Titel: Logo  - Beschreibung: Logo Parlament Österreich

 

 

 

 

Plenarsitzung

des Nationalrates

Stenographisches Protokoll

 

207. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

Donnerstag, 30. März 2023

XXVII. Gesetzgebungsperiode

 

 

 

Nationalratssaal


Stenographisches Protokoll

207. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXVII. Gesetzgebungsperiode                       Donnerstag, 30. März 2023

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 30. März 2023: 10.30 – 19.39 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Rahmenabkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Regierung Malaysias andererseits

2. Punkt: Rahmenabkommen über umfassende Partnerschaft und Zusam­men­arbeit zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und dem Königreich Thailand andererseits

3. Punkt: Einspruch der Republik Österreich gegen den Beitritt der Islamischen Republik Pakistan zum


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 2

Übereinkommen zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Beglaubigung

4. Punkt: Einspruch der Republik Österreich gegen den Beitritt der Republik Senegal zum Übereinkommen zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Beglaubigung

5. Punkt: Erklärung der Republik Österreich über die Rücknahme des öster­reichi­schen Einspruchs gegen den Beitritt der Republik der Philippinen zum Übereinkommen zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Beglaubigung

6. Punkt: Bericht über den Antrag 3083/A(E) der Abgeordneten Katharina Kucharowits, MMMag. Dr. Axel Kassegger, Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verurteilung und Stopp der Türkischen Angriffe in Nordostsyrien und dem Nordirak

7. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch geändert wird (Fundrechts-Novelle 2023 – FundR-Nov 2023)

8. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Hypothekar- und Immobilienkreditgesetz und die Rechtsanwaltsordnung geändert werden

9. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch geändert wird

10. Punkt: Bericht über den Antrag 3223/A der Abgeordneten Tanja Graf, Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Bundesgesetz über einen Energiekostenzuschuss für Unternehmen (Unternehmens-Energiekostenzuschussgesetz – UEZG) geändert wird

11. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Wirtschaftstreuhandberufsgesetz 2017 geändert wird

12. Punkt: Bericht über den Antrag 3158/A der Abgeordneten Tanja Graf, Barbara Neßler, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ausländerbeschäftigungsgesetz geändert wird

13. Punkt: Bericht über den Antrag 3241/A der Abgeordneten August Wöginger, Mag. Markus Koza, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialver­sicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Allgemeine Pensionsgesetz, das Pensionsgesetz 1965, das Bundestheaterpensionsgesetz und das Bundesbahn-Pensionsgesetz geändert werden


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 3

14. Punkt: Bericht über den Antrag 3226/A(E) der Abgeordneten Mag. Christian Drobits, Kolleginnen und Kollegen betreffend Tätigkeitsbericht – Erstanlaufstelle für Betroffene von Zahlungsschwierigkeiten

15. Punkt: Bericht über den Antrag 3238/A(E) der Abgeordneten Eva-Maria Himmelbauer, BSc, Mag. Ulrike Fischer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Auswirkungen von Technologien wie der Chatbot ChatGPT auf das Konsumverhalten von Konsumentinnen und Konsumenten“

16. Punkt: Bericht über den Antrag 1543/A(E) der Abgeordneten Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Online-Formular für NS-Meldestelle

17. Punkt: Bericht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft über die Aktivitäten der AMA-Marketing GesmbH (Geschäftsjahr 2021) aufgrund der Entschließung des Nationalrates vom 8. Juli 2014, 29/E XXV. GP

18. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Prävention und Bekämpfung von Cyberkriminalität – Reihe BUND 2021/23

19. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Koordination der Cyber-Sicherheit – Reihe BUND 2022/13

20. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Asylbetreuungseinrichtungen des Bundes – Reihe BUND 2022/2

21. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Grundversorgung in Wien – Reihe BUND 2021/8

22. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Erweiterung der Parkraum­bewirtschaftung Wien; Follow-up-Überprüfung – Reihe BUND 2020/41

23. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Verkehrsstrafen; Follow-up-Überprüfung – Reihe BUND 2022/43


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 4

*****

Inhalt

Personalien

Verhinderungen ......................................................................................................     28

Ordnungsruf ............................................................................................................  197

Geschäftsbehandlung

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 5 GOG .............................................................................................................     80

Wortmeldung des Abgeordneten Andreas Ottenschläger betreffend Erteilung eines Ordnungsrufes .............................................................................  191

Fragestunde (20.)

Europäische und internationale Angelegenheiten ............................................     29

Dr. Reinhold Lopatka (251/M); Dr. Dagmar Belakowitsch, Mag. Agnes Sirkka Prammer

Katharina Kucharowits (259/M); Nico Marchetti, Mag. Nina Tomaselli

Petra Steger (249/M); Dr. Helmut Brandstätter, Julia Elisabeth Herr, Mag. Dr. Maria Theresia Niss, MBA

Dr. Ewa Ernst-Dziedzic (257/M); Mag. Wolfgang Gerstl

Dr. Helmut Brandstätter (255/M)

Mag. Martin Engelberg (252/M); Dr. Christoph Matznetter

Dr. Harald Troch (260/M); Henrike Brandstötter


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 5

MMMag. Dr. Axel Kassegger (250/M); Robert Laimer

Michel Reimon, MBA (258/M); Mag. Bettina Rausch

Henrike Brandstötter (256/M)

Andreas Minnich (253/M)

Petra Bayr, MA MLS (261/M)

Hermann Gahr (254/M); Peter Wurm

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ............................................................................................     28

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regie­rungs­vorlage (1904 d.B.): Rahmenabkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und ihren Mitglied­staaten einerseits und der Regierung Malaysias andererseits (1983 d.B.) .....     80

2. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungs­vorlage (1905 d.B.): Rahmenabkommen über umfassende Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und dem Königreich Thailand andererseits (1984 d.B.) ...............................................................................................................     80

Redner:innen:

MMMag. Dr. Axel Kassegger ..................................................................................     81

Alexander Melchior ..................................................................................................     83

Mag. Jörg Leichtfried ...............................................................................................     86

Dr. Ewa Ernst-Dziedzic ............................................................................................     87

Dr. Helmut Brandstätter .........................................................................................     88


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 6

Dipl.-Ing. Georg Strasser .........................................................................................     91

Petra Bayr, MA MLS ................................................................................................     92

Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich ...............................................................................     94

Genehmigung der beiden Staatsverträge in 1983 und 1984 d.B. ...................     96

Gemeinsame Beratung über

3. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungs­vorlage (1800 d.B.): Einspruch der Republik Österreich gegen den Beitritt der Islamischen Republik Pakistan zum Übereinkommen zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Beglaubigung (1985 d.B.) .......     97

4. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungs­vorlage (1902 d.B.): Einspruch der Republik Österreich gegen den Beitritt der Republik Senegal zum Übereinkommen zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Beglaubigung (1986 d.B.) ................................     97

5. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungs­vorlage (1951 d.B.): Erklärung der Republik Österreich über die Rücknahme des österreichischen Einspruchs gegen den Beitritt der Republik der Philippinen zum Übereinkommen zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Beglaubigung (1987 d.B.) ......................................................     97

Redner:

MMMag. Dr. Axel Kassegger ..................................................................................     98

Genehmigung der drei Staatsverträge in 1985, 1986 und 1987 d.B. .............  100

6. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den Antrag 3083/A(E) der Abgeordneten Katharina Kucharowits, MMMag. Dr. Axel Kassegger, Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verurteilung und Stopp der Türkischen Angriffe in Nordostsyrien und dem Nordirak (1988 d.B.) ....................................................  100


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 7

Redner:innen:

Katharina Kucharowits ...........................................................................................  101

Dr. Reinhold Lopatka ...............................................................................................  103

MMMag. Dr. Axel Kassegger ..................................................................................  105

Dr. Ewa Ernst-Dziedzic ............................................................................................  106

Dr. Helmut Brandstätter .........................................................................................  108

Dr. Harald Troch ......................................................................................................  110

Dr. Susanne Fürst .....................................................................................................  111

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 1988 d.B. hinsichtlich des Antrages 3083/A(E) ...............................................................................................  114

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 1988 d.B. beigedruckten Entschließung betreffend „Schutz der Zivilbevölkerung und Einhaltung der Menschenrechte in Nordsyrien und im Nordirak“ (312/E) ...............................  114

7. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (1920 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch geändert wird (Fundrechts-Novelle 2023 – FundR-Nov 2023) (1979 d.B.) ...  115

Redner:innen:

Mag. Ruth Becher ....................................................................................................  115

Bettina Zopf .............................................................................................................  116

Dr. Johannes Margreiter .........................................................................................  118

Bundesministerin Dr. Alma Zadić, LL.M. ................................................................  119

Annahme des Gesetzentwurfes in 1979 d.B. .....................................................  120

8. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (1946 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Hypothekar- und Immobilienkreditgesetz und die Rechtsanwaltsordnung geändert werden (1980 d.B.) ...............................................................................................................  120

Redner:innen:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 8

Mag. Ulrike Fischer ..................................................................................................  121

Mag. Christian Drobits ............................................................................................  122

Mag. Christian Ragger .............................................................................................  125

Mag. Michaela Steinacker .......................................................................................  127

Dr. Nikolaus Scherak, MA .......................................................................................  129

Bundesministerin Dr. Alma Zadić, LL.M. ................................................................  131

Bedrana Ribo, MA ....................................................................................................  133

Petra Bayr, MA MLS ................................................................................................  134

Mag. Klaus Fürlinger ................................................................................................  136

Mag. Agnes Sirkka Prammer ...................................................................................  138

MMMag. Gertraud Salzmann .................................................................................  139

Annahme des Gesetzentwurfes in 1980 d.B. .....................................................  141

9. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (1948 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch geändert wird (1981 d.B.) ...............................................................................................................  141

Redner:innen:

Mag. Agnes Sirkka Prammer ...................................................................................  141

Dr. Harald Troch ......................................................................................................  142

Mag. Christian Ragger .............................................................................................  144

Mag. Johanna Jachs ................................................................................................  145

Dr. Johannes Margreiter .........................................................................................  147

Karl Schmidhofer .....................................................................................................  149

Annahme des Gesetzentwurfes in 1981 d.B. .....................................................  150

Gemeinsame Beratung über

10. Punkt: Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über den Antrag 3223/A der Abgeordneten Tanja Graf, Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über einen Energiekostenzuschuss für


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 9

Unternehmen (Unternehmens-Energiekostenzuschussgesetz – UEZG) geändert wird (1962 d.B.) ......................................................................................  150

11. Punkt: Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über die Regierungsvorlage (1947 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Wirtschaftstreuhandberufsgesetz 2017 geändert wird (1961 d.B.) ................  151

Redner:innen:

Cornelia Ecker ..........................................................................................................  151

Dr. Elisabeth Götze ..................................................................................................  153

Erwin Angerer ..........................................................................................................  155

Eva-Maria Himmelbauer, BSc .................................................................................  162

Mag. Gerald Loacker ................................................................................................  164

Tanja Graf .................................................................................................................  167

Laurenz Pöttinger ....................................................................................................  169

Mag. Karin Greiner ..................................................................................................  170

Entschließungsantrag der Abgeordneten Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Infrastrukturoffensive für Österreich“ – Ablehnung158, 173

Annahme der beiden Gesetzentwürfe in 1962 und 1961 d.B. ........................  173

12. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 3158/A der Abgeordneten Tanja Graf, Barbara Neßler, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ausländer­beschäftigungsgesetz geändert wird (1994 d.B.) ...............................................  174

Redner:innen:

Alois Stöger, diplômé ...............................................................................................  174

Tanja Graf .................................................................................................................  176

Dr. Dagmar Belakowitsch .......................................................................................  178

Barbara Neßler ........................................................................................................  180

Peter Wurm ..............................................................................................................  183

Mag. Gerald Loacker ................................................................................................  186


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 10

Staatssekretärin Mag. Susanne Kraus-Winkler .....................................................  188

Rebecca Kirchbaumer .............................................................................................  191

Annahme des Gesetzentwurfes in 1994 d.B. .....................................................  194

13. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 3241/A der Abgeordneten August Wöginger, Mag. Markus Koza, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversiche­rungs­gesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Allgemeine Pensionsgesetz, das Pensionsgesetz 1965, das Bundestheaterpen­sions­gesetz und das Bundesbahn-Pensionsgesetz geändert werden (1995 d.B.) .......  194

Redner:innen:

Mag. Gerald Loacker ................................................................................................  195

Mag. Michael Hammer ............................................................................................  197

Josef Muchitsch .......................................................................................................  199

Peter Wurm ..............................................................................................................  210

Mag. Markus Koza ...................................................................................................  216

Bundesminister Johannes Rauch ............................................................................  222

Mag. Verena Nussbaum ..........................................................................................  223

Werner Herbert ........................................................................................................  226

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend „Wertsicherung der Pensionen in Österreich jetzt! Keine Enteignung und Wertverlust durch Inflation und Aliquotierung!“ – Ablehnung ...............................................................  213, 303

Annahme des Gesetzentwurfes in 1995 d.B. .....................................................  299

14. Punkt: Bericht des Ausschusses für Konsumentenschutz über den Antrag 3226/A(E) der Abgeordneten Mag. Christian Drobits, Kolleginnen und Kollegen betreffend Tätigkeitsbericht – Erstanlaufstelle für Betroffene von Zahlungsschwierigkeiten (1976 d.B.) ......................................  227


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 11

Redner:innen:

Mag. Christian Drobits ............................................................................................  228

Mag. Ulrike Fischer ..................................................................................................  230

Peter Wurm .............................................................................................  231, 237

Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler ..........................................................................  232

MMag. Katharina Werner, Bakk. ............................................................................  234

Bundesminister Johannes Rauch ............................................................................  236

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 1976 d.B. hinsichtlich des Antrages 3226/A(E) ...............................................................................................  238

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 1976 d.B. beigedruckten Entschließung betreffend „Tätigkeitsbericht – Erstanlaufstelle bei Zah­lungsverzug für Verbraucher:Innen in Zahlungsschwierigkeiten“ (313/E) .....  239

15. Punkt: Bericht des Ausschusses für Konsumentenschutz über den Antrag 3238/A(E) der Abgeordneten Eva-Maria Himmelbauer, BSc, Mag. Ulrike Fischer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Auswirkungen von Technologien wie der Chatbot ChatGPT auf das Konsumverhalten von Konsumentinnen und Konsumenten“ (1977 d.B.) ......................................  239

Redner:innen:

Süleyman Zorba .......................................................................................................  239

Elisabeth Feichtinger, BEd BEd ...............................................................................  242

Mag. Peter Weidinger ..............................................................................................  243

MMag. Katharina Werner, Bakk. ............................................................................  246

Mag. Ulrike Fischer ..................................................................................................  247

Klaus Köchl ...............................................................................................................  250

Mag. Corinna Scharzenberger ................................................................................  252

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 1977 d.B. beigedruckten Entschließung betreffend „Auswirkungen von Technologien wie der


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 12

Chatbot ChatGPT auf das Konsumverhalten von Konsumentinnen und Konsumenten“ (314/E) ..........................................................................................  254

16. Punkt: Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Antrag 1543/A(E) der Abgeordneten Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Online-Formular für NS-Meldestelle (1975 d.B.) ...........  254

Redner:innen:

Sabine Schatz ...........................................................................................................  255

Mag. Friedrich Ofenauer .........................................................................................  257

Christian Ries ...........................................................................................................  258

Mag. Georg Bürstmayr ............................................................................................  260

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 1975 d.B. hinsichtlich des Antrages 1543/A(E) ...............................................................................................  261

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 1975 d.B. beigedruckten Entschließung betreffend „Einrichtung eines Online-Formulars für die Meldestelle NS-Wiederbetätigung des BMI“ (315/E) .......................................  262

17. Punkt: Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Bericht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft über die Aktivitäten der AMA-Marketing GesmbH (Geschäftsjahr 2021) aufgrund der Entschließung des Nationalrates vom 8. Juli 2014, 29/E XXV. GP (III-814/1973 d.B.) .................................................  262

Redner:innen:

Cornelia Ecker ..........................................................................................................  262

Ing. Josef Hechenberger ..........................................................................................  265

Peter Schmiedlechner ..............................................................................................  267

Clemens Stammler ...................................................................................................  275

Elisabeth Feichtinger, BEd BEd ...............................................................................  277

Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer ..................................................................................  278

Bundesminister Mag. Norbert Totschnig, MSc ......................................................  281


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 13

Mag. Gerald Hauser .................................................................................................  284

Dipl.-Ing. Georg Strasser .........................................................................................  288

Dietmar Keck ...........................................................................................................  292

Ing. Klaus Lindinger, BSc .........................................................................................  294

Klaus Köchl ...............................................................................................................  297

Nikolaus Prinz ..........................................................................................................  298

Entschließungsantrag der Abgeordneten Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Abschaffung der AMA-Marketing-Grundsteuer“ – Ablehnung ..................................................................  271, 299

Kenntnisnahme des Berichtes III-814 d.B. ..........................................................  299

Gemeinsame Beratung über

18. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Prävention und Bekämpfung von Cyberkriminalität – Reihe BUND 2021/23 (III-335/1967 d.B.) .......................  304

19. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Koordination der Cyber-Sicherheit – Reihe BUND 2022/13 (III-623/1968 d.B.) ....................................................................  304

Redner:innen:

Lukas Brandweiner ..................................................................................................  304

Mag. Karin Greiner ..................................................................................................  307

Wolfgang Zanger .....................................................................................................  309

David Stögmüller .....................................................................................................  310

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff ............................................................................  313

Andreas Kühberger ..................................................................................................  315

Rechnungshofpräsidentin Dr. Margit Kraker ........................................................  317

Ing. Reinhold Einwallner ..........................................................................................  320

Mag. Agnes Sirkka Prammer ...................................................................................  322


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 14

Kenntnisnahme der beiden Berichte III-335 und III-623 d.B. ..........................  323

Gemeinsame Beratung über

20. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Asylbetreuungseinrichtungen des Bundes – Reihe BUND 2022/2 (III-538/1969 d.B.) ............................................................  324

21. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Grundversorgung in Wien – Reihe BUND 2021/8 (III-246/1970 d.B.) .......................................................................  324

22. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Erweiterung der Parkraumbewirtschaftung Wien; Follow-up-Überprüfung – Reihe BUND 2020/41 (III-196/1971 d.B.)   324

23. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Verkehrsstrafen; Follow-up-Überprüfung – Reihe BUND 2022/43 (III-823/1972 d.B.) .........................................................  324

Redner:innen:

Hermann Gahr .........................................................................................................  325

Michael Seemayer ....................................................................................................  327

Mag. Hannes Amesbauer, BA .................................................................................  328

Mag. Georg Bürstmayr ............................................................................................  331

Dr. Stephanie Krisper ..............................................................................................  332

Johann Singer ...........................................................................................................  335

Rechnungshofpräsidentin Dr. Margit Kraker .........................................................  337

Mag. Ruth Becher ....................................................................................................  339

Hermann Weratschnig, MBA MSc ..........................................................................  340

Kenntnisnahme der vier Berichte III-538, III-246, III-196 und III-823 d.B. ....  342


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 15

Eingebracht wurden

Anträge der Abgeordneten

Mag. (FH) Kurt Egger, Mag. Eva Blimlinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Förderung des quali­tätsvollen Journalismus in Medien des Print- und Online-Bereichs erlassen wird und das Presseförderungsgesetz 2004 sowie das KommAustria-Gesetz geändert werden (3292/A)

Mag. (FH) Kurt Egger, Mag. Eva Blimlinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz über die Wiener Zeitung GmbH und Einrichtung einer elek­tronischen Verlautbarungs- und Informationsplattform des Bundes – WZEVI-Gesetz (3293/A)

Mag. (FH) Kurt Egger, Mag. Eva Blimlinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesverfassungsgesetz über die Transparenz von Medienkooperationen sowie von Werbeaufträgen und Förderungen an Medieninhaber eines periodischen Mediums, das Medienkooperations- und ‑förderungs-Transparenzgesetz sowie das KommAustria-Gesetz geändert werden (3294/A)

Franz Hörl, Barbara Neßler, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Schaffung zusätzlicher niederschwelliger Informationsangebote zur gezielten Unter­stützung kleinstrukturierter Tourismusbetriebe bei der Betriebsnachfolge („Informationsoffensive zu Betriebsnachfolgen“) (3295/A)(E)

Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Aufhebung der Sperre der „Todesstiege“ in der Gedenkstätte Mauthausen (3296/A)(E)

Katharina Kucharowits, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bildung für Kinder in Rojava gewährleisten (3297/A)(E)

Katharina Kucharowits, Kolleginnen und Kollegen betreffend Frauengesundheit in Rojava gewährleisten (3298/A)(E)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 16

Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erhalt der Wiener Zeitung als Tageszeitung durch Zweckwidmung der Haushaltsabgabe (3299/A)(E)

Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen betreffend gemeinsames Verbindungsbüro der Karibik-Staaten in Wien (3300/A)(E)

Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen betreffend Komplementär­medizin als wichtiger Teilbereich der heimischen Gesundheitsversorgung (3301/A)(E)

Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Corona-Wiedergutmachungsfonds des Bundes (3302/A)(E)

Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Corona-Wiedergutmachungsfonds des Bundes (3303/A)(E)

Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Corona-Wiedergutmachungsfonds des Bundes (3304/A)(E)

Mag. Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kilometergeld für Fahrten zu Therapieeinrichtungen von Kindern und Menschen mit Behinderungen (3305/A)(E)

Mag. Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kilometergeld für Fahrten zu Therapieeinrichtungen von Kindern und Menschen mit Behin­derungen (3306/A)(E)

Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einführung eines Scheckmodells für die Beschäftigung von Aushilfskräften in der Gastronomie zur Abdeckung von Spitzenzeiten (3307/A)(E)

Melanie Erasim, MSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kontrollkonzept für Lehrbetriebe (3308/A)(E)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 17

Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz zur Aufwertung der Neutralität zum Prinzip der Bundesverfassung (Neutralitäts­prinzip), mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930 idF BGBl. I Nr. 194/1999, zuletzt geändert mit BGBl. I Nr. 222/2022, geändert wird (3309/A)

Anfragen der Abgeordneten

David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Ermittlungstätigkeiten der AG Fama (14625/J)

David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Ermittlungstätigkeiten der AG Fama (14626/J)

Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Bombendrohung am Flughafen Salzburg (14627/J)

Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Bombendrohung am Flughafen Salzburg (14628/J)

Julia Elisabeth Herr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend Wohin exportiert Österreich Waffen? (14629/J)

Julia Elisabeth Herr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft betreffend Wohin exportiert Österreich Waffen? (14630/J)

Julia Elisabeth Herr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Wohin exportiert Österreich Waffen? (14631/J)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend Diskriminierende Botschafterbestellung (14632/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 18

Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend Rückführung von österreichischen Staatsbürger:innen aus Gefangenenlagern in Syrien (14633/J)

Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend Was wurde aus dem Verbot von autonomen Waffensystemen ohne menschliche Kontrolle? (14634/J)

Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend Einsatz für eine Verbesserung der politischen Lage in Nicaragua (14635/J)

Katharina Kucharowits, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien betreffend „Auswirkungen von Beautyfiltern im Netz auf das Selbstbild von Mädchen und Frauen“ (14636/J)

Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Pflegeperso­nalnotstand in Österreich (14637/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Bedrohungspotential durch islamistischen Extremismus und Terrorismus in der Steiermark (14638/J)

Ing. Mag. Volker Reifenberger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landesverteidigung betreffend Geplante Verkäufe von Liegenschaften im Verantwortungsbereich des BMLV im Jahr 2023 (14639/J)

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Flughafen Wien, der sichere Hafen für Wirtschaftskriminalität – Ein Versagen der Aufsicht? (14640/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 19

Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Impfung nur noch für bestimmte Personen mit Risikofaktoren empfohlen (14641/J)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend SVS-Versichertenstruktur 2022 (14642/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Kriminalität in Wien-Margareten 2022 (14643/J)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend VKI: OGH erklärt automatische Vertragsverlängerung einer Skiversicherung für gesetzwidrig (14644/J)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Kriminalität in Tirol 2022 (14645/J)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Infrastrukturprojekt Brennerbasistunnel (14646/J)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend Infrastrukturprojekt Brennerbasistunnel (14647/J)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Weiter Gezerre um Tarife für E-Tankstellen (14648/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 20

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft betreffend Derzeitige Situation auf den Energiemärkten (14649/J)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft betreffend Weiter Gezerre um Tarife für E-Tankstellen (14650/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Streit in der Ärztekammer eskaliert (14651/J)

Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport betreffend Quartalsbericht der Reisekosten Q1 2023 im Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport (14652/J)

Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend Quartalsbericht der Reisekosten Q1 2023 im Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten (14653/J)

Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Quartalsbericht der Reisekosten Q1 2023 im Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung (14654/J)

Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Quartalsbericht der Reisekosten Q1 2023 im Bundeskanzleramt (14655/J)

Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft betreffend Quartalsbericht der Reisekosten Q1 2023 im Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft (14656/J)

Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Quartalsbericht der Reisekosten Q1 2023 im Bundesminis­terium für Finanzen (14657/J)

Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Quartalsbericht der Reisekosten Q1 2023 im Bundesministerium für Justiz (14658/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 21

Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Quartalsbericht der Reisekosten Q1 2023 im Bundesministerium für Klima­schutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (14659/J)

Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landesverteidigung betreffend Quartalsbericht der Reisekosten Q1 2023 im Bundesministerium für Landesverteidigung (14660/J)

Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Quartalsbericht der Reisekosten Q1 2023 im Bundesministerium für Inneres (14661/J)

Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft betreffend Quartalsbericht der Reisekosten Q1 2023 im Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft (14662/J)

Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Quartalsbericht der Reisekosten Q1 2023 im Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (14663/J)

Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Externe Verträge im Bundesministerium für Inneres Q1 2023 (14664/J)

Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Externe Verträge im Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung Q1 2023 (14665/J)

Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 22

Externe Verträge im Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Q1 2023 (14666/J)

Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Externe Verträge im Bundesministerium für Finanzen Q1 2023 (14667/J)

Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft betreffend Externe Verträge im Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft Q1 2023 (14668/J)

Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend Externe Verträge im Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten Q1 2023 (14669/J)

Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landesverteidigung betreffend Externe Verträge im Bundesministerium für Landesverteidigung Q1 2023 (14670/J)

Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Externe Verträge im Bundeskanzleramt Q1 2023 (14671/J)

Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft betreffend Externe Verträge im Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft Q1 2023 (14672/J)

Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Externe Verträge im Bundesministerium für Justiz Q1 2023 (14673/J)

Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Externe Verträge im


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 23

Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Q1 2023 (14674/J)

Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport betreffend Externe Verträge im Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport Q1 2023 (14675/J)

Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft betreffend Personalkosten und Entbürokratisierung Ihres Kabinetts Q1 2023 (14676/J)

Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landesverteidigung betreffend Personalkosten und Entbürokratisierung Ihres Kabinetts Q1 2023 (14677/J)

Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Personalkosten und Entbürokratisierung Ihres Kabinetts Q1 2023 (14678/J)

Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft betreffend Personalkosten und Entbürokratisierung Ihres Kabinetts Q1 2023 (14679/J)

Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Personalkosten und Entbürokratisierung Ihres Kabinetts Q1 2023 (14680/J)

Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Personalkosten und Entbürokratisierung Ihres Kabinetts Q1 2023 (14681/J)

Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Personalkosten und Entbürokratisierung Ihres Kabinetts Q1 2023 (14682/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 24

Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Personalkosten und Entbürokratisierung Ihres Kabinetts Q1 2023 (14683/J)

Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Personalkosten und Entbürokratisierung Ihres Kabinetts Q1 2023 (14684/J)

Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport betreffend Personalkosten und Entbürokratisierung Ihres Kabinetts Q1 2023 (14685/J)

Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Personalkosten und Entbüro­kratisie­rung Ihres Kabinetts Q1 2023 (14686/J)

Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend Personalkosten und Entbürokratisierung Ihres Kabinetts Q1 2023 (14687/J)

Henrike Brandstötter, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien betreffend Wo bleibt ein Fahrplan für die Wiener Zeitung? (14688/J)

Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft betreffend Orga­nisationsänderungen innerhalb der Ministerien (14689/J)

Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Organisationsänderungen innerhalb der Ministerien (14690/J)

Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport betreffend Organisationsände­rungen innerhalb der Ministerien (14691/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 25

Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landesverteidigung betreffend Organisationsänderungen innerhalb der Ministerien (14692/J)

Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien betreffend Organisationsänderungen innerhalb der Ministerien (14693/J)

Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend Organisations­änderungen innerhalb der Ministerien (14694/J)

Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für EU und Verfassung betreffend Organisationsänderungen innerhalb der Ministerien (14695/J)

Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Organisationsänderungen innerhalb der Ministerien (14696/J)

Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Organisa­tionsänderungen innerhalb der Ministerien (14697/J)

Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Organisationsänderungen innerhalb der Ministerien (14698/J)

Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Organisationsänderungen innerhalb der Ministerien (14699/J)

Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Organisationsänderungen innerhalb der Ministerien (14700/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 26

Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft betreffend Organisationsänderungen innerhalb der Ministerien (14701/J)

Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Organisationsänderungen innerhalb der Ministerien (14702/J)

Dr. Johannes Margreiter, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Vorsorgevollmachten in Österreich (14703/J)

Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Aufarbeitung der Polizei-Geschichte 1938-45 (14704/J)

Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Aussagen des Bundesamtes für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) zu fehlerhaften Verhütungsspiralen von Eurogine. (14705/J)

Robert Laimer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für EU und Verfassung betreffend „Österreichs Beteiligung an der Europäischen Friedensfazilität“ (14706/J)

Robert Laimer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landesverteidigung betreffend „Österreichs Beteiligung an der Europäischen Friedensfazilität“ (14707/J)

Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend EU-Beitritt zur Europäischen Menschenrechtskonvention (14708/J)

Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für EU und Verfassung betreffend EU-Beitritt zur Europäischen Menschenrechts­konvention (14709/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 27

Mag. Georg Bürstmayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Polizeieinsatz am 27.3.2023 bei der Demonstration gegen die EGC (14710/J)

Mario Lindner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft betreffend Österreichs Beitrag gegen das Aussterben des Wombats (14711/J)

Andreas Ottenschläger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Folgeanfrage – europäische Standards für die Schiene als Grundlage der Wettbewerbsfähigkeit unserer Bahn (14712/J)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen (13386/AB zu 13901/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Christoph Matznetter, Kolleginnen und Kollegen (13387/AB zu 13780/J)


 


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 28

10.30.13Beginn der Sitzung: 10.30 Uhr

Vorsitzende: Präsident Mag. Wolfgang Sobotka, Zweite Präsidentin Doris Bures, Dritter Präsident Ing. Norbert Hofer.

10.30.16*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Ich darf die 207. Sitzung des Nationalrates eröffnen.

Ich darf die Damen und Herren der Medien, unsere Besucher:innen auf der Galerie und die Damen und Herren, die uns zu Hause vor ihren Bildschirmen folgen, recht herzlich begrüßen.

Als verhindert gemeldet sind heute die Abgeordneten Mag. (FH) Kurt Egger (siehe auch S. 122), Hans Stefan Hintner, Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc, Rudolf Silvan, Mag. Selma Yildirim, Heike Grebien, Sigrid Maurer, BA und Dipl.-Ing. Olga Voglauer.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Für den heutigen Sitzungstag hat das Bundeskanzleramt über die Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung folgende Mitteilung gemacht:

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft Mag. Norbert Totschnig, MSc wird durch Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft Mag. Dr. Martin Kocher, Bundesminister für Finanzen Dr. Magnus Brunner, LL.M. durch Staatssekretär Florian Tursky, MBA MSc vertreten.

Ich darf weiters bekannt geben, dass Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc, der sich in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union aufhält, durch Staatssekretärin im Bundeskanzleramt Claudia Plakolm vertreten wird, und Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 29

Mag. Alexander Schallenberg, LL.M., der gerade anwesend ist und den ich recht herzlich zur Fragestunde begrüße, vertritt Bundesministerin für EU und Verfassung Mag. Karoline Edtstadler.

*****

Ich darf bekannt geben, dass der ORF die Sitzung wie üblich auf ORF 2 bis 13 Uhr und auf ORF III bis 19.15 Uhr überträgt. Im Anschluss daran wird die Sitzung via Livestream bis zum Ende übertragen. Auch private Rundfunk- und Fernseh­anstalten übertragen unsere Parlamentssitzung.

10.31.45Fragestunde


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zur Fragestunde.

Sie kennen den Brauch: Die Fragedauer beträgt 1 Minute, die erste Antwort, Herr Außenminister, darf 2 Minuten dauern, die Antwort auf die Zusatzfragen 1 Minute. Ich werde jeweils dezent darauf hinweisen, dass die Zeit eingehalten wird.

Europäische und internationale Angelegenheiten


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf Herrn Abgeordneten Lopatka bitten, mit der 1. Anfrage zu beginnen. Der Herr Außenminister antwortet vom Rednerpult. – Bitte, Herr Abgeordneter. 10.32.15


Abgeordneter Dr. Reinhold Lopatka (ÖVP): Herr Nationalratspräsident! Herr Bundesminister! Schon vor dieser Fragestunde hatten wir meines Erachtens eine sehr gute Ukrainedebatte unter vier Fraktionen. Dabei sind auch die Kriegs­verbrechen Russlands angesprochen worden, insbesondere von Kollegin Meinl-Reisinger. Als besonders brutal gilt ja da die Söldnertruppe von Prigoschin.

Jetzt geht es um die Aufklärung der Verbrechen, daher meine Frage an Sie, Herr Bundesminister:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 30

251/M

„Wie unterstützt Österreich die Aufklärung von Kriegsverbrechen in der Ukraine?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Alexander Schallenberg, LL.M.: Eine Sache ist von meiner Warte aus sehr klar, Herr Abgeordneter: Es kann niemand über dem Recht stehen, Kriegs­verbrechen müssen aufgeklärt werden. Wir haben hier in Wien die Unter­suchungs­kommission des UNO-Menschenrechtsrates ansässig, die wir tatkräftig unterstützen. Die haben bereits letztes Jahr einen Bericht vorgelegt, in dem sie klar etablieren, dass Kriegsverbrechen von russischen Truppen, von russischer Seite in der Ukraine verübt wurden. Österreich gehört auch zu jener Kerngruppe von Staaten, die den Internationalen Gerichtshof mit der Situation in der Ukraine befasst haben.

Wir gehören auch zur Kerngruppe von 33 Staaten, die die Einrichtung eines Sondertribunals für den Akt der Aggression unterstützen. Das heißt, auf allen Ebenen unterstützen wir das, auch finanziell. Wir haben dem Internationalen Strafgerichtshof Finanzmittel zur Verfügung gestellt. Ich bin in der Lage, zu sagen, dass wir in der Zwischenzeit 300 000 Euro zur Verfügung gestellt haben, und wir haben auch einen Experten an den Internationalen Strafgerichtshof sekundiert, damit der Chefankläger Khan, der mit einer unglaublichen Arbeitslast befasst ist, seiner Arbeit nachgehen kann.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage, Herr Abgeordneter? – Bitte.


Abgeordneter Dr. Reinhold Lopatka (ÖVP): Meine Zusatzfrage: Der Internationale Strafgerichtshof wird ja bei schweren Menschenrechtsverlet­zungen aktiv. Das internationale Strafrecht wirkt bei Verbrechen gegen die Menschlichkeit, bei Völkermord und Kriegsverbrechen. 2003 hat der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag seine Arbeit aufgenommen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 31

Daher meine Zusatzfrage: Wie bewerten Sie nun, dass erstmals gegen einen Präsidenten eines Mitglieds des UN-Sicherheitsrates – konkret gegen Präsident Putin – ein Haftbefehl erlassen worden ist? Wie ist das zu bewerten?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Alexander Schallenberg, LL.M.: Ich habe eigentlich schon letztes Jahr öffentlich erklärt, dass ich davon ausgehe beziehungsweise zum damaligen Zeitpunkt nicht ausschließen konnte, dass es auch tatsächlich zu einem Haft­befehl gegen den Präsidenten der Russischen Föderation kommt. Jetzt ist es so weit. Das ist für mich ein klares Signal: Niemand steht über dem Recht.

Es gibt auch Judikatur des Internationalen Strafgerichtshofes, die ganz klar etabliert, dass da auch Staatsoberhäupter keine Immunität genießen und nicht über dem Recht stehen. Das ist, glaube ich, gerade für ein Land wie Österreich ein sehr wichtiges Signal. Der Anlass dafür ist ja noch dazu ein besonders erschütternder, das waren nämlich die Kindesentführungen: Über 15 000, 16 000 Kinder aus der Ukraine wurden nach Russland entführt. Ich glaube, der Anlassfall ist dafür geeignet, und ich halte das für ein sehr richtiges Signal.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage: Frau Abgeordnete Belakowitsch. – Bitte.


Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Guten Morgen, Herr Außen­minister! Vor wenigen Tagen hat Matilda Bogner von den Vereinten Nationen darauf hingewiesen, dass auch von Ukrainern an russischen Soldaten Kriegsverbrechen verübt werden. Sie hat gesagt, man sei über die Exekution und über die Hinrichtung von russischen Kriegsgefangenen und außer Gefecht gesetzten Personen durch die ukrainischen Streitkräfte – und zwar ohne dass es davor Verurteilungen gegeben hat – zutiefst besorgt. Das heißt, Kriegsver­brechen passieren auf beiden Seiten. (Zwischenruf des Abg. Lukas Hammer.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 32

Wie werden Sie als österreichischer Außenminister die Aufklärung dieser Kriegsverbrechen durch die ukrainischen Streitkräfte an russischen Soldaten unterstützen? (Abg. Stögmüller: Die gehen ja auch freiwillig hin, oder? Sie können ja auch daheimbleiben! Schämen Sie sich! – Abg. Hafenecker: ...! Überleg dir, was du sagst! – Ruf bei der ÖVP: Und das rechtfertigt Kriegsverbrechen?)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Alexander Schallenberg, LL.M.: Ich habe gleich bei meinem Amtsantritt als Außenminister gesagt, für mich ist die Linie ganz klar das Völkerrecht. Es wird sicher nicht sein können, dass man von österreichischer Seite auf einem Auge blind ist. Der kleine Unterschied ist nur: Die Ukraine kooperiert voll und ganz mit dem Internationalen Strafgerichtshof. Sie hat auch eine Vereinbarung mit ihm gemacht. Sie hat sich schon 2014 der Judikatur des Strafgerichtshofes unterworfen, das heißt, es gibt einen massiven Unterschied zwischen Russland und der Ukraine, die von selber, von sich aus politisch allen Willen zeigt, da für Aufklärung und Transparenz zu sorgen, wie sie es zum Beispiel auch bei staatlichen Korruptionsfällen gemacht hat. Ich glaube, da sollte man nicht Äpfel mit Birnen vergleichen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Weitere Zusatzfrage: Frau Abgeordnete Sirkka Prammer. – Bitte sehr.


Abgeordnete Mag. Agnes Sirkka Prammer (Grüne): Sehr geehrter Herr Bundes­minister! Wir haben jetzt schon darüber gesprochen, dass der Internationale Strafgerichtshof aufgrund der Unterwerfung der Ukraine für die Aufklärung der Kriegsverbrechen, der Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die auch in diesem Krieg stattfinden, zuständig ist. Was allerdings aufgrund der Verträge offen­bleibt, ist, dass es keine Zuständigkeit für das Verbrechen der Aggression gibt.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 33

Meine Frage ist jetzt: Welche Maßnahmen werden Sie in Abstimmung mit der Justizministerin treffen, um diese Jurisdiktionslücke in Bezug auf die Verfolgung des Verbrechens der Aggression in der Ukraine zu schließen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Alexander Schallenberg, LL.M.: Es ist tatsächlich so, dass der Internationale Strafgerichtshof theoretisch eine Zuständigkeit hätte. Österreich war maßgeblich daran beteiligt, dass dies bei der Vertragsparteienversammlung auch beschlossen wurde. Nur trifft das auf Russland nicht zu, weil Russland nicht Vertragspartei ist. Man kann daher diesen Akt der Aggression oder diesen Tatbestand nicht tel quel der Judikatur des Internationalen Strafgerichtshofes unterwerfen. Das heißt, die Lösung ist ein Sondertribunal.

Österreich gehört zu einer Kerngruppe von 33 Staaten, die gerade aktiv daran arbeiten, deren Experten sich in verschiedenen europäischen Hauptstädten treffen, um zu beraten, wie man so ein Sondertribunal einrichten kann. Ich glaube, das ist der richtige Weg.

Wir dürfen keinen Bereich dieser unglaublich brutalen Aggression Russlands gegen die Ukraine unbeleuchtet lassen. Ich glaube, von österreichischer Seite ist eine Position klar: Völkerrecht muss sich am Schluss durchsetzen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Frau Abgeordnete Kucharowits. – Bitte sehr, Frau Abgeordnete. 10.38.27


Abgeordnete Katharina Kucharowits (SPÖ): Schönen Vormittag, Herr Bundes­minister! Die Aufrüstungsspirale dreht sich – auch aufgrund des Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine – wirklich rasant nach oben. Worte wie Waffen­lieferungen, Munitionslieferungen, Panzer und vieles mehr sind gefühlt in aller Munde. Jetzt haben wir natürlich als Österreich aufgrund unserer Geschichte, aber auch aufgrund der Neutralität eine besondere Verantwortung. Wir könnten


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 34

auch den Boden aufbereiten, um sozusagen zurück zum Verhandlungstisch zu kommen. Sie wissen: Mehr Waffen haben noch niemals für Frieden gesorgt.

Deshalb meine konkrete Frage an Sie:

259/M

„Mit welchen Initiativen setzen Sie sich für die rasche Aufnahme von Friedens­gesprächen zwischen Russland und der Ukraine ein?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Alexander Schallenberg, LL.M.: Frau Abgeordnete, ich könnte Ihnen gar nicht mehr zustimmen: Mit mehr Waffen wurde noch nie Frieden geschaffen. Es ist eine Frage des Hausverstandes. Frieden oder auch Waffenstillstände werden an einem Tisch und nicht am Schlachtfeld festgelegt.

Wir haben nur momentan die Situation vor Ort, dass vor allem von russischer Seite versucht wird, Fakten am Schlachtfeld zu schaffen, und die Ukraine sich entsprechend verteidigt. Ich sage gerade auch vor dem Hintergrund des heutigen Videoauftritts des ukrainischen Präsidenten hier im Parlament und des Auszugs einer Partei, dass die Unterstützung für die Ukraine in Wirklichkeit momentan der beste Weg ist, um zu Friedensgesprächen zu kommen, denn wir haben da einen Staat, der aufgrund neoimperialistischer Anwandlungen glaubt, einen Nachbarstaat überfallen zu müssen. Wir müssen gerade als Österreicher für die UN-Charta, für die Grundprinzipien wie das Gewaltverbot eintreten. Ja, es gibt aber natürlich weiterhin Gesprächskanäle.

Ich sage auch ganz klar, dass wir Österreicher nicht anstehen werden, im Moment, ab dem es möglich ist – ich sage aber gleich dazu, das ist momentan nicht möglich –, wieder den Weg zu bereiten, dass wieder Diplomatie Raum greift.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 35

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordnete Katharina Kucharowits (SPÖ): Ich möchte gern bei der Friedens­sicherung bleiben, nämlich bei der  Europäischen Friedensfazilität, die ja vor einigen Jahren gegründet wurde, um Frieden zu sichern, um Konflikte in Drittstaaten einzudämmen. Österreich beteiligt sich auch finanziell an diesem Topf, und deshalb meine Frage: Herr Bundesminister, finanziert Österreich als neutrales Land letale Waffen oder Ausrüstungen direkt und indirekt über diesen Topf?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Alexander Schallenberg, LL.M.: Ganz klar: nein, weder direkt noch indirekt. Es gibt jedes Mal getrennte Beschlüsse innerhalb der Europäischen Friedens­fazilität, ob es um den letalen Bereich geht oder um den nicht letalen. Das Geld hat also insofern ein klares Mascherl in diesem Zusammenhang.

Wir haben eine klare Linie, und die wird auch von der Ukraine sehr respektiert und auch anerkannt. Ja, wir unterstützen. Wir sind sogar Nummer eins am BIP gemessen, laut dem Kiel Institut für Weltwirtschaft, was Unterstützung, nämlich zivile und humanitäre Unterstützung für die Ukraine betrifft. Es wird aber keine Unterstützung von Österreich für letales Gerät oder für Waffen für die Ukraine geben, weder über die EU noch über sonst irgendeinen Weg. Das kann ich ausschließen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage: Abgeordneter Marchetti. – Bitte.


Abgeordneter Nico Marchetti (ÖVP): Ich möchte nur daran erinnern, welch Häme und Kritik auf uns niedergeprasselt sind, als wir uns dafür ausgesprochen haben, dass auch eine russische Delegation an der Wintertagung der Parla­mentarischen Versammlung der OSZE teilnehmen kann – dies teilweise von


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 36

denselben Leuten, die Friedengespräche von uns fordern. Diese Logikbrüche muss man, glaube ich, auch einmal benennen.

Um aber auch noch kurz über den Krieg und die Eskalationsstufen dort zu reden, denn Putin hat sich ja entschieden, taktische Atomwaffen in Belarus zu stationieren: Was sagen Sie zu dieser Eskalationsstufe Russlands in den letzten Tagen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Alexander Schallenberg, LL.M.: Man muss sagen, leider Gottes fügt sich das in eine Rhetorik und in Handlungen von russischer Seite ein, die wir seit letztem Februar, März sehen. Ich erinnere mich noch, vor zwei Jahren – Öster­reich ist ja die Speerspitze im Kampf für die Abschaffung von Atomwaffen, für ein internationales Verbot – wurden wir belächelt, als wir damals noch auf Social Media eine Kampagne dazu gestartet haben. Kaum hat der russische Präsident einen Halbsatz zur Alarmbereitschaft der Atomstreitkräfte in Russland gesagt, sind sozusagen alle nervös geworden.

Jetzt hat er einen neuen Akt gesetzt. Er wachelt sozusagen immer wieder mit der nuklearen Keule. Das ist absolut inakzeptabel, das ist verantwortungslos. Und dass er jetzt erklärt oder ankündigt, dass in Belarus auch Atomwaffen stationiert werden, ist ein Bruch jeglicher Konvention.

Ich glaube, das bestätigt uns weiterhin in unserer ganz klaren Linie in Österreich, die auch vom Nationalrat getragen und unterstützt wird: dass wir für Abrüstung eintreten, dass wir eigentlich am Ende des Tages eine internationale Konvention haben wollen, die nicht nur von Nicht-Atomwaffen-Staaten, wie es bisher der Fall ist – immerhin an die 70 –, ratifiziert wird, sondern auch von den atom­waffenbesitzenden Staaten ratifiziert wird, mit der Atomwaffen international verboten und geächtet werden.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 37

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage: Frau Abgeordnete Tomaselli. – Bitte sehr.


Abgeordnete Mag. Nina Tomaselli (Grüne): Wir haben heute auch von Präsident Selenskyj gehört, dass heute der 400. Tag der kriegerischen Invasion durch Russland in die Ukraine ist. Seit Kriegsbeginn dominiert auch aufgrund der Sanktionspolitik die Frage, wie angemessen es ist, mit dem kriegerischen Russland Geschäfte zu machen. Seit Monaten wird die Raiffeisen Bank Interna­tional aufgrund der Russlandgeschäfte kritisch beäugt, und erst kürzlich hat die amerikanische Sanktionsbehörde Ofac an die Raiffeisen Bank International diesbezüglich einen Fragebogen übermittelt.

Meine Frage an Sie, Herr Minister, wäre: Wurden Sie oder das Außenminis­terium dazu bereits auf diplomatischem Wege durch die USA oder deren Vertretung kontaktiert, und falls ja, was war der Inhalt der Kommunikation?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Alexander Schallenberg, LL.M.: Frau Abgeordnete, ich habe zu dieser Frage in der Vergangenheit schon wiederholt öffentlich Stellung genommen, ich mache es hier gerne noch einmal. Ich glaube, wir sollten einmal, Punkt eins, die Kirche im Dorf lassen. Laut einer Studie der Universität Sankt Gallen haben sich über 90 Prozent der Unternehmen noch nicht aus Russland zurückgezogen, und man weiß auch, wie eng der Rahmen in Russland ist. Es muss ja dort dann erst sozusagen eine Genehmigung erfolgen. Ich kenne die Anfrage der Ofac an die Raiffeisen nicht. Das wird dann an der RBI liegen, diese selber zu beantworten.

Es ist aber auch vollkommen legitim. Man tut in Österreich immer so, als gäbe es nur die Raiffeisen und nur sie sei betroffen. Die Ofac hat an eine ganze Reihe von Unternehmen in allen möglichen europäischen Staaten solche Fragebögen gerichtet – das ist also nichts Außergewöhnliches und völlig legitim.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 38

Ich kann nur dazusagen: Punkt eins, ich wurde noch von keinem Amtskollegen, weder in Brüssel noch bei sonstigen Reisen und Auslandsbesuchen oder bei meinem Besuch in Washington je darauf angesprochen oder auf die RBI angesprochen. Und Punkt zwei, es ist aber für mich völlig klar, dass österreichi­sche Unternehmen auf Punkt und Beistrich ohne Wenn und Aber die Sanktionen einhalten.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zur 3. Anfrage, jener von Frau Abgeordneter Steger. – Bitte. 10.45.27


Abgeordnete Petra Steger (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Seit Beginn dieses völkerrechtswidrigen Angriffskriegs Russlands tritt diese Bundesregierung gemeinsam mit dem Rest der hier anwesenden Einheitspartei unsere verfassungsrechtlich und auch völkerrechtlich verpflichtende Neutralität mit Füßen. Sie treten sie mit Füßen durch Wortmeldungen, durch Staatsbesuche, Waffentransporte quer durch Österreich, Sanktionen, Milliardenzahlungen und vieles mehr bis hin zur heutigen Privatveranstaltung, die als Nationalratssitzung getarnt dem Präsidenten einer kriegsführenden Nation einen Auftritt in unserem Hohen Haus ermöglicht hat. Es ist traurig, dass es offenbar nur noch eine Partei hier gibt, die unsere immerwährende Neutralität wirklich ernst nimmt und glaubhaft für Frieden eintritt. (Abg. Lukas Hammer: Mit Freundschaftsverträgen mit Putins Partei, ja! – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Es ist erschreckend, abgesehen von der Missachtung unserer Verfassung, dass Sie mittlerweile Milliardenzahlungen der EU und Österreichs an die Ukraine über alle möglichen Wege und Töpfe ermöglicht haben, angefangen von der Makrofinanzhilfe, der Friedensfazilität – den Titel allein würde ich schon als Fakenews bezeichnen – bis hin zu bilateralen Zahlungen (Abg. Gerstl: Sie sind eine Gefahr für Österreich! – Ruf bei der ÖVP: Fünfte Kolonne!) – und das, obwohl wir das Geld dringend im eigenen Land brauchen würden und die Menschen hier reihenweise verarmen. Doch das ist Ihnen anscheinend vollkommen egal.

Daher meine Frage:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 39

249/M

„In welcher Gesamthöhe hat die Republik Österreich (bilateral sowie über internationale Finanzierungsmechanismen) bislang die Kriegspartei Ukraine unterstützt?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Alexander Schallenberg, LL.M.: Frau Abgeordnete, ich sehe das genau umgekehrt. Ich habe das Gefühl, es gibt nur eine Partei hier im Plenum, die nicht verstanden hat, was Neutralität bedeutet. (Beifall bei ÖVP und NEOS sowie bei Abgeordneten der Grünen.)

Ich glaube, es gab auch einmal eine Zeit, in der die FPÖ sehr wohl verstanden hat, was Neutralität bedeutet. Neutralität ist nämlich eine militärische Neutralität und keine Gesinnungsneutralität. Sie war es seit 1955 nicht. Ich wiederhole das immer wieder: Als 1956 sowjetische Panzer in Budapest eingerollt sind, hat Österreich genau gewusst, wo es steht und hat in der UNO-Generalver­samm­lung die Resolution der UNO gegen die Sowjetunion unterstützt, kaum zwölf Monate nachdem wir die Neutralität als immerwährendes Bundesverfassungs­gesetz beschlossen haben. (Abg. Gerstl – in Richtung Abg. Steger –: Lernen Sie Geschichte!)

Diese Linie ziehen wir ganz klar weiter. Das, was uns am besten schützt, sind die UN-Charta, die Grundrechte, das Gewaltverbot, der Respekt für die territoriale Integrität und Souveränität anderer Staaten, der Aufruf zu Dialog. Und wenn ein Staat, der Nuklearwaffen besitzt und noch dazu ständiges Mitglied im Sicher­heitsrat ist, beschließt, das alles über Bord zu werfen, dann können wir als Österreicher nicht zuschauen. Das internationale Völkerrecht ist nämlich unser Schutzmantel. Diese Linie werde ich auch weiterziehen.

Und ja, wir werden auch weiterhin unsere Solidarität zeigen. Wir haben insge­samt 129 Millionen Euro von der öffentlichen Hand für die Ukraine geleistet. Ich


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 40

habe es vorhin erwähnt, laut dem Kiel Institut für Weltwirtschaft sind wir nach dem BIP gerechnet, zusammen mit den privaten Leistungen, Nummer eins in Europa und in absoluten Zahlen Nummer drei.

Wir haben – es wurde auch vorhin, als Präsident Selenskyj da war, erwähnt (Abg. Belakowitsch: Der war nicht da!); da waren Sie nur leider Gottes nicht im Saal – über 90 000 Vertriebene aufgenommen. Das österreichische Volk – und ich kann der österreichischen Zivilbevölkerung nur meinen Dank aussprechen – hat einen unglaublichen Grad an Solidarität gezeigt, auch durch Nachbar in Not. Präsident Selenskyj hat es auch erwähnt, nur waren Sie leider Gottes nicht da, dass wir da einen wirklich bemerkenswerten Akt der Solidarität und der Unterstützung gesetzt haben – und wir werden das dieses Jahr fortführen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordnete Petra Steger (FPÖ): Sehr geehrter Herr Minister, das, was Sie hier treiben, hat nichts mit einer aktiven Neutralitätspolitik zu tun. Sie können noch so oft versuchen, unsere Neutralität, die sowohl verfassungsrechtlich als auch völkerrechtlich vorgegeben ist, umzuinterpretieren (Rufe bei der ÖVP: Frage! Frage!), Fakt ist, Ihre Aufgabe wäre es rechtlich, diese Neutralität glaubhaft zu vermitteln und zu leben, sowohl in den Wortmeldungen als auch in Ihren Taten. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich komme aber noch einmal zurück zu den Zahlungen und vor allem zur Kontrolle dieser Zahlungen, denn auch da hat Ihre Kollegin eine Unwahrheit gesagt. Es gibt ja bereits mehrere Berichte über Korruptionsprobleme der Ukraine und betreffend missbräuchliche Verwendung unserer EU-Gelder. In der vergangenen Fragestunde hat Ihre Kollegin Edtstadler mir wortwörtlich garantiert, dass jeder Cent in der Ukraine auch dort ankommt, wo er hingehört. Im vergangenen EU-Hauptausschuss ist sie dann wieder zurückgerudert und hat diese offensichtlich falsche Aussage als übereuphorisch tituliert und damit


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 41

geantwortet, dass sie allerdings vollstes Vertrauen in die Europäische Kommission hat.

Sehr geehrter Herr Minister, im Gegensatz zu Ihnen habe ich nicht vollstes Vertrauen in die europäischen Institutionen, noch dazu da sie selber mit massiven Korruptionsproblemen zu kämpfen haben. Ihre Aufgabe wäre es, nicht blind zu vertrauen, sondern zu kontrollieren. (Ruf bei der ÖVP: Frage!)

Des Weiteren behaupten Sie ja immer (Ruf bei der ÖVP: Zeit ist vorbei!), es werden mit diesen Geldern nicht letale Waffen finanziert. Daher meine Frage (Ruf bei der ÖVP: Danke!): Wie können Sie wissen und welche Kontrollen gibt es, um sicherzustellen, dass unsere Gelder weder missbräuchlich verwendet werden noch für letale Waffen eingesetzt werden, wie Sie immer behaupten?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Minister.


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Alexander Schallenberg, LL.M.: Es gibt zwei Dinge, und das ist ganz klar. Ich kann Sie apropos nur darauf hinweisen: Es gibt das Internet, es gibt das Amtsblatt der Europäischen Union, es gibt die Homepage der Kommission, da können Sie alles lesen. Da können Sie sehen, die Verordnungen, auf denen das beruht, sind im Amtsblatt veröffentlicht. (Zwischenruf bei der FPÖ.) Die Vereinbarungen zwischen der Europäischen Kommission und der Ukraine stehen im Internet auf der EU-Kommissionshomepage. Da sind ganz klar Berichtspflich­ten enthalten. Die Kommission kontrolliert das.

Und ja, Sie haben darauf hingewiesen, dass es Korruptionsfälle in der Ukraine gab – völlig richtig. Was war die Reaktion? Ich glaube, dass Präsident Selenskyj sehr öffentlich und sehr deutlich reagiert hat. Keiner ist perfekt, und die Ukraine ist es sicher nicht. (Abg. Steger: Laut Panamapapers war Selenskyj schon selber betroffen! – Ruf bei der ÖVP: Würden Sie ihn bitte ausreden lassen?!) Ich glaube aber, die öffentliche Reaktion von ihm, dass er sich von Personen getrennt hat, sie aus ihrem Job rausgeholt hat, dass er eine klare Linie gezogen hat, ist der


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 42

richtige Zugang. Das ist das, was wir vermissen: In der Ukraine sehen wir Rechtsstaatlichkeit, in Russland sehen wir keine Rechtsstaatlichkeit. Wir sollten also vielleicht einmal beide vergleichen.

Es gibt sehr wohl Kontrollmechanismen. Es gibt, was die makrofinanzielle Hilfe betrifft, Vereinbarungen, es gibt Berichtspflichten. Bei der Europäischen Friedensfazilität, das habe ich ja schon gesagt, gibt es zwei unterschiedliche Körbe. Das Geld hat also ein Mascherl, ob es letal ist oder nicht, und es gibt auch entsprechende Kontrollmechanismen innerhalb der Europäischen Union. (Beifall bei der ÖVP.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage: Abgeordneter Brandstätter. – Bitte.


Abgeordneter Dr. Helmut Brandstätter (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Zunächst möchte ich die Gelegenheit – nur mit einem Satz – nützen und mich auch bei allen Gemeinden und den Menschen in diesen Gemeinden bedanken, weil Sie die offizielle Hilfe angesprochen haben. Wir wissen, dass die Gemeinden, Gemeindebundpräsident Riedl und andere sehr viel tun, dass es direkte Kontakte zwischen Gemeinden in Österreich und Gemein­den in der Ukraine gibt, dass geholfen wird. Ich habe gestern auch wieder einen Abgeordneten aus Poltawa zu Gast gehabt, der mir davon berichtet hat und mich gebeten hat, dass wir auch weitere Kontakte herstellen. Wir werden das machen, und ich glaube, dass wir das im großen Einverständnis machen.

Er hat mir allerdings auch berichtet – und das führt zu meiner Frage –, eines der großen Probleme ist die Verminung des Landes. Ich selbst habe es gesehen. In den Städten, in denen wir waren, durften wir gewisse Gebiete nicht betreten, weil sie vermint sind. Es sind auch ungefähr 20 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche vermint.

Der Bundeskanzler hat mir zugesagt, wir würden auch bei der Lieferung von Minensuchgeräten mithelfen. Das österreichische Bundesheer ist hervorragend


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 43

ausgebildet. Deswegen meine Frage, Herr Minister: Was können wir tun, dass wir eben beim Minensuchen in der Ukraine helfen – eine rein zivile Angele­genheit, weil es da um den Schutz von Menschenleben geht, und es sind ohnehin schon so viele Menschen gestorben? Was können wir dafür tun, dass das endlich anfängt?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Alexander Schallenberg, LL.M.: Was wir tun, ganz konkret, ist, dass wir im Rahmen der OSZE eine entsprechende Mission tatkräftig unterstützen. Und ja, wenn es um Minensuchgeräte geht – das kann jetzt nicht ich entscheiden, ich habe auch nicht das Material –, muss ich sagen, ich hielte das für einen sehr richtigen Zugang, da auch das entsprechende Material zur Verfügung zu stellen. Österreich hat sich da in den letzten Monaten eigentlich immer sehr proaktiv und solidarisch gezeigt.

Wir haben ja gerade auch im Bereich Entminung ein großes Know-how, worauf Sie richtig hinweisen, Herr Abgeordneter. (Abg. Brandstätter: Genau!) Wir haben das auch in Syrien und in anderen Gegenden unter Beweis gestellt, und das werden wir in der Ukraine sicherlich auch tun. (Abg. Brandstätter: Danke!)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage: Frau Abgeordnete Herr. – Bitte.


Abgeordnete Julia Elisabeth Herr (SPÖ): Guten Morgen, Herr Minister! Gerade als neutraler Staat ist Österreich ja besonders gefordert, sensibel mit dem Export von Waffen oder Kriegsmaterial umzugehen. Dem Stockholmer Friedensinstitut zufolge hat aber Österreich in den letzten Jahren mehrfach auch Waffen an Länder geliefert, die sich in bewaffneten Konflikten befunden haben, beispiels­weise an Myanmar, Saudi-Arabien oder Nigeria. Auch das Magazin „Addendum“ hat berichtet, dass beispielsweise Handfeuerwaffen und Munition an Länder exportiert wurden, die die Menschenrechte nicht ausreichend achten, auch an Russland beispielsweise.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 44

Deshalb komme ich zu meiner Frage, ob es nicht wichtig wäre, da auch Transparenz und Klarheit für die österreichische Bevölkerung zu schaffen, und wann mit einem Rüstungsexportbericht für Österreich zu rechnen ist, ähnlich wie zum Beispiel in der Schweiz, aber auch in Deutschland, wo halbjährlich Zahlen für die gesamte Bevölkerung transparent veröffentlicht werden, wohin Waffen tatsächlich exportiert werden, in welchem Ausmaß und mit welcher Begründung.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Alexander Schallenberg, LL.M.: Ich kann nur sagen, das Kriegsmaterial­gesetz ist ein Gesetz, das wir sehr ernst nehmen. Das Außenministerium ist sozusagen nur ein Ministerium, das an diesem Prozess teilnimmt und in diesem Zusammenhang nicht federführend ist, aber ich kann Ihnen versichern, dass es ein Thema ist, das bei meinen Beamten ganz hoch oben steht.

Mich würde es ganz offen gestanden sehr wundern, dass wir Waffenlieferungen an Gebiete oder an Staaten, die sich in kriegerischen Auseinandersetzungen befinden, je zugestimmt hätten. Wenn Sie Staaten wie Myanmar nennen, dann waren das vermutlich Lieferungen zu einem Zeitpunkt weit in der Vergangenheit, denn ich kann das ausschließen. Wir haben im Außenministerium eher den Ruf, dass wir im Vergleich zu anderen zu restriktiv und zu streng sind.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage: Frau Abgeordnete Niss. – Bitte.


Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Niss, MBA (ÖVP): Herr Minister, der russische Angriffskrieg hat natürlich auch Auswirkungen auf die Weltwirtschaft. Österreich ist ein Exportland, 1,2 Millionen Arbeitsplätze hängen in Österreich am Export. Jeder vierte Steuereuro wird in der Exportwirtschaft erzielt. Daher meine Frage an Sie: Wie unterstützen Sie und Ihr Ministerium in diesen schwierigen Zeiten die österreichische Exportwirtschaft?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 45

Bundesminister.


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Alexander Schallenberg, LL.M.: Die kurze Antwort ist: ganz klar ja, und zwar aus vollem Herzen. Die österreichischen Vertretungen im Ausland sind einfach die Vertretung Gesamtösterreichs und damit auch die Vertretung unserer Wirtschaftsinteressen – das gehört für mich als immanenter Bestandteil zur Außenpolitik dazu.

Wir haben ja vor zwei Jahren ein Projekt lanciert, das sich als eines der erfolgreichsten in den letzten Jahren bezeichnen lässt: Refocus Austria. Wir haben nach der Pandemie gesagt, wir müssen die Exportwirtschaft mit unseren über hundert Vertretungen unterstützen. Das ist mit über 500 Projekten in 85 Ländern wirklich ein Erfolgsprojekt geworden. 2 400 Unternehmen konnten sich an diesen Projekten und Veranstaltungen beteiligen.

Das ist natürlich nicht etwas, das dem Außenministerium alleine gehört. Das ist eine gemeinsame Anstrengung der gesamten Bundesregierung. Wir wissen, dass wir rund 6 von 10 Euro in der Exportwirtschaft verdienen. Wir sind ein Exportweltmeister, wir sind darauf angewiesen. Wir sind daher auch – und das ist vielleicht der Zusammenhang zum Thema von vorher – auf ein internationales regelbasiertes System angewiesen, bei dem die Regel gilt, Verträge werden eingehalten – Pacta sunt servanda.

In diesem Sinne werden wir uns auch weiterhin dafür einsetzen, und ich mache das auch sehr persönlich, bei Dienstreisen. Ich habe einen Fokus genau auf jene Staaten gelegt, die wir in den letzten Jahren vielleicht nicht so stark im Fokus hatten. Ich werde demnächst mit über 20 Unternehmern, die mich begleiten, nach Vietnam reisen. Ich war in Indien und habe in den letzten zwölf Monaten fünf Mal den indischen Außenminister getroffen. Ich war auch mit einer Wirtschaftsdelegation in Südkorea.

Wir wissen einfach, dass wir mit Russland einen herben Schlag im Osten erlebt haben, und gleichzeitig gibt es ein Fragezeichen bei China. Das heißt, wir sind


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 46

jetzt aufgefordert, neue Märkte zu finden, und das Außenministerium wird dabei helfen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Abgeordnete Ernst-Dziedzic. – Bitte sehr. 10.57.13


Abgeordnete Dr. Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Ein weiteres außenpolitisches Pulverfass, könnte man meinen, ist zweifelsohne die Situation im Iran. Sie werden wissen, die Repression, die offene Gewalt bis hin zu Folter in den Gefängnissen beschäftigen natürlich auch die internationale Staatengemeinschaft.

Meine Frage an Sie ist, ob Sie die Einstufung der iranischen Revolutionsgarden, das heißt des militärischen Armes des Regimes, als Terrororganisation unter­stützen und welche weiteren Maßnahmen auch aus Ihrer Sicht auf bilateraler, europäischer, aber auch internationaler Ebene sinnvoll wären, um all den Menschenrechts- und Frauenrechtsverletzungen Einhalt zu gebieten. – Vielen Dank.

*****

Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 257/M, hat folgenden Wortlaut:

„Befürworten Sie eine Einstufung der Iranischen Revolutionsgarden als Terrororgani­sation bzw. welche weiteren Maßnahmen wären aus Ihrer Sicht auf bilateraler, europäischer und internationaler Ebene sinnvoll, um gegen die massiven Verletzungen der Menschen- und Frauenrechte im Iran vorzugehen?“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Alexander Schallenberg, LL.M.: Vielen Dank für diese Frage, Sie haben vollkommen recht, wir dürfen nicht Gefahr laufen, dass wir vor lauter Fokus auf


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 47

die Ukraine auf andere Krisenherde auf diesem Planeten vergessen, und der Iran gehört leider Gottes dazu. Ich formuliere immer, das ist ein Staat, der sozusagen auf Überholspur im Konfrontationskurs mit der eigenen Bevölkerung und mit der internationalen Staatengemeinschaft ist. Als Europäische Union haben wir jetzt schon eine Reihe von Sanktionspaketen verabschiedet.

Zur Frage der Revolutionsgarden: Die sind de facto schon seit 2010 von der Europäischen Union sanktioniert, und wir haben seit der Niederschlagung noch einmal Teilorganisationen unter Sanktionen gestellt. Was die Einstufung als Terrororganisation betrifft, bedarf es – und das hat der juristische Dienst des Rates klar etabliert – eines Urteils eines Gerichtes eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, das diesen Akt setzt, erst dann hätten wir auf europäischer Ebene die rechtliche Möglichkeit dazu.

Wir haben bei der letzten Tagung der EU-Außenminister eine lange Diskussion dazu gehabt, nämlich auch darüber, ob wir das Gutachten des juristischen Dienstes veröffentlichen können, damit auch für Sie sichtbar ist, was die logische, sozusagen stringente juristische Argumentationslinie ist. Leider Gottes konnten wir uns darauf nicht einigen. Wichtig ist aus meiner Warte, dass wir den Druck aufrechterhalten, dass wir klare Kante zeigen, weil das leider Gottes momentan gegenüber dem Iran notwendig ist. (Abg. Dziedzic: Danke!)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage, Frau Abgeordnete? – Keine.

Zusatzfrage: Abgeordneter Gerstl. – Bitte.


Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Vorrednerin hat schon auf die Menschenrechts­verlet­zun­gen hingewiesen, die im Iran immer wieder passieren, und dass wir die aufs Schärfste verurteilen. Was wir aber beim Iran nicht vergessen dürfen, ist, dass es der ehemalige amerikanische Präsident Trump war, der das Atomabkommen aufgekündigt hat und somit die Iraner in die Hände der Russen und in die Hände der Chinesen getrieben hat.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 48

Der Iran spielt eine ganz besondere Rolle im Nahen und Mittleren Osten, diese Rolle kommt jetzt immer mehr in den Einfluss Russlands und Chinas. Wir kennen das Abkommen jetzt auch mit Saudi-Arabien.

Wie sehen Sie daher diese Rolle, die dem Iran in Zukunft zukommt? Wie sehen Sie das Atomabkommen? Sehen Sie eine Möglichkeit, dass man beim Atomab­kommen noch ein Stück weiterkommt, solange auch noch die Regentschaft Bidens in Amerika ist?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Alexander Schallenberg, LL.M.: Ich muss ganz offen sagen, auch meine persönliche Enttäuschung, was die Regierung, das Regime in Teheran betrifft, ist enorm. Österreich hat sich in diese Atomverhandlungen in Wien sehr eingebracht. Ich habe jedes Mal, wenn die Delegationen hier waren, auch den amerikanischen und den iranischen Chefverhandler getroffen. Und ja, Sie haben es richtig gesagt, es gab ein Vertrauensdefizit, auch auf iranischer Seite, wo wir gesagt haben, wir haben uns schon auf einen Deal eingelassen und dann wurde er gekündigt.

Ich hatte letzte Woche ein längeres Telefonat mit meinem iranischen Amtskollegen Amirabdollahian – dieses Telefonat war nicht leicht –, in dem ich auch ganz klar gesagt habe, das Mondfenster ist aus meiner Warte zu. Im nächsten Jahr finden Wahlen in den Vereinigten Staaten statt. Ich glaube nicht, dass die jetzige Administration willens ist, und ich glaube auch nicht, dass von Berlin, Paris oder anderen der E3 momentan die Bereitschaft da ist, zu verhandeln, angesichts der Handlungen, die vom Iran gesetzt werden: Drohnen­lieferungen an Russland, vielleicht sogar Raketenlieferungen, brutale Niederschlagung der Proteste.

Es gibt aber auch immer wieder – das Bild ist nie nur schwarz-weiß – positive Signale. Denken wir nur an die Entspannung mit Saudi-Arabien, die von meinem


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 49

saudi-arabischen Kollegen schon im Vorfeld angekündigt wurde! Das ist, glaube ich, sehr wichtig. Momentan ist es aber so: Der Iran hat ganz klar zu hoch gepokert, hat den Bogen überspannt – und jetzt zahlt er die Zeche.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die 5. Anfrage ist jene des Abgeordneten Brandstätter. – Bitte sehr. 11.01.50


Abgeordneter Dr. Helmut Brandstätter (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich war vor Kurzem mit Klubobfrau Beate Meinl-Reisinger in Bukarest, ein sehr interessanter Besuch. Wir waren sowohl im Parlament bei fast allen Parteien, bei vielen Abgeordneten, als auch in drei Ministerien, haben Regierungsvertreter getroffen. Wie Sie wissen, ist die Enttäuschung über Österreich sehr groß, aber es ist mehr als die Enttäuschung darüber, dass die Rumänen nicht in den Schengenraum kommen, es ist die Enttäuschung darüber, wie wir sie als europäische Partner behandelt haben. Man hat das sehr genau verfolgt. Es gab ja dieses sogenannte Salzburgtreffen, bei dem es offensichtlich die Zusage gegeben hat, dass Rumänien in den Schengenraum kommt, was auch von einer Beamtin des Innenministeriums klar signalisiert wurde, die dann genauso überrascht war wie die Regierungsvertreter in Rumänien, dass dies nicht erfolgte.

Was wir natürlich auch gehört haben – und das wissen Sie auch –, ist, dass das der österreichischen Wirtschaft schadet. Wir sind der zweitgrößte Investor in Rumänien, wir haben sehr darum gebeten, dass es eben keinen Boykott gegen österreichische Unternehmen geben darf, aber verhindern werden wir es auch nicht können. Es gibt da schon Bewegung von einer rechtsextremen Partei, die das sehr stark betreibt und die auch antieuropäische Propaganda betreibt.

Meine konkrete Frage aber an Sie ist – weil ich weiß, dass das eben nicht sehr lange in der Regierung vorbesprochen wurde –: Wann sind Sie eigentlich darüber informiert worden, dass es dieses Veto Österreichs geben würde?


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 50

*****

Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 255/M, hat folgenden Wortlaut:

„Wann genau wurden Sie in die Entscheidungsfindung zum Schengenveto eingebunden, und was war Ihre Position zur plötzlichen Umkehr der österreichischen Position für alle drei Beitrittstaaten Kroatien, Bulgarien und Rumänien?“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Alexander Schallenberg, LL.M.: Ich kann Ihnen ganz klar sagen: von Anfang an. Das ist ja nicht etwas, das über Nacht entstanden ist. Wir müssen uns nur daran erinnern, was für eine Situation wir letztes Jahr hatten: dass wir als Staat, der von Schengenstaaten oder Staaten mit Schengenassoziierungsabkommen umgeben ist – wir sind tatsächlich im Herzen dieses Kontinents, umgeben von EU- und Schengenstaaten – und pro Kopf die größte Asylantragsbelastung europaweit hatten. Das ist schon unglaublich: 109 000 Asylanträge.

Es war also notwendig, dass wir die Notbremse ziehen, dass wir hier einen klaren Weckruf richten – und er hat auch einiges bewirkt. Denken wir nur an den Aktionsplan der Kommission zur Westbalkanroute, denken wir nur an die Son­der­tagung der Staats- und Regierungschefs im Februar, denken wir nur daran, das jetzt zum allerersten Mal in der Kommission ein Umdenken stattge­funden hat und jetzt plötzlich substanzielle Geldmittel für den Grenzschutz zur Verfügung gestellt werden! Es ist so, dass Bulgarien und auch Rumänien – aber vor allem Bulgarien – sich bereit erklären, bei Pilotprojekten für Asylverfahren an den Außengrenzen der Europäischen Union, was wir seit 2015 fordern, mitzu­machen.

Das heißt also, es kommt etwas in Bewegung, nur leider Gottes ist es ein Bereich, wo offenbar immer nur die Staaten, die betroffen sind – jetzt ist es zum


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 51

Beispiel gerade Italien, das ein Problem hat –, etwas tun und die meisten anderen Staaten schauen mit verschränkten Armen zu.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage, Herr Abgeordneter? – Bitte.


Abgeordneter Dr. Helmut Brandstätter (NEOS): Sie sprechen von der „Notbremse“, aber es war nur eine Teilnotbremse, denn bei Kroatien hat man gesagt, die dürfen herein, obwohl jeder gewusst hat, dass, wenn wir schon von dieser Form von irregulärer Migration reden, viel mehr über Kroatien kommen als über Rumänien – dort nur 1 Prozent.

Deswegen: Warum diese Teilnotbremse? Führen Sie jetzt Gespräche? Wovon gehen Sie aus: Wann wird Rumänien in den Schengenraum gelassen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Alexander Schallenberg, LL.M.: Nur zur Richtigstellung: Das war eine Unterscheidung, die ganz klar auf sachlichen Gründen beruhte. Es gab nun einmal – denken wir an die österreichisch-slowenische Grenze! – dort kein nennenswertes Aufkommen. Es gab aber sehr wohl eines an der österreichisch-ungarischen Grenze. Und nein: Zu sagen, wir als Rumänien sind nicht Teil der Balkanroute, nur weil man nicht Teil des Balkans ist, ist meiner Meinung geografisch korrekt, aber nicht sehr sinnvoll, denn wir wissen aufgrund der Handydaten von interviewten Asylantragstellern oder auch von Schleppern, die verhaftet wurden, dass auch rumänisches Staatsgebiet betroffen war; und nicht nur von 1 Prozent.

Nur zur Richtigstellung: 75 000 dieser über 100 000 Anträge von Asylsuchenden wurden ja nirgendwo registriert. Das heißt, die gibt es auch in keiner Statistik von Frontex und Company, weil sie eben nicht registriert durch halb Europa marschiert sind.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 52

Schengen ist also wie ein Haus, in dem man beschließt: Wir hängen alle unsere Wohnungstüren aus!, aber das geht nur, wenn wir davon ausgehen, dass die Haustür funktioniert. Wenn die Haustür nicht funktioniert, dann beginnen wir wieder, die Wohnungstüren einzuhängen. Was macht Deutschland? – Deutsch­land hat Grenzkontrollen zu Österreich, Österreich zur Slowakei, zu Slowenien, Frankreich zu Italien. Das heißt, in Wirklichkeit haben wir momentan ein dysfunktionales System im Schengenraum.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die 6. Anfrage ist jene des Abgeordneten Engelberg. – Bitte. 11.06.14


Abgeordneter Mag. Martin Engelberg (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Angesichts des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine hat ja Österreich auch einen wesentlichen Beitrag zur humanitären Hilfe für die Ukraine geleistet. Herr Präsident Selenskyj hat das heute erwähnt und sich auch in seiner Rede dafür bedankt.

Könnten Sie uns da einfach einen aktuellen Status über das Ausmaß der humanitären Hilfe, die wir leisten, geben?

*****

Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 252/M, hat folgenden Wortlaut:

„Können Sie uns einen Einblick in den Status quo der Humanitären Hilfe Österreichs für die Ukraine vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs geben?“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Alexander Schallenberg, LL.M.: Vielen Dank. Ich glaube wirklich, dass wir uns da nicht zu schämen brauchen, sondern stolz darauf sein können, was wir geleistet haben. Ich betone es nochmals – es hat ja auch ein Abgeordneter


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 53

schon erwähnt –: Das ist nicht nur die Bundesregierung, das sind auch die Gemeinden, das sind die Bundesländer, aber eben auch die österreichische Bevölkerung, die ein unglaubliches Maß an Solidarität gezeigt haben.

Denken wir nur an die über 90 000 Vertriebenen, die hier Schutz gefunden haben! 56 000 von ihnen sind ja noch in der Grundversorgung, haben Zugang zum Arbeitsmarkt, wurden hier aufgenommen. Wir werden 129 Millionen Euro an Finanzmitteln zur Verfügung stellen. Über 1 500 Tonnen an Hilfsgütern sowie Feuerwehrautos wurden geliefert. Wir haben besonders vulnerable Gruppen aufgenommen, krebskranke Patienten, Waisenkinder. Wir waren der erste Staat in der Europäischen Union, der ein Luftbrücke von Moldau nach Österreich aufgebaut hat, womit wir immerhin an die 600 Menschen – weniger, als wir bereit gewesen wären, aufzunehmen – nach Österreich gebracht haben. Eigent­lich zeigen wir also auf allen Ebenen unsere Solidarität. Ich kann nur zusichern, dass wir dies auch 2023 genauso weiter handhaben werden.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? (Abg. Engelberg verneint.)

Dann stellt Abgeordneter Matznetter eine Zusatzfrage. – Bitte.


Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Herr Bundesminister! Es gab heute hier die Ansprache von Präsident Selenskyj, der sich artig für die Hilfe bedankt hat. Ein entscheidender Teil ist aber, dass die Ukraine permanenten Angriffen auf die Energieinfrastruktur ausgesetzt ist. Russland versucht, die Energieversorgung flächendeckend durch Bombardements auszuschalten. Die österreichische Regierung hat ursprünglich 5 Millionen Euro zugesagt, dann im Dezember 2022 bereits auf 10 Millionen Euro aufgestockt. Nach Pressebe­richten – „Der Standard“ vom 27. März – ist bis heute nicht einmal die erste Tranche von 5 Millionen Euro geflossen.

Können Sie uns sagen, warum nicht? Was gedenken Sie, zu tun, damit das Geld möglichst rasch ankommt, denn Zeit ist ein kritischer Faktor?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 54

Bundesminister.


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Alexander Schallenberg, LL.M.: Zwei Punkte: Ja, es gab die Ankündigung und die Versicherung des Bundesministeriums für Klimaschutz, dass es dieses Geld, 10 Millionen Euro für den Energy Support Fund der Ukraine, zur Verfügung stellen wird. Ich gehe davon aus, dass das Geld auch demnächst fließen wird.

Was aber noch wichtiger ist und wofür die Ukraine wirklich dankbar ist, ist, dass wir Generatoren zur Verfügung stellen. Was die Menschen brauchen, ist Energie, mit Geld allein ist das Problem noch nicht gelöst. Das kann ja nur der erste Schritt sein. Das heißt, unsere unmittelbare Hilfe, auf die wir letzten Herbst den Fokus gelegt haben, ist, Generatoren zu liefern und den Menschen zu helfen, dass sie nicht plötzlich im sehr harschen ukrainischen Winter in der Kälte leben müssen. Das ist das, wofür sich Präsident Selenskyj sicher bedankt hat.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die 7. Anfrage ist jene des Abgeordneten Troch. – Bitte sehr. 11.09.22


Abgeordneter Dr. Harald Troch (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Der Iran ist ja doch immer wieder für Überraschungen gut. Die Zustände, die wir jetzt erleben: Ich darf da von Barbarei sprechen. Das sind die jüngsten Anschläge auf Mädchenschulen, das Resultat sind Hunderte vergiftete Mädchen, ein unglaublicher Terrorakt gegen die Menschlichkeit, aber auch gegen Frauenrechte; die gezielten Schüsse auf die Augen von Menschen, die ihre demokratischen Rechte einfordern – unbewaffnet!

260/M

„Welche Schritte setzen Sie, um die Demokratiebewegung im Iran, die sich insbesondere auch für die Rechte der Frauen einsetzt, zu unterstützen?“

Sie haben von scharfen Kanten gesprochen. Das würde mich konkreter interessieren. – Danke.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 55

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Alexander Schallenberg, LL.M.: Ja, ich meine, ich habe auch schon hier im Hohen Haus sagen können, wie sehr ich eigentlich bedauere, was für eine Art von Politik wir gegenüber dem Iran führen müssen.

Das, sozusagen der Staat, ist immerhin auch Persien. Das ist ein Kulturvolk, das der Menschheit in Wirklichkeit sehr viel gebracht hat und mit dem wir als Österreich jetzt seit fast 300 Jahren diplomatische Beziehungen haben. Wir haben diese Tür nie zugeschlagen, aber das, was wir jetzt erleben, hat es in dieser Form und in dieser Ansammlung sicher seit den Achtzigerjahren nicht gegeben. Sie habe ja einige Elemente schon genannt.

Ich glaube, man muss an mehreren Ebenen ansetzen. Das eine ist einmal, dass wir Druck erzeugen, dass wir klare Kante zeigen. Das sind Sanktionspakete. Wir haben jetzt eine ganze Reihe von Sanktionen verhängt. Die Problematik ist natürlich, dass wir schon Sanktionen in Kraft hatten. Das heißt, wir haben in Wirklichkeit schon weite Bereiche der iranischen Wirtschaft und Personenkreise unter Sanktionen gestellt.

Wir haben aber jetzt beim letzten Rat zum ersten Mal ein neues Instrument verwendet. Wir haben nämlich im Rahmen des Menschenrechtsanktionsregimes genau das Thema Unterdrückung von Frauen als Ziel genommen und haben zum allerersten Mal ein iranisches Frauengefängnis und die Führung unter Sanktionen gestellt.

Leider Gottes, muss man sagen, beginnen wir also, Neuland zu betreten, was unsere Politik im Iran betrifft. Österreich unterstützt die momentan laufende Diskussion zur Mandatsverlängerung der Factfindingmission des UN-Menschen­rechtsrates zum Iran sehr stark. Wir werden da weiterhin – sei es als Unterstüt­zung der Diaspora und der entsprechenden Menschenrechtsverteidiger:innen in Österreich – auch Vertreter:innen für unser Symposium im Juni zum 30. Jubiläum


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 56

der UN-Weltmenschenrechtskonferenz einladen. Gleichzeitig gilt aber auch: Sanktionen, Kante und Druck, wo notwendig.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Troch.


Abgeordneter Dr. Harald Troch (SPÖ): Wir bleiben in der Region: Afghanistan. Auch da gibt es höchst unerfreuliche Entwicklungen seit dem Abzug der internationalen Streitkräfte. Wie beurteilen Sie da die Situation, was humanitäre Hilfe und ganz konkret auch Hilfe für die Frauen in Afghanistan betrifft?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Alexander Schallenberg, LL.M.: Also man muss sagen, dass sich das Talibanregime ja gerade ins Knie geschossen hat, wenn es glaubt, dass es mit seinem Dekret, mit dem es sagt, dass Frauen und Mädchen nicht teilhaben können, 50 Prozent der Bevölkerung ausschließen kann – vor allem bei der Arbeit von NGOs. Nun sind diese aber essenziell.

Ich hatte sowohl bei der Sicherheitskonferenz in München als auch beim World Economic Forum in Davos die Gelegenheit, mit der Präsidentin des IKRK, des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz, und dem Präsidenten des UNHCR darüber zu sprechen. Von unserer Warte ist ganz klar: Dort, wo dieses Dekret umgesetzt wird, gibt es auch keine Hilfe.

Ich kann sagen: Unsere Arbeit, die wir mit österreichischen NGOs, mit UN Women, machen, funktioniert noch, weil Frauen da noch mitmachen können. Es kommt auf die Provinz an. Es wird sozusagen nicht überall unisono und gleichmäßig angewandt.

Es gibt aber gerade Bemühungen von der UNO, auf die Taliban einzuwirken, dieses Dekret zurückzunehmen. Worauf ich besonders baue – das war ein Teil meiner Gespräche, die ich in Doha geführt habe –, ist die Einwirkung der


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 57

muslimischen Länder – nicht nur aus dem Nahen Osten, sondern auch aus Asien –, die sagen: Wir haben selber muslimische Gesellschaften, wir haben zum Teil selber die Scharia in der Verfassung, aber wir diskriminieren Frauen nicht. Nehmt euch ein Beispiel an uns! – Vielleicht hören die Taliban zumindest auf diese Stimmen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage: Bitte, Frau Abgeordnete Brandstötter.


Abgeordnete Henrike Brandstötter (NEOS): Guten Morgen, Herr Bundes­minister! Auch anknüpfend an das Gleichstellungsthema: Uganda ist ja ein Fokusland von Österreich. Vor Kurzem hat sich dort die Situation für LGBTIQ-Personen dramatisch verschlechtert, nämlich durch die Verabschiedung eines Gesetzes, das drakonische Strafen bis hin zur Todesstrafe ausspricht. Von 389 Abgeordneten haben nur zwei dagegengestimmt. Die anderen haben anschließend auch geklatscht, gejubelt und gefeiert.

Weil Sie gerade in Bezug auf den Iran gemeint haben, man muss auch klare Kante zeigen, ist meine Frage dahin gehend: Welche klare Kante werden Sie bei Uganda zeigen? Was wird Österreich tun, um seinen Einfluss da geltend zu machen – nicht zuletzt auch deswegen, weil wir ja auch Legal-Aid-Projekte dort haben?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Alexander Schallenberg, LL.M.: Also es ist ganz klar, dass wir in Gesprächen mit ihnen völlig klarstellen, wie wir zu diesem Gesetz stehen, und den Präsidenten auffordern, es sofort zurückzunehmen.

Ich muss nur etwas ganz Grundsätzliches anmerken: Ich merke ja manchmal, dass gewisse Parteien ein Problem haben, wenn wir im Zusammenhang mit EZA von Konditionalität sprechen. Wenn man sie jetzt aber im Zusammenhang mit Verbotsgesetzen zu Homosexualität wünscht, dann soll man sie bitte auch


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 58

akzeptieren, wenn es zum Beispiel darum geht, Konditionalität auch im Zusammenhang mit Rückübernahmeabkommen und Migration anzuwenden.

Ich bin also dafür, dass wir sämtliche Hebel einsetzen. Dazu gehört auch die Entwicklungszusammenarbeit. Da ist Uganda keine Ausnahme.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage ist jene des Herrn Abgeordneten Kassegger. – Bitte. 11.15.14


Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (FPÖ): Herr Bundesminister, Sie haben es schon gesagt: Rückübernahmeabkommen. Damit beschäftigt sich einleitend meine Frage.

Sie haben 90 000 Menschen aus der Ukraine erwähnt, die die Zivilgesellschaft aufnimmt und für die sie sorgt. Das ist nicht das Thema. Das Thema sind eher die 100 000 übrigen Asylwerber, die die Zivilgesellschaft in Österreich auch zu verkraften hat – das ist eine Belastung –, und die Art und Weise, wie man insbesondere mit jenen umgeht, die abgelehnt wurden, also mit abgelehnten, de facto dann illegal aufhältigen Personen. Da stellt sich die Frage zu Rückübernahmeabkommen.

Sie haben im Ausschuss gesagt, ihr Ziel sei es, 70 Prozent derer, die abgelehnt sind, im Rahmen von Rückübernahmeabkommen letztlich wieder dorthin zu bringen, wo sie herkommen. Sie haben aber gleichzeitig gesagt – und das ist besorgniserregend –, dass der Istzustand nur 30 Prozent ausmacht. Wir reden von abgelehnten und illegal Aufhältigen.

Konkrete Frage:

250/M

„Welche konkreten Maßnahmen hinsichtlich welcher Staaten werden Sie ergreifen, um im Jahr 2023 tatsächlich funktionierende Rückübernahmeabkommen abzuschließen?“


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 59

Denn tatsächlich funktionierende gibt es de facto keine.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Alexander Schallenberg, LL.M.: Na ja, ich glaube, Sie haben recht. Das ist sicher unsere Achillesferse, dass die Situation momentan so ist, dass von zehn Personen, die nach Europa kommen und abgelehnt werden und die keine Berechtigung haben, hierzubleiben, weil sie keinen Schutzstatus brauchen und keinen Asylstatus erhalten, in Wirklichkeit sieben hierbleiben. Das wissen natürlich die Menschenschlepper, das wissen die Migranten. Deswegen ist das sicher auch eines der Elemente, warum man da als europäischer Kontinent sozusagen aus falschen Gründen attraktiv ist.

Ich glaube, wir müssen einen holistischen Ansatz wählen. Ich bin froh, dass da in der Europäischen Union auch langsam ein Umdenken stattfindet. Wir haben jetzt einen Beschluss auf europäischer Ebene, dass wir Zollpräferenzen zurück­nehmen können, wenn Staaten bei der Rückübernahme nicht mehr kooperativ sind. Wir haben da schon bei der Visaliberalisierung einen entsprechenden Hebel. Man muss jetzt nur einen politischen Willen finden, ihn auch anzuwen­den.

Ich glaube, das gilt auch für Österreich. Ich habe es ja vorhin erwähnt. Wenn wir diesen holistischen Ansatz haben, dann ist auch die Entwicklungszusammen­arbeit nicht ausgeschlossen. Es kann nur eine rot-weiß-rote Politik geben. Es kann nicht sein, dass ich auf der einen Seite Geld gebe, und auf der anderen Seite gibt es keine Zusammenarbeit. Das läuft für mich nicht.

Gleichzeitig arbeiten wir natürlich an Rückübernahmeabkommen. Sie haben schon recht: Es gibt Staaten, wo das mit der Rückführung funktioniert, obwohl wir kein Abkommen haben, und es gibt Staaten, wo es ein Abkommen gibt – sei es mit der Europäischen Union oder mit uns –, wo es etwas schleppend funktioniert.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 60

Ich glaube aber, das ist ein Bohren harter Bretter. Wir sind gerade dabei, einige schöne Elemente zusammenzukriegen. Ich erwähne etwa das Migrations- und Mobilitätsabkommen mit Indien, das wir demnächst unterschreiben können. Da bin ich aus technischen Gründen nicht jetzt im März hingefahren, um es zu unterschreiben, weil das Beschlussverfahren in Indien noch nicht abgeschlossen war.

Zu Marokko: Der Bundeskanzler war dort, das war ein großer Durchbruch. Man sieht auch tatsächlich die Aktivitäten on the ground, am Boden. Wir haben ein Abkommen mit der Mongolei, das fertig ist, ein Durchführungsabkommen zum EU-Abkommen mit Armenien und Aserbaidschan, das fertig ist. Wir haben sehr gute Fortschritte in den Verhandlungen mit Kasachstan. Ägypten möchte mit uns verhandeln.

Ich sage nicht, dass jeder dieser Staaten jetzt sozusagen unter den Top-zehn-Staaten ist, aus denen Migranten herkommen. Vorsicht ist aber sozusagen die Mutter der Porzellankiste: nicht erst dann zu reagieren, wenn man die Zahlen in Österreich erreicht. Wir sahen ja letztes Jahr wegen der Visaliberalisie­rungs­politik Serbiens plötzlich sehr überraschend Indien, das in unserer Statistik eigentlich noch nie aufgeschienen ist. Auch da haben wir einen Riegel vorge­schoben.

Das heißt, man kann nicht nur mit einer Maßnahme auf einer Ebene ansetzen, sondern auf verschiedenen.

Ein letzter Punkt ist von mir noch zu erwähnen. Das ist unsere Botschaft, die wir in Bagdad im Irak eröffnet haben, auch das – nicht nur, aber auch – klar mit dem Hintergrund, dass die Zusammenarbeit bei der Rückübernahme von irakischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern besser wird.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Kassegger, bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 61

Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (FPÖ): In Bezug auf den Irak und Syrien wäre es zum Beispiel wunderbar, wenn wir etwas zusammenbringen. Das hat schon sehr viel von den – ich zitiere Sie jetzt wieder – dysfunktionalen Systemen. In Wahrheit funktioniert es also nicht. Wir werden weiterhin genau beobachten, ob Sie über die Ankündigungsphase jetzt in eine tatsächliche Umsetzungsphase kommen. Man muss leider sagen: Bisher passiert bei der Umsetzung sehr wenig.

Meine Zusatzfrage beschäftigt sich mit dem Außengrenzschutz. Da haben wir auch – das haben Sie selbst gesagt – ein dysfunktionales System. Da geht es ja auch immer um die Frage: Es werden Kompetenzen an die Europäische Union abgeschoben, und die Europäische Union macht nichts. Den Nationalstaaten wird teilweise verboten, das auf nationalstaatlicher Ebene zu machen, beziehungsweise ist es dann auch ganz gut, sagen zu können: Wir dürfen nichts machen, weil das im Zuständigkeitsbereich der Europäischen Union ist.

Meine konkrete Frage zum Außengrenzschutz: Wir haben ja ein paar Tausend Kilometer europäische Außengrenze, und Sie kennen die Stärke von Frontex, das sind 1 500, 2 000 Personen. Wie stellen Sie sich konkret die Stärkung des Außengrenzschutzes in der Europäischen Union vor?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Alexander Schallenberg, LL.M.: Ich glaube, da gibt es in Wirklichkeit einen Konzeptionsfehler. Daran sind wir alle nicht unschuldig – kein EU-Mitgliedstaat. Als wir damals Schengen entworfen haben, waren die Nettozahler aus finanziellen Gründen nicht zu einem integrierten Außengrenzschutz bereit, die Staaten, die an der Außengrenze sind, waren aus Souveränitätsgründen nicht bereit, das zu vergemeinschaften.

Die Logik wäre: Wenn wir schon – ich habe vorhin das Bild gezeichnet – alle unsere Wohnungstüren aushebeln und aushängen, dann sollten wir gemeinsam


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 62

Geld für eine gescheite Haustür zusammenlegen. Das wäre die Logik. Das hat man damals aus verschiedenen Gründen nicht gemacht.

Seit 2015 und besonders in letzter Zeit hat sich das aber geändert. Unter anderem auch wegen unserer klaren Positionierung zu Schengen und Rumänien und Bulgarien hat sich das geändert. Zum allerersten Mal ist man bereit, doch namhafte Finanzmittel für den Außengrenzschutz oder für die Außengrenzen zur Verfügung zu stellen.

Ich persönlich halte es für absurd, dass wir damals die Situation mit Belarus hatten, als Lukaschenka plötzlich Migration als Waffe verwendet hat. Litauen musste aus eigenem Steuerzahlergeld den Zaun bauen, der aber uns alle schützt, denn die Migranten wollten nicht in Litauen bleiben. Ich und die österreichische Bundesregierung sind weiterhin dafür, dass das eine gemeinsame EU-Politik wird, die auch gemeinsam finanziert und durchgeführt wird.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage: Abgeordneter Laimer. – Bitte.


Abgeordneter Robert Laimer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ein klares Ziel des Regierungsübereinkommens von ÖVP und Grünen war es, Rückübernahmeabkommen abzuschließen. Leider sind die konkreten Erfolge seitens der Bundesregierung bis dato nicht vorzuweisen.

Meine Frage bezieht sich darauf: Welche Rückübernahmeabkommen sind konkret seit Regierungsbeginn mit welchen Ländern geschlossen worden und inwieweit wird mit anderen Partnern – nämlich innerhalb der EU, das ist ganz wichtig für uns – diesbezüglich auch kooperiert?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Alexander Schallenberg, LL.M.: Ich habe ja vorhin erwähnt, im Januar


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 63

haben der indische Außenminister und ich das Migrations- und Mobilitäts­abkommen mit Indien paraphiert, die Unterzeichnung wird demnächst stattfinden.

Mit Marokko gab es jetzt eine Vereinbarung, in der gemeinsam Beschleuni­gun­gen bei Rückübernahmen, gerade auch von Straffälligen, zugesagt wurden. Das erfolgt auch, das wird auch tatsächlich umgesetzt, das ist sehr erfreulich.

Wie ich vorhin gesagt habe, mit der Mongolei ist das Abkommen fertig, und der Ministerratsvortrag wird demnächst der Bundesregierung vorgelegt werden. Ägypten hat sich bei uns gemeldet, möchte Verhandlungen aufnehmen. Die ersten Gespräche waren sehr positiv. Mit Armenien und Aserbaidschan werden wir sehr bald die Durchführungsabkommen haben. Es ist tatsächlich ein Bohren harter Bretter.

Um Marokko als Beispiel zu nennen: Die Europäische Union hat ein Verhand­lungsmandat für Verhandlungen über ein Rückübernahmeabkommen mit Marokko, weshalb wir aufgrund der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes keines mehr schließen können. Was wir aber gemacht haben, ist eine Vereinbarung, ein Memorandum of Understanding zu schließen, das in diesem Fall politisch sehr viel für uns bringt.

Wir werden diesen Weg weitergehen, aber ja, es ist ein Bohren harter Bretter, weil sich manche Staaten in dem Zusammenhang nicht sehr kooperativ zeigen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage ist jene des Abgeordneten Reimon. – Bitte. 11.23.35


Abgeordneter Michel Reimon, MBA (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Ein Thema, auf das wir die Aufmerksamkeit lenken sollten, bevor es eskaliert, ist China. Die Situation mit Taiwan ist sicher nicht eins zu eins mit der russischen Situation mit der Krim vergleichbar. Trotzdem wird eine Unab­hän­gigkeit nicht anerkannt, und wir sind von Taiwan wohl im Chipbereich mindestens so abhängig wie vom Gas von Russland.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 64

Deswegen die Frage: Wie schätzen Sie die Annäherung zwischen Russland und China ein, die in den letzten Wochen beobachtet wurde? Wie beurteilen Sie den Einfluss auf den Ukrainekrieg?

*****

Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 258/M, hat folgenden Wortlaut:

„Wie schätzen Sie die Rolle Chinas gegenüber Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine ein, insbesondere vor dem Hintergrund des schwelenden Konflikts mit Taiwan?“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Alexander Schallenberg, LL.M.: Es ist schwer, das ganz kurz zu beantworten. Ich hatte ja in München die Gelegenheit, mit Staatsrat Wang Yi darüber zu sprechen, und habe ihn auch daran erinnert: China ist ständiges Mitglied des UNO-Sicherheitsrates und hat auch eine globale Verantwortung, die es auch wahrnehmen muss.

Ganz offen: Der Zwölfpunkteplan, den China zur Ukraine vorgelegt hat, ist ein außenpolitischer Blindgänger und ist sozusagen die versuchte Quadratur des Kreises, die nicht gelingt, denn China hat eine klare Politik des Respektierens der Souveränität und der territorialen Integrität. Das nehmen sie auch für sich in Anspruch, gleichzeitig wollen sie aber Russland nicht auf den Schlips treten. Genauso sieht dieser Plan auch aus. Ich nenne das manchmal die prorussische Neutralität.

Es ist aus meiner Warte ganz klar: China hat kein Interesse an einer Fortdauer des Krieges. It’s bad for Business, könnte man zynisch formulieren. Für uns ist aber wichtig, was wir alle wissen, wie eingangs bei der Debatte nach der Rede


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 65

von Präsident Selenskyj von Abgeordnetem Lopatka auch erwähnt wurde: Wie wir uns momentan verhalten, wird wesentliche Auswirkungen auf unser Standing haben, auf die Art, wie wir betrachtet werden, und welche Vorbild­wirkung der russische Aggressor in der Ukraine vielleicht für andere Staaten hat. Deswegen ist es so eine wesentliche systemische Auseinandersetzung, in der wir uns befinden.

Wir wissen, es wird nicht nur China sein. Taiwan, also die Südchinesische See, ist quasi die Aorta der globalen Weltwirtschaft. Wenn dort ein Konflikt entstehen würde, würde das vermutlich noch sehr viel schlimmere Auswirkungen auf uns hier in Österreich haben als momentan der Krieg in der Ukraine. Das heißt, das hat einen unmittelbaren Zusammenhang, und daher gibt es auch unsere ganz klare Linie und Kante beim Ukrainekonflikt.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordneter Michel Reimon, MBA (Grüne): Daraus ergibt sich die Zusatzfrage: Wie schätzen Sie derzeit unsere diplomatischen Beziehungen zu China ein?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Alexander Schallenberg, LL.M.: Nun, wir haben bestehende diplomatische Beziehungen. Es ist nicht schwarz-weiß, wir brauchen China. Denken wir nur an das Klima, denken wir an die COP-Konferenzen! Auch da werden wir ohne Russland und ohne China keine Fortschritte für das Weltklima erzielen. Es braucht einen Dialog, der aber nichts ausschließt, der auch klar die Menschen­rechte anspricht: Hongkong, Xinjiang, Meinungsfreiheit.

Ein Begriff ist für mich in der Beziehung mit China ganz wesentlich: Level-Playing-Field, gleiche Bedingungen. Wenn sie zum Beispiel hier in Europa investieren können, dann wollen wir dasselbe dort; wenn sie hier ihre Meinung frei äußeren können, dann wollen wir dasselbe dort. Wir wollen also einfach


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 66

dieselben fairen Rahmenbedingungen auf beiden Seiten. Das ist momentan noch ein Problem.

Wir dürfen nicht auf einem Auge blind sein: China und Russland sind Brüder im Geiste, was den Umbau der internationalen Sicherheitsstruktur und Sicherheitsarchitektur betrifft. Denken wir an die gemeinsame Erklärung zu Beginn der Olympischen Winterspiele in Peking, als Putin damals in Peking Xi Jinping besucht hat! Das ist eine Kampfansage an all das, was wir eigentlich seit 1945 aufgebaut haben.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage: Frau Abgeordnete Rausch. – Bitte.


Abgeordnete Mag. Bettina Rausch (ÖVP): Das Feld ist jetzt thematisch aufbereitet. Auch wenn die Situation in Taiwan und in der Ukraine natürlich in dem Sinn nicht vergleichbar ist und auch wenn die Position Chinas zum Ukrainekrieg doch eine, wie Sie es genannt haben, prorussisch-neutrale ist, es da vielleicht kleine Konfliktlinien gibt, wissen wir doch, dass diese beiden Staaten, Russland und China, ein sehr enges und eng gepflegtes, gutes Verhältnis zueinander haben. Erst kürzlich hat uns der Besuch des chinesischen Präsidenten in Moskau, denke ich, wieder einmal gezeigt, wie eng diese Beziehungen sind und wie stark die beiden an einem Strang ziehen, wenn es darum geht, unsere Weltordnung in ihrem Sinne umzubauen.

Jetzt stelle ich die Frage: Welche Chancen sehen Sie auch in den Kontakten mit anderen Staaten der Europäischen Union? Welche Chancen sehen Sie für die Europäische Union in diesem Systemwettbewerb?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Alexander Schallenberg, LL.M.: Ich glaube, als Europäische Union haben wir eigentlich sehr früh die Zeichen der Zeit erkannt und haben ja China als Partner, als Konkurrenten und als systemischen Rivalen bezeichnet. Das ist


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 67

eigentlich unsere Linie. Gerade in letzter Zeit merkt man vor allem das Letztere, den systemischen Rivalen. Das ist ja nicht nur in Bezug auf Russland zu sehen, sondern auch im globalen Süden, wie man ihn bezeichnen könnte. Auch da sind wir in einer wirklichen Wettbewerbs- und Rivalitätssituation mit China, aber auch mit Russland.

Das heißt, für uns, für mich ist sehr wichtig, dass wir auf europäischer Ebene nicht in eine Nabelschau verfallen, dass wir sehen, das ist tatsächlich eine Entwicklung, die globale Auswirkungen hat. Ich habe in den letzten Wochen sehr viele Gespräche mit Vertretern afrikanischer Staaten geführt, und es ist immer sehr ernüchternd, zu sehen, wie sie eigentlich die Welt sehen. Wir haben das Gefühl, es geht hier quasi um eine Bipolarität, eine Auseinandersetzung: Demokratiefreiheit auf der einen Seite, autoritäres Regime auf der anderen Seite. Das wäre vergleichbar mit der Situation, wie wir sie im Kalten Krieg hatten. Die sehen das ganz anders, sie haben das Gefühl, es gibt eine Fragmentierung, es gibt viele Machtzentren, mit denen man sich arrangieren muss, mit denen man irgendwie zurechtkommen muss: Man macht mit dem einen Handel, vom anderen kauft man Kriegsmaterial und mit dem Dritten macht man Kulturprojekte.

Das sehen wir anders, und das ist sicher eine Herausforderung, der wir uns stellen müssen. Wir müssen im Outreach stärker werden, sozusagen im Handreichen, besonders auch gegenüber afrikanischen Staaten oder asiatischen Staaten.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt die Abgeordnete Brandstötter. – Bitte. 11.29.37


Abgeordnete Henrike Brandstötter (NEOS): Die Abgeordnete Brandstötter, Herr Präsident.

Sie haben vorhin, Herr Bundesminister, bei einer anderen Frage angemerkt, dass sich bestimmte Parteien gegen Rückführungsabkommen stellen. Ich weiß nicht,


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 68

ob Sie damit die ÖVP meinen, denn die vertagt ja immer auch unsere diesbezüglichen Anträge.

Worum geht es? – Der gegenwärtige Zustand des Europäischen Asylsystems ist ja nicht besonders zufriedenstellend, insbesondere bei den Rückführungen besteht großer Verbesserungsbedarf. Da hat sich die Kommission schon 2018 das Ziel gesetzt, 70 Prozent der abgelehnten Asylwerber:innen zurück in ihre Heimatländer zu schicken. Davon ist man aber nach wie vor weit entfernt. Im EU-Durchschnitt wurden nicht mehr als 30 Prozent Rückführungen erreicht.

Jetzt sind diese Rückführungsabkommen ja auch ein wichtiger Baustein, um Personen, die eben kein Recht auf Asyl haben, zurückzuschicken. Diese Abkommen stellen ja sicher, dass Staaten ihre Staatsbürger im Falle eines rechtskräftigen, negativen Bescheids dann auch zurücknehmen. Jetzt weigern sich aber einige Staaten, ihre Staatsbürger zurückzunehmen, daher sollte man natürlich auch darüber sprechen, ob wir da nicht auch Handelsabkommen als Hebel einsetzen sollten.

Meine Frage diesbezüglich: Das Außenministerium arbeitet seit Langem an einer Afrikastrategie, die ja jetzt hoffentlich bald fertig wird. Die Regierung vertagt alle Anträge, die Entwicklungszusammenarbeit und den Handel an die Rücknahmeabkommen zu koppeln.

Deshalb meine Frage:

256/M

„Wird es in der Afrikastrategie Konditionalität geben, die die Rücknahme von Staatsbürger:innen durch ihre Heimatstaaten an Handelsprivilegien und OZA Projekte knüpft?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 69

Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Alexander Schallenberg, LL.M.: Dazu muss ich eigentlich nicht auf die Afrikastrategie warten und ich bin froh, zu sehen, dass wir da eines Sinnes sind. Was ich hier vorher schon gesagt habe: Ich bin sehr für einen holistischen Ansatz, dass man nämlich Beziehungen zu einem Staat – und in diesem Fall zum Beispiel einen Herkunftsstaat von Migration – gesamthaft betrachtet und sagt: Wir betreiben Handel, wir haben vielleicht ein Visaliberalisierungsregime, wir haben in der Entwicklungszusammenarbeit Projekte, aber bei der Migration hapert es. Dann muss man auch die entsprechenden Hebel einsetzen können. Ich bin froh, dass in der Europäischen Union da ein Umdenken stattfindet, wir haben die Konditionalität ja bereits im Dreijahresprogramm zur Entwicklungs­zusammenarbeit drinnen, ich muss diesbezüglich also nicht auf die Afrika­strategie warten.

Wie ich vorher erwähnt habe, bin ich auch froh, dass man auf europäischer Ebene jetzt schon beginnt, einen wesentlichen Hebel in die Hand zu nehmen, nämlich Zollpräferenzen, dass man zumindest die Rute ins Fenster stellt, dass man auch Zollpräferenzen zurücknehmen könnte, wenn es einfach systematisch keine Zusammenarbeit bei der Rückübernahme gibt, wenn Heimreisezertifikate nicht ausgestellt werden, et cetera, et cetera.

Die Afrikastrategie, weil Sie es vorhin erwähnt haben, werden wir heuer noch im Laufe des Jahres vorlegen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Brandstötter? – Bitte.

Ich habe vorhin Frau Brandstötter statt Frau Abgeordnete Brandstötter gesagt. Entschuldigung, aber jetzt passe ich genau auf. – Bitte sehr.


Abgeordnete Henrike Brandstötter (NEOS): Zur Afrikastrategie meine Nachfrage: Ich freue mich ja, wenn sie dann auch einmal das Licht der Welt erblickt. Der Kanzler sagte ja auch in seiner Rede, man müsse Afrika auf


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 70

Augenhöhe begegnen. Dahin gehend auch meine Nachfrage: Wie stehen Sie denn dazu, die Restitution afrikanischer Raubkunst auch in die Afrikastrategie aufzunehmen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Alexander Schallenberg, LL.M.: Nun, ich glaube, das ist natürlich vor allem einmal eine außenpolitische Strategie, aber wenn man da den holistischen Ansatz nimmt, sehe ich da kein Problem, dass wir dieses Element auch hineinnehmen.

Es gibt ja im Kulturministerium eine eigene Gruppe, bei der das Außenminis­terium auch dabei ist. Wir haben uns schon dazu ausgetauscht, und ich möchte den Ergebnissen dieser Gruppe nicht vorgreifen. Was ich also nicht haben möchte, ist, dass wir mit dieser Strategie dieser Expertenrunde da jetzt irgendwie vorgreifen.

Aber ja, wenn man Augenhöhe sagt, das ist auf afrikanischer Seite etwas, das ihnen wichtig ist. Was ich aber auch mit Augenhöhe meine, ist, dass wir die Zusammenarbeit mit dem afrikanischen Kontinent nicht nur im Hinblick auf die Sicherheitsthematik, auf die Migrationsthematik sehen, sondern da geht es auch um Zusammenarbeit, Innovation, Energie, Umwelt, Technologie. Das ist sicher ein Kontinent mit enormem Potenzial, und es geht auch darum, das in dieser Strategie entsprechend abzubilden.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Herr Abgeord­neter Minnich. – Bitte sehr. 11.33.57


Abgeordneter Andreas Minnich (ÖVP): Geschätzter Herr Bundesminister! Serbien und Kosovo haben eine sehr schwierige Beziehung. Die EU und Österreich versuchen, zu vermitteln und eine Annäherung zu fördern. Sie haben da auch einen sehr großen Anteil. Herzlichen Dank dafür!


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 71

2023 soll das Jahr werden, in dem Kosovo und Serbien ihre Beziehungen normalisieren. Meine Frage an Sie lautet:

253/M

„Wie ist Ihre Einschätzung hinsichtlich der nächsten Schritte in der Normalisierung der Beziehungen zwischen Serbien und dem Kosovo?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Alexander Schallenberg, LL.M.: Vielen Dank für die Frage, weil das tatsächlich ein Thema ist, das uns massiv im Außenministerium – auch mich persönlich – betrifft, nämlich alles, was in Wirklichkeit Südosteuropa, den Westbalkan betrifft. Ich hatte gerade in Doha wieder die Gelegenheit, mit Präsident Vucić darüber zu sprechen.

Wichtig ist, einmal zu sagen: Das Glas ist halb voll. Es gibt diesen Rahmen der Normalisierung, auf den sich beide geeinigt haben. Der Teufel steckt natürlich im Detail, weil es jetzt sozusagen um den Umsetzungsfahrplan geht. Da gab es vor Kurzem in Ohrid eine über 12 Stunden dauernde Verhandlung, und beide Seiten tun sich schwer, das ist ganz klar, auch aus innenpolitischen Gründen.

Ich glaube aber, was einmal gelungen ist, ist, dass es eine Grundsatzeinigung gibt. Jetzt müssen wir schauen, dass sie Schritt für Schritt umgesetzt wird. Es gibt auf der einen Seite für den Kosovo natürlich Zugang und Beitritt zu internationalen Organisationen – das ist eines der sichtbaren Elemente –, für die Serben geht es auf der anderen Seite um die Anerkennung der serbischen Communities und Gemeinden im Norden des Kosovo. Das sind beides sehr heiße Eisen.

Ich kann nur sagen, der Sonderbeauftragte der EU, Miroslav Lajcák, leistet echt Titanenarbeit in diesem Zusammenhang. Ich hatte letzte Woche den serbischen Außenminister, Ivica Dacić, hier in Wien zu Gast und habe ihm, damit kein


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 72

Missverständnis aufkommt, auch ganz klar auf gut Englisch gesagt: This is the only show in town! Das ist die einzige Möglichkeit, es gibt keine Alternative zu diesem Normalisierungsweg. Das ist das Nadelöhr, durch das die ganze Region gehen muss. Serbien wird sich mit einer Annäherung an die Europäische Union auch schwertun, solange die Kosovofrage nicht einer Normalisierung zugeführt wurde.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Minnich? – Bitte.


Abgeordneter Andreas Minnich (ÖVP): Werter Herr Bundesminister! Kosovo ist das jüngste Land Europas mit der jüngsten Bevölkerung. Die Frage lautet: Unterstützen Sie die Beitrittsanträge des Kosovo zur EU beziehungsweise zum Europarat in der derzeitigen Situation?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Alexander Schallenberg, LL.M.: Ganz klare Antwort: Ja! Wir haben in Thessaloniki vor 20 Jahren – wenn ich sage wir, dann meine ich nicht Österreich, sondern die gesamte Europäische Union – das Versprechen abgegeben, dass jeder Staat dieser Region – und ich spreche lieber von Südosteuropa, weil es eben Europa ist, der Westbalkan ist umgeben von EU-Mitgliedstaaten – die Option und die Perspektive hat, eines Tages Vollmitglied der Europäischen Union zu werden. Dieses Versprechen müssen wir einhalten. Das ist eine geostrategische Aufgabe und eigentlich der geostrategische Litmus Test für die Europäische Union.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Abgeordnete Bayr. – Bitte sehr. 11.36.57


Abgeordnete Petra Bayr, MA MLS (SPÖ): Herr Außenminister! Jede dritte Frau über 15 Jahren in der EU wird wenigstens einmal in ihrem Leben Opfer von sexueller und/oder körperlicher Gewalt. Man kann fast davon reden, dass


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 73

Männergewalt eine Art Pandemie ist. Wir wissen auch, dass die Istanbul­konvention und eine gute Implementierung der Istanbulkonvention quasi der Goldstandard ist, um gegen Gewalt in der Familie und im Nahraum zu agieren.

Meine Frage lautet:

261/M

„Mit welchen Initiativen setzen Sie sich dafür ein, dass die EU das Überein­kommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, auch bekannt als Istanbul-Konvention, unterzeichnet, nachdem der Europäische Gerichtshof nun bestätigt hat, dass die EU dem Übereinkommen auch ohne Einstimmigkeit im Rat beitreten kann?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Alexander Schallenberg, LL.M.: Ich kann nur sagen: Für uns ist und bleibt die Istanbulkonvention der Goldstandard – wenn man so will – in diesem Zusammenhang. Wir haben ja damals auch darüber gesprochen, als die Türkei plötzlich ihre Politik sehr drastisch geändert hat. Natürlich treten wir für die Ratifikation möglichst vieler Staaten, aber auch für den Beitritt der EU ein.

Das haben wir schon während unserer EU-Präsidentschaft 2018 getan. Damals ist es noch am Widerspruch, am Veto einiger Staaten Osteuropas gescheitert. Ich bin daher sehr froh, dass es jetzt dieses Gutachten des Europäischen Gerichtshofs gibt, das sagt, dass die qualifizierte Mehrheit reicht.

Wir haben diese qualifizierte Mehrheit ja in der Zwischenzeit im Rat erreicht und ich hoffe, dass das Europäische Parlament jetzt sehr rasch seine Zustimmung gibt, damit wir hier Nägel mit Köpfen machen und die Europäische Union als Ganzes der Istanbulkonvention beitritt. Ich glaube, das wäre ein sehr wichtiges politisches Signal.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 74

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Bayr? – Bitte.


Abgeordnete Petra Bayr, MA MLS (SPÖ): Das beantwortet zwar nicht meine Frage nach Ihren Initiativen dazu, aber sei’s drum.

Leben ohne Gewalt ist sicherlich ein Menschenrecht. In der Regierungsverein­barung kommt das Wort Menschenrechte 45 Mal vor, sei es im Kontext mit dem Nationalen Aktionsplan oder als mehrjährige Strategie oder zur Ratifizierung relevanter Instrumente und Zusatzprotokolle.

Amnesty International hat diese Woche im Zuge der Veröffentlichung ihres Jahresberichts konstatiert, dass Österreich kein gutes Zeugnis in Sachen Menschenrechten auszustellen ist. Amnesty spricht konkret davon, dass Österreich an einem Wendepunkt sei.

Mich würde interessieren, welche drei konkreten Maßnahmen in Sachen Menschenrechte Sie denn in Ihrer verbleibenden Zeit als Außenminister umsetzen werden, um da eine Trendwende zum besseren Schutz von Menschenrechten zu garantieren.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Alexander Schallenberg, LL.M.: Ich möchte einmal von meiner Warte eine ganz grundsätzliche Bemerkung dazu machen: Es ist völlig legitim, zu sagen, dass etwas nicht perfekt ist. Ich glaube, es wäre von einem Staat – wurscht, welcher Staat auf dieser Welt – vermessen, zu sagen: Bei Menschenrechten haben wir 100 Prozent erreicht. Das ist wie bei der Demokratie, das kann nur sozusagen im faustischen Sinne ein tägliches Bemühen sein, es ist nie zur Gänze erreicht.

Es ist legitim, auch Kritik zu üben. Ich glaube nur, manchmal übertreibt man leicht, wenn man von einer Trendwende spricht: Ich sehe das überhaupt nicht


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 75

und ich weiß nicht, wie oft in Bezug auf welche Staaten da schon solche Wortmeldungen abgegeben wurden.

Ich glaube, dass in Wirklichkeit vom Blickpunkt von 90 Prozent, wenn nicht 95, 98 Prozent, aller Staaten dieser Welt aus diese gerne mit Österreich und seinen Problemen tauschen würden. Das kann ich nur als Außenminister sagen.

Um Ihre Frage zu beantworten: Wir haben ja heuer 30. Jubiläum der UNO-Weltkonferenz über Menschenrechte. Wir werden im Juni ein großes Symposium haben, zu dem wir Menschenrechtsverteidiger:innen einladen. Ich möchte aber nicht nur einen Akt, sondern ich möchte eigentlich, dass das ganze Jahr über – und ich bin auch dankbar, dass das Parlament mitmachen wird – von NGOs, von Institutionen, von Thinktanks, auch von Unternehmen verschiedene Aspekte – das beginnt bei Cyber und Digitalisierung – der Herausforderungen für Menschenrechte, bis zu Frauenrechten und Kinderrechten, thematisiert und aufgegriffen werden.

Meine Rolle als Außenminister ist natürlich eher nach außen gerichtet und nicht nach innen gerichtet. Menschenrechtspolitik – denken wir an die Entwicklungs­zusammenarbeit! – ist ein Kernelement, ist quasi Kern-DNA des österreichischen Außenministeriums und der österreichischen Außenpolitik. Diese Politik werden wir weiter betreiben, sei es im multilateralen Kontext, sei es im Menschenrechts­rat, sei es im Europarat oder auf der EU-Ebene. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die letzte Anfrage stellt Abgeordneter Gahr. – Bitte. 11.41.14


Abgeordneter Hermann Gahr (ÖVP): Herr Bundesminister! Österreichs Bundesregierung, aber auch wir im Nationalrat pflegen einen permanenten und direkten Austausch mit Südtirol auf allen politischen Ebenen. Gerade letzte Woche hat eine Südtiroler Landtagsdelegation das Hohe Haus besucht, und es gab intensive Gespräche zu aktuellen Themen, zum Beispiel zu den Themen


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 76

Autonomie, Schutzfunktion, zu den Themen Verkehr, Bildung, aber auch zum Thema Recht auf Muttersprache. Auch die Tiroler Landesregierung ist bemüht, laufend gerade das Thema Europaregion Tirol zu positionieren.

Herr Bundesminister, meine Frage lautet:

254/M

„Welche Maßnahmen setzen Sie im Hinblick auf die Wiederherstellung der Autonomiekompetenzen Südtirols durch die neue italienische Regierung?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Alexander Schallenberg, LL.M.: Also ich muss sagen, dass ich eigentlich von der sehr deutlichen und positiven Haltung der neuen italienischen Regierung unter Meloni sehr positiv überrascht bin. Ich habe mehrere Gespräche mit meinem italienischen Kollegen Antonio Tajani gehabt, der im Dezember da war und auch Worte gewählt hat, die man in der Vergangenheit in dieser Form von italienischer Seite nicht gehört hat. Also ich glaube, die Voraussetzungen sind ehr gut.

Wir sind in diesem Zusammenhang natürlich auch in regelmäßigem Kontakt mit Landeshauptmann Kompatscher. Österreich wird diese Rolle, die wir haben, auch weiterhin wahrnehmen, und es gibt jetzt sehr konkrete Gespräche sowohl mit Rom als auch den anderen Regionen, damit Maßnahmen gesetzt werden, die künftig ausschließen, dass zum Beispiel durch die Judikatur des Verfassungs­gerichtshofes in Rom eine Aushöhlung stattfindet, damit entsprechende Kompetenzen im Landesbeamtendienstrecht zum Beispiel wieder zu Südtirol zurückkommen und vor allem, damit künftig Änderungen nur noch mit Zustimmung der Regionen erfolgen können. Ich glaube, das wären sehr wesent­liche Pfeiler.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 77

Ich bin guten Mutes, weil es sehr, sehr positives Feedback, sehr positive Gespräche mit Rom in diesem Zusammenhang gibt.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Gahr? – Bitte.


Abgeordneter Hermann Gahr (ÖVP): Junge Südtirolerinnen und Südtiroler studieren in Österreich, vor allem jene mit deutscher Muttersprache, und es kommt immer wieder zu Befindlichkeiten oder auch Ablehnungen, was die Anerkennung von Studientiteln betrifft.

Wie stellt sich der aktuelle Stand, Herr Bundesminister, im Hinblick auf die gegenseitige Anerkennung von Studientiteln dar?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Alexander Schallenberg, LL.M.: Also auch da muss ich sagen: Gut Ding braucht Weile. Wir haben da aber wirklich einen Durchbruch erzielt. Im Dezember gab es eine Tagung der gemischten Expertenkommission zu diesem Thema, und da wurde über alle 26 aufgelisteten Anerkennungs- und Studientitelbereiche Einigung erzielt. Also da können wir wirklich sagen – Daumen nach oben! –: Es geht vorwärts.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage: Abgeordneter Wurm. – Bitte.


Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ): Herr Minister! Sie waren ja heute auch da bei dieser Selenskyj-Veranstaltung. Da ist ja von allen Fraktionen mehr oder weniger das Heldentum der Ukrainer gelobt worden.

Jetzt meine Frage zum Thema Südtirol von Kollegen Gahr: Wie sehen Sie denn den Freiheitskampf und die Helden des Tiroler Freiheitskampfes und die Begnadigung, die in diesem Bereich nach wie vor aussteht? (Zwischenruf des Abg. Gerstl.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 78

Was mir sehr am Herzen liegt – Sie wissen es; wir haben es ja im Ausschuss besprochen, und ich hoffe, ich bekomme heute eine Antwort –, ist natürlich: Wie steht es mit der mittlerweile 104-jährigen Hermine Orian, die als Altöster­reiche­rin den letzten Herzenswunsch hat, als Österreicherin zu sterben?

Sie haben ja versprochen, Sie werden das im Ministerrat demnächst durchbrin­gen. Sie haben es ein bisschen auf den Innenminister geschoben, meines Wissens könnten Sie es selber auch initiieren. Ich habe Ihnen damals wirklich die Chance gegeben, das gütlich zu beenden, Herr Minister, weil Sie gesagt haben, Sie haben ein Herz für diese alte Dame.

Jetzt wollte ich heute noch einmal ganz offiziell fragen: Wann kann man Hermine Orian mit mittlerweile 104 Jahren endlich die frohe Botschaft überbringen, dass die österreichische Bundesregierung aus ÖVP und Grünen so viel Herz hat, dieser Dame ihren letzten Wunsch zu erfüllen und ihr die Staatsbürgerschaft zu verleihen?

Sie wissen, es spricht nichts dagegen. (Ruf bei der ÖVP: Hallo! 1 Minute!) Ich habe aber nach wie vor den Eindruck, man spielt da auf Zeit, und deshalb, Herr Minister, bitte ich heute noch einmal um eine klare Aussage: Wann können wir der Dame diese frohe Botschaft endlich überbringen? – Danke.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Alexander Schallenberg, LL.M.: Also zum einen: Ich habe ein Herz für diese Angelegenheit. Zum Zweiten: Ich verstehe total die Emotionalität. Sie werden aber verstehen, dass auch Emotionen den Rechtsrahmen nicht aushebeln, und es gibt gewisse Voraussetzungen für die Staatsbürgerschaft im Staatsbürger­schaftsrecht, die verankert sind.

Wir, das Außenministerium, sind nicht verfahrensführende Behörde, das sind wir schlicht und ergreifend nicht. Es stimmt auch nicht, wenn Sie sagen, ich könnte


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 79

das initiieren. Das kann ich nach dem Bundesministeriengesetz schlicht und ergreifend nicht machen.

Es ist aber sicher nicht richtig, dass wir es aufschieben. Da würde ich Sie bitten, dass Sie die Frage an den zuständigen Minister richten.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich danke sehr.

Es sind alle Anfragen zum Aufruf gelangt, und damit erkläre ich die Fragestunde für beendet. Ich bedanke mich beim Herrn Außenminister ganz herzlich. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

11.46.32Einlauf


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungs­gegenstände verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Schriftliche Anfragen: 14625/J bis 14712/J

2. Anfragebeantwortungen: 13386/AB bis 13387/AB

*****

Behandlung der Tagesordnung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Es ist vorgeschlagen, die Debatten über die Punkte 1 und 2, 3 bis 5, 10 und 11, 18 und 19 sowie 20 bis 23 der Tagesordnung jeweils zusammenzufassen.

Gibt es dagegen einen Einwand? – Das ist nicht der Fall.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 80

Redezeitbeschränkung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: In der Präsidialkonferenz haben wir Einigung über die Tagesblockzeit erzielt. Sie beträgt 9 „Wiener Stunden“. Dementsprechend ergeben sich die gleichen Redezeiten wie gestern: ÖVP 176, SPÖ 122, FPÖ 99, Grüne 90 und NEOS 72 Minuten.

Gemäß § 57 Abs. 7 der Geschäftsordnung beträgt die Redezeit für Abgeordnete, die keinem Klub angehören, insgesamt 36 Minuten. Die Debattenredezeit ist mit 5 Minuten begrenzt.

Wir kommen gleich zur Abstimmung über die eben dargestellten Zeiten.

Wer mit diesen Zeiten einverstanden ist, den bitte ich um ein dementsprechen­des Zeichen der Zustimmung. – Es ist jetzt einstimmig. – Danke schön.

*****

Wir gehen in die Tagesordnung ein.

11.47.471. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (1904 d.B.): Rahmenabkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Regierung Malaysias andererseits (1983 d.B.)

2. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (1905 d.B.): Rahmenabkommen über umfassende Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und dem Königreich Thailand andererseits (1984 d.B.)



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 81

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen zu den Punkten 1 und 2 der Tagesordnung, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist als Erster Abgeordneter Kassegger. Bei ihm steht das Wort. – Bitte sehr.


11.48.33

Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (FPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Es geht bei diesen Tagesordnungspunkten um zwei Rahmenabkommen, bei denen der Europäischen Union auf Grundlage eines Beschlusses des Rates das Mandat gegeben wird, diese abzuschließen, und zwar mit Malaysia und Thailand.

Es sind keine Handelsabkommen, Freihandelsabkommen, die wir grundsätzlich befürworten, wenn sie gut gemacht sind, sondern es sind generell formulierte Rahmenabkommen mit vielen, vielen Punkten drinnen, und da sind einige Punkte drinnen – deswegen auch unsere Ablehnung zu diesen Punkten –, die wir nicht für angebracht beziehungsweise für überschießend halten – dies zum einen.

Zum anderen: Das ganze Prozedere wird seitens der Freiheitlichen Partei auch in Zukunft kritischer betrachtet werden, nämlich insoweit, als da sehr lose formu­lierte Rahmenabkommen und Richtlinien, sogenanntes Soft Law, auf multilatera­ler Ebene beschlossen werden. Das Ganze klingt sehr gut. Sehr, sehr viele Rechte – ich spreche da von Agenda 2030, SDGs und so weiter – werden da definiert, und das Ganze wird dann mehr oder weniger unter Ausschluss der österreichischen Bevölkerung und Öffentlichkeit konkretisiert.

Letztlich resultieren daraus am Ende ganz konkrete Verpflichtungen für jeden einzelnen Österreicher, der in diesem Prozess nicht gefragt wird und auch nur sehr mangelhaft informiert wird. Das ist eine grundsätzliche Entwicklung, die wir nicht gutheißen. Die Freiheitliche Partei startet auch eine Initiative zur Änderung des Artikel 1 Bundes-Verfassungsgesetz insoweit, als dass wir wollen, dass der


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 82

Artikel geändert wird auf: Österreich ist eine demokratische, wehrhafte, immer­während neutrale, souveräne Republik. Ihr Recht geht vom österreichischen Volk aus.

Wir stellen ganz allgemein fest, dass die Kompetenzen – und das ist auch durchaus ein Bestandteil unserer EU-Kritik – für Entscheidungen, die das Leben eines jeden einzelnen Österreichers betreffen, immer weiter von den Institu­tionen im Rahmen der direkten Demokratie beziehungsweise der Institution, die im Rahmen der repräsentativen Demokratie das Interesse der Österreicher vertritt, nämlich dem österreichischen Parlament, weggehen, hin zu multinatio­nalen, supranationalen Organisationen. Die Europäische Union und die Vereinten Nationen haben nun das große Programm Sustainable Development Goals – 17 SDGs –, die Konsequenzen haben letztlich aber die Österreicherinnen und Österreicher zu tragen.

Das heißt, unsere Initiative geht in die Richtung einer Stärkung der Demokratie, demos kratein. Eine Demokratie zeichnet sich dadurch aus, dass möglichst viele Normunterworfene, also Gesetzunterworfene – und da reden wir von öster­reichischen Staatsbürgern – am Entscheidungsfindungsprozess beteiligt sind; im Gegensatz zu einer Herrschaft der Wenigen, der Eliten, einer Oligarchie, in der Wenige am Entscheidungsprozess beteiligt sind.

Diese Entwicklung bereitet uns Sorge: die Kompetenzverteilung, wenn etwa wenige Personen entscheiden, dass wir nun die Treibhausgase nicht um 40, sondern um 55 Prozent reduzieren müssen, dass dafür 750 Milliarden Euro aufgenommen werden müssen und dass die Friedensfazilität von 3,5 Milliarden Euro erst auf 5 Milliarden Euro und nun auf 8 Milliarden Euro erhöht wird. Das geht an den österreichischen Bürgern vollkommen vorbei, 99,9 Prozent von ihnen wissen davon überhaupt nichts. Da reden wir dann von 240 Millionen Euro statt 60 Millionen Euro Belastung für den österreichischen Steuerzahler. Diese Dinge sehen wir sehr, sehr kritisch.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 83

Und auch in diesen Abkommen sind ein paar Punkte drin, die wir so nicht gut­heißen können. Ich nenne nur zwei: Das Erste ist eine vollkommen über­schießende Bedeutung des Klimawandels einhergehend mit Verpflichtun­gen, dann auch kräftig an der CO2-Bepreisung mitzumachen. Da gehen wir nicht mit.

Das Zweite ist die Achtung der Grundsätze der Nichtzurückweisung an den Grenzen – also der Irrglaube, man löse ein Migrationsproblem dadurch, dass man effektiv und effizient verteilt. Da sind wir vollkommen anderer Ansicht: Die Zurückweisung derjenigen, die nicht legitim Ansprüche stellen, muss selbstver­ständlich möglich sein.

Das heißt, in diesen Rahmenabkommen sind, neben diesen grundsätzlichen Überlegungen, Punkte verpackt, mit denen wir als Freiheitliche Partei nicht mitgehen können, weswegen wir hier bei beiden Rahmenabkommen unsere Zustimmung nicht geben. (Beifall bei der FPÖ.)

11.53


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Als Nächster zu Wort gelangt Abgeordneter Melchior. – Bitte sehr.


11.53.44

Abgeordneter Alexander Melchior (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Lieber Wirtschaftsbund aus Grieskirchen, ich heiße euch alle herzlich willkommen! Ich sehe euch da oben gerade nicht, ich hoffe ihr seid hier. – Ah, da oben! Herzlich willkommen im österreichischen Parlament! (Beifall bei der ÖVP.) Es ist noch nicht bestätigt, aber angeblich habt ihr ja einige Spezialitäten von zu Hause mit – Grieskirchner Bier, hoffe ich –, vielleicht gibt es also noch die eine oder andere Verköstigung. (Beifall der Abg. Baumgartner.)

Ich möchte mich auch zum Thema Rahmenabkommen zu Wort melden und möchte kurz auf meinen Kollegen Axel Kassegger zu sprechen kommen. Die


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 84

Freiheitliche Partei, das ist nun seit längerer Zeit zu beobachten, nimmt immer einfach eine Position ein – und die ist: dagegen. Das ist immer so, egal, worum es geht, man sucht gar nicht nach Gründen. Auch deine Gründe, die du genannt hast, waren nun nicht so sattelfest, dass man sagt: Ah, darum geht es! Ihr nehmt euch wahrscheinlich einfach die Liste her und schaut euch an, wer dafür ist – okay, alle sind dafür (Abg. Kassegger: Na! Woher weißt du, welche Motive wir haben? Das ist ja deine subjektive Beurteilung ...!), also müssen wir dagegen sein! – Gut, das nehmen wir so zur Kenntnis.

Wir nehmen aber auch zur Kenntnis – und ich glaube, da sind wir uns irgendwie einig –, dass Partnerschafts- und Kooperationsabkommen für die Außenpolitik einerseits für die Europäische Union in Zusammenarbeit mit den Ländern, andererseits aber auch für uns als Mitgliedsland in Verbindung mit diesen Län­dern ein extrem wichtiges Instrument sind.

Solche Abkommen gibt es ja viele an der Zahl. Auch das, über das wir nun sprechen, hatte ein Vorgängerprogramm; und dieses neue Rahmenprogramm soll das bereits bestehende, nämlich das Abkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und den Mitgliedsländern des Verbandes Südostasia­tischer Nationen, ersetzen.

Was ist nun aber das Ziel dieses Abkommens, das wir nun weiter besprechen werden? – Das Ziel ist es, die wirtschaftlichen und politischen Beziehungen auf eine höhere Ebene zu heben – gut. Aber schauen wir es uns noch einmal konkret an: Worum geht es? – Das sind drei Punkte.

Erstens werden gemeinsame Werte und Grundsätze bekräftigt. (Abg. Kassegger: Na, das ist ja genau das, was ich gesagt habe, das ist Wischiwaschi! Wischiwaschi, Wischiwaschi!) – So, das ist einmal wichtig. Das ist ja etwas Positives, Kollege Kassegger, oder? Das können wir einmal unterstreichen.

Zweitens wird für die Bewältigung gemeinsamer Herausforderungen eine engere Zusammenarbeit angestrebt, wie zum Beispiel bei der Terrorismusbekämpfung.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 85

Da sind wir auch dafür, oder? (Abg. Kassegger: Na, beim Ersten sind wir schon nicht dafür!) – Gut. (Abg. Kassegger: Zum Zweiten haben wir auch ...!)

Drittens soll der politische Dialog gefördert werden und sowohl die politische als auch die wirtschaftliche Zusammenarbeit in Bereichen wie Forschung, Inno­va­tion, Kultur und Wissenschaft intensiviert werden. Auch da sehe ich irgendwie keine Punkte, über die man nun sagen kann, da kann man massiv dagegen sein.

Der Umfang des gegenseitigen Engagements in den Bereichen Wirtschaft und Handel sowie Justiz und Inneres soll erheblich erweitert werden – auch eine sehr positive Entwicklung, kann man nur sagen. Gut ist es, wenn es solche Abkom­men gibt. (Abg. Kassegger: Kommt darauf an!) Gut ist, wenn wir da Möglichkeiten haben, enger zusammenzuarbeiten.

Österreich hatte ja bisher schon gute bilaterale Beziehungen mit Malaysia, sei es in den Vereinten Nationen oder in anderen Bereichen. Es ist aber auch wichtig, dass wir diese mit Rahmenabkommen, wie wir sie nun vorliegen haben, weiter­ent­wickeln. Malaysia, da sind wir wahrscheinlich auch einer Meinung, steht wirtschaftlich gut da. Es ist auch für die österreichische Wirtschaft ein wichtiger Exportmarkt. Jeder zweite Job in Österreich ist direkt oder indirekt vom Außenhandel abhängig, und deswegen ist Malaysia für uns auch eine ganz wichtige Nation, um gut Fuß zu fassen.

Aus meiner Sicht gibt es irgendwie noch immer keinen Grund, da nicht zuzu­stimmen. Ich nehme zur Kenntnis, dass das bei euch anders ist. Ich möchte mich aber an dieser Stelle bei allen bedanken, die auf internationaler Ebene mitge­wirkt haben, dass dieses Abkommen zustande kommt. Ich möchte mich bei allen bedanken, die auch weiterhin bemüht sind, Abkommen wie diese weiterzuent­wickeln und voranzutreiben, um die Zusammenarbeit anderer Länder mit der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten im Speziellen voranzubringen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 86

Nun möchte ich, weil ich das immer bei außenpolitischen Punkten mache, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Außenministerium herzlich Danke schön sagen. (In Richtung Bundesminister Schallenberg:) Bitte richten Sie die besten Grüße aus! – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Disoski.)

11.58


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Leichtfried. – Bitte sehr.


11.58.24

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Luftlinie von Wien nach Thailand misst über 8 300 Kilometer, nach Malaysia 9 400 Kilometer; aber egal, wie weit solche Entfernungen sind, ich finde, Part­nerschaft und Zusammenarbeit ist über nahe Distanz, aber auch über ferne Distanz extrem wichtig.

Bei den Zielen dieses Abkommens handelt es sich um die Schaffung eines geeig­neten Rahmens für intensiveren Dialog zwischen der EU und diesen beiden Ländern, um die Förderung des Handels, die Förderung von Investitionen und natürlich auch um die Frage von fortschrittlichen Umwelt- und Nachhaltigkeits­kriterien. Ich denke, das ist sehr wichtig, und da haben wir und die Europäische Union einen guten Weg eingeschlagen. Meines Erachtens ist es auch ein bedeu­tender Beitrag zur Stärkung der Rolle der Europäischen Union in Südost­asien, das ja einen wesentlichen Teil unserer Weltgemeinschaft ausmacht und wo wir bisher wahrscheinlich noch nicht so zentral repräsentiert waren, wie das not­wendig ist.

Ich glaube, es ist aber auch wichtig, dass wir und die Europäische Union insbe­son­dere auf die Situation der Menschenrechte schauen und die Menschen­rechtsfrage immer Teil unserer Gespräche bleiben lassen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 87

Ich finde, es muss uns auch klar sein, dass das, was für uns selbstverständlich ist, Menschen anderswo und auch in diesen beiden Ländern in Gefahr bringen kann. Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, Versammlungsfreiheit: All das gilt in diesen Ländern eingeschränkt, und ebenso gibt es Übergriffe auf politische Aktivisten, Journalisten und Menschenrechtsverteidiger.

Ich denke auch, dass da unsere Gespräche, aber auch unser Druck Dinge bewir­ken können und bewirken sollen und dass es wichtig ist, diese Fragen nicht hintanstehen zu lassen; daher werden wir, geschätzte Damen und Herren, diesen Berichten auch zustimmen.

Herr Außenminister, ich möchte Sie noch einmal auffordern, gerade die Frage der Menschenrechte bei diesen Gesprächen als wesentlichen Bestandteil auch immer vehement anzusprechen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

12.00


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Ernst-Dziedzic. – Bitte sehr, Frau Abgeordnete.


12.00.54

Abgeordnete Dr. Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne): Herr Präsident! Herr Außenminis­ter! Werte Kollegen und Kolleginnen! Werte Zuseher:innen auf der Galerie und vor den Fernsehgeräten! Der Vormittag steht heute ganz im Zeichen der Außen­politik.

Wir haben heute mehrmals betont: Außenpolitik ist auch Friedenspolitik, und auch da gibt es leider ein Njet von der FPÖ. Das ist sehr bedauerlich, weil wir natürlich all die von Kollegen Leichtfried gerade genannten Menschenrechtsver­stöße in Malaysia kritisieren und zum Thema machen müssen und können, aber wir brauchen dringend einen Kanal für diesen Dialog. Das zu verweigern halte ich nicht für richtig, und deswegen ist diese Vereinbarung aus meiner Sicht auch eine wichtige.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 88

Es geht nämlich um die Zusammenarbeit für Frieden, Sicherheit und Stabilität auf unterschiedlichen Ebenen. Es geht vor allem um eine Zusammenarbeit mit der Europäischen Union auf Augenhöhe. Gerade die Europäische Union muss aus geopolitischer und geostrategischer Sicht Interesse daran haben, in diesen politischen Dialog zu treten und natürlich auch die weniger – noch weniger – demokratisch orientierten Staaten rund um Malaysia nicht den Einfluss über­nehmen zu lassen. Das heißt, Stabilität und Zusammenarbeit sind im Interesse der EU und der Partner, und das heißt wie gesagt selbstverständlich nicht, dass wir damit alles automatisch gutheißen, was dort passiert, sondern im Gegenteil: Es erlaubt uns, in den Dialog zu treten.

Selbstverständlich ist es abseits von den Kooperationen, die schon genannt worden sind, auf Handelsebene, aber natürlich auch im Bereich Wissenschaft, Technologie und Innovation, ganz, ganz wichtig, eine fortschrittliche Umwelt­politik in Malaysia zu fördern und dort auf der Insel eine nachhaltige Entwicklung zu unterstützen. Das ist vor allem uns Grünen ein großes Anliegen.

In diesem Sinne: Halten wir die Kanäle offen! Halten wir den Dialog aufrecht! Wir begrüßen hiermit auch diese wichtige Vereinbarung. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

12.03


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Brandstätter. Das Wort steht bei ihm. – Bitte sehr.


12.03.27

Abgeordneter Dr. Helmut Brandstätter (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Wir sagen Ja zu diesem Rahmenabkommen der EU mit Malaysia. Sehr schön ist, was gleich zu Beginn dieses Abkommens steht, nämlich: Grundlage


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 89

der Zusammenarbeit sind „Demokratie“, „Menschenrechte“ und „Nachhal­tigkeit“. Das heißt, das, was da steht, ist eigentlich die Grundlage dafür, wofür wir auch eintreten – nämlich für eine wertebasierte Außenpolitik.

Da mir manchmal Leute schreiben: Warum kümmern Sie sich überhaupt um Außenpolitik? Kümmern Sie sich um die Menschen in Österreich!, möchte ich die Gelegenheit nützen, darauf zu antworten. Die Antwort ist sehr einfach: Indem wir Außenpolitik machen, kümmern wir uns um die Menschen in Österreich.

Das hängt natürlich mit dem Handel zusammen. Wir wissen, dass der Handel gerade für ein Exportland wie Österreich wesentlich ist. Es geht aber auch darum, dass wir beobachten, wie sich in anderen Ländern die demokratischen Verhältnisse bewegen, und das ist nicht sehr gut. Das wiederum ist dann aber eine Gefahr für Österreich. Da stehe ich ja zur Neutralität, auch zur bewaffneten Neutralität, aber wir müssen auch wissen, dass wir als kleines Land alleine keine Chance haben, während wir innerhalb der Europäischen Union, gerade auch mit solchen Abkommen, sehr gut aufgehoben sind. Das heißt, wir machen das für Österreich, für die Menschen, die in Österreich leben.

Wir wissen aus der neuesten Bertelsmann-Studie, dass es inzwischen mehr autoritär regierte Staaten als demokratisch regierte Staaten gibt. Wir wissen auch, dass diese autoritär regierten Staaten ihre Interessen nicht so wie wir mit Verträgen durchsetzen, sondern mit Bomben, mit Raketen durchsetzen – oder aber auch, indem sie andere Länder von sich abhängig machen. Da geht es um die Seidenstraße: „The Silk Roads“ – Seidenstraßen – von Peter Frankopan, einem großartigen Historiker (das genannte Buch in die Höhe haltend) – der Bundesminister kennt ihn, er hat auch noch ein paar andere Bücher geschrieben. Man sollte dieses Buch lesen, damit man die Geschichte der Seidenstraße versteht, aber auch versteht, wo wir heute stehen.

Auch dazu nur eine Zahl: China, Herr Bundesminister, investiert in vielen Staa­ten, gerade auch am Westbalkan, in Südosteuropa; 60 Prozent dieser Investitionen können aber nicht mehr zurückbezahlt werden. Das heißt, China


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 90

hat Staaten von sich abhängig gemacht, und das kann nicht im Interesse der Europäischen Union sein. Noch schlimmer: Das Magazin „Foreign Affairs“ schreibt, Xi Jinping bereite bereits einen Krieg vor und das müssten wir ernst nehmen. – Wir hoffen, dass der Krieg nicht vorbereitet wird, aber wir müssen uns vorsichtigerweise auch gegen jede Entwicklung, die in diese Rich­­tung geht, wehren.

Ich möchte jetzt auch noch ein paar Sätze zur Ukraine sagen – wir haben heute schon darüber gesprochen –: Da geht es ja nicht darum, dass zwei Länder miteinander Krieg führen. Es geht auch nicht nur darum, dass ein Land ein anderes überfallen hat, sondern es geht um die Wahnsinnsvorstellung von Herrn Putin, ein Großrussland zu schaffen und den Einflussbereich bis Lissabon auszudehnen.

Jetzt bin ich wieder beim Interesse Österreichs: Da gibt es einen sogenannten Philosophen, ganz nah bei Putin, der von der FPÖ schon mehrfach oder zumindest einmal eingeladen war, und dieser sagt: Diese kleinen Staaten in der Mitte Europas, also Tschechien, Slowakei, Österreich, sollen sich zusammen­schließen und dann einen Puffer zwischen bösen westlichen Ländern und dem großrussischen Reich bilden. Wer also für Putin ist, ist gegen die Existenz Österreichs. – (In Richtung FPÖ:) Sie gefährden mit Ihren Freunden in Russland die Existenz Österreichs. Unsere Existenz wird uns abgesprochen, und da bin ich wieder ganz beim Beginn: Das heißt, wenn wir uns gemeinsam wehren, dann machen wir Außenpolitik im Interesse der Menschen in Österreich.

Das zweite Schreckliche – und das darf man auch nicht übersehen – ist diese unglaubliche Brutalisierung der russischen Gesellschaft. Im russischen Fernsehen sieht man dann die Ukraine quasi als Schwein dargestellt, und dieses Schwein muss geschlachtet werden. Das ist das, was Putin fordert.

Das ist die Vorbereitung eines Genozids. Und da ist es unsere moralische Aufgabe, diesen Genozid zu verhindern, es ist aber auch in unserem Interesse, weil er, wie gesagt, wenn es dort gelänge, weitermarschieren würde.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 91

Außenpolitik ist Interessenpolitik im Sinne der Menschen in Österreich. Es wäre so schön, wenn wir uns darüber einig wären. Wir sind es weitestgehend, und dafür bin ich schon dankbar. Ich bin auch dankbar, dass die Menschen verstehen, dass wir für uns, für Österreich, Außenpolitik machen. – Danke schön. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

12.08


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Strasser. – Bitte.


12.08.20

Abgeordneter Dipl.-Ing. Georg Strasser (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Aktuell stellen sich viele geopolitische, globale Fragen: zum einen die Fragen rund um die globale Sicherheit, auch rund um den Krieg in der Ukraine – die Rede und die Diskussion am Vormittag haben gezeigt, dass auf dem globalen Spielfeld viel los ist; den zweiten Bereich, die globale Entwicklung der Rechts­staatlichkeit und der Demokratie, hat Kollege Brandstätter sehr gut erörtert; und letztendlich auch der Klimawandel und alle denkbaren Folgen, die wir global bis hin zur lokalen Ebene sehen und verspüren.

Darum ist es gut, dass wir heute über dieses politische Rahmenabkommen zwischen Thailand, Malaysia und der EU sowie ihren Mitgliedstaaten diskutieren und es auch beschließen. Was spricht denn für dieses Abkommen? – Zum einen: Wir haben mit beiden Ländern sehr gute bilaterale Beziehungen. Die Abrüstung und auch die Rechtsstaatlichkeit sind Themen, die uns verbinden. Der zweite Bereich: Es gibt jetzt schon einen ganz starken technologischen Transfer – speziell im Bereich der Umwelttechnologie und in der Infrastruktur. Das Dritte ist: Wir fördern den Dialog mit zwei Staaten im Asean-Raum, in dem es wichtig ist, mit diesen Volkswirtschaften stark zusammenzuarbeiten. Das hat auf jeden Fall eine geopolitische Dimension.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 92

Was sind denn unsere Ansprüche für so eine Zusammenarbeit? – Zum einen das Bekenntnis zu Rechtsstaatlichkeit und Demokratie und letztendlich auch die Solidarität mit einer europäischen Wertegemeinschaft. Das Zweite ist die Einhal­tung hoher EU-Standards auch im Bereich Klima- und Umweltschutz. Wenn die FPÖ einerseits sagt, ihr sind moderne Handelsabkommen, die in weiterer Folge entstehen können, wichtig, und dann auf der anderen Seite Klimaaspekte in die­sem Dialog ablehnt, dann ist das ein krasser Widerspruch.

Zum Dritten: Auch die SDGs sind uns wichtig, denn sie sorgen dafür, dass solche Abkommen am Ende des Tages zu einer Win-win-Situation führen.

Aus meiner Sicht sind diese drei Punkte auf jeden Fall gegeben. Ich sehe sie gewährleistet. Nichts spricht gegen eine Zustimmung zu diesem Rahmenvertrag. Ich ersuche Sie um Unterstützung. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

12.10


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Als Nächste gelangt Abgeordnete Bayr zu Wort. – Bitte sehr.


12.11.02

Abgeordnete Petra Bayr, MA MLS (SPÖ): Herr Präsident! Herr Außenminister! Ich zitiere noch einmal – wie heute schon einmal – aus dem Amnesty-Bericht 2022/2023, in dem es zu Malaysia heißt, dass die Behörden das Recht auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit durch repressive Gesetze einschränken, dass friedliche Proteste verhindert werden, dass Organisatorinnen und Organisatoren von Protesten strafrechtlich verfolgt werden; dass die willkürliche Bestrafung von Flüchtlingen, Asylwerbern und Wanderarbeitern fortgesetzt wurde, einschließlich unbefristeter Inhaftierung und Abschiebung in Länder, in denen die Gefahr von schweren Menschenrechtsverletzungen gegeben war. Es gab weitere Todesfälle von in Gewahrsam Genommenen, auch in Haftanstalten für Einwanderer, aber niemand wurde dafür zur Rechenschaft gezogen. Auch LGBTIQ-Personen waren weiterhin der Verfolgung ausgesetzt.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 93

Über Thailand heißt es im Bericht – ganz ähnlich –, dass dort das Recht auf freie Meinungsäußerung, die Vereinigungsfreiheit, das Recht auf friedliche Ver­sammlungen erneut angegriffen wurde, dass die neuen Rechtsvorschriften zur Verhinderung von Folter und anderen Misshandlungen sowie des gewaltsamen Verschwindenlassens nicht weit genug gehen, um wirksam gegen diese Ver­brechen zu schützen; dass Flüchtlinge, die aus Myanmar nach Thailand geflohen waren, sich an der thailändisch-myanmarischen Grenze weiterhin der Fest­nahme, Inhaftierung und Erpressung durch thailändische Behörden ausgesetzt gesehen haben; und dass malaiische Muslime im südlichen Grenzgebiet weiterhin massenhaft diskriminierenden DNA-Sammlungen ausgesetzt waren.

Die beiden politischen Rahmenabkommen enthalten Artikel und Klauseln zu den Themen Menschenrechte, Nachhaltigkeit und Umweltschutz, auch sind sie oft in schöner, elaborierter Sprache verfasst; aber trotzdem sind sie oft nur ein Feigenblatt, weil die Durchsetzungsmechanismen ganz, ganz schwach sind.

Was wir brauchen, sind Instrumente mit Zähnen. Sowohl zu den zwei vorlie­genden Verträgen wie auch zum Beispiel zu dem noch im Raum stehenden EU-Mercosur-Abkommen, das schon interimsmäßig in Kraft gesetzt ist, muss man feststellen, dass all diese Mechanismen, um Menschenrechtsverletzungen wirklich anzusprechen und zu verfolgen, vollkommen unzureichend sind. Wir dürfen niemals zulassen, dass Menschenrechte nur zur Augenauswischerei hergenommen werden. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Ernst-Dziedzic.) Dazu sind sie viel zu wichtig und viel zu zentral für jeden einzelnen Menschen.

Wir werden diesen beiden Abkommen zustimmen, aber ich möchte Sie wirklich auffordern (in Richtung Bundesminister Schallenberg), alle zu Gebote stehenden Mittel der Verfolgung von Menschenrechtsverletzungen auch wirklich anzuwen­den, ernst zu nehmen und Menschenrechtsverletzungen mit aller Vehemenz zu verfolgen. – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Lukas Hammer.)

12.13



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 94

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gelangt Abgeordneter Berlakovich. – Bitte.


12.14.10

Abgeordneter Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich (ÖVP): Herr Präsident! Herr Außenminister! Hohes Haus! Bevor ich zu meiner Rede komme, darf ich recht herzlich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Landwirtschaftskammer Burgenland begrüßen! Ich freue mich, dass unsere Mitarbeiter hier sind! Ich hoffe, ihr fühlt euch wohl im neu renovierten Parlament! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir diskutieren unter anderem das Rahmenabkommen über eine umfassende Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und dem Königreich Thailand. Es hat ein Kooperationsabkommen in der Vergangenheit gegeben, aus dem Jahr 1980, und das ist jetzt das erste bilaterale Abkommen zwischen der Europäischen Union und Thailand.

2004 gab es eine Ermächtigung der Europäischen Kommission, eben ein derar­tiges Rahmenabkommen zu schaffen. Es sind mehrere südostasiatische Länder dabei, nämlich Thailand, Indonesien, Singapur, die Philippinen, Malaysia und auch Brunei. Das zeigt schon, was für ein wirtschaftlich starker und wichtiger Raum das ist. Daher ist es sinnvoll, dass es da eine Kooperation gibt. Dieses Abkommen mit Thailand wurde 2013 bereits paraphiert, dann kurzfristig ausgesetzt, und letztendlich wurden 2020/2021 die Verhandlungen wieder aufgenommen und 2022 beschlossen.

Die Ziele: Es soll der politische Dialog zwischen der Europäischen Union und Thailand intensiviert werden. Auch wenn diese Regionen weit weg sind, besuchen viele Österreicherinnen und Österreicher die Länder aus touristischem Interesse. Es ist aber auch aus vielen anderen Gründen sinnvoll, den Dialog mit diesen


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 95

Regionen, mit diesem strategisch wichtigen Raum zu führen. Handel und Inves­titionen sollen gefördert werden, und die Wirtschaftsbeziehungen sollen mit Umweltkriterien, mit Nachhaltigkeitskriterien in Einklang gebracht werden.

Die Themen sind daher neben der wirtschaftlichen Frage – finanzielle und kulturelle Zusammenarbeit – insbesondere Fragen des Friedens, der Außen- und Sicherheitspolitik, der Abrüstung, der Menschenrechte. Thailand ist immerhin die zweitgrößte Volkswirtschaft im Verband Südostasiatischer Nationen.

Österreich ist ein wichtiger Partner. Thailand ist der drittgrößte Exportmarkt für Österreich in Südostasien. Wir haben rund 100 Niederlassungen österreichi­scher Unternehmen in Thailand, das heißt, Thailand ist ein wichtiger Partner und Investor.

Ich habe mich auch aus folgendem Grund gemeldet: Eine Delegation aus Öster­reich war voriges Jahr in Thailand und wir durften das sogenannte Royal Project besichtigen. In diesem Raum Nordthailand-Myanmar – wie auch in Afghanistan – herrscht der Opiumanbau. 1969 hat der damalige König Bhumibol eine Initiative gestartet, dass die Bergvölker, die dort Opium anbauen, von der Droge weg­kommen und etwas Neues, etwas Anderes machen. Wir durften das Royal Project besuchen, das mittlerweile von den Vereinten Nationen und auch sonst international unterstützt wird. Dort wird jetzt Biolandwirtschaft betrieben, es werden im großen Stil Avocados, Kiwis, Früchte und Gemüse angebaut.

Thailand sucht mit uns die Zusammenarbeit, weil Österreich im Rahmen der Biolandwirtschaft sehr erfolgreich ist, insbesondere auch das Burgenland. Vor einigen Wochen war eine thailändische Delegation im Burgenland. Wir haben sie in der Landwirtschaftskammer Burgenland begrüßt. Sie wollen wissen, wie wir Biolandwirtschaft betreiben und haben auch Betriebe besucht, nämlich einen Weinbaubetrieb und einen Ackerbaubetrieb im Burgenland, um sich das anzuse­hen, damit wir eben voneinander lernen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 96

Auch wenn die Distanzen weit sind, ist es erfreulich, dass unser Know-how und unsere Kompetenz der Landwirtschaftskammer Burgenland sowie insgesamt der Landwirtschaft in Österreich geschätzt wird. Wir wollen diese Kooperation noch ausbauen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

12.17 12.17.55


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Berichterstattung ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zu den Abstimmungen, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 1: Antrag des Außen­politischen Ausschusses, den Abschluss des Staatsvertrages: Rahmenabkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Regierung Malaysias andererseits, in 1904 der Beilagen gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 Bundes-Verfassungsgesetz zu genehmigen.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 2: Antrag des Außenpolitischen Ausschusses, den Abschluss des Staatsvertrages: Rahmen­abkommen über umfassende Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und dem Königreich Thailand andererseits, in 1905 der Beilagen gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 Bundes-Verfassungsgesetz zu genehmigen.

Wer dafür ist, wird um ein entsprechendes Zeichen gebeten. – Das ist mit Mehrheit angenommen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 97

Abgeordneter Taschner, der heute seinen 70. Geburtstag feiert, ist jetzt im Saal. Ich darf das zum Anlass nehmen, ihm zum Geburtstag zu gratulieren! (Allgemeiner Beifall.)

12.19.203. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (1800 d.B.): Einspruch der Republik Österreich gegen den Beitritt der Islami­schen Republik Pakistan zum Übereinkommen zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Beglaubigung (1985 d.B.)

4. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (1902 d.B.): Einspruch der Republik Österreich gegen den Beitritt der Republik Senegal zum Übereinkommen zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Beglaubigung (1986 d.B.)

5. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (1951 d.B.): Erklärung der Republik Österreich über die Rücknahme des österreichischen Einspruchs gegen den Beitritt der Republik der Philippinen zum Übereinkom­men zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Beglaubigung (1987 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen nun zu den Punkten 3 bis 5 der Tagesordnung, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Kassegger. – Bitte sehr.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 98

12.20.14

Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Außenminister! Ich habe mich zu Wort gemeldet, weil es ein vermeintlich kleines Randthema ist, unseres Erachtens ist es jedoch ein nicht unwesentliches Thema.

Worum geht es? –Es geht darum, ob im Ausland erstellte Urkunden ohne weitere Prüfung durch Organe der Republik, etwa das Außenministerium oder die zuständigen österreichischen Botschaften, sozusagen vollinhaltlich anerkannt werden, das heißt, mit den entsprechenden Konsequenzen, natürlich insbe­son­dere im Personenstandswesen, was zum Beispiel Einbürgerungen oder Passaus­stellungen, Personalausweise betrifft, aber auch etwa im universitären Bereich die Anerkennung von Universitätsabschlüssen und Ähnlichem.

Dafür gibt es dem Grunde nach ein internationales Abkommen oder eine Ver­einbarung, das 1961 durch die Haager Konferenz für Internationales Privatrecht abgeschlossene Übereinkommen zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Beglaubigung. Dem kann man als Land beitreten oder nicht, und diejenigen, die dabei sind, können Einspruch erheben, wenn sie Bedenken haben, dass eben die Urkundensicherheit in einem Land nicht gegeben ist.

Wir reden jetzt von drei Tagesordnungspunkten beziehungsweise drei Ländern: Pakistan, Senegal und die Philippinen, mit unterschiedlichen Vorgehensweisen der Bundesregierung.

Hinsichtlich Pakistan und Senegal wird nämlich genau dieser Einspruch erhoben. Das begrüßen wir, deswegen stimmen wir dem auch zu. Die Bundesregierung ist der Meinung, dass da hinsichtlich der Urkundensicherheit nicht der gewünschte Grad gegeben ist und wir es uns, flapsig formuliert, vorbehalten, das im Rahmen der österreichischen Organe – Außenministerium, Botschaft et cetera – noch einmal nachzuprüfen. Das würde eben entfallen, wenn dieser Einspruch gegen den Beitritt nicht erfolgt.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 99

Anders gestaltet es sich bei den Philippinen. Da hat die Republik Österreich ursprünglich, 2019, auch einen solchen Einspruch getätigt, der jetzt zurückge­nommen werden soll. Wir haben insoweit ein Verständnisproblem, als in der Begründung der jeweiligen Rücknahme dieses Einspruchs jeweils die Beurteilun­gen von Transparency International herangezogen werden, wenn es um den Korruptionsindex und so weiter geht. Da liegt Pakistan auf Platz 140 von 180 Staaten, Senegal auf Platz 73 und die Philippinen auf Platz 116. Insoweit verste­hen wir das nicht ganz: Die Philippinen liegen mit Platz 116 deutlich hinter Senegal. Beim Senegal machen Sie einen Einspruch, bei den Philippinen wollen Sie diesen Einspruch zurücknehmen.

Das ist aus unserer Sicht nicht ganz logisch und wir würden sagen: Es lohnt sich, dass sich die Republik Österreich über ihr Außenministerium und über die Botschaften halt ein bisschen die Mühe antut und Urkunden und Dokumente trotzdem noch einmal nachprüft, weil ja ganz erhebliche rechtliche Konsequen­zen damit verbunden sind.

Wir wissen ja angesichts der doch dramatischen Migrationsströme, was mit Dokumenten, sofern überhaupt vorhanden, passiert. Was die Echtheit der Dokumente betrifft, sollten wir uns daher die Zeit nehmen, gerade bei solchen Ländern, die Dokumente auch durch österreichische Behörden noch ein­mal zu prüfen. (Beifall bei der FPÖ.)

12.23 12.23.58


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist damit geschlossen.

Ist seitens der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 100

Tagesordnungspunkt 3: Antrag des Außenpolitischen Ausschusses, den Abschluss des Staatsvertrages: Einspruch der Republik Österreich gegen den Beitritt der Islamischen Republik Pakistan zum Übereinkommen zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Beglaubigung, in 1800 der Beilagen gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 Bundes-Verfassungsgesetz zu genehmigen.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein dementsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig.

Tagesordnungspunkt 4: Antrag des Außenpolitischen Ausschusses, den Abschluss des Staatsvertrages: Einspruch der Republik Österreich gegen den Beitritt der Republik Senegal zum Übereinkommen zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Beglaubigung, in 1902 der Beilagen gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 Bundes-Verfassungsgesetz zu genehmigen. – Auch das ist einstimmig ange­nommen.

Tagesordnungspunkt 5: Antrag des Außenpolitischen Ausschusses, den Abschluss des Staatsvertrages: Erklärung der Republik Österreich über die Rücknahme des österreichischen Einspruchs gegen den Beitritt der Republik der Philippinen zum Übereinkommen zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Beglaubigung, in 1951 der Beilagen gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 Bundes-Verfassungs­gesetz zu genehmigen.

Wer auch dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist jetzt mehrheitlich angenommen.

Danke schön.

12.25.286. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den Antrag 3083/A(E) der Abgeordneten Katharina Kucharowits, MMMag. Dr. Axel Kassegger, Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verurteilung


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 101

und Stopp der Türkischen Angriffe in Nordostsyrien und dem Nordirak (1988 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 6.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Kucharowits. Bei ihr steht das Wort. – Bitte.


12.25.58

Abgeordnete Katharina Kucharowits (SPÖ): Herr Präsident! Werter Herr Bundesminister! Geschätzte Kollegen und Kolleginnen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Herr Bundesminister, wir lassen nicht locker! Ich stehe heute wieder da, wir stehen heute wieder da, um Sie erneut aufzufordern, ganz klare Worte gegenüber Erdoğan zu finden. Diese finden Sie nämlich bis jetzt nicht, wir hören nichts dazu.

Seit Jahren lässt Erdoğan Kurdinnen und Kurden angreifen. (Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.) Es gibt ein ganz klares Ziel: die Vertreibung und das Verbot. Das sehen wir in der Türkei – es läuft ja gerade das Verbotsverfahren gegen die kurdische Partei HDP – und das sehen wir durch Angriffe in Nordostsyrien.

Seit Ausbruch des Kriegs in Syrien und verstärkt auch seit der türkischen Militäroffensive im Jahr 2018 auf Afrin greifen türkische Streitkräfte immer wieder kurdische Gebiete und Regionen an, ganz klar mit dem Ziel, kurdisch­stämmige Bevölkerung zu verdrängen.

Im Mai letzten Jahres hat Erdoğan das sogar selbst bestätigt, indem er einen „Sicherheitskorridor“ – unter Anführungszeichen – entlang der türkisch-syrischen Grenze hat errichten lassen, geschätzte Kollegen und Kolleginnen, 600 Kilometer lang, 30 Kilometer breit! Die Türkei, so die Auskunft, möchte dafür sorgen, terroristische Bedrohungen einzugrenzen, es handelt sich


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 102

aber de facto ganz klar um eine türkische Besatzung des Gebiets. Kurd:innen sollen von dort verdrängt werden – das ist das klare Ziel.

Im November letzten Jahres bombardierten türkische Streitkräfte wieder breit­flächig Gebiete im Norden und Osten Syriens und eben Teile der Autonomen Region Kurdistan, Irak. Ziel war aber eben nicht der Islamische Staat, wie man annehmen könnte, sondern wiederum kurdisch besiedelte Regionen. Und ehrlich, nicht erst die seit Kurzem bekannten oder jüngsten Angriffe im Novem­ber zeigen noch einmal: Die Türkei unter Präsident Erdoğan geht systematisch gegen Kurden und Kurdinnen vor. Es handelt sich dabei, Herr Bundesminister, geschätzte Kollegen und Kolleginnen, um einen Völkerrechtsangriff und um gröbste Menschenrechtsverletzungen – es sterben einfach Tausende Kurdinnen und Kurden –, und Österreich muss sich immer klar gegen Menschenrechtsver­letzungen und gegen Völkerrechtsangriffe aussprechen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wir finden zu Recht, wirklich zu Recht, ganz wichtige und klare Worte gegen­über Russland, wichtige Worte gegenüber Afghanistan, wichtige Worte gegenüber dem Iran, nur nicht, Herr Bundesminister, gegenüber Erdoğan. – Warum nicht? Ich frage Sie: Warum nicht?

Es handelt sich um einen völkerrechtswidrigen Angriff, ich betone es noch einmal! Sie müssen das auch ganz klar artikulieren und das auch bei jeder Gelegenheit kundtun, ob bilateral oder auf europäischer Ebene. Wir erwarten uns das, wir fordern Sie dazu auf, die kurdische Community hat sich das auch verdient.

Es gab eine grandiose Konferenz, organisiert von Kollegin Ewa Ernst-Dziedzic, hier im Haus: „Rojava – quo vadis?“ Dort haben kurdische Vertreterinnen und Vertreter das immer wieder ganz klar eingefordert und appelliert. Wir stehen solidarisch an ihrer Seite. Wir fordern das auch von Ihnen, Herr Bundesminister! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Stögmüller.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 103

Sie haben heute Gelegenheit dazu: Es wird – auch wenn mein Antrag im Ausschuss leider abgelehnt wurde – einen Antrag geben, dem wir als Sozialdemokratie auch zustimmen, eingebracht von ÖVP und Grünen, weil es klarerweise wichtig ist, das zum Ausdruck zu bringen, dass wir immer gegen Menschenrechtsverletzungen auftreten und völkerrechtswidrige Angriffe verurteilen. Und dieser Antrag fordert auch Sie, Herr Bundesminister, gezielt dazu auf. (Abg. Loacker: Wo war die kommunistische Hälfte um 9 Uhr?) Beziehen Sie bitte endlich Stellung! – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Stögmüller.)

12.29


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Lopatka. – Bitte.


12.29.56

Abgeordneter Dr. Reinhold Lopatka (ÖVP): Herr Präsident! Herr Außenminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die heutige Debatte ist eng mit dem Schicksal der 35 Millionen Kurden verknüpft, die im Nahen Osten leben und es bis heute nicht geschafft haben, zu einem eigenen Staat zu kommen. Sie gelten ja als das größte Volk der Welt, das keinen Staat hat. (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)

Es ist ja nicht nur ein Problem in der Türkei, sondern wir müssen auch die Situ­ation der Kurden im Iran – das hat uns ja kürzlich hier im Haus sehr beschäftigt –, im Irak und in Syrien sehen. Die Problemlage ist in den Ländern unterschiedlich, und natürlich ist in der Türkei die Auseinandersetzung mit den Kurden über Jahrzehnte ein prägender Konflikt. Man muss da aber auch sehen, dass Öcalan 1978 mit Gleichgesinnten die PKK gegründet hat und seither dort eine blutige Auseinandersetzung tobt. Unabhängige Experten sagen, dass dem 40 000 Men­schen zum Opfer gefallen sind. Die PKK ist von der Europäischen Union seit 2004 als Terrororganisation eingestuft – das dürfen wir nicht ausblenden, wenn wir das hier diskutieren.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 104

Auf der anderen Seite – und da hat Kollegin Kucharowits recht – sind die Kurden ein furchtbar leidgeprüftes Volk. Im Iran ist die Kurdin Amini in Polizeihaft umgekommen. Seither gibt es im Iran einen Volksaufstand. Wer leidet am meis­ten darunter? – Es sind wieder die Kurden.

Was den Irak und Syrien betrifft, so ist die Lage für die Kurden etwas unter­schiedlich. Im Irak haben es die Kurden geschafft, zu einem Autonomiestatus zu kommen, es gibt dort die autonome Region Kurdistan, die verfassungsrechtlich abgesichert ist. Das ist in Syrien den Kurden bisher verwehrt. Daher ist es richtig, dass wir uns massiv dagegen wehren, wenn die Türkei versucht, diese kurdische Region durch Bodentruppen in einer Form zu besetzen, dass dort die Türkei das Sagen hat.

Daher ist unser Antrag heute hier auf diesen Bereich fokussiert, denn es kommt noch etwas dazu: Die Bevölkerung leidet nicht nur unter den politischen Rah­men­bedingungen, sondern auch das furchtbare Erdbeben vor wenigen Wochen hat dieses Leid nochmals verschlimmert.

Hunderttausende Kurden leben also tatsächlich seit Jahrzehnten unter massiver Repression, und es ist Aufgabe der EU und auch Aufgabe Österreichs, in Kontakten mit der Türkei, aber auch mit dem Iran, mit dem Irak und mit Syrien auf dieses Schicksal hinzuweisen – und nicht nur auf das Schicksal der Kurden, sondern es gibt ja auch noch christliche Minderheiten in diesem Gebiet, es gibt die Jesiden – Kollegin Dziedzic und ich waren gemeinsam in diesem Gebiet unterwegs –, und die Jesiden sind noch benachteiligter als andere.

Daher zusammenfassend: Es ist richtig und wichtig, dass wir uns hier für Men­schenrechte und für völkerrechtliche Verpflichtungen einsetzen, und genau das machen wir mit dem heutigen Antrag. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeord­neten Ernst-Dziedzic und Schwarz.)

12.33


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Axel Kassegger. – Bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 105

12.33.42

Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsi­dentin! Herr Bundesminister! Ich schließe gleich an den Redebeitrag von Kollegin Kucharowits an, den ich eben nicht nur im Wesentlichen, sondern vollinhaltlich teilen kann, auch seitens der Freiheitlichen Partei. Sie hat von einem völkerrechts­widrigen Krieg gesprochen, sie hat von einem Angriffskrieg gesprochen, sie hat erwähnt, dass die Türken einen sogenannten Sicherheits­korridor im Ausmaß von 600 mal 30 Kilometern – das sind 18 000 Quadratkilometer, das ist in etwa die Größe der Steiermark, wenn ich nicht ganz falsch liege – de facto besetzt haben. – Also was ist jetzt mit der Unverletzlichkeit von Grenzen et cetera?

Warum sage ich das? – Weil das eine wie das andere nicht zu akzeptieren ist, nur komischerweise gibt es beim einen helle Aufregung und einen Aufschrei und beim anderen – sachlich mehr oder weniger identen – Fall großes Schweigen, Stille. Da frage ich mich: Sind wir jetzt im Bereich der sogenannten Doppelstan­dards oder Double Standards, in denen man gleiche Sachverhalte unterschiedlich beurteilt? – Dann würde ich mich fragen, nach welchen Kriterien. Meines Erach­tens werden da gleiche Sachverhalte unterschiedlich beurteilt.

Sind wir dann dort, dass die Welt eben in Schwarz und Weiß, in Gute und Böse aufgeteilt ist? Und wenn jemand irgendjemanden zur Terrororganisation erklärt, dann haben die offensichtlich jegliche Menschenrechte verloren, dann dürfen die bombardiert werden und so weiter und so fort. Das ist eine Welt, in der wir Freiheitliche nicht leben wollen – das sage ich einmal in aller Deutlichkeit. (Beifall bei der FPÖ.)

Das sind Angriffe auf fremdes Staatsgebiet. Die Türkei spricht von einem Verteidigungskrieg, weil angeblich kurdische Stellungen bekämpft werden. Mir ist nicht bekannt, dass die in die Türkei wirken. Das wäre eine spannende juristische Frage, wenn dem tatsächlich so wäre.

Die Türkei ist natürlich Nato-Mitglied, das Schweigen vieler westlicher Länder, die auch Nato-Mitglieder sind, hat unter Umständen etwas damit zu tun. Wenn


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 106

die tatsächlich angegriffen würden, dann gibt es den Artikel 5, Beistandspakt. Wo sind dann die Nato-Mitglieder, die der angegriffenen Türkei zu Hilfe kommen? Vielleicht hat das etwas damit zu tun, dass über den Iran und Syrien zum Mittelmeer eine Pipeline geplant war – man weiß es nicht. Das sind Mutmaßungen. (Heiterkeit der Abg. Meinl-Reisinger.)

Jedenfalls spielen offensichtlich auch militärpolitische und ökonomische Interessen neben anderen Interessen eine Rolle. Also uns passt diese unter­schiedliche Beurteilung an sich gleicher oder sehr, sehr ähnlicher Sach­verhalte überhaupt nicht.

Die Bundesregierung hat sich auch – sehr mutig – nicht auf den Antrag von SPÖ, NEOS und FPÖ eingelassen, der ganz eindeutig fordert, diese türkischen Angriffe auf kurdische Ziele auf das Schärfste zu verurteilen und sich auch auf europäischer Ebene umfassend dafür einzusetzen, dass diese gewaltsamen Angriffe eingestellt werden, und hat ein Alternativangebot gemacht, einen Antrag der Regierungsparteien, dem wir nicht zustimmen, in dem es nur noch um den Schutz der Zivilbevölkerung geht und darum, dass diese Verletzungen als solche benannt werden sollen. Sie werden jetzt argumentieren: Das ist mehr oder weniger das Gleiche! – Nein, das ist etwas elementar Unterschiedliches. Insoweit können wir diesem ganz abgeschwächten Antrag, der die Dinge nicht mutig auf den Punkt bringt und eben benennt, dass so ein Verhalten zu verurteilen ist, nicht zustimmen. (Beifall bei der FPÖ.)

12.37


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Ewa Ernst-Dziedzic. (Abg. Loacker: Einmal mit Charme, bitte!)


12.37.54

Abgeordnete Dr. Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne): Frau Präsidentin! Herr Bundes­minister! Werte Kollegen und Kolleginnen und liebe Zuseher und Zuseherinnen! Jin, Jiyan, Azadî – Frau, Leben, Freiheit –, das ist nicht nur ein Ruf der


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 107

iranischen Protestbewegung, sondern das ist auch der Befreiungsruf des kurdi­schen Volkes. Tatsächlich ist es, wie Kollege Lopatka gesagt hat, das größte Volk, das ohne einen Staat und somit auch ohne Sicherheit lebt, und zwar nicht nur im Irak, sondern auch im Iran – Jina Mahsa Amini wurde ja auch verfolgt, sagt man, weil sie Kurdin war –, auch in Syrien und, ja, auch in der Türkei.

Diese permanente Bedrohung führt natürlich dazu, dass wir auch im österreichi­schen Parlament, auch in Europa klar Position beziehen müssen. Egal von wem die kurdische Bevölkerung angegriffen wird, wir müssen hinter dieser stehen und uns auch hier solidarisch erklären. Ich höre da überhaupt keine Doppelstan­dards. Richtung FPÖ sei gesagt, dass Sie da zum Teil mit Verschwörungstheorien arbeiten. Wir als Parlament und auch der Außenminister haben uns immer ganz klar gegen diesen Völkerrechtsbruch ausgesprochen, auch der Türkei gegenüber. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wichtig ist tatsächlich, zu sagen, dass die nordostsyrische Region eine ist, in der die Kurden und Kurdinnen versuchen, den Ruf nach Befreiung und Freiheit zu leben. Vor allem die Emanzipation der Frauen spielt dort eine große Rolle, aber auch die demokratischen Bestrebungen sind ganz, ganz wichtig.

Wir haben bei dieser Konferenz zum Thema „Rojava - quo vadis?“, die kürzlich im Parlament stattgefunden hat, mit unterschiedlichen Vertretern und Ver­tre­te­rinnen darüber diskutiert, was wir in Europa tun können, um eben diese demokratischen Bestrebungen zu unterstützen, um zu einer Stabilität in der Region beizutragen und um gleichzeitig auch darauf zu schauen, dass diese Gebiete nicht weiter angegriffen werden. Wir wissen, die Menschen dort machen sich ja nicht nur Sorgen um ihre Familien, um ihr Leben, um ihre Sicher­heit. Die Menschen in der Region sitzen immer wieder wortwörtlich auf ihren Koffern, weil sie nicht wissen, ob sie die Region aufgrund angekündigter neuer Angriffe nicht verlassen müssen.

Was es – bei allen unterschiedlichen Perspektiven – braucht: Ganz, ganz wichtig ist es, die Stimmen der Kurden und Kurdinnen im Parlament nicht nur gehört zu


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 108

haben, sondern auch den Völkerrechtsbruch eines Nato-Mitgliedstaates, nämlich der Türkei, zu verurteilen – das stellt dieser Antrag klar – und ohne jegliche Doppelstandards auf der Seite der kurdischen Bevölkerung zu stehen. In diesem Sinne an die Kurdinnen und Kurden: Jin, Jiyan, Azadî! Unsere Solidarität ist euch sicher! – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von ÖVP und SPÖ.)

12.41


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Helmut Brandstätter. – Bitte.


12.41.27

Abgeordneter Dr. Helmut Brandstätter (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Erdoğan führt Krieg gegen die Kurden, dagegen müssen wir gemeinsam aufstehen. Kollegin Kucharowits, Putin führt Krieg gegen die Ukraine, er begeht Völkermord an den Ukrainern, dagegen müssen wir gemeinsam aufstehen. (Beifall bei den NEOS. – Zwischenruf der Abg. Kucharowits.)

Wir müssen gemeinsam aufstehen, wenn Menschen umgebracht werden, wenn der Plan besteht, ganze Völker auszurotten. Dass wir da nicht mehr zusehen, macht uns als europäische Gemeinschaft aus. Ich halte es für wesentlich, dass da nicht das eine gegen das andere ausgespielt wird, sondern dass wir da zusammenhalten und klar sagen: Wir lassen das, was Erdoğan macht, nicht zu!

Was haben all diese Diktatoren gemeinsam? – Das, was sie wollen, ist, Demo­kratien zu destabilisieren. Ich habe es heute schon gesagt, es gibt weltweit inzwischen mehr autoritär regierte Länder als demokratisch regierte Länder. Sie wollen uns destabilisieren, das sieht man im Iran in zwei Richtungen: Der Iran will den Nahen Osten destabilisieren – Israel zu vernichten ist ja ein klares Ziel des Iran –, und gleichzeitig werden zu Hause Menschen umgebracht – auch Kurd:innen, wie wir wissen. Ich sage es noch einmal: Wenn wir diesen Menschen helfen, helfen wir auch uns. Das ist auch eine Hilfe für Österreich, für die


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 109

Menschen, die hier leben. Außenpolitik ist Interessenpolitik für uns und auch für die Europäische Union, in der diese Werte vertreten werden, in der wir sie gemeinsam vertreten.

Ich möchte jetzt noch einmal einen Appell an dieses gemeinsame, wertebasierte Europa richten und habe Ihnen dazu natürlich ein Buch mitgebracht. Ich gebe zu – ich versuche, immer die Wahrheit zu sagen –, ich habe es selber noch nicht fertig gelesen, weil ich auch so viele andere Sachen lesen muss. Es heißt „Die Erweiterung“ und ist von Robert Menasse. (Der Redner hält das genannte Buch in die Höhe.) Warum ist es so interessant? – Es geht um zwei polnische Brüder – Ewa, ich weiß nicht, ob du es schon gelesen hast –, die beide gegen das Regime, den Kommunismus, gekämpft haben und sich dann unterschiedlich entwickelt haben. Es geht auch um das albanische Volk, das in verschiedenen Ländern lebt. Im vereinten Europa wird das keine Rolle mehr spielen, weil die Albanerinnen und Albaner mit einer europäischen Staatsbürgerschaft in der EU leben werden. Das wird die EU verändern. (Abg. Kassegger: Europäische Staatsbürgerschaft, okay?! – Zwischenruf des Abg. Wurm.) – Na selbstverständlich! Das wird die EU verändern, das wird auch uns verändern, aber es wird uns auch stärker machen.

Es ist völlig richtig – ich bin ja auch dieser Meinung –, wir müssen den Men­schen, auch den Kurdinnen und Kurden, helfen. Wie machen wir als Österreich das? Die nehmen uns alleine ja nicht ernst. Erdoğan nimmt nicht einmal die EU im derzeitigen Zustand ernst, wie er in mehreren Interviews gesagt hat. Wenn wir als starkes Europa, erweitert um Südosteuropa, auftreten können, wenn wir uns einig sind, dass wir gegen diese Diktatoren auftreten, dann werden sie uns ernst nehmen.

Wir werden sehen, dass wir mit unseren Werten einfach stärker sind, dass wir uns nicht destabilisieren lassen, nicht hier, nicht am Balkan, nicht in Europa. Das ist die Voraussetzung für Frieden in Europa, aber auch für Wohlstand und für das Zusammenleben der Menschen. Wir haben das bessere Modell, wir müssen das aber immer wieder laut sagen, allen, vor allem aber denen, die im eigenen Land und in Europa dagegen ankämpfen, weil sie halt lieber für Diktatoren


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 110

arbeiten. Da müssen wir weiter deutlich auftreten. Wir sind in der Mehrheit, und das freut mich. Ich werde weiter für dieses geeinte Europa kämpfen. – Danke schön. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

12.44


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Harald Troch. – Bitte.


12.44.55

Abgeordneter Dr. Harald Troch (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Außenminister, wir treffen ja heute schon zum zweiten Mal aufeinander. Ich habe mich sehr gefreut, als Sie in der Fragestunde gemeint haben, man müsse „klare Kante“ gegenüber der Barbarei im Iran zeigen. Ich bin da ganz bei Ihnen.

Wenn ich mir aber die Abgeordneten von ÖVP und Grünen so anschaue, denke ich mir, das sind Dentisten und Zahnärzte. (Abg. Lopatka: Aha!) Die ÖVP und die Grünen verstehen es immer wieder, guten, offensiven und konkreten Anträgen der Opposition die Zähne zu ziehen. (Abg. Stocker: Die Giftzähne! – Abg. Lopatka: Giftzähne, Giftzähne!) Das, was jetzt vorliegt, ist natürlich ein müder Kompromiss, denn die Dentisten und Zahnärzte von ÖVP und Grünen haben unserem konkreten Antrag die Zähne gezogen. (Abg. Lopatka: Die Giftzähne!)

Nichtsdestotrotz debattieren wir Kurdistan und die Lage der Kurden im Plenum des Nationalrates. Das ist gut und daher werden wir diesem müden Kompromiss zustimmen. (Abg. Lopatka: Na bitte! – Abg. Kassegger: Deswegen seid ihr so erfolgreich, weil ihr so ...!) Man muss da aber schon noch einiges dazusagen. Dazu zählt, zu sagen, dass der Konflikt in der Türkei kein türkisch-kurdischer Konflikt ist, sondern das ist ein Konflikt einer Zentralregierung, die brutal gegen jede Opposition vorgeht. Es sitzen eine unglaubliche Anzahl an demokratisch gewählten Bürgermeistern, an Juristen, Richtern und Journalisten im Gefängnis.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 111

Die Regierung Erdoğan führt einen Krieg gegen die Demokratiebewegung in der Türkei. In Zeiten wie diesen – Stichwort Erdbeben – wäre die Türkei gut beraten, gutnachbarliche Beziehungen zu allen Staaten um sie herum zu pflegen. Sogar Armenien hat Hilfsgüter in die Türkei geschickt. Die Regierung Erdoğan aber verfolgt eine aggressive Außenpolitik, es gibt zu fast keinem Nachbarn gutnach­barliche Beziehungen. Es sind türkische Truppen in Libyen stationiert, es gibt türkische Angriffe auf Kurden im Nordirak, es sind türkische Truppen in Syrien stationiert, seit fast 50 Jahren befinden sich türkische Truppen in Zypern.

Herr Außenminister, erklären Sie mir den Unterschied zwischen dem Überfall Russlands auf die Ukraine und dem Überfall der Türkei auf Zypern! (Beifall der Abgeordneten Kassegger und Wurm.) Unsere Regierung und auch die Europäische Union schlafen ein bisschen bezogen auf diese völkerrechtliche Verletzung der staatlichen Souveränität der Republik Zypern. (Zwischenruf des Abg. Loacker.) Es gibt dazu nichts, Erdoğan kann machen, was er will. Dem muss man Einhalt gebieten, das ist meine Forderung. (Abg. Wurm: Gute Rede!)

Es ist im Interesse der Europäischen Union, dass die Türkei eine konstruktive und friedlich orientierte Außenpolitik betreibt. Es liegt an den Türken, bald eine Regierung, ein Parlament zu wählen, das gutnachbarliche Beziehungen pflegt, das die Gruppierungen im eigenen Land fair behandelt und ihnen am besten auch in jenen Regionen, in denen ethnische Gruppen entsprechende Bedürfnisse haben und Grundrechte besitzen, autonome Gebiete zuspricht. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Wurm. – Abg. Wurm: Es gibt auch vernünftige ...!)

12.48


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Susanne Fürst. – Bitte.


12.48.42

Abgeordnete Dr. Susanne Fürst (FPÖ): Frau Vorsitzende! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir Oppositionsparteien haben uns in einem gemeinsamen Antrag für eine Verurteilung der türkischen Angriffe auf


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 112

den Nordosten Syriens und den Nordirak ausgesprochen. Wir wollen Initiativen zu einem Stopp der türkischen Angriffe fördern.

Aus unserer Sicht sind die Außenpolitik und die Europapolitik der österreichi­schen Bundesregierung sehr wohl von einer Doppelmoral und von Doppel­standards gekennzeichnet: Auf der einen Seite gibt es einen totalen Fokus auf den Krisenherd Russland/Ukraine. Dort werden angeblich Demokratie, Menschenrechte und unsere europäischen Werte verteidigt. Bei einem ganz anderen akuten Krisenherd – dort werden EU-Mitgliedstaaten direkt und aggressiv bedroht – macht man aber die Augen zu: Die Türkei spielt ihre Größe und auch ihre Position als Brücke zwischen Europa und Asien sehr brutal und selbstbewusst aus.

Es gibt aber nicht nur Angriffe auf Länder außerhalb der EU. Wir wissen, seit 2016 besetzen türkische Streitkräfte immer wieder syrische Gebiete – da gibt es viele Tote, Verletzte, die Infrastruktur wird beschädigt. Es gibt die immer wiederkehrenden Offensiven im Irak. Diese türkische Aggression endet aber, wie gesagt, nicht im Nahen Osten, also außerhalb Europas, sondern es gibt auch direkte aggressive Akte gegenüber Mitgliedstaaten der EU, namentlich Griechen­land und Zypern, und das in sehr bedrohlicher Weise, aggressive Akte, die aber eigentlich weitgehend ignoriert und übersehen werden.

Die Türkei nützt da, denke ich, auch den Russland-Ukraine-Krieg aus, weil jetzt die Aufmerksamkeit darauf gelenkt ist, und deshalb wurde gar nicht so sehr bemerkt, dass im Herbst 2022, also vor nur einigen Monaten, die Türkei immer wieder mit Kampfbombern den griechischen Luftraum verletzt und auch ganz offen mit Krieg und Auseinandersetzung gedroht hat. Wortwörtlich: Wenn „die Zeit gekommen ist“, werden wir „das Notwendige tun“; „eines Nachts“ können wir „plötzlich kommen“ – direkt adressiert an Griechenland. Sie droht auch offen mit dem Öffnen der Schleusen; es sind ja Millionen Flüchtlinge in der Türkei. Es wird offen gedroht, Griechenland und damit auch die EU mit diesen Flüchtlingen wirklich zu überfluten, es wird also von türkischer Seite auch ganz offen erpresst.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 113

Auch die Souveränität Griechenlands in Bezug auf die Inseln wird offen infrage gestellt. Auch in diesem Fall verstecken sich leider wie immer auch ökonomische Interessen hinter kriegerischen Auseinandersetzungen. Es besteht auch der Verdacht, dass zwischen den Inseln bereits Bohrschiffe unterwegs sind, bezie­hungs­weise sind sie es schon. Es wird dort nach Erdgas gesucht, und sollte diese Suche erfolgreich sein, wird die Türkei dann sicher auch die Souveränität über diese Inseln für sich beanspruchen, obwohl damit Griechenlands Souveränität und auch das UN-Seerechtsübereinkommen verletzt werden.

Das heißt, wir haben die Situation, dass die Türkei mit ihrer Vorgangsweise hinsichtlich Zypern und Griechenland EU-Mitgliedstaaten offen bedroht, erpresst, den griechischen Luftraum und das UN-Seerechtsübereinkommen schon verletzt hat. Da stellt sich die Frage: Wie reagiert die EU, wie reagiert Österreich darauf?, auch im Hinblick darauf, dass die Türkei, würde ich sagen, einer der großen Profiteure oder der große Profiteur der EU-Sanktionspolitik gegen Russland ist. Die Türkei ist ein Nato-Land, schließt sich deklarierterweise den EU-Sanktionen nicht an, hat diplomatisch geschickt, aber skrupellos beiden Ländern, Ukraine und Russland, ihre Treue und Loyalität versprochen, wobei anzumerken ist, dass sie der Ukraine humanitär schon hilft, soweit ich das beobachten kann. Fix ist aber, dass die wirtschaftlichen Beziehungen zu Russ­land explodiert sind, natürlich zum Vorteil der Türkei. Die Exporte nach Russ­land sind in die Höhe geschossen. Russland löst Deutschland als wichtigsten Handelspartner für die Türkei ab. Die ökonomischen Auswirkungen kann man nur erahnen.

Die europäischen Unternehmen – wie Sie zuerst auch ganz stolz gesagt haben – müssen sich, weil sie sich an die Sanktionen halten müssen, aus Russland zurückziehen. Dieser Platz wird aber durch chinesische und vor allen Dingen durch türkische Unternehmen gefüllt, die davon enorm profitieren. Ganz nebenbei bezieht die Türkei jetzt auch noch massenweise billiges Gas und Öl aus Russland und baut sich klammheimlich oder auch offen, was aber nicht thema­tisiert wird, zu einem zentralen Handelsplatz für Energie aus.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 114

Das heißt, die Machtfülle der Türkei steigt und steigt, und da stellt sich für mich die Frage, ob das von der EU ausreichend beobachtet wird und dem dann auch entgegengewirkt wird. Wir sind sehr wohl dafür, dass Österreich, gerade Österreich, mit der Türkei ein korrektes Verhältnis hat, ein sachliches und kein moralisierendes, aber Angriffe müssen als solche benannt werden, Erpressungen müssen beim Namen genannt werden, und man muss der Türkei da auch selbstbewusst entgegentreten und darf sich ihr nicht anbiedern, denn Erdoğan wird es uns nicht danken. Das heißt, es besteht da nicht nur der Vorwurf der Doppelstandards, sondern ich würde auch anregen, die EU-Sanktionspolitik auch aus diesem Aspekt heraus, dass man damit die Türkei so sehr stärkt, noch­mals zu überdenken. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

12.54 12.54.42


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zu den Abstimmungen.

Zunächst lasse ich über den Antrag des Außenpolitischen Ausschusses, seinen Bericht 1988 der Beilagen hinsichtlich des Entschließungsantrages 3083/A(E) zur Kenntnis zu nehmen, abstimmen.

Wer sich dafür ausspricht, den ersuche ich um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Weiters kommen wir zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 1988 der Beilagen angeschlossene Entschließung betreffend „Schutz der Zivilbevölkerung und Einhaltung der Menschenrechte in Nordsyrien und im Nordirak“.

Wer sich dafür ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist auch mit Mehrheit angenommen. (312/E)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 115

12.55.38 7. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (1920 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch geändert wird (Fundrechts-Novelle 2023 – FundR-Nov 2023) (1979 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen nun zum 7. Punkt unserer heutigen Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Ich begrüße Frau Bundesministerin Alma Zadić im Hohen Haus und erteile Frau Abgeordneter Ruth Becher das Wort. – Bitte, Frau Abgeordnete.


12.56.18

Abgeordnete Mag. Ruth Becher (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Zur Fundrechts-Novelle: Wer kann mit Fug und Recht behaupten, dass er im Leben noch nie etwas verloren hat? – Wahrscheinlich niemand. Insofern ist diese Fundrechts-Novelle eine kleine, feine Änderung, aber vom praktischen Wert her eine sehr wichtige und große Änderung.

Beim Verlieren von Gegenständen führen wenig überraschend Schlüsselbunde, Geldbörsen, Bankomatkarten die Rangliste an, aber es finden auch andere Gegenstände oder Dinge, die verloren werden, ihren Weg ins Fundamt, wie beispielsweise Brautkleider oder auch Hamster.

Mittlerweile ist das Fundamt online. Rund 200 000 Menschen suchen jährlich auf fundamt.gv.at nach ihren verlorenen Dingen. Gerade in der Bundeshaupt­stadt ist das Fundwesen recht unbürokratisch organisiert: Geringwertige Fundstücke können in den rund 100 Fundboxen oder auch bei der Fundser­vicestelle abgegeben werden, außerhalb der Öffnungszeiten gefundene Gegenstände bei der Feuerwache im Rathaus oder auch bei den Stationsüber­wachungsstellen der U-Bahn. Für gefundene Haustiere gibt es ein telefonisch


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 116

erreichbares Fundservice und natürlich auch das Tierquartier, das sich sehr liebevoll um die Fundlebewesen, kann man sagen, kümmert.

Generell ist es beim Finden und Wiederbekommen in Österreich so, dass die Menschen in jedem zweiten Fall ihre Dinge zurückbekommen. Handelt es sich um Dinge von einem geringen Wert, dann gehen sie, wenn sich niemand meldet, an den Finder über. Wenn die Zeitspanne von sechs Monaten überschritten wird, in denen sich niemand meldet, dann werden nur mehr 0,4 Prozent der verlorenen Gegenstände von den Verlustträgern abgeholt.

Daher handelt der Gesetzgeber richtig, die bisherige Frist bei gefundenen Sachen mit einem Wert von bis zu 100 Euro von einem Jahr auf sechs Monate zu verkürzen. Diese verkürzte Aufbewahrungsfrist soll mit 1. Mai in Kraft treten. Wir unterstützen natürlich diese Verwaltungsvereinfachung. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

12.59


Präsidentin Doris Bures: Frau Abgeordnete Bettina Zopf gelangt jetzt zu Wort. – Bitte.


12.59.10

Abgeordnete Bettina Zopf (ÖVP): Frau Vorsitzende! Geschätzte Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher oben auf der Galerie und zu Hause vor den Bildschirmen! Wer kennt nicht das miese Gefühl, das man verspürt, wenn man etwas verloren hat? Umso schöner ist es, wenn die Fundgegenstände wieder zu ihren Besitzern zurückkehren.

Als Fundamt fungieren laut Gesetz im übertragenen Wirkungsbereich die Gemeinden und Magistrate. In der Praxis habe ich das selber als Gemeinde­bedienstete gemacht und Fundgegenstände entgegengenommen.

Manchmal habe ich es geschafft, dass sich die Besitzer von verloren gegangenen Gegenständen haben ermitteln lassen und die Dinge zurückkehren konnten, bei


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 117

vielen Fundgegenständen muss man aber darauf warten, dass sich sozusagen die Besitzer melden.

Ich habe gestern mit Franz Pesendorfer, dem Schneiderwies-Franz, der viele Jahre im Fundamt tätig war, telefoniert und habe gefragt: Franz, was wird denn meistens abgegeben? – Er hat gemeint, dass die häufigsten Fundgegenstände Schlüssel, Schmuck, Kleidungsstücke und witzigerweise Fahrräder sind. Bei Fahrrädern ist es aber oft der Fall, dass sie vorher gestohlen wurden, dann irgendwo stehen gelassen werden, und nach einer Weile, wenn sie immer noch herumstehen, werden sie als Fundgegenstände aufgenommen. Was während seiner Amtszeit auch noch abgegeben wurde, war eine Zahnprothese – leider konnte deren Besitzer nicht ermittelt werden. (Heiterkeit bei der ÖVP.) Das größte Fundstück in meiner Heimatgemeinde Altmünster war ein kleines Segel­boot. (Neuerliche Heiterkeit bei der ÖVP.)

Jetzt gibt es mit der Digitalisierung die Möglichkeit, das alles auch online zu verfolgen. Wer etwas verloren hat, geht online auf fundamt.gv.at, kann dort sowohl Dinge als gefunden melden als auch nach Dingen suchen und schauen, ob sie in der jeweiligen Gemeinde gefunden wurden.

Nun noch zum Rechtlichen: Es gibt eine Behaltefrist. Vor 2002 war es so, dass der Finder den Gegenstand zwar nach einem Jahr entgegengenommen hat, aber erst nach 30 Jahren dessen Besitzer geworden ist. Ab 2002 – das hat man dann geändert – ist man, wenn man den Fundgegenstand nach einem Jahr abholen konnte, auch gleichzeitig dessen Besitzer geworden. Jetzt ändern wir das in dieser Form, dass wir sagen: Wenn Fundgegenstände, die keinen so hohen Wert haben, auf den Fundämtern verbleiben, kann man diese schon nach einem halben Jahr in den Besitz übernehmen. In diesem Zusammenhang möchte ich mich bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die diese Arbeit für uns erledigen, ganz herzlich bedanken.

Dazu kann ich natürlich auch noch sagen, dass es in der Gemeinde Altmünster auch eine Fundbox gibt. In diese Fundbox – das ist jetzt auch rechtlich geregelt –,


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 118

sowohl bei der Polizei als auch beim Gemeindeamt, kann man einen Fund­gegenstand hineinschmeißen. Dieser wird aufgenommen, und dann kann ihn der Besitzer möglicherweise auch wieder zurückbekommen.

In diesem Sinne wünsche ich uns viele ehrliche Finder, sage noch einmal Danke an die Bediensteten draußen, und es ist wirklich schön, wenn man das Gefühl haben darf, etwas Verlorenes wiederzubekommen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

13.02


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Johannes Margreiter. – Bitte.


13.02.43

Abgeordneter Dr. Johannes Margreiter (NEOS): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Eine Fundrechts-Novelle klingt nach einem Nischenthema, sie ist aber in der Praxis gar nicht so unbedeutend, wenn man sich vergegenwärtigt, dass allein im Jahr 2021 an die 170 000 Fundgegenstände in den österreichischen Fundäm­tern abgegeben worden sind. Zudem – und das berührt mich als Jurist – ändern wir mit dieser Regierungsvorlage das altehrwürdige ABGB, und so etwas will ja immer schon besonders überlegt sein. Dass es überlegt war und dass es begründet ist, diese Änderung vorzunehmen, hat meine Vorrednerin Kollegin Zopf bereits ausgeführt.

Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, um ergänzend noch auf Folgendes hinzuweisen: Das Fundrecht ist ja nicht so ganz ohne. Die Zahlen zeigen, dass es leicht einmal passiert, dass man etwas verliert, und umso glücklicher ist man, wenn die Menschen das Fundrecht beachten, welches vorsieht, dass man bei einem Fundgegenstand, wenn er mehr als 10 Euro wert oder erkennbar ist, dass er für den Besitzer, der ihn verloren hat, einen großen Wert darstellt, erstens den Fund melden und zweitens die Sache abgeben muss. Das ist eine gesetzliche Verpflichtung.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 119

Mit dieser Novelle führen wir jetzt mit dem gemeinen Wert zum Zeitpunkt des Fundes von 100 Euro eine weitere Wertgrenze ein. Das heißt, in einem solchen Fall sind die Fundämter nur mehr sechs Monate lang verpflichtet, die bei ihnen abgegebenen Fundgegenstände aufzubewahren. Das bringt eine Erleichterung mit sich und ist sicher eine praxisgerechte Regelung.

Nicht unwesentlich ist und noch erwähnt werden soll Folgendes: Es gibt einen Anspruch auf Finderlohn. Der ehrliche Finder, der die Sache abgibt, hat Anspruch auf 10 Prozent des Wertes der gefundenen Sache. Da unterscheidet das Gesetz interessanterweise zwischen verlorener Sache und vergessener Sache, denn bei der vergessenen Sache gibt es nur den halben Finderlohn. Worin der Unterschied zwischen verloren und vergessen besteht, würde ich gerne ausführen, aber die Zeit reicht nicht mehr dafür. Ich stehe aber jederzeit für entsprechende Auskünfte zur Verfügung. (Heiterkeit der Abg. Krisper.) – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

13.05


Präsidentin Doris Bures: Danke, Herr Abgeordneter.

Jetzt gelangt Frau Bundesministerin Alma Zadić zu Wort. – Bitte.


13.05.07

Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Ja, dies ist eine kleine Novelle, aber eine sehr wichtige Novelle, denn es geht um Verwaltungsvereinfachung und es geht letzten Endes auch darum, dass die Verwaltung Geld einspart.

Was haben wir konkret gemacht? – Wir haben diese Haltefrist von einem Jahr auf ein halbes Jahr verkürzt, und zwar für alle Gegenstände unter einem Wert von 100 Euro. Das klingt nicht nach viel, aber tatsächlich ist es viel. Ich habe mir selbst ein Bild machen können, weil ich im Fundamt in Wien war und gesehen


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 120

habe, wie viele Hauben, wie viele Schals, wie viele Sonnenbrillen dort aufbe­wahrt werden müssen. All das wird nicht abgeholt, und man weiß aus Erfahrung, dass, wenn etwas binnen sechs Monaten nicht abgeholt wird, niemand daran denkt, im Februar eine Sonnenbrille wieder abzuholen.

Insofern, so glaube ich, ist es an der Zeit, dass wir diese Novelle umsetzen, verabschieden und damit auch bei der Verwaltung circa 50 000 Euro einsparen. Ich hoffe auf breite Zustimmung. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie der Abg. Meinl-Reisinger.)

13.06 13.06.22


Präsidentin Doris Bures: Danke vielmals.

Nun ist dazu niemand mehr zu Wort gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1920 der Beilagen.

Wer sich für den Gesetzentwurf ausspricht, den bitte ich um ein zustimmendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung. – Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung einstimmig angenommen.

13.06.568. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (1946 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Hypothekar- und Immobilienkreditgesetz und die Rechtsanwaltsordnung geändert werden (1980 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Wir kommen zum 8. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 121

Erste Rednerin: Frau Abgeordnete Ulrike Fischer. (Abg. Fischer – auf dem Weg zum Redner:innenpult –: Ich komme!) Das ist ein langer Weg. (Abg. Fischer: Ja! Ich kann nicht so schnell rennen heute!) – Bitte, Frau Abgeordnete.


13.07.40

Abgeordnete Mag. Ulrike Fischer (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Nicht in jeder Lebenssituation ist man gut zu Fuß, und ich bin heute ein bisschen langsamer, weil mir mein Kreuz und meine Beine wehtun, weil ich vielleicht zu viel gearbeitet und zu wenig Sport gemacht habe oder einfach zu viel gesessen bin – das passiert uns allen hin und wieder. Als ich am Freitag zu einer Gemeinde­ratssitzung gegangen bin, kam der Scherz: Brauchst du einen Treppenlift? Brauchst du einen Rollator?

Gott sei Dank ist unser Gemeindeamt barrierefrei gebaut, aber nicht in jeder Lebenssituation können Menschen darauf zurückgreifen, dass sie ihr Haus, ihre Wohnung, ihren Arbeitsplatz barrierefrei vorfinden. Besonders bei älteren Menschen, die in einer Situation sind, in der sie vielleicht sagen: Ich möchte mein Haus dämmen, ich brauche ein barrierefreies Bad!, braucht es Investitionen, und diese Investitionen können nicht in jeder Lebenslage einfach getätigt werden.

Mit dem heutigen Gesetz sorgen wir dafür, dass alte Menschen, Menschen, die vielleicht eine geringere Lebenserwartung haben, Kredite bekommen können. Was wir heute tun, ist, dass wir mehr Gerechtigkeit schaffen, dass wir die Altersdiskriminierung bei Kreditvergaben abschaffen. Das ist gut so und dafür möchte ich mich bei allen Parteien bedanken. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Wenn ich mein Haus dämme, wenn ich eine neue Heizung anschaffe, dann möchte ich nicht zu meinen Erben – ich bin jetzt auch 50 Jahre alt (Abg. Hörl: Sieht man gar nicht!) – gehen und sagen müssen: Bitte schaut, dass ich noch einen Kredit bekomme! – Ob man das sieht, dass ich 50, 60 oder 70 Jahre alt bin, oder nicht, ist egal, aber die Bank macht eine nüchterne Analyse, und bei


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 122

dieser nüchternen Analyse helfen wir jetzt mit dem Gesetz: Es wird besser für alle Beteiligten.

Wichtig ist vor allem auch: Wenn jemand stirbt, ist das ohnedies schon eine traurige Situation, aber wenn man dann auch noch die Bank im Nacken hat, ist es umso schwieriger, und auch da sorgen wir für Entspannung: Die Banken dürfen Kredite nicht sofort fällig stellen, sondern es muss eine Lösung gefunden werden, es muss ein bisschen der Druck rausgenommen werden, und das schafft mehr Gerechtigkeit.

In diesem Sinn möchte ich mich für dieses gute Gesetz bedanken, auch bei unserer Frau Ministerin, ebenso wie für die gute parteiübergreifende Zusammenarbeit mit allen Parteien. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.10


Präsidentin Doris Bures: Bevor ich Herrn Abgeordneten Christian Drobits das Wort erteile, möchte ich noch bekannt geben, dass am Beginn der Sitzung Herr Abgeordneter Mag. Kurt Egger als verhindert gemeldet war. Er ist aber jetzt da – und damit erkläre ich ihn auch wieder für anwesend.

Jetzt, Herr Abgeordneter Drobits, erteile ich Ihnen zur Debatte das Wort. – Bitte.


13.11.00

Abgeordneter Mag. Christian Drobits (SPÖ): Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuse­her:in­nen und Zuhörer:innen! Benachteiligung und Diskriminierung sind ein Thema, bei dem gerade in diesem Haus für alle klar sein muss, dass es das nicht geben soll und nicht geben darf. Wenn es um Benachteiligung älterer Menschen geht, sollte dies umso mehr ein Thema sein, wenn es gilt, diese Personengruppe zu schüt­zen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 123

Gerade ältere Menschen haben diesen Wohlstand, den wir jetzt in Österreich haben und von dem wir viel zehren, aufgebaut. Gerade diese älteren Menschen waren auch diejenigen Bankkunden, die es zu Zeiten ihrer Arbeitstätigkeit geschafft haben, gute Geschäftspartner der Banken zu sein, und die älteren Menschen, die heute Betroffene von diesem Gesetz sind, waren auch dieje­nigen, die 2008 größtenteils die Banken gerettet haben.

Es war trotzdem nicht selbstverständlich, dass die älteren Menschen bei der Vergabe von Krediten geschützt wurden. Wir haben bis zum heutigen Tag eine Regelung gehabt, die es zuließ, dass ältere Menschen bei der Kreditvergabe benachteiligt und diskriminiert wurden. Ich habe zum Beispiel vor zwei Jahren selbst erlebt, dass mir eine ältere Frau, eine Mindestpensionsbezieherin, weinerlich gesagt hat: Ich bekomme den Kredit für eine Gastherme nicht, ich bekomme den Kredit für einen Treppenlift nicht. Egal, was ich jetzt mache, ich schaffe es nicht. Nur meine Tochter oder mein Sohn würde den Kredit bekommen. – Ich habe gesagt, dass es das nicht gibt, aber: Ja, das gab es. Wir haben wirklich nicht die gesetzlichen Regelungen, das Regelwerk gehabt, um solche Benachteiligungen hintanzuhalten.

Ich habe deshalb auch persönlich, und das traue ich mich zu sagen, auch durch zahlreiche Anträge in diversen Ausschüssen, auch in diesem Ausschuss, ver­sucht, die Reparatur des Hypothekar- und Immobilienkreditgesetzes durchzu­führen. Ich habe gemerkt, dass das Bohren dicker Bretter sehr lange dauert, aber es geht: Wir haben heute einen Gesetzentwurf vorliegen, der genau dem Antrag entspricht, den ich damals eingebracht habe, der größtenteils auch dem deutschen Recht entspricht und der im Wesentlichen genau diese Benach­teili­gung der älteren Menschen hintanhält.

Ich sage Ihnen offen und ehrlich, ich bin manchmal auch enttäuscht, wenn sich Parteien oder auch Kolleginnen und Kollegen herstellen und von Zusam­menarbeit reden. Eigentlich müssten sie sagen: Wir haben gesehen, ihr habt das gemacht; wir unterstützen euch, wir machen mit und wir schließen diese Lücke! – Heute sehe ich manchmal oder habe ich manchmal das Gefühl – auch


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 124

wenn ich meine Vorrednerin höre –, dass manche Parteien so quasi als Trittbrettfahrer agieren und dieses Gesetz dann als eigenen Erfolg verkaufen. (Zwischenruf der Abg. Ribo.)

Frau Bundesministerin, auch Sie – persönlich schätze ich Sie – haben sich dann mit einer Interessenvertreterin hingestellt, eine Pressekonferenz gemacht, bei der diese Interessenvertreterin gesagt hat, dass sie die Durchsetzung dieses Gesetzes nunmehr geschafft hat, sie habe viele Bundesminister gequält und jetzt sei sie bei der richtigen Ministerin gelandet.

Ich behaupte: Ohne den politischen Druck von uns, der Sozialdemokratie, wäre dieses Gesetz heute nicht zustande gekommen! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Disoski: Geh bitte! Das wird jetzt ja peinlich! – Heiterkeit der Abg. Ribo.)

Davon bin ich überzeugt! Gerade die Antwort der Grünen zeigt auf, dass es das wahrscheinlich auch genau trifft. Ich habe bis heute nicht gehört: Ihr habt das vorbereitet, das war eure Initiative!, ich habe nur gehört: Wir haben das gemeinsam gemacht! – Ja, das Ergebnis ist ein gemeinsames (Abg. Lukas Hammer: Worum geht es dir eigentlich?) und hoffentlich auch ein einstimmiges, und ich behaupte auch, dass das ein Geschenk ist für viele, die jetzt zu Ostern dasitzen, von diesem Gesetz hören und am 1. Mai dann ihren Kredit erhalten. Das ist ein gemeinsamer Erfolg.

Aber: Wir hätten dieses Gesetz bis heute nicht. Ich bin auch davon überzeugt, dass die Grünen alleine das nicht gemacht hätten. Ich bin auch davon überzeugt, dass die ÖVP erst aufgrund dieses Drucks dieses Gesetz geändert hat. (Heiterkeit der Abg. Ribo.) – Das Lachen oder das Lächerlichmachen ist genau das, was die Grünen momentan zum Ausdruck bringen (Abg. Ribo: Wir machen uns lächerlich, genau!), wenn es um diese ältere Gruppe geht, und ich denke, genau dieses Lächeln und das Lachen zeigen das auf. (Abg. Disoski: Das ist echt tief, was du machst! Das ist wirklich tief, was du machst!)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 125

Nur: Für uns ist dieser Kampf noch nicht zu Ende. Wir sehen nämlich genau, dass die älteren Menschen weiter diskriminiert werden; ihr seht das anscheinend nicht. Wir sehen zum Beispiel auch, dass infolge der Schließung der Bankfilialen und der Ausdünnung des Bankfilialnetzes Menschen im ländlichen Bereich mittlerweile nicht einmal mehr wissen, wo sie das Bargeld herbekommen, um ihre Einkäufe entsprechend tätigen zu können. (Abg. Loacker: Aber Banko­matgebühr wollt ihr auch keine! Es kann nicht alles gratis sein!)

Was diese Probleme betrifft, so kenne ich das grundsätzlich nicht nur von den Grünen, sondern auch die anderen Parteien interessieren sich nicht dafür. Wir hingegen interessieren uns für diese Gruppe! Wir werden die älteren Menschen nicht im Stich lassen! Wir werden diesen Kampf weiterführen (Abg. Wurm: Wir auch!), und ich persönlich werde mit all jenen, die sich dem anschließen – Kollege Wurm macht das auch im Konsumentenschutzausschuss als Obmann, wo er eben sagt, ich unterstütze dich –, diesen Kampf gemeinsam führen.

Ich bin aber überzeugt, Frau Bundesministerin – auch wenn ich Sie schätze –, ohne unsere Initiative hätten Sie das nicht geschafft.

Deshalb: Gemeinsam hoffen wir, dass die Regelung betreffend Kreditvergabe eine Lösung ist, die zukünftig gilt, und ich bin stolz darauf, einer des Teams der Sozialdemokratie zu sein, die den älteren Menschen wirklich hilft, wenn es um diese Dinge geht. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

13.16


Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Herr Abgeordneter Christian Ragger zu Wort. – Bitte.


13.16.26

Abgeordneter Mag. Christian Ragger (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Frau Justizministerin! Ich glaube – und da sind wir uns im Plenum, glaube ich, einig –, dass es im Grunde genommen egal ist, wer das initiiert oder


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 126

umgesetzt hat, das Wichtige ist am Ende des Tages, dass die Frau Justiz­ministerin die Zeichen der Zeit erkannt hat, sodass uns dieser Gesetzentwurf heute vorliegt.

Ich glaube aber trotzdem, dass dieses Gesetz erst der erste Schritt ist. Wenn wir eine Gesamtbetrachtung bezüglich dieses Themas des Kredites für ältere Menschen anstellen, dann zeigt sich, dass die nächsten Schritte, die zu setzen sind, die Frage der Ingerentenhaftung betreffen, das heißt: Sind auch ältere Menschen, die eine Bürgschaft für einen älteren Menschen abgeben, nämlich als Sicherheit, damit umfasst?

Eine weitere Frage ist – und das wird natürlich den Lobbyisten im Banken­be­reich sauer aufstoßen –: Über die letzten Jahre haben sich die Banken letztendlich ihr Geld bei den Spesen, bei den Kosten, bei den Buchungszeilen, bei der Kontoführung und auch bei der Zinsoptimierung geholt. Das heißt, ich erwarte mir, wenn es um solche gesetzliche Regelungen für ältere Menschen geht, dass man auch in diesem Bereich – und das gilt nicht nur für Senioren, sondern generell – mit den Banken eine Regelung trifft, dass – da jetzt die Zinsen ja massiv anziehen und dadurch letztendlich ohnedies die Belastung für die Österreicher und Österreicherinnen so hoch ist – auch diese Sätze, mit denen sie in den letzten zehn Jahren Geld verdient haben, ganz klar geregelt werden.

Im Grunde genommen ist dieses Antidiskriminierungsgesetz für die Senioren und Seniorinnen längst überfällig gewesen, denn: Wie kommt man dazu, wenn man sein Leben lang gearbeitet hat, heute in eine solche Lage zu geraten? Ich habe vor Kurzem zwei Fälle gehabt, in denen Leute ihr Haus verkauft und sich dann ein neues, flaches Gebäude errichtet haben. Sie haben fast ihre gesamten Eigenmittel aufgebraucht, und zum Schluss hat ihnen noch ein Kredit gefehlt, und diesen haben sie von der Bank nicht bekommen, weil sie alt sind.

Also wenn das der Fall ist – dass man eben am Ende seines Lebenszyklus sagt, man baut um, macht sich ein behindertengerechtes Haus und investiert dafür


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 127

letztendlich über weite Etappen sein eigenes Geld, dann am Ende des Tages aber diskriminiert wird, weil die Bank sagt: Aufgrund dessen, dass die Rückzahlungs­möglichkeiten, weil du vielleicht in Kürze versterben könntest, nicht gegeben sind, gibt es keine Kreditgewährung! –, dann kann man nur sagen, es ist längst an der Zeit gewesen, dieses Gesetz umzusetzen.

Ein Danke der Justizministerin, die das vollzogen hat, und natürlich wird es dafür einen einstimmigen Beschluss geben. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

13.19


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Michaela Steinacker. – Bitte.


13.19.09

Abgeordnete Mag. Michaela Steinacker (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geschätzte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger! Und vor allem auch ein herzliches Willkommen allen Besuchern in unserem wunderbaren Parlament, ein herzliches Willkommen ganz besonders Ihnen, die Sie hier zuschauen!

Ja, das Alter ist nun einmal schon eine gewisse Last, und es bringt nicht nur Herausforderungen, die sich an und für sich daraus ergeben, sondern oft eben auch Herausforderungen finanzieller Natur: Ich brauche einen Treppenlift, der eingebaut werden muss. Mein Bad sollte barrierefrei gemacht werden. Ich muss Sanierungsmaßnahmen an meinem Haus, an meiner Wohnung durchfüh­ren. Das geht aber nicht, weil ich dadurch einen finanziellen Aufwand zu bestreiten habe, den ich aus meiner laufenden Pension oder aus meinem Ersparten nicht stemmen kann.

Nun gut: Ich gehe zur Bank, ich versuche, dort Mittel zu bekommen, einen Kredit zu bekommen, und was sagt mir die Bank? – Pech gehabt, du bist schon zu alt, deine noch ausstehende Lebenserwartung reicht eben leider, leider nicht aus, denn deine Kreditlaufzeit übersteigt deutlich deine Lebenserwartung.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 128

Selbst Mittfünfziger sind von diesem Problem oftmals betroffen gewesen, wenn sie endlich – ein bisschen in die Jahre gekommen – gespart hatten, um sich ein Eigenheim zu bauen oder zu kaufen, und ihnen das dann aufgrund der Kredit­laufzeit und der durchschnittlichen Lebenserwartung verwehrt geblieben ist.

Daher denke ich, dass die Novelle, die wir heute zur Abstimmung bringen werden, ein wahnsinnig wichtiger und guter Schritt ist. Das ist ein klares Zeichen für Fairness, das ist ein klares Zeichen für Gleichberechtigung, und Gleich­berechtigung ist nicht eine Frage des Lebensalters, egal wo wir stehen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Zu dir, lieber Kollege Drobits: Du weißt, ich schätze alle – und das, glaube ich, mache ich immer wieder klar – Beiträge jeder Partei im Justizausschuss, denn es sind befruchtende und wichtige und interessante Diskussionen. Und jede Diskussion, auch wenn das Ergebnis letztendlich dann oftmals von einer Regie­rungskoalition ins Parlament gebracht, in einen Gesetzentwurf, eine Regie­rungsvorlage gegossen wird, führt dazu, dass diese Ideen, und ich sage das oftmals, aufgenommen werden. Das ist manchmal ein Bohren von harten Brettern, weil einfach verschiedene Interessenlagen gegeneinander­stehen.

Ich denke, eines ist uns allen miteinander geglückt, nämlich eine wirklich gute Novelle auf den Weg zu bringen. Ich danke Ihnen, Frau Bundesminister, herzlich, denn nunmehr ist es für die Kreditvergabe nicht mehr notwendig, dass mein Lebensalter unbedingt ausreichen muss – das gilt genauso für junge Menschen, die krank sind und vielleicht auch nicht eine so hohe Lebenserwartung haben. Das fortgeschrittene Alter oder eine nicht ausreichend hohe Lebenserwartung sind also nicht automatisch ein Ablehnungsgrund für einen Kredit.

Ich denke, wir sind da in Lebensrealitäten angekommen. In der Regierungs­vorlage sind die Interessen des Kreditnehmers und der Kreditgeber ausgewogen berücksichtigt worden.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 129

An dieser Stelle möchte ich auf jeden Fall einer Person für ihren engagierten Einsatz danken, und das ist Seniorenbundpräsidentin Ingrid Korosec. (Heiterkeit des Abg. Wurm.) Sie war eine, die seit vielen Jahren gefordert hat (Abg. Drobits: Jetzt kommt die ...! Das war die, die das gemacht hat! Super!), für diese Geset­zes­reform einzutreten, für die Senioren in unserem Land. (Abg. Drobits: Die Korosec hat das ...!) Ihr gilt ein ganz besonders herzliches Dankeschön. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Drobits: Super! Auf das haben wir gewartet, danke!)

Altern in Würde und Sicherheit, in Selbstbestimmung und Unabhängigkeit, das hat sich die ältere Generation in unserem Land verdient. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Drobits: Die war es, ja, die hat es gemacht! Danke für die Aufklärung! –  Abg. Steinacker – auf dem Weg zu ihrem Sitzplatz –: Ist sie, du weißt es! Du weißt das auch!)

13.22


Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Herr Abgeordneter Nikolaus Scherak zu Wort. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.23.02

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Frau Präsidentin! Frau Bun­desministerin! Ja, wir haben es schon gehört: Wir diskutieren hier eine Novelle des Hypothekar- und Immobilienkreditgesetzes, weil wir über die Jahre mit dem Phänomen konfrontiert wurden, dass ältere Menschen für gewisse notwendige Anschaffungen keinen Kredit bekommen haben. Damit das nicht mehr passiert, hat die Bundesregierung hier einen Gesetzentwurf vorgelegt, durch den es in Zukunft möglich ist, dass Banken gesetzeskonform auch solche Kredite verge­ben können. Banken müssen sich natürlich auch in Zukunft anschauen, wie die Lebenserwartung ist und diese berücksichtigen, und sie müssen natürlich auch schauen, dass Kredite ausreichend besichert sind.

Wir diskutieren das hier heute, und ich finde, dass es auch sehr relevant ist, das zu diskutieren, weil es über die letzten Monate natürlich auch Abgeordnete in diesem Haus, aber auch darüber hinaus Interessengruppierungen gegeben hat,


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 130

die so getan haben, als ob in dem Fall die bösen Banken schuld wären, dass sie ältere Menschen da diskriminieren. Das ist deswegen so spannend, weil das natürlich die Gleichen sind, die grundsätzlich der Meinung sind, dass die Banken an allem schuld sind, dass die Unternehmen an allem schuld sind und dass die Konzerne an allem schuld sind. Ich finde diese Anschuldigungen deswegen so verwerflich, weil all diejenigen, die so mancher hier in diesem Haus so böse findet, weil all diejenigen, die so böse sind, natürlich in einem gesetzlichen Rahmen agieren, und den gesetzlichen Rahmen, den machen wir hier als Ver­treter der Politik, den machen wir hier als Parlament.

Genau bei dem Beispiel, das wir jetzt diskutieren, ist es so augenscheinlich, dass tatsächlich nicht die bösen Banken schuld sind, sondern dass ganz einfach wir als Gesetzgeber schuld sind, weil wir als Gesetzgeber ein Gesetz gemacht haben, in dem drinsteht, dass Banken bei der Kreditwürdigkeitsprüfung eben so enge Richtlinien anlegen müssen, dass es gar nicht möglich war, dass ältere Menschen einen entsprechenden Kredit bekommen haben. Die Banken konnten gar nicht anders, weil wir als Gesetzgeber einen Fehler gemacht haben.

Herr Kollege Drobits, ich finde, dass man an einem Tag wie heute, an dem bei der Rede des Präsidenten Selenskyj mehr als die Hälfte des SPÖ-Klubs nicht anwesend war, als SPÖ-Abgeordneter den Mund sowieso nicht so voll nehmen sollte. (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.) Ich finde aber, dass man sich dann hierherstellt und über ein Gesetz, das 2015 unter einer SPÖ-ÖVP-Regierung, unter einem sozialdemokratischen Bundeskanzler so beschlossen wurde, sagt: Ich habe mich jetzt dafür engagiert, dass das geändert wird - - (Abg. Drobits: Das war so!) – Sie haben es beschlossen, Herr Kollege Drobits, Ihre Fraktion hat das in der Regierungsverantwortung beschlossen (Abg. Drobits: Das war so! Ich habe gar nichts beschlossen!), Sie sind mit schuld, dass diese Situation so ist, wie sie ist. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich finde, dass man immer aufpassen muss, dass man nicht Ursache und Wirkung verwechselt (Abg. Wurm: ... Sozialdemokratie ...!), und dass man schauen muss,


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 131

dass man die Regelungen, die wir als Gesetzgeber machen, auch ernst nimmt: In diesem Rahmen können sich Unternehmen bewegen, können sich Banken bewe­gen. Deswegen bin ich sehr froh, dass wir das hier ändern, dass es in Zukunft möglich ist, dass ältere Menschen, wenn das auch entsprechend besichert werden kann und wenn die Lebenserwartung zumindest theoretisch ausreicht, einen Kredit bekommen, um die notwendigen Anschaffungen zu machen.

Ich glaube, man muss immer aufpassen, dass man die Schuld nicht jemand anderem gibt, wenn man eigentlich selbst schuld ist. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

13.26


Präsidentin Doris Bures: Nun ist die Frau Bundesministerin zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Ministerin Zadić.


13.26.13

Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Ich freue mich – und den Redebeiträgen entnehme ich auch, dass es breite Zustimmung zu dieser wichtigen Novelle gibt –, denn es geht tatsächlich um das Ende der Altersdiskriminierung im Kreditvergabebereich.

Warum ist denn das so wichtig? – Es geht auch um die Selbstbestimmung von Seniorinnen und Senioren. Seniorinnen und Senioren wollen selbstbestimmt leben, sie wollen nicht von ihren Kindern abhängig sein, sondern dann, wenn sie finanzielle Mittel zur Verfügung haben, es auch selbst in die Hand nehmen, vielleicht einen Lift einzubauen, das Haus vielleicht auch barrierefrei einzurich­ten; und ja, dafür braucht es auch einen Kredit, weil finanzielle Mittel nicht immer sofort verfügbar sind.

Sie haben es heute auch schon mehrfach gehört: Ja, da hat es eine Altersdis­krimi­nierung gegeben, weil Menschen, die keine so hohe Lebenserwartung mehr


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 132

hatten, sei es aufgrund des Alters oder aber auch aufgrund einer Krankheit, keinen Kredit bekommen haben, obwohl sie genügend Sicherheiten wie zum Beispiel ein Haus oder eine Wohnung hatten. Deswegen haben wir jetzt, und das halte ich für entscheidend, da eine sehr gut ausbalancierte Regelung gefunden, mit der wir klar feststellen, dass die Lebenserwartung keine Rolle mehr spielen soll, wenn genügend Sicherheiten vorhanden sind. (Beifall bei den Grünen, bei Abgeordneten der ÖVP sowie der Abg. Meinl-Reisinger.)

Damit das Ganze auch etwas besser veranschaulicht wird: Wie machen wir das? – Das machen wir mit einer Klarstellung im Gesetz, und zwar: Wenn jemand die laufenden Kreditraten bezahlen kann und wenn auch ausreichend Sicher­heiten vorhanden sind, wie eben eine Eigentumswohnung oder ein Haus, dann spielt die Lebenserwartung aufgrund des Alters oder aber aufgrund einer Krankheit keine Rolle mehr.

Wir haben damit eine Balance gefunden: eine Balance, mit der wir auf der einen Seite Verbraucherinnen und Verbraucher davor schützen, Kredite aufzunehmen, die sie vielleicht nicht bedienen können, und auf der anderen Seite jene Ver­braucher und Verbraucherinnen unterstützen, die genügend Sicherheiten haben, um einen Kredit aufzunehmen.

In diesem Sinne setzen wir ein ganz klares Zeichen gegen Altersdiskriminierung, für ein selbstbestimmtes Leben von Seniorinnen und Senioren, und ich freue mich wirklich sehr, dass es hier eine breite Zustimmung zu diesem Gesetz gibt. (Beifall bei den Grünen, bei Abgeordneten der ÖVP sowie der Abg. Meinl-Reisinger.)

Ich möchte mich an dieser Stelle noch beim Österreichischen Senior:innenrat bedanken, weil man dort in den letzten Jahren viel dafür getan hat, dass diese Novelle zustande kommt, und ich möchte mich auch bei der zuständigen Fachabteilung bedanken, bei Abteilungsleiter Stabentheiner, der inzwischen im wohlverdienten Ruhestand ist. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei den Grünen, bei Abgeordneten der ÖVP sowie der Abg. Meinl-Reisinger.)

13.29



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 133

Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Bedrana Ribo. – Bitte, Frau Abgeordnete.


13.29.34

Abgeordnete Bedrana Ribo, MA (Grüne): Frau Präsidentin! Geschätzte Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher:innen hier auf der Galerie und zu Hause!

Führen Sie gern ein selbstbestimmtes Leben? – Ich zumindest schon. Mir ist es wichtig, selbst zu entscheiden, wie ich meinen Tag verbringe, welche Ausgaben ich tätige. Diese Unabhängigkeit, vor allem auch diese finanzielle Unabhängig­keit, ist einfach wichtig. Sie ist wichtig, um am Leben teilhaben zu können. Mit dieser Novelle setzen wir heute für Senior:innen einen wichtigen Schritt genau in diese Richtung, in Richtung selbstbestimmtes Leben. Mir ist klar, dass die finan­zielle Unabhängigkeit nur ein kleiner Puzzleteil im Bereich selbstbestimmtes Leben sein kann, aber dennoch ist er ein wesentlicher Bestandteil.

Die Maßnahme, die wir heute hier beschließen, fördert die Eigenständigkeit und Unabhängigkeit im Alter, die ältere Menschen mit der restlichen Gesellschaft auf Augenhöhe bringt und Altersdiskriminierung aktiv bekämpft. Wir wissen alle, wie der demografische Wandel ausschaut, wir wissen, dass es immer mehr ältere Personen geben wird. Diese Bevölkerungsgruppe ist eine, auf die man genau schauen soll und muss. Wir reden da nicht über ein paar Hundert oder ein paar Tausend Menschen. Wir sind ein Neun-Millionen-Land und wir reden da über zwei Millionen Menschen – zwei Millionen Menschen, die eine wichtige Stütze in unserer Gesellschaft sind, die viele, viele Stunden ehrenamtlich arbeiten, die viel Carearbeit leisten, die viele berufstätige Eltern – sowohl Mütter als auch Väter – unterstützen. Vor allem für Kinder, die selbst Eltern sind, sind diese Menschen zum Teil ein nicht wegzudenkender Bestandteil ihres Lebens, denn auch ich könnte zum Beispiel meinen Job hier ohne meine Mama nicht machen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 134

Heute geben wir diesen Menschen mit dieser Gesetzesänderung etwas zurück: die Sichtbarkeit, die Selbstbestimmung, die Freiheit, die Gleichstellung in der Gesellschaft. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Selbst Entscheidungen über die eigene Situation treffen zu können, ist in unserer Zeit ein Grundbedürfnis jeder Person. Egal, ob es letztendlich eine neue Küche oder der Umbau des Hauses oder vielleicht einfach eine Reise in ein fernes Land ist, wo man immer hinwollte, die Entscheidung liegt bei einem selbst. Man ist nicht von der Familie, von den Kindern oder von der Verwandtschaft abhängig. Diese Entscheidung ermöglichen wir heute. – Danke nochmals an alle, die da mitgemacht haben, die das ermöglicht haben. Mein Dank ergeht natürlich auch an die Justizministerin. Es ist wirklich ein großer Erfolg, nämlich für uns alle. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

13.32


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Petra Bayr. – Bitte sehr.


13.32.51

Abgeordnete Petra Bayr, MA MLS (SPÖ): Frau Präsidentin! Ich möchte gleich an meine Vorrednerin anschließen. Ich habe vor einiger Zeit meine etwa 80-jährige Freundin Franziska im Fitnesscenter getroffen, und die hat mir gesagt: Stell dir vor, die depperte Bank hat mir einen Kredit für eine Weltreise gegeben, juhu!

Sie ist natürlich gefahren, sie ist auch schon wieder zurück und es hat ihr sehr gut gefallen. Es geht genau darum, dass weder die Bank deppert sein muss noch Franziska davon abhängig sein muss, dass ihr irgendwelche Depperten trotz ihres Alters einen Kredit geben, sondern darum, dass es einerseits wirklich Rechtssicherheit für beide Seiten gibt und dass andererseits auch tatsächlich Altersdiskriminierung gestoppt wird.

Das wird mit dieser Novelle insofern umgesetzt, als die Klärung der Kredit­würdigkeitsprüfungen anders aufgestellt wird. Der § 9 des Hypothekar- und


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 135

Immobilienkreditgesetzes wird mit einer Ergänzung in Abs. 5 dahin gehend abgeändert, dass in die Kreditvergabe nicht nur die Wahrscheinlichkeit der Lebenserwartung, sondern eben auch andere Faktoren wie die Gesundheit einberechnet werden. Insbesondere soll der Wert der als Sicherheit dienenden Vermögenswerte mit in die Waagschale geworfen werden, was letztendlich auch Sicherheit für die Erbinnen und Erben bedeutet.

Ja, es ist ein absolut wichtiger Schritt gegen Altersdiskriminierung, und ja, ich glaube, Kollege Drobits hat da wirklich unendlich viel dazu getan und unendlich viele Anträge gestellt. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist ausgesprochen billig, zu sagen: Ihr habt einen eigenen Fehler repariert, jetzt gackert nicht darüber!, nein, da war ganz, ganz, ganz viel Energie dahinter, da war ein langer Atem dahinter. Diese Anträge sind unendlich oft vertagt worden, es ist wunderbar, dass es jetzt diese Lösung, diese Einigung gibt, der wir natürlich auch zustimmen werden, und es ist auch wunderbar, dass ältere Leute und auch kranke Leute jetzt die Möglichkeit haben, sich ihr eigenes Leben besser zu gestalten, schöner zu gestalten, umweltfreundlicher zu gestalten, sei es durch den Einbau – es ist eh schon gesagt worden – von Treppenliften, anderen Fenstern, Heizungen oder was auch immer oder sei es durch Sanieren.

Es geht darum, dass Menschen Lebensqualität gewinnen, und zwar nicht auf­grund dessen, dass sie von Almosen und vom Goodwill von anderen abhängig sind, sondern weil sie jetzt wirklich diese Altersdiskriminierung nicht weiter erleben müssen. – Fein, dass wir so weit gekommen sind. (Beifall bei der SPÖ.)

13.35


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Klaus Fürlinger. – Bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 136

13.35.24

Abgeordneter Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP): Hohes Präsidium! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Ich danke für die einführenden Worte von Kollegen Scherak und möchte eine ganz kurze historische Reise zum Beginn dieses Gesetzes machen, das 2014 einer EU-Richtlinie entsprang, wobei eine Fraktion im Haus unbedingt mehr als alle anderen umsetzen wollte. Eigentlich waren sich alle Rechtsexperten einig, dass diese Verbraucherschutzrichtlinie bereits im Konsu­mentenschutzgesetz implementiert war. Es hätte leichte Nachschärfungen gebraucht, aber, meine Damen und Herren, die Fraktion der Sozialdemokraten hat den Konsumentenschutz hochgehoben und wollte um jeden Preis die bestmögliche, schärfste Regelung, die es gibt.

Die Legisten und Experten, auch ein heute bereits genannter, haben damals schon mit leicht schiefem Blick darauf hingewiesen, dass dieser § 9 kritisch werden könnte, spätestens für jene, die 55 Jahre alt sind, doch alle kritischen Stimmen sind verhallt.

Mit großem Interesse habe ich vor etwa einem Jahr verfolgt, wie du, lieber Christian (in Richtung Abg. Drobits) – der du damals natürlich nicht dabei warst, aber dafür heute die Sache umso intensiver diskutierst –, durch alle Ausschüsse gelaufen bist und gesagt hast: Um Gottes willen, die Banken diskriminieren unsere älteren Mitbürger!

Es gibt eine Diskriminierung der Älteren, aber um die ist es nie gegangen. Es ist um ein legistisches Problem gegangen, meine Damen und Herren, gepaart mit vielen, vielen anderen Regeln, die die Europäische Union und wir in diesem Haus setzen. Ich habe zunächst sofort auf dieses Gesetz hingewiesen. Ich habe vorher noch alle anderen Möglichkeiten abgeklopft, um festzustellen, wo denn der Fehler liegen könnte. Mit einem milden, zufriedenen inneren Lächeln habe ich dann festgestellt, dass ihr gemeinsam mit der Frau Bundesminister eine Pressekonferenz gegeben habt, in der ihr gesagt habt, dass ihr dieses Gesetz ändern wollt.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 137

Wir ändern dieses Gesetz jetzt. Meiner Meinung nach hätte es gereicht, wenn man einen Teil dieses Paragrafen gestrichen hätte. Das ist aber dem öster­reichischen Gesetzgeber und unserem bürokratischen Habitus nicht innewoh­nend (Zwischenruf des Abg. Matznetter), weshalb wir zwei Absätze dazutun. Was deren Bestimmtheit betrifft, so sind darin einige für meine Branche, jene der Rechtsanwälte, durchaus interessante Begrifflichkeiten enthalten. Ob das ausreichen wird, das, was ihr als Altersdiskriminierung bezeichnet, aufzuheben, sei jetzt einmal dahingestellt, denn wir schaffen es ja auf vielen anderen Ebenen dank unheimlich bedeutender Institutionen wie EZB, Europäische Banken­aufsicht, FMA, Baseler Runde und sonstige Dinge, die Banken mit teilweise fast lebensfremden und einander widersprechenden Regelungen zu knechten, sodass sie eigentlich keine Kredite mehr vergeben können, denn sie dürfen so oder so die Grundstücke, die die Kredite heute besichern sollen und von denen wir hoffen, dass sie mit diesen Krediten, die wir heute ermöglichen, auch bezahlt werden, nicht zu 100 Prozent, sondern nur zu 90, zu 80, jetzt zu 70 Prozent unterlegen. Gleichzeitig haben wir wieder ein Gremium, das Kreditregeln in Österreich beschließt, die wiederum im Widerspruch zu dem stehen, was wir heute machen.

Ich will daher hier ein ganz klares Plädoyer dafür halten, dass wir nicht alles regeln müssen. Mit jedem Stück Recht, das wir hier setzen, laufen wir mittlerweile Gefahr, uns im Widerspruch mit anderem Recht zu befinden. Wir sind stets in Gefahr, all diese Dinge mit einer ganzen Menge an Regeln zu verbürokratisieren. Ich weiß nicht, ob wir, meine Damen und Herren, mit dem, was wir heute gemacht haben, Rechtssicherheit schaffen. Das werden wir uns genau anschauen und gut beobachten. Ich möchte jedenfalls nur eines mitgeben, meine Damen und Herren: Es wird nicht besser, wenn wir alles regeln, aber manches wird sicher besser sein, wenn wir es nicht regeln. (Beifall bei der ÖVP.)

13.39


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Agnes Sirkka Prammer. – Bitte sehr.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 138

13.39.40

Abgeordnete Mag. Agnes Sirkka Prammer (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsiden­tin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Wir haben jetzt schon sehr viel zu dieser Änderung gehört, und ich denke, es ist in allem etwas Wahres und es ist in allem etwas Richtiges, und zwar deshalb, weil es eine Lösung ist, die genau den Mittelweg, genau die Mitte trifft. Natürlich ist es wichtig, Verbraucherinnen und Verbraucher davor zu schützen, sich mit Krediten zu übernehmen. Das ist ein ganz wesentlicher Grundsatz und das war die ursprüngliche Interessenlage, warum diese Bestimmungen gemacht wurden. Dahinter stehen wir nach wie vor voll und ganz.

Auf der anderen Seite ist es natürlich nicht tunlich, dass man diesen Schutz dermaßen übertreibt, dass diejenigen, die zu schützen sind, letztendlich leer ausgehen beziehungsweise schlechter dastehen als ohne diesen vermeintlichen Schutz. Deshalb kommt diese Änderung, die bewirkt, dass alleine das Alter, alleine die noch bevorstehende Lebenserwartung nicht als Kriterium aus­schlaggebend sein kann, ob ein Kredit gewährt wird oder nicht – nichts anderes ist es. Alle anderen Bedingungen, die trotzdem die Verbraucherinnen und Verbraucher schützen sollen, müssen natürlich eingehalten werden. Es müssen ausreichende Sicherheiten für diesen Kredit bestehen. Es muss die Möglichkeit bestehen, dass man diesen Kredit auch realistisch zurückbezahlen kann. Das heißt, es muss natürlich ein entsprechendes Einkommen, eine entsprechende Pension gegeben sein.

Diese Änderung, die wir hier jetzt beschließen, ist eine richtige Mittellösung. Sie schützt auf der einen Seite nach wie vor die Verbraucherinnen und Verbraucher davor, sich mit Krediten zu übernehmen, auf der anderen Seite ermöglicht sie, Investitionen zu tätigen, für die das nötige Eigenkapital einfach nicht vorhanden ist; und dafür gibt es Bankkredite. Wir ermöglichen es nunmehr den Banken, diese Kredite auch zu gewähren. Das ist, glaube ich, eine sehr wichtige und eine sehr richtige Lösung, denn: Die Frage der Kreditwürdigkeit darf nicht am Alter


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 139

scheitern, mit Sicherheit nicht! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.41


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Gertraud Salzmann. – Bitte.


13.42.04

Abgeordnete MMMag. Gertraud Salzmann (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Zuseherinnen und Zuseher auf der Galerie! Wir freuen uns immer ganz besonders, wenn viele Gäste zu uns ins Haus kommen. Ich hoffe, Sie haben genauso viel Freude an diesem neu renovierten Parlament, wie wir als Abgeordnete haben.

Meine Damen und Herren, wir beenden heute die Diskriminierung von Senio­rinnen und Senioren bei der Vergabe von Krediten. Nicht selten stehen ältere Menschen vor der Herausforderung, dass das Haus, die Wohnung adaptiert gehört, dass sie modernisiert gehört, dass eine neue Heizung eingebaut gehört; oft einmal sind auch die Wohnräume oder das Bad behindertengerecht auszustatten oder es ist auch der Einbau eines Treppenliftes notwendig. Wir kennen diese Situationen alle aus dem Verwandten- und Bekanntenkreis. Für uns als ÖVP ist es absolut wichtig, dass unsere Seniorinnen und Senioren weiterhin ein selbstbestimmtes Leben führen können, daher beschließen wir heute die Novelle des Hypothekar- und Immobilienkreditgesetzes, die ganz klare Regelungen gegen eine Altersdiskriminierung schaffen wird.

Meine Damen und Herren, die bisherige Gesetzeslage ist so, dass sie für die älteren Menschen ein größeres Hindernis darstellt. Warum? – Weil die Kreditvergabe an Seniorinnen und Senioren erschwert möglich war und nur dann, wenn die Abzahlung der Kreditraten innerhalb des statistischen Lebenszeitraums möglich war. Die Sicherheiten, die gegeben sind, konnten nicht ausreichend genug berücksichtigt werden. Das werden wir heute mit dieser Novelle ändern.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 140

Für uns ist es wichtig, die Kreditwürdigkeit nicht nur vom Alter abhängig zu machen, sondern ganz klar auch die finanziellen Sicherheiten, die vorliegen, miteinzurechnen. Wir beenden daher heute diese Altersdiskriminierung. Derjenige, der genug finanzielle Sicherheiten hat, um den Kredit abzubezahlen, selbst wenn die statistische Lebenserwartung nicht mehr ausreichend ist, die Kreditraten zu bedienen, der soll diesen Kredit auch bekommen – wenn die finanzielle Sicherheit gegeben ist.

Da ist auch noch wesentlich, zu erwähnen, dass Erben als Gesamtrechtsnach­folger in den Kreditvertrag eintreten können. Ein weiterer wichtiger Schritt ist, dass wir mithineinnehmen, dass die Banken dazu angehalten sind, eine angemessene Nachsicht walten zu lassen, wenn ein Todesfall eintritt, und zwar insofern als die Häuser, die Wohnungen, die Sicherstellungen nicht sofort veräußert werden müssen, sondern dass man da ein wenig zuwartet und den Erben die Möglichkeit gibt, das Haus selbst zu veräußern, weil dann der Preis oftmals ein anderer ist.

Meine Damen und Herren, die Kreditwürdigkeit der älteren Menschen steht für uns außer Zweifel, und die Kredite sind dann zu vergeben, wenn die finanziellen Sicherheiten gegeben sind.

Lassen Sie mich von dieser Stelle aus unseren Seniorinnen und Senioren, die Gott sei Dank alle zu einem großen Teil sehr rüstig sind, ein großes Danke sagen, denn den Wohlstand, den wir heute in Österreich haben, haben unsere älteren Mitbürger für uns und mit uns geschaffen. – Alles Gute! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

13.45 13.45.36


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 141

Damit gelangen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1980 der Beilagen.

Wer sich dafür ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig so angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung. – Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung einstimmig angenommen.

13.46.13 9. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (1948 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch geändert wird (1981 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Wir kommen zum 9. Punkt der heutigen Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Erste Rednerin ist Frau Abgeordnete Agnes Sirkka Prammer. – Bitte.


13.46.39

Abgeordnete Mag. Agnes Sirkka Prammer (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsi­dentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Was wir heute hier machen, klingt sehr technisch und vielleicht auch etwas spannend, tatsächlich ist es aber nur das Nachholen von etwas, über das wir uns hier eigentlich alle einig waren, dass wir es längst hätten. Selbstverständlich sind wir alle der Überzeugung, dass die Drohung, eine Terrorstraftat zu begehen, selbst eine terroristische Straftat ist.

Unser Strafgesetzbuch hat eine Liste an Terrorstraftaten, aber in dieser Liste kam der Begriff Drohung mit einer Terrorstraftat nicht als Terrorstraftat vor. Das holen wir damit nach – nicht mehr, nicht weniger. Genau das machen wir, und zwar weil die entsprechende EU-Richtlinie, in deren Umsetzung diese Änderun­gen ursprünglich erfolgten, genau das vorsieht und die EU-Kommission eben nicht die Auffassung vertrat, dass selbstverständlich auch die Drohung mit einer


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 142

Terrorstraftat eine Terrorstraftat ist. Jetzt wird es ausdrücklich drinnen stehen, und das ist richtig so.

Das ändert an der Schwere, an der Einschätzung oder an sonst irgendeiner Positionierung dazu nichts. Wir sind uns alle einig, Terror muss effektiv bekämpft werden, muss in jeder Phase bekämpft werden, und auch eine Drohung, eine große Zahl an Menschen durch schreckliche Straftaten in Furcht und Schrecken zu versetzen, ist selbstverständlich ein entsetzliches Verbrechen und als Terror­straftat zu werten. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.48


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Harald Troch. – Bitte.


13.48.34

Abgeordneter Dr. Harald Troch (SPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bun­desministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es geht hierbei konkret darum, einerseits den Strafkodex in Bezug auf terroristische Straftaten zu verschärfen, nämlich dass bereits die Drohung mit terroristischen Straftaten unter Strafe gestellt wird, andererseits auch das Sprengmittelgesetz in diesem Sinne anzupas­sen. Es ist eine EU-Richtlinie, selbstverständlich sind wir dafür. Ich glaube, es ist eine gute Maßnahme, dass es in Europa einen einheitlichen Strafkodex in Bezug auf terroristische Straftaten gibt.

Das alleine wird aber nicht ausreichen, und die Regierung könnte eigentlich in diesem Bereich, nicht nur was die EU betrifft, noch wesentlich mehr tun. Ich erinnere zum Beispiel an das Terrorattentat in Wien – ein tatsächliches Terror­attentat, vier Opfer –: Der Terrorist ist damals bekanntlich selbst ums Leben gekommen. Der Terrorist war ein Munitionseinkaufstourist. In Bratislava versuchte der Wiener Terrorist, Munition einzukaufen. Die slowakische Staats­polizei funktioniert prächtig, ist effizient und informiert die österreichischen Behörden in Wien. Und was passiert? – Der zukünftige Terrorist kann ganz in


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 143

Ruhe seine Attacke auf unschuldige Opfer in Wien vorbereiten, weil die öster­reichi­schen Behörden, weil das Innenministerium diesem Hinweis aus Bratislava, aus dem Ausland nicht nachgehen. Man lässt den Terroristen in Ruhe seine Straftat in Österreich vorbereiten. Da ist eindeutig das Innenministerium gefor­dert, man kann die Terrorismusbekämpfung nicht auf Verbesserungen im Strafgesetzbuch einengen.

Zweite Geschichte: Wie gehen wir mit Terroristen in Haft um? – Die Terroristen werden in den Maßnahmenvollzug reingepackt. Die verurteilten Terroristen sind im Maßnahmenvollzug, also in den gleichen Anstalten wie psychisch kranke Täter, untergebracht. Ich glaube, der Terrorismus ist wesentlich gefährlicher als psychische Erkrankungen. Für alle sozusagen ein Dach über dem Kopf zu finden ist der völlig falsche Weg. Man muss das bei terroristischen Tätern – wenn überhaupt die Hoffnung auf Resozialisierung besteht; aber die sollte man nie aufgeben – ganz anders angehen.

Die dritte Geschichte: Eine Zeitbombe sind die IS-Terroristen im Nahen Osten, nämlich in Syrien, an die 10 000, die Gott sei Dank von den kurdischen Einheiten im kurdischen Autonomiegebiet in Nordsyrien festgesetzt sind. Da ist die Europäische Union gefordert, denn viele dieser Terroristen sind EU-Staatsbürger. Die EU verschläft das und lässt sie im autonomen kurdischen Gebiet, das sowieso – das war heute schon Thema – unter schwerer Attacke der türkischen Armee steht, mit diesen europäischen Straftätern allein. Sie sitzen ja schon fest, aber die autonome kurdische Region kann die 10 000 Leute nicht täglich versorgen und muss diese auch noch bewachen. Da ist die Europäische Union, aber natürlich auch Österreich gefordert. Das ist eine tickende Zeitbombe. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

13.52


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Christian Ragger. – Bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 144

13.52.18

Abgeordneter Mag. Christian Ragger (FPÖ): Geschätzte Frau Präsidentin! Liebe Frau Justizministerin! Ich möchte zwei Punkte meines Vorredners aufgreifen, einerseits einmal das Gold Plating. Davon halte ich nicht wirklich viel, weil wir jetzt im Grunde genommen einen dritten Tatbestand unter die gefährliche Drohung subsummieren.

Es gibt zum einen die gefährliche Drohung, die laut unserem StGB bereits jetzt mit einem Jahr und für besondere Straftaten mit einem Strafrahmen von drei Jahren zu bestrafen ist. Dazu kommt die Umsetzung einer EU-Richtlinie aus dem Jahr 2017, die wir im Grunde genommen – das ist eine Geschmacksfrage – wahrscheinlich eh in denselben Tatbestand hätten miteinbeziehen können. So hätten wir besser darauf einwirken können. Faktum ist, dass wir halt jetzt diese Umsetzung vollzogen haben, nachdem wir eine Aufforderung der Europäischen Union bekommen hatten.

Ich möchte noch auf das replizieren, was Herr Dr. Troch gesagt hat, denn das kann man nicht unwidersprochen stehen lassen. Er hat offenbar den Bericht der Volksanwaltschaft nicht gelesen. Faktum ist – und ja, es ist richtig –, dass die Polizei diesen Terroristen ausgemacht hat und gewusst hat, welche Munition er in Tschechien und in der Slowakei bestellt hat. Faktum ist auch, dass die Wiener Polizeibehörden gut gearbeitet haben, es aber – übereinstimmend; das war auch der Succus aus diesem Volksanwaltschaftsbericht – ein Komplettversagen der beiden Dienststellen in Fragen der Kommunikation gegeben hat. So, wie halt alles in Österreich zwischen Rot und Schwarz aufgeteilt ist, gibt es eine rote Landesbehörde und eine schwarze Bundesbehörde, und man hat einfach nicht miteinander geredet. Es ist letztendlich der Ausfluss dieses Volksanwaltschafts­berichtes gewesen, dass es um menschliches Versagen gegangen ist, das letztendlich Menschenleben gekostet hat. Das kann man nicht unwidersprochen stehen lassen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 145

Man spricht auch darüber, dass IS-Kämpfer aus dem Ausland hereinströmen: Ja dann machen Sie doch bitte die Grenze dicht, das ist ja das Einfachste! Im Grunde genommen haben Sie es über Jahre hinweg verabsäumt, an den EU-Außengrenzen wirkliche Sicherstellungen durchzuführen. Sie zahlen lieber weiterhin – jetzt schüttelt die Chefin der NEOS den Kopf – den Türken 6 Milliar­den Euro. (Abg. Meinl-Reisinger: Ja, weil ja der Kickl als Innenminister so viel weiter­gebracht hat! So viel weitergebracht!) Das ist eine gefährliche Drohung: Wenn wir nicht weiterzahlen, dann werden dort Hunderttausende reinströmen!

Das ist zu einfach gedacht. Das kann man relativ gut abtun, indem man dann in einer Rede polemisch sagt (Abg. Meinl-Reisinger: War das eigentlich unter Kickl, als die letzte Welle der IS-Kämpfer gekommen ist? – Zwischenruf des Abg. Lukas Hammer): Wir müssen ein besonderes Augenmerk auf die IS-Kämpfer richten, die im Irak sind!

Faktum ist: Ich glaube, kein Gesetz der Welt wird einen IS-Terrorkämpfer letztendlich davon abhalten, eine Bombe zu zünden, einen terroristischen Akt auszuführen oder Sonstiges, schon gar nicht die österreichische Gesetzgebung, die auf den Straftatbestand terroristische Drohung setzt. (Beifall bei der FPÖ.)

13.55


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Johanna Jachs. – Bitte.


13.55.05

Abgeordnete Mag. Johanna Jachs (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Gäste auf der Galerie! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Uns allen muss bewusst sein, dass Terroristen in der Regel nur ein Ziel haben: Sie wollen unsere Werte angreifen, sie wollen unsere Bevölkerung angreifen, und sie wollen uns als Gesellschaft spalten. – Da müssen wir wirklich mit aller Kraft gemeinsam dagegenhalten.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 146

Denken wir vielleicht kurz gemeinsam darüber nach, wie Terrorismus funk­tioniert! Hinter Terrorismus steckt im Wesentlichen eine abscheuliche gewalt­tätige Kommunikationsstrategie, denn die Logik hinter terroristischen Gewalt­taten ist die, dass Terroristen Furcht und Schrecken verbreiten wollen. Sie wollen uns als Gesellschaft zermürben. Diese Strategie richtet sich dann auch noch an mehrere Adressaten: zum einen natürlich an die Menschen, die von Terroranschlägen betroffen sind, Opfer davon werden, und an die Gesellschaft; zum anderen richtet sich die Strategie aber auch an Medien, an andere, konkurrierende terroristische Organisationen und auch an Sicherheitsbehörden. Terroristen wollen damit eigentlich nur sagen: Schaut her, wir sind wieder da, wir sind noch da!

Uns ist klar, dass Terrorismus eine permanente Bedrohung ist, die leider auch in unserer Gesellschaft schlummert. Im Jahr 2020 gab es in der EU in Summe 57 durchgeführte, vereitelte oder eben auch gescheiterte Terroranschläge. 2021 waren es dann nur mehr 15 solche Anschläge. Auch wenn die Zahlen terror­basierter Gewalt zurückgegangen sind, müssen wir festhalten, dass das Gewaltpotenzial insgesamt gestiegen ist. Es ist nämlich leider wirklich so, dass während der Pandemie neue Motive für Wut und Gewalt entstanden sind. Fakenews, Verschwörungstheorien: All das hat das angeheizt. Es gibt ein neues Potenzial und eine neue Polarisierung. Man kann also auch sagen, dass die Radikalisierung leider eine negative Gewinnerin der Pandemie ist. Selbst dann, wenn eine Terrordrohung eine leere Drohung ist, ist sie im Sinne der Terroristen effektiv, denn sie erzeugt einfach Angst.

Wir erleben, dass Radikalisierung leider auch bei uns stattfindet. Vor etwa zwei Wochen gab es auch in Wien eine erhöhte Terrorbedrohung. Es ist aber leider auch so, dass die Terrorbekämpfung schwierig ist, weil sie international erfolgen muss. Wir haben es dabei mit weltweiten Netzwerken zu tun.

Sehr geehrte Damen und Herren, wir dürfen auf gar keinen Fall zulassen, dass Terroristen mit ihren Strategien Erfolg haben. Wir müssen wirklich schnell, kompromisslos und effektiv gegen Terrorismus ankämpfen und, ja, auch härter


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 147

bestrafen. Deshalb ändern wir heute das Strafgesetzbuch. Es wird einen neuen Straftatbestand der terroristischen Drohung geben. Ja, man kann natürlich juristisch darüber diskutieren, ob das vorher schon strafbar war, wie das in Zukunft ist und ob das wirklich nötig ist. Ich sage Ihnen aber eines, liebe Kolleginnen und Kollegen: Man muss das Ding, dieses Verbrechen, auch beim Namen nennen, und deshalb ist es auch gut, dass es diesen eigenen Straftatbestand geben wird. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, abschließend möchte ich schon auch noch eines festhalten: Mir ist es ganz wichtig, zu betonen, dass wir das heute einstimmig beschließen werden. Ich glaube, das ist wirklich ganz, ganz wichtig, und deshalb ein Danke an alle Fraktionen – an euch alle –, weil wir den radikalen Tendenzen, die es gibt, somit auch ein ganz eindeutiges Zeichen entgegensetzen. Wir zeigen, dass wir keine Toleranz gegenüber denjenigen haben, die unsere Demokratie, unsere Grundwerte und unsere Gesellschaft angreifen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

13.59


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Johannes Margreiter. – Bitte.


13.59.34

Abgeordneter Dr. Johannes Margreiter (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Justizministerin! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher hier im Haus und zu Hause vor den Bildschirmen! Kolleginnen und Kollegen! Blenden wir ein wenig zurück: Vor mehr als 20 Jahren, am 11.9.2001, hat ein fürchterlicher Terroranschlag, ein monströser Terroranschlag die Welt erschüttert. In der Folge gab es einen EU-Ratsbeschluss, der letztlich dazu geführt hat, dass wir in Österreich 2002 erstmals Straftatbestände für terroristische Verbrechen in das Strafgesetzbuch aufgenommen haben.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 148

Damals schon wurde auch die gefährliche Drohung als ein terroristischer Straftatbestand erfasst. In der Folge ist es dazu gekommen, dass die EU 2017 eine Richtlinie dahin gehend erlassen hat. Sie war der Auffassung, dass die Definition, die Regelung des Straftatbestandes der gefährlichen Drohung nicht ausreichend ist, um auch terroristische Drohungen zu erfassen. Darüber kann man durchaus geteilter Meinung sein und lange akademische Diskussionen führen. Dennoch bin ich der Auffassung, dass es richtig ist, dass wir in diesem Sinn, im Sinne des Mahnschreibens, das wir diesbezüglich von der EU erhalten haben, unser Strafgesetzbuch anpassen und den Tatbestand schärfen.

Dass aufgrund der Pandemie, aufgrund des Ukrainekrieges Meldungen über Terroranschläge, über vereitelte Terroranschläge, in den letzten zwei, drei Jahren eher in den Hintergrund getreten sind, darf nicht darüber hinwegtäuschen und uns nicht zur Annahme veranlassen, dass das Phänomen Terror auf der Welt nicht mehr existiert. Ganz im Gegenteil: Wir müssen da sehr wachsam bleiben. Es ist richtig, die strafrechtlichen Möglichkeiten, um dem Terror entschieden entgegentreten zu können, so auf die Höhe der Zeit zu bringen, dass sie auch wirken.

Die konkrete Umsetzung, wie das jetzt passiert ist, hat im Vorfeld im Rahmen der Stellungnahmen zum Ministerialentwurf doch einige interessante Fragestellungen ergeben; insbesondere auch vonseiten der Rechtsanwaltschaft, aber auch vonseiten des Obersten Gerichtshofes wurde im Zuge der Stellungnahmen vorgeschlagen, da es den Tatbestand der gefährlichen Drohung unabhängig vom Terrorismus ja schon sehr lange gibt und dazu auch umfangreiche Judikatur vorliegt, die sich mit den Begrifflichkeiten beschäftigt – dahin gehend ist ein Vorschlag gekommen –, dass man die Definition der gefährlichen Drohung jetzt auch für die terroristische Drohung heranzieht. Und das wäre durchaus ein überlegenswerter Vorschlag gewesen.

Der Straftatbestand terroristische Drohung wurde in § 278c Abs. 2a vollkommen neu formuliert. Inwieweit die bestehende Judikatur dafür verwendet werden kann, wird sich – und das sage ich hier – hoffentlich nicht zeigen, weil halt doch


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 149

der Hoffnung Ausdruck zu verleihen ist, dass uns das Phänomen Terror, das jetzt einmal nicht mehr so medial präsent ist, in Österreich auf lange Zeit hin nicht juristisch beschäftigen wird, sodass diese Frage letztlich dahingestellt bleiben kann.

Unterm Strich ist es aber richtig, dass wir uns dieser EU-Vorgabe beugen. Daher werden wir diesem Gesetzesvorschlag auch die Zustimmung erteilen. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

14.03


Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Herr Abgeordneter Karl Schmidhofer zu Wort. – Bitte.


14.03.57

Abgeordneter Karl Schmidhofer (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Justizministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseher:innen zu Hause! Vor allem darf ich den Seniorenbund Neufeld aus dem Burgenland und den Seniorenbund Kufstein aus Tirol sowie alle anderen Damen und Herren auf der Galerie begrüßen. Herzlich willkommen im Hohen Haus! (Allgemeiner Beifall.)

Wenn wir von terroristischen Handlungen sprechen, dann haben wir wohl alle noch den 2. November 2020 in Erinnerung, als mitten in der Wiener Innenstadt ein fürchterlicher Terroranschlag stattfand. Viele von Ihnen waren zu dieser Zeit in Wien, weil wir am nächsten Tag, am 3. November, eine Nationalratssitzung gehabt hätten, die natürlich aufgrund dieses Terroranschlags abgesagt wurde. Vier Tote, 23 teils schwer verletzte Personen, ein ganzes Land im Ausnahme­zu­stand: Es gilt hier wohl, den Einsatzkräften, den Polizist:innen zu danken, dass dieser Terroranschlag nicht noch größer ausgefallen ist.

Ich darf auch sagen, dass Terroristen immer nur das Ziel haben, unsere Werte zu untergraben, letztlich Angst zu schüren und die Gesellschaft zu spalten. Und das dürfen wir nicht zulassen! Die Vorredner haben es auch angesprochen: Dass wir diesen Beschluss einstimmig fassen können, ist wieder ein Schritt in die


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 150

richtige Richtung. Wir dürfen Terror in Österreich auf keinen Fall eine Chance geben. Und dass wir mit dieser Maßnahme, der Änderung im Strafgesetzbuch, natürlich auch darauf reagieren, hat Dr. Margreiter, mein Vorredner, auch schon angesprochen.

Wir müssen gemeinsam dafür Sorge tragen – und mit den Expertinnen und Experten und mit allen Fraktionen in diesem Hohen Haus zusammenrücken –, dass wir dieses Themas Herr werden. Da hat politisches Geplänkel keinen Platz. Wir dürfen da kein Kleingeld wechseln. Da steht für Österreich zu viel auf dem Spiel.

Ich darf mich dafür bedanken, dass es zu diesem einstimmigen Beschluss kommt – ein guter Tag, da entgegenzuwirken! – Danke Ihnen allen für die Zustimmung. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

14.06 14.06.52


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Damit kommen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1948 der Beilagen.

Wer sich dafür ausspricht, den ersuche ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig so angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung einstimmig angenommen.

14.07.2810. Punkt

Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über den Antrag 3223/A der Abgeordneten Tanja Graf, Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 151

Bundesgesetz über einen Energiekostenzuschuss für Unternehmen (Unternehmens-Energiekostenzuschussgesetz – UEZG) geändert wird (1962 d.B.)

11. Punkt

Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über die Regierungsvorlage (1947 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Wirtschaftstreu­handberufsgesetz 2017 geändert wird (1961 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Nun kommen wir zu den Tagesordnungspunkten 10 und 11, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Ich begrüße die Frau Staatssekretärin im Hohen Haus und erteile Frau Abgeordneter Cornelia Ecker das Wort. – Bitte.


14.08.17

Abgeordnete Cornelia Ecker (SPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Staats­sekretärin! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Ich habe mich gefreut, als ich gelesen habe, dass diese Regierung das Unternehmens-Energiekostenzuschuss­gesetz ändern wird. Ich dachte, dass Sie endlich eingesehen haben, dass dieses fehlerhafte Gesetz grundlegend zu einer sinnvollen, effektiven Wirtschafts­hilfe umfunktioniert werden muss.

Das ist leider mit dieser Novelle nicht geschehen. Zwar enthält diese Änderung einige sinnvolle Klarstellungen, doch der Energiekostenzuschuss bleibt weiterhin eine milliardenschwere Gießkanne, die keine Preise senkt, auch die Inflation nicht dämpft (Abg. Loacker: Die Inflation anheizt mit 8 Milliarden!) und die heimi­schen Unternehmerinnen und Unternehmer im Regen stehen lässt.

Ich finde es mittlerweile bemerkenswert, wie beratungsresistent diese Bundesregierung ist. Wenn Sie schon nicht auf uns hören, hören Sie doch bitte


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 152

auf den Fiskalrat! Der hat schon öfters ausrichten lassen, dass der Energie­kos­tenzuschuss nicht zielführend ist. Was während der Covid-19-Pandemie begonnen hat, wird jetzt, so scheint es, bei den Wirtschaftshilfen fortgeführt. Diese Bundesregierung schafft es nicht, eine ordnungsgemäße Förder­abwick­lung zustande zu bringen. Erst vorgestern wurde in den Medien über eine Wirtschaftskammerfunktionärin berichtet, die beklagt hat, dass es bis heute keine Richtlinien für den Energiekostenzuschuss zwei gibt und die Unternehmer:innen nicht ansuchen können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der ÖVP und von den Grünen, Sie beschließen also wiederum Wirtschaftshilfen, die weit an den Bedürfnissen der heimischen Unternehmen vorbeigehen. Gleichzeitig schaffen Sie es nicht, die zugesagten mangelhaften Förderungen auszuzahlen, weil die Richtlinien bis heute nicht vorliegen. Ich würde sagen, das ist eine Bankrotterklärung.

Ich habe schön langsam das Gefühl, dass diese Bundesregierung den Ernst der Situation, in der wir Unternehmer:innen – und gerade wir kleinen Unterneh­mungen – uns befinden, nicht erkannt hat. Unsere heimische Wirtschaft benötigt jetzt die Unterstützung seitens der Politik, um die Herausforderungen der Teuerung bewältigen zu können. Es braucht Sicherheit, es braucht Planbarkeit. Dazu zählen zielgerichtete Hilfeleistungen und mit Sicherheit keine Gießkannenpolitik. Wir wollen unsere Preise nicht ständig anheben müssen, immer noch höhere Preise für unsere Produkte verlangen müssen, nur weil die Bundesregierung es nicht zusammenbringt, den Unternehmungen unter die Arme zu greifen.

Sehr geehrte Damen und Herren der Regierungsparteien, ich fordere Sie von dieser Stelle hier auf, diese Änderungen zum Anlass zu nehmen, den Resetknopf zu drücken und sich noch einmal mit der Wirtschaft zusammensetzen, um mit den Betrieben gemeinsam eine Wirtschaftshilfe zu erarbeiten, die treffsicher ist und eine wirkliche Entlastung bringt.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 153

Stellen Sie diese Gießkanne beiseite! Kümmern Sie sich individuell und zielgerichtet um die Unternehmungen! Helfen Sie den Unternehmerinnen und Unternehmern! Diese werden nämlich von dieser Regierung im Stich gelassen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Sieber: Dürftiger Applaus aus dürftigen Reihen!)

14.11


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Elisabeth Götze. – Bitte.


14.11.44

Abgeordnete Dr. Elisabeth Götze (Grüne): Frau Vorsitzende! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Wir sind uns einig: Die Herausforderungen für uns alle, in dem Fall aber für die Unternehmen, sind vielfältig.

Wir sprechen nun unter anderem über den Energiekostenzuschuss, bei dem insofern eine Novellierung ansteht, als wir die Weichen für eine Pauschal­förderung für die kleinsten Unternehmen stellen. Aus meiner Sicht ist es sehr wichtig, auch die kleinsten Unternehmen zu unterstützen. Die großen Unter­nehmen haben bis Ende Februar bereits 11 000 Anträge gestellt. Unter die kleinsten Unternehmen fallen in Österreich beispielsweise die EPUs. Es gibt in Österreich 350 000 EPUs. Rund 88 Prozent aller Betriebe in Österreich haben weniger als 10 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Auch diese sollen bei den Energiekosten Unterstützung bekommen.

Aus meiner Sicht ist eine pauschale Abgeltung insofern sehr wichtig, als die Beantragung nicht zu kompliziert sein soll und das Ganze einfach abzuwickeln sein soll. Dahin gehend möchte ich meiner Vorrednerin recht geben: Ich denke, es ist wichtig, dass die Beantragung für die Unternehmen einfach und nicht zu komplex ist. Dafür, was den Energiekostenzuschuss allgemein betrifft, werde auch ich mich einsetzen. (Beifall der Abgeordneten Disoski und Fischer.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 154

Was aus meiner Sicht auch wichtig ist: Es wurde von der Gießkanne gesprochen. Gießkanne bedeutet, dass alle das Gleiche bekommen. Genau das ist beim Energiekostenzuschuss aber grundsätzlich nicht der Fall. Es wird sehr individuell auf die Situation der Unternehmen und auf ihre Mehrkosten abgestellt, und es wird ein Teil der Mehrkosten zugeschossen. (Abg. Cornelia Ecker: Fiskalrat ...!) Das macht es natürlich etwas komplexer und schwieriger. Wir werden uns das aber anschauen. Ich bin für Vorschläge dankbar. Wir sind auch im Austausch mit der Abwicklungsstelle, ob man das vielleicht noch vereinfachen kann. (Abg. Cornelia Ecker: Glauben Sie bloß dem Fiskalrat!)

Einen zweiten Punkt möchte ich noch ansprechen – ich habe nur mehr ganz wenig Zeit –, etwas, das aus meiner Sicht etwas wirklich Gutes ist und das wir aus der Coronapandemie mitgenommen haben, nämlich die Digitalisierung.

Wir alle haben gelernt, dass sie auch viele Nachteile hat, sie bringt aber auch sehr viele Erleichterungen. Wir übernehmen nun die digitale Abwicklung von Prüfungen, die man durchaus online abwickeln kann, ins Dauerrecht. Es wurde beispielsweise vonseiten der Wirtschaftstreuhandberufe um eine Digitalisierung der Fachprüfungen angesucht. Das werden wir einerseits für schriftliche Prüfungen umsetzen. Aber auch bei den mündlichen Prüfungen werden sich die mündlichen Prüfer online zuschalten können – natürlich über eine sichere Datenverbindung. Das wird natürlich unter Beachtung von, sage ich einmal, Plagiatsrichtlinien geschehen, und es wird sichergestellt, dass nicht geschummelt werden kann. Das ist wirklich eine gute Sache, glaube ich, erleichtert den Prüferinnen und Prüfern ihre Arbeit und macht es den Kandidat:innen leichter, zur Prüfung anzutreten. Bitte also auch da um Unterstützung. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

14.15


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Erwin Angerer. – Bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 155

14.15.08

Abgeordneter Erwin Angerer (FPÖ): Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Frau Kollegin Götze, kaum etwas ist alternativlos, auch das Energie­kosten­zuschussgesetz wäre nicht alternativlos. Es ist einfach eine Fortsetzung der Gießkannen- und Schuldenpolitik in unserem Land. Dies ist eigentlich von allen Seiten, auch von Wirtschaftsökonomen, kritisiert worden. Sogar der Bundes­minister selbst hat das im Wirtschaftsausschuss sehr kritisch gesehen, weil es eben wieder nur um eine Symptombehandlung geht und nicht um eine Bekämpfung der Ursachen, die wir schon seit Monaten – ja man muss eigentlich sagen: seit Jahren – fordern. Auch der Fiskalrat sieht das Energiekostenzuschussgesetz sehr kritisch.

Es werden in Österreich also wieder 7 bis 8 Milliarden Euro mit der Gieß­kanne verteilt. Die Treffsicherheit ist fraglich und Überförderungen sind, ähnlich wie beim Umsatzersatz, wieder möglich und wahrscheinlich. Es wird also wieder Geld verteilt. Die Unternehmer werden zu Bittstellern des Staates degradiert und wir bewegen uns weg von einer Marktwirtschaft hin zu einer Plan­wirtschaft. Das kann es aus unserer Sicht nicht sein. (Beifall bei der FPÖ.)

Allein in der Coronazeit sind durch Coronamaßnahmen mit ebendieser Gieß­kanne schon 50 Milliarden Euro verteilt worden. Jetzt kommen, was das Energiethema betrifft, wieder Milliardenbeträge dazu, ohne dass man endlich einmal an die Ursache herangeht – immer mit dem Hinweis, dass das nur auf europäischer Ebene zu lösen sei – und das Meritordersystem reformiert, indem man den Gas- vom Strompreis entkoppelt. Sie wissen genau, dass das auch auf nationaler Ebene möglich wäre, Sie wollen es aber einfach nicht.

Die Folgen davon sind eine Rekordverschuldung und eine Rekordinflation, eine Rekordteuerung mit all ihren sozialen und wirtschaftlichen Folgen. Auch in diesem Bereich sind wir Spitzenreiter in Europa. Leider sind wir in diesem Fall bei den schlechtesten Ländern dabei, dank dieser Wirtschaftspolitik sind wir negativer Spitzenreiter.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 156

Was wäre eigentlich die Aufgabe einer vernünftigen Wirtschaftspolitik? – Sogenannte Rahmenbedingungen zu schaffen. Darum sollte sich die Politik kümmern. Wo sind die Strukturreformen, die diese Regierung eigentlich umsetzen sollte? Wo sind die Leuchtturmprojekte?

Sie reden zwar von Humankapital und davon, wie wichtig es wäre, dass man Arbeit attraktiver macht; wie wichtig es wäre, dass man Lehrlinge ausbildet; wie wichtig es wäre, dass man ältere Menschen länger im Arbeitsprozess hält; wie wichtig es wäre, dass man eine Lehrlingsoffensive bildet; wie wichtig es wäre, dass man die Lohnnebenkosten senkt; und wie wichtig es wäre, dass man die Bürokratie abbaut. Nichts davon passiert aber.

Es ist alles nur Gequatsche, wie Kollege Kassegger richtig aufzeigt. Es kommt nichts. Sie verteilen Geld, das irgendwann einmal nicht mehr da sein wird. Irgendwann wird es keines mehr zu verteilen geben, dann wird das nicht mehr so einfach funktionieren. Zur Zeit sprudeln natürlich die Steuereinnahmen aufgrund der Rekordinflation und der Teuerung, und Sie tun sich noch relativ leicht. Es ist sogar so skurril, dass die Staatsschuldenquote sinkt, weil das BIP extrem wächst. In absoluten Zahlen ist es aber natürlich eine Katastrophe. Es sind Schulden in Höhe von 100 Milliarden Euro neu dazugekommen.

Wo ist der schlanke Staat? Wo sind die Investitionen in die Zukunft? Wo sind die Investitionen, die die Wirtschaft in Zukunft braucht? – Sie fehlen. Das zeigt auch der Global-Competitiveness-Index der EU, der gerade herausgekommen ist, der die Wettbewerbsfähigkeit der Staaten vergleicht. Österreich schneidet wieder schlechter ab. Wir sinken also im Ranking ab, alle Bundesländer, sogar Wien und Niederösterreich, die ja wirtschaftlich stärker sind. Kärnten – nach zehn Jahren rot-schwarzer Regierung – ist mit dem 93. Platz von 234 österreich­isches Schlusslicht, und das vor allem im Bereich Infrastruktur, im Bereich Bahn, Auto, Flugzeug.

Der Flughafen Klagenfurt ist ein Riesenthema. Ich bin neugierig, welche seiner Versprechen Herr Landesrat Gruber einlösen wird, ob er endlich die Call-Option


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 157

ziehen wird. (Abg. Weidinger: Das Richtige! Das Richtige machen!) Ich bin neugierig, was in den derzeitigen Verhandlungen auf Landesebene passiert, und ob man in Kärnten endlich einmal weiterkommt, was den Flughafen betrifft.

Aus unserer Sicht ist endlich wieder ein Wechsel Richtung zukunftsweisende Investitionen einzuleiten. Dahin gehend bringe ich auch einen entsprechenden Entschließungsantrag ein. Wir müssen aufhören, mit der Gießkanne Milliarden zu verteilen, wir müssen das Geld in Österreich besser in Infrastruktur investieren. Mein Entschließungsantrag fordert eine Infrastrukturoffensive für Österreich.

Ich bringe folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „lnfrastrukturoffensive für Österreich“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungs­vorlage zuzuleiten, mit der das Ausschütten von Milliardenbeträgen aus dem Bundesbudget mit wenig Treffsicherheit und Potential für Überförderung beendet wird, und Budgetmittel im Sinne einer wirtschaftlichen Aufholjagd und Stärkung der heimischen Regionen insbesondere für Infrastrukturinvesti­tionen, Breitband und Straßenbau, sowie den Ausbau öffentlicher Verkehrsmit­tel zur Verfügung gestellt werden.“

*****

Da es aller Wahrscheinlichkeit nach voraussichtlich mein letzter Antrag im Nationalrat sein wird, darf ich noch allen persönlich alles Gute wünschen. Politisch – das habe ich eh schon bei der Eröffnung des Parlaments gesagt –


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 158

würde ich mir einen Neustart wünschen. Rasche Neuwahlen wären also schön. Das ist aber nur mein Wunsch.

Persönlich wünsche ich euch alles Gute, vor allem Ihnen, Frau Präsidentin! Es ist für mich ein schöner Zufall, dass Sie zum Abschuss meines parlamentarischen Lebens, meiner Zeit hier im Parlament, den Vorsitz führen. Danke für die gute Zusammenarbeit und danke Ihnen, Frau Präsidentin! – Danke. (Allgemeiner Beifall.)

14.20

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Erwin Angerer

und weiterer Abgeordneter

betreffend Infrastrukturoffensive für Österreich

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 10: Bericht des Ausschusses für Wirt­schaft, Industrie und Energie über den Antrag 3223/A der Abgeordneten Tanja Graf, Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundesgesetz über einen Energiekostenzuschuss für Unter­nehmen (Unternehmens-Energiekostenzuschussgesetz – UEZG) geändert wird (1962 d.B.) in der 207. Sitzung des Nationalrates am 30.03.2023

Das Unternehmens-Energiekostenzuschussgesetz, das mit dem diesem Antrag zugrundeliegenden Antrag nun einmal mehr geändert wird, ist massiver Kritik ausgesetzt. Es werden hier Budgetmittel in der Höhe von unter Umständen mehr als 7 Miliarden Euro mit einem enormen bürokratischen Aufwand von verschiedenen Abwicklungsstellen verteilt.

Massive Kritik am Unternehmens-Energiekostenzuschuss kam kürzlich vom Fiskalrat, der in diesem Zusammenhang folgendes feststellte:1


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 159

Förderungen in Stufe 1 und 2 nicht treffsicher genug - In Stufe 1 zudem Risiko einer Überförderung - Hohe budgetäre Belastung aus der Unternehmenshilfe erwartet

Der Fiskalrat hat sich die Ausgestaltung des Energiekostenzuschuss II (EKZ II) für Unternehmen genauer angesehen und hat daran auch einige Punkte zu bemängeln.

Insbesondere in der ersten Förderstufe sieht der Rat zu wenig Treffsicherheit und das Risiko einer Überförderung.

Der Fiskalrat rechnet für den EKZ II mit einer budgetären Belastung zwischen 7 und 8 Mrd. Euro. Das wäre deutlich mehr als ursprünglich vom Finanzminis­terium mit 5,7 Mrd. Euro geschätzt worden war. Eine Unterstützung der Unternehmen bei der Erhaltung ihrer Liquidität sei der EKZ II nur begrenzt, da die Abrechnung der Förderung erst nach Ablauf des Förderzeitraums erfolgt.

Dass selbst Bundesminister Kocher offenbar nicht glücklich mit dem vorliegenden Zuschussmodell mit enormen budgetären Belastungen ist, zeigte seine diesbezügliche Aussage im Wirtschaftsausschuss, wo er einräumte, dass es sich dabei um Symptom­bekämpfung handle, denn es bedürfe einer europäischen Lösung, um das Marktdesign zu ändern.

Klar sei aber auch, dass die Energieförderungen nicht auf Dauer bestehen bleiben könnten. „Ich rechne damit, dass wir das 2024 nicht mehr brauchen“, so Kocher. Er geht außerdem davon aus, dass noch heuer eine gemeinsame europäische Lösung auf den Tisch kommt.2

Während hier also Milliardenbeträge auf Steuerzahlerkosten wenig treffsicher mit ungeheurem bürokratischem Aufwand verteilt werden, rutschen Österreichs Regionen in internationalen Rankings immer weiter ab. Dies bestätigt unter anderem der „EU Regional Competitiveness Index“ der Europäischen Kommission, der bspw. für Kärnten ein katastrophales Abschneiden ausweist.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 160

Im EU-Wettbewerb landete das südlichste Bundesland auf Rang 93 von 234 und bildet das Schlusslicht in Österreich. Besonders schlecht schneidet der Bereich Infrastruktur ab – größter Aufholbedarf herrsche in puncto Erreichbarkeit mit Bahn, Auto und Flugzeug.3

„Selbst Österreichs wettbewerbsfähigste Region, Wien plus Niederösterreich, rutschte im neuen europaweiten Vergleich der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit von Platz 29 leicht auf Platz 33 ab. (…) Doch was aussieht wie eine Seitwärtsbewegung im Ranking, das der österreichische Berater Stefan Höffinger mit der EU-Kommission erstellt hat, ist in Wahrheit ein doch recht deutlicher Rückschritt. Denn im Herbst 2019, als der "Regional Competitiveness Index" zuletzt veröffentlicht wurde, war das Vereinigte Königreich noch Teil der EU. Hochkompetitive Regionen wie Oxfordshire, Sussex und London schienen noch im Ranking auf. Hätte die Bundeshauptstadt ihre Position im europäischen Vergleich seither gehalten, hätte sie also mit dem Wegfall der britischen Regionen Plätze gutmachen müssen,“ schreibt „Die Presse“ vom 29.03.2023.

„Das Hauptproblem in Österreich ist die „mangelnde Ambition“ und „der fehlende Wille, ganz vorne mitspielen zu wollen“, bringt Höffinger die Problematik im Kurier vom 29.03.2023 auf den Punkt.

Die unterfertigten Abgeordneten fordern daher, endlich das Ausschütten von Milliar­denbeträgen aus dem Bundesbudget ohne Treffsicherheit und Potential für Überförderung zu beenden und diese Budgetmittel im Sinne einer wirtschaftlichen Aufholjagd und Stärkung der heimischen Regionen insbesondere im Bereich der Investitionen in die Infrastruktur sowie des Ausbaus öffentlicher Verkehrsmittel zur Verfügung zu stellen.

Gerade vor dem Hintergrund, dass gerade im Bereich der Baubranche starke Auf­tragsrückgänge für das Jahr 2023 prognostiziert werden, ist es zunehmend erforderlich, dass gerade durch öffentliche Investitionen in Infrastruktur die Nach­frage wieder angekurbelt wird. Allein in Vorarlberg wird im gewerblichen Industrie- und öffentlichen Hochbau die Auftragslage mit minus 15 Prozent eingeschätzt, im


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 161

Tiefbau mit minus 18 Prozent. (Standard 3. Jänner 2023) „Der Ausblick ist nicht mehr so goldig wie in den letzten Jahren", sagt Michael Klien vom Wirtschafts­forschungsinstitut (Wifo). Das Wifo befragt monatlich ein paar Hundert Unterneh­men in Österreich. "Und da sieht man schon, dass sich die Stimmung im Verlauf des letzten Jahres gedrückt hat", sagt Klien.4

„Die schwache Baukonjunktur belastet die Wirtschaftsentwicklung. (…) In der Bauwirtschaft schrumpft die Wertschöpfung seit dem III. Quartal mit zunehmender Dynamik.“5

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzuleiten, mit der das Ausschütten von Milliardenbeträgen aus dem Bundesbudget mit wenig Treffsicherheit und Potential für Überförderung beendet wird, und Budgetmittel im Sinne einer wirtschaftlichen Aufholjagd und Stärkung der heimischen Regionen insbesondere für Infrastrukturinvestitionen, Breitband und Straßenbau, sowie den Ausbau öffentlicher Verkehrsmittel zur Verfügung gestellt werden.“

1 APA0154 5 WI 0557 II Di, 07.03.2023

2 Kleine Zeitung, 25. Februar2023

3 Kleine Zeitung, 29. März 2023

4 Der Standard, 3. Jänner 2023

5 OTS0029 5 WI 0423 WFO0001 09.03.2023

*****



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 162

Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Angerer, ich wünsche Ihnen natürlich auch alles erdenklich Gute und teile mit, dass Ihr Entschließungsantrag ordnungsgemäß eingebracht ist und daher mit in Verhandlung steht. (Abg. Lopatka: Der letzte Vernünftige geht! Na, der vorletzte, der Axel ist auch noch ...!)

Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Eva-Maria Himmelbauer. – Bitte.


14.21.20

Abgeordnete Eva-Maria Himmelbauer, BSc (ÖVP): Frau Staatssekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Auch ich darf Kollegen Angerer seitens unserer Fraktion alles erdenklich Gute für seine Zukunft wünschen. Gleichzeitig darf ich, auch im Sinne einer Verbindung, Gäste auf der Galerie begrüßen. Im Namen meiner Kollegin Andrea Holzner darf ich die Seniorenbundgruppe aus Moosbach begrüßen. – Herzlich willkommen hier im Hohen Haus, schön, dass Sie unserer Debatte folgen! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Ich habe mich jetzt zum Wirtschaftstreuhandberufsgesetz gemeldet, meine Kollegin Tanja Graf wird sich im Anschluss zum Energiekostenzuschussgesetz melden. Dennoch möchte ich ein paar Sachen, die gesagt worden sind, nicht unwidersprochen lassen.

Zum einen wurden Zukunftsinvestitionen angesprochen. – Ja, wir haben jetzt einige Zeit an Krisen hinter uns und teilweise auch noch vor uns. Natürlich ist es auch uns ein Anliegen, diese Krisen zu bewältigen und den Menschen, die darunter leiden, unter die Arme zu greifen.

Es werden die Zukunftsinvestitionen aber nicht vergessen, gerade das Thema Breitbandausbau, das angesprochen wurde und für das ich auch inhaltlich zuständig bin. Im letzten Fördercall wurden 650 Millionen Euro für den Ausbau von Glasfaserinfrastruktur, vom schnellen Internet, gerade in den ländlichen Regionen, zugesagt; das wird in den kommenden Jahren umgesetzt. Das ist wichtig für die Menschen in diesem Land, für unseren Unternehmensstandort,


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 163

für den Wirtschaftsstandort, für die Arbeitsplätze. Diese Zukunftsinvestitionen werden keinesfalls vergessen.

Was die SPÖ betrifft, kann ich der Sorge, die hier vorne immer wieder zum Thema KMUs und Wirtschaftsstandort gebracht wird, nichts abgewinnen. Wenn ich wiederum an die gestrige Debatte denke, bei der Anträge eingebracht wurden, die gerade auf Kosten der Wirtschaftsvertreter, auf Kosten der Unter­nehmen gehen, sei es jetzt die sechste Urlaubswoche, die sechste Bildungs­woche oder ein Fonds, der wiederum aus Unternehmenskosten gespeist werden muss, dann muss ich sagen, ich stelle wirklich auch die Aussagen infrage.

Zum Wirtschaftstreuhandberufsgesetz: Die Pandemie war eine sehr belastende Zeit, aber wenn man ihr etwas Gutes abgewinnen will, sind das sicher die Fortschritte im Bereich der Digitalisierung. Die notwendige Umstellung von Bildungsangeboten auf den Online- oder hybriden Bereich hat dazu geführt, dass mehr Angebote zur Verfügung gestellt worden sind und diese auch mehr Menschen zugänglich sind. Auch hinsichtlich Prüfungen mussten in den Pandemiejahren Möglichkeiten gefunden werden, um diese ohne oder nur mit eingeschränktem Kontakt abhalten zu können. Da haben sich einige Modalitäten tatsächlich bewährt, und wir dürfen sie heute mit der Novelle des Wirtschafts­treuhandberufsgesetzes auch tatsächlich in Dauerrecht überführen.

Das betrifft vor allem die Klausuren im Bereich der Steuerberater und Wirtschafts­prüfer sowie auch die mündlichen Prüfungen. Im Bereich der Klausuren sind diese in Zukunft auch ortsunabhängig vom eigenen Laptop und PC aus möglich. Wie gesagt, das ist seit fast zwei Jahren gängige Praxis, hat sich bewährt und führt natürlich dazu, dass personelle Ressourcen eingespart werden, dass auch lange Anfahrtswege hintangehalten werden. Klar ist: Das Ganze wird auch mit Begleitmaßnahmen auf technischer Seite unterstützt, damit die Sicherheit gewährleistet ist, damit gewährleistet ist, dass der Prüfungsteilnehmer auch tatsächlich selbst die Prüfung und die Klausur ablegt. Das sind beispielsweise


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 164

Bild- und Tonaufzeichnungen, das sind Lockdownbrowser, also Antischum­melbrowser, das sind Plagiatschecks, die im Hintergrund mitlaufen, um das sicherzustellen.

Bei den mündlichen Prüfungen hat sich die Modalität bewährt, dass die münd­liche Wirtschaftsprüferfachprüfung nun auch in den Bundesländern abgehalten wird. Es muss nur jemand aus der Prüfungskommission dabei sein, um sie zu beaufsichtigen, alle anderen Kommissionsmitglieder aber können sie per Videokonferenz verfolgen. Somit sollte das auch leichter und schneller gehen.

Erwähnenswert ist auch die Aufnahme einer Regelung, die zu mehr Barriere­freiheit der Fachprüfung beitragen soll. Damit soll sichergestellt werden, dass auch abweichende Prüfungsmethoden herangezogen werden können, wenn die Prüfung aufgrund einer Einschränkung nicht möglich wäre.

Dieses Gesetz ist sehr unaufgeregt, aber wie gesagt, die Modalität, die im Zuge von Corona eingeführt worden ist, hat sich bereits bewährt. Es hat einen Mehrwert für die Prüfungskandidatinnen und -kandidaten, dementsprechend sollte dem Beschluss nichts im Weg stehen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

14.25


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Gerald Loacker. – Bitte.


14.26.02

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Wenn das Gesetz über die Prüfung bei den Wirtschaftstreuhändern so super ist, wie es Kollegin Himmelbauer beschreibt, dann fragt man sich: Warum kommt denn das nicht generell für alle freien Berufe? Warum kriegen das jetzt die Wirtschaftstreuhänder und Steuerberater und die anderen nicht? – Das ist ganz einfach: In Österreich kann sich eine Kammer ein Gesetz bestellen; und die Kammer, die es bestellt, bekommt es, und


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 165

die Kammer, die es nicht bestellt, bekommt es nicht. (Abg. Berlakovich: Das ist ein Unsinn!)

Man hätte eine große Lösung machen sollen, dass diese Fernprüfungen für alle diese Berufe möglich sind. Ja, Herr Kammerpräsident Berlakovich schaut schon, denn auch die Landwirtschaftskammer kann sich Gesetze bestellen, aber halt auf Landesebene. (Abg. Berlakovich: Wie kommen Sie auf das?)

Kommen wir zum Energiekostenzuschuss und kommen wir näher an das Ressort der Frau Staatssekretärin! Staatssekretäre haben ja in der aktuellen Regierung die Funktion, dass sie ins Parlament kommen, damit der Minister etwas anderes machen kann – eine andere Aufgabe haben sie ja in Wirklichkeit nicht.

Energiekostenzuschuss: Der Fiskalrat hat gesagt: Da wird Geld verblasen! – 7 bis 8 Milliarden Euro kostet dieser Energiekostenzuschuss zwei. Wir haben kürzlich einen Ökonomen im Fernsehen und im Radio gehört, der gesagt hat, 200 Mil­lio­nen Euro Mietbeihilfe würden die Inflation anheizen. Jetzt können Sie sich ausrechnen, wie 8 Milliarden Euro Energiekostenzuschuss zwei die Inflation anheizen. Alles, was diese Regierung macht, macht die Lage noch schlimmer.

Da muss man sich überlegen: Ist es überhaupt notwendig, den Unternehmen im Volumen von 8 Milliarden Euro jetzt einen Energiekostenzuschuss hinüberzuschieben? Warum sage ich, das ist in diesem Maß nicht notwendig? – Die Erzeugerpreise steigen. Beispielsweise sind Fleischerzeugnisse bei der letzten Erhebung um 14,7 Prozent teurer geworden. Daraus können Sie ablesen: Die Erzeuger geben die erhöhten Energiepreise an die Kunden weiter. Die haben kein Problem mit erhöhten Energiepreisen, auf denen sie sitzen bleiben, sondern die geben sie weiter an Sie, an die Kundinnen und Kunden!

Und diesen Unternehmen haut die Republik jetzt noch Förderungen hin. Das ist gar nicht erforderlich. So hat im Energiekostenzuschuss eins ein solcher Fleischverarbeiter 31 Millionen Euro Energiekostenzuschuss bekommen, obwohl


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 166

die Fleischerzeugnisse massiv teurer geworden sind. Sie hauen also Geld, extrem viel Steuergeld, an einen Ort, an dem es nicht gebraucht wird, und machen die Inflation schlimmer. (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Stöger.) – Danke für dieses Geräusch.

Die Umsätze steigen. Der Umsatz in Industrie und Bau ist zuletzt um 11 Prozent gestiegen. Sie sehen, da bewegt sich etwas, und wir brauchen nicht noch einmal staatliches Fördergeld, um eine Maschine, die gut läuft, weiter anzutreiben.

Nun ist diese Bundesregierung mindestens Europameister, wenn nicht Weltmeister im Erfinden von Förderungen, und jetzt gehen Ihnen langsam die Förderstellen aus. Deswegen muss den Energiekostenzuschuss, dieses Pauschalmodell, das heute beschlossen wird, die Forschungsförderungs­gesell­schaft abwickeln. Wie kommt das Ding zur Forschungsförderungsgesell­schaft? Da hat es nichts verloren! (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Stöger.)

Die wissen aber schon gar nicht mehr, wohin mit Ihrem Salat. Sie erfinden jede Woche eine neue Förderung, und alle staatlichen Einrichtungen sagen: Entschuldigung, wir haben keine Kapazität, um sie abzuwickeln, wie sollen wir das machen? – Sie werden nicht fertig. Jetzt kriegt halt die FFG das und muss es machen. So wird also mit Ihrem Steuergeld umgegangen.

Wenn wir hohe Inflationsraten und höhere Inflationsraten als andere westeuro­päische Staaten haben, dann ist das ein Ergebnis dessen, dass diese Regie­rung so viel Geld in das Land hineinpumpt, an die Unternehmer, aber auch an die Privaten – wir haben uns wechselseitig 500 Euro Klimabonus überwiesen.  Sie geben das Geld der Steuerzahler aus und machen damit die Lage schlimmer, Sie heizen die Inflation an – mit diesem Gesetz heute noch zusätzlich. (Beifall bei den NEOS.)

14.30


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Tanja Graf. – Bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 167

14.30.24

Abgeordnete Tanja Graf (ÖVP): Frau Präsidentin! Willkommen, Herr Präsident! Geschätzte Frau Staatssekretärin! Bevor ich jetzt auf die jeweiligen Kritik­punkte der Opposition eingehe, erlauben Sie mir vielleicht einmal, den Antrag – worum es da eigentlich geht – näher zu erläutern, weil es da um unsere Kleinst- und Kleinunternehmen geht, die es auch verdient haben, eine Förderung zu erhalten, weil es sie natürlich auch getroffen hat. (Präsident Hofer übernimmt den Vorsitz.)

Worum geht es? – Es geht darum, dass die Kleinst- und Kleinunternehmer, die eben die Förderuntergrenze von 2 000 Euro nicht erreichen, eine Förderung bekommen. Die Förderung hängt natürlich damit zusammen, dass der Jahresum­satz 2022 berechnet sowie die Branchenzugehörigkeit berücksichtigt wird. Daraus kann ein unterschiedlicher Energiekostenzuschuss entstehen, der zwi­schen 110 und 2 475 Euro liegt.

Wir gehen davon aus, dass diese Unternehmensgröße ein Antragsvolumen von 200 000 Anträgen verursacht beziehungsweise auslöst. Natürlich wäre es ideal, wenn wir jeden Einzelnen überprüfen könnten, aber – das müssen wir ehrlich sagen – da wäre die halbe Republik damit beschäftigt, diese Anträge zu über­prü­fen. Daher haben wir uns dafür entschieden, dass das automatisch erfolgen soll. Diese automatische Überprüfung wird eben hoch automatisiert abgewickelt, und das macht das Unternehmensserviceportal USP. Das wird diese Anträge überprüfen, das Ganze natürlich auch unter Berücksichtigung der jeweiligen datenschutzrechtlichen Bestimmungen.

Nun zu den jeweiligen Kritikpunkten der Opposition. Bei aller Wertschätzung – Gießkanne! – darf ich wirklich einmal eines klarstellen: Sie vermitteln hier den Eindruck, als würde jeder Unternehmer 100 Prozent der Mehrkosten bezie­hungsweise die gesamten Energiekosten bezahlt bekommen. Tatsache ist, dass wir mit dem Energiekostenzuschuss zwei 60 Prozent der Mehrkosten unter Kriterien, die jetzt festgelegt werden, ausbezahlen. (Beifall bei der ÖVP.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 168

Von einem Rundumpaket kann da also nicht die Rede sein. Auch zum Thema, wie es der Wirtschaft geht: Was wäre denn die Alternative gewesen oder was ist die Alternative, wenn wir das nicht machen? – Massenarbeitslosigkeit, Insol­venzen, Wettbewerbsnachteile für Österreich. Wollen Sie das?

Wenn ich jetzt hinüber in Richtung Opposition, in Richtung SPÖ, schaue: Ich kann mich gut erinnern, wie Sie vor einem Jahr mehrmals in Redebeiträgen gesagt haben, wir werden Massenarbeitslosigkeit haben, wir werden Insolvenzen haben. Jetzt hat die Regierung jeweils Maßnahmen gesetzt und auch Unter­stützungen ausgesprochen, und wir haben das Phänomen, dass wir 200 000 Mit­arbeiter suchen und keine Mitarbeiter entlassen müssen. Sie suchen trotzdem noch das Haar in der Suppe. Ich bin wirklich erstaunt. (Beifall bei der ÖVP. – Zwi­schenruf des Abg. Schroll.)

Eines ist klar: Die Wirtschaft ist nicht bankrott und es ist keine Bankrott­erklärung der Regierung, denn mit unserer Wirtschaft geht es Gott sei Dank mit den Unterstützungen – damit die Unternehmen überleben können – auch gut weiter. Wir suchen händeringend Personal. Wenn wir noch 220 000 Mitarbeiter dazubekommen würden, dann würde es der Wirtschaft noch besser gehen, dann brauchen die Unternehmen auch keine Unterstützungen mehr, weil sie dann Aufträge erfüllen könnten und auch mehr Einnahmen hätten, um die Mehr­kosten abzudecken. (Beifall bei der ÖVP.)

Eines darf schon erwähnt sein: Unsere Unternehmer haben seit drei Jahren Pan­demie sowie den Angriffskrieg und Lieferverzögerungen, sie kämpfen genauso mit den jeweiligen Herausforderungen. Unsere Aufgabe in der Politik sollte sein, sie dabei zu unterstützen. Als Selbstständiger – ich bin selbstständig – steht man 40, 50 Stunden in der Woche im Betrieb, übernimmt Verantwortung für die Mitarbeiter und die Mitarbeiterinnen und für ihre Familien, und das nicht nur an vier Tagen in der Woche. (Beifall bei der ÖVP.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 169

Daher auch mein Appell an Sie: Es geht um unsere Klein- und Kleinstunter­nehmen, und wenn Sie der Meinung sind, dass diese eine Unterstützung bekommen sollten, dann vielen Dank dafür. (Beifall bei der ÖVP.)

14.34


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Andreas Hanger. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Ist Herr Mag. Hanger im Haus beziehungsweise im Saal? – Wenn nicht, dann bitte ich Herrn Abgeordneten Pöttinger ans Rednerpult, wenn er schon bereit sein sollte. – Bitte schön.


14.35.03

Abgeordneter Laurenz Pöttinger (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Frau Staatssekretärin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Besucherinnen und Besucher! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Lassen Sie mich eine Bemerkung in Richtung Abgeordneter Loacker machen: Ganz ehrlich, diese abwertende Bemerkung in Richtung unserer Staatssekretärinnen und unseres Staatssekretärs hätte ich eigentlich Ihrer von mir vermuteten Intelligenz nicht zugetraut.

Sehr geehrte Damen und Herren, mit dem heutigen Beschluss des Energiekos­tenzuschussgesetzes schaffen wir die datenschutzrechtliche Grundlage für die automatisierte Abwicklung des Energiekostenzuschusses zwei als Pau­schalfördermodell insbesondere für Klein- und Kleinstbetriebe.

Sowohl der Energiekostenzuschuss eins als auch der Energiekostenzuschuss zwei waren und sind eine absolute Notwendigkeit, um die Wettbewerbsfähigkeit unserer Betriebe zu erhalten. Danke all jenen Abgeordneten, die durch ihre Unterstützung der Anträge ermöglicht haben, unseren Wirtschaftsstandort abzusichern. In unserer herausfordernden Zeit ist es sowohl bei den Haushalten als auch bei den Betrieben legitim, richtig und auch notwendig, zu unter­stützen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 170

Ohne Abfederung der teilweise horrenden Energiekosten wird ein Überleben vieler Betriebe nicht möglich sein. Steigende Insolvenzzahlen und ein eklatanter Verlust an Arbeitsplätzen wären die Folge. Aus Verantwortung für unseren Wirtschaftsstandort und für die Menschen in unserem Land helfen wir durch den Energiekostenzuschuss eins und noch wirkungsvoller durch den Ener­giekostenzuschuss zwei. (Beifall bei der ÖVP.)

Das Fünfstufenmodell beim Energiekostenzuschuss zwei gewährleistet Treff­sicherheit, von Gießkanne kann da wirklich keine Rede sein. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

14.37


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Mag. Karin Greiner. – Bitte, Frau Abgeordnete.


14.37.38

Abgeordnete Mag. Karin Greiner (SPÖ): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Frau Kollegin Graf, ich darf auf Sie replizieren. Sie haben gesagt, wir fänden immer ein Haar in der Suppe – diese Opposition, na furchtbar. Frau Kollegin, 45 Prozent mehr Insolvenzanträge: Ist das ein Erfolg? (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ja, also Sie finden es möglicherweise auch noch lustig. Für die SPÖ ist das mehr als bedauerlich (Abg. Michael Hammer: Ihr habt ja selber eine Insolvenz!), und verantwortlich dafür sind Sie, lieber Kollege Zwischenrufer! (Abg. Haubner: Es haben nicht alle so günstige Parteilokale wie ihr!) Kümmern Sie sich um die Probleme, es gibt genug zu tun!

Es ist umso bedauerlicher, als diese Situation nicht notwendig wäre. Greifen Sie die Probleme einfach an, ziehen Sie eine Mietpreisbremse ein! Was ist da los mit den Mietpreisen? Diese werden - - (Abg. Michael Hammer: Das haben wir gestern schon diskutiert, das ist schon erledigt!) – Das haben wir diskutiert, aber Sie sind nicht schlauer geworden. Diese werden um 8,6 Prozent steigen (Abg.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 171

Michael Hammer: Ja, vor allem in Wien!), und die Leute sind die Leidtragenden. Sie schützen die Zinshausbesitzer und nicht diejenigen, die die Mieten nicht bezahlen können. Das ist Fakt. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Dieselbe Kassette wie gestern!)

Schauen Sie, mit dem Energiekostenzuschuss, der Milliarden Euro schwer sein wird, setzen Sie die Fehlerkette fort. Diese hat mit den Coronaförderungen begonnen, mit den Überförderungen. Der Rechnungshof – nicht die böse Oppo­sition, sondern der Rechnungshof – und des Weiteren die Oesterreichische Nationalbank haben festgestellt: 500 Millionen Euro Überförderungen! – Machen wir da (mit den Fingern schnippend) so? Ist eh nichts passiert! 500 Millionen Euro und Sie sehen das nicht. Das ist doch nicht wahr, dass das nicht als Fehler eingestanden werden kann.

Weil wir gerade dabei sind: Mit der Cofag werden 14 Milliarden Euro an Unter­nehmer, die das gar nicht unbedingt brauchen, hinausgeschossen. Viele mussten aufgrund der Coronapandemie zusperren. Viele Unternehmer gibt es nicht mehr, um diese ist es wirklich schade.

Andere hingegen, die Ihnen wohlgesonnen sind, die Ihnen wichtig sind, die ihre Aktionäre ohnehin schon gut bedienen können, haben noch mehr erhalten. (Abg. Haubner: So ein Blödsinn! – Abg. Wöginger: Das ist ein kompletter Schwachsinn!) Ja das ist doch nicht normal! (Abg. Haubner: Das ist eine typische SPÖ-Argumentation!) Das ist nicht unsere Erfindung, und wir dürfen nicht einmal wissen, wohin die 14 Milliarden Euro geflossen sind. (Abg. Haubner: Es haben nicht alle so günstige Mietverhältnisse wie ihr von der SPÖ! – Abg. Wöginger: Es gibt da völlige Trans­parenz! – Ruf bei der ÖVP: Das steht im Internet! Da können Sie es nachlesen!) Und Sie sagen: Das ist richtig so, für unsere Leute machen wir das! – Wir sagen: Das geht so nicht, das ist ein Skandal und intransparent bis zum Gehtnichtmehr. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haubner: Kandidieren Sie auch? – Abg. Michael Hammer: Startnummer 104!)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 172

Zum Energiekostenzuschuss: Milliarden schwer. Warum schauen wir nicht einfach über die Grenze in die Bundesrepublik Deutschland? Was ist dort passiert? – Dort gibt es seit 1.1.2023 eine Gaspreisbremse für Haushalte, für die Wirtschaft, für die Industrie. Was ist passiert? – Der Preis wurde de facto gesenkt. Das heißt, es ist für die vorhin genannten Betroffenen billiger gewor­den. Und was ist der Erfolg dieser Bremse? – Die Inflation – man höre und staune – wurde um 2 Prozent gesenkt.

Wie ist es in Österreich? – Da ist die Inflation ungebremst hoch, und Sie tun nichts dagegen. Sie sehen sie nicht! Sie wollen nicht oder Sie können nicht. Unerträglich ist das. (Abg. Michael Hammer: Ist da noch wer da drüben? Da könnte man einmal klatschen, oder?)

Ich möchte mich an die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler wenden: Wenn sie jetzt Butter einkaufen – (in Richtung ÖVP:) Ihnen wird es egal sein, wahr­scheinlich gehen Sie gar nicht selbst einkaufen –, bezahlen die Kund:innen 77 Prozent mehr – 77 Prozent! (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ. – Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von ÖVP und SPÖ.)

Warum? – Weil Sie Unternehmen fördern, die die höheren Preise an die Kunden weitergeben. Und die Kunden bezahlen nicht nur für die Butter wesentlich mehr, sie bezahlen auch noch die Energiekostenzuschüsse – das ist Steuergeld –, das heißt, sie zahlen doppelt, für das teure Produkt und für die Energiekostenzuschüsse.

Ganz ehrlich: Die Sozialdemokratie kann das nicht mittragen, sie stellt sich entschieden dagegen. Was Sie machen, ist nicht treffsicher und nicht sozial gerecht. Denken Sie nach! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Wöginger: Das Renner-Institut wird immer schlechter! Ihr braucht da mal ein paar neue Referenten! – Abg. Kucher: Es ist ausgezeichnet!)

14.42 14.42.10


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 173

Seitens der Berichterstattung ist offenbar kein Schlusswort gewünscht.

Wir kommen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 10: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Unternehmens-Energiekostenzuschussgesetz geändert wird, samt Titel und Eingang in 1962 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist auch in dritter Lesung angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „lnfrastrukturoffensive für Österreich“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 11: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wirtschaftstreuhandberufsgesetz geändert wird, samt Titel und Eingang in 1947 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen zur dritten Lesung.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 174

Ich bitte auch da jene Damen und Herren, die für den vorliegenden Geset­zentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

14.43.3912. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 3158/A der Abgeordneten Tanja Graf, Barbara Neßler, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ausländerbeschäftigungsgesetz geändert wird (1994 d.B.)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir kommen nun zum 12. Punkt der Tagesordnung.

Es wurde auf eine mündliche Berichterstattung verzichtet.

Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Alois Stöger. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.44.07

Abgeordneter Alois Stöger, diplômé (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr verehr­ten Damen und Herren, Zuseherinnen und Zuseher! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir reden jetzt über die Änderungen des Ausländerbeschäf­tigungs­gesetzes für eine besondere Zielgruppe, und da gibt es sehr viele Fragen, die man miteinander diskutieren könnte. Gerade dann, wenn wir in Österreich tatsächlich Beschäftigte brauchen, wenn wir am Arbeitsmarkt Leute suchen, ist es wichtig, vernünftig mit der Integration von Arbeitskräften in Österreich umzugehen.

Und was macht man jetzt? – Man schafft die Regelung über die Bewilligungs­pflicht für Vertriebene aus der Ukraine ab. Meine sehr verehrten Damen und Herren und liebe Regierungsfraktionen! Ihr hättet ja auch mit uns reden können, damit wir gemeinsam darüber nachdenken, wie wir die Bewilligungspflicht für


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 175

Ukrainer verändern und verbessern können. Aber was macht ihr? – Ihr schafft sie einfach ab.

Ihr macht keine Vorabprüfung der Lohn- und Arbeitsbedingungen. Abgeordneter Muchitsch hat im Ausschuss einen Gesetzesantrag eingebracht, in dem er festgehalten hat, dass es notwendig wäre, die Daten zu den Arbeitszeiten und -bedingungen, die man meldet, über die Sozialversicherung abzuwickeln. Das habt ihr zwar nicht abgelehnt, aber wieder einmal auf die lange Bank geschoben und vertagt. Das wäre eine Maßnahme gewesen, bei der man hätte sagen können, dass wir uns bürokratische Instrumente sparen können, wenn wir diese Vorabprüfung weiter über die Sozialversicherung machen, damit man auch prüfen kann, ob bei dieser Zielgruppe auch die Lohn- und Arbeitsbedingungen eingehalten werden.

Zum Zweiten geht es um die Sprache. Ich habe selbst erlebt, wie schwierig es ist. Und ich sage auch zu den Unternehmen, dass es nicht so einfach ist, jemanden im Unternehmen zu integrieren, der die deutsche Sprache nicht kann und viel­leicht nur ein bisschen gebrochenes Englisch spricht. Nicht in jedem Unter­nehmen funktioniert das. Dann gibt es auch Branchen, in denen es einfacher ist. In der Gastronomie beispielsweise ist man es gewohnt, mehr­sprachig zu sein. Da macht es durchaus Sinn.

Da geht es um die Frage: Was wird überhaupt angeboten, wenn Menschen zu uns kommen? Welche Unterstützung bekommen sie, um die deutsche Sprache zu erlernen? Da liegen die großen Schwierigkeiten im Zusammenhang mit einer vernünftigen Beschäftigung von Menschen aus dem Ausland.

Was macht ihr jetzt? – Ihr senkt bei der Sprache die Qualität. Ihr sagt, sie brauchen im Sprachsystem nicht mehr A1 – also guten Tag –, A2 zu können, sondern ihr reduziert da die Qualität. Das heißt, jeder Mitarbeiter trägt jetzt auch das Risiko, dass der andere, der mit ihm arbeitet, die Sprache nicht kann. Das könnte bei manchen Berufen sogar gefährlich sein. Dann habt ihr euch noch ein paar


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 176

Sprachen für Hochqualifizierte einfallen lassen und habt gesagt, dass, wer Spa­nisch oder Serbokroatisch kann und hochqualifiziert ist, fünf Punkte mehr bekommt.

Liebe Regierungsparteien: Warum Spanisch? Warum nicht Türkisch? Warum nicht Russisch? Warum nicht Chinesisch oder noch 20 andere Sprachen dieser Welt? Ich glaube, dass das überhaupt nicht ausgereift ist und diese Regelungen eigentlich Zufall sind. Ich glaube, das brauchen wir nicht zu tun. Wenn man sich den vorliegenden Entwurf anschaut, merkt man, dass der Schutz vor Ausbeutung am Arbeitsmarkt nicht besser, sondern wieder einmal schlechter geworden ist (Zwischenruf der Abg. Kirchbaumer), und das lehnen wir als Sozialdemokratie ab. (Beifall bei der SPÖ.)

14.48


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Tanja Graf. – Bitte, Frau Abgeordnete.


14.48.32

Abgeordnete Tanja Graf (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer! Mit dem hier vorliegenden Antrag von meiner Kollegin Barbara Neßler und mir werden wir das Ausländerbeschäftigungsgesetz, genau genommen die Rot-Weiß-Rot-Karte, novellieren.

Auf den Beitrag meines Vorredners Alois Stöger muss ich jetzt schon noch eingehen, denn ich finde den Ansatz, den Sie jetzt gewählt haben, falsch – die Abschaffung der Vorabprüfung der Lohnunterlagen sei nicht gerecht. Sie waren doch im Ausschuss dabei, als unser Arbeitsminister klar gesagt hat, dass in keiner Form festgestellt worden ist, dass irgendjemand, auch nur irgendjemand jemanden zwecks Lohn- oder Sozialdumping anstellen würde, besonders nicht Ukrainer oder Ukrainerinnen. Dieser Verdacht von Ihrer Seite, dass das Unternehmer machen, dass sie Ukrainer oder Ukrainerinnen ausnützen würden,


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 177

finde ich echt schäbig. Das muss ich Ihnen hier jetzt wirklich sagen. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Neßler.)

Tatsache ist: Wir wollen, dass die Menschen, die aus der Ukraine flüchten muss­ten, hier eine Perspektive und einen uneingeschränkten Zugang zum Arbeits­markt ohne irgendwelche Hürden bekommen. Wir sollten Hürden abbauen und Chancen aufbauen. Das ist unser Zugang, warum wir das jetzt machen. (Abg. Stöger: Das war mein Vorschlag!)

Wie schon gesagt sind derzeit 8 000 Ukrainer in den Arbeitsmarkt eingegliedert. Allein in Salzburg arbeiten 996 Ukrainer, worüber wir uns auch freuen.

14 000 Ukrainerinnen und Ukrainer sind gerade noch beim österreichischen Arbeitsmarktservice gemeldet und vorgemerkt, und für sie wollen wir den Zugang erleichtern, sodass sie die bürokratische Hürde im Zusammenhang mit der Vertriebenenkarte nicht haben. Diese wollen wir abschaffen.

Das ist eine Win-win-Situation, denn einerseits geben wir diesen Menschen mit einem Job eine Perspektive und ermöglichen, dass sie auch in Österreich anerkannt und aufgenommen werden, und andererseits gewinnen wir damit auch wertvolle Arbeitskräfte. Sie kennen die Zahl: 220 000 offene Stellen verzeichnen wir in Österreich. (Abg. Wurm: 350 000 Arbeitslose!)

Ebenso wichtig: Die Novellierung bezieht sich auch auf die Stammmitarbeiter beziehungsweise die Saisonarbeitskräfte. Gerade in meinem Heimatsbundesland Salzburg, wo wir den Tourismus wirklich großschreiben, sind wir sehr stolz, dass unsere Stammmitarbeiter jedes Jahr wieder zu uns kommen. Die Tourismus­branche benötigt aber auch händeringend Personal, daher war es mir persönlich wichtig, dass das sprachliche Anforderungsniveau für die Rot-Weiß-Rot-Karte von A2 auf A1 gesenkt wird. (Abg. Belakowitsch: Nein, die brauchen ja nicht Deutsch können!)

Warum ist das wichtig? – Jeder, der einen Job hat, weiß, dass man eine Sprache am besten lernt, wenn man im Job drinnen ist: training on the job. Ich war selbst


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 178

im Ausland und habe dort eine Sprache gelernt. Es ist immer gut, wenn man das im Job mitlernt und nicht permanent in einer Schule sitzt. (Beifall bei der ÖVP.)

Zusätzlich haben wir die Zulassungskriterien in Bezug auf die Sprachkennt­nisse in Deutsch und Englisch, die natürlich im Fremdenverkehr wichtig sind, um die Sprachen Französisch, Spanisch und Bosnisch/Kroatisch/Serbisch ergänzt. (Abg. Belakowitsch: Die reden alle Bosnisch ...!) Gerade für unseren Tourismus ist dies eine sehr sinnvolle Weiterentwicklung der Rot-Weiß-Rot-Karte, denn eines ist gewiss: Wir wollen die internationalen Gäste, die uns in Salzburg besuchen, in mehreren Sprachen begrüßen können.

In Salzburg verzeichneten wir im Jahr 2022 mit 14 Millionen Nächtigungen ein absolutes Topergebnis, und damit Salzburg weiterhin auf der Überholspur bleibt (Abg. Wurm: Marlene wählen! Marlene wählen! Marlene wählen!), braucht es einen, der weiß wie es geht. Das ist unser Landeshauptmann Dr. Wilfried Haslauer, und genau der sollte in den nächsten fünf Jahren unser Salzburg weiterhin voran­treiben. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

14.52


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


14.52.40

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Herr Präsident! Frau Staatssekre­tärin! Sehr geehrte Damen und Herren hier auf der Galerie und zu Hause vor den Bildschirmen! Sie haben ja jetzt vielleicht schon ein bisschen einen Eindruck bekommen: Meine Vorrednerin hat sich ja diebisch darüber gefreut, dass es jetzt einen erleichterten Zugang zum Arbeitsmarkt gibt, und das klingt im ersten Moment ja sogar ganz gut. Wie so oft muss man sich das aber im Detail und ein bisschen genauer anschauen.

Denn was Sie auch abschaffen, ist die sogenannte Vorabprüfung der Lohn- und Arbeitsbedingungen, und das heißt, dass Sie Ausbeuterei salonfähig machen. Es


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 179

wird nicht mehr überprüft, ob es möglicherweise zu Lohn- und Sozialdumping kommen könnte, aber genau das ist leider Gottes zu befürchten.

Zu der Erleichterung, die Sie jetzt für die Ukrainer und für jeden, der eine Vertriebenenkarte hat, anstreben, sage ich Ihnen auch: Es ist noch gar nicht so lange her, da haben Sie beklagt, dass es da möglicherweise Missbrauch gegeben hat. Wir haben von Anfang an davor gewarnt, weil man nämlich auch alle Drittstaatsangehörigen, die erklärt haben, dass sie in der Ukraine waren, gleich mit dem Vertriebenenausweis beglückt hat. Aber sei es drum, jetzt kriegt jeder mit Vertriebenenausweis sofort und ohne irgendwelche Prüfungen Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt. Das ist wiederum eine Öffnung für Missbrauch, diesem sind auch damit wieder Tür und Tor geöffnet. Sie wollen nichts anderes als Billigarbeitskräfte für irgendwelche Leiharbeiterquetschen, die dann gegründet werden, oder sonstige Scheinfirmen – das ist es in Wahrheit.

Es gibt dann einige wenige Profiteure, und man sieht ja eh, wie harmlos dagegen vorgegangen wird und wie der Herr Arbeitsminister jedes Mal, wenn wir ihn darauf ansprechen, stöhnt, und das, obwohl wir schon Dutzende Anfragebeant­wortungen haben und er zugeben musste, dass die Scheinfirmen ein ganz, ganz großes Problem sind. Und, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Öster­reichischen Volkspartei, da wäre es auch an der Zeit, dass Sie einmal in der Wirtschaftskammer aufräumen. Die Wirtschaftskammer hätte da Handlungs­bedarf, das sage ich Ihnen ganz offen und ehrlich. (Beifall bei der FPÖ.)

Was ist noch in dieser Novelle drinnen? – Es ist die Aufweichung der soge­nannten Rot-Weiß-Rot-Karte. Ich glaube, es gibt in Österreich niemanden, der nicht sagt: ohne Deutsch keine Integration. Nichtsdestotrotz senken Sie das Deutschniveau jetzt ab, und dafür kommen andere Sprachen dazu. Meine Vorrednerin sprach vom Tourismus und davon, wie großartig es ist, wenn es im Tourismus Arbeitskräfte gibt, die gar nicht mehr deutsch sprechen können. Die sprechen dann möglicherweise nur mehr Bosnisch/Kroatisch/Serbisch. Wie machen wir das dann mit den deutschen Touristen, die so gerne nach Österreich kommen, oder mit den holländischen Touristen? Wie werden diese dann


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 180

angesprochen? Auf Bosnisch/Kroatisch/Serbisch? (Abg. Martin Graf: Auf Türkisch!)

Seien Sie mir bitte nicht böse, aber ich erwarte mir von Arbeitskräften im eige­nen Land schon, dass sie Deutsch können müssen. Deutsch ist die Voraus­setzung, es ist die Grundvoraussetzung, um Integration überhaupt möglich zu machen. (Beifall bei der FPÖ.) Davon gehen Sie ab, meine Damen und Herren von der Österreichischen Volkspartei! Sie gehen davon ab, weil Sie offensichtlich nichts anderes wollen als Billigstarbeitskräfte, die dann nicht gut verstehen. Diese können Sie dann unter Lohnniveau arbeiten lassen. Wenn diese vorab keine Prüfungen machen müssen, wenn nicht vorab geprüft wird, wie die Arbeitsbedingungen sind, wissen die ja überhaupt nicht, wo sie sich hinwenden können.

Das ist doch Ausnützerei, das ist doch nicht menschenfreundlich, das ist auch nicht gut oder gesund für den Arbeitsmarkt. Das ist ein Gesetzentwurf, den man ablehnen muss. (Beifall bei der FPÖ.)

14.56


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Barbara Neßler. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


14.56.25

Abgeordnete Barbara Neßler (Grüne): Herr Präsident! Geschätzte Kollegen und Kolleginnen! Geschätzte Staatssekretärin! Ein Gesetzesantrag, drei Frauen in unterschiedlichen Rollen und doch eine Geschichte: Andrea betreibt ein Hotel, und wie viele andere in der Tourismusbranche sucht auch sie händeringend nach Arbeitskräften, um den Betrieb aufrechterhalten zu können. Amina kommt aus Bosnien und arbeitet schon einige Saisonen lang bei Andrea. Andrea kann sich immer auf Amina verlassen, und Amina fühlt sich im Hotel von Andrea wohl.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 181

Dann haben wir noch Evgenia. Evgenia musste vor einem Jahr vor Putins brutalem Angriffskrieg aus der Ukraine fliehen und lebt seither in Österreich. Sie hat sich immer besser eingelebt, kann bereits einfache Unterhaltungen auf Deutsch führen und möchte, nachdem sie bereits Gelegenheitsjobs gemacht hat und ihr Sohn jetzt einen Platz in der Volksschule gefunden hat, nun auch am Arbeitsmarkt Fuß fassen.

Andrea sucht nach Personal, Amina und Evgenia wollen arbeiten, aber die derzeitige gesetzliche Regelung und die Bürokratie legen ihnen ordentliche Scheite in den Weg. Das macht die Situation für die drei Frauen alles andere als angenehm. Und genau diese Situation ändern wir mit diesem Antrag.

Was heißt das konkret für diese drei Frauen? – Fangen wir mit Evgenia an: Sie und die anderen 85 000 aus der Ukraine Geflohenen haben künftig einen direkten und unbürokratischen Zugang zum Arbeitsmarkt. Bislang musste die Beschäftigungsbewilligung beim AMS gestellt werden. Das entfällt nun, und somit bauen wir die unnötigen Hürden ab. Damit geben wir den ukrainischen Vertriebenen eine Perspektive und eine Chance am Arbeitsmarkt. Denn – so ehrlich müssen wir sein – der Krieg wird noch länger anhalten, und es braucht diese langfristige Perspektive, um in Österreich wirtschaftlich Fuß fassen zu können. (Beifall bei den Grünen.)

Das freut auch Andrea, die den Betrieb ihres Hotels aufgrund des Personal­mangels kaum noch aufrechterhalten konnte und mit Evgenia nun eine zusätzliche Entlastung hat.

Auch Amina freut sich, und zwar über einen weiteren Punkt im Paket: Auch für die Stammsaisoniers schaffen wir einen deutlichen Bürokratieabbau, denn das Erfordernis der notwendigen Sprachkenntnisse in Deutsch wird an die Arbeitsrealitäten angepasst. Und nicht nur das: Bei der Rot-Weiß-Rot-Karte haben wir es auch das erste Mal in der Geschichte hinbekommen, dass beim Punktekatalog eben nicht nur Englisch zählt, sondern auch weitere Sprachen. Diese Änderungen sind nicht nur im Sinne von Andrea, Evgenia, Amina und


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 182

vielen weiteren Arbeitgebern und -geberinnen, Arbeitnehmern und -nehmerinnen, sondern sie wurden auch von vielen NGOs gefordert. Wir haben sie umgesetzt.

Andrea hätte aber noch einen weiteren Wunsch: Als Unternehmerin kann sie einfach nicht verstehen, dass sie trotz des Personalmangels die Schutz­suchenden, die bei ihr im Ort leben und die arbeiten wollen, nicht einstellen kann. Das macht für Andrea keinen Sinn, und sie hat recht. Es ist sowohl aus menschlicher als auch aus ökonomischer Perspektive überhaupt nicht sinnvoll, dass wir Menschen, die bei uns leben und arbeiten wollen, nicht arbei­ten lassen.

Andrea kann mit diesem ausländerfeindlichen Kurs, den gewisse Parteien hier im Haus vertreten, einfach nichts anfangen, und auch da hat Andrea recht. Wir sollten die Anliegen der Wirtschaftstreibenden ernst nehmen, wir sollten aufhö­ren, Schutzsuchende zu Sündenböcken zu machen, und stattdessen Perspektiven und Chancen mit einer Integration auf dem Arbeitsmarkt bieten, als Gewinn für uns alle. (Beifall bei den Grünen.)

Noch kurz zur SPÖ: Man kann nicht von Billigarbeitskräften oder sonst irgend­etwas reden. Zur rechtspopulistischen Differenzierung auf dem Arbeits­markt muss ich schon sagen: Ich glaube, man sollte sich fragen, ob man, wenn die FPÖ dagegenstimmt, auf der richtigen Seite steht.

Noch eines zur FPÖ: Nicht nur dass Ihre rassistische Ideologie hinsichtlich der Rot-Weiß-Rot-Karte hinten und vorne keinen Sinn macht, auch Ihre Aktion heute Vormittag war einfach nur peinlich. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeord­neten der ÖVP.) Ich frage mich schon, ob das eine direkte Anweisung von Kriegsverbrecher Putin war. Was an dieser Rede von Präsident Selenskyj hat Sie tatsächlich gestört? (Abg. Stöger: Sie haben sie ja nicht gehört!) Was war so schlimm, dass Sie den Saal verlassen mussten und Ihre peinlichen Karten aufge­stellt haben? (Abg. Kickl: Das glaube ich, dass Sie das nicht verstehen! Das ist durchaus nachvollziehbar, dass Sie da Verständnisschwierigkeiten haben!) War es


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 183

der Dank von Selenskyj an die Österreicher und Österreicherinnen für die humanitäre Hilfe? War es der Dank Selenskyjs für die Hilfsaktion Nachbar in Not? War es der Dank Selenskyjs für die Räumung von Minen oder für die ärztliche Hilfe? War es der Wunsch von Selenskyj nach Frieden für die ukra­inische Bevölkerung? (Abg. Kickl: Vielleicht lesen Sie einmal den UNO-Bericht zu Kriegsverbrechen der Ukraine! Lesen Sie das einmal durch, ja! Da finden Sie auch Aufschlussreiches!)

Ich würde sagen: Schämen Sie sich, dass Sie dieses peinliche Zeichen gesetzt haben – vor Hunderttausenden Menschen, die vor Bomben und Krieg flüchten mussten! Sie haben Freiheit in Ihrem Namen, aber von Freiheit sind Sie meilenweit entfernt. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

15.02


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Peter Wurm. – Bitte schön, Herr Abgeordneter. (Zwischenruf des Abg. Martin Graf.)


15.02.17

Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Frau Kollegin Neßler, Ihr Schulaufsatz war sehr nett (Ruf bei den Grünen: Geh bitte! Was für ein tolles Argument!), aber er hilft uns, glaube ich, auf dem österreichischen Arbeitsmarkt jetzt nicht wirklich relevant weiter. (Heiterkeit des Redners. – Abg. Neßler: Na ja! Ich muss es ja so erklären, denn scheinbar verstehen Sie es ja sonst nicht! ...!)

Vielleicht für die Zuseher (Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von Grünen und FPÖ): Es war ein sehr netter Schulaufsatz (Abg. Neßler: Ja, und Sie haben es immer noch nicht verstanden, obwohl ich es einfach erklärt habe!), das sage ich ja, das habe ich ja nicht abgestritten. (Beifall bei der FPÖ.)

Kommen wir wieder zur Sachpolitik! (Heiterkeit und Zwischenrufe bei Abge­ord­neten der Grünen.) – Ich verstehe die Aufregung bei den Grünen nicht. (Heiterkeit des Redners.) Kommen wir zur Sache, bitte! (Zwischenrufe bei den Grünen.) Noch


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 184

einmal: Das, was wir hier vorliegen haben, entspricht natürlich genau der jahrelangen falschen Vorgehensweise dieser Regierungsparteien, der ÖVP und der Grünen, wie wir sie auch immer genannt haben.

Sie öffnen jetzt mit der Vertriebenenverordnung zuerst einmal für die Ukrainer den Arbeitsmarkt ohne Kontrolle. Kann mir bitte einer sagen, was das nächste Land sein wird? (Ruf bei der ÖVP: Nein!) Aus welchem Krieg führenden Land auf der Welt kommen die Menschen dann auch in diesen Genuss des Vertriebenenstatus, sodass der Arbeitsmarkt nicht mehr geschützt ist? Die SPÖ, zumindest die Gewerkschaft, hat das schon verstanden, und Kollege Stöger hat es ja auch kritisiert.

Noch einmal zu den Ukrainern: Selbstverständlich können die jetzt schon arbeiten, dem ist ja nie etwas entgegengestanden. (Zwischenruf der Abg. Neßler.) Die Zahlen sollten Sie auch wissen: Aktuell sind 14 000 beim AMS gemeldet, die keine Arbeit finden – es ist ja nicht so, dass das jetzt unmöglich gewesen wäre –, 8 000 sind in Arbeit, und von den 80 000, von denen Sie sprechen, wollen oder können viele gar nicht arbeiten – also das sind ja ein bisschen Traumtän­zereien.

Ich kenne die Geschichten schon seit zehn Jahren. Da hat man uns versprochen, mit der ganzen EU-Öffnung werden die Probleme des Arbeitsmarkts in Österreich gelöst. Was ist passiert? – Noch einmal: Wir haben jetzt mittlerweile 27 EU-Staaten, auch aus Kroatien könnte jeder in Österreich arbeiten, ebenso Bulgaren, Rumänen, es ist ja alles offen. Auch der europäische Arbeitsmarkt hat bis heute nie funktioniert, wie es die ÖVP versprochen gehabt hat: dass der griechische Koch im Winter dann quasi in Tirol auf der Skihütte kocht. Das hat nie funktioniert. (Abg. Stögmüller: Blödsinn! ...!)

Auch das ist wieder der komplett falsche Weg, und auch die Öffnung der Rot-Weiß-Rot-Karte ist ganz nett gemeint, aber halt der falsche Ansatz. Wenn man jetzt Französisch und kein Deutsch mehr in Österreich braucht, wird das den


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 185

Arbeitskräftemangel der Betriebe – ÖVP, schaut her! – nicht beheben. Das ist ebenso der falsche Ansatz. (Beifall bei der FPÖ.)

Das, was wir Freiheitliche seit Jahren, um nicht zu sagen, seit Jahrzehnten, sagen, ist: Wir müssen in Österreich die eigenen Menschen qualifizieren. Das fängt beim Schulsystem, das in Österreich seit Jahrzehnten desolat ist, schon einmal an. (Abg. Kickl: ... die Früchte der linken Ideologie!)

Ich wiederhole das – ich habe das, glaube ich, vor zehn Jahren schon einmal gesagt –: In Wien sind 50 Prozent aller Mittelschulabsolventen faktische Analphabeten. 50 Prozent der jungen Menschen in Österreich, in Wien, die aus der Schule kommen, können nicht lesen, rechnen, schreiben. Was wollen Sie mit denen auf dem Arbeitsmarkt anfangen? Das sind die Probleme, die wir haben.

Auch eine Lehrlingsoffensive – wir haben unzählige Vorschläge gemacht –, zum Beispiel die Lehrlingsprämie von Kollegen Angerer, 10 000 Euro: Das setzen Sie alles nicht um. Da muss man ansetzen.

Wenn Sie aus der ganzen Welt irgendwelche Leute herholen, die die Probleme auf dem Arbeitsmarkt lösen sollen, ist das der komplett falsche Weg. Wir haben nur Probleme.

Vielleicht zur Erinnerung für die ÖVP – die Grünen werden es wahrscheinlich gar nicht wissen –: Wir haben ungefähr 350 000 Arbeitslose inklusive Schulungs­teilnehmer, und wir haben fast noch einmal so viele in der Mindestsicherung, in der Sozialhilfe. Das sind Hunderttausende, die eigentlich arbeiten sollten oder könnten. Die müssten wir in den Arbeitsprozess bringen, und da höre und sehe ich nichts. (Zwischenruf des Abg. Martin Graf.)

Jetzt wollen Sie das für die ganze Welt quasi noch einmal ohne Schranken öff­nen. Das ist also der komplett falsche Weg (Beifall bei der FPÖ) und wird weder dem Arbeitsmarkt noch der Wirtschaft in Österreich helfen und schon gar nicht helfen, die Probleme, die wir bei der Integration in Österreich haben, zu lösen,


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 186

sondern wird diese Problemstellungen auf beiden Seiten nur noch vergrößern. Das zeigt mir nur, wie bankrott diese Regierung aus ÖVP und Grünen mitt­lerweile ist. – Danke. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Disoski: Das war ein schlechter Schulaufsatz, ein sehr schlechter Schulaufsatz! – Zwischenruf der Abg. Neßler.)

15.07


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Mag. Gerald Loacker. – Bitte, Herr Abgeordneter.


15.07.24

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Geschätzte Frau Staatssekretärin! Zuerst möchte ich eine Gruppe von oberösterreichischen NEOS-Gemeinderäten auf der Galerie begrüßen. Ich freue mich, dass ihr da seid. (Allgemeiner Beifall.)

Es ist inhaltlich immer ein bisschen schwer, anzuschließen, wenn Kollege Wurm Arbeitsmarktthemen anreißt. Ich weiß nicht, wie viele Köche deutscher Muttersprache und wie viele Köche nicht deutscher Muttersprache in Österreich unterwegs sind. Ich glaube, wir haben sehr viel Erfolg damit, einen offenen Arbeitsmarkt zu haben, und damit, dass Menschen aus anderen europäischen Ländern zu uns nach Österreich arbeiten kommen können und wollen. (Beifall bei den NEOS, bei Abgeordneten der Grünen sowie der Abg. Kirchbaumer.)

Es wird nun wieder einmal das Ausländerbeschäftigungsgesetz geändert. In den letzten zehn Jahren war das 17 Mal der Fall und allein unter dieser Regie­rung sieben Mal. Das hat zur Folge, dass sich keiner mehr auskennt, nicht die Unternehmen, die da sind, und nicht die Menschen, die vielleicht zu uns arbeiten kommen würden, weil in kleinen Schritten immer ein bisschen herumgeschraubt wird. Für eine große Reform reicht es nie.

Es ist vorhin diskutiert worden, ob die Sprachanforderungen, die jetzt für die Rot-Weiß-Rot-Karte vorgesehen sind, nun genügen oder nicht. Kollege Stöger hat es so formuliert: Sie setzen die Qualität der Sprache herunter. – Das


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 187

stimmt ja nicht. Es wird nur die Anforderung heruntergesetzt und nicht die Sprache selbst. Es möge sich aber jeder selbst seinen Reim machen.

Ich möchte Ihnen ein Beispiel dafür sagen, warum es richtig ist, nicht zu strenge Sprachanforderungen zu stellen: Wir haben in Österreich beispielsweise in der Forstarbeit und in der Holzverarbeitung sehr viele offene Stellen. Wenn man heute Brennholz einkauft, ist das viel teurer, als es vor zwei Jahren war, weil wir einen Mangel haben. Jetzt stehen die Maschinen ungenützt herum, weil die Menschen nicht da sind, die die Arbeit im Forst und in der Holzverarbeitung machen (Abg. Martin Graf: Die sind schon da, aber beim AMS!), und da gäbe es Menschen in Bosnien-Herzegowina und in Serbien, die die Arbeit machen würden, aber die können halt nicht Deutsch auf Maturaniveau. Ich glaube aber, sie brauchen kein Maturaniveau, wenn sie im Wald arbeiten. Sie müssen die Warnhinweise verstehen, sie müssen mit ihren Arbeitskollegen kommunizieren können, aber sie müssen keine Matura schreiben, und deswegen darf man die Spracherfordernisse durchaus ein bisschen herunternehmen. (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Stögmüller.)

Das ist nämlich auch im Interesse der Konsumenten, deren Brennholz günstiger ist, wenn das Angebot größer ist, als wenn das Angebot kleiner ist.

Wenn es darum geht, ob ausländische Arbeitskräfte nach Österreich arbeiten kommen, dann gibt es aber neben den Gesetzen auch atmosphärische Aspekte, nicht? Es ist ein schlechtes Signal, wenn Leute, die glauben, Zuwanderer seien etwas Böses, in Landesregierungen kommen oder zweiter Landtagspräsident werden. Die niederösterreichische ÖVP-FPÖ-Koalition ist kein einladendes Signal an Menschen, nach Österreich arbeiten zu kommen. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der Grünen.)

Alle, die die österreichische Politik beobachten, kennen die Intensität, mit der sich die ÖVP an die Macht krallt. Wenn nun in Salzburg gewählt wird, dann kann man sich auch ausrechnen: Haslauer wird mit jedem ins Bett gehen, um an der Macht zu bleiben. (Rufe bei der ÖVP: Was ist ... NEOS? SPÖ-NEOS?! Ihr seid auch


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 188

mit den Roten zusammengegangen!) Ob das die Freiheitlichen sind oder eine andere Partei, ist Haslauer piepschnurzegal. (Zwischenrufe der Abgeordneten Zarits und Kickl.) Die ÖVP ist ein machtversessener Haufen, und das wird sich auch nach der Salzburgwahl zeigen. (Beifall bei den NEOS. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

15.11


Präsident Ing. Norbert Hofer: Ich darf Herrn Bundesminister Johannes Rauch herzlich im Parlament begrüßen und zu einer Stellungnahme nun Frau Staatssekretärin Mag.a Susanne Kraus-Winkler das Wort erteilen. – Bitte, Frau Staatssekretärin. (Zwischenrufe der Abgeordneten Martin Graf und Kickl.)


15.11.18

Staatssekretärin im Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft Mag. Susanne Kraus-Winkler: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Sehr geehrte Damen und Herren Zuseher auf der Galerie und auch im TV! Ich möchte hier noch einmal die Ausgangslage skizzieren (Abg. Kickl: Das ist die Frau Staatssekretärin, das muss man dazusagen!), um die es da geht.

Wir haben viele Branchen, in denen der Fachkräftemangel aktuell die größte Herausforderung ist. Gerade in der Dienstleistungsbranche ist das besonders spürbar, vor allem in den Bereichen, in denen eine physische Anwesenheit erforderlich ist. Mit der Reform der Rot-Weiß-Rot-Karte konnte im vergangenen Jahr dringend benötigten internationalen Fachkräften die Zulassung zum österreichischen Arbeitsmarkt ursprünglich ermöglicht und mittlerweile auch erheblich erleichtert werden. Gerade im Tourismus ist dies ein Instrument, das viel an Bedeutung gewonnen hat. Dennoch bleibt der Fachkräftemangel europaweit eine Herausforderung. Natürlich lässt er sich nicht mit Einzelmaß­nahmen lösen, und hinzu kommt auch, dass die internationalen Rahmen­bedingungen sich laufend ändern. Daher ist es auch wichtig, dass man in der Arbeitspolitik gezielt immer wieder darauf reagiert und neue Impulse setzt.

Die gegenständliche Novellierung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes zeigt sehr deutlich, warum dies notwendig ist; denn gerade aus der Perspektive des


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 189

Tourismus schafft diese Novelle ganz wertvolle Verbesserungen. Wie sehen diese aus? – Die erste – heute schon angesprochen – betrifft die Beseitigung der arbeitsmarktbehördlichen Hürden für die Vertriebenen aus der Ukraine. An dieser Stelle möchte ich noch einmal auf den Tourismus zu sprechen kommen: Es gibt zahlreiche Beispiele für eine rasche, erfolgreiche Integration von Ukrainerinnen und Ukrainern. Anfang Februar arbeiteten bereits 3 337 Ukraine­rinnen und Ukrainer im österreichischen Tourismus, und bei den allermeisten hat es sich um Vertriebene gehandelt. Der Tourismus ist, wie wir alle wissen, eine wichtige Einstiegsbranche, ein Sprungbrett und ein Integrationsmotor. Das hat sich gerade da auch wieder sehr erfolgreich gezeigt.

Um erfolgreiche Integration zusätzlich zu erleichtern, wollen wir nun die arbeitsmarktpolitische Bewilligungspflicht für die Ukrainerinnen und Ukrainer entfallen lassen (Abg. Krisper: Endlich!), um damit eine willkommene Ver­ein­fachung zu erreichen und auch die Arbeitsmarktintegration jener Vertriebenen, die dauerhaft im österreichischen Arbeitsmarkt verbleiben wollen, zu beschleunigen.

Bei der zweiten Verbesserung geht es um die Änderung bei den Sprach­kennt­nissen für die Rot-Weiß-Rot-Karte, und da gibt es zwei wichtige Änderungen: Das eine ist das Punkteschema, bei dem zukünftig für Spanisch, Französisch und Bosnisch/Kroatisch/Serbisch Zusatzpunkte vergeben werden können. Das Zweite ist die Rot-Weiß-Rot-Karte für Stammmitarbeiter. Für sie – wie heute schon angesprochen – reichen künftig Sprachkenntnisse auf dem Niveau A1. (Ruf bei der ÖVP: Bravo!)

Gerade die Perspektive des Tourismus zeigt, dass es sich um sachgerechte Vereinfachungen handelt. Der Tourismus ist vielfacher Arbeitgeber mit unterschiedlichsten Karriereoptionen und ganz unterschiedlichen Sprach­anforderungen. Viele Fachkräfte arbeiten bei uns in kleinen Teams, kommunizieren erfolgreich in den unterschiedlichsten Sprachen und leisten dennoch eine hervorragende Arbeit. Mit Bosnisch/Kroatisch/Serbisch soll auch der historisch gewachsene Fachkräftezuzug vom Westbalkan


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 190

erleichtert werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.) Spanisch und Französisch sollen neue Zielländer ansprechen können. Ich möchte auch noch darauf eingehen, warum Spanisch: Spanisch ist die Sprache mit den zweitmeisten Muttersprachlern und jene, die am viertmeisten auf der Welt gesprochen wird. Insgesamt handelt es sich bei dieser Gesetzesnovellierung also um eine positive Erleichterung und ein wertvolles Signal an internationale Fachkräfte.

Erlauben Sie mir, zum Schluss noch etwas zu sagen, was mir persönlich sehr wichtig ist: Jungen Menschen in den Tourismusschulen sagen wir – und das ist weltweit der Fall –: Euch steht die Welt nachher offen. – Das war auch immer ein besonderes Asset für diese jungen Menschen. Sollen wir jungen Menschen in Tourismusschulen auf der ganzen Welt nun sagen: Euch steht die ganze Welt offen, nur nicht Österreich, weil ihr nicht ausreichend Deutsch schreiben und lesen könnt, wenn ihr für zwei oder drei Jahre in Österreich das Land, die Gäste, die Unternehmen, die Küche und die Arbeit bei uns kennenlernen wollt!? – Ich halte das für das absolut falsche Signal. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Derzeit arbeiten weltweit im Tourismus internationale Teams, die sich meist auf Englisch verständigen. Es ist mittlerweile im Tourismus ein Erfolgsmodell geworden, dass wir so internationale Teams haben. Wenn wir in Österreich das nicht verstehen, dann verstehe ich die Welt in Österreich nicht. – Danke vielmals. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwischenrufe der Abgeordneten Martin Graf und Prinz.)

15.17


Präsident Ing. Norbert Hofer: Herr Abgeordneter Ottenschläger hat sich zur Geschäftsbehandlung zu Wort gemeldet. – Bitte. (Abg. Martin Graf: Wie viele Küchenhilfen ...?)

*****



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 191

15.17.23

Abgeordneter Andreas Ottenschläger (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Zur Geschäftsordnung, Herr Präsident! Herr Kollege Loacker hat vorhin in seinem Redebeitrag die ÖVP als einen machtbesessenen Haufen bezeichnet. (Abg. Belakowitsch: Da hat er eh recht!) Ich denke, man sollte zumindest noch einmal prüfen (Zwischenrufe bei der ÖVP), ob das nicht einen Ordnungsruf verdienen würde – noch dazu vor dem Hintergrund, dass die NEOS auch in Koalitionen sind, unter anderem in Salzburg. (Zwischenrufe bei den NEOS.) Ich glaube, man sollte sich sehr wohl überlegen, welche Wortwahl man hier trifft. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

15.18

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Sehr geehrter Herr Abgeordneter Ottenschläger, ich werde mir das Protokoll kommen lassen und dann auch entsprechend reagieren. (Rufe bei der ÖVP: Natürlich! – Rufe und Gegenrufe bei Grünen und NEOS. – Zwischenruf des Abg. Wurm.)

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Rebecca Kirchbaumer. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


15.18.18

Abgeordnete Rebecca Kirchbaumer (ÖVP): Herr Präsident! Werte Staats­sekretärin! Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen und liebe Zuseherinnen und Zuseher bei uns hier im Haus und via Livestream oder via TV bei Ihnen zu Hause oder auch im Büro! Meine Damen und Herren, es ist für mich immer wieder erschreckend, zuzuhören, wie die Opposition – und da spreche ich nun ganz speziell die ÖVP – ah, Verzeihung, die FPÖ und die SPÖ an (Abg. Wurm – erheitert –: Ein Freud’scher Versprecher!) – behauptet, dass grund­sätzlich die Unternehmerschaft die Ausbeuter der Nation sind (Abg. Belakowitsch:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 192

Na, die ÖVP ...!), die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausbeuten, Menschen, die vertrieben sind, die vor einem Krieg fliehen, vor Morden fliehen.

Wir haben es heute gehört und ich möchte auch die Gelegenheit nutzen und der Kollegin von den NEOS, Kollegin Meinl-Reisinger, zu ihrer Rede gratulieren. Sie hat mich heute sehr inspiriert (Abg. Belakowitsch: Oje! Ach Gott! Die schreckliche Rede?!), es hat mich auch betroffen gemacht, was es für Menschen bedeutet, in einem Land zu leben, in dem ein Krieg herrscht, für den sie nichts können, gar nichts können. Wir können alle nichts dafür, wenn in Österreich jemand kommt und unsere Kinder verschleppt und Frauen die Hände bricht und sie dann vergewaltigt.

Dann stellen sich hier Abgeordnete her und sagen: Das ist alles ein Wahnsinn! Wir machen Tür und Tor auf! Es ist Missbrauch! – Missbrauch ist genau das: diese Worte. Das ist Missbrauch. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Abgeordneten der NEOS. – Abg. Kickl: Da bin ich gespannt, ob Sie das bei allen anderen Kriegen auch so sehen! Dann wär’s konsequent!)

Wichtig ist für uns in Österreich: Wir haben einen Wohlstand. (Abg. Belakowitsch: Na ja, der ist aber bei Ihnen sehr geschrumpft ...!) Diesen Wohlstand haben viele, viele Menschen vor uns, die ihre Arbeitskraft eingesetzt haben, in diesem Land geschaffen – besonders auch im Tourismus. (Zwischenruf des Abg. Martin Graf.) Tirol ist das Tourismusland schlechthin. Wir leben vom Tourismus (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch), und es ist ganz, ganz wichtig, dass wir da weiterhin Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter finden, weil wir von Gästen hören, wie schade es doch ist, dass Terrassen geschlossen sind, mehr Sperrtage sind, weil die Stellen einfach nicht besetzt werden können, weil wir am österreichischen Arbeitsmarkt keine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mehr finden – nicht weil die Österreicherinnen und Österreicher nicht bei uns arbeiten wollen, wir haben viele, viele Mitarbeiter:innen, und denen möchte ich danken, dass sie bei uns arbeiten, sondern weil wir zu wenige haben. Um den Wohlstand in Österreich halten zu können, ist es wichtig, dass wir auch die Augen öffnen, über den Tellerrand hinausschauen. (Abg. Belakowitsch: Das hätten Sie längst ... tun sollen!)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 193

Eines muss ich Ihnen schon sagen, wenn Sie sagen, wir beuten die Mitarbeite­rinnen und Mitarbeiter aus: Sie fordern eine Viertagewoche, Sie fordern eine Reduktion der Arbeitszeit, 35 Stunden. Ja was bedeutet denn das, wenn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht da sind? Sollen wir jetzt schneller kochen, die Haare schneller schneiden? Soll die Verkäuferin jetzt schneller abrechnen? Ich weiß nicht, wo da der Sinn sein sollte. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Meine Damen und Herren! Ich finde es nicht wertschätzend gegenüber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die in unseren Unternehmen arbeiten, und ich finde es überhaupt nicht wertschätzend gegenüber uns, den Unternehmern und Unternehmerinnen in Österreich, die sieben Tage die Woche, 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter da sind, für ihre Unternehmen da sind, die Verantwortung für dieses Land und für diesen Wohlstand, den wir haben, übernehmen. Nur ein Gemeinsames funktioniert – und nicht dieses ständige Bashing dagegen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte da auch die Medien noch ganz kurz miteinschließen: Negativ­wer­bung. Es gibt nur mehr negative Werbung. Es gibt nur mehr negative Medienberichterstattung, negative Nachrichten. Es ist alles schlecht: Die Arbeit ist schlecht, wir werden krank von der Arbeit. Es ist ein schlechtes Österreich, und es ist ja ganz schlimm, wenn man überhaupt in Österreich lebt. Auch das Wetter ist bei uns schlecht, denn wenn es nämlich einen Tag regnet: Oh Gott, ach, es regnet! – Es muss nur mehr blauer Himmel sein. (Abg. Kickl: Das ist auch schlecht, weil dann ist Klimakrise!)

Meine Damen und Herren, wir brauchen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wir brauchen uns alle. Es braucht die Unternehmerinnen und Unternehmer, es braucht die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in unserem Land, es braucht uns alle. Ich bitte darum und ich hoffe, wir haben mehr ein Miteinander als dieses ständige Gegeneinander. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenruf des Abg. Stöger.)

15.23 15.23.11



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 194

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1994 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

15.23.46 13. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 3241/A der Abgeordneten August Wöginger, Mag. Markus Koza, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungs­gesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversiche­rungsgesetz, das Allgemeine Pensionsgesetz, das Pensionsgesetz 1965, das Bundestheaterpensionsgesetz und das Bundesbahn-Pensionsgesetz geändert werden (1995 d.B.)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen zum 13. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt Abgeordneter Mag. Gerald Loacker. – Bitte, Herr Abgeord­neter.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 195

15.24.16

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Kollege Ottenschläger wird noch nachreichen, ob er sich jetzt über „machtversessener“ oder über „Haufen“ aufgeregt hat, ich konnte das jetzt nicht auseinanderhalten.

Wir diskutieren jetzt einen Antrag der Mehrheitsfraktionen, wieder mehrere Verbesserungen bei den Pensionen vorzunehmen. Wir sind die einzige Fraktion, die den wenig populären Standpunkt einnimmt: Es ist nicht an der Zeit, bei den Pensionen Verbesserungen vorzunehmen. Warum nicht? – In den letzten Jahren sind die Einkommen der Pensionisten stärker als die Einkommen der Erwerbs­tätigen gestiegen, aber wir müssen natürlich immer auf die Balance achten. Es ist nicht der ein guter Sozialpolitiker, der mehr Geld hinausbläst. Es ist der ein guter Sozialpolitiker, der auf die Balance zwischen den Leistungsbeziehern einerseits, die berechtigte Interessen haben, und den Beitragszahlern andererseits, die auch berechtigte Interessen haben, achtet. Diese Regierung und der Herr Sozial­minister sehen immer nur die Bezieherseite. Die Zahler, die jungen Generatio­nen, die mit ihren Beiträgen und Steuern das alles schupfen und die in Zukunft noch für die Schulden zahlen werden, die da aufgetürmt werden, die werden völlig außer Acht gelassen. (Beifall bei den NEOS.)

Da ist mit der abgestuften Erhöhung während des Jahres diese Schräglage aufgekommen. Das – diesen Anreiz, früher in Pension zu gehen – haben ja diese Regierungsparteien selbst verbrochen. Die sind so hilflos – was sollen wir tun? –, dass ihnen jetzt nichts anderes einfällt, als auf unmoralische Art noch mehr Geld, das sie nicht haben, auf das Problem zu werfen. Fantasie- und moralbefreit wird da Geld auf Schulden aufgenommen und zum Fenster hinaus­ge­worfen, und dann stellt man sich hin und sagt: Das kostet 150 Millionen Euro! – Ja, im ersten Jahr, aber das nehmen diese Leute ja mit!

Das, was Sie jetzt machen, hat zur Folge, dass man am 1. Dezember in Pension gehen kann und schon einen Monat später 10 Prozent Pensionserhöhung


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 196

bekommen wird. Das kann doch nicht das Ergebnis sein. (Zwischenruf des Abg. Koza.) Wir haben ja nicht 10 Prozent Inflation in einem Monat. Das ist alles völlig absurd geworden. Kein Erwerbstätiger kriegt für einen Monat irgendwo 10 Pro­zent Erhöhung, aber bei den Pensionisten machen wir das, weil sie die größte Wähler­gruppe sind – nicht? Es geht nur um ihre Stimme. Sie werden gekauft, aber das ist normal in diesem Land. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Koza: Jeder Arbeitneh­mer kriegt die kollektivvertragliche Lohnerhöhung! – Abg. Krainer: Jeder Arbeit­neh­mer bekommt das!) Es werden neue Stufen geschaffen. Es ist nicht richtig, einen Anreiz zu setzen (Abg. Koza: Jeder Arbeitnehmer kriegt das!), im Dezember in Pension zu gehen, weil man dann besser dran ist, als wenn man im Jänner in Pension gehen würde und diese 10-prozentige Erhöhung nicht bekommt.

Dann wird vorgeschoben: Ja, wir müssen etwas für die armen Pensionisten tun, weil die kein Geld haben! – Solche gibt es natürlich. Es gibt Pensionisten, die in einer misslichen finanziellen Lage sind. Das Sozialwesen ist aber Ländersache und nicht Sache der Bundesregierung (Abg. Koza: Die Ausgleichszulage aber nicht!): Es gibt Wohnkostenzuschüsse, Heizkostenzuschüsse, alle möglichen Hilfszah­lungen, für die der Bund den Ländern auch Gelder überweist, die Menschen in Notlagen zukommen. (Abg. Koza: Die Ausgleichszulage ist Bundes­sache!) Wenn man aber allen Pensionisten, nämlich auch denen mit hohen Pensionen, eine 10-prozentige Erhöhung gibt, wenn sie am 1. Dezember in Pension gehen, ist das nicht der Fall.

Der Herr Minister hat gestern von einer Koalition der Grünen mit den Roten und den NEOS fantasiert. Das kann ich Ihnen sagen: Diese Pensionspolitik, die Sie aufführen – alle paar Monate ein paar hundert Millionen für Pensionen hinaus­zu­buttern –, das können Sie machen, mit wem Sie wollen, mit uns ganz sicher nicht, weil wir eine Verantwortung gegenüber den nächsten Generationen haben – Sie offensichtlich nicht. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Wurm: Gerald, schwör es! Gerald, schwör es!)

15.28

15.28.19*****



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 197

Präsident Ing. Norbert Hofer: Herr Abgeordneter, da Sie Ihre Wortwahl wiederholt haben, kann ich mir ersparen, mir das Protokoll kommen zu lassen, und darf Ihnen für diese Formulierung einen Ordnungsruf erteilen.

*****

Ich bitte nun Mag. Michael Hammer zum Rednerpult. – Bitte, Herr Abgeordneter.


15.28.32

Abgeordneter Mag. Michael Hammer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir diskutieren heute und beschließen heute Änderungen im Pensions­bereich. Wir haben das ja gestern schon in einer ungeheuerlichen Dringlichkeit auf Antrag der SPÖ auch ausführlich diskutiert. Gestern war es die Pensions­show, heute war es die große Abwesenheitsshow am Vormittag – irgendwie fällt euch jeden Tag etwas Neues ein, um von euren Problemen abzulenken. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Aber zur Sache: Bei den Pensionen haben wir zum einen – und das ist mittels Abänderungsantrag im Sozialausschuss schon besprochen worden –, das möchte ich eingangs auch vorausschicken (Abg. Stöger: Der Abänderungsantrag ist ... beschlossen worden!), für das heurige Jahr eine durchaus angemessene Pensions­erhöhung bei den kleinen Pensionen, auch deutlich über dem, was der Pensionsanpassungsfaktor ist. Das ist mit einer Einmalzahlung geregelt. Durch ein redaktionelles Versehen ist die Pensionsberechnung in diesem Bereich nicht erfolgt, und daher bereinigen wir das jetzt. Über 200 000 Pensionistinnen und Pensionisten bekommen jetzt eine entsprechende Nachzahlung, damit dieses Problem beseitigt ist und die Pensionserhöhung auch für dieses Jahr entsprechend ist.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 198

Zum Zweiten – und da darf ich mich auch an die SPÖ wenden, weil Kollege Koza den Abänderungsantrag erst nach mir einbringen wird; Kollege Muchitsch wird dann wahrscheinlich wieder nach vorne gehen und sagen, die Regierung macht nichts, Pensionsraub, es geschieht nichts –: Wir werden das, was wir angekün­digt haben, sozusagen die Stufe zwei der Trägerrakete, heute einbringen und dann auch beschließen. Die Presseaussendungen, die ihr vielleicht wieder vorbereitet habt, könnt ihr euch also aufzeichnen. Es wird heute eingebracht und auch beschlossen. (Zwischenrufe der Abgeordneten Cornelia Ecker und Kucher.)

Es wurde von Kollegen Loacker zwar nicht in dem Sinne, wie wir das beschließen werden, aber doch erklärt, worum es da geht: Wir werden diese Aliquotierung für zwei Jahre aussetzen, damit auch in den ersten Jahren die Pensionsanpas­sung gleich entsprechend ist. Es sind pro Jahr ebenfalls 100 000 Bezieher:innen, die da in den Genuss kommen.

Ich möchte die Geschichte nicht mehr aufrollen, die haben wir gestern schon diskutiert, nämlich wie das in den vielen, vielen Jahren davor auch geregelt worden ist, auch unter Beteiligung zum Beispiel der Sozialdemokraten und der Freiheitlichen in Regierungen, wobei es oft in den ersten Jahren überhaupt keine Pensionsanpassung gegeben hat, und das wird jetzt bereinigt.

Ganz allgemein darf ich unterstreichen, was Kollege Loacker jetzt gesagt hat: Nebst all dem, was wir machen – Pensionserhöhung und auch das mit der Aliquotierung –, kommen die Pensionistinnen und Pensionisten natürlich auch in den Genuss von sozialen Maßnahmen, die wir gegen die Teuerung setzen – ob das die Heizkostenzuschüsse sind, der gestern beschlossene Wohn- und Energiekostenzuschuss und auch die Strompreisdeckelung.

Wir lassen also unsere Pensionistinnen und Pensionisten auf keinen Fall im Stich und helfen bei der Teuerung ordentlich. Auf uns kann man sich verlassen, und vor allem auch darauf, dass das System abgesichert bleibt. Die Sozialdemokraten hingegen wollen aus Populismus das System an die Wand fahren. Da sind wir


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 199

nicht dabei. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Koza. – Abg. Stöger: Na wer sagt denn das?)

15.31


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Josef Muchitsch. – Bitte, Herr Abgeordneter.


15.31.43

Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ): Herr Präsident! Herr Sozialminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es war goldrichtig, gestern diese Dringliche zu machen, denn sie hat eindeutig aufgezeigt, wo bei eurem Übereinkommen in den Morgenstunden gestern die Schwachstellen sind. (Beifall bei der SPÖ.)

Es war goldrichtig, das aufzuzeigen. Dann geht ihr noch her und sagt, das ist Showpolitik, was wir gestern gemacht haben, und macht eine Presseaussendung (ein Schriftstück in die Höhe haltend), in der etwas von „Abschaffung der Aliquo­tierung“ steht. – Ihr schafft sie ja nicht ab, ihr setzt sie nur aus!

Fakt ist, dass ihr euren eigenen Antrag nicht lesen könnt. Darin kommt sechsmal vor: „ist bei den Pensionsanpassungen für die Kalenderjahre 2024 und 2025 nicht anzuwenden.“ Jetzt können wir sagen, okay, da steht nicht aussetzen, aber wenn man in eurem Antrag von Wöginger und Koza umblättert, liest man in der Begründung: „für die Kalenderjahre 2024 und 2025 ausgesetzt werden.“ Da muss ich sagen: Ihr hättet gestern die Leute nicht für blöd verkaufen dürfen! Da hättet ihr euch hierherstellen und sagen müssen: Wir setzen sie nur aus, 2025 gilt dieser Schwachsinn weiter. (Ruf bei den Grünen: Wir haben immer gesagt, bitte, das war ja ...! – Abg. Fischer: ... und was war gestern? – Ruf: Keine Ahnung! – Abg. Koza: Wir haben gestern immer gesagt ...! – Abg. Fischer: Überschrift ... war ein Schlusssatz! – Ruf bei den Grünen: Ihr habt wieder gestern ...!)

Wenn Herr Hammer sagt, ihr lasst niemanden im Stich, ihr lasst die Pensionisten und Pensionistinnen nicht im Stich, muss ich sagen: Da sind wir schon bei der


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 200

ersten Schwäche. (Abg. Koza: ... dann die nächste Regierung! – Abg. Fischer: Haben wir abgeschafft!) Warum lasst ihr die Leute, nämlich die Pensionsneuzu­gänge 2022 komplett im Stich? (Ruf bei der SPÖ: Genau!) Die sind nicht drinnen. (Abg. Koza: Warum nicht, ...?!) Deswegen war gestern diese Dringliche wichtig! (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei den Grünen: ... System der Leistung ...!) Jetzt haben die Menschen zu Hause kapiert, was da abgeht: Ihr lasst wieder einen kompletten Jahrgang zurück, nämlich all jene, die 2022 einen Pensionsantrag gestellt haben.

Wenn dann die Mails eintreffen, dann hoffe ich, dass ihr sie wenigstens lest, nämlich Mails wie dieses, in dem mir eine Pensionistin schreibt: Ich hätte mit 1.5.2022 in Pension gehen können, wollte aber noch Zeiten ansparen. Ich habe dann mit 1.11.2022 den Pensionsantrag gestellt. Jetzt zahle ich nun offen­sichtlich doppelt und dreifach drauf. – Zitatende. Genau diese Leute lasst ihr zurück!

Herr Sozialminister, auch du hast ein nettes Mail bekommen von einem Kollegen aus Stainz in der Weststeiermark. Er schreibt sinngemäß: Bitte vergesst uns nicht beim morgigen Beschluss! Vergesst diejenigen nicht, die 2022 in Pension gegan­gen sind, die schon 2022 genauso von der Teuerung betroffen waren!

Da bin ich neugierig, was man da zurückschreibt. Fakt ist, wir geben euch heute die Chance, diese Fehler, die ihr gemacht habt, zu korrigieren. Wir machen einen Abänderungsantrag, den neunten Antrag in dieser Causa, damit niemand zurückgelassen wird. (Beifall bei der SPÖ.)

In diesem Abänderungsantrag fordern wir, dass die Pensionsneuzugänge 2022 dazugenommen werden und dass für Rechtssicherheit gesorgt wird, indem diese Aliquotierung für alle Jahrgänge und auch dauerhaft für die Zukunft abgeschafft wird, denn es kann ja nicht sein kann, dass wir ab 2025 wieder dastehen und die nächsten Probleme haben. (Abg. Koza: Dann wird’s ja wieder abgeschafft!)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 201

Was wird denn im Herbst 2024 passieren? – Es wird ganz viele Pensionsanträge geben (Abg. Wurm: ... Minister Rauch fotografiert!), weil alle sagen werden: Ab 1.1.2025 gilt wieder die alte Regelung.

Und was wird passieren? – All das, was wir gemeinsam an Anreizen geschaffen haben, damit die Leute länger arbeiten, mit besseren Maßnahmen, das alles wird außer Kraft gesetzt. (Ruf bei den Grünen: Ihr habt doch ... eingeführt! Was erzählst du ...? Geh, jetzt probier wenigstens!) Dann werden die Leute sagen: Der Pen­sions­bonus macht 4,2 Prozent aus, wenn ich länger bleibe, aber warum soll ich länger bleiben, wenn ich mit Ende 2024 gerade noch reinrutsche, sodass ich keine Aliquotierung habe?

Kommt dann bitte nicht wieder mit der Wirtschaft und sagt: Wir haben einen Arbeitskräftemangel! – Leute, ihr habt ein Gesetz geschaffen: Je früher jemand in Pension geht, desto höher ist die Pension. Das ist ja ein Schwachsinn, das gehört abgeschafft! Deswegen habt ihr heute diese Chance, das zu korrigieren. (Beifall bei der SPÖ.)

Deswegen bringe ich den Abänderungsantrag der Abgeordneten Josef Muchitsch, Eva-Maria Holzleitner, Dietmar Keck, Genossinnen und Genossen zu 1995 der Beilagen ein. Inhaltlich geht es in diesem Abänderungsantrag darum, dass die Aliquotierung der ersten Pensionsanpassung rückwirkend mit 1. Jänner 2022 aufgehoben wird und die volle erste Anpassung wieder uneingeschränkt zur Geltung gelangt.

Weiters geht es darum, dass die Sonderregelung für das Jahr 2023 aufgehoben wird und die betroffenen Pensionisten und Pensionistinnen im Juni 2023 die Nachzahlung zur vollen Pensionsanpassung erhalten.

Und letztendlich geht es auch darum, dass diese Aliquotierung endgültig dauerhaft abgeschafft wird. (Abg. Koza: Dann schafft ... Valorisierung wieder ab! Wie schaut’s aus? Dann schafft ... Valorisierung wieder ab!)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 202

Meine sehr geehrten Damen und Herren zu Hause vor den Bildschirmen! Sie werden in 14 Minuten bei der Abstimmung erleben, wie die beiden Regie­rungsparteien Fairness leben, ob sie mit dieser Regelung Frauen in Bezug auf Schlechterstellungen, die damit wieder aufleben, weiter diskriminieren wollen. Sie werden das in 14 Minuten bei der Abstimmung erleben. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Loacker: ... 1992 ...! – Abg. Kickl – in Richtung SPÖ –: ... Vorsitz! ... 39 Leuten bringt ihr es nicht zusammen!)

15.37

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Josef Muchitsch, Eva-Maria Holzleitner, Dietmar Keck

Genossinnen und Genossen

zum Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 3241/A

der Abgeordneten August Wöginger, Mag. Markus Koza, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine

Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das BauernSozialversicherungsgesetz, das Allgemeine Pensionsgesetz, das Pensionsgesetz 1965, das Bundestheaterpensionsgesetz und das Bundesbahn-Pensionsgesetz geändert werden (1995 d.B.)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

I.            Artikel 1 wird wie folgt geändert:

1.         Z 1 lautet wie folgt:

„1. § 108h Abs. 1a entfällt.“


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 203

2.         Die bisherigen Z 1 und 2 erhalten die Bezeichnung Z 2 und 3.

3.         Z 4 lautet wie folgt:

 „4. § 775 Abs. 6 entfällt.“

4.         Die bisherigen Z 3 bis 5 erhalten die Bezeichnung Z 5 bis 7.

5.         In Z 7 lautet § 783 wie folgt:

 „§ 783. (1) § 108 h Abs. 1a tritt rückwirkend mit 1. Jänner 2022 außer Kraft. § 775 Abs. 6 tritt rückwirkend mit 1. Jänner 2023 außer Kraft. § 776 Abs. 2 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xx/2023 tritt rückwirkend mit 1. Jänner 2023 in Kraft.

(2) Pensionen, die mit 1.1.2023 nach § 180 h Abs. 1a und § 775 Abs. 6 angepasst wurden, sind von Amts wegen nach den Bestimmungen des § 775 Abs. 1 bis 5 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 175/2022 anzupassen. Die Nachzahlung ist mit der laufenden Pensionszahlung zum 31. Mai 2023 auszuzahlen. Ansprüche auf Direktzahlungen nach § 776 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 175/2022, die zum 1.1.2023 bestanden, bleiben unberührt.

(3) Nachzahlungen, die auf Grund des § 776 Abs. 2 in der Fassung des Bundesge­setzes BGBl. I Nr. xx/2023 gebühren, haben zum 30. Juni 2023 von jenem Entscheidungsträger zu erfolgen, der die Direktzahlung zum 1. März 2023 ausgezahlt hat.“

II.          Artikel 2 wird wie folgt geändert:

1.         Z 2 und 3 lauten wie folgt:

„2. § 50 Abs. 1a entfällt.

               3. § 401 Abs. 6 entfällt.“

2.         Die bisherigen Z 2 bis 4 erhalten die Bezeichnung Z 4 bis 6.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 204

3.         In Z 6 lautet § 407 wie folgt:

„§ 407. (1) § 50 Abs. 1a tritt rückwirkend mit 1. Jänner 2022 außer Kraft. § 401 Abs. 6 tritt rückwirkend mit 1. Jänner 2023 außer Kraft. § 402 Abs. 2 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xx/2023 tritt rückwirkend mit 1. Jänner 2023 in Kraft.

(2) Pensionen, die mit 1.1.2023 nach § 50 Abs. 1a und § 401 Abs. 6 angepasst wurden, sind von Amts wegen nach den Bestimmungen des § 401 Abs. 1 bis 5 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 175/2022 anzupassen. Die Nachzahlung ist mit der laufenden Pensionszahlung zum 31. Mai 2023 auszuzahlen. Ansprüche auf Direktzahlungen nach § 402 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 175/2022, die zum 1.1.2023 bestanden, bleiben unberührt.

(3) Nachzahlungen, die auf Grund des § 402 Abs. 2 in der Fassung des Bundes­ge­setzes BGBl. I Nr. xx/2023 gebühren, haben zum 30. Juni 2023 von jenem Entscheidungsträger zu erfolgen, der die Direktzahlung zum 1. März 2023 ausgezahlt hat.“

III.         Artikel 3 wird wie folgt geändert:

1.         Z 2 lautet wie folgt:

„2. § 46 Abs. 1a entfällt.“

2.         Die bisherigen Z 2 erhält die Bezeichnung die Bezeichnung Z 3.

3.         Z 4 lautet wie folgt:

„4. § 395 Abs. 6 entfällt.“

4.         Die bisherige Z 3 bis 5 erhalten die Bezeichnung Z 5 bis 7.

5.         In Z 7 lautet § 402 wie folgt:

„§402. (1) § 46 Abs. 1a tritt rückwirkend mit 1. Jänner 2022 außer Kraft. § 395 Abs. 6 tritt rückwirkend mit 1. Jänner 2023 außer Kraft. § 396 Abs. 2 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xx/2023 tritt rückwirkend mit 1. Jänner 2023 in Kraft.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 205

(2) Pensionen, die mit 1.1.2023 nach § 46 Abs. 1a und 395 Abs. 6 angepasst wurden, sind von Amts wegen nach den Bestimmungen des § 395 Abs. 1 bis 5 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 175/2022 anzupassen. Die Nachzahlung ist mit der laufenden Pensionszahlung zum 31. Mai 2023 auszuzahlen. Ansprüche auf Direkt­zahlungen nach § 396 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 175/2022, die zum 1.1.2023 bestanden, bleiben unberührt.

(3) Nachzahlungen, die auf Grund des § 396 Abs. 2 in der Fassung des Bundes­ge­setzes BGBl. I Nr. xx/2023 gebühren, haben zum 30. Juni 2023 von jenem Entscheidungsträger zu erfolgen, der die Direktzahlung zum 1. März 2023 ausgezahlt hat.“

IV.        Artikel 5 wird wie folgt geändert:

1. Die Novellierungsanordnung erhält die Bezeichnung Z 4 und folgende Z 1 bis 3 werden davor eingefügt:

              „1. § 41 Abs. 2 lautet:

„(2) Die nach diesem Bundesgesetz gebührenden Ruhe- und Versorgungsbezüge mit Ausnahme der Ergänzungszulage gemäß

§ 26 sind zum selben Zeitpunkt und im selben Ausmaß wie die Pensionen in der gesetzlichen Pensionsversicherung anzupassen, wenn auf sie bereits

1.         vor dem 1. Jänner des betreffenden Jahres ein Anspruch bestanden hat

oder

2. sie von Ruhegenüssen abgeleitet werden, auf die vor dem 1. Jänner des betreffenden Jahres ein Anspruch bestanden hat.“

              2.  § 41 Abs. 9 wird aufgehoben.

              3. In § 41 wird folgender Abs. 10 angefügt:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 206

„(10) Ruhe- und Versorgungbezüge, die mit 1.1.2023 nach § 41 Abs. 2 und 9 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 175/2022 angepasst wurden, sind von Amts wegen nach den Bestimmungen des § 775 Abs. 1 bis 5 in der Fassung des Bundes­gesetzes BGBl. I Nr. 175/2022 anzupassen. Die Nachzahlung ist mit der laufenden Pensionszahlung zum 31. Mai 2023 auszuzahlen. Ansprüche auf Direktzahlungen nach § 95 i in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 175/2022, die zum 1.1.2023 bestanden, bleiben unberührt.““

2.  In Z 4 lautet § 109 Abs. 92 wie folgt:

„(92) In der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xx/2023 treten in Kraft:

1.         § 41 Abs. 2 rückwirkend mit 1. Jänner 2022

2.         Die Aufhebung des § 41 Abs. 9 rückwirkend mit 1. Jänner 2023

3.         § 41 Abs. 10 mit dem der Kundmachung folgenden Tag.

4.         Nachzahlungen, die auf Grund von § 95i in Verbindung mit der rückwirkenden Änderung des § 776 Abs. 2 ASVG in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xx/2023 gebühren, haben zusammen mit der für Juli 2023 gebührenden Pensions­zahlung von jener pensionsauszahlenden Stelle zu erfolgen, die die Direktzahlung mit der für März 2023 gebührenden Pensionszahlung ausgezahlt hat.“

V.         Artikel 6 wird wie folgt geändert:

1. Die Novellierungsanordnung erhält die Bezeichnung Z 1 und folgende Z 2 bis 5 werden angefügt:

              „2. § 11 Abs. 1 lautet wie folgt:

„(1) Die nach diesem Bundesgesetz gebührenden Ruhe- und Versorgungsbezüge sind zum selben Zeitpunkt und im selben Ausmaß wie die Pensionen in der gesetzlichen Pensionsversicherung anzupassen, wenn auf sie bereits

1. vor dem 1. Jänner des betreffenden Jahres ein Anspruch bestanden hat oder


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 207

2. sie von Ruhegenüssen abgeleitet werden, auf die vor dem 1. Jänner des betreffenden Jahres ein Anspruch bestanden hat.“

              3. § 11 Abs. 10 wird aufgehoben.

              4.  In § 11 wird folgender Abs. 11 angefügt:

„(11) Ruhe- und Versorgungsbezüge, die mit 1.1.2023 nach § 11 Abs. 1 und 10 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 175/2022 angepasst wurden, sind von Amts wegen nach den Bestimmungen des § 775 Abs. 1 bis 5 in der Fassung des Bundes­gesetzes BGBl. I Nr. 175/2022 anzupassen. Die Nachzahlung ist mit der laufenden Pensionszahlung zum 31. Mai 2023 auszuzahlen.“

              5. Dem § 22 wird folgender Abs. 52 angefügt:

„(52) in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xx/2023 treten in Kraft:

1.         § 11 Abs. 1 rückwirkend mit 1. Jänner 2022

2.         Die Aufhebung des § 11 Abs. 10 rückwirkend mit 1. Jänner 2023

3.         § 11 Abs. 11 mit dem der Kundmachung folgenden Tag.““

VI.        Artikel 7 wird wie folgt geändert:

1. Die Novellierungsanordnung erhält die Bezeichnung Z 4 und folgende Z 1 bis 3 werden davor eingefügt:

              „1. § 37 Abs. 2 lautet wie folgt:

„(2) Die nach diesem Bundesgesetz gebührenden Ruhe- und Versorgungsbezüge mit Ausnahme der Zulagen gemäß §§ 23 und 24 sind zum selben Zeitpunkt und im selben Ausmaß wie die Pensionen in der gesetzlichen Pensionsversicherung anzupassen, wenn auf sie bereits

1. vor dem 1. Jänner des betreffenden Jahres ein Anspruch bestanden hat oder


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 208

2. sie von Ruhegenüssen abgeleitet werden, auf die vor dem 1. Jänner des betreffenden Jahres ein Anspruch bestanden hat.“

              2. § 37 Abs. 9 wird aufgehoben.

              3. In § 37 wird folgender Abs. 10 angefügt:

„(10) Ruhe- und Versorgungsbezüge, die mit 1.1.2023 nach § 37 Abs. 2 und 9 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 175/2022 angepasst wurden, sind von Amts wegen nach den Bestimmungen des § 775 Abs. 1 bis 5 in der Fassung des Bundes­gesetzes BGBl. I Nr. 175/2022 anzupassen. Die Nachzahlung ist mit der laufenden Pensionszahlung zum 31. Mai 2023 auszuzahlen. Ansprüche auf Direktzahlungen nach § 60 Abs. 20 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 175/2022, die zum 1.1.2023 bestanden, bleiben unberührt.““

2. Folgende Z 5 wird angefügt:

              „5.  Dem § 62 wird folgender Abs. 43 angefügt:

„(43) In der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xx/2022 treten in Kraft:

1.         § 37 Abs. 2 rückwirkend mit 1. Jänner 2022

2.         Die Aufhebung des § 37 Abs. 9 rückwirkend mit 1. Jänner 2023

3.         § 37 Abs. 10 mit dem der Kundmachung folgenden Tag.““

Begründung

Die meisten Arbeitnehmer*innen können es sich nicht aussuchen, wann sie in Pension gehen. Wenn sie Glück haben, können sie bis zum Erreichen der gesetzlichen Alters­pension in Beschäftigung bleiben und werden zum frühestmöglichen Pensionsantritts­zeitpunkt gekündigt.

Für diese Personen hängt es in Zukunft vom Geburtstag ab, ob sie einen lebenslangen Verlust ihrer Pension hinnehmen müssen, denn Türkis/Grün hat die Aliquotierung der


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 209

ersten Pensionsanpassung eingeführt. Damit hängt es vom Pensionsstichtag ab, wie viel Pensionsanpassung man im nächsten Jahr bekommt. Hat man das Glück mit Jänner eines Jahres in Pension zu gehen, bekommt man im nächsten Jahr die volle Anpassung, mit Juli nur mehr die Hälfte und mit November oder Dezember gar keine Anpassung mehr.

Wenn die Inflation sich irgendwo zwischen Null und zwei Prozent bewegt, mag man das weniger spüren. Doch gerade jetzt in der Krise wirkt sich die Minder- oder gar Nichtanpassung stark aus und zwar bis ans Lebensende.

Bei der Pensionsanpassung zieht man die Inflation von Mitte des Vorvorjahres bis Mitte des Vorjahres heran. Das heißt: Man weiß schon jetzt, dass die Anpassung 2024 zwischen 8 und 10 Prozent liegen wird. Wer also erst im Herbst oder Winter in Pension geht, fällt um diese Anpassung fast oder gänzlich um. Dieser Verlust bleibt und summiert sich über die gesamte Bezugsdauer.

Je höher die Pensionsanpassung ist, desto größer die Ungerechtigkeit – im Jahr 2024 führt das dazu, dass Menschen, die ab November oder Dezember 2023 ihre Pension erstmals antreten, wahrscheinlich eine dauerhafte Pensionskürzung in der Höhe von rund acht Prozent in Kauf nehmen müssen. Daraus kann ein gewaltiger finanzieller Nachteil entstehen: Bei einer Bruttopension von 1.600 Euro würde der Verlust in 20 Jahren beispielsweise satte 35.000 Euro ergeben. Auch die Zahl der Betroffenen ist nicht klein: Pro Jahr gehen in Österreich rund 100.000 Menschen neu in Pension, 90.000 davon nicht im Jänner – sie hätten von der aliquoten Pensionsanpassung finanzielle Nachteile.

Bereits heuer erleiden Pensionist*innen durch die Aliquotierung einen erheblichen Nachteil. Nicht nur, dass die Anpassung 2023 nur einen Teil der tatsächlichen Inflation abgegolten hat, wurde diese durch die Aliquotierung weiter gekürzt. Zwar wurde die Regelung für heuer etwas abgemildert, sodass zumindest die halbe Pensionsanpassung gewährt wird, es macht aber einen Unterschied, ob man 5,8 Prozent oder nur 2,9 Prozent Anpassung in Zeiten einer Inflation zwischen 8 und 10


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 210

Prozent erhält. Und zusätzlich bedeutet die Regelung eben einen lebenslangen Pensionsverlust.

Ein weiterer besonderer Aspekt entsteht nunmehr durch die Anhebung des Frauen­pensionsalters. Für die nächsten 10 Jahre, beginnend mit 2024, werden durch die halbjährliche Erhöhung des Antrittsalters um ein halbes Jahr, die Pensionsantritte für Frauen vorwiegend in die zweite Jahreshälfte fallen. Damit werden ihre Pensionen automatisch durch die Aliquotierung gekürzt. Bei den ohnehin relativ niedrigen Frauen­pensionen ist diese Auswirkung eine weitere Benachteiligung.

Damit auch nicht ein einziger Jahrgang von Neupensionist*innen diskriminiert ist, nämlich jener mit Pensionsantritt im Jahr 2022, soll die Aliquotierung rückwirkend aufgehoben werden. die Pensionsanpassung soll spätestens bis Ende Mai 2023 von Amts wegen berichtigt werden und die Nachzahlung mit der Mai-Pensionsaus­zahlung erfolgen.

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Abänderungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht somit auch in Verhandlung.

Der Antrag wird verteilt, aber das werden Sie in Kürze, noch innerhalb der nächsten 14 Minuten, erleben.

Zu Wort gelangt Abgeordneter Peter Wurm. – Bitte, Herr Abgeordneter.


15.37.17

Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Werte Zuseher! Hohes Haus! Es war gestern schon eine sehr interessante Sitzung zu diesem Thema, weil Minister Rauch hier sein Herz geöffnet hat, sich vom Koalitionspartner ÖVP quasi schon verabschiedet hat und seine Wunschvor­stellungen und seine Träume mit uns geteilt hat, was er gerne hätte mit Rot, NEOS und Grün. Das war interessant, wobei ich sagen muss: Ich halte die derzeitige Koalition aus Schwarz und Grün schon für eine Katastrophe, aber eine


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 211

Regenbogenkoalition wäre ein Armageddon für Österreich. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Michael Hammer: Da hat er recht, ja!) Wer den Film gesehen hat, weiß, was ich meine. Das wäre ein Horrorszenario. Ich hoffe, die Wähler sind vernünftig genug und das bleibt uns erspart.

Aber zurück zum Thema: Wir werden diesem Abänderungsantrag, der jetzt vorliegt, zustimmen, ganz einfach deshalb, weil es natürlich für diese Pensio­nis­ten, die es betrifft, besser ist als nichts, um es klar zu sagen. Ich werde aber heute auch einen Antrag einbringen, mit dem wir eben diese Mängel, Schwächen und Fehler dieser Regierung, wie sie die Kollegen von der SPÖ schon angeführt haben, bereinigen wollen. Ich hoffe, dass da auch alle mitgehen, denn es sind natürlich einige durch den Rost gefallen, und wie es danach weitergeht, weiß auch keiner.

Es ist stümperhaft – das habe ich gestern schon gesagt –, was diese Regelung betrifft, aber dass eine Regelung notwendig ist, ist klar, denn wir sind gerade in Zeiten mit extrem hoher Inflation, und da kann man halt nicht einfach nur zuschauen.

Ich habe es gestern schon erwähnt: Beim Pensionsthema ist es natürlich ein breites Feld. Wir haben es auch in diesen Antrag verpackt. Unserer Meinung nach geht es sehr wohl auch um die Inflationsanpassung, und zwar raschere Inflationsanpassung beim Pensionskonto, das uns ja alle betrifft. Da habe ich den Minister auch gebeten, aktiv zu werden. Jetzt machen wir es mit einem Antrag.

Wir werden auch weiterhin Anträge einbringen, nämlich für die bessere Anrech­nung, vor allem vom Finanziellen her, für die Kindererziehungszeiten für Frauen. Ich gehe davon aus, dass auch da alle mitgehen; weil das eben genau das Problem ganz vieler Frauen ist, dass sie dann im Alter eine etwas geringere Pension bekommen. Das könnte man auf diesem Weg lösen. Ich hoffe, dass es da keine ideologische Blockaden geben wird und dass man Frauen, die vier Jahre bei einem Kind zu Hause bleiben, diese bessere Anrechnung der Kindererzie­hungszeiten nicht verweigert. (Beifall bei der FPÖ.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 212

Ich bringe jetzt diesen Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Wertsicherung der Pensionen in Österreich jetzt! Keine Enteignung und Wertverlust durch Inflation und Aliquotierung!“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungs­vorlage zuzuleiten, die folgende Punkte umfasst:

- Tatsächliche und vollständige Inflationsanpassung auf dem Pensionskonto

- Abschaffung der Aliquotierung bei Pensionsanpassungen nach Pensionsantritt

- Ausgleich für die bisher durch die Aliquotierung betroffenen Pensions­be­zieher“ – vor allem auch aus dem Jahr 2022.

*****

Dieser Antrag ist, glaube ich, relativ eindeutig und sollte den Pensionisten einen wirklichen Vorteil bringen. Ich hoffe, Sie gehen alle mit.

Ein Satz noch zur Erklärung, vielleicht für die Zuseher, nachdem ja von den Vorrednern immer wieder angekreidet wurde, dass bei der Sozialdemokratie heute Vormittag nur die halbe Besetzung da war: Das war eine freiwillige Veranstaltung von Präsident Sobotka, keine Pflichtveranstaltung, und da kann jeder kommen, wie er will – das einmal vorab. Ich glaube, man sollte jetzt einfach einmal dieses Thema auch so nehmen, wie es ist, da kann jeder Abge­ord­nete für sich selber entscheiden, wie er dazu steht. Ich muss da der Sozial­demokratie ja fast schon helfen, aber es gibt offensichtlich auch genügend Vernünftige, die diese – ja, ich sage einmal – Kriegstreiberpolitik nicht


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 213

unterstützen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Ottenschläger: Solltet euch dazu äußern!)

15.41

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Peter Wurm, Christian Lausch, Rosa Ecker, Alois Kainz

und weiterer Abgeordneter

betreffend Wertsicherung der Pensionen in Österreich jetzt! Keine Enteignung und Wertverlust durch Inflation und Aliquotierung!

eingebracht im Zuge der Debatte zu Top 13) Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 3241/A der Abgeordneten August Wöginger, Mag. Markus Koza, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Allgemeine Pensionsgesetz, das Pensionsgesetz 1965, das Bundestheaterpensionsgesetz und das Bundesbahn-Pensionsgesetz geändert werden (1995 d.B.)in der 207. Sitzung des Nationalrats am 30. März 2023.

Das österreichische Pensionssystem läuft unter Türkis-Grün immer mehr aus dem Ruder: Arbeiterkammer und Experten schlagen sozialpolitischen Alarm:1

inflation kommt Pensionisten teuer

Der Zeitpunkt des Pensionsantritts kann zukünftigen Pensionisten teuer zu stehen kommen. Schuld daran sind die Inflation, aber auch die Berechnungen der Ali­quotierung und der Wertsicherung der Pensionen. Die AK fordert von der Regierung entsprechende Gegenmaßnahmen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 214

Eine Berechnung der Arbeiterkammer (AK) zeigt, dass der Zeitpunkt des Pensions­eintritts in den kommenden Jahren darüber entscheiden kann, ob man mehrere zehntausend Euro verliert.

Schuld daran ist unter anderem die Höhe der Inflation, da sie ungewöhnliche Auswirkungen auf den Ruhensbezug hat. Das Problem der Aliquotierung, die dieses Jahr einen früheren Antritt attraktiv macht, ist bereits bekannt. Dazu kommt jedoch auch noch die Wertsicherung.

Wertsicherung kommt verzögert

Um sicherzustellen, dass die Pensionen jedes Jahr wertgesichert sind, wird eine jährliche Aufwertung durchgeführt. Dieser Aufwertungsfaktor basiert auf der Lohnentwicklung. Da die Abschlüsse in diesem Jahr aufgrund der Inflation besonders hoch waren, sollte auch ein besonders hoher Aufwertungsfaktor erwartet werden.

Das wird jedoch nicht so schnell passieren. Es wird nicht die Lohnentwicklung des aktuellen Jahres verwendet, um den Aufwertungsfaktor zu berechnen, sondern es wird ein Vergleich der durchschnittlichen Einkommensentwicklungen zwischen dem dritt- und dem zweitvorherigen Kalenderjahr durchgeführt. Das bedeutet, dass die hohen Lohnabschlüsse aufgrund der hohen Inflation erst 2025 in den Pensions­anspruch oder das Pensionskonto einfließen werden, wenn die Einkommen von 2022 und 2023 verglichen werden.

Laut Berechnungen der AK führt die verzögerte Aufwertung bei einem Pensions­antritt im Jahr 2023 und einem Pensionsanspruch von 2.000 Euro zu einer lebenslangen "Pensionskürzung" von 90 Euro pro Monat. Wenn der Pensionsantritt im nächsten Jahr stattfindet, erhöht sich dieser Verlust auf 160 Euro pro Monat. Die AK fordert von der Regierung die Einführung einer Schutzklausel.

Zeitpunkt des Pensionsantritts entscheidend

Ergänzt wird diese Entwicklung durch die Aliquotierung der Pensionsanpassung. Nur wer im Jänner in Pension geht, erhält im folgenden Jahr die volle Erhöhung. Der Wert


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 215

reduziert sich dann von Monat zu Monat. Wer im November oder Dezember in den Ruhestand geht, erhält im ersten vollen Pensionsjahr keine Erhöhung.

Bei einer Pensionshöhe von 2.000 Euro im Jänner 2023 und einer erwarteten Inflationsrate von 8 Prozent werden die Pensionen ab 2024 voraussichtlich um 160 Euro erhöht. Personen, die im März in den Ruhestand gehen, erhalten jedoch nur eine Erhöhung von 128 Euro. Personen, die gegen Ende des Jahres in den Ruhestand gehen, müssen mit deutlich niedrigeren Pensionen rechnen und haben keinen Nutzen von dem außergewöhnlich hohen Plus.

Verlust von 160 Euro im Monat

Die AK berechnet, dass ab nächstem Jahr ein dauerhafter Verlust von 160 Euro pro Monat entsteht. Bei einer durchschnittlichen Bezugsdauer wären das insgesamt 47.000 Euro. Wenn man das Problem der Wertsicherung hinzurechnet, beträgt der Verlust sogar 74.000 Euro. Laut AK sind jährlich rund 100.000 Personen von diesem Problem betroffen. In den nächsten drei Jahren werden es rund 300.000 sein.

Um die die Enteignung und den Wertverlust durch Inflation und Aliquotierung zu verhindern, müssen hier rechtliche Änderungen vorgenommen werden. Folgende Maßnahmen sind daher unmittelbar umzusetzen:

•          Tatsächliche und vollständige Inflationsanpassung auf dem Pensionskonto

•          Abschaffung der Aliquotierung bei Pensionsanpassungen nach Pensionsantritt

•          Ausgleich für die bisher durch die Aliquotierung betroffenen Pensionsbezieher 

Daher stellen die unterzeichnenden Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzuleiten, die folgende Punkte umfasst:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 216

•          Tatsächliche und vollständige Inflationsanpassung auf dem Pensionskonto

•          Abschaffung der Aliquotierung bei Pensionsanpassungen nach Pensionsantritt

•          Ausgleich für die bisher durch die Aliquotierung betroffenen Pensionsbezieher“

1 https://www.meinbezirk.at/c-wirtschaft/inflation-kommt-pensionisten-teuer_a5821006

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht somit auch mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Mag. Markus Kosa. – Bitte schön, Herr Abgeordneter. (Abg. Koza – auf dem Weg zum Redner:innenpult –: Koza bitte! Koza!) – Herr Abgeordneter Koza, bitte entschuldigen Sie! – Bitte, Herr Abgeordneter.


15.42.03

Abgeordneter Mag. Markus Koza (Grüne): Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir reparieren heute unter diesem Tagesordnungspunkt einerseits einen Fehler im Zusammenhang mit der Direktzahlung für Pensionist:innen, andererseits beschließen wir das Aussetzen der Aliquotierung für die nächsten zwei Jahre.

Doch kommen wir zuerst zum ersten Punkt: Im Rahmen der Pensionserhöhung für das Jahr 2023 war ja auch eine Direktzahlung von bis zu 500 Euro für Bezieher:innen kleiner und mittlerer Pensionen vorgesehen, die im März 2023 auch ausbezahlt worden ist. Dabei wurde auch angekündigt, dass es für Bezieher:innen einer Ausgleichszulage – das ist so etwas wie die haushaltsbe­zogene Mindestpension – eine Direktzahlung von 330 Euro geben soll.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 217

Leider ist im Zuge des Gesetzgebungsprozesses eine Regelung beschlossen worden, die so weder beabsichtigt noch angekündigt war, was bedauer­licherweise aber nicht entdeckt wurde. Die Direktzahlung wurde nämlich nur von der Eigenpension berechnet und nicht von der Ausgleichszulage.

Wir stehen nicht an, uns bei den Betroffenen, bei denen Unsicherheit geherrscht hat, dafür zu entschuldigen, dass das passiert ist! Es tut uns wirklich sehr leid; darum auch heute die Korrektur dieses Fehlers: Wir werden heute beschließen, dass die Direktzahlung natürlich auf Basis der gesamten Pension inklusive Ausgleichszulage berechnet wird und dass der Differenzbetrag zwischen dem, was bereits ausgezahlt worden ist, und dem, was noch offen ist, in den nächsten Monaten, und zwar bis Ende Juni 2023 – das ist auch mit der Pensionsver­sicherungsanstalt so vereinbart und besprochen –, ausbezahlt wird.

Ich möchte mich auch beim Pensionistenverband dafür bedanken, dass er uns auf diesen Fehler hingewiesen hat. Das ist ganz wichtig, da merkt man, wie wichtig Interessenvertretungen in dieser Republik sind. – Und lieber Kollege Loacker, davon profitieren 200 000 der ärmsten Pensionist:innen in diesem Land, das heißt, das ist eine sehr zielgerichtete Maßnahme, die hier gesetzt wird. (Abg. Loacker: Ja, aber die reichen auch, nicht nur die armen!)

Gleichzeitig möchte ich den Abänderungsantrag der Abgeordneten August Wöginger, Markus Koza, Kolleginnen und Kollegen zum Gesetzentwurf im Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales in 1995 der Beilagen über den Antrag 3241/A betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Allgemeine Pensionsgesetz, das Pensionsgesetz 1965, das Bundestheaterpensionsgesetz und das Bundesbahn-Pensionsgesetz geändert werden, einbringen.

Worum geht es in diesem Antrag? – Es geht in diesem Antrag um das Aussetzen der sogenannten Aliquotierung der Erstpension für die Jahre 2024 und 2025 – gestern bereits ausführlich besprochen. Es soll damit sichergestellt werden, dass


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 218

Menschen, die heuer, im Jahr 2023, und im Jahr 2024 in Pension gehen, auf jeden Fall die Inflation voll abgegolten bekommen, weil eben für die nächsten Jahre eine überdurchschnittlich hohe Inflation prognostiziert wird. Wir haben heute die Zahlen des Wifo bekommen: Für 2023 werden 7,1 Prozent prognostiziert, für 2024 3,8 Prozent. Damit unabhängig davon, in welchem Monat der:die Betroffene in Pension geht, eine entsprechende volle Wertsicherung enthalten und gewährleistet ist, wird eben die Aliquotierung für diese zwei Jahre ausgesetzt.

Nichts anderes haben wir eigentlich gestern und auch heute hier besprochen und gesagt, dass es so ist. Das ist eine notwendige Lösung, das ist eine sehr pragmatische Lösung, die natürlich unsererseits voll und ganz unterstützt wird.

Was dann 2025 folgt, das auszuverhandeln wird die Aufgabe der nächsten Regierungsparteien sein. Ich verstehe überhaupt nicht, warum da auf einmal so eine derartige Nervosität herrscht. Genau dafür gibt es Regierungsverhand­lungen, da kann dann besprochen werden, wie es weitergehen soll, nachdem wir für zwei Jahre einmal ganz klar abgesichert haben, was passiert. (Zwischenruf der Abg. Cornelia Ecker.)

Weiters hat ja die Sozialdemokratie angekündigt, eine VfGH-Klage betreffend die Aliquotierung einzubringen. (Abg. Loacker: Verantwortung für die nächste Generation!) Man wird auch da sehen, ob der Verfassungsgerichtshof die Aliquotierung aufhebt oder nicht (Abg. Loacker: Weitblick bis zur Tischkante!), das Urteil muss natürlich dementsprechend umgesetzt werden.

Was für uns als Grüne auf keinen Fall in Frage kommt, ist das, was die NEOS fordern und in der Vergangenheit immer wieder von ÖVP, SPÖ und FPÖ in unterschiedlichen Konstellationen beschlossen worden ist, nämlich die komplette Abschaffung der Erstvalorisierung! Und da muss keiner so tun, als ob es diese nie gegeben hätte – nein, das waren teilweise sehr lange Perioden. Da wäre es auch einmal sehr interessant, sich anzuschauen, wie groß denn die Pensionsverluste


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 219

der damaligen Kolleginnen und Kollegen, die in Pension gegangen sind, hochge­rechnet tatsächlich sind. Das wird nämlich interessanterweise nie berechnet, nie gesagt. Wir auf jeden Fall sichern jetzt einmal ab, dass die Menschen die Wertsicherung jetzt bekommen.

Noch einmal ganz kurz: Was würde es wirklich bedeuten, wenn die Idee der NEOS umgesetzt werden würde?– Es kann auch sein, dass die erste Valorisierung überhaupt erst 23 Monate – 23 Monate! – nach Pensionsantritt stattfindet. Das ist in Zeiten einer derartigen Inflation in Wirklichkeit ein dramatischer Wertverlust für die Pensionen. (Abg. Loacker schüttelt den Kopf.) Deswegen gibt es von uns ein klares Nein zu derartigen Plänen, und ich bitte um möglichst breite Zustimmung zu unserem Antrag. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

15.47

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten August Wöginger, Markus Koza

und Kolleginnen und Kollegen

zum Gesetzentwurf im Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales 1995 der Beilagen über den Antrag 3241/A betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Allgemeine Pensionsgesetz, das Pensionsgesetz 1965, das Bundestheaterpensionsgesetz und das Bundesbahn Pensionsgesetz geändert werden

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzentwurf wird wie folgt geändert:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 220

Art. 1 (Änderung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes) wird wie folgt geändert:

Dem § 783 in der Fassung der Z 5 wird folgender Abs. 3 angefügt:

„(3) § 108h Abs. 1a ist bei den Pensionsanpassungen für die Kalenderjahre 2024 und 2025 nicht anzuwenden.“

Art. 2 (Änderung des Gewerblichen Sozialversicherungsgesetzes) wird wie folgt geändert:

Dem § 407 in der Fassung der Z 4 wird folgender Abs. 3 angefügt:

„(3) § 50 Abs. 1a ist bei den Pensionsanpassungen für die Kalenderjahre 2024 und 2025 nicht anzuwenden.“

Art. 3 (Änderung des Bauern-Sozialversicherungsgesetzes) wird wie folgt geändert:

Dem § 402 in der Fassung der Z 5 wird folgender Abs. 3 angefügt:

„(3) § 46 Abs. 1a ist bei den Pensionsanpassungen für die Kalenderjahre 2024 und 2025 nicht anzuwenden.“

Art. 5 (Änderung des Pensionsgesetzes 1965) wird wie folgt geändert:

Die Anordnung erhält die Bezeichnung „1.“ und folgende Z 2 wird angefügt:

»2. Dem § 109 wird folgender Abs. 93 angefügt:

„(93) § 41 Abs. 2 ist - mit Ausnahme des ersten Satzes - bei den Pensionsanpas­sungen für die Kalenderjahre 2024 und 2025 nicht anzuwenden.“«

Art. 6 lautet:

»Artikel 6

Änderung des Bundestheaterpensionsgesetzes


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 221

Das Bundestheaterpensionsgesetz – BThPG, BGBl. Nr. 159/1958, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 205/2022, wird wie folgt geändert:

Dem § 22 wird folgender Abs. 52 angefügt:

„(52) § 11 Abs. 1 ist - mit Ausnahme des ersten Satzes - bei den Pensionsanpas­sungen für die Kalenderjahre 2024 und 2025 nicht anzuwenden.“«

Art. 7 (Änderung des Bundesbahn-Pensionsgesetzes) wird wie folgt geändert:

Die Anordnung erhält die Bezeichnung „1.“ und folgende Z 2 wird angefügt:

»2. Dem § 60 wird folgender Abs. 21 angefügt:

„(21) § 37 Abs. 2 ist - mit Ausnahme des ersten Satzes - bei den Pensionsanpas­sungen für die Kalenderjahre 2024 und 2025 nicht anzuwenden.“«

Begründung

Zu den Art. 1 bis 3 (§ 783 Abs. 3 ASVG; § 407 Abs. 3 GSVG; § 402 Abs. 3 BSVG):

Im Hinblick auf die außerordentlich hohen Inflationsraten in den letzten beiden Jahren soll die Aliquotierung bei der erstmaligen Pensionsanpassung für die Kalenderjahre 2024 und 2025 ausgesetzt werden. Dies ist erforderlich, da die Aliquotierung bei derart hoher Inflation besonders negative Effekte auf die Pensionshöhe nach sich ziehen kann, die auch für den weiteren Bezugszeitraum der Pension maßgeblich sind.

Zu den Art. 5 bis 7 (§ 109 Abs. 93 PG 1965, § 22 Abs. 52 BThPG; § 60 Abs. 21 BB-PG):

Auch in den die Pensionen der Beamtinnen und Beamten des Bundes, der Bundes­theaterbediensteten und der „ÖBB-Beamten“ und deren Hinterbliebenen betreffenden Gesetzen soll die Aliquotierung bei der erstmaligen Pensionsanpassung für die Kalenderjahre 2024 und 2025 ausgesetzt werden.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 222

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Abänderungsantrag wird im Saal verteilt. Er ist ordnungsgemäß eingebracht und steht somit auch mit in Verhandlung.

Zu einer Stellungnahme hat sich nun Herr Bundesminister Johannes Rauch zu Wort gemeldet. – Bitte schön, Herr Bundesminister.


15.47.55

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren Abgeordnete! Zunächst zur sogenannten Aliquotierungsregelung: Es ist erläutert worden, was das bedeutet und welche Nachteile das bringt, insbesondere in Zeiten hoher Inflation. Das ist eine massive Benachteiligung, wenn die Pensionsanpassungen aliquotiert werden, das heißt, je nach Eintritt in die Pension – ob im Jänner oder im Dezember – abgestuft stattfinden.

Das beseitigen wir für zwei Jahre, setzen es aus, weil es in mehrerlei Hinsicht negative Auswirkungen hat: Es stellt einen negativen Anreiz dar, früher in Pension zu gehen, um dem zu entgehen; es benachteiligt Frauen, insbesondere dann, wenn ab 2024 die schrittweise Anhebung des Frauenpensionsalters kommt. Es profitieren 200 000 Pensionistinnen und Pensionisten von dieser Regelung. Jedenfalls in Zeiten hoher Inflation ist es ein Gebot der Stunde, das so zu machen. Darum tun wir es.

Jetzt möchte ich kurz auf Kollegen Loacker eingehen, der hier den Eindruck erweckt hat – wie soll ich es nennen? –, es würden nur die Jungen ins System einzahlen. Das ist ja eine komplett verkehrte Darstellung! Es zahlen selbst­verständlich alle ins System ein, nicht nur die Jungen, und das österreichische Pensionssystem – das möchte ich an dieser Stelle einmal klar und deutlich sagen – ist ein Umlagesystem, und das ist gut so! Das soll auch so bleiben. Das hat sich bewährt, das ist gut, das ist sicher, und ich möchte nicht haben,


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 223

dass an diesem System im Grundsatz herumgedoktert wird, weil es im Prinzip immer noch so etwas wie einen Generationenvertrag darstellt.

Und ja, es stimmt: Wir zahlen auch aus dem Budget Geld dazu, das ist korrekt und richtig (Abg. Kickl: ... wir halt nur noch die Kinder, nicht?), und da sind die Beiträge auch steigend. Es soll sich aber wohl jeder darauf verlassen können, wenn er sein Leben lang Pensionsbeiträge einbezahlt hat, dass er dann auch seine Pension bekommt.

Was in diesem Zusammenhang wichtig zu sagen ist: Ja, es stimmt, diese Zuwei­sungsmittel aus dem Bundesbudget werden steigen, weil die Beitrags­zahlungen – und das ist eine Logik entlang der demografischen Entwicklung – nicht ausreichen werden. Das ist so, und es ist auch so, dass die Inflationsraten, die wir jetzt haben, natürlich dazu führen – das ist gesetzlich verankert –, dass die Pensionen, die Pensionserhöhungen entlang der Inflation – Durchrechnungs­zeitraum ein Jahr, Sommer letzten Jahres, Sommer des heurigen Jahres – angepasst werden, was sich im vergangenen Jahr bei 5,8 Prozent bewegt hat und im heurigen Jahr deutlich höher sein wird.

Ich halte das in Zeiten hoher Inflationsraten für fair und gerechtfertigt und bedanke mich für die doch eher breite Zustimmung bei diesem Tagesord­nungspunkt. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

15.50


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag.a Verena Nussbaum. – Bitte, Frau Abgeordnete.


15.50.55

Abgeordnete Mag. Verena Nussbaum (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Geschätztes Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Wir erleben zurzeit eine Welle der Teuerung, die nicht abebbt, die immer größer wird, die


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 224

arbeitende Menschen und Familien, aber vor allem auch Pensionistinnen und Pensionisten vor schwere Herausforderungen stellt.

Pensionisten und Pensionistinnen haben ihr gesamtes Leben hart gearbeitet, unsere Gesellschaft aufgebaut und getragen und stehen jetzt vor massiver Armutsbedrohung. Es geht jetzt nicht mehr darum, ob man sich einen Konzert- oder Theaterbesuch leisten kann, sondern es geht, nachdem das wenige Ersparte aufgebraucht wurde, bereits um Existenzbedrohung.

Gerade wenn die Inflation so hoch ist und Kollege Hammer dann hier heraus­kommt und spricht, ist ja das Interessante: Wenn es um Themen geht, die die Bevölkerung treffen – und diese Pensionsaliquotierung trifft die Pensionisten und Pensionistinnen, auch wenn wir sie jetzt aussetzen –, wird immer abgelenkt und alle anderen Dinge werden beschrieben. Nur über das, worum es geht, wird nicht geredet, denn die Einmalzahlungen, die immer wieder so schön erwähnt werden, haben keinen einzigen Preis gesenkt. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn wir über Altersarmut sprechen: Zwei Drittel der Armutsbetroffenen sind Frauen über 65, und von einigen meiner Vorredner wurde von diesem Rednerpult aus flapsig davon gesprochen, dass Frauen halt ein bisschen weniger Pension bekommen. – Bitte, der Pensionsunterschied beträgt 40 Prozent, das ist nicht ein bisserl! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir wissen auch, woran das liegt: Gerade durch unbezahlte Arbeit, durch Haushalt, durch Kinderbetreuung, durch Pflege von Angehörigen arbeiten viele Frauen in Teilzeit und verdienen dadurch weniger. Darum möchte ich unsere Forderung des Rechtsanspruchs auf einen Kinderbetreuungsplatz ab dem ersten Lebensjahr wieder in Erinnerung rufen. (Beifall bei der SPÖ.)

Was natürlich in der Arbeitswelt auch notwendig ist, ist, endlich eine Einkom­menstransparenz durchzusetzen.

Diese Aliquotierung der Pensionsanpassung, die wir jetzt für zwei Jahre aus­setzen: Jetzt hat die Bundesregierung offensichtlich schon erkannt, wie


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 225

ungerecht diese Regelung ist. Wie feig ist es denn bitte, Kollege Koza, dazustehen und zu sagen: Wir haben sie jetzt für zwei Jahre ausgesetzt, weil es dann eine andere Regierung gibt und uns das dann alles nichts mehr angeht!? (Zwischenruf des Abg. Koza.) Das ist schon eine komische Arbeitsweise oder Einstellung dazu, denn eigentlich sollte man schon weiter vorausschauen, wenn wir hier Politik machen und Gesetze beschließen, und nicht sagen: Machen wir es einmal zwei Jahre, und dann hinter uns die Sintflut! – Also das ist an Feigheit, glaube ich, nicht zu überbieten. (Beifall bei der SPÖ.)

Jetzt ist schon erkannt worden, dass diese Aliquotierung einfach eine Unge­rech­tigkeit ist, dass das ein Lotteriespiel ist, wann man geboren ist, wann der Geburtstag ist und wann man in Pension gehen kann. Ende 2024 wird es einen Run geben, schnell in Pension zu gehen. Vor allem die Frauen – Sie, Herr Minister, haben es kurz angesprochen, ich habe es auch schon öfters im Aus­schuss erwähnt (Zwischenruf des Abg. Loacker) –: Durch die Anhebung des Frauenpensionsalters wird bei Frauen der Pensionsantritt vermehrt in die zweite Jahreshälfte verschoben, und das verstärkt dann natürlich wieder die Ungleichheit zwischen Männern und Frauen.

Darum möchte ich abschließend noch einmal sagen – wir haben das auch gestern angekündigt und quasi den heutigen Tag als Ultimatum gesetzt –, dass wir eine Klage bei Verfassungsgerichtshof einbringen werden. Ich fordere Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, auf, sich unserer Klage anzuschließen, und dann soll der Verfassungsgerichtshof entscheiden. Sie hätten auch jetzt noch die Chance, unserem Antrag zuzustimmen, um diese Aliquotierung der Pensionsan­passung endgültig abzuschaffen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

15.55


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der vorläufig letzte Redner dieser Debatte ist Abgeordneter Werner Herbert. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 226

15.55.47

Abgeordneter Werner Herbert (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Gäste! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf am Ende dieser Debatte Ihre Aufmerksamkeit noch auf einen kleinen, aber, wie ich meine, doch interessanten Nebenaspekt in dieser Diskussion lenken.

Konkret geht es um die Aliquotierung der Pensionsanpassungen, die ja auch in einem Abänderungsantrag heute hier zum Beschluss vorliegt. Da war es doch gestern interessant, festzustellen, dass in der Diskussion, die sowohl medial, aber auch hier im Hohen Haus in Bezug auf diese Aussetzung der Aliquotierung für die Pensionsanpassung deutlich an Fahrt aufgenommen hat, immer die Rede von den ASVG-Bediensteten, auch von den Verwaltungsbediensteten, aber nicht von den Beamten selbst war. (Ruf bei der SPÖ: Stimmt nicht!)

Jetzt denke ich: Das ist ja doch ein interessanter Ansatz, weil es einmal mehr zeigt, wie geringschätzig diese Bundesregierung mit unseren Beamten hier in dieser Republik umgeht. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Loacker: Endlich noch ..., haben wir gebraucht!)

Da reden wir nicht von dem in Würde ergrauten Hofrat, der kurz vor seiner Pension seinen Arbeitsausklang erwartet, sondern da reden wir von jenen Bediensteten, die in den Ministerien, in den Ämtern, aber auch hier im Hohen Haus die bürokratischen und administrativen Abläufe regeln, voranbringen und im weitesten Sinne auch am Leben erhalten. Da reden wir von Richtern und Staatsanwälten, aber auch von den Justizbeamten, die tagtäglich im Einsatz sind. Da reden wir von der Lehrerschaft, die im Unterricht steht, aber auch in den Betreuungseinrichtungen tagtäglich der Bevölkerung zur Verfügung steht, und wir reden von den Exekutivbeamten, die sich gerade in Zeiten wie diesen nahezu tagtäglich mit den sogenannten Klimaaktivisten konfrontieren müssen und dabei mitunter auch nicht unwesentlich verletzt werden.

Die ÖVP, die sich hier immer quasi als Schutzpatron der Beamtenschaft samt ihrer starken und großen GÖD aufspielt, hat da einmal nichts zu sagen gehabt.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 227

Erst als man ein bisschen nachgefühlt hat, ist dieser Bundesregierung dann offensichtlich gedämmert: Halt, da fehlt uns ja noch wer!, und dann hat man noch schnell nachgebessert.

Ich meine, von den Grünen brauchen wir uns nichts zu erwarten, die haben für die Beamten in unserer Republik ohnedies nichts übrig, aber ich denke, es ist gut und richtig, dass die ÖVP da noch zur Einsicht gekommen ist und auch diesen Berufsstand nicht vernachlässigt hat.

Ich denke, unsere Beamten leisten harte und oft unbedankte Arbeit, insbeson­dere die Exekutivbeamten, die jetzt, wie schon erwähnt, wegen der Klima­aktivisten fast tagtäglich im Einsatz stehen. Erst in den letzten Tagen gab es wieder ein paar verletzte Polizisten, weil vonseiten der Demonstranten überschießend Gewalt gegenüber der Polizei angewendet wurde. Ich denke, das vonseiten der Bundesregierung nicht zu würdigen oder in dieser Form geringzuschätzen ist eine Sache, die auch ihresgleichen sucht. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

15.59


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist daher geschlossen.

Da kurzfristig eingebrachte Abänderungs- beziehungsweise Zusatzanträge vor­liegen und eine kurze Unterbrechung der Sitzung zur Vorbereitung der Abstim­mung nicht ausreicht, verlege ich die Abstimmung auf nach der Abstimmung über den Tagesordnungspunkt 17 und fahre nun in der Erledigung der Tagesordnung fort.

15.59.3814. Punkt

Bericht des Ausschusses für Konsumentenschutz über den Antrag 3226/A(E) der Abgeordneten Mag. Christian Drobits, Kolleginnen und Kollegen betreffend Tätigkeitsbericht – Erstanlaufstelle für Betroffene von Zahlungsschwierigkeiten (1976 d.B.)



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 228

Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir kommen zum 14. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt Abgeordneter Mag. Christian Drobits. – Bitte, Herr Abgeordneter.


16.00.16

Abgeordneter Mag. Christian Drobits (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geschätzter Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseher:innen und Zuhörer:innen! Mit diesem Tagesordnungspunkt kommen wir zu einem Thema, das bereits in Vorcoronazeiten sehr interessant war. Es gab seitens meiner Fraktion für all jene, die in Zeiten der Coronapandemie Kredit­ver­bindlichkeiten hatten und Kreditstundungen in Anspruch nehmen mussten beziehungsweise in Zahlungsschwierigkeiten waren, einen Antrag, eine Ombuds­stelle, den sogenannten Schuldnerschutzschirm einzurichten.

Diese Ombudsstelle für Menschen mit Kreditverbindlichkeiten in Zahlungs­ver­zug haben wir gemeinsam mit allen Fraktionen – mit einem gemeinsamen Antrag – im Dezember 2021 umgesetzt. Wir konnten mit der Erstanlaufstelle für Betroffene im Zahlungsverzug all denjenigen Hilfe anbieten, die im Endeffekt zu diesem Zeitpunkt betroffen waren. Sie konnten bei dieser Stelle vorsprechen.

Seit Dezember 2021 sind einige Monate vergangen, wir sind jetzt mit einer Teuerungskrise und einer sehr hohen Inflation konfrontiert. Aufgrund dieses Aspektes haben wir bereits mehrfach, auch im Sommer 2022, nachgefragt, was jetzt wirklich los ist, wie viele Menschen sich dort melden. Wir haben den Herrn Bundesminister bei einer Aussprache gefragt, wie viele Menschen sich dort melden, welche Bedürfnisse es gibt, um welche konkreten Probleme es geht und welche Daten vorliegen. Bis dato haben wir leider keinen Bericht in schriftlicher Form vorliegen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 229

Wir haben über alle Fraktionen hinweg die Meinung vertreten, dass es gerade in Zeiten wie diesen wichtig wäre, aus der Daten- und Faktenlage diese Infor­mationen zu erhalten. Ich habe deshalb auch einen Antrag eingebracht, der in diese Richtung geht, mit dem ich einen Tätigkeitsbericht seitens des Herrn Bundesministers eingefordert habe. Mir ist dann gesagt worden: Ja, das sehen wir auch als angemessen an und wir wollen das auch!

Es freut mich, hier bei diesem Tagesordnungspunkt erwähnen zu dürfen, dass wir einen gemeinsamen § 27-Antrag gemacht haben. Alle Fraktionen sind sich in diesem Punkt, dass wir Daten und Fakten brauchen, einig. Wir müssen genau wissen, was die Menschen wollen und was wir zukünftig für diejenigen, die Kreditverbindlichkeiten und Zahlungsschwierigkeiten haben, machen müssen.

In diesem Sinne würde ich bitten, Herr Bundesminister, dass das schnell passiert und wir spätestens im Juni 2023 einen Bericht für 2022 vorliegen haben, damit wir im Parlament parlamentarische Kontrolle ausüben können. Ich würde um das Gleiche mit Blick auf die Frage der Überschuldung bitten, es wurde bereits ein Schuldneratlas gefordert. Betreffend Bürgschaften hat Kollegin Werner von den NEOS eine Datenerhebung gefordert, sodass es bald eine klare Daten- und Faktenlage gibt.

Ich denke, Politik kann nur dann funktionieren, wenn wir die notwendigen Instrumente bei der Hand haben. Da sind wir uns alle einig. Ich möchte mich in diesem Fall wirklich bei allen Bereichssprechern im Konsumentenschutz­bereich bedanken, weil das eine gemeinsame Lösung war. Ich bedanke mich auch beim Herrn Minister für die Vorgehensweise. – Danke sehr. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

16.03


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag.a Ulrike Fischer. – Bitte, Frau Abgeordnete.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 230

16.03.33

Abgeordnete Mag. Ulrike Fischer (Grüne): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Gemeinsam und nicht einsam: Die Erstanlaufstelle bei Zahlungsverzug wurde für Personen, die in Probleme geraten sind, weil sie einen Kredit nicht mehr bedienen können, weil sie Verzugszinsen zu zahlen haben, die zu hoch sind, eingerichtet. Aufgrund des Kreditmoratoriums in Coronazeiten haben es diese Menschen geschafft, dass ihnen ihre Kredite gestundet worden sind. Anschließend haben wir gesagt, es braucht eine Erstanlaufstelle bei Zahlungsverzug.

Diese Erstanlaufstelle wurde mit 1.1.2022 installiert, wie Kollege Drobits aus­geführt hat. Wir haben nun einen gemeinsamen Antrag gemacht, der bezweckt, dass man sich künftig anschauen kann, wie sich die Tätigkeit dieser wertvollen Einrichtung gestaltet hat, wie viele Personen nicht nur in Not geraten sind, sondern auch wie vielen geholfen werden konnte.

Wie eindrucksvoll die Zahlen sind, haben wir schon im Ausschuss gehört. Die Zahl der Hilfesuchenden, denen man tatsächlich einen guten Rat geben konnte, in deren Fällen man ein gutes Einvernehmen mit den Banken gefunden hat, dürfte bei ungefähr 100 Fällen pro Monat liegen. Das glaube ich gut und gerne, weil wir ja anno dazumal, als die Stelle eingerichtet wurde, erfahren haben, dass alleine im Jänner und Februar 2022 – in den ersten beiden Monaten – ins­gesamt 138 Personen zu dieser Stelle gekommen sind.

Eines ist natürlich klar: Wenn man Geld hat und jemanden einladen kann, dann freut man sich. Wenn man Geldsorgen habe, dann teilt man das oft nicht einmal mit seinen Liebsten. Es ist deshalb sehr gut, dass es eine Stelle gibt – eingeführt durch den Herrn Minister –, an die man sich vertrauensvoll wenden kann. Gerade Verbraucher, Verbraucherinnen brauchen oft entsprechende Nachsicht, die ja durch eine EU-Richtlinie auch gesetzlich verankert wurde. Oft ist die Information aber nicht da, und dann ist es wichtig, dass es diese Überbrückungs­möglichkeit gibt. Ich freue mich schon auf die Ergebnisse des Tätigkeitsberichts.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 231

Meiner Ansicht nach ist das eine wichtige Stelle, die man wahrscheinlich dauerhaft einrichten muss. An dieser Stelle noch einmal ein Danke für die gemeinsame Zusammenarbeit. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Weidinger.)

16.06


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner: Abgeordneter Peter Wurm. – Bitte, Herr Abgeordneter.


16.06.13

Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Werte Zuseher! Ich kann der Begeisterung der Kollegin Fischer nicht ganz Folge leisten. Um es den Zusehern zu erklären: Wir befinden uns jetzt thema­tisch im Bereich Konsumentenschutz. Sie werden es gemerkt haben: Das, was da vorliegt, ist wenig konkret. Es bedeutet nichts anderes, als dass wir uns im Ausschuss darauf einigen konnten, dass diese Stelle einen Bericht abliefert. Ich sage einmal, es sollte in Österreich eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein, dass ein Jahresbericht zeitgerecht abgeliefert wird.

Dieses Beispiel zeigt, wie diese Regierung im Konsumentenschutzbereich arbeitet. Alle konkreten Forderungen, die die Opposition einbringt – sowohl die NEOS als auch die Sozialdemokratie und wir Freiheitliche –, werden in der Regel vertagt und schubladisiert. Wir haben oft Tagesordnungen mit 18 bis 20 Tagesordnungspunkten und dann kommt es zu einer Vertagungsorgie von Grün und Schwarz. Dabei wird alles schubladisiert. Es passiert nichts Konkretes im Konsumentenschutz.

Jetzt diskutieren wir einen Antrag von Grünen und ÖVP, in dem dazu aufge­fordert wird, einen Bericht abzuliefern. Das hilft Menschen, die in der Schulden­falle sind, im Großen und Ganzen aber nicht rasend weiter. Nur als kleines Beispiel – es gibt da mehrere Dinge –: Wir haben schon mehrmals eine Zins­obergrenze bei  Kontokorrentkonten gefordert oder auch eine Obergrenze bei Inkassogebühren, sodass es nicht mehr sein kann, dass, wenn man um


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 232

200 Euro irgendwann einmal vor vier Jahren etwas bestellt hat, das nicht zahlen konnte, die Schulden plötzlich bei 3 000 Euro sind.

Das wären konkrete Maßnahmen, die den Konsumenten helfen würden. Das ist für mich, das ist für uns Freiheitliche Konsumentenschutz. Die Regierung aber blockiert im Konsumentenschutz: Bei der ÖVP ist man das gewohnt, die Grünen sind völlig ohne Rückgrat und schwimmen da mit. Das ist doppelt schlimm, dass das ein grüner Konsumentenschutzminister dann irgendwie nach außen verkaufen muss. Man hört von den Grünen auch nichts, sie verstecken sich ein bisschen.

Es kommen speziell jetzt, in Zeiten wie diesen – mit galoppierender Inflation, in denen die Menschen wirklich Probleme haben, Zahlungsprobleme haben –, keine konkreten Maßnahmen. Da kommt überhaupt nichts. Bei aller Liebe: Man kann jetzt sagen, das ist ganz nett, es haben sich alle fünf Parteien geeinigt, einen Bericht anzufordern, aber wenn das Konsumentenschutzpolitik der Marke ÖVP und Grüne ist, dann sage ich: Nein, danke!

Ich wiederhole: Es ist Zeit für Neuwahlen, Zeit für einen freiheitlichen Bundeskanzler und echten Konsumentenschutz. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

16.09


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler. – Bitte, Frau Abgeordnete.


16.09.34

Abgeordnete Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Joubert hat einmal gesagt: „Schulden verkürzen das Leben“. Das klingt so banal, aber ich glaube, es ist etwas Wahres dran.

Jemand, der Schulden hat, hat in der Regel vielfältige Probleme. Oft ist es ein Jobverlust, oft sind es Zahlungsschwierigkeiten aus verschiedenen Gründen wie


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 233

Krankheit oder unvorhergesehenen Problemen. Dann können die Kreditzah­lungen nicht mehr pünktlich geleistet oder Leasingraten nicht bedient werden. Sehr oft hat dies dann auch psychische Folgen und ist die Gesundheit gefährdet.

Herr Kollege Wurm, ich muss Ihre Vorwürfe hier wirklich ganz entschieden zurückweisen, denn man kann nur einen Bericht anfordern, und der Bericht wird kommen und auch zeigen, wie viel passiert ist, was gemacht wird. (Abg. Wurm: Ja, ein Bericht!) Daher weise ich Ihre Vorwürfe ganz entschieden zurück. Es ist im Bereich Konsumentenschutz sehr viel passiert. (Beifall bei der ÖVP.)

Herr Bundesminister, ich glaube, es ist sehr wichtig und richtig gewesen, dass wir diese Ombudsstelle in einer schwierigen Zeit, in der Pandemie, eingerichtet haben. Es gibt auch jetzt große Herausforderungen, gerade für Menschen, die vielleicht schon länger finanzielle Probleme haben. Da spielt natürlich die Teue­rung jetzt eine zusätzliche Rolle. Das ist eine große Herausforderung. Daher ist es wichtig, diese Anlaufstelle, diese Ombudsstelle zu haben. Ich hoffe, da sind wir uns alle einig. Da wird eine niederschwellige Beratung angeboten, mit ent­sprechenden Expertinnen und Experten, die auch präventiv arbeiten, die aber auch Hilfestellung geben und mithelfen, gemeinsam mit den Klienten Probleme im Zusammenhang mit finanziellen Unregelmäßigkeiten, mit Schulden in den Griff zu bekommen.

Ich glaube, das ist doch positiv. Können wir einmal etwas Positives gemeinsam diskutieren?! (Abg. Wurm: Ja, ist ja nett, ich weiß es: Wir haben einen Bericht!) Noch einmal: Wir bekommen einen Bericht und dieser wird dann zeigen, wie viel hier schon passiert ist, und ich möchte mich an der Stelle im Namen unserer Fraktion sehr herzlich bei allen bedanken, die dort gute und wichtige und effiziente Arbeit leisten. Ein Danke allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dort, auch an jene rund um den Bundesminister. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 234

Ich wiederhole es noch einmal: Es ist wichtig, einen Überblick zu haben – das wurde ja auch von den Vorrednern gesagt –, daraus auch Schlüsse zu ziehen und letztlich auch zu schauen, ob die Ressourcen passen oder ob wir nachschärfen müssen und welche Möglichkeiten es noch gibt, diesbezüglich noch mehr Unter­stützung für Betroffene zu leisten.

Ich hoffe also, dass der Bericht so schnell wie möglich kommt, und ich hoffe auch, dass die Arbeit der Ombudsstelle fortgesetzt und auch ausgebaut wird. Das wäre mein Wunsch. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der Grünen.)

16.12


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Frau MMag.a Katharina Werner. – Bitte, Frau Abgeordnete.


16.12.29

Abgeordnete MMag. Katharina Werner, Bakk. (NEOS): Herr Präsident! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Menschen hier im Saal und zu Hause! Zuerst einmal vorweg: Ich gratuliere Herrn Kollegen Drobits, dass er mit einem seiner Anliegen einmal bei den Regierungsparteien Gehör gefunden hat. Das ist leider nicht immer der Fall, dass gute Ideen der Opposition auch aufgenommen werden.

Für mich gibt es trotzdem einen Wermutstropfen: Es ist ein typischer Antrag der Mäuschenschritte, es sind klitzekleine Veränderungen, und die Regierung erwartet jetzt dafür ein Lob. (Abg. Scheucher-Pichler: Einen Bericht erwarten wir!) Wir stimmen trotzdem zu, aber mehr deshalb, weil wir dem Fortschritt prinzipiell nicht entgegenstehen wollen, als dass dieser Antrag wirklich etwas könnte.

Was wir uns wirklich wünschen würden, das wäre echte Data-Driven Governance, und wir hatten einen Antrag, der auch von der SPÖ und von der FPÖ unterstützt wurde, zu konsument:innenpolitischen Maßnahmen, die


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 235

regelmäßig kommen sollten. Dieser Antrag wurde abgelehnt – echter Fortschritt Fehlanzeige.

Auch andere Anträge, so wie es Herr Drobits vorhin gesagt hat, wie zum Beispiel den Schuldneratlas betreffend, werden mit dubiosen Argumentationen in die Gefrierkammer des Parlaments mit der Aufschrift „vertagt“ gelegt.

Worauf ich auch gespannt bin, ist, ob eben diese selbst gesetzte Frist „so schnell wie möglich“ überhaupt eingehalten wird. Wir hatten das Thema schon einmal. Uns wurde versprochen, dass bis zum Ende Q1 ein Bericht über verschiedene Maßnahmen zur Finanzierung des VKI vorgelegt wird. Heute haben wir den 30. März. Es gibt diesen Bericht bis heute nicht. Wo bleibt er?

Diese Politik der Mäuschenschritte und des Nichteinhaltens von Versprechen ist der Grund, weshalb die Menschen draußen das Gefühl haben, dass in Österreich einfach nichts weitergeht.

Es gibt aber trotzdem eine gute Nachricht: Politik ist nicht überall so, und gerade dort, wo die NEOS in Verantwortung sind, ist Politik anders, zum Beispiel in Salzburg (Rufe bei der ÖVP: In Wien! In Wien!), wo unsere Landesrätin Andrea Klambauer in den letzten fünf Jahren 2 500 neue Kindergartenplätze geschaffen hat. Ab 1. April kommt der Gratiskindergarten (Ruf bei der ÖVP: Aber nicht wegen der NEOS!), und fast jeder zehnte Salzburger profitiert von den günstigeren Mieten. (Abg. Eßl: Weil wir einen hervorragenden Landeshauptmann haben!)

Also: Schluss mit der Politik der Mäuschenschritte und mehr machen statt vertagen! – Danke schön. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Eßl: Wir haben einen Superlandeshauptmann!)

16.15



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 236

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer Stellungnahme hat sich nun Herr Bundesminister Johannes Rauch zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesminister.


16.15.13

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Vorweg: Danke für die Einstimmigkeit. Natürlich wird es diesen Bericht geben. Kollege Wurm, das ist der einzige Punkt, in dem Sie recht hatten: Es ist eine Selbstverständlichkeit, der Bericht wird bis zum Juni 2023 vorliegen, das ist vollkommen klar.

Wir haben aufgrund der Teuerung eine ganze Menge von Konsumenten­schutzfragen, die notwendig sind zu bearbeiten, und damit bin ich beim Widerspruch. Wenn Sie sagen, es geschehe nichts und ich wäre sozusagen die Verkörperung der Untätigkeit im Konsumentenschutz, dann muss ich Ihnen jetzt vehement widersprechen. Sie sollten es besser wissen, weil Sie der Vorsitzende des Ausschusses sind. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wissen Sie, wie viele Klagen wir führen? Wissen Sie, wie viele Klagen wir geführt haben? (Abg. Wurm: Das macht der VKI seit Jahrzehnten!) Wissen Sie, wie viele Klagen erfolgreich geführt worden sind? Wissen Sie, wie wir die Finanzierung des VKI jetzt - - (Abg. Wurm: Konkrete Gesetze!) – Ich weiß schon. Ich zähle es Ihnen jetzt auf. Sie können sich ja noch einmal zu Wort melden. (Beifall bei Abgeordneten der Grünen.)

Es sind 240 Klagen pro Jahr. Wir scheuen uns auch nicht davor, gegen Große zu klagen, auch unangenehme Klagen, wie zum Beispiel gegen die Wien Energie, wo wir hoffen, zu einer Einigung zu kommen, werden geführt, um die Konsu­men­­tinnen und Konsumenten in Schutz zu nehmen und da Dinge voranzubringen.

Wir haben die Schuldenberatung ausgebaut, und zwar massiv ausgebaut, weil wir wissen, dass das im Sinne der Konsumentinnen und Konsumenten


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 237

notwendig ist. Wir haben auf Ihre Anregung hin – ich glaube, Kollege Drobits war es, und dem muss man jetzt einmal Lob aussprechen, weil er viele positive Initiativen im Konsumentenschutz setzt; ja, so ist es (Beifall bei Abgeordneten von Grünen und SPÖ) – mit den Banken das Gespräch gesucht, um zu klaren Rege­lungen zu kommen, was akute Kontoüberziehung angeht.

Ich war der erste Minister, der beim Rat in Prag anwesend war, wo sich die Konsumentenschutzminister getroffen haben, um auf europäischer Ebene das Thema grenzüberschreitende Klagen und Anerkennung im Sinne der Konsu­mentinnen und Konsumenten voranzubringen.

Also wenn sich jemand, Herr Kollege Wurm, um den Konsumentenschutz in Österreich kümmert, dann bin ich es! Das will ich mit aller Deutlichkeit gesagt haben. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

16.17


Präsident Ing. Norbert Hofer: Herr Abgeordneter Peter Wurm hat sich noch einmal zu Wort gemeldet. – Bitte schön.


16.17.24

Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ): Herr Minister, jetzt hat es mich doch noch ein bisschen gereizt, Ihre Ausführungen vielleicht klarzustellen.

Sie setzen sich Ihrer Meinung nach für den Konsumentenschutz ein und führen Gespräche, haben Sie jetzt gerade sehr emotional ausgeführt, Herr Minister. (Ruf bei der ÖVP: Eine Klage ist kein Gespräch!) Es ist ja gut, es freut mich, wenn ein Konsumentenschutzminister zum Thema Konsument einmal emotional wird. Meine Frage, Herr Minister, ist eine ganz einfache, Sie haben ja Zeit ohne Ende: Könnten Sie mir vielleicht einmal aufzählen, was konkret in Gesetzestext gegos­sen im Konsumentenschutz passiert ist? – Herr Minister, Sie werden nichts aufzählen können, weil ich als Ausschussvorsitzender weiß, was in den letzten drei Jahren passiert ist. (Abg. Schallmeiner: Da bin ich mir nicht so sicher!)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 238

Sie könnten ja auch sagen – Sie waren ja gestern auch sehr offen in Ihren Äußerungen –, Sie hätten gerne manchen Anträgen der Opposition zugestimmt, aber Sie konnten halt Ihren Koalitionspartner nicht davon überzeugen. Das wäre eine ehrliche Aussage. Ich habe manchmal auch gespürt, dass Sie per­sönlich das eine oder andere gerne realisiert hätten, nur ist halt nichts realisiert worden. Herr Minister, Sie wissen das ganz genau.

Wir haben keine langfristige Finanzierung des VKI, und das ist der, der diese Klagen durchführt. (Bundesminister Rauch: Haben wir!) Herr Minister, Sie wissen es. Sie haben zwar Gespräche mit Banken geführt, das ist ja nett, mit Banken Gespräche zu führen. Es gibt meistens eine sehr gute Bewirtung bei den Banken, wenn man Gespräche führt (Bundesminister Rauch: Sie waren bei mir!), nur ist nichts Konkretes herausgekommen, Herr Minister. Wir haben weder eine Regelung, was das Bargeld betrifft, noch eine Regelung zu den Überziehungs­zinsen. Wir haben keine Regelung, was die Unterversorgung von Bankomaten im ländlichen Raum betrifft – und, und, und.

Ich kann Ihnen gerne noch einmal die Anträge der kompletten Opposition, von NEOS, Sozialdemokratie und uns, ein Kompendium, übermitteln, und Sie werden sehen, es ist eben nichts realisiert worden, Herr Minister. Ich nehme es aber zur Kenntnis und es freut mich, wenn Sie zumindest emotional darauf reagiert haben. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

16.19 16.19.37


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nun zu den Abstimmungen.

Zunächst lasse ich über den Antrag des Ausschusses für Konsumentenschutz, seinen Bericht 1976 der Beilagen hinsichtlich des Entschließungs­antrages 3226/A(E) zur Kenntnis zu nehmen, abstimmen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 239

Ich bitte jene Damen und Herren, die hierzu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Weiters kommen wir zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 1976 der Beilagen angeschlossene Entschließung betreffend „Tätigkeitsbericht – Erstan­lauf­stelle bei Zahlungsverzug für Vebraucher:Innen in Zahlungsschwierigkeiten“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen. (313/E)

16.20.2715. Punkt

Bericht des Ausschusses für Konsumentenschutz über den Antrag 3238/A(E) der Abgeordneten Eva-Maria Himmelbauer, BSc, Mag. Ulrike Fischer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Auswirkungen von Technologien wie der Chatbot ChatGPT auf das Konsumverhalten von Konsumentinnen und Konsumenten“ (1977 d.B.)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir kommen nun zum 15. Punkt der Tagesord­nung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Süleyman Zorba. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


16.21.00

Abgeordneter Süleyman Zorba (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Beim vorliegenden Tagesordnungspunkt sprechen wir über ein Thema, das in den letzten Tagen und Wochen immer mehr in den medialen Mittelpunkt rückt, konkret geht es um künstliche Intelligenz. Die Tragweite dessen, was sich gerade abspielt, ist vielen von uns noch gar nicht bewusst, was aber mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit eintreffen wird, ist, dass uns die Entwicklungen


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 240

überrumpeln werden, wenn wir uns als Gesellschaft und Vertreter der Politik nicht näher damit befassen.

Davor warnen auch viele Menschen aus der Forschung und der Tech-Branche. Erst gestern wurde ein offener Brief veröffentlicht, der unter anderem von Elon Musk und Steve Wozniak unterschrieben wurde, welchen sich viele weitere namhafte Personen angeschlossen haben. Es wird gefordert, dass zunächst einmal auf die Pausetaste gedrückt werden soll. Leistungsstarke KI-Systeme sollten erst dann entwickelt werden, wenn wir sicher sind, dass ihre Auswir­kun­gen positiv und ihre Risiken überschaubar sind.

Was feststeht, ist: Um mit dieser raschen Entwicklung mitzuhalten, fehlt uns noch weitgehend das Bewusstsein für die Risiken sowie das Verständnis für die Möglichkeiten, und das betrifft insbesondere auch die Gesetzgebung, wobei vieles ja nicht nationalstaatlich gelöst werden kann.

Wovor wird gewarnt? – Da gibt es zum Beispiel das Produkt von OpenAI, ein Sprachmodell, das nach menschlichen Verfassern klingende Texte abfassen kann, Fragen beantworten kann und auch auf Eingaben reagieren kann. Vor wenigen Monaten wurde es mit der GPT-3-Architektur veröffentlicht, und vor circa zehn Tagen gab es eine Weiterentwicklung davon: GPT-4. Allein der technische Sprung, der in diesen wenigen Monaten vonstattengegangen ist, löst bei mir ein gewisses Unbehagen aus.

Viele von uns haben es vermutlich schon probiert, einige Reden hier im Natio­nal­rat wurden vermutlich schon von ChatGPT verfasst, auch Teile meiner Rede wurden von ChatGPT ausformuliert.

In den letzten Tagen hatte ich auch Kontakt mit Schülerinnen und Schülern und habe sie gefragt, welche Erfahrungen sie schon damit gemacht haben. – Es ist nicht verwunderlich, dass manche sich bei Hausübungen auch davon inspirieren lassen (Heiterkeit des Abg. Lukas Hammer), und es ist auch nichts Schlechtes


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 241

dabei, wenn man technische Mittel dazu nutzt, sich den eigenen Alltag etwas zu erleichtern.

Wo Chancen sind, liegen aber auch Gefahren: Europol warnte kürzlich in einem Bericht, dass ChatGPT bereits jetzt für kriminelle Zwecke genutzt beziehungs­weise missbraucht wird. Diese Gefahr müssen wir ernst nehmen und uns genau überlegen, welche Regeln wir im Umgang mit künstlicher Intelligenz schaffen wollen.

Auf europäischer Ebene wird derzeit an einem AI-Act gearbeitet, der in dieser Form das erste große Regelwerk im Umgang mit künstlichen Intelligenzen sein wird. Für die Datenschutz-Grundverordnung aus dem Jahr 2018 könnte sich dieses Regelwerk zu einem globalen Standard entwickeln, und Österreich bringt sich in den Verhandlungen dazu aktiv ein.

Das Gesetz ordnet Anwendungen grob in drei Risikogruppen ein: Neben inakzeptablen Anwendungen wie staatlichen Social-Scoring-Systemen, die wir aus China kennen und die verboten werden sollen, gibt es auch Tools, die kein großes Risiko darstellen; diese sollen weitestgehend unreguliert eingesetzt werden können.

Beim vorliegenden Antrag geht es konkret um künstliche Intelligenz wie ChatGPT. Von Finanz- und Sozialministerium soll eine Studie in Auftrag gegeben werden, die abklärt, in welchen Anwendungsbereichen in Österreich bereits heute schon eine solche künstliche Intelligenz eingesetzt wird und inwieweit der Einsatz von künstlicher Intelligenz Auswirkungen auf das Konsumverhalten in Österreich heute und auch in Zukunft haben könnte. Von solchen Studien kön­nen wir weitere politische Handlungen ableiten.

Im Ausschuss gab es eine breite Mehrheit zu diesem Anliegen. Ich hoffe, dass wir den Antrag auch hier einstimmig annehmen werden. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

16.24



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 242

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Elisabeth Feichtinger. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


16.24.56

Abgeordnete Elisabeth Feichtinger, BEd BEd (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Künstliche Intelligenz ist immer mehr und öfter Teil unseres Lebens. Ein bekanntes Beispiel dafür ist ChatGPT. Vereinfacht ausgedrückt ist das ein Programm, dem man einfach Fragen stellt, und diese werden dann von der künstlichen Intel­ligenz mit Wissen aus der Datenbank im Hintergrund beantwortet.

Genau das ist schon der Knackpunkt bei der künstlichen Intelligenz: Wie hat das Programm diese Datenbank erstellt, auf welche Quellen greift es zurück? – Bei ChatGPT wird auf eine Trainingsdatenbank aus dem Jahr 2021 zurückgegriffen. Es kann durchaus sein, dass die Ergebnisse dann veraltet sind.

Im Unterrichtsausschuss haben wir auch darüber diskutiert, wie es bei Schü­lerinnen und Schülern ausschaut – die sind da ja sehr engagiert und sehr vif. Wie sehen die Auswirkungen aus, was machen die Schülerinnen und Schüler? – Auch das beschäftigt uns natürlich sehr. Klar ist, dass der Einfluss der künstlichen Intelligenz auf unser tägliches Leben derzeit noch nicht absehbar ist.

Wir als SPÖ stimmen dem vorliegenden Antrag zu. Eine Studie darüber, welche Unternehmen künstliche Intelligenz einsetzen und welche Auswirkungen diese auf die Konsumentinnen und Konsumenten haben könnte, ist zu begrüßen. Auch auf europäischer Ebene setzen wir uns für eine Regulierung ein, damit Konsu­mentinnen und Konsumenten sowie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht unter die Räder kommen. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Neßler und Weidinger.)

Allerdings gibt es noch viele andere Themen, bei denen wir uns wünschen wür­den, dass es diesbezüglich im Konsumentenschutzausschuss wesentlich zügiger voranginge und sie nicht immer vertagt werden. Wir haben schon


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 243

einiges gemeinsam geschafft, als Beispiel sei das Anliegen des Kollegen Drobits aus dem Jahr 2022 genannt, in dem er darauf aufmerksam gemacht hat, dass ältere Personen bei den Banken keine Darlehen mehr bekommen, woraufhin dann im Justizausschuss eine Gesetzesnovelle vorgestellt wurde, die dann beschlossen wurde und die wir dann schlussendlich auf den Weg gebracht haben. Es braucht auch weiterhin ein gemeinsames Entscheiden, gemeinsame Lösungen, dass wir eben gemeinsam darauf schauen, dass die Ergebnisse für die Menschen im Land entsprechend positiv sind.

Ich würde mir wünschen, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass wir das bei den nächsten Projekten und den vertagten Anträgen, die noch auf uns warten, gemeinsam angehen. (Beifall bei der SPÖ.)

16.27


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Peter Weidinger. – Bitte, Herr Abgeordneter.


16.27.18

Abgeordneter Mag. Peter Weidinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Diese Bundesregierung macht so viel für die Konsumentinnen und Konsumenten wie noch keine Bundesregierung in der Zweiten Republik davor. (Abg. Köchl – erheitert –: Das glaubst du jetzt aber selber nicht! – Heiterkeit des Abg. Wurm.) Das macht sie, weil es notwendig ist, weil wir in einer Zeit der multiplen Krisen sind und wir angetreten sind, um die Kaufkraft zu stärken. (Abg. Wurm: Und das, ohne rot zu werden!) Das haben wir mit der größten Steuerreform, mit der Abschaffung der kalten Progression gemacht und mit viel, viel Geld, das wir in den Taschen der Menschen belassen, weil es notwendig ist, in dieser Zeit Maßnahmen gegen die Teuerung zu setzen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Und es ist diese Bundesregierung, die den nächsten Schritt setzt: Auch wenn es viele Hausaufgaben gibt, die zu erledigen sind, bei denen wir mit voller Kraft dahinter sind, widmen wir uns selbstverständlich auch der Gegenwart und der Zukunft, so auch dem Umgang mit den künstlichen Intelligenzen. Ich nehme an,


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 244

viele von Ihnen kennen das – man merkt es auch; manchmal wird ja während der Plenarsitzung das Handy in die Hand genommen oder der Laptop aufge­klappt –: Da sieht man dann wie gestern zum Beispiel auf Bildern den Papst in einer Prada-Daunenjacke, oder man sieht Donald Trump, wie er von der Polizei abge­führt wird. Alle diese Bilder haben aber eines gemeinsam: Sie sind falsch, sie sind Deepfake, sie wurden mit künstlicher Intelligenz geschaffen.

Wir haben jetzt natürlich die Hausaufgaben zu erledigen, sodass diese neuen Technologien nicht in die Hände von Autokraten und Demagogen fallen, die teilweise auch hier im Parlament vertreten sind, und sie parteipolitisch miss­braucht werden, um die Menschen zu manipulieren.

Deswegen setzen wir heute einen ersten Schritt, und dieser erste Schritt ist ein Schritt in einer breit angelegten Strategie, die auch dem Regierungsprogramm zugrunde liegt, nämlich dass wir uns damit beschäftigen, herauszufinden, welche Auswirkungen Chatbots wie zum Beispiel ChatGPT auf das Konsumenten­ver­halten haben und wie sie von Menschen verschiedenster Altersgruppen genutzt werden.

Daher rege ich auch ganz klar Folgendes an: Nehmen wir uns auch in der Demokratiewerkstatt vor, mit künstlicher Intelligenz zu arbeiten und darüber mit Jugendlichen, aber auch mit allen anderen Menschen, die es interessiert, zu reflektieren und zu sprechen, denn wie schnell ist die Frage an ChatGPT gestellt: Wen soll ich denn am nächsten Sonntag wählen?, wenn man sich jetzt schon dem Computer und dem Internet anvertraut und viele Fragen zu vielen Lebens­bereichen stellt?

Das sind unsere Antworten, die wir auf ein ethisches Fundament stellen müssen, wobei es auch notwendig ist, auf europäischer Ebene ein Regulativ zu schaffen. (Präsident Sobotka übernimmt den Vorsitz.)

Notwendig ist dabei aber für uns auch, dass wir den Wohlstand und die Zukunft unserer ökosozialen digitalen Marktwirtschaft im Auge haben. Wir schaffen


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 245

neue Produkte, wir schaffen neue Dienstleistungen, und wir können damit auch Arbeitsplätze für die Menschen in Zukunft sichern und schaffen. Das ist auch die bewusste Absicht, die wir aus dem österreichischen Blickwinkel auf ChatGPT verfolgen: Möglichkeiten zu finden, wie wir diese Chance für uns nutzen können.

Die künstliche Intelligenz wird auch jetzt schon positiv eingesetzt, ich denke da gerade an den Bereich der Medizin, an den Bereich der Diagnostik. Es ist mittler­weile statistisch bewiesen, dass schon viele Menschenleben gerettet werden konnten, weil gerade im Bereich von Diagnoseverfahren – ich denke da an Krebs­arten – künstliche Intelligenzen sehr, sehr gute Ergebnisse erzielen, die den Ärzten schneller als Unterstützung zur Verfügung stehen, damit diese daraus die richtigen medizinischen Entscheidungen ableiten können. Daher ist es für uns eine Frage von Wettbewerbsfähigkeit, dass wir uns intensiv mit diesen Fragen auseinandersetzen.

Gestatten Sie mir aber noch, ein weiteres Kapitel aufzumachen, an dem sich zeigt, warum es notwendig ist, dass wir uns jetzt als österreichisches Parlament damit beschäftigen. Wir haben uns ja heute am Vormittag auch schon mit der Thematik der Ukraine und Russlands beschäftigt. Ein Aspekt, der vielleicht noch etwas zu kurz gekommen ist, ist die folgende Neuigkeit in diesem Krieg, der fürchterliches Leid über die Menschen bringt: Erstmals wird ein privater Akteur zu einem wesentlichen Player, wenn es um die Frage geht, wie das Kriegsge­schehen bestimmt wird. Es ist Elon Musk, der das Starlink-Programm – er ist schließlich der Mensch, der die meisten Satelliten auf dieser Welt, im Orbit, besitzt – einer kriegerischen Partei beziehungsweise einer Seite zur Verfügung stellt – ich möchte mich korrigieren: der das den Ukrainern zur Verfügung stellt, die das zur Selbstverteidigung ihres Landes nutzen.

Aber stellen Sie sich vor, es gibt chinesische Milliardäre, die solche Technologien China zur Verfügung stellen oder ganz anderen Staaten! – Das heißt, wir brauchen auch für uns einen neuen Umgang mit Akteuren, mit Konzernen, mit staatlichen Playern, die diese Algorithmen einsetzen, um Menschen auch zu manipulieren.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 246

Darum freue ich mich sehr darüber, dass wir gemeinsam heute diesen Beschluss fassen, mit Technologieoffenheit hier einen wesentlichen Schritt zu setzen – nach dem Prinzip, dass die Technik immer dem Menschen dienen muss und niemals umgekehrt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

16.32


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Werner. – Bitte sehr.


16.32.46

Abgeordnete MMag. Katharina Werner, Bakk. (NEOS): Herr Präsident! Werte Damen und Herren! Holen wir das Ganze wieder zurück und fangen wir mit einem praktischen Beispiel an: Vielleicht erinnern Sie sich zurück an den letzten Versicherungsvertrag, den Sie unterschrieben haben, das ganze kleingedruckte, komplizierte juristische Zeug. Wäre es nicht schön, wenn das einfach mit einem Mausklick in einer einfachen, verständlichen Sprache lesbar wäre? – Kein Problem mehr mit ChatGPT zum Beispiel: Die Anweisung „Vereinfachen“ eingeben, Text hineinkopieren, Enter – und fertig.

Ein anderes Positivbeispiel: Unternehmen können mit KI ihren Kundenservice verbessern. Das heißt, Kunden und Kundinnen, Konsument:innen bekommen schneller eine gute und passende Antwort auf ihre Fragen.

Aber, ja, es gibt auch Schattenseiten: Chatbots wie ChatGPT oder Bard können halluzinieren. Was heißt denn das? – Das heißt, sie geben auf eine Frage völlig plausible und überzeugende Antworten, die aber einfach sachlich falsch sind. Sie erfinden Quellen, sie faken Bilder, und es ist durchaus denkbar, dass das, was vor 20 Jahren das sogenannte Google-Bombing war, das von rechten, rassistischen und antisemitischen Gruppen regelmäßig missbraucht worden ist, in Kürze das Chat-Cheating sein wird. Das heißt, man manipuliert diese Datengrundlage, auf der die KI arbeitet, und beeinflusst damit den Output. – Demokratiepolitisch äußerst bedenklich!


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 247

Auch eine aktuelle Umfrage zeigt, dass die Menschen, die Konsument:innen in Österreich diese neue Technologie kritisch sehen. Das heißt, obwohl man technologieoptimistisch sein kann, müssen wir diese Bedenken ernst nehmen. Aus diesem Grund stimmen wir auch diesem Antrag zu.

Es braucht aber mehr, es braucht viel mehr, wenn wir den Ängsten nicht zu viel Spielraum geben wollen und auch die Chancen dieser Technologie für uns nützen möchten. Die genannten Beispiele zeigen, dass eine sinnvolle Nutzung ganz, ganz viele andere Kompetenzen eigentlich voraussetzt: dass wir ein digitales Endgerät bedienen können, dass wir schreiben können, dass wir Infor­mationen recherchieren und hinterfragen können, dass wir sinnerfassend lesen können. Wir müssen in diese Basiskompetenzen investieren, wenn wir als Gesellschaft von künstlicher Intelligenz profitieren möchten und nicht zu ihrem Spielball werden wollen.

Und nein, die Antworten auf diese Herausforderungen, die die ÖVP uns gibt, sind leider nicht ausreichend. Das Pflichtfach Programmieren ist nicht ausreichend, E-Paper für alle ist auch nicht ausreichend – und die Pausensprache Deutsch erst recht nicht, das ist Populismus.

Was wären die richtigen Antworten? – Medien- und Sprachkompetenzbildung in allen Altersstufen. Die Antwort sind eine unabhängige Medienlandschaft und qualitativ hochwertiger Journalismus, und die Antwort ist eine gute Schule, die unsere Kinder und Jugendlichen am Ende zu aufgeklärten Prosumer:innen bildet. – Danke schön. (Beifall bei den NEOS.)

16.36


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Fischer. – Bitte.


16.36.33

Abgeordnete Mag. Ulrike Fischer (Grüne): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! ChatGPT – als das in


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 248

den Konsumentenschutzausschuss gekommen ist, habe ich mir gedacht: Okay, ich kenne mich eigentlich überhaupt nicht aus mit diesem Thema, ich kann jetzt nicht sagen: Ist das gescheit oder ist das nicht gescheit?

Was aber auf jeden Fall gescheit ist, ist, dass wir uns das anschauen und dass wir uns neuen Technologien öffnen, denn als ich dann meine jugendlichen Kinder gefragt habe, haben die das natürlich gekannt und hatten es auch schon auspro­biert.

Da fängt es dann schon an: Wer benutzt das in welcher Art und Weise? Dankenswerterweise gibt es zum Beispiel bei uns in Sankt Andrä-Wördern eine Neue Mittelschule, die sich sehr mit Internet, Computern, Gefahren, Risiken, aber auch Vorteilen auseinandersetzt. Und ob man das jetzt, wie von Kollegen Weidinger angesprochen, bei der Demokratiewerkstatt testet oder sich das in anderer Weise anschaut: Wir müssen uns den Herausforderungen stellen.

Jeder, der das heute gehört hat, wird das einmal ausprobieren. Ich habe es vorhin gerade versucht, und zwar zu den Themen Konsumenten und ChatGPT. Ich habe eingegeben: Gefahren von ChatGPT, und heraus kam: Als künstliche Intelligenz ist ChatGPT kein physischer Gegenstand und stellt an sich keine direkte Gefahr für Menschen dar. Es gibt jedoch einige potenzielle Risken und Herausforderungen. – Und dann werden die Themen angesprochen: Daten­schutz und Urheberschutz, Fehlinformation, Manipulation, ethische Fragen, moralische Fragen – und so geht es dahin. Das heißt, das ist ein absolut großes Thema, und wir werden das nicht schnell lösen können. Insofern brauchen wir da universitären Input.

Wir haben daher schon einen entsprechenden Antrag eingebracht, und ich möchte ihn noch einmal zur Verlesung bringen:

„,Auswirkungen von Technologien wie der Chatbot ChatGPT auf das Konsum­verhalten von Konsumentinnen und Konsumenten‘


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 249

Der Bundesminister für Finanzen wird ersucht im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, eine Studie in Auftrag zu geben, inwiefern 1) große Sprachmodelle, wie beispiels­weise ChatGPT, von Unternehmen bzw. in welchem Anwendungsbereich sie in Österreich bereits eingesetzt werden und 2) der Einsatz dieser Technolo­gien in Anwendungen mit Kundenbezug Auswirkungen auf das Konsumver­hal­ten hat bzw. in Zukunft haben könnte.“

Und ja, die Gefahren sollten mitberücksichtigt werden, und digitaler Konsu­mentenschutz ist auf allen Ebenen sehr wichtig.

Wir dürfen uns aber auch nicht zu viel auf Computer und künstliche Intelligenz verlassen. Kollege Zorba hat mir zum Beispiel vorhin mitgegeben: Gib doch ein: Was war zuerst, die Henne oder das Ei? – Ich habe das in meinen Laptop eingegeben, und dann ist mir der Saft ausgegangen. Dann habe ich es in mein Handy eingegeben und habe dann bei Kollegen Schwarz mein Handy angesteckt, weil mir das Handy ausgegangen ist. Letztendlich bin ich dann wieder auf meine Intelligenz, meinen Sachverstand angewiesen.

Manchmal ist es auch wichtig, dass man in die Natur geht, dass man Dinge haptisch erfasst. Für mich ist die künstliche Intelligenz ein bissel so wie ein rohes Ei (Ruf bei den Grünen: Schon wieder die Eier!): Wir müssen ganz vorsichtig damit umgehen. Wenn man es richtig zubereitet, wenn man es richtig einsetzt, kann daraus etwas Gutes entstehen, und wenn wir unsachgemäß damit umgehen, kann es zerbrechen, oder im schlimmsten Fall wird es ein faules Ei. (Abg. Lukas Hammer – erheitert –: Da sind wieder die Eier!)

Noch ein Satz zu Kollegen Wurm, nicht jetzt in Bezug auf faules Ei (Abg. Wurm: Oh! – Heiterkeit bei Abgeordneten von Grünen, SPÖ und NEOS) – nein, nein, nein, nein, das würde ich mir nie anmaßen –, sondern in Bezug darauf, was wir im Konsumentenschutzausschuss zum Beispiel gemacht haben: Wir haben uns dem Thema Lebensmittelverschwendung gestellt; wir haben etwas zum Repara-


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 250

turbonus eingebracht; wir haben betreffend die Haltbarkeit der Eier eine Vier­wochenfrist anstelle von drei Wochen geschafft (Zwischenruf des Abg. Wurm), was bedeutet, dass die Eier in Zukunft länger haltbar sind, und das bedeutet, dass nach Ostern weniger Eier weggeschmissen werden. (Abg. Reimon: Bravo! – Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Strasser: Schau, es wird belächelt!) Das war etwas Wichtiges, und es wird sich letztendlich noch zeigen, welche wichtigen Maßnahmen wir bezüglich Konsumentenschutz einge­bracht haben. (Abg. Strasser: Das ist ein total wesentlicher Beschluss gewesen!)

Jetzt wünsche ich aber einmal schöne Ostern. Dem Herrn Minister möchte ich stellvertretend ein gekochtes – und kein rohes – Ei übergeben (zwei Eier aus den Blazertaschen holend – lebhafte Heiterkeit bei Abgeordneten von Grünen und NEOS) und alles Gute wünschen. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von ÖVP und NEOS. – Abg. Fischer überreicht auf dem Weg zu ihrem Sitzplatz ein Ei an Bundesminister Rauch und eines an Abg. Wurm.)

16.41


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Köchl. – Bitte.


16.41.29

Abgeordneter Klaus Köchl (SPÖ): Geschätzter Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Die Eiersitzung haben wir schon beim letzten Mal gehabt, das war auch sehr interessant, und zu Ostern passt das, glaube ich, wieder ganz gut.

Ich möchte aber zu Beginn meiner Rede meinem Kollegen Peter Weidinger, was den Konsumentenschutzausschuss betrifft, Folgendes sagen: Es ist richtig, dass das – die Bilder dessen, was der amerikanische Präsident da mitgemacht hat – ein Fake ist, aber hätte ich deine Rede jetzt nicht live gehört, hätte ich gedacht, dass deine Rede der größte Fake ist. Zu behaupten, dass die ÖVP im Konsu­mentenschutz so viel weitergebracht hat, obwohl das genau jener Ausschuss ist, in dem ihr 95 Prozent der SP-Anträge immer wieder ablehnt und immer wieder vertagt (Abg. Scharzenberger: Brauchts nur gescheite Anträge schreiben!), ist ja


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 251

eigentlich wirklich das Schlimmste, was ihr da machen könnt. (Abg. Loacker: Da bin ich der ÖVP dankbar, dass sie euer Zeug ...! – Abg. Stöger: Gerald! Gerald, was ist los?)

Gerade der Konsumentenschutz ist der ÖVP ja wirklich ein Dorn im Auge, den wollt ihr ja eigentlich wirklich nicht haben. Bei diesem Antrag heute ist es ja auch so, dass das normalerweise die Bundesregierung machen könnte, aber damit ihr wenigstens einen Antrag einbringt (Abg. Weidinger: Zur Sache, Herr Kollege!), geht ihr her und fordert jetzt von eurer Regierung, vom Finanzministerium und vom Konsumentenschutzminister, dass man diesen Antrag umsetzt. (Ruf bei der ÖVP: Vom Saulus zum Paulus ...!)

Grundsätzlich ist er ja richtig, aber ihr habt da meines Erachtens trotzdem etwas verabsäumt, denn: Würden die Universitäten, wo Forschung und dergleichen stattfindet, besser mit Geld ausgestattet werden, dann hätten sie schon längst dahin gehend forschen können und wären da sicherlich schon einen Schritt weiter, und ihr bräuchtet nicht jetzt Geld vom Finanzminister holen, damit der Herr Minister da Studien beauftragen kann. (Abg. Weidinger: Es geht um die künstliche Intelligenz!) Ich glaube, die Studien könnten die Universitäten viel besser durchführen. Oder geht es euch wieder darum, dass ihr irgendwelche Firmen beauftragt? Da werden wir genau hinschauen, welche Firmen ihr beauf­tragen werdet, das zu machen: Sind die vielleicht doch wieder ÖVP-lastig? – Ich glaube, dass das Ganze bei euch genau in diese Richtung geht.

Deshalb denke ich mir, dass wir diesem Antrag zustimmen können, aber wir werden genau darauf achten, welche Firmen ihr diesbezüglich braucht. Für mich ist das halt eine dringende Warnung, wenn Tausende Experten – unter anderem auch der Tesla-Chef und der Apple-Chef – sagen, dass das etwas ganz Gefähr­liches ist und dass man das aussetzen sollte. (Abg. Weidinger: ... wegschauen ... SPÖ, Vogel-Strauß-Politik!) Deshalb, glaube ich, ist diese Studie schon wichtig. An den Universitäten könnte man das auch machen. Stattet unsere Universitäten anstän­dig mit Geld aus! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

16.44



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 252

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Scharzenberger. – Bitte.


16.44.20

Abgeordnete Mag. Corinna Scharzenberger (ÖVP): Herr Präsident! Liebe Zuseherinnen, Zuseher! Liebe Besucher auf der Galerie! Herr Konsumenten­schutzminister! Ja, Kollege Köchl, ihr braucht nur gescheite Anträge schreiben. (Zwischenrufe der Abgeordneten Kucharowits und Schatz. – Abg. Köchl: Da ist es so laut, ich verstehe euch nicht!) Wir bewerten den Antrag, und wenn die Begründung und die Argumente dementsprechend gut sind, dann werden wir auch zustimmen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Stöger: Na geh!)

Chat-GPT ist momentan in aller Munde. Mit über 1 Million Nutzer in den ersten fünf Tagen ist dem amerikanischen Unternehmen Open AI damit sozusagen ein völliger Senkrechtstart gelungen – das hat im Übrigen nicht einmal Facebook geschafft. 18 Prozent aller Österreicherinnen und Österreicher nutzen nämlich mittlerweile die künstliche Intelligenz. Es geben 57 Prozent davon an, dass sie damit auch für Prüfungen lernen, 33 Prozent schummeln damit übrigens bei Prüfungen, 37 Prozent lassen sich davon sogar Liebesbriefe schreiben (Heiterkeit des Abg. Köchl), und manche Abgeordnete in den verschiedenen Parlamenten lassen sich die Reden schreiben, ohne dass es auffällt (Ruf: Aha!) – man muss natürlich fairerweise dazusagen, das trifft nicht auf alle heute Anwesenden zu. (Abg. Wurm: Bei der ÖVP wahrscheinlich!) – Kollege Wurm, fühlen Sie sich angesprochen? (Heiterkeit der Rednerin. – Zwischenrufe der Abgeordneten Kirchbaumer und Strasser.) Sie sehen jedenfalls, die Bandbreite ist eine ganz bedeutend große.

Künstliche Intelligenz ist sozusagen ganz einfach per Mausklick für jeden rund um die Uhr einsetzbar. Während die einen den Fortschritt begrüßen, sehen das manche auch sehr skeptisch. Chat-GPT löst allenfalls Emotionen aus – aber nicht nur das: Elon Musk hat ja eine sogenannte Nachdenkpause gefordert, weil eben dieser Fortschritt so schnell geht. Es besteht die Gefahr, dass wir quasi einen


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 253

Kontrollverlust erleiden. Er sagt, es braucht Regeln für den Umgang mit künstlicher Intelligenz.

Die Frage, die wir uns im Konsumentenschutzausschuss stellen, ist: Wie verän­dert denn künstliche Intelligenz unsere Arbeitswelt? Diese Frage stellen wir uns ja mindestens seit dem 18. Jahrhundert. Was damals die Erfindung der Dampfmaschine war, später des Internets, des Smartphones, ist eben jetzt der Einsatz von künstlicher Intelligenz.

Chat-GPT und alle anderen auf künstlicher Intelligenz basierenden Systeme sind sozusagen in diesen Belangen derzeit der Elefant im Raum. Die zuneh­mende Automatisierung, die Digitalisierung verändert die Arbeitswelt. Es bedeutet Innovation, es bedeutet Fortschritt, und wie die Geschichte uns auch gelehrt hat, war die Angst davor immer unbegründet: Es bedeutet schlichtweg Veränderung.

Fest steht jedenfalls, dass der Einsatz von KI-Systemen zum Wirtschafts­wachstum, insbesondere auch durch Effizienzsteigerungen, beiträgt. Selbstverständlich müssen wir aber als politische Verantwortungsträger die künstliche Intelligenz ganzheitlich betrachten und auch die Schattenseiten mitdenken.

Es ergeben sich einige Rechtsfragen in diesem Zusammenhang: Es werden nämlich personenbezogene Daten verwendet – Kollege Drobits hat im Konsumentenschutzausschuss auch völlig zu Recht angesprochen, dass auch die Datenschutz-Grundverordnung eingehalten werden muss –, verbraucher- und haftungsrechtliche Fragen ergeben sich, und auch das Transparenzgebot spielt in diesem Zusammenhang eine bedeutende Rolle.

Die zweite Frage, die sich in diesem Zusammenhang stellt, ist: Wie verändert sich denn das Konsumverhalten durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz? Wir haben uns dazu im Ausschuss verständigt, eine Studie einzusetzen, die uns darüber Aufschlüsse gibt. Dazu habe ich vorab schon einmal Chat-GPT gefragt und möchte zum Schluss eben Chat-GPT selbst zu Wort kommen lassen. Ich


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 254

habe das Programm gefragt, wie es die Auswirkung von sich selbst auf das Kaufverhalten von Konsumenten einschätzt, und die Antwort des Programmes war – ich zitiere –: Insgesamt können KI-basierte Systeme das Kaufverhalten von Konsumenten durch personalisierte Empfehlungen, ein verbessertes Ein­kaufserlebnis, Effizienz und Geschwindigkeit beeinflussen. Unternehmen müssen jedoch sicherstellen, dass ihre Systeme fair, transparent und ethisch sind und dass sie die Privatsphäre und die Sicherheit ihrer Kunden schützen. – Zitatende.

Wir machen jetzt trotzdem noch eine Studie, um sozusagen den Gegenbeweis anzutreten, damit wir dann in Zukunft womöglich keine Studie mehr brauchen, sondern Chat-GPT befragen können. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

16.48 16.48.37


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 1977 der Beilagen angeschlossene Entschließung betreffend „Auswirkungen von Techno­logien wie der Chatbot ChatGPT auf das Konsumverhalten von Konsu­mentinnen und Konsumenten“.

Wer dafür die Zustimmung gibt, möge das dementsprechend bekunden. – Das ist einstimmig angenommen. (314/E)

Ich danke Ihnen recht herzlich.

16.49.1416. Punkt

Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Antrag 1543/A(E) der Abgeordneten Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Online-Formular für NS-Meldestelle (1975 d.B.)



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 255

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 16.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Ich darf den Herrn Innenminister herzlich begrüßen und den Herrn Gesundheits­minister verabschieden. – Ich danke schön für Ihre Anwesenheit.

Zu Wort gemeldet ist Frau Kollegin Schatz. – Bitte, Frau Abgeordnete, ich erteile Ihnen das Wort. (Abg. Loacker: Die war heute in der Früh auch nicht da! Auch so eine Putin-Versteherin! – Ruf bei den NEOS: ... auch auf der falschen Seite der Politik ...!)


16.49.48

Abgeordnete Sabine Schatz (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Der vorliegende Antrag befasst sich mit der Forderung, rechtsextreme Vorfälle in der NS-Meldestelle bei der DSN auch mittels Onlineformular kundzutun zu können. Momentan ist das aus­schließlich postalisch oder per E-Mail möglich.

Aus dem Verfassungsschutzbericht 2020 wissen wir, dass alleine in diesem Jahr 3 636 Hinweise bei der NS-Meldestelle eingegangen sind, von diesen sind immerhin 1 098 als relevant eingestuft worden.

Sehr geehrte Damen und Herren! Hinschauen und handeln statt wegschauen, das zeichnet eine aktive Zivilgesellschaft in einer starken Demokratie aus. (Beifall bei der SPÖ.)

Der Direktor der DSN hat erst kürzlich in einer Pressekonferenz vor den Gefahren des Rechtsextremismus in Österreich gewarnt, und die Häufung von Waffenfunden in der Szene unterstreicht diese Einschätzung. Im Kampf gegen den Rechtsextremismus braucht es also dringend zivilgesellschaftliches Einschreiten, zivilgesellschaftliches Engagement. Dass viele Menschen dabei aber Angst vor Angriffen aus der rechtsextremen Szene haben, liegt, glaube ich, auf der Hand.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 256

Deshalb muss es, Herr Innenminister, entsprechend möglich sein, rechtsextreme, rassistische, antisemitische Vorfälle und Verstöße gegen das Verbotsgesetz auch über ein Onlineformular einfach und anonym zu melden. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich freue mich, dass die Regierungsparteien diesem Ansinnen zwar scheinbar grundsätzlich positiv gegenüberstehen, jetzt ist es aber so, dass diese simple Forderung nach der Einrichtung eines Onlineformulars dahin gehend abge­schwächt wurde, dass der Herr Minister das prüfen möge. – Ganz ehrlich, das lässt leider einmal mehr erkennen, dass es für diese Bundesregierung offenbar mehr Antrieb braucht, im Kampf gegen den Rechtsextremismus aktiv zu werden. Wo ist der Nationale Aktionsplan, den wir 2021 hier herinnen mit den Stimmen von vier Parteien auch tatsächlich beschlossen haben? – Da liegt leider immer noch nichts vor.

Seit Jahren beobachten wir ein extremes Hoch von rechtsextremen Straftaten in Österreich. Das wissen wir auch aus den Beantwortungen meiner Anfragen an Sie, Herr Innenminister, und an die Frau Justizministerin. Die Beobachtung dieser Zahlen zeigt, dass sich die Verfahren nach dem Verbotsgesetz bis 2022 – über den Zeitraum der letzten sechs Jahre – verdoppelt haben. Wir wissen aber auch, dass es zwischen den Zahlen des Innenministeriums und jenen des Justizminis­teriums eine Differenz gibt, weil die Zahlen aus dem Innenministerium zwar auf einem hohen Niveau immer leicht auf ab und ab schwanken, aber nicht dem Anstieg der Zahlen im Justizministerium entsprechen.

Herr Minister, es ist dringend notwendig, dieses Zahlenchaos aufzuklären und für Klarheit zu sorgen, damit diese Dinge auch entsprechend angegangen und aufgegriffen werden können. Das zeigt einmal mehr, wie dringend notwendig der Rechtsextremismusbericht ist, der die relevanten Analysen, Daten und Fakten liefern muss, damit wir gemeinsam den Rechtsextremismus bei seinen Wurzeln packen und bekämpfen können. (Beifall bei der SPÖ.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 257

Herr Innenminister! Sie wissen, die Sozialdemokratie ist immer Bündnispartnerin im Kampf gegen den Rechtsextremismus, und Sie wissen, dass ich hartnäckig an meinen Forderungen dranbleiben werde. In diesem Sinne: Kommen Sie bitte ins Tun! – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

16.53


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Ofenauer. – Bitte sehr.


16.53.46

Abgeordneter Mag. Friedrich Ofenauer (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Innenminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen im Hohen Haus! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Beim Bundesministerium für Inneres, konkret bei der Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst, ist die soge­nannte Meldestelle NS-Wiederbetätigung eingerichtet.

Bei dieser Meldestelle können analog, aber auch per E-Mail Vorfälle und Beob­achtungen in Bezug auf eine nationalsozialistische Wiederbetätigung ein­gemeldet werden. Mit diesem Antrag fordern wir nun auf, zu prüfen, ob es im Rahmen der Erstellung des Rechtsschutzberichts auch möglich sein wird, dass diese Meldungen über Fälle von nationalsozialistischer Wiederbetätigung auch über ein Onlineformular eingebracht werden können. Das wäre deshalb wichtig, weil solche Meldungen eines Verdachts der nationalsozialistischen Wieder­betätigung eben niederschwellig und möglichst einfach eingebracht werden können sollen.

Österreich hat gerade im Bereich der NS-Wiederbetätigung eine besondere Verantwortung, und in diesem Bereich braucht es auch eine besondere Sensi­bilität. Möglicherweise sprechen auch die zuvor genannten Zahlen bezüglich der Verfahren nach dem Verbotsgesetz dafür, dass es diese Sensibilität schon gibt oder dass sich diese Sensibilität gesteigert hat. Man muss aber dennoch fest­stellen, dass es da und dort immer noch gewisse – ich würde sagen – Biotope


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 258

gibt, in denen Ausritte nach rechts in Richtung Wiederbetätigung geduldet wer­den. Diese Biotope müssen wir aber austrocknen. Da müssen wir genau hinschauen, denn jede Wiederbetätigung im Sinn des Nationalsozialismus sowie rassistische, diskriminierende und herabwürdigende Äußerungen muss man verurteilen, und so etwas muss auch entsprechende Konsequenzen haben.

Zu einer liberalen Demokratie gehört unter anderem natürlich auch die Freiheit, die eigene Meinung frei und unbeeinflusst sagen zu dürfen. Es kann und darf aber auch nicht sein, dass Personen oder ganze Menschengruppen unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit herabgewürdigt, diskriminiert oder diskredi­tiert werden, denn das untergräbt den Zusammenhalt der Gesellschaft – den gegen­seitigen Respekt und die gegenseitige Anerkennung. Meine Damen und Herren, dagegen gilt es, gemeinsam aufzustehen! – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Disoski und Schwarz.)

16.56


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ries. – Bitte sehr.


16.56.18

Abgeordneter Christian Ries (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Werte Damen und Herren! Kollegin Schatz von der SPÖ hat einen Antrag eingebracht, wonach Meldungen bei der NS-Meldestelle einfach anonym und mittels Onlineformular eingebracht werden können sollen. – Liebe Kollegin, ich glaube Ihnen, dass Sie das gut gemeint haben, aber wenn man sich den Antrag näher ansieht, sieht man unserer Meinung nach, dass er nicht richtig durchdacht ist. Die Meldung an sich ist überhaupt kein Problem. Sie haben selber schon gesagt, dass über 3 000 Meldungen jährlich eingehen. Diesen Meldungen wird auch nachgegangen. Da liegt also nicht das Problem.

Sie fordern aber, dass das anonym geschehen soll. Da befinden wir uns auf einem schmalen Grat des Rechtsstaates. Überspitzt könnte man sagen, das hat etwas mit mittelalterlicher Besagung zu tun, was da möglich wäre, und das


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 259

brauchen wir nicht, werte Kollegin. Der österreichische Rechtsstaat ist stark und hat ein gutes Regelwerk. (Beifall bei der FPÖ.)

Die Strafprozessordnung gestattet auch jetzt schon anonyme Aussagen von Zeugen, wenn Leben, Gesundheit, körperliche Unversehrtheit oder Freiheit des Zeugen durch die Aussage gefährdet erscheinen. Ansonsten sind Zeugen – und das sind alle, die über einen strafbaren Tatbestand persönliche Wahrnehmungen haben – natürlich der Wahrheitspflicht unterworfen, und das ist gut so. Das heißt, jeder, der eine Meldung macht, ist gleichzeitig auch Zeuge und unterliegt der Wahrheitspflicht.

Werte Kollegin, wenn jemand eine Anzeige macht und jemanden der NS-Wiederbetätigung beschuldigt, dann ist das ja kein Pappenstiel. Da findet sich diese Person dann als Angeklagter in einem Schwurgerichtsverfahren wieder. Würden wir Ihrer Vorstellung von dieser anonymen Anzeige nach dem Verbotsgesetz folgen, würden wir unter Umständen einen medialen Zerberus von der Kette lassen.

Ich möchte Ihnen dazu ein Beispiel geben: Wenn sich mehrere Personen verab­reden und sagen: Wir zeigen jetzt eine andere Person anonym an!, dann hat es diese Person ordentlich schwer, aber auch die Polizei hat es schwer. (Abg. Kollross: Vor allen Dingen bei den Einzelfällen! – Abg. Matznetter: Na ja, bei der FPÖ ist es ...!) – Ja, ja! – Wie soll denn die Polizei, wenn die Meldung anonym ist, dem Sachverhalt nachgehen und dazu genaue Erhebungen durch­führen, wenn man nicht weiß, wer der Zeuge ist?

Wie kann sich der Beschuldigte gegen diese Anschuldigung wehren, wenn er nicht weiß, wer der Anschuldiger ist? Gegen wen soll man dann eine Ver­leumdungsklage einbringen, wenn man zu Unrecht Beschuldigter ist beziehungs­weise die Anschuldigung falsch ist? Die mediale Vorverurteilung ist dann aber bereits erfolgt und unter Umständen ist eine wirtschaftliche Existenz, eine politische Karriere oder was auch immer unwiderruflich zerstört. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 260

Das alles, liebe Kollegin Schatz, werden Sie wahrscheