schon so viel gemacht. Schauen Sie sich die Gesetze, schauen Sie sich unser Budget an. (Zwischenruf des Abg. Lausch.) Es ist nicht genug, das ist uns klar. Wir sprechen mit dem Koalitionspartner über dieses Thema. (Abg. Lausch: Jessas na!) Unser Zugang ist, diejenigen in die Verantwortung zu bringen, die dafür in einer geistigen Reife und in einer körperlichen Reife schon in der Lage sind.
Damit brauchen wir diesen Antrag heute nicht, der so einseitig und so einfach ist. Kollege Stefan hat gesagt: Nehmen Sie doch den einfachen Antrag und stimmen Sie zu! – Nein, das können wir heute nicht. (Abg. Kickl: Das ist wie immer! Das ist wie immer!) Was wir tun, ist, den Diskurs zu führen – mit Experten, mit den betroffenen Ministerien, mit den Menschen, mit den Experten aus der Jugendfürsorge, aus der Wohlfahrt, auch mit den Betroffenen, NGO-Gruppen, die helfen, dass Jugendliche den richtigen Weg finden. (Zwischenrufe der Abgeordneten Kassegger und Lausch.)
Für uns ist wichtig, dass diese Jugendlichen so wie alle einen Anspruch haben, in diesem Land gut und sicher zu leben, dass sie aber auch verstehen, was liberale Demokratie bedeutet. Sie bedeutet Meinungsfreiheit, in einem Rechtsstaat zu leben, Sicherheit zu haben, Ausbildung zu genießen, aber dafür auch Pflichten zu haben. (Zwischenruf des Abg. Martin Graf.)
Um diese Pflichten geht es. Das geht nicht einfach, indem ich ein Gesetz ohne Begleitmaßnahmen mache. Wir werden uns überlegen, welche Maßnahmen die Absenkung des Strafalters begleiten müssen. (Abg. Lausch: Wie lange noch? Wie lange noch? Seit zwei Jahren!) Du weißt genau, dass dieser Diskurs aufgrund der Vergewaltigung des 12-jährigen Mädchens begonnen hat und in einer Dynamik aufgenommen wurde. (Ruf bei der FPÖ: Das ist ein langer Diskurs! – Zwischenruf des Abg. Kickl.) Erinnere dich bitte an die Diskussionen im Justizausschuss. (Abg. Lausch: Seit Jahren! – Präsident Sobotka gibt das
Glockenzeichen.) Dort wird sachlich diskutiert und nicht polemisch, so wie es heute hier passiert ist.
Wir sind bereits am Arbeiten, wir warten nicht mehr zu, die Experten sind dabei. Schauen wir einmal – ihr habt gesagt, wir haben nur mehr wenig Zeit, auch wir wissen das –, ob wir zu Lösungen kommen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Kickl: Das ist schwurbeln! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ. – Abg. Michael Hammer: Jetzt kommt er, der Vokaki!)
16.32
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Amesbauer. – Bitte sehr.
Abgeordneter Mag. Hannes Amesbauer, BA (FPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Geschätzte Damen und Herren! Den Redebeiträgen von Grün und ÖVP zuzuhören – das ist zynisch. Das ist zynisch gegenüber den Opfern. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Leichtfried: Warum ist zuhören zynisch? Was ist das für eine Logik?)
Von Ihnen, Kollegin Steinacker von der ÖVP, hört man nur: Reden wir darüber, diskutieren wir darüber, denken wir darüber nach! – Ja, was wollen Sie noch nachdenken, was wollen Sie noch reden, mit wem wollen Sie denn diskutieren? Mit den Afghanen in Favoriten, die die Straftaten - - (Abg. Steinacker: Mit den Medizinern! Ich habe es eh aufgezählt!) – Fahren Sie hin, Frau Steinacker, fahren Sie nach Favoriten und bilden Sie einen Arbeitskreis mit den Syrern und Afghanen! Das schaue ich mir an, was da rauskommt. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Michael Hammer: Mit euch nicht, weil ihr versteht es nicht!)
Meine sehr geehrten Damen und Herren, was Sie hier machen, ist eine Verhöhnung der Opfer und ihrer Angehörigen und eine Verhätschelung der Täter. Was heißt, Sanktionen und Strafen auch für diese Verbrecher und Schwerstverbrecher, die teilweise strafunmündig sind, sind keine Lösung,? Da
muss es ordentliche Sanktionen geben. (Abg. Prammer: Gibt es ja! Die Strafen gibt es ja!) Wenn Sie diskutieren wollen, dann diskutieren wir zum Beispiel über die Möglichkeit eines Bootcamps für solche Herrschaften, damit sie sich zusammenreißen. (Zwischenruf des Abg. Matznetter.)
Wir brauchen aber im Strafrecht wirksame Instrumente, um des Ganzen Herr zu werden. Wer alt genug ist, um zu vergewaltigen oder auch zu morden, der ist auch alt genug, die Sanktionen dafür in Kauf zu nehmen. (Beifall bei der FPÖ.)
Der wichtigste Schritt, den wir neben der Senkung der Strafmündigkeit setzen müssen, ist eine totale Schubumkehr in der Asylpolitik. Wenn wir diese Leute aus Syrien und Afghanistan und aus anderen kulturfremden Regionen, die sich nicht an unsere Gesetze und unsere Werte halten, die kulturell einfach nicht zu uns passen, die hier nichts verloren haben, nicht zigtausendfach ins Land lassen, dann können diese Taten gar nicht passieren, und das wird nur stattfinden, wenn wir eine Trendumkehr schaffen, und die gibt es nur mit der Freiheitlichen Partei und einem Volkskanzler Herbert Kickl. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Steinacker: Das heißt noch immer Bundeskanzler! – Zwischenruf des Abg. Matznetter.)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.
Wünscht die Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.
Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 2482 der Beilagen.
Hiezu liegen ein Abänderungsantrag der Abgeordneten Mag. Michaela Steinacker, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Kolleginnen und Kollegen sowie ein Zusatz- und Abänderungsantrag der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen vor.
Weiters liegt ein Verlangen auf namentliche Abstimmung vor.
Ich werde daher zunächst über die von den erwähnten Zusatz- beziehungsweise Abänderungsanträgen betroffenen Teile – der Systematik des Gesetzentwurfes folgend – und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.
Die Abgeordneten Steinacker, Sirkka Prammer, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungsantrag betreffend Artikel 1 eingebracht.
Wer hierfür ist, den ersuche ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.
Die Abgeordneten Kickl, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag betreffend Artikel 2 eingebracht.
Es ist namentliche Abstimmung verlangt worden.
Die Stimmzettel, die zu benützen sind, befinden sich in den Laden der Abgeordnetenpulte – Sie kennen das – und tragen die jeweiligen Bezeichnungen.
Gemäß der Geschäftsordnung werden die Abgeordneten namentlich aufgerufen.
Ich ersuche jene Abgeordneten, die für den Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag der Abgeordneten Kickl, Kolleginnen und Kollegen stimmen, „Ja“-Stimmzettel, jene, die dagegen stimmen, „Nein“-Stimmzettel in die Urne zu werfen. Bitte beachten Sie die sorgfältige Stimmabgabe.
Ich darf nun die Schriftführerin, Frau Mag. Steinacker, bitten, mit dem Namensaufruf zu beginnen; ihr folgt Abgeordneter Gahr.
*****
(Über Namensaufruf durch die Schriftführer:innen Steinacker und Gahr werfen die Abgeordneten den Stimmzettel in die Wahlurne. – Abg. Schnedlitz – nach dem
Wechsel zu Abg. Gahr in Richtung Abg. Steinacker –: Die Rede war jetzt besser als die vorige!)
*****
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die Stimmabgabe ist mit dem Aufruf aller Namen beendet. Haben Sie alle einen Stimmzettel abgegeben?
Ich darf nun die damit beauftragten Mitarbeiter unseres Hauses ersuchen, unter der Aufsicht der Schriftführung mit der Stimmenzählung zu beginnen.
Die Sitzung wird für diesen Zweck unterbrochen.
(Die zuständigen Bediensteten nehmen die Stimmenzählung vor. – Die Sitzung wird um 16.41 Uhr unterbrochen und um 16.47 Uhr wieder aufgenommen.)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf die unterbrochene Sitzung wieder aufnehmen und das Abstimmungsergebnis bekannt geben.
Es wurden 148 Stimmen abgegeben; davon sind 20 „Ja“-Stimmen und 128 „Nein“-Stimmen.
(Siehe Korrektur S. 324.)
Der Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag der Abgeordneten Kickl, Kolleginnen und Kollegen ist somit abgelehnt. (Abg. Krainer: Ein Drittel der FPÖ-Fraktion hat nicht mit „Ja“ gestimmt!)
Gemäß § 66 Abs. 8 der Geschäftsordnung werden die Namen der Abgeordneten unter Angabe des Abstimmungsverhaltens in das Stenographische Protokoll aufgenommen. (Ruf bei der SPÖ: Gar so wichtig war das jetzt nicht, liebe FPÖ! – Abg. Krainer: Nur zwei Drittel der FPÖ stimmten mit!)
Mit „Ja“ stimmten die Abgeordneten:
Amesbauer;
Brückl;
Deimek;
Ecker Rosa;
Fürst;
Graf Martin;
Hauser, Herbert Werner;
Kassegger, Kickl;
Lausch, Linder Maximilian;
Ragger, Reifenberger;
Schnedlitz, Schrangl, Spalt, Stefan, Steger Petra;
Wurm.
Mit „Nein“ stimmten die Abgeordneten:
Baumgartner, Bayr, Becher, Berlakovich Nikolaus, Bernhard, Blimlinger, Bogner-Strauß, Böker, Brandstötter Henrike, Brandweiner, Bürstmayr;
Deckenbacher, Diesner-Wais, Disoski, Drobits, Duzdar;
Egger Kurt, Einwallner, El-Nagashi, Erasim, Eßl;
Feichtinger;
Gahr, Gerstl, Gödl, Götze, Graf Tanja, Greiner Karin, Großbauer, Grünberg;
Hamann Sibylle, Hammer Lukas, Hammer Michael, Hanger Andreas, Haubner, Hechenberger, Heinisch-Hosek, Himmelbauer, Hintner, Höfinger Johann, Hofinger Manfred, Holzleitner, Holzner, Hörl, Hoyos-Trauttmansdorff;
Kaufmann, Kirchbaumer, Köllner, Kollross, Koza, Krainer Kai Jan, Kucharowits, Kucher Philip, Kühberger, Künsberg Sarre, Kuntzl;
Laimer, Leichtfried, Lercher, Lindinger, Lindner Mario, Litschauer, Loacker, Lopatka;
Marchetti, Matznetter, Maurer, Melchior, Minnich, Muchitsch;
Neßler, Neumann-Hartberger, Nussbaum;
Obernosterer, Oberrauner, Ofenauer Friedrich, Ottenschläger, Oxonitsch;
Pfurtscheller, Pöttinger, Prammer, Prinz;
Rausch-Amon Bettina, Reimon, Reiter, Ribo, Rössler;
Salzmann, Saxinger, Scharzenberger, Schatz, Schellhorn, Scherak, Scheucher-Pichler, Schmidt Michaela, Schmuckenschlager, Schnabel, Schroll, Schwarz, Seemayer, Shetty, Sieber Norbert, Singer Johann, Smodics-Neumann, Smolle, Sobotka, Stark, Steinacker, Stocker, Stöger Alois, Stögmüller, Strasser;
Tanda, Tanzler, Taschner, Totter;
Voglauer;
Weber, Weidinger, Weratschnig, Werner, Wimmer Petra, Wöginger;
Yildirim;
Zarits Christoph, Zopf, Zorba.
*****
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen nun zur Abstimmung über die von der namentlichen Abstimmung betroffenen Teile des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschussberichtes.
Ich ersuche die Damen und Herren, die dafür sind, um ein dementsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.
Wir kommen schließlich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes. – Das ist wieder einstimmig angenommen.
Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.
Wer dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung seine Zustimmung gibt, den darf ich um ein Zeichen bitten. – Das ist wiederum einstimmig angenommen.
Bericht des Ausschusses für Familie und Jugend über den Achten Bericht des Bundeskanzlers zur Lage der Jugend in Österreich (III-1083/2466 d.B.)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zum 11. Punkt der Tagesordnung.
Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Brandweiner. Bei ihm steht das Wort. – Bitte sehr, Herr Brandweiner.
Abgeordneter Lukas Brandweiner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Jugendstaatssekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher hier auf der Galerie und zu Hause vor den Bildschirmen! Zunächst darf ich eine Gruppe begrüßen, und zwar den Seniorenbund Sankt Ruprecht an der Raab. Mein Kollege Christoph Stark freut sich sehr. (Allgemeiner Beifall.)
Nun komme ich zum Tagesordnungspunkt 11, zum Jugendbericht. Gemäß einer Entschließung des Nationalrates vom Jahre 1988 ist in jeder Legislaturperiode ein entsprechender Jugendbericht vorzulegen. Ich darf dir, geschätzte Frau Jugendstaatssekretärin, wirklich Danke sagen, denn dieser Bericht ist natürlich auch eine Arbeitsgrundlage für uns hier im Haus, vor allem aber auch in unseren Wahlkreisen.
Was steht im Jugendbericht? – Er ist aufgeteilt in zwei Module. Zum einen beschäftigt er sich natürlich mit den Zahlen und Daten der Statistik Austria, die ausgewertet wurden. Im Modul zwei beschäftigt er sich aber auch – ganz spannend – mit den Lebenswelten und den Werten junger Menschen.
Besonders erfreulich ist aus meiner Sicht, dass über 80 Prozent der Jugendlichen eine wirklich hohe Lebenszufriedenheit haben, lediglich 17 Prozent haben eine eher schlechte oder ganz schlechte Zufriedenheit. Unsere Aufgabe hier herinnen ist es natürlich, diesen Wert weiter zu reduzieren und bestmögliche Voraussetzungen zu schaffen, damit die Jugend von heute eine gute Zukunftsperspektive hat. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Prammer.)
Darum freut es mich auch, dass unser Bundeskanzler Karl Nehammer mit dem Österreichplan, den er präsentiert hat, genau die Kernthemen trifft, nämlich Leistung, Familie und Sicherheit, denn das sind auch Schwerpunkte, die der jungen Generation wichtig sind.
Dass junge Menschen wirklich fleißig sind und viel leisten, zeigt eben auch dieser Bericht auf. 1,4 Millionen junge Menschen zwischen 15 und 29 engagieren sich im Ehrenamt – von der Feuerwehr über die Rettungsorganisation über den Sportverein bis hin zu Musik- und Kulturvereinen. Das ist eine gewaltige Zahl, dafür kann man nur dankbar sein.
Auch im Bereich Bildung und Beschäftigung gibt es erfreuliche Zahlen. So ist die Zahl der Ausbildungsabbrecherinnen und ‑abbrecher rückläufig, wir bewegen uns da mit 8 Prozent deutlich unter dem EU-Durchschnitt, aber wir haben – das
hat mich beim Lesen besonders gefreut – im Jahr 2021 auch rund 42 600 Lehrabschlüsse gehabt. Das ist ein starkes Signal für Österreich: viele fleißige junge Menschen, die wieder etwas leisten.
Ein weiterer Bereich ist die Familie, ich habe es angesprochen. Immerhin über 77 Prozent der jungen Frauen haben gemeint, dass Familie sehr wichtig ist. Bei den Männern ist es etwas weniger, da sagen 67 Prozent, dass Familie sehr wichtig ist. Ich hoffe, dass die Richtigen zusammenfinden und Familien gegründet werden.
Wir als Volkspartei versuchen natürlich, die Familien weiterhin bestmöglich zu unterstützen. Wir haben in dieser Legislaturperiode vieles schon geschafft. Ich glaube, es ist wichtig, dass wir die Kinderbetreuungsoffensive weiter vorantreiben, aber auch mit dem gestern beschlossenen Wohnpaket setzen wir die richtigen Signale für die jungen Menschen, damit sie eine Familie gründen und sich Eigentum und Wohnraum schaffen können. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Kucharowits: Bitte, so weit von der Lebensrealität entfernt!)
Ich bin sehr zuversichtlich, denn der Großteil der jungen Menschen in unserem Land sind Anpacker. Einige wenige picken sich lieber an und warten darauf, dass es besser wird, aber der Großteil engagiert sich und versucht, unser Land besser zu machen. Daher bin ich auch überzeugt, dass die Generation Z für Zufriedenheit steht, aber vielmehr auch für Generation Zuversicht.
Diese Zuversicht strahlt auch unsere Jugendstaatssekretärin aus. Ich möchte mich wirklich für die Arbeit, die du leistest, bedanken. Ich würde sagen: Packen wir es an, arbeiten wir weiter für die Jugend in unserem Land! (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Prammer und Lukas Hammer.)
16.53
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Köllner. – Bitte sehr, Herr Abgeordneter.
16.53
Abgeordneter Maximilian Köllner, MA (SPÖ): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst einmal ein Danke, ich finde es gut, dass wir die Möglichkeit haben, den Jugendbericht zu thematisieren. Ich glaube, das ist ganz, ganz wichtig.
Wenn der Jugendbericht eines zeigt, dann ist es, dass wir – insbesondere die jungen Menschen – in den letzten Jahren multiple Krisen zu spüren bekommen haben und dass dringender Handlungsbedarf besteht. Es ist nur wenige Jahre her, dass die ersten Jugendlichen bei der Fridays-for-Future-Bewegung auf die Straßen gegangen sind, damit die Politik etwas gegen den Klimawandel unternimmt. In diese Zeit fiel dann auch der Ausbruch der Coronapandemie, als es plötzlich nicht mehr möglich war, wie gewohnt die Schule zu besuchen, Freunde zu treffen oder einfach nur auszugehen.
Kaum hatten wir das Gröbste überwunden, folgten der Krieg in der Ukraine und eine Rekordteuerung, die die jungen Menschen sowohl psychisch als auch finanziell vor große Herausforderungen gestellt hat und eine Belastung geworden ist. Das heißt, die heutige Jugend wächst in einer Zeit auf, die von großen gesellschaftlichen und politischen Herausforderungen geprägt ist. Dadurch sinkt nicht nur das Vertrauen in die Politik, sondern darunter leidet natürlich auch die psychische Gesundheit.
Daher ist es für mich schon etwas verwunderlich, das muss ich schon ganz ehrlich sagen, dass im Jugendbericht das Thema psychische Gesundheit nur sehr spärlich angerissen wurde, denn jeder Fall, dass ein junger Mensch suizidale Gedanken hat oder gar Suizid begeht, ist einer zu viel. Diesem Thema müssen wir viel stärker unsere Aufmerksamkeit schenken. (Beifall bei der SPÖ.)
Die Kernfrage, die sich jetzt stellt, ist natürlich: Wie gehen wir mit dieser Situation in der Politik um? Wie können wir diesen negativen Entwicklungen entgegenwirken, und vor allem präventiv?
Frau Staatssekretärin, ich gebe Ihnen auch recht, wenn Sie sagen, die Jungen brauchen Wertschätzung. Echte Perspektiven, echte Wertschätzung geben Sie ihnen aber nicht durch teure Veranstaltungen, Preisverleihungen – und das noch dazu in der größten Teuerung seit Jahrzehnten. Davon profitieren vielleicht Sie, weil Sie sich selbst inszenieren können, aber am besten ist für die jungen Menschen – und damit geben Sie ihnen eine Perspektive –, wenn Sie sie beim leistbaren Wohnen unterstützen, wenn Sie ihnen ordentliche Gehälter geben und in ihre psychische Gesundheit investieren.
Genau da aber haben Sie und Ihre Kollegen in der Bundesregierung zu wenig getan. Das heißt, anstatt den Jungen die Last von den Schultern zu nehmen, haben Sie durch das Nichtstun den Druck sogar noch erhöht. Wir brauchen keine Politik, mit der Herausforderungen ausgesessen werden, sondern endlich eine Politik, mit der der Sozialstaat eingreift, fördert und hilft. (Beifall bei der SPÖ.)
Solch ein Thema ist eben das Thema Wohnen (Abg. Bogner-Strauß: Wohnbaupaket!), das möchte ich noch einmal kurz herausnehmen. Sie reden auch immer davon, dass sich junge Menschen den Traum vom Eigenheim leisten möchten. Natürlich, no na, würde ich sagen, wollen sich Junge diesen Traum vom Eigenheim erfüllen, aber bei derart hohen Mietpreisen, wie sie zurzeit sind, und wenn man nichts dagegen unternimmt, ist das ganz einfach nicht möglich, außer man ist auf die Butterseite gefallen und hat von den Eltern ein Erbe erhalten.
Werfen Sie vielleicht einen Blick ins Burgenland, ich muss es wieder sagen, wo nicht umsonst das Vertrauen in die Regierenden – im Vergleich zur Bundesebene, wo eben das nicht der Fall ist – sehr hoch ist. Das zeigen diverse Studien. Im Burgenland starten junge Menschen im Landesdienst und in landesnahen Betrieben mit einem Einstiegsgehalt von über 2 000 Euro netto. Da gibt es leistbare Startwohnungen, da gibt es sozialen Wohnbau für junge Menschen, da gibt es Instrumente, die auch Grundstücksspekulanten – womit wir wieder beim Thema Eigenheim schaffen sind – einen Riegel vorschieben.
Das heißt, die Lobhudelei des Kollegen Brandweiner auf Sie und Ihre Bundesregierung kann ich nicht ganz nachvollziehen. Ich würde eher vorschlagen, dass Sie Ihre Eigen-PR ein bisschen hintanhalten und zu handeln beginnen (Zwischenrufe bei der ÖVP), denn die Jugendlichen in unserem Land haben sich sicher etwas Besseres verdient. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Zarits: Burgenland hast gemeint!)
16.57
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Ecker. – Bitte.
Abgeordnete Rosa Ecker, MBA (FPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Frau Staatssekretär! Ja, wir haben im Hearing zu diesem Jugendbericht einiges gehört. Jugendliche reagieren ganz stark auf die Belastungen, denen sie ausgeliefert sind, und der Krieg in der Hosentasche, nämlich mittels Handy, fühlt sich so nahe und bedrohlich an und macht etwas mit ihnen.
Sie sorgen sich um ihre persönliche Zukunft, sie sind mit wirtschaftlicher Unsicherheit und mit einer Teuerung konfrontiert; das alles zusammen überfordert sie maßlos. Und das alles nach der Coronakrise mit den sozialen Isolationen, mit dem Ohnmachtsgefühl gegenüber den überbordenden Maßnahmen und den Freiheitsbeschränkungen, die sie erlebt haben.
Der Druck der Medien ist enorm. Jugendliche konnten sich nicht treffen und austauschen, die Zeit mit Handy, Tablet, Smartphone und Co hat sich um eine Stunde pro Tag erhöht und liegt bei etwa 64 Stunden pro Woche. Da müssten eigentlich alle Alarmsignale schrillen.
Laut Frau Dr. Culen sind die psychischen Auswirkungen eine normale Reaktion, und sie verwahrt sich dagegen, all diese Jugendlichen als psychisch krank abzustempeln, ganz im Gegenteil, sie müssen von den Eltern aufgefangen werden, sie brauchen gute Strukturen. Es wäre eine Aufgabe der Politik
gewesen, mehr Ressourcen zu schaffen, was bisher nicht ausreichend geschehen ist.
Die Lebenswelten haben sich verändert. Junge Menschen gehen heute anders mit ihren Befindlichkeiten um. Früher hatten Jugendliche weniger – sehr viele von Ihnen hier im Saal werden sich daran erinnern –, aber früher hatten Jugendliche auch das Gefühl und eigentlich die Sicherheit, dass sie sich etwas aufbauen können. Heute fehlt ihnen diese Zuversicht. (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)
Sie schätzen es als sehr, sehr geringe Chance ein, etwas im Leben zu erreichen, sie möchten aus dem Elternhaus ausziehen, haben aber nicht den finanziellen Background, und sich das selbst zu schaffen, ist beinahe unmöglich.
Sehr, sehr Interessantes hat auch Prof. Heinzlmaier gesagt, der als Studienautor dabei war: Die Jugend fühlt sich mehrfach enttäuscht. Sie hat nicht das Gefühl, dass die Politik auf sie zugeht, sondern nur, dass die Politik auf sie einwirken will. Er betonte auch, dass Corona ein massiver Einschnitt für die Generation Z war: Freunde nicht zu treffen und eingesperrt in den vier Wänden zu sein.
Dafür sind traditionelle Werte wieder im Steigen: Familie, Eigentum, Patriotismus, Brauchtumspflege – alles sehr erfreulich. Heinzlmaier hat sich auch zu Migration und LGBIT geäußert. Im Zusammenhang mit den Jugendlichen – und da müssten auch alle Alarmglocken schrillen – hat er gesagt, da herrsche eine Schweigespirale vor. Jugendliche äußern sich zu diesen Themen nicht, weil sie Angst haben, ihre abweichende Meinung zu sagen. Es wird im Bericht auch ganz klar festgehalten: Das Thema Migration, Asyl und Islam ist ein Angstthema bei den jungen Österreichern geworden. Insbesondere Mädchen und junge Frauen haben Angst vor negativen Konsequenzen.
Wir haben gerade beim vorhergegangenen Punkt darüber diskutiert: Es gibt beinahe täglich Vorfälle, dass Mädchen von augenscheinlich ausländischen jungen Männern angesprochen und bedrängt werden. Schreitet da ein Freund
ein, dann führt das meist zu Gewalt. Jugendliche werden ausgeraubt, sie werden verprügelt. Es gibt immer mehr kriminelle Handlungen durch Kinder und immer brutalere Taten. Unsere Jugendlichen erleben Bandenterror mitten in Wien, und Mädchen sind im öffentlichen Raum Vergewaltigungen schutzlos ausgeliefert. Diese Täter haben aufgrund ihres Alters keine Strafe zu befürchten. Das alles führt in weiterer Folge zu weiteren Einschränkungen im Leben von unseren Jugendlichen, weil sie sich hier in Österreich, wo andere Schutz suchen, um ihre eigene Sicherheit sorgen müssen. Diese Täter mit zum überwiegenden Teil ausländischem Background werden älter, und ohne Begleitmaßnahmen werden sie später ihren kriminellen Werdegang fortführen und steigern.
Frau Staatssekretärin, es ist sehr schade, dass Sie beim vorhergegangenen Punkt nicht durchgehend anwesend waren, denn Sie haben sich ja auch für eine Senkung der Strafmündigkeit ausgesprochen – und Ihr ÖVP-Klub hat gerade gegen diese Forderung gestimmt. (Zwischenrufe bei Grünen und NEOS. – Abg. Schwarz: Schauts einmal ... eigenen Leute!) Ich gebe Ihnen allerdings mit dem folgenden Entschließungsantrag noch eine Chance, das vielleicht wieder zurechtzurücken.
Ich bringe folgenden Antrag ein:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Herabsetzung der Strafmündigkeit“
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Justiz und die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien, wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzuleiten, die eine Senkung der Strafmündigkeit und Deliktsfähigkeit auf 12 Jahre beinhaltet. Dabei soll die Bundesregierung sich an den gesetzlichen Regelungen und Maßnahmen zum
Schutz der Kinder in den Niederlanden, in Ungarn, Irland, England, Wales, Nordirland, Griechenland und insbesondere in der Schweiz orientieren.“
*****
(Beifall bei der FPÖ.)
17.02
Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Rosa Ecker, MBA, Mag. Harald Stefan
und weiterer Abgeordneter
betreffend Herabsetzung der Strafmündigkeit
eingebracht im Zuge der Debatte über den Top 11: Bericht des Ausschusses für Familie und Jugend über den Achten Bericht des Bundeskanzlers zur Lage der Jugend in Österreich (III-1083/2466 d.B.), in der 257. Sitzung des Nationalrates, am 21. März 2024.
Auf den Seiten 196f. des Berichts wird klar festgehalten, dass das Thema Migration/Asyl ein Angstthema der jungen Österreicher geworden ist. Insbesondere Mädchen und junge Frauen „glauben aus Angst vor negativen Konsequenzen, dass es besser ist, vorsichtig zu sein und seine Meinung nicht gleich offen auszusprechen. Als besonders stark wird der Schweigedruck bei den Themen „Migration /Asyl“, „LGBTQ+-Community“ und „Islam“ empfunden (Institut für Jugendkulturforschung /tfactory 2022c)“1
Weiters wird in dem Bericht festgehalten:
Im Vergleich zu den männlichen Jugendlichen fühlen sich junge Frauen besonders beim Thema „Migration /Asyl“ zum Schweigen gedrängt:
• Während nur 37 Prozent der männlichen Jugendlichen beim heiklen Thema „Migration /Asyl“ glauben, sich zurückhalten zu müssen, sind es bei den jungen Frauen mit 51 Prozent rund die Hälfte.
• Auch wenn es um den Islam geht, fühlen sich 44 Prozent der weiblichen Jugendlichen durch den allgemeinen Mediendruck an der offenen Meinungsäußerung gehindert. Deutlich weniger sind es bei den Burschen und jungen Männern, nämlich 37 Prozent (Institut für Jugendkulturforschung /tfactory 2022c).
Diese Schweigespirale, insbesondere zum Thema Asyl/Migration, wie sie in diesem Bericht beschrieben wird, ist ein Grund, warum insbesondere dieses Problem kaum öffentlich besprochen wird. Genau das sollte ein Signal an die Politik sein, endlich zu handeln.
Die FPÖ leugnet nicht den Zusammenhang zwischen schlechter Ausbildung, gescheiterter Integration und Jugendkriminalität. Daher fordern wir einen umfassenden Aktionsplan ein. Gesamtschule, Streetworker und sanfte Behandlung durch die Justiz werden die Gesellschaft und die Jugend vor dem großen Problem der rasant steigenden Kinder- und Jugendkriminalität, vor allem bei Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund, nicht bewahren. Vordergründige Ziele müssen eine gute Ausbildung, die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit und dadurch auch die Prävention und Eindämmung der Jugendkriminalität sein.
Um das zu gewährleisten, muss bei Minderjährigen unter 14 Jahren angesetzt werden. In den vergangenen Jahren, insbesondere seit 2015, ist die Kriminalität im strafunmündigen Alter gestiegen. Der Ansatz muss sein, schon im Bereich der 12- bis 14-Jährigen Maßnahmen zu setzen, um diesen jungen Menschen klarzumachen, dass eine kriminelle Laufbahn sowohl der Gesellschaft als auch der eigenen Zukunft schadet.
Will man die Deliktsfähigkeit auf 12 Jahre herabsetzen, ist ein Mehrstufenplan zu entwickeln, der eine Strafhaft als allerletzte Maßnahme aufzeigt. Es müssen die Diskretionsfähigkeit, also die Unfähigkeit, das Unrecht der eigenen Tat einzusehen,
und die Dispositionsfähigkeit, also die Fähigkeit der Einsicht, eine unrechte Tat zu begehen, konkret nachgewiesen und nicht vorausgesetzt werden.
Auf die Frage der „Kronen Zeitung“, was er von einer Herabsenkung des Alters der Strafmündigkeit halte, meinte der Gerichtspsychiater Reinhard Haller:
Meiner Meinung nach sollten Straftaten für Zehn- bis 14-Jährige irgendwelche Folgen haben müssen. Hier müsste es kontrollierte pädagogische Maßnahmen geben, nicht gleich das Gefängnis, sondern therapeutische Sanktionierungen.2
Wie sieht die Strafmündigkeit in anderen europäischen Ländern aus?
In verschieden europäischen Ländern liegt die Strafmündigkeit unter dem vollendeten 14. Lebensjahr.
• In den Niederlanden liegt die Altersgrenze bei zwölf Jahren, so auch in Ungarn.
• In Irland liegt die Altersgrenze ebenfalls bei zwölf, jedoch bei schweren Taten gibt es eine Ausnahme für Kinder zwischen zehn und elf.
• In der Schweiz sind Kinder schon ab dem 10. Geburtstag strafmündig. Bis zu ihrem 14. Geburtstag werden ausschließlich Schutzmaßnahmen wie Aufsicht, persönliche Betreuung, ambulante Behandlung, Unterbringung bei Privatpersonen oder in Erziehungs- oder Behandlungseinrichtungen gesetzt. In England, Wales und Nordirland sind Kinder bereits ab dem vollendeten 10. Lebensjahr strafmündig.
• In Schottland können Kinder schon ab 8 Jahren strafrechtlich belangt werden.
• Ab 8 Jahren ist man in Griechenland strafmündig und ähnlich wie in der Schweiz gibt es erst ab dem 15. Lebensjahr Freiheitsstrafen. Davor werden minderjährige Straftäter in Erziehungs- oder Therapieheimen untergebracht.3 4
Zu berücksichtigen ist weiters die Tatsache, dass das Wahlalter zuletzt gesenkt wurde. Der Jugend wird zugetraut, Verantwortung zu übernehmen. Im Jahr 2000 wurde in Kärnten und im Burgenland bei den Gemeinderatswahlen, 2002 im
Burgenland auch für Landtagswahlen das aktive Wahlrecht auf 16 Jahre und das passive auf 18 Jahre gesenkt. Auch der Salzburger Landtag fasste den Beschluss, das aktive Wahlalter auf 16 Jahre zu senken. 2007 zog der Nationalrat nach.5 Mit dem 18 Lebensjahr - statt wie früher mit 19 - kann jeder Staatsbürger gewählt und ab dem 16. Lebensjahr - statt wie früher mit dem 18. - kann jeder Staatsbürger den Nationalrat wählen6 7
Auch die Wehrpflicht beginnt mit dem 17. Lebensjahr. Die Altersvoraussetzung für den Führerschein wurde ebenfalls auf das 17. Lebensjahr gesenkt. Die Ausbildung in der Fahrschule kann mit 15 ½ Jahren begonnen und mit 17 Jahren der Führerschein bei bestandener Prüfung ausgefolgt werden.
Die Politik traut jungen Menschen immer mehr zu und hat ihnen in den letzten Jahren auch mehr Verantwortung übergeben. Diese Verantwortung muss sich auch im Strafrecht, insbesondere im Jugendgerichtsgesetz (JGG) widerspiegeln. Unmündige Minderjährige wissen in der Regel, was sie tun. Das beste Beispiel dafür ist die Ermordung der 12-jährigen Luise in Deutschland. Eine ihrer Mörderinnen recherchierte im Internet, ab welchem Alter man strafmündig sei.
Es steht jedenfalls fest, dass sich in den vergangenen zehn Jahren die kriminellen Handlungen durch Kinder häufen und die Taten immer brutaler werden. Im Jahr 2013 waren es noch 5.587 unmündige Tatverdächtige, 2022 waren es 10.428.8 9
Ein kleiner Auszug entsprechender Fälle:
• Zwei syrische Burschen (12 und 13 Jahre alt) raubten im März 2023 in Wien einen Jugendlichen aus.10
• In Wien-Favoriten sollen im März 2024 fünf österreichische, syrische und rumänische Staatsangehörige im Alter von 13 bis 15 Jahren eine 15-Jährige in Wien-Favoriten beraubt und verprügelt haben.
• Bei mehreren Raubüberfällen in Salzburg-Lehen tritt im Dezember 2022 auch ein erst 12 Jahre alter Räuber in Aktion.11
• Mit einer Softgun bewaffnet, wollten ein Elf- und ein Zwölfjähriger vor zwei Jahren eine Wiener Trafik ausrauben.12
• Im August 2023 wird bekannt, dass ein 13-Jähriger in Linz bereits 200 Straftaten begangen und dabei bereits 300.000 Euro Schaden angerichtet hat.13
• Im Februar wird bekannt, dass über Monate hinweg 17 Verdächtige zwischen 13 und 18 Jahren ein zwölfjähriges Mädchen missbraucht haben14
In Deutschland wird schon länger über die Herabsetzung der Strafmündigkeit diskutiert. Der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft fordert schon seit mehreren Jahren, dass das Alter für die Strafmündigkeit in Deutschland auf zwölf Jahre herabgesetzt werden sollte. Er führt seine Forderung wie folgt aus:
„Es geht nicht darum, Kinder in den Knast zu stecken, sondern darum, die Möglichkeiten von Richtern zu nutzen – Auflagen erteilen, ermahnen und verwarnen.“
Nach Ansicht des Gewerkschaft-Chefs seien die Jugendbehörden zu schwach aufgestellt, als dass diese allein die Aufgabe bewerkstelligen könnten, die Kinder im Alter von 12 – 13 zu maßregeln. Es müsse vielmehr mit anderen Maßnahmen gearbeitet werden, die aber erst durch das Gericht angeordnet werden können – deshalb sei die Senkung des Strafmündigkeitsalters nötig, wenngleich hier auch die Ansicht vertreten wird, dass 14- und 15-Jährige nicht ins Gefängnis gehören.
Um die Deliktsfähigkeit, also die Strafmündigkeit, für strafrechtsrelevante Handlungen, insbesondere ab 12 Jahren einzuführen, sind begleitende Maßnahmen zu entwickeln, die es diesen jungen Menschen ermöglichen, mit sozialer und psychologischer Betreuung einen selbst gewählten oder durch Einfluss älterer Personen angenommen falschen Weg zu verlassen. Richterlich angeordnete, betreute „Schnupperhaft“, Gespräche mit Gefängnisinsassen und gemeinnützige Arbeit sind Möglichkeiten, die jungen Menschen zu einer Rückkehr in ein gutes Umfeld zu motivieren.
Vor diesem Hintergrund stellen die unterfertigten Abgeordnete folgenden
Entschließungsantrag
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Justiz und die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien, wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzuleiten, die eine Senkung der Strafmündigkeit und Deliktsfähigkeit auf 12 Jahre beinhaltet. Dabei soll die Bundesregierung sich an den gesetzlichen Regelungen und Maßnahmen zum Schutz der Kinder in den Niederlanden, in Ungarn, Irland, England, Wales, Nordirland, Griechenland und insbesondere in der Schweiz orientieren.“
1 https://www.parlament.gv.at/dokument/XXVII/III/1083/imfname_1603185.pdf
2 https://www.krone.at/2965954
3 https://www.stern.de/panorama/verbrechen/strafmuendigkeit--das-gilt-in-deutschland--europa-und-den-usa-33288198.html
4 https://www.focus.de/panorama/welt/diskussion-ueber-strafmuendigkeit-wie-gehen-unsere-europaeischen-nachbarn-mit-jugendstraftaetern-um_id_188494329.html
5https://www.demokratiezentrum.org/bildung/ressourcen/timelines/wahlrechtsentwicklung-in-oesterreich-1848-bis-heute/
6 https://www.parlament.gv.at/dokument/XXIII/A/8/fnameorig_070383.html
7 https://www.parlament.gv.at/dokument/XXIII/A/212/fnameorig_077200.html
8 https://www.krone.at/2965954
9 https://kurier.at/chronik/oesterreich/straffaellig-wenn-kinder-zu-taetern-werden/402142764
10 https://exxpress.at/bewaffnete-syrer-12-13-raubten-in-wien-jugendlichen-aus/
11 https://www.heute.at/s/drei-ueberfaelle-in-serie-juengster-raeuber-ist-erst-12-100242158
12 https://www.derstandard.at/story/2000136417260/elf-und-zwoelfjaehriger-wollten-mit-softgun-wiener-trafik-ausrauben
13 https://www.nachrichten.at/oberoesterreich/jugendkriminalitaet-mit-13-jahren-200-taten-begangen;art4,3874008
14 https://kurier.at/chronik/wien/jugendbande-soll-in-wien-12-jaehrige-ueber-monate-missbraucht-haben/402801427
*****
Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher auch mit in Verhandlung.
Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Barbara Neßler. – Bitte.
Abgeordnete Barbara Neßler (Grüne): Frau Präsidentin! Geschätzte Staatssekretärin! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Ich wollte eigentlich nicht darauf eingehen, aber die FPÖ hat wieder den Antrag eingebracht. (Zwischenruf der Abg. Ecker.) Nur so viel dazu: Der jüngste Fall ist extrem erschütternd, und es stellt einem alle Haare auf, wenn man davon liest. Es ist unvorstellbar – und es muss alles dafür getan werden, um aufzuklären, wie es dazu kommen konnte. Wenn Jugendliche und Kinder Straftaten begehen, dann muss das Konsequenzen haben – und dafür gibt es Gesetze.
Wir wissen allerdings, dass Strafverschärfungen nicht zu weniger Taten führen. Es braucht – und da sind sich alle Experten und Expertinnen einig – präventive Maßnahmen, die wirken, bevor überhaupt etwas passiert. Wir arbeiten hier auch an einem großen Kinderschutzpaket, weil es da auch eine große Lücke gab. Wir
müssen also ansetzen, bevor überhaupt etwas passiert – und das heißt wie schon gesagt: präventive Maßnahmen und keine Scheindebatte, die keine Verbesserungen bringt. Wenn Jugendliche früher oder auch länger eingesperrt werden, wird das die Situation im Endeffekt nicht verbessern. Das Einzige, was passiert, ist: Wir schaffen so eine Generation Gefängnis.
Sie wissen also ganz genau, das Sie mit Ihren Forderungen keinen einzigen Fall verhindern werden. Es wird keinen einzigen Fall weniger geben – aber darum geht es euch auch nicht. Es geht hier nicht darum, Lösungen zu finden, sondern euch geht es nur darum, diese Fälle grindig zu instrumentalisieren; um mehr geht es euch nicht. (Beifall bei den Grünen.)
Nun zum Jugendbericht: Die Herausforderungen von der Klimakrise über die Wirtschaftskrise bis hin zum Krieg in Europa, all diese Krisen gehen nicht spurlos an unseren jungen Menschen, an uns allen vorbei. Das macht etwas mit uns, und viele Menschen erzählen mir, dass sie sich erschöpft fühlen, weil ihre Lebensgrundlage aufgrund der Klimakrise bedroht ist, weil globale Krisenherde lichterloh in Brand stehen, weil lang erkämpfte Rechte gegenwärtig immer mehr abgebaut werden. Wirklich viele denken sich im Grunde: What the (leiser sprechend) fuck! (Abg. Brandstötter: Ja?!)
Gerade in letzter Zeit, im weltweiten sozusagen Superwahljahr nehme ich verstärkt die Sorge um unsere Demokratie wahr – und das zeigt auch der Bericht. Unsere Demokratie hat uns Frieden und Wohlstand gebracht. – Und ja, wir stehen tatsächlich dieses Jahr an einem Scheideweg. Trump, Putin, Orbán, Kickl – es sind Männer rund um die Welt, die demokratiefeindlich, frauenfeindlich, mit Leugnen der Klimakrise und weiterem Irrsinn bereits in der Regierung sind oder nach der Macht greifen. (Abg. Kassegger: ... sagen, wo konkret wir jetzt demokratiefeindlich sind! Konkret!) Das Muster ist immer das gleiche: Es geht darum, Ängste zu instrumentalisieren, es geht darum, dass Medien oder demokratische Instanzen brutal angegriffen werden, und für komplexe Probleme gibt es dann einfache Lösungen, die so nicht funktionieren.
Der Bericht zeigt aber auch eines, und zwar den positiven Trend hin zur Gemeinschaft. Obwohl die Jugend so stark von den Krisen betroffen ist, bleibt sie trotzdem optimistisch und lässt sich nicht unterkriegen, und ich glaube, das ist der wichtigste Punkt. Dieses Pflänzchen des Optimismus müssen wir zum Gedeihen bringen. Das heißt, es bringt nichts, nur darüber zu sprechen, dass man die Jugend ernst nehmen muss, und es reicht auch nicht, nur zu sagen, was alles nicht geht – das ist nicht die Politik, die sich unsere Jugend verdient hat, und das ist nicht die Politik, die wir brauchen. Was wir brauchen, ist politischer Dünger, um das Pflänzchen des Optimismus zu einem stabilen Baum wachsen zu lassen, der Stabilität und vor allem wieder Lust auf Zukunft macht. (Beifall bei den Grünen.)
Dieser politische Dünger heißt, die Sorgen wirklich ernst zu nehmen. Das bedeutet ganz konkret zum Punkt Teuerung: Wir müssen alles tun, um die Teuerung zu bekämpfen. Diesbezüglich ist wirklich extrem viel gelungen: von der Mietpreisbremse über die Valorisierung der Familien- und Sozialleistungen – ein politischer Meilenstein –, über die Energiekostenzuschüsse, das Armutspaket und so weiter.
Der zweite Punkt ist, Kriegstreibern wie Putin mit allen Mitteln entgegenzutreten.
Der dritte Punkt ist, die Klimakrise endlich ernst zu nehmen – wie im Jugendbericht auch ausführlich dargestellt wird. Wenn es um tatsächliche Maßnahmen geht, dann stehen wir Grüne oft immer noch allein da und müssen um jede einzelne Maßnahme kämpfen, obwohl die Bekämpfung der Klimakrise der Job von allen Parteien ist, nicht nur von einer. Das heißt, es muss endlich Schluss mit der Betonromantik und mit dem alten Denken sein – denn eines muss uns klar sein: Mit jedem Moment des Zögerns nehmen wir den jungen Menschen ein Stück Zukunft. (Beifall bei den Grünen.)
17.08
Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Yannick Shetty. – Bitte.
Abgeordneter Mag. Yannick Shetty (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Staatssekretärin, ich würde gerne mit einem Zitat von Ihnen beginnen. Vielleicht erinnern Sie sich daran: Mit 30 muss man ein Kind gezeugt, ein Haus gebaut und einen Baum gepflanzt haben. – Ich persönlich finde diese Herangehensweise ein bisschen eigenartig, aber das war Ihr Zitat, und ich würde mir jetzt gerne auch anlässlich des Jugendberichts anschauen, ob Sie Ihrem eigenen Anspruch überhaupt gerecht werden können.
Ein Kind zu bekommen ist für sehr viele junge Menschen, für Jungfamilien, für junge Paare mittlerweile zu einer echten finanziellen Frage geworden, unter anderem deswegen, weil die Kinderbetreuung gerade im ländlichen Raum, gerade dort, wo die ÖVP regiert, teilweise grottenschlecht ausgebaut ist. (Abg. Michael Hammer: Ein so ein Blödsinn! – Weiterer Zwischenruf bei der ÖVP.) Gleichzeitig steigt aber die Steuerbelastung weiter – für alle Menschen, aber die jungen Menschen betrifft das insbesondere. (Abg. Michael Hammer: Keine Ahnung!) Entgegen Ihrem Versprechen für das Jahr 2024 – das hätte nämlich bedeutet, dass es unterm Strich zu einer Steuerentlastung von 4 000 Euro für ein junges Paar kommt; Sie haben dieses Versprechen nicht gehalten – haben Sie die Steuer- und Abgabenquote nicht unter 40 Prozent gebracht. Wenn Sie sagen, es soll die Pflicht von einem jungen Menschen sein, unter 30 ein Kind zu zeugen, dann glaube ich nicht, dass Sie aus der finanziellen Perspektive die richtigen Rahmenbedingungen dafür geschaffen haben.
Wenn Sie sagen, man müsse unter 30 ein Haus bauen, dann, glaube ich, denken sich viele junge Menschen, das sei wohl ein schlechter Scherz, denn für viele junge Menschen, die hart arbeiten, die aber nichts erben, ist sich eine Wohnung, geschweige denn ein Haus leisten zu können bei der aktuellen Preis- und
Zinslage eine Traumvorstellung. Übrig bleibt, einen Baum zu pflanzen. Das kann man schon machen (Abg. Michael Hammer: Dazu muss man aber auch etwas können; danach schaut es bei dir auch nicht aus!), aber ich glaube nicht, dass das das Versprechen sein sollte, das man als Politik jungen Menschen gibt. (Abg. Michael Hammer: Der Wiederkehr weiß nicht einmal, dass er zuständig ist!)
Vor diesem Hintergrund ist es auch, Frau Staatssekretärin, besonders bedenklich, dass Sie – so habe ich es Ihren vergangenen Medienauftritten entnommen – die Gen Z, also die Generation Z, als Generation Zuversicht bezeichnen. Jetzt verstehen Sie mich nicht falsch, ich glaube auch, dass sehr viele junge Menschen gerne zuversichtlich wären und dass viele Menschen trotz allem auch zuversichtlich sind, aber eigentlich ist die Gen Z durch die Maßnahmen der Bundesregierung eher eine Generation Zukunftsraub, wenn man die unterschiedlichen Themen durchgeht: das Pensionssystem, das entgegen Ihren Versprechungen noch immer nicht reformiert wurde; der Klimaschutz, der von dieser Regierung sträflich vernachlässigt wird; die Bildungspolitik, in der überhaupt absolute Visionslosigkeit herrscht. In den großen Zukunftsfragen tut sich also nichts für die junge Generation. Das zeigt sich auch, wenn man das Ganze in diesem Jugendbericht anschaut.
Ein letzter Punkt noch – wir werden beim nächsten Tagesordnungspunkt noch darüber sprechen –: Ein besonders trauriges Detail ist, dass in diesem Jugendbericht, der sage und schreibe 384 Seiten umfasst, also groß aufgeblasen ist, aber relativ wenig Inhalt hat, der Umgang mit der psychischen Gesundheit nicht einmal ein Unterkapitel wert ist, nicht einmal Erwähnung findet. Das finde ich bei den Maßnahmen, die die Regierung zulasten der jungen Menschen getroffen hat, schon besonders dramatisch. (Beifall bei Abgeordneten der NEOS.)
Es bräuchte in dieser Regierung dringend einen Anwalt für die Jungen – Sie, Frau Staatssekretärin, sind es leider nicht. (Beifall bei den NEOS.)
17.11
Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich Frau Staatssekretärin Claudia Plakolm zu Wort gemeldet. – Bitte.
Staatssekretärin im Bundeskanzleramt Claudia Plakolm: Frau Präsidentin! Geschätzte Abgeordnete im Hohen Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Zuseherinnen und Zuseher der Nationalratssitzung! Ich freue mich sehr, dass wir bei der heutigen Plenarsitzung mit dem Achten Bericht zur Lage der Jugend einen Schwerpunkt auf Jugendpolitik legen können. Lassen Sie mich eingangs den Autorinnen und Autoren des Jugendberichts danken. Wir haben vor wenigen Tagen eine sehr konstruktive Diskussion im Ausschuss für Familie und Jugend erlebt. Danke schön allen Fraktionen, die sich konstruktiv daran beteiligt haben.
Ich glaube, es ist sehr, sehr aufschlussreich, was die Expertinnen und Experten hinzugefügt haben. Ich glaube, mit wissenschaftlichen Grundlagen kann es uns gelingen, dass wir faktenbasierte Politik machen, dass wir faktenbasiert Entscheidungen für die Zukunft, für die nächsten Generationen treffen.
Aus dem Jugendbericht geht sehr deutlich hervor, wie es den jungen Menschen tatsächlich geht. Es ist eine Momentaufnahme, es sind viele unterschiedliche Studien zusammengefasst worden, mit einem statistischen Teil, der von der Statistik Austria erstellt wurde, weil das eben auch eine Aufnahme dessen ist, wie es jungen Menschen geht. Ja, hier findet insbesondere die psychische Gesundheit natürlich auch einen großen Platz. Aus dem Bericht geht hervor, welche Wünsche und Sorgen, welche Träume und Ängste junge Menschen haben, gerade in Zeiten wie diesen, die unbestritten von Veränderungen, von Krisen geprägt sind – wenn wir an die Zeit vor vier Jahren denken, beginnend mit einer Coronapandemie, mit Lockdowns, Kriegen, die immer näher an unsere Staatsgrenzen rücken, einer Teuerung und dem Klimawandel.
Ich bleibe aber dabei: Die jungen Menschen heutzutage sind definitiv keine Lost Generation, vielmehr sind junge Menschen eine Generation Zuversicht, und wir
müssen sie zu dieser Generation Zuversicht machen, denn sie sind sich größtenteils bewusst, was es bedeutet, unsere Werte zu vertreten, Engagement zu zeigen und auch Leistung zu erbringen.
Gerade in den vergangenen Jahren hat die Bundesregierung gezeigt, was es heißt, Politik für junge Menschen zu machen. Ich betone es immer wieder: Jugendpolitik ist Querschnittsmaterie. Jede einzelne Entscheidung, jeder einzelne Beschluss, der hier im Hohen Haus gefällt wird, hat früher oder später Auswirkungen auf die nächsten Generationen. Ich könnte jetzt stundenlang darüber reden, was in den letzten Jahren umgesetzt wurde und was alles positive Auswirkungen für junge Menschen hat und was sie betrifft. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Matznetter: Bitte nicht! – Abg. Leichtfried: Na, bitte nicht!)
In 5 Minuten ist es schlichtweg nicht möglich, alle Aspekte der Jugendpolitik zu beleuchten und auf den Punkt zu bringen. Deswegen möchte ich mich in meinem Statement auf ein paar wichtige Teilbereiche konzentrieren.
Es ist die Hauptaufgabe der Jugendpolitik, bestmögliche Voraussetzungen für die nächsten Generationen, eine positive Perspektive für das zukünftige Leben zu bieten und vor allem zu schauen, wie wir jungen Menschen in einer herausfordernden Lebensphase am Übergang zum Erwachsenwerden helfen können, diese Phasen zu bewältigen. Was sehr positiv auffällt – und das haben fast alle Abgeordneten zuvor jetzt auch erwähnt –, ist das Thema Familie, Familiengründungen. Das hat einen sehr, sehr hohen Stellenwert – vielleicht auch einen überraschend hohen Stellenwert – bei jungen Menschen. Über 77 Prozent der jungen Frauen sagen, dass Familie ihnen sehr, sehr wichtig ist; bei den jungen Männern sind es 10 Prozentpunkte weniger, 67 Prozent. Da spielt auch das Thema Eigentum und Eigenheim eine große Rolle. Für jeden Zweiten ist der Traum der eigenen vier Wände einer, den sie auch aktiv verfolgen wollen. Politisch heißt das für mich als Konsequenz aus diesem Jugendbericht, dass wir weiterhin daran arbeiten müssen, dass wir jungen
Menschen, jungen Familien eine Perspektive geben können, dass sie die Zuversicht haben, dass sich arbeiten zu gehen auszahlt, und die Aussicht, dass sie sich damit auch etwas schaffen können.
Erst gestern wurde hier im Hohen Haus eine ganz zentrale Maßnahme dafür beschlossen. Herr Abgeordneter, Sie hätten gestern eben genau diese Gelegenheit gehabt, dass Ihre Fraktion dem auch zustimmt, dass wir Entlastungsmaßnahmen vornehmen – Entlastungsmaßnahmen für junge Familien, Entlastungen für junge Menschen, die vorsorgen wollen, die sich eigene vier Wände schaffen wollen. (Zwischenruf des Abg. Shetty.) Ihre Fraktion, die NEOS, war die einzige Partei, die hier dagegen gestimmt hat (Abg. Loacker: Es waren sechs Abstimmungen, wir waren manchmal dafür und manchmal dagegen! Bleib einmal bei der Wahrheit, oder ist das zu viel verlangt? – Ruf bei der ÖVP: Na, Herr Kollege Loacker!), als es darum gegangen ist, dass wir zwei von drei staatlichen Nebengebühren auf die ersten eigenen vier Wände streichen. (Abg. Loacker: Das ist ja kein Benehmen! – He-Rufe bei der ÖVP.) Ab April ist es dann endlich so weit, dass die Eintragungsgebühren ins Grundbuch fallen und auch die Eintragungsgebühr für das Pfandrecht. (Abg. Loacker: Unglaublich! Euer türkises Regime ist vorbei, du kannst wieder normal tun! – Zwischenrufe bei der ÖVP.)
Zudem arbeiten wir auch intensiv daran, dass kräftig in den Wohnbau investiert werden kann, dass in die Baubranche investiert wird und dass es einen Konjunkturaufschwung gibt und dass günstige Kredite für junge Menschen, für Familien auf den Weg gebracht werden. Gestern sind hier also bereits sehr zentrale Schritte beschlossen worden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen sowie Bravoruf des Abg. Michael Hammer.)
Vom Thema Wohnen zum Thema Beteiligung von jungen Menschen: Auch hierzu steht sehr viel Erfreuliches im Jugendbericht. Junge Menschen sind in hohem Maße bereit, Verantwortung für ihre Zukunft zu übernehmen. Hier gibt es die Ergebnisse der Erhebung zur Freiwilligentätigkeit aus dem Jahr 2022, also unmittelbar nach den letzten Coronalockdowns. Sie zeigen, dass sich
1,4 Millionen junge Menschen in Österreich im Alter von 15 bis 29 Jahren freiwillig engagieren. 1,4 Millionen junge Menschen, das ist jeder Zweite, und damit sind wir auch international absoluter Spitzenreiter, was die Beteiligung von jungen Menschen insbesondere in der außerschulischen Jugendarbeit betrifft. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)
Ich komme soeben von der Vollversammlung der Bundesjugendvertretung, in der eben die außerschulischen Jugendorganisationen stark vertreten sind und in der wir insbesondere im letzten Jahr viel weitergebracht haben. In den letzten beiden Jahren ist es uns gelungen, die Bundesjugendförderung erstmals seit Bestehen – seit über 20 Jahren! – um insgesamt mehr als 30 Prozent anzuheben. Ja, da geht es zum einen Teil um Wertschätzung – der Jugendsprecher der SPÖ ist mittlerweile in die hinteren Reihen zurückgerückt (Abg. Leichtfried: Der kann ja wohl sitzen, wo er will!) –, aber auch um die Anerkennung dessen, was in der außerschulischen Jugendarbeit Großartiges passiert.
Mit der Ausweitung der Spendenabsetzbarkeit seit 1. Jänner leisten wir einen weiteren Beitrag dazu, dass Ehrenamt auch in Zukunft von den nächsten Generationen gelebt werden kann und dass es hier auch einen starken Nachwuchs gibt.
Ein vierter Bereich aus dem Jugendbericht: Die Lebenszufriedenheit – sie wurde auch bereits angesprochen – entwickelt sich durchaus positiv. Die jungen Österreicherinnen und Österreicher sind zu über 80 Prozent trotz Krisen, trotz Unsicherheiten mit ihrem Leben zufrieden. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Neßler und Prammer.)
Wir sind in vielen Bereichen auf einem guten Weg, aber keine Frage: Wir werden weiter daran arbeiten, dass sich tatsächlich diese Vision verwirklicht, dass junge Menschen einen Grund haben, zuversichtlich in die Zukunft zu blicken. Wir haben als Bundesregierung in den vergangenen viereinhalb Jahren durchgehend Verantwortung übernommen, wir haben unsere Unabhängigkeit, unsere Versorgungssicherheit und auch den Wohlstand im Land gesichert;
wir haben nachhaltige Maßnahmen gesetzt, um Menschen, die tagtäglich in der Früh aufstehen, arbeiten gehen und Steuern zahlen, zu entlasten – mit der Einführung der ökosozialen Steuerreform, mit der Abschaffung der kalten Progression, die jahrelang, wenn nicht sogar jahrzehntelang intensivst gefordert wurde. Wir haben das zusammengebracht. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Neßler und Prammer.)
Nein, das bedeutet nicht, dass wir uns zurücklehnen können, aber das Ergebnis ist eindeutig: Österreich ist ein sicheres, ein friedliches, ein wohlhabendes Land und insbesondere für junge Menschen ein zukunftsreiches Land, wenn es um die Aussichten für die nächsten Generationen geht. – Vielen lieben Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Neßler und Prammer.)
17.19
Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Agnes Totter. – Bitte sehr.
Abgeordnete MMag. Dr. Agnes Totter, BEd (ÖVP): Bevor ich mit meiner Rede beginne, möchte ich für meinen Kollegen Georg Strasser die 4 LWb des Francisco Josephinums Wieselburg recht herzlich begrüßen. Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Als Pädagogin erlebe ich an den Schulen direkt, welche Ideen, Anliegen, aber auch Nöte und Sorgen Jugendliche haben und was sie aktuell beschäftigt. Einen großen Überblick bringt nun auch der vorliegende Achte Bericht zur Lage der Jugend in Österreich. Vielen Dank an Staatssekretärin Claudia Plakolm und ihr Ressort für den detaillierten Bericht. (Beifall bei der ÖVP.)
Die heutige Jugend wächst in einer Zeit heran, in der der Wohlstand im Vergleich zu anderen Generationen davor noch nie so groß war. Gleichzeitig ist
es eine Zeit, die von großen gesellschaftlichen und politischen Herausforderungen geprägt ist. Dazu zählen besonders die Klimakrise, der Krieg in der Ukraine und die damit verbundenen Folgen.
Meine Damen und Herren, der Bericht bringt auch ganz klar zum Ausdruck, dass Jugendliche die Gemeinschaft, das Miteinander als wertvolle Ressource sehen. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.) Es ist ihnen bewusst, dass jede und jeder einen Beitrag leisten muss, damit Gemeinschaft überhaupt funktionieren kann.
Auch Traditionen stehen heute mehr im Mittelpunkt des Wertesettings von Jugendlichen als früher. Das ist nicht verwunderlich, denn gerade Traditionen und Rituale geben Jugendlichen Orientierung, aber auch Halt.
Es liegt an uns, der Politik, die Sorgen und Nöte der Jugendlichen ernst zu nehmen, ihnen Orientierung zu geben, ihnen Vorbilder zu sein und miteinander und nicht gegeneinander an Lösungen für Herausforderungen, die jede Generation zu bewältigen hat, zu arbeiten. Gerade diese Bundesregierung unter Bundeskanzler Karl Nehammer nimmt diese Verantwortung wahr und tut sehr viel für Kinder, Jugend und Familien. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)
Eine aktuelle Studie von Joanneum Research bestätigt, dass Österreichs Familienpolitik mit einer Vielzahl von Geld-, Sach- und Steuerleistungen einen zentralen Beitrag zur Unterstützung und Förderung von Kindern, Jugendlichen und Familien leistet. Strukturelle und temporäre Transfers sorgten gemeinsam dafür, dass Haushalte mit Kindern im Jahre 2023 sogar reale Zugewinne bei den Transferleistungen verbuchen konnten.
Das Budget 2024 für Familie und Jugend stieg auf über 8,9 Milliarden Euro. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.) Diese Steigerung ist insbesondere auf erhöhte Auszahlungen bei Familienleistungen wie Familienbeihilfe und Kinderbetreuungsgeld zurückzuführen. Zudem werden all diese Zahlungen jährlich automatisch an die Inflation angepasst. All diese Maßnahmen zeigen auch Wirkung.
Meine Damen und Herren, ich möchte heute noch auf eine aktuelle Umfrage des ORF eingehen, wonach mehr als zwei Drittel der Österreicherinnen und Österreicher mit ihrem Leben sehr oder eher zufrieden sind. Bestnoten gibt es für die eigene Wohnsituation, die Arbeit, die Ausbildung und die Gesundheit. Das Ergebnis dieser Umfrage ist eine Bestätigung, dass diese Bundesregierung auch in Krisenzeiten Verantwortung getragen und die richtigen Maßnahmen gesetzt hat. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP sowie der Abgeordneten Neßler und Prammer.)
Es ist unsere Aufgabe, Jugendlichen Zuversicht zu geben, statt alles schlechtzureden. (Abg. Leichtfried: Die Redezeit ist um!) Das, was die Opposition hier vielfach macht, nämlich richtige und wertvolle Maßnahmen schlechtzureden und damit junge Menschen zu verunsichern, ist aus meiner Sicht grob fahrlässig. – Vielen Dank. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP sowie der Abgeordneten Neßler und Prammer.)
17.24
Präsidentin Doris Bures: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Abgeordneter Yannick Shetty zu Wort gemeldet. – Bitte. Sie kennen die Bestimmungen der Geschäftsordnung.
Abgeordneter Mag. Yannick Shetty (NEOS): Die Frau Staatssekretärin hat in ihrem Redebeitrag gesagt, dass wir NEOS gestern nicht beim Wohnpaket mitgestimmt haben. – Das ist nicht richtig. Ich berichtige tatsächlich, dass es sechs Abstimmungen waren und wir bei manchen Abstimmungen dafür gestimmt haben, bei manchen Abstimmungen dagegen. (Beifall bei Abgeordneten der NEOS.)
17.24
Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Frau Abgeordnete Eva Maria Holzleitner zu Wort. – Bitte.
17.24
Abgeordnete Eva Maria Holzleitner, BSc (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frauen Staatssekretärinnen! Kolleginnen und Kollegen! Der Jugend wieder Mut zu geben und Gesetze zu beschließen, durch die sie positiv in die Zukunft blicken kann, das ist unser Auftrag als Parlament, als gesetzgebende Kraft in diesem Land.
Eines zeigt uns der Bericht nämlich sehr wohl: Junge Menschen haben Sorgen, die wir nicht einfach wegwischen dürfen. Sie sind vielfältig, und wir müssen sie ernst nehmen, nicht nur in der Diskussion zu diesem Jugendbericht, sondern auch in den Taten, die wir durch unsere Beschlüsse setzen. Beschlüsse müssen jungen Menschen Zuversicht geben und Selbstbestimmtheit ermöglichen.
Es ist auch wichtig, konsequent die Interessenvertretung der jungen Menschen – Sie haben es schon erwähnt –, die Bundesjugendvertretung, miteinzubeziehen. Gerade die Bundesjugendvertretung vertritt viele junge Menschen, gerade die, die organisiert sind, aber auch darüber hinaus, und zeigt uns regelmäßig, was die Sorgen der jungen Menschen sind und welche konkreten Taten man setzen könnte, um sie ernst zu nehmen. Wir müssen diese Antworten auf die Sorgen und Nöte geben.
Das heißt, wenn junge Menschen sich Wohnen nicht mehr leisten können, auch die Forderungen der Österreichischen Hochschüler_innenschaft beispielsweise aufzunehmen, dass Studi-Wohnheime endlich wieder attraktiver gemacht werden, auch durch Bundesmittel. Das wäre eine Möglichkeit, mit der wir sofort Wohnen günstiger machen könnten.
Dasselbe gilt für Lehrlingsheime: Attraktivieren, umbauen, neu gestalten, einen Schub geben, um jungen Menschen den Auszug aus dem sogenannten Hotel Mama möglich zu machen und Wohnen flächendeckend für junge Menschen jetzt wieder möglich zu machen!
Das heißt, wir müssen aber auch Dinge, wie sie beispielsweise die Gewerkschaftsjugend fordert, aufnehmen: „Bildungssystem upgraden“, heißt es dort, Bildungsinhalte modernisieren, Schulstandorte aus- und umbauen, damit sie der Digitalisierung gerecht werden. Wir wissen, dass an vielen Schulstandorten noch immer nicht einmal WLAN vorhanden ist. Da brauchen wir gar nicht davon zu sprechen, dass wir junge Menschen damit auf eine digitale Gesellschaft vorbereiten können.
Also gilt es, da einen Schub zu machen und gerade auch für Lehrlinge die Durchlässigkeit in Richtung Matura oder einschlägiges Studium zu vereinfachen. Das wären gute Schritte für eine moderne Zukunft für die Jugend. (Beifall bei der SPÖ.)
Es heißt aber auch, dass wir Forderungen, wie etwa von der Bundesjugendvertretung, in Richtung psychische Gesundheit aufnehmen, dass die Übernahme der Kosten für die Behandlung psychischer Krankheiten und auch die Vorsorge durch die Kassen endlich ermöglicht wird. (Beifall bei der SPÖ.) Es kann nicht sein, dass man immer nur tröpferlweise irgendwo ansetzt. Die Kosten für die Behandlung psychischer Krankheiten und die Vorsorge müssen von den Krankenkassen flächendeckend übernommen werden, und es müssen dafür entsprechende Kapazitäten geschaffen werden.
Einen Punkt möchte ich zum Schluss noch ansprechen: den Druck, der insbesondere durch Social Media vor allem auf junge Frauen, aber auch immer mehr auf junge Burschen überschwappt. Oberschenkellücke, Bikini Bridge, Legging Legs: All das sind Magersuchttrends, die sich durch Social Media fortsetzen. Da müssen wir ganz klar eingreifen.
Wir sehen, dass bearbeitete Bilder, wie sie früher vielleicht ab und zu in irgendeiner Werbung oder Reklame sichtbar waren, auf Social-Media-Plattformen vielfach vorhanden sind. Andere Länder greifen da ganz klar durch ein Bildbearbeitungsgesetz und eine Kennzeichnung von bearbeiteten Bildern ein. Auch das wäre ein Schritt, den wir gehen wollen, weil es nicht sein kann, dass wir die
vermehrten Essstörungen von jungen Menschen einfach so hinnehmen. Da braucht es ein Bildbearbeitungsgesetz. (Beifall bei der SPÖ.)
All das sind konstruktive Vorschläge. Ein konstruktiver Vorschlag, der aus vielen Richtungen gekommen ist, wurde im Sinne der jungen Menschen jetzt umgesetzt – das kann ein erster Schritt sein –, nämlich die Ausweitung der kostenlosen HPV-Impfung bis 30. Das ist ein wichtiges Angebot, das viele, viele junge Menschen bitte unbedingt in Anspruch nehmen sollen, junge Frauen, aber genauso Burschen. Das ist ein erster Schritt in die richtige Richtung einer positiven Zukunft für junge Menschen, mit dem man einen guten Anreiz gesetzt hat. Diesen Weg müssen wir weitergehen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)
17.29
Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter David Stögmüller. – Bitte.
Abgeordneter David Stögmüller (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Meine Kollegen haben es schon vorab berichtet, und auch meine Kollegin Barbara Neßler hat es bereits angesprochen: Derzeit haben es die jungen Menschen in Österreich nicht immer einfach. Für manche scheint es, als würden die Krisen, mit denen sie konfrontiert werden, gar nicht mehr aufhören. Seit dem Beginn der Covid-Krise und -Pandemie haben sie nur wenige Verschnaufpausen bekommen.
Der Krieg in der Ukraine, der Terrorakt in Israel bis hin zur Bedrohung durch eine Klimakatastrophe sind weitere große Themen, die die jungen Menschen, die Jugendlichen in Österreich beschäftigen. Aber auch die Gefährdung unserer Demokratie und der Menschenrechte durch den spürbaren Rechtsruck in Europa sind Themen, die sie sehr wohl belasten und sie auch über die Zukunft in Europa nachdenken lassen.
Dabei geht aus dem Jugendbericht klar hervor, dass die jungen Menschen in Österreich ein starkes Interesse gerade auch an Menschenrechtsthemen wie Gleichstellung und LGBTIQ-Politik zeigen. Die Offenheit gegenüber der Vielfalt unter jungen Menschen nimmt zu, und viele setzen sich vermehrt für Gleichberechtigung und mehr Unterstützung von benachteiligten und marginalisierten Gruppen ein. Fast 80 Prozent der jungen Österreicherinnen und Österreicher sehen im Bereich der Menschenrechte Handlungsbedarf, und fast die Hälfte gibt an, dass sie sich vorstellen können, sich in diesem Bereich selber zu engagieren.
LGBTIQ-Rechte sind Menschenrechte, und es besteht Handlungsbedarf. Mehr als die Hälfte der jungen Österreicher:innen sieht laut Jugendbericht diesen Handlungsbedarf im Bereich der Gleichberechtigung von Menschen aus der Community. Gleichzeitig geht aus dem Bericht aber hervor, dass die Themen Community und Queerpolitik einem sehr hohen sogenannten Schweigedruck ausgesetzt sind – das ist die Angst bei jungen Menschen, sich zu outen, und zwar gerade am Land, gerade woher (in Richtung Staatssekretärin Plakolm) auch wir beide kommen. Das ist sehr hart, sehr schwierig und stellt einen Unterschied, einen Gegensatz zu den Städten dar.
Das gilt auch dafür, sich als Verbündeter für die Community einzusetzen, denn die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich vor Benachteiligung oder sogar vor Gewalt fürchten, ist relativ hoch. Man muss sich das einmal vorstellen, dass heute noch Menschen in Österreich Angst davor haben müssen, dazu zu stehen, wen sie lieben, wen sie gerne küssen wollen, und dass das immer noch ein großes Problem ist!
Gewaltverbrechen gegen queere Jugendliche sind nach wie vor auf einem hohen Stand. Laut Innenministerium wurden im Jahr 2023 373 Hassverbrechen aufgrund der sexuellen Orientierung und 350 Straftaten aufgrund des Geschlechts – inklusiver, diverser und nicht binärer Personen – erfasst. Ich will gar nicht erwähnen, wie hoch die Dunkelziffer in diesem Bereich ist, weil viele sich gar nicht trauen, zur Polizei zu rennen, und auch noch vor diesen Momenten des Outings vor der Polizei Angst haben.
Das wollen wir ändern, das müssen wir ändern! Wir müssen uns für die Sichtbarkeit starkmachen, für eine Verbesserung der gesetzlichen Rahmenbedingungen zur Bekämpfung von Diskriminierung. Wir wollen eine stärkere Beteiligung und Vernetzung der LGBTIQ-Community in der Politik und der Gesellschaft. (Beifall bei den Grünen.)
Diesbezüglich sehe ich uns in der Verantwortung, und zwar vor allem auch in den Bundesländern, am Land draußen, etwas zu tun. (Zwischenruf des Abg. Leichtfried.) Wir wollen niederschwellige Anlaufstellen für Beratung und Safe Spaces für queere Jugendliche in allen Bundesländern, in allen Ländern. Wien ist da ein Vorreiter. Gerade am Land aber haben es junge Menschen, die nicht der Cis-Hetero-Norm entsprechen, besonders schwierig. Diese jungen Menschen haben ein Recht darauf, geschützt zu werden, darauf, dass Menschen, die in einer Vorreiterrolle sind, auf ihrer Seite sind und ihnen in einer schwierigen Situation, wie es eben ein Outing ist, helfen. (Beifall bei den Grünen sowie der Abgeordneten Wöginger und Lindner.)
Das ist nicht selbstverständlich, das ist es nicht! Zum Teil werden bereits errungene Rechte und Freiheiten hinterfragt und sogar offen bekämpft. Hier sage ich noch einmal ganz klar: LGBTIQ-Rechte sind Menschenrechte, und die erkämpften Freiheiten und Rechte der Community werden wir verteidigen, und wir werden uns für mehr Toleranz und auch für den Schutz der jungen Menschen einsetzen. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Lindner.)
17.33
Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Herr Abgeordneter Christian Oxonitsch zu Wort. – Bitte.
Abgeordneter Christian Oxonitsch (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Ja, es ist erfreulich: Es gibt nach 2016 wieder einen Jugendbericht. Das ist natürlich wirklich sehr positiv zu
vermerken. Grundsätzlich glaube ich aber, dass es hilfreich wäre, wenn es in den Jugendberichten – und das ist so ein bisschen das Problem – eine gewisse Vergleichbarkeit gäbe. Es ist eigentlich eine ein wenig willkürliche Auswahl von vorhandenen Studien. Das ist legitim, aber ich glaube, es wäre gut und an der Zeit, tatsächlich ein wirkliches Monitoring der Lebensrealitäten von jungen Menschen in dieser Republik zu haben. – Das ist die erste Anmerkung, die ich grundsätzlich zu diesem Jugendbericht machen möchte.
Ich gratuliere Kollegen Brandweiner, dass er mit dem Sinken der Zahl der Schulabbrecher und der Ausbildungsabbrüche das Positive im Bericht gefunden hat. – Ja, das ist richtig, Tatsache ist aber auch: Es sind immer noch rund 8 Prozent (Zwischenruf des Abg. Brandweiner), also ich glaube, es ist bei Weitem kein Anlass, sich darauf auszuruhen. Ich glaube, da ist noch einiges zu tun – aber es ist positiv zu vermerken.
Was sagt dieser Jugendbericht aber substanziell? – Als Erstes eigentlich, dass es gerade unter den unterschiedlichen Gruppen der Jugendlichen in Österreich riesige Unterschiede in der Lebensrealität gibt, daher ist diese Verkürzung auf immer nur einen Punkt, den man jetzt findet – junge Menschen wollen Eigenheim – schon eine sehr unzulässige Schlussfolgerung; aber sei’s drum.
Was sagt der Bericht noch? – Er sagt deutlich, dass vor allem Jugendliche in Einpersonenhaushalten tatsächlich sehr ausgrenzungs- und armutsgefährdet sind, also da gibt es einen klaren Auftrag für uns als Politik.
Dieser Jugendbericht sagt darüber hinaus aus, dass gerade auch die Schule und die Uni ganz wesentliche Aufenthalts- und Anschlussorte sind, das heißt, dass sich dort die Möglichkeit anbieten würde, tatsächlich wesentlich mehr mit den Jugendlichen, für die Jugendlichen Akzente zu setzen, weil sie rund 8 Stunden täglich dort verbringen. Das ist ja eine Möglichkeit; wir wissen, dass sich gerade mit Schulsozialarbeit et cetera tatsächlich hervorragende Möglichkeiten bieten.
Er zeigt auch: 21,8 Prozent der Jugendlichen sind tatsächlich ausgrenzungs- und armutsgefährdet; bei den jungen Erwachsenen sind es 14,7 Prozent. Das ist immer noch ein hoher Wert, aber gerade für junge Menschen ist das die Lebensrealität.
Er weist weiters darauf hin, dass im Bereich der Gesundheit mit Mental Health zwar eine Initiative gesetzt wurde, aber dass das ein Tropfen auf den heißen Stein ist, dass es bei den jungen Menschen gerade ab 18 Jahren einen großen Bruch in der Gesundheitsversorgung gibt, dass sie dann keine Möglichkeit mehr haben, entsprechende Arzttermine zu kriegen, entsprechende psychotherapeutische Unterstützung zu kriegen. Da gibt es großen Handlungsbedarf.
Man merkt auch: Die Arbeitslosigkeit bei den jungen Menschen ist doppelt so hoch wie bei der Gesamtbevölkerung – auch das sagt dieser Jugendbericht.
Er sagt auch aus, dass das Vertrauen ins demokratische System massiv zurückgegangen ist: Zwei Drittel waren es bei der letzten Studie, jetzt ist es nur mehr die Hälfte, die tatsächlich eine wirklich positive Grundeinstellung und Vertrauen in das demokratische und politische System hat.
Die Zahl der Handlungsfelder wäre also riesig, und ich kann eigentlich nicht ganz nachvollziehen, dass dann in der medialen Darstellung durch die Frau Staatssekretärin überbleibt: Wir träumen vom Eigenheim und wir setzen jetzt die entsprechenden Maßnahmen. – 40 Prozent der jungen Menschen leben in Mietverhältnissen, die befristet sind, und sogar mit nur rund dreieinhalb Jahren befristet. Also da gäbe es großen Handlungsbedarf. (Beifall bei der SPÖ.)
Etwas, das in dem Baupaket überhaupt nicht zur Sprache kommt – überhaupt nicht! –, ist Folgendes: Ich freue mich ja schon auf die parlamentarischen Anfragen, dass ich mir dann einmal anschauen kann, wie viele junge Menschen tatsächlich von dieser Gebührenbefreiung bei der Befriedigung ihrer existenziellen Wohnbedürfnisse etwas haben. Also auf diese Anfrage in einem Jahr, in eineinhalb Jahren freue ich mich durchaus. So positiv das natürlich ist – aber ob
das den jungen Menschen in der Lebensrealität wirklich hilft, wage ich zu bezweifeln.
Mein großer Appell ist, diesen Jugendbericht ernst zu nehmen, diesen Jugendbericht vergleichbar zu machen – auch für die Zukunft, das können wir dann wahrscheinlich alle für unser politisches Handeln brauchen – und die vielen Handlungsfelder, die es gibt, tatsächlich auch in Angriff zu nehmen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)
Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.
Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall. (Abg. Wöginger – in Richtung Abg. Haubner, der zwischen den Sitzreihen der Grünen steht –: Peter! Peter! – Weiterer Ruf bei der ÖVP: Peter!)
Wir kommen jetzt zur Abstimmung, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Abg. Wöginger: Wir sind es gleich!)
Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Familie und Jugend, den vorliegenden Bericht III-1083 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.
Wer sich für die Kenntnisnahme ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist einstimmig so zur Kenntnis genommen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Rosa Ecker, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Herabsetzung der Strafmündigkeit“.
Wer spricht sich dafür aus? – Das ist die Minderheit, abgelehnt. (Zwischenrufe bei ÖVP, SPÖ und Grünen. – Abg. Schwarz: Nicht einmal die eigenen Leute sind dafür!)
*****
Ich gebe jetzt noch bekannt, dass zur namentlichen Abstimmung über den Abänderungsantrag der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen – das war bei Tagesordnungspunkt 10 – aufgrund einer doppelt eingeworfenen Stimmkarte folgende Korrektur bekannt zu geben ist:
Abgegebene Stimmen: 147 statt 148; davon „Ja“-Stimmen: 20, „Nein“-Stimmen: 127 statt 128.
Die Differenz ist auf das Abstimmungsergebnis ohne Einfluss, aber es ist wesentlich, die Korrektur jetzt noch vorzunehmen. (Siehe auch S. 287.)
Bericht des Ausschusses für Familie und Jugend über die Petition Nr. 90/PET betreffend „Mental Health Now – stärkt unsere Jugend!“, überreicht von den Abgeordneten Mag. Yannick Shetty, Mag. Martina Künsberg Sarre und Fiona Fiedler, BEd (2467 d.B.)
Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir nun zum 12. Punkt der Tagesordnung.
Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.
Erster Redner: Herr Abgeordneter Hermann Brückl. – Bitte.
Abgeordneter Hermann Brückl, MA (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsident! Hohes Haus! Wir behandeln hier eine Petition, eingebracht von den NEOS, die sich mit den psychischen Belastungen von Schülern während der Coronazeit und den Folgeschäden auseinandersetzt. Man hat das Problem richtig erkannt, aber aus unserer Sicht ist die vorgeschlagene Lösung nicht die geeignete; das werde ich aber später noch erläutern.
Wo liegen die Hauptursachen dessen, dass Jugendliche heute unter psychischen und physischen Schäden leiden, die sie in den vergangenen Jahren erlitten haben? Die Zahl dieser Fälle ist massiv gestiegen. Das Hauptproblem, das muss man so festhalten, das wichtigste Problem ist sicherlich die katastrophale Coronapolitik der schwarz-grünen Bundesregierung. Schulschließungen, Maskenzwang, dieser Testwahnsinn, den wir in den Schulen hatten: all das ist verantwortlich dafür, dass die Zahl der Jugendlichen mit psychischen Schäden massiv gestiegen ist.
Wir haben heute Gott sei Dank die Zahlen. Ich darf nur an die Schulschließungen erinnern: Wir hatten in Österreich alleine im Bereich der AHS-Unterstufe und der Mittelschule im Zeitraum Jänner 2020 bis Mai 2021 die Schulen insgesamt 167 Tage geschlossen. Das ist über ein Viertel mehr als im OECD-Durchschnitt. Das Gleiche gilt für die Oberstufen. Da waren es in Österreich 189 Tage, an denen die Schulen zu waren. Im Vergleich dazu lag im OECD-Durchschnitt die Anzahl bei 158.
Im Gegensatz dazu gab es aber auch Länder, die die Pflichtschulen an keinem einzigen Tag geschlossen hatten, beispielsweise Schweden. Daran hätte man sich damals bereits ein Beispiel nehmen müssen.
Wir haben heute schon mehrfach gehört, gerade auch von der ÖVP, Österreich sei gut durch die Krise gekommen. Ich sage Ihnen, das ist eine Mär – es ist die Mär der Regierungsparteien. Die Einschränkung der Grund- und Freiheitsrechte hat gerade unsere Jugendlichen, hat gerade die Kinder massiv getroffen und schwer belastet. Die Folgen waren Isolation, Angstzustände, Depressionen, Vereinsamung und Bildungsverluste und am Ende des Tages Existenz- und Zukunftsängste bei unseren Kindern. All das hat dazu geführt, dass wir heute in der Situation sind, dass die Zahl der Jugendlichen mit psychischen Problemen massiv gestiegen ist.
Die Regierung hat auch besonders daran mitgewirkt, dass diese Entwicklung so eingetreten ist. Ich möchte nur ein paar Aussagen in Erinnerung rufen, mit denen
wirklich versucht wurde, Panik und Angst zu erzeugen: Der ehemalige Bundeskanzler Kurz hatte gleich am Anfang gemeint, das jeder irgendjemanden kennen wird, der an Corona verstorben ist. Der Kurzzeitkanzler Schallenberg, ein ganz besonderer Spezialist, hat gesagt: Wir werden „sehr rasch eine bundesweite Impfpflicht in die Wege leiten“!, und er hat auch gemeint: Wir werden „den Ungeimpften die Zügel straffer ziehen“!
Den Vogel abgeschossen hat aus meiner Sicht aber die Ministerin Edtstadler, die dann irgendwann einmal gemeint hat, mit Einführung der Impfpflicht ist es eigentlich rechtswidrig, als Ungeimpfter in Österreich zu wohnen.
Man hat damit die Menschen verängstigt, man hat versucht, sie einzuschüchtern, und viele Jugendliche haben dadurch ihren Glauben an die eigene Zukunft verloren. Daher ist dieses Coronaregime der Bundesregierung die Ursache für viele Probleme, die wir heute auch im Bildungs- und im Schulbereich haben: Bildungslücken, die entstanden sind; Probleme von Schülern, die am Ende ihrer Schullaufbahn Probleme in den Grundkompetenzen haben, die Probleme beim Lesen, beim Rechnen, beim Schreiben haben; der Lehrermangel – dieser Druck hat auch dazu geführt, dass man den Lehrermangel noch verschärft hat, denn wer will denn in solch einer Situation tatsächlich noch Lehrer werden?; da werden Sie kaum noch jemanden finden – und die psychischen und physischen Probleme und Schäden, die entstanden sind.
Ich frage Sie: Was hat die Regierung gemacht? Was macht die Bundesregierung? – Sie macht nichts. Sie versucht, diese Thematik totzuschweigen, und sie hofft, dass die Menschen vergessen. Ich kann Ihnen sagen: Die Menschen werden mit Sicherheit nicht so rasch vergessen, wie da mit den Bürgern umgegangen wurde.
Diese Petition fordert jetzt, Lehrkräfte sollen psychosoziale Anlaufstellen für Schüler sein und hierzu auch entsprechend ausgebildet werden. Wir unterstützen das nicht – das sei hier auch in Richtung der NEOS gesagt. Abgesehen davon, dass wir einen massiven Lehrermangel haben, leiden Lehrerinnen und
Lehrer unter einem massiven Bürokratieaufwand und sind mehr als überlastet – das darf man so feststellen. Die vorgeschlagene Lösung macht daher ganz einfach keinen Sinn. Dazu kommt – und das möchte ich auch festhalten –: Schulen sind keine Gesundheitszentren, Schulen sind Bildungszentren, und das ist auch das Wichtige.
Im Übrigen, das sage ich Ihnen, wird es notwendig sein, dass wir am Ende des Tages Bildung gänzlich neu denken. Wir müssen – sonst wird das Ganze am Ende des Tages nichts mehr, und mit Minister Polaschek wird es fix nichts mehr, auch das darf ich festhalten – unseren Kindern und unseren Jugendlichen vermitteln, dass Bildung wichtig ist und dass der, der sich bildet und der leistungsbereit ist, die Möglichkeit zum persönlichen Aufstieg hat. Und wer sich bildet und wer leistungswillig und leistungsbereit ist, der trägt auch dazu bei, dass wir in unserer Gesellschaft Wohlstand schaffen – und das wird das Entscheidende und das wird das Wichtige sein. (Beifall bei der FPÖ.)
17.45
Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Frau Abgeordnete Elisabeth Scheucher-Pichler zu Wort. – Bitte.
Abgeordnete Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler (ÖVP): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! „Mental Health Now – stärkt unsere Jugend!“, eine Petition, die bereits im Mai 2022, wenn ich es richtig in Erinnerung habe, eingebracht wurde: Für uns ist das sehr wohl ein zentrales Anliegen, aber ich bin der Meinung des Vorredners, dass die Inhalte dieser Petition nur den Bildungsbereich umfassen, und ich bin auch der Meinung, dass wir das breiter denken müssen. Das ändert aber nichts daran, dass das zentrale Anliegen sind. (Abg. Shetty: Na dann denkt es breiter!) – Lassen Sie mich bitte ausreden, Herr Kollege! (Heiterkeit des Abg. Shetty.)
Deswegen sind auch viele der Initiativen, die in den letzten zwei Jahren gesetzt wurden, gerade auch in die vorschulische Bildung gegangen, in die Jugendzentren, in die Vereine, in denen wir ganz besonders gut an die jungen Menschen herankommen. Es hat sehr viele Informationen mit verschiedensten Formaten für Jugendliche gegeben, und natürlich sind da auch die Familie und die Gesellschaft insgesamt gefordert. Wir brauchen niederschwellige Angebote, wir brauchen mehr Präventionsarbeit – darüber wurde heute ja auch schon gesprochen –, das steht ja außer Frage.
Wir haben 2023 hier im Hohen Haus auch eine einstimmige Entschließung gefasst, in der wir uns dafür ausgesprochen haben, Jugendsozialarbeit auszubauen und zahlreiche weitere Schritte in der psychosozialen Versorgung zu setzen, und das hat diese Regierung bitte auch getan! Wir haben eine Vielzahl an Initiativen gesetzt! (Beifall der Abg. Bogner-Strauß. – Abg. Shetty: Da klatscht ja nicht einmal wer bei euch!)
Auch die Österreichische Gesundheitskasse – das darf ich auch ausführen – hat eine enorme Aufstockung kostenfreier Psychotherapieangebote und auch psychosozialer Angebote vorgenommen. Auch das ist ganz, ganz wichtig. Das ist für die Jugendhilfe wichtig, die ja auch mit den Schulen zusammenarbeitet – ja, natürlich! –, und das sind viele zusätzliche kostenfreie Angebote.
Ich möchte noch einmal das Projekt Gesund aus der Krise erwähnen, das unsere Staatssekretärin gemeinsam mit den Ministerien initiiert hat – auch ein Erfolgsprojekt, das jetzt in die dritte Tranche geht. Es hat viele Förderprojekte gegeben, gerade über die Bundesjugendförderung, über das Netzwerk außerschulischer Jugendarbeit, zu den Themen Hass im Netz, Medienkompetenz, Gewaltprävention und vieles mehr. Das spielt ja alles in die Schulen hinein.
Auch in den Schulen gibt es viele tolle Initiativen, viele Pilotprojekte, wobei ich meine, wir sollten jetzt darauf schauen, dass diese auch weiterlaufen. Sie wurden unterschiedlich initiiert und sind unterschiedlich finanziert. Ich erwähne etwa
School in Balance – soziale Workshops für Lehrer und Schüler – ja, wir müssen auch die Lehrer immer mitnehmen, das steht außer Frage – und weiters Lern- und Sozialgruppen, Coaching, Onlinecoaching für Lehrer und für Schüler und vieles mehr.
Ich glaube, wir sollten die Erfahrungen aus dieser Zeit mitnehmen, auch in die weitere Arbeit – die natürlich weitergehen muss, das steht ja außer Frage.
Die Jugend reagiert auf Belastungen, und es sind ja auch jetzt wieder neue Belastungen da. Da gibt es Unsicherheiten in Bezug auf die Zukunftsperspektiven, das bringt Ängste und auch Ohnmachtsgefühle, und das spielt natürlich auch in die Schule hinein.
Ich möchte aber schon auch betonen, dass wir bereits vor der Pandemie ein enormes Ansteigen psychischer Erkrankungen bei jungen Menschen verzeichnet haben – aber nicht nur bei jungen Menschen, sondern insgesamt; auch bei älteren Menschen, aber vor allem auch bei jungen Menschen –: ein Ansteigen bei Essstörungen, bei Depressionen. Auch da hat es bereits Hilferufe aus diesem Bereich gegeben.
Daher ist es richtig und wichtig, dass wir als Regierung da initiativ sind und sehr, sehr viel gemacht haben und dass wir unter anderem auch demnächst, so denke ich, das neue Psychotherapiegesetz werden beschließen können, das viele neue Ausbildungsplätze bringt, das zusätzliche Kapazitäten in Richtung Spezifizierung bringt, das sich letztlich den modernen Standards in Europa anpasst und das vor allem auch den Zugang zur Psychotherapieausbildung für viel mehr Menschen möglich machen wird. Auch das ist ganz, ganz wichtig.
Ich freue mich vor allem auch darüber – es werden ab 2026 immerhin 500 Masterstudienplätze pro Jahr sein –, dass der Zugang zur Ausbildung erleichtert wird, dass zum Beispiel Diplomsozialarbeiter und Diplomsozialpädagogen – gerade für die Jugendarbeit sehr wichtig –, aber auch diplomiertes Pflegepersonal oder medizinisch-technisches Personal sofort in die Ausbildung gehen können.
Über das Psychotherapiegesetz Neu, über eine Neuordnung der psychotherapeutischen Ausbildung und das Angebot kostenfreier Psychotherapie wurde Jahre, Jahre, Jahre hindurch geredet. Wir setzen es jetzt um. Ich möchte mich bei allen bedanken, die mit dazu beitragen (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen), denn auch das hilft unserer Jugend, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)
17.50
Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Gerald Hauser. – Bitte.
Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (FPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzte Kollegen! Zuhörer! Dieses Thema heute ist ein Riesenthema. Mich wundert eigentlich, dass der Herr Unterrichtsminister bei diesem Thema nicht anwesend ist. Er muss es formal nicht sein, aber die Krise, verursacht durch die wirklich schlechte, desaströse Covid-Politik, bedarf einer intensiven und massiven Aufarbeitung.
Das Thema, das hier über diese Petition angesprochen wird, die 418 Personen unterschrieben haben, ist so wichtig, und die Maßnahmen, die gesetzt werden und wurden, können das Problem nicht ansatzweise lösen. Die Jugend ist unsere Zukunft. (Abg. Bogner-Strauß: Die sind unsere Gegenwart!) Jedes Land braucht eine hoch motivierte, hochgebildete und gesunde Jugend –und keine Jugend, die massive psychische Probleme hat, wie das hier festgestellt wird.
Wenn man sich nur das Regierungsprojekt Gesund aus der Krise anschaut, dann sieht man die Dimension dieser Problematik. Das ist ein Regierungsprojekt. (Der Redner stellt eine Tafel mit der Überschrift „gesund aus der krise“, „Warum gibt es die Initiative ‚Gesund aus der Krise‘?“ auf das Redner:innenpult.) Was sagt die Regierung in ihrem Projekt Gesund aus der Krise zu den Jugendlichen? Das ist eigentlich eine – Entschuldigung – perfekte Selbstanklage, wobei mir die Jugend total leidtut, aber man muss sich das vorstellen und es vorlesen. Ich zitiere aus dem
Projekt der Regierung Gesund aus der Krise: „Psychische Symptome haben vor allem bei jungen Menschen in Österreich seit Beginn der Covid-19-Pandemie [...] überhandgenommen. Mehr als die Hälfte aller Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die den 22. Geburtstag noch nicht erreicht haben, sind von depressiven Symptomen betroffen“ – mehr als die Hälfte bis 22 –, „knapp jeder zweite junge Mensch leidet an Schlafstörungen und rund ein Drittel ist von Angstsymptomen betroffen. 16 Prozent haben gar wiederkehrende Suizidgedanken.“
Geschätzte Damen und Herren Zuhörer! Darf ich das übersetzen? – Bis zum Alter von 22 Jahren haben wir 1 730 000 Kinder und Jugendliche. Was sagt die Regierung? – Mehr als die Hälfte haben depressive Symptome, das sind hochgerechnet 865 000 Kinder und Jugendliche (Zwischenruf der Abg. Reiter), 865 000 Kinder und Jugendliche, denen geholfen werden muss. Das ist eine Dimension, das ist ein Ausmaß, das es überhaupt noch nie gegeben hat. Was mich aber brutal schockiert, ist: 260 000 Kinder und Jugendliche haben wiederkehrende Selbstmordgedanken. Um Gottes willen! Was machen denn diese Jugendlichen mit? Was hat man ihnen angetan? (Beifall bei der FPÖ.)
Geschätzte Damen und Herren! Wir haben das in den letzten Jahren aufgezeigt. Was hat man dieser Jugend angetan? – Man hat gegen unseren Willen Schulen geschlossen. Wir waren die Ersten im österreichischen Parlament, die gesagt haben: Bitte sperrt die Schulen auf!, weil ja klar war, dass Kinder und Jugendliche den sozialen Kontakt benötigen, den sie in der Schule haben, den sie natürlich beim Homeschooling nicht haben können.
Beim Homeschooling sind die Voraussetzungen für die Kinder gänzlich unterschiedlich. Manche haben beste technische Voraussetzungen, andere verfügen nicht einmal über einen vernünftigen Internetanschluss und so weiter, Familienverbund und Ähnliches mehr.
Die Voraussetzungen für die Kinder, die ihr beschlossen habt: Entschuldigung, das war ein Desaster! Wer hat denn die Schulschließungen gemacht? – Das hat
die Regierung mit Unterstützung der SPÖ gemacht. (Abg. Sieber: Wer hat als Erster den Lockdown gewollt?) Die NEOS sind dann später draufgekommen, dass die Schulschließungen nicht gut sind. (Zwischenruf des Abg. Shetty.) Das waren ja alles Maßnahmen von euch! Die permanenten Testungen: 5,2 Milliarden Euro nur für Tests; zwei-, dreimal die Woche: Kinder und Jugendliche, bitte testen! – Die haben Angstsymptome davongetragen. Masken im Unterricht, schlechte Luft et cetera – eine Katastrophe, was da passiert ist. Wir haben als einzige Partei im österreichischen Parlament darauf hingewiesen, dass es so nicht geht.
Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, vielleicht könnt ihr euch noch an diese Tafel erinnern, die ich – bitte – Ende 2021 gezeigt habe. (Der Redner stellt eine Tafel mit der Überschrift „Covid-19 Pandemie: Vergleich Österreich / Schweden“ auf das Redner:innenpult. – Heiterkeit der Abg. Neßler.) Ich habe mit dieser Tafel den Vergleich Österreich – Schweden angestellt: zwei Länder, unterschiedliche Vorgangsweisen, wobei die Vorgangsweise in Schweden wesentlich besser war. (Zwischenruf der Abg. Reiter.)
Kollege Brückl hat es schon erwähnt: In Österreich hatten wir bis Dezember 2021 152 Schulschließungstage. Ich habe diese Tafel hier im Parlament vorgezeigt (Zwischenruf des Abg. Lukas Hammer) und habe euch aufgefordert: Bitte schön, macht keine Schulschließungen mehr! – Es war für die Katz’, bitte, für die Katze! (Beifall bei der FPÖ.)
Ich wurde – bitte – ausgelacht, ich wurde vernadert, ich wurde als Schwurbler bezeichnet. (Unruhe im Saal.) Ich bedanke mich übrigens, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, ich bedanke mich, dass ich heute einmal frei reden darf. Das ist etwas Neues für Gerald Hauser. Normalerweise ist Geschrei hier, dass ich gar nicht durchdringe – also danke, dass ich heute einmal ausreden kann. (Zwischenrufe der Abgeordneten Sieber, Reiter und Schwarz.)
Wie war das in Schweden? – In Schweden war das so: Der Präsenzunterricht an den Grundschulen und in der Sekundarstufe I wurde durchgehend geführt. Diese
Schulen waren nie geschlossen, und trotzdem hatte Schweden hochgerechnet auf Österreich – unter Anführungszeichen – weniger Covid-19-Todesfälle et cetera, et cetera. Schweden war wesentlich besser aufgestellt.
Wisst ihr, was uns als Freiheitlicher Partei ganz wichtig ist? (Abg. Reiter: Alternative Fakten!) Ich sage euch das jetzt und ihr wisst das doch: Es wurde beim Weltwirtschaftsforum in Davos diesen Jänner von Klaus Schwab und Co bereits angekündigt, dass die nächste große Krankheit – Bezeichnung: Krankheit X – wieder über uns hereinbrechen wird. Man weiß zwar nicht, was diese Krankheit X ist, aber – bitte bei Klaus Schwab, beim Weltwirtschaftsforum nachlesen – man hat festgestellt, dass diese Erkrankung zwanzigmal stärker sein wird als Covid. (Zwischenruf des Abg. Obernosterer.)
Woher wissen sie das? Was, bitte, müssen wir jetzt schlussfolgern? (Abg. Lukas Hammer: Sag’s uns bitte!) Schlussfolgern müssen wir Folgendes: Wir dürfen die geplanten Änderungen der internationalen Gesundheitsvorschriften der WHO nie umsetzen. (Ruf bei den Grünen: Jetzt kommt er!) Die würden nämlich unsere staatliche Souveränität aushöhlen (Ah-Rufe bei ÖVP und Grünen – Abg. Höfinger: Sag einmal ...! Das ist ja unglaublich! Das ist ja nimmer normal!) und die würden uns keinen Sonderweg mehr ermöglichen (Abg. Lukas Hammer: Sag mal, ist euch das nicht peinlich langsam?), weil nämlich dann der WHO-Generaldirektor Tedros die Maßnahmen vorgeben kann, mit denen die Nationalstaaten auf die Krise, die er ausruft, zu reagieren haben. (Abg. Lukas Hammer: Du glaubst auch, dass der Pinky und der Brain die Weltherrschaft übernehmen wollen! – Heiterkeit und weitere Zwischenrufe bei den Grünen.) Ein schwedischer Sonderweg, Zurückweisung dieser Änderungen, was wir als Freiheitliche Partei machen würden, wäre nach Beschlussfassung nicht mehr möglich.
Es müssen Sonderwege möglich sein, die darin bestehen, dass wir zum Beispiel Schulen nicht mehr schließen, dass wir junge Menschen, Kinder nicht mehr drangsalieren, in die Masken reinzwängen, zwei- bis dreimal die Woche testen et cetera, et cetera.
Abschließend: Auch was man den alten Menschen angetan hat, die in Alten- und Pflegeheimen – unter Anführungszeichen – „alleine“ sterben mussten, darf nicht mehr passieren. Es ist ein Wahnsinn.
Arbeitet einmal diese ganze Situation auf! (Zwischenruf der Abg. Reiter.) Zieht die Schlussfolgerungen daraus, und bitte helfen wir den psychisch betroffenen Kindern! Bei 875 000 betroffenen Kindern und Jugendlichen sind 10 000 Betreuungsplätze einfach zu wenig. – Ich danke. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Schallmeiner. – Abg. Obernosterer: Kollege Hauser, fängst du nicht an, selber zu ...!)
17.59
Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Petra Wimmer. – Bitte.
Abgeordnete Petra Wimmer (SPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Kommen wir zur Mental-Health-Petition zurück.
Vorab möchte ich erwähnen, dass es sehr erfreulich ist, dass wir die Gelegenheit hatten, diese Petition vor allem im Familienausschuss zu diskutieren. Es ist ja eher eine Seltenheit – sagen wir es so –, dass Petitionen auch in die zuständigen Fachausschüsse verwiesen werden. In diesem Fall hatten wir im letzten Familienausschuss die Gelegenheit, das Thema Jugendgesundheit zu diskutieren.
Die Petition und auch die Stellungnahmen zeigen, dass der Bedarf an Ressourcen für die Jugendgesundheit, für die psychosoziale Gesundheit unserer Kinder und Jugendlichen sehr groß wäre. Durch die Covid-Pandemie ist vieles noch verstärkt worden, aber nichtsdestotrotz waren die Probleme auch davor schon sichtbar.
Wir müssen es ernst nehmen, wenn eine Studie der Donau-Universität Krems zeigt, dass 62 Prozent der Mädchen und 38 Prozent der Burschen an mittelgradigen Depressionen leiden. Das sind unsere Kinder und Jugendlichen,
die depressive Symptome haben, die Angstzustände haben, die Schlafstörungen haben – es hat sich verfünffacht, in manchen Fällen sogar verzehnfacht.
Die aktuelle weltpolitische Lage mit täglichen Berichterstattungen über Kriege in unmittelbarer Nähe verunsichert Jugendliche noch zusätzlich. Der vermehrte Konsum von sozialen Medien prägt unsere Jugendlichen nachhaltig. Es steigt der Druck. Diese mit Filtern bearbeiteten Bilder – das verzerrte Körperbild – erzeugen viel Unsicherheit bei den Jugendlichen. Sie kommen unter Druck, auch da perfekt sein zu müssen, mitmachen zu müssen.
Das ist eine Vielzahl an Problemfeldern, und die führen in den schlimmsten Fällen zu wiederkehrenden Suizidgedanken. Für unsere Jugendlichen – oder besonders für diese – ist es wichtig, dass sie dann ganz rasch Hilfe bekommen. Das ist aber nicht immer gewährleistet, denn trotz des Ausbaus an Therapieplätzen sind kassenfinanzierte Therapieplätze immer noch eine Mangelware in Österreich.
Eine wichtige Rolle beim Erkennen von gesundheitlichen oder psychischen Problemen bei unseren Kindern und Jugendlichen spielt auch das schulische Umfeld. Dort halten sich Kinder und Jugendliche viele Stunden des Tages auf. Medizinische und schulpsychologische Versorgung, Schulsozialarbeit oder entsprechende Anlaufstellen fehlen allerdings vielerorts als professionelles Angebot. Auf rund 5 800 Schülerinnen und Schüler kommt genau eine Schulpsychologin oder ein Schulpsychologe. Sie können den Bedarf einfach nicht abdecken.
Wir fordern daher, dass unsere Schulen als Orte der Gesundheit gefördert werden, und stellen dazu einen Entschließungsantrag, den ich jetzt einbringen werde:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Petra Wimmer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Schulen als Orte der Gesundheit fördern“
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung wird aufgefordert, umgehend ein umfassendes Maßnahmenpaket zur Stärkung der Kinder- und Jugendgesundheit vorzulegen, mit welchem Schulen als Orte der Gesundheit gefördert werden, indem die medizinische und schulpsychologische Versorgung, aber auch die Schulsozialarbeit und sozialpädagogische Arbeit an Schulen ausgebaut wird, um eine gute Gesundheitsversorgung sicherzustellen und ein professionelles Auffangnetz für Kinder und Jugendliche zu etablieren.
Das Maßnahmenpaket hat zumindest folgende Punkte zu enthalten:
- Ausbau der finanziellen und personellen Ausstattung des Schulärzt:innensystems;
- Zurverfügungstellung und Finanzierung von Schulpsycholog:innen für jeden Schulstandort (analog dem Schulärzt:innensystem), um Schüler:innen regelmäßig betreuen zu können und präventiv tätig zu werden;
- Auf- und Ausbau multiprofessioneller Teams durch bundesweite Finanzierung an allen Schulen;
- Konzeptentwicklung zur flächendeckenden Ausrollung der von der EU finanzierten ‚School Nurses‘, als Teil der österreichischen Gesundheitsversorgung;
- Massive Aufstockung und österreichweit faire Verteilung der Studienplätze ‚Soziale Arbeit/Sozialpädagogik‘ und ein Schwerpunktausbau im Fachbereich ‚Schulsozialarbeit‘;“
*****
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es braucht diese Maßnahmen, damit es jeder Schule ermöglicht wird, die gesundheitliche Versorgung für Schülerinnen und
Schüler so auszubauen, wie es notwendig wäre. Wir ersuchen um breite Zustimmung zu unserem Antrag. (Beifall bei der SPÖ.)
18.04
Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Petra Wimmer, Maximilian Köllner, MA,
Genossinnen und Genossen
betreffend „Schulen als Orte der Gesundheit fördern“
eingebracht im Zuge der Debatte zum Ausschussberichts des Ausschusses für Familie und Jugend über die Petition betreffend ’’Mental Health Now - stärkt unsere Jugend!", überreicht von den Abgeordneten Mag. Yannick Shetty, Mag. Martina Künsberg Sarre und Fiona Fiedler, BEd (90/PET) 2467 d.B.
„Schulen sind mit vielfältigen gesundheitlichen Problemen von Schülerinnen und Schülern konfrontiert. Nicht selten werden gesundheitliche Probleme zuerst in der Schule auffällig. Schulärztinnen und Schulärzte haben einen gesetzlichen Beratungsauftrag in gesundheitlichen Fragen der Schülerinnen und Schüler, soweit Unterricht und Schulbesuch betroffen sind. Sie stehen der Schulleitung als medizinische Gutachter sowie den Lehrkräften und der ganzen Schulcommunity beratend zur Seite, führen jährliche Untersuchungen aller Schülerinnen und Schüler durch und begleiten deren Entwicklung oft über viele Jahre. Sie sind Schnittstelle zwischen Kind, Eltern, Schule, anderen schulischen Beratersystemen und externen Einrichtungen. Das österreichische Schularztwesen hat eine Tradition von etwa 150 Jahren seit den Anfängen dieser Einrichtung. Der Schulerhalter ist gesetzlich verpflichtet, eine Schulärztin beziehungsweise einen Schularzt bereitzustellen. Alle Schülerinnen und Schüler werden einmal jährlich schulärztlich untersucht. Die darüber hinaus gehenden, konkreten Aufgaben werden im Dienstvertrag mit dem Schulerhalter vereinbart. Dienstgeber der Schulärztinnen und Schulärzte an den
Gymnasien und berufsbildenden mittleren und höheren Schulen ist der Bund, im Pflichtschulbereich sind es vor allem die Gemeinden, mit unterschiedlicher Unterstützung durch die Länder.“1
Um Schulen als Orte der Gesundheit zu fördern, braucht es ausreichend Schulärztinnen und Schulärzte. Auch die sogenannten „School nurses“, welche in einigen Bundesländern im Zuge von Pilotprojekten eingesetzt werden, gilt es in diesem Zusammenhang mitzudenken. Sie sind als Ressource und Expert:innen für Gesundheit an der Schule zu verstehen und sollten zur Unterstützung noch stärker herangezogen werden. Dabei geht es um die Früherkennung von Krankheiten, Fördernotwendigkeiten, Haltungsschäden, wichtige Impfungen, Bildung zu gesunder Ernährung etc. Zudem ist medizinisches Personal in der Schule eine "wichtige Drehscheibe" zwischen Schüler:innen, Eltern, Lehrer:innen und Ärzt:innen. Daraus ergibt sich im gesamten ein niederschwelliger Zugang zu medizinischer Betreuung und Versorgung, dessen Fehlen gerade in einem überlasteten Gesundheitssystem nicht durch andere Institutionen übernommen werden kann.
Besonders angesichts des aktuell schlechten Zustands der Kinder- und Jugendgesundheit werden Schulärzt:innen zu noch wichtigeren Bezugsperson für Kinder und Jugendliche, an die sich diese bei Bedarf vertrauensvoll wenden können. Ein echtes Vertrauensverhältnis kann jedoch nur aufgebaut werden, wenn routinemäßige Untersuchungen mehr als einmal im Jahr stattfinden. Aber nicht nur bei der Anzahl der Schulärzt:innen hinkt Österreich hinterher. Im Schuljahr 2022/23 standen für Österreichs Schulen mit 1,1 Millionen Schüler:innen rund 200 Schulpsycholog:innen zur Verfügung. Das ergibt einen unglaublichen Schnitt von 5.800 Schüler:innen pro Schulpsychologin oder Schulpsychologen. In einer Zeit, in welcher der Bedarf an psychologischer Betreuung immer weiter steigt, ist dies nicht zu argumentieren.
Eine flächendeckende Aufstockung von psychosozialem Unterstützungspersonal an Schulen wurde zwar im Regierungsprogramm angekündigt, ist aber nie umgesetzt worden. Der österreichweit bestehende Mangel an qualifizierten Fachkräften, die beschriebene Aufgaben übernehmen könnten, ist allseits bekannt, darf aber nicht
länger als Ausrede verwendet werden, sondern ist als Auftrag die Ausbildungsmöglichkeiten im Bereich der Schulsozialarbeit, Sozialpädagogik und Kinderpsychologie gezielt auszubauen, zu verstehen. Nur so können Kinder und Jugendliche regelmäßig an ihren Problemen arbeiten und dort Unterstützung erhalten, wo sie diese benötigen. Eine systematische Einbindung der Eltern, Erziehungsberechtigten und Familien ist dabei von entscheidender Bedeutung. Denn auch für diese Personengruppen stellt die Institution Schule eine besonders niederschwellige Anlaufstelle bei Problemen dar.
Von einer Aufstockung der Ressourcen in diesem Bereich würden alle Schülerinnen und Schüler profitieren, ganz besonders aber jene aus Familien, in denen die Mittel für eine gute Gesundheitsbetreuung fehlen. Aus diesem Grund ist es unabdingbar, dass die Bundesregierung Maßnahmen setzt und Mittel bereitstellt, die es jeder Schule ermöglicht, die gesundheitliche Versorgung für ihre Schülerinnen und Schüler auszubauen und Schulen so zu einem Ort werden, an dem die Gesundheit aller Kinder bestmöglich unterstützt werden kann.
Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden
Entschließungsantrag
Der Nationalrat wolle beschließen:
"Die Bundesregierung wird aufgefordert, umgehend ein umfassendes Maßnahmenpaket zur Stärkung der Kinder- und Jugendgesundheit vorzulegen, mit welchem Schulen als Orte der Gesundheit gefördert werden, indem die medizinische und schulpsychologische Versorgung, aber auch die Schulsozialarbeit und sozialpädagogische Arbeit an Schulen ausgebaut wird, um eine gute Gesundheitsversorgung sicherzustellen und ein professionelles Auffangnetz für Kinder und Jugendliche zu etablieren.
Das Maßnahmenpaket hat zumindest folgende Punkte zu enthalten:
• Ausbau der finanziellen und personellen Ausstattung des Schulärzt:innensystems;
• Zurverfügungstellung und Finanzierung von Schulpsycholog:innen für jeden Schulstandort (analog dem Schulärzt:innensystem), um Schüler:innen regelmäßig betreuen zu können und präventiv tätig zu werden;
• Auf- und Ausbau multiprofessioneller Teams durch bundesweite Finanzierung an allen Schulen;
• Konzeptentwicklung zur flächendeckenden Ausrollung der von der EU finanzierten „School Nurses“, als Teil der österreichischen Gesundheitsversorgung;
• Massive Aufstockung und österreichweit faire Verteilung der Studienplätze „Soziale Arbeit/Sozialpädagogik“ und ein Schwerpunktausbau im Fachbereich „Schulsozialarbeit“;
1 https://www.bmbwf.gv.at/Themen/schule/schulpraxis/schwerpunkte/gesund/schularzt.html
*****
Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.
Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Barbara Neßler. – Bitte.
Abgeordnete Barbara Neßler (Grüne): Frau Präsidentin! Geschätzte Kollegen und Kolleginnen! Als Erstes darf ich das Team von SOS-Kinderdorf bei uns im Hohen Haus herzlich begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)
In der Petition, die wir heute behandeln, heißt es, die „Wichtigkeit des Themas ist enorm“, und ohne Frage, das ist definitiv der Fall, das zeigen uns auch die
Zahlen. Jeder zweite junge Mensch leidet an depressiven Symptomen und jede sechste jugendliche Person hatte schon einmal Suizidgedanken – das sind die erschreckenden Zahlen. Wir stehen in Bezug auf diese Thematik, wo wir stehen, weil sie viel zu lange von der Gesellschaft tabuisiert wurde und im politischen Bereich im Bereich der psychischen Gesundheit lange vieles verschlafen wurde.
Umso wichtiger ist es, dass wir dieses unterfinanzierte, kränkelnde System jetzt auf gesunde Beine bekommen. Das heißt – es wurde von der Vorrednerin schon angesprochen –, mit dem Projekt Gesund aus der Krise konnten wir vielen jungen Menschen niederschwellig, anonym und kostenlos eine Therapie ermöglichen. Es wurde damit bisher 17 000 Kindern und Jugendlichen eine Therapie möglich gemacht. Die Finanzierung haben wir bis 2025 gesichert. Außerdem ist es das erste Projekt, bei dem wirklich Psychotherapeuten und -therapeutinnen mit Psychologen und Psychologinnen zusammengearbeitet haben.
Mit Jahresbeginn wurde die klinisch-psychologische Behandlung ins Sozialversicherungsrecht aufgenommen und mit 50 Millionen Euro Anschubhilfe die Finanzierung sichergestellt. Das heißt, dass da auch die Krankenkasse zahlt.
Ein ganz wichtiger Hebel für eine nachhaltige Verbesserung wurde gestern im Nationalrat eingebracht, und das ist das Psychotherapiegesetz. Warum ist das so wichtig? – Ganz einfach: Ohne ausreichend Therapeuten und Therapeutinnen können wir das Therapieangebot nicht weiter ausbauen. Somit ist also klar, dass diese Maßnahme jetzt nicht schon morgen wirken wird, aber mittelfristig wird das definitiv ein Gamechanger, weil, wie wir wissen, die Ausbildung bisher nur in privaten Einrichtungen möglich war und bis zu 50 000 Euro gekostet hat. Für uns ist klar, dass weder die Ausbildung noch die Therapie am Geldbörsel hängen darf. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Eine niederschwellige professionelle Versorgung ist auch deshalb so wichtig, damit Kinder und Jugendliche nicht gefährlichen Pseudopsychologen und ‑psychologinnen, die jetzt quasi auf Social Media schon fast einen Boom erleben, aufsitzen. Grundsätzlich ist es ja super, wenn in den sozialen
Netzwerken über das Thema psychische Gesundheit, über das Thema psychische Erkrankung gesprochen wird. Das hilft, die Thematik zu enttabuisieren, und man bekommt natürlich das Gefühl, dass man nicht alleine ist. Was allerdings schon ein Problem ist, ist, dass viele Hobbypsychologen und ‑psychologinnen auf den sozialen Plattformen unterwegs sind, und das Ganze kann sehr schnell kippen und sogar äußerst gefährlich werden.
Ein Tiktok-Video kann Information liefern, kann Hinweise geben, wo man sich hinwenden kann, aber eine Selbstdiagnose à la: In fünf Schritten erkennst du, ob du ADHS hast!, ist alles andere als produktiv. Wichtig zu wissen ist, dass solche Videos niemals eine professionelle Diagnose oder sogar eine Therapie ersetzen können.
Genauso, wie man sich bei einem gebrochenen Fuß nicht selber behandelt, sollte man das bei einer psychischen Erkrankung auch nicht tun. Das heißt, wenn jemand denkt, dass er oder sie eine psychische Erkrankung hat, sollte unbedingt Unterstützung geholt werden und er oder sie sich das professionell abklären lassen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
18.08
Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Yannick Shetty. – Bitte. (Ruf bei den Grünen – in Richtung des sich zum Redner:innenpult begebenden und eine Tafel in der Hand haltenden Abg. Shetty –: Yannick, machst du jetzt auch auf Hauser?! – Heiterkeit bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Stögmüller: Boah!)
Abgeordneter Mag. Yannick Shetty (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen! Sehr geehrte Kollegen! Ich möchte mich an dieser Stelle bei allen bedanken, die vor zwei Jahren unsere Petition, die heute hier diskutiert wird, unterschrieben haben, eine Petition für psychische Gesundheit oder für die bessere Wahrnehmung beziehungsweise Stärkung von psychischer Gesundheit,
insbesondere im Bildungssystem. Es geht in dieser Petition insbesondere um Schulpsychologie, um Workshops in Schulen.
Weil die ÖVP-Kollegin hier heraußen gemeint hat, wir müssten breiter denken als das: Das ist schon besonders skurril. (Heiterkeit des Redners.) Wir denken seit Jahren breiter und fordern insbesondere auch Psychotherapie auf Kasse. Es ist aber unter anderem die ÖVP, die daran mitwirkt, dass das nicht passiert, und die an den unterschiedlichen Stellen in den Sozialversicherungen dafür sorgt, dass das nicht umgesetzt wird.
Wir haben nämlich vor einem Jahr auch eine Petition für Psychotherapie als Kassenleistung gestartet, die haben insgesamt fast 15 000 Menschen unterschrieben. Wir werden dafür sorgen, dass diese weiterhin im Plenum behandelt wird, weil es nicht sein kann, dass das noch immer nicht umgesetzt wird.
Ich muss ehrlich sagen, ich finde es empörend, dass seit Jahren so viel auf den Schultern der jungen Menschen ausgetragen wird – uns allen hier ist bewusst, dass die Coronapandemie viel mit den jungen Menschen gemacht hat – und dass Psychotherapie als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung immer noch nicht ermöglicht wird. Ich finde, das ist empörend. (Abg. Matznetter: Da hat er aber recht, der Shetty!)
Während Sie nicht mehr über die psychische Gesundheit reden wollen, explodieren aber die Zahlen. Ich habe Ihnen das mitgebracht, nur zur Veranschaulichung (eine Tafel mit der Überschrift „Suizidalität Kinder und Jugendliche“ und einem Balkendiagramm für die Jahre 2018 bis 2023 in die Höhe haltend): Das sind ganz aktuelle Zahlen vom Landeskrankenhaus Graz. Die Suizidalität ist dort innerhalb weniger Jahre explodiert: von 100 im Jahr 2018 auf über 300 im Jahr 2022. Das betrifft junge Menschen, die eine Neigung zu Suizid haben. Diese Zahlen müssten dafür sorgen, dass sich alle Verantwortlichen, insbesondere der Gesundheitsminister, hinsetzen und sagen: Okay, wir setzen das jetzt um!
Mir ist schon klar, dass die Verantwortung bei den Sozialversicherungen liegt, aber ein Gesundheitsminister sollte sagen: Das erkläre ich zu meiner Priorität! – Im Übrigen würde ich mir das auch von ihm erwarten, weil er sich als Teil einer Bundesregierung, die extrem strenge Maßnahmen über die jungen Menschen verhängt hat, dieser Verantwortung stellen muss. Da würde ich mir von einem Gesundheitsminister erwarten, dass er sagt: Ja, ich lege alles, was ich habe, dafür ins Zeug, dass Psychotherapie als Kassenleistung endlich kommt! (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Matznetter.)
Auch darauf warten wir, und wir werden weiterhin Druck machen. Wie auch bei vielen Themen wie zum Beispiel dem Programm Gesund aus der Krise, bei dem wir ja gesehen haben, dass man im Kleinen etwas bewirken kann, werden wir auch bei den großen Hebeln, nämlich bei der Psychotherapie als Kassenleistung, weiter dranbleiben.
Das ist nicht etwas, bei dem die Menschen Bittsteller sind, nein, denn 1992 wurden die Sozialversicherungsbeiträge mit der Begründung, dass Kosten für Psychotherapie ersetzt werden sollen, erhöht. Das heißt, die Menschen zahlen seit 1992 doppelt: höhere Sozialversicherungsbeiträge und sich selbst die Psychotherapie. Dieser Zustand muss ein Ende finden: Psychotherapie muss endlich eine Kassenleistung werden. (Beifall bei den NEOS.)
18.11
Präsidentin Doris Bures: Nun ist Herr Abgeordneter Norbert Sieber zu Wort gemeldet. – Bitte.
Abgeordneter Norbert Sieber (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Im Familienausschuss haben wir die Petition „Mental Health Now – stärkt unsere Jugend!“, von den NEOS überreicht, diskutiert, und diese Petition hat uns die Möglichkeit gegeben, zum einen aufzuzeigen, wo noch Notwendigkeiten gegeben sind, wo sozusagen der
Schuh drückt – auch Kollege Shetty hat das jetzt ausführlich gemacht –, aber es gibt natürlich auch die Möglichkeit, aufzuzeigen, was denn auch alles passiert ist.
Wie meine Kollegin Neßler bereits ausgeführt hat, ist sehr viel passiert. Zu Beginn nenne ich nur noch einmal die große Kampagne Gesund aus der Krise, mit der wirklich vielen Jugendlichen und vielen Menschen mit psychischen Problemen geholfen werden konnte. Diese Initiative kam vom Sozialministerium, aber auch andere Ministerien, vor allem das Bildungsministerium, haben da sehr viel getan.
Ich möchte hier jetzt einfach auch die Dinge aufzählen, die alle umgesetzt und zur Verfügung gestellt worden sind. Es ist so, dass Schulpsycholog:innen auch schon vor der Krise, vor der Coronapandemie, zur Verfügung gestanden sind – nicht nur an den Schulen, sondern auch an über 60 Beratungsstellen in ganz Österreich. Die Anzahl wurde in der Krise massiv aufgestockt. Jetzt, meine Damen und Herren, werden diese Maßnahmen, diese schulpsychologischen Leistungen, dauerhaft verankert, damit sie auch in Zukunft dementsprechend zur Verfügung stehen.
Die Give-Servicestellen helfen dabei, Schülerinnen und Schüler bei der Entwicklung von Resilienzen zu unterstützen, das unter dem Motto: Ich schaffe das. Give legt auch auf die Gesundheit der Lehrerinnen und Lehrer einen Schwerpunkt, der Fokus liegt dabei auf Burn-out-Prävention und allgemeiner Gesundheitsvorsorge.
An der Privaten Pädagogischen Hochschule Burgenland wird ein Projekt mit dem Namen Schulklima 4.0 durchgeführt. Das Ziel ist neben der Bewusstseinsbildung der Aufbau von Expertise bei der Förderung der psychosozialen Gesundheit von Schülerinnen und Schülern, aber auch von Lehrerinnen und Lehrern – das entsprechend zu unterstützen und voranzutreiben.
Auf der Website wohlfuehlzone-schule.at finden Schulen Unterstützung, Materialien und Projekte in ihrer Nähe, die dazu beitragen, die Schule zur Wohlfühlzone zu machen.
Zu Beginn der Pandemie wurde auch die Hotline der Schulpsychologie eingeführt. Diese Hotline wird seit Oktober 2023 in einer Kooperation mit Rat auf Draht, die da ebenfalls eine große Expertise haben, geführt. Bei dieser Hotline finden Schülerinnen und Schüler, Lehrkräfte und auch Eltern 24 Stunden am Tag und sieben Tage die Woche Beratung und wenn nötig auch Hilfe.
Weil uns die Gesundheit unserer Kinder wichtig ist, erfolgt seitens des Bildungsministeriums eine Aufstockung der Mittel für Schulpsychologie um 20 Prozent. Genauso wichtig ist die Aufstockung im klinischen und ambulanten Bereich. Es stehen auch zusätzlich zu den Mitteln der Länder doch immerhin 14 Millionen Euro pro Jahr zur Verfügung, was eine Verdoppelung der Kräfte auf 240 möglich gemacht hat. Meine Damen und Herren, diese Kräfte werden auch in Zukunft zur Verfügung stehen.
Wir sehen, dass auf allen Ebenen an diesem Gesundheitsthema gearbeitet wird. Wir tun das, weil uns unsere Kinder wichtig sind. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)
Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.
Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Familie und Jugend, seinen Bericht 2467 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.
Ich bitte jene Damen und Herren, die dem zustimmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit so zur Kenntnis genommen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Petra Wimmer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Schulen als Orte der Gesundheit fördern“.
Wer spricht sich dafür aus? – Das ist die Minderheit, abgelehnt.
Bericht des Landesverteidigungsausschusses über die Regierungsvorlage (2286 d.B.): Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Bundesrepublik Deutschland über die Zusammenarbeit gegen nichtmilitärische Bedrohungen aus der Luft (2483 d.B.)
Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir nun zum 13. Punkt unserer heutigen Tagesordnung.
Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.
Ich begrüße Frau Bundesministerin Klaudia Tanner im Hohen Haus.
Ich erteile als erstem Redner Herrn Abgeordneten Friedrich Ofenauer das Wort. – Bitte.
Abgeordneter Mag. Friedrich Ofenauer (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen im Hohen Haus! Meine sehr verehrten Zuseherinnen und Zuseher! „Alarmstart der Eurofighter! Zivil-Jet ohne Funkkontakt“. „Ein in Deutschland zugelassener Business Jet war über Schladming plötzlich ohne Funkkontakt. Das Bundesheer reagierte sofort, schickte Eurofighter.“ – So lauteten die Schlagzeile und der kurze Bericht in einer Internetzeitung am 17. Februar 2024, noch nicht so lange her.
Es war ein Vorfall mitten in Österreich, der von den Eurofightern des österreichischen Bundesheeres rasch geklärt und bereinigt werden konnte, und der Funkkontakt mit dem Flugzeug konnte wiederhergestellt werden.
Kritisch wird es in einem solchen Fall, wenn dieses Flugzeug im Anflug aus zum Beispiel Deutschland ist, vielleicht in Deutschland schon von einem Militärjet begleitet wird, aber dann vor der österreichischen Staatsgrenze ist, denn fremde Militärflugzeuge dürfen nicht ohne Weiteres die österreichische Staatsgrenze überfliegen. Die Landesverteidigung, nicht nur am Boden, sondern vor allem auch in der Luft, ist und bleibt die Aufgabe des österreichischen Bundesheeres. Das ist auch ein Ausfluss der Souveränität Österreichs: die Landesverteidigung durch das österreichische Bundesheer am Boden und auch in der Luft sicherzustellen.
Dass es zu so einem Flugobjekt keinen Funkkontakt gibt, kann mehrere Gründe haben: ein technischer Defekt, es kann aber möglicherweise auch für terroristische Anschläge verwendet werden. Deswegen ist eine rasche Reaktion ebenso wichtig, wie eine nahtlose Überwachung des Flugzeuges notwendig ist.
In diesem Abkommen zwischen Deutschland und Österreich, das wir heute hier genehmigen, geht es genau um solche Fälle. Damit wird nämlich ermöglicht, die Staatsgrenze zwischen Österreich und Deutschland zu überfliegen und ein Flugzeug, zu dem kein Funkkontakt mehr besteht, jeweils an die Fliegerkräfte des anderen Staates zu übergeben. Man spricht von der sogenannten Nacheile, die dann ermöglicht wird, wenn deutsche Militärflugzeuge über die österreichische Grenze auf österreichisches Staatsgebiet fliegen dürfen und damit ein Flugzeug an die österreichischen Streitkräfte, an das österreichische Bundesheer übergeben.
Ein solches Abkommen gibt es bereits, nämlich mit der Schweiz. Heute wird dieses Abkommen mit der Bundesrepublik Deutschland über die Zusammenarbeit gegen nichtmilitärische Bedrohungen aus der Luft genehmigt.
Im Ausschuss hat es dazu Einstimmigkeit gegeben, und ich gehe davon aus, dass wir auch hier im Plenum dieses Abkommen einstimmig genehmigen werden. Ich bedanke mich dafür. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Prammer.)
18.19
Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Robert Laimer. – Bitte.
Abgeordneter Robert Laimer (SPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Geschätzte Österreicherinnen und Österreicher und alle, die in diesem Land leben! Heute geht es um die Abwehr von nicht militärischen Bedrohungen aus der Luft. Kollege Ofenauer hat das eindrücklich erläutert. Die SPÖ unterstützt das im Ausschuss diskutierte Abkommen zwischen Österreich und Deutschland.
Die Menschen in unserem Land fühlen sich aber auch am Boden, mitten in ihrem Alltag unsicher. Laut ORF-Umfrage wissen fast zwei Millionen Österreicherinnen und Österreicher nicht genau, wie sie finanziell durch das Monat kommen. Sie brauchen überall wirksamen Schutz, auch im Alltag.
Spätestens seit Putins Aggressionskrieg gegen die Ukraine wissen wir, dass es auch militärische Herausforderungen in Europa gibt. Diesen Herausforderungen muss mit Vernunft und mit strategischer Weitsicht begegnet werden. Um den sicherheitspolitischen Aspekten und den Schutzbedürfnissen unserer Bevölkerung entsprechend nachkommen zu können, braucht Österreich endlich eine neue, eine gesamtstaatliche Sicherheitsstrategie. Die alte Strategie ist mehr als zehn Jahre alt.
Meine Damen und Herren, ich rufe in Erinnerung: Auf Basis eines parlamentarischen Antrages der SPÖ wurde bereits letztes Jahr die Anpassung der noch immer aktuellen Sicherheitsstrategie aus 2013 beschlossen. Bundeskanzler Nehammer hat eine neue Strategie bis Jahresende 2023 versprochen. Doch bis
dato schlummert das Dokument im Bundeskanzleramt vor sich hin – nur scheinbar, weil sich Lobby- und Parteiinteressen von ÖVP und Grünen überkreuzen. Es ist somit offensichtlich: ÖVP und Grünen sind Sicherheit und Schutz der Bevölkerung nicht wichtig genug, um ins Handeln zu kommen.
Apropos Bundesheer: Es sind die loyalen, die tapferen Soldatinnen und Soldaten sowie die Zivilbediensteten im Verteidigungsministerium, die im Mittelpunkt jeder politischen Strategie stehen müssten – so wie bei uns im jüngst beschlossenen Strategiedokument der SPÖ. Darin wird unter anderem auch die Verbesserung der Arbeitsbedingungen der uniformierten Kräfte in unserem Land gefordert, denn diese Menschen sorgen Tag für Tag dafür, dass unsere Neutralität, unsere Souveränität, unsere Freiheit und unsere demokratische Ordnung geschützt werden. Die SPÖ wird alles dafür tun, damit unsere Neutralität und die hart erkämpften demokratischen Freiheiten auch weiterhin geschützt bleiben. (Beifall bei der SPÖ.)
An dieser Stelle auch meine Hochachtung und meinen Respekt allen uniformierten und zivilen Sicherheitskräften bei Militär und Polizei! Der aufrichtige Dank gilt für ihre mutige und persönliche Aufopferung für unsere Sicherheit, für ihren Dienst im Namen der Republik, sind sie doch im In- und Ausland täglich Lebensgefahren ausgesetzt. Das muss auch im Hohen Haus immer wieder betont werden.
Wie schwierig die Arbeitsbedingungen und teilweise auch die sozialen Umstände sind, weiß ich als amtierender Vorsitzender der Parlamentarischen Bundesheerkommission sehr genau. Wir haben diese Woche auch darüber berichtet.
Dies bringt mich zum nächsten zentralen Punkt: dem Verteidigungsministerium. Das Verteidigungsministerium der Frau Bundesministerin wirkt leider mittlerweile eher wie ein Schaukampfministerium. Warum? Ich verweise auf die heutige mediale Nachricht eines Generals, der nach Entscheid der Gleichbehandlungskommission ihr Ministerium klagt. Dort scheint es immer mehr um
Postenschacher als um den Schutz der Republik und das Wohl unserer Soldatinnen und Soldaten zu gehen.
Geschätzte Zuhörerinnen und Zuhörer! Gegen Ende einer Legislaturperiode zieht man bekanntlich Bilanz, man blickt zurück und man fasst zusammen. Und eines muss ich an dieser Stelle sagen: Die seit drei Jahren angekündigte Zentralstellenreform wird höchstwahrscheinlich nicht das Licht der Welt erblicken. Für parteipolitische Gönnerspiele im Verteidigungsministerium wird die Zeit langsam knapp. Die Reform ist aus unserer Sicht gescheitert – sagen wir es diplomatisch: Es sind äußerst ungünstige Umstände. Es besteht die Gefahr, dass die Reform zu einer Schwächung der operativen Effektivität des Bundesheeres führt, und das ist nicht gut für Österreich.
Derzeit kann ich nur einen Kampf um Direktionen und um Direktorenposten erkennen – und leider möglicherweise auch eine Einflussnahme auf Amtsträger, aber das haben wir hier im Parlament nicht zu behandeln, das wird die Staatsanwaltschaft untersuchen. Anstatt einer Modernisierung der Miliz, um die Wehrpflicht nachhaltig abzusichern und Österreich verteidigungsfit zu machen, nehme ich – nicht nur ich, sondern auch viele andere Menschen – erneut Postenschacher wahr. Als Wehrsprecher, aber vor allem auch als Bürger des Landes erfüllt mich das mit Sorge.
Was ist, was wäre notwendig? – Notwendig im Aufbauplan wären Transparenz bei den Beschaffungsvorgängen – wir reden hier von vielen Milliarden Euro –, die Fertigstellung der Überarbeitung der mehr als zehn Jahre alten Sicherheitsstrategie, der Ausbau der österreichischen Friedensmissionen und eine zielgerichtete Personaloffensive. Nichts davon funktioniert in ausreichendem Ausmaß.
So sehen wir oft, wie in der Verteidigungspolitik Entscheidungen getroffen werden, die mehr von parteipolitischem Kalkül als von militärischer
Notwendigkeit geprägt sind. Es fehlt der Regierung eine klare Vision einer umfassenden Sicherheit für Österreich.
Daher mein Aufruf, mein dringender Appell an die Regierung: Beenden Sie Lobbyistenkriege und kümmern Sie sich um die Sicherheit in unserem Land! Die SPÖ hilft Ihnen dabei. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)
18.25
Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Herr Abgeordneter David Stögmüller zu Wort. – Bitte.
Abgeordneter David Stögmüller (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Frau Ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich muss ein bisschen lachen, wenn der Kollege hier heraußen von politischem Kalkül redet, denn was ist jahrzehntelang beim Bundesheer geschehen? – Gar nichts! Man hat aus politischem Kalkül beim Bundesheer einfach nichts getan. Resultat war, dass wir aufgrund der geopolitischen Herausforderungen und der Kriegsszenarien an unserer Grenze entsprechende Investitionen tätigen müssen. Das ist passiert. Das hat nichts mit politischem Kalkül zu tun, sondern es ist aufgrund der Realität entschieden worden, dass wir in das Bundesheer investieren und es besser ausstatten müssen. Das ist passiert.
Wir haben es geschafft, dass Grundwehrdiener einen sinnvollen, einen guten Grundwehrdienst absolvieren können, nach dem sie häufig auch beim Bundesheer, das heißt in der Miliz, bleiben. Das haben wir geschafft. Wir haben, glaube ich, nur mehr zwei Grundwehrdiener an der Grenze, das ist ein Erfolg. Es gibt mehr Gehalt, es gibt ein Klimaticket für die Grundwehrdiener, bessere Unterkünfte, eine ordentliche Verpflegung und eine bessere Ausstattung der Soldatinnen und Soldaten. Sie haben jetzt ihre persönliche Schutzausrüstung, damit sie ihre Auslandsdienste, ihre Friedensdienste sicher und ordentlich absolvieren können. Das ist nicht einfach so gekommen, sondern das hat hier beschlossen werden müssen. Und das hat nichts mit politischem Kalkül zu tun,
sondern mit den Gegebenheiten. Sie haben das alles jahrzehntelang verschlafen – wir haben es umgesetzt, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Abg. Einwallner: Da klatscht nicht einmal wer! Nicht einmal dein Freund von der ÖVP klatscht da! – Heiterkeit des Abg. Lindner.)
Das ist ihnen überlassen, ob sie klatschen oder nicht, Herr Kollege, aber mir geht es um die Überzeugung. Ich rede hier nicht wegen des Klatschens, sondern bei mir geht es um die Überzeugung, dass wir ein gutes Bundesheer brauchen. (Beifall bei den Grünen, bei Abgeordneten der ÖVP sowie des Abg. Lindner.)
Da geht es nicht um irgendwelche Lobbyinteressen, sondern es geht darum, dass wir unabhängig vom russischen Gas werden. Diese Abhängigkeit, unter deren Auswirkungen wir jetzt alle leiden müssen, haben auch Sie uns eingebrockt. Wir müssen und wollen endlich davon wegkommen. Das hat nichts mit Lobbyinteressen zu tun, sondern das sind Realitäten. Das ist nicht nachhaltig, das hat keinen Sinn, deswegen: Weg vom russischen Gas! – Punkt. (Beifall bei den Grünen.) Das braucht es auch in einer Sicherheitsstrategie nicht.
Bei diesem Punkt, über den wir jetzt reden, geht es um nicht militärische Bedrohungen. Da geht es nicht um Ufos oder sonst etwas, sondern da geht es um Flugzeuge, die Österreich überfliegen. Ich habe mir das rausgesucht – das sind gar nicht so wenige Fälle, Frau Ministerin, wir haben dazu einmal eine Anfrage gestellt –: Es sind circa 50 Luftraumverletzungen pro Jahr, bei denen das österreichische Bundesheer aktiv werden muss. Alarmstarts wegen Comloss, also in Fällen, in denen es überhaupt keine Kommunikation gibt – Frau Ministerin, Sie werden sicher aktuellere Zahlen haben –, hat es 2021 um die zwölf gegeben. Abweisungen, also Fälle, in denen Flugzeuge abgewiesen werden, kommen nicht so oft vor. Das war 2021 einmal der Fall, das dürfte eine brasilianische Maschine gewesen sein. Da sind seitens des Bundesheeres wirklich aktive Handlungen notwendig, und daher ist es auch sinnvoll, dass wir mit Deutschland und den anderen Nachbarländern aktive Abkommen haben.
Wir wünschen uns noch viel mehr Abkommen, damit quasi ein viel größerer Raum abgedeckt wird, noch viel mehr europäischen Zusammenhalt in der Europäischen Union. Das ist notwendig – und nicht irgendwelche Fantasien, wonach wir uns einkapseln sollen und nur für uns selber handeln müssen. Frau Ministerin, unsere Unterstützung haben Sie dabei. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
18.29
Präsidentin Doris Bures: Nun ist Herr Abgeordneter Mario Lindner zu Wort gemeldet. – Bitte.
Abgeordneter Mario Lindner (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! David, schau, der Robert hat jetzt wenigstens die Vorlage gemacht, dass du gewusst hast, was du jetzt heraußen reden kannst. Also das war jetzt ein netter Zug von ihm. (Abg. Haubner: Das hat jetzt keiner verstanden! Abg. Stögmüller: Ich habe es auch nicht verstanden, das war zu steirisch!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, mich freut es wirklich, dass es zumindest ein Punkt aus dem Landesverteidigungsausschuss von letzter Woche jetzt ins Plenum geschafft hat. Angesichts der aktuellen Lage der Welt gäbe es ja gerade in der Verteidigungspolitik wirklich viel zu diskutieren, aber zumindest gibt uns dieses Abkommen die Chance, überhaupt darüber zu sprechen.
Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, ich möchte jetzt die Chance nutzen, um ein Thema aufzugreifen, das auch im letzten Landesverteidigungsausschuss auf der Tagesordnung gestanden ist: der Bericht der Parlamentarischen Bundesheerkommission. Lassen Sie mich damit beginnen, dass ich allen Mitgliedern der Kommission meinen Respekt und meinen Dank für ihre wichtige Aufgabe ausspreche – vielen herzlichen Dank dafür! (Beifall bei der SPÖ.)
Vor allem möchte ich aber auch all jenen Soldatinnen und Soldaten und den Mitarbeiter:innen des Heeres, die sich an die Kommission gewandt und
Missstände aufgezeigt haben, meinen Respekt aussprechen. Das ist ganz persönlich nicht immer ein einfacher Schritt, aber er ist notwendig, damit wir unser Bundesheer verbessern und gegen Fehlverhalten vorgehen können. Daher gilt auch ihnen meine Anerkennung. (Beifall bei der SPÖ.)
Zu verbessern, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, gibt es in diesem Bereich genug. Der Bericht der Bundesheerkommission hat uns nämlich wieder einmal eines vor Augen geführt: Unser Heer ist ein Abbild unserer Gesellschaft – und ja, das ist auch gut so, das bedeutet aber auch, dass wir Probleme wie Sexismus, Rassismus, Homophobie und ganz einfach gesagt unangebrachtes Verhalten auch bei unseren Soldaten finden. Unsere Aufgabe als Parlament ist es, genau da den Finger in die Wunde zu legen und klarzumachen, dass abwertendes, diskriminierendes und respektloses Verhalten gerade im Bundesheer absolut keinen Platz haben darf. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)
Wenn zum Beispiel ein Unteroffizier einen Rekruten als – und ich zitiere hier aus dem Bericht – Hurenkind“ beschimpft, dann geht das nicht. Wenn Heeresangehörige auf Tiktok mit dem Wolfsgruß posieren, dann muss das geahndet werden. Wenn ein Ausbildner einen Rekruten wegen eines Knutschflecks Pädophilie und Kinderverführung unterstellt, dann hat das im Heer unserer demokratischen Republik absolut keinen Platz, geschätzte Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)
Wir wissen aber auch, dass viele, viel zu viele Vorfälle gar nie gemeldet werden, dass vor allem Rekruten oft lieber ruhig bleiben und durchbeißen, als sich aktiv an die Bundesheerbeschwerdekommission zu wenden. Gerade deshalb möchte ich mich abschließend besonders bei allen Heeresmitgliedern, bei allen Soldat:innen und allen Offizieren bedanken, die in ihrem Umfeld aktiv daran arbeiten, unser Bundesheer zu dem sicheren Umfeld zu machen, das es sein muss. – Schönen Abend! (Beifall bei SPÖ und Grünen. – Abg. Kassegger: Was war das jetzt für ein Tagesordnungspunkt?)
18.33
Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich Frau Bundesministerin Tanner zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Ministerin.
Bundesministerin für Landesverteidigung Mag. Klaudia Tanner: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Sehr geehrte Zuschauerinnen und Zuschauer hier im Saal und zu Hause an den Geräten und Bildschirmen! Es war heute um 9.51 Uhr, als bei mir am Handy aufleuchtete: Code A. (Abg. Hörl: Die Russen kommen!) Das ist ganz genau der Moment, in dem ein Flugzeug keinen Kontakt mit den zivilen Einrichtungen herstellen kann, in dem es notwendig wird, dass unsere Eurofighter aufsteigen – die Damen und Herren Abgeordneten haben das ja schon dargestellt –, um unseren Luftraum zu schützen.
Dieses Abkommen, für das ich Sie heute alle um Ihre Unterstützung bitte, wird uns einen Startvorteil geben, mehr Zeit geben (Abg. Matznetter: Einen Startvorteil, dass er billiger wird, der ...?), um weiterhin für die Sicherheit der Österreicherinnen und Österreicher im Luftraum zu sorgen.
Weil einige von Ihnen, sehr geehrte Damen und Herren, generell auch unser österreichisches Bundesheer und unsere Soldatinnen und Soldaten, Zivilbediensteten angesprochen haben, und insbesondere auch die großartige Arbeit unserer Parlamentarischen Bundesheerkommission: An dieser Stelle ein Dankeschön an Sie alle. Wir haben unser österreichisches Bundesheer tatsächlich hinsichtlich des Vertrauens der Österreicherinnen und Österreicher gestärkt. Wir haben dafür gesorgt, dass die budgetäre Ausstattung vorgenommen wird und dass wir einen genauen Aufbauplan haben, den wir Punkt für Punkt, einen nach dem anderen, abarbeiten, um zu einer modernen Armee zu werden. (Beifall bei der ÖVP.)
Auch was die Personalsituation anbelangt, sehr geehrte Damen und Herren, gebührt Ihnen ein Dankeschön. Die Basis unseres österreichischen
Bundesheeres sind die Grundwehrdiener. Erstmalig nach über zehn Jahren haben wir gemeinsam den Sold für die Grundwehrdiener erhöhen können. Wir merken einen Aufwärtstrend bei Unteroffizieren, die mit der Ausbildung beginnen, wir merken einen Aufwärtstrend bei den Offizieren. An dieser Stelle ein ganz großes Dankeschön.
Ich bitte Sie auch weiterhin um Ihre Unterstützung – nicht nur für dieses Abkommen, sondern für unsere Mission Vorwärts für das österreichische Bundesheer, für unser aller Sicherheit. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)
Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist nun niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.
Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.
Damit gelangen wir nun zur Abstimmung über den Antrag des Landesverteidigungsausschusses, den Abschluss des gegenständlichen Staatsvertrages in 2286 der Beilagen gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 Bundes-Verfassungsgesetz zu genehmigen.
Wer sich dafür ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist einstimmig so angenommen.
Die Tagesordnung ist erschöpft.
Präsidentin Doris Bures: Ich gebe bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 3975/A bis 3989/A(E) eingebracht worden sind.
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Die nächste Sitzung des Nationalrates, die geschäftsordnungsmäßige Mitteilungen und Zuweisungen betreffen wird, berufe ich für 18.36 Uhr – das ist gleich im Anschluss an diese Sitzung – ein.
Diese Sitzung ist geschlossen.
Schluss der Sitzung: 18.36 Uhr
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Impressum: Parlamentsdirektion 1017 Wien
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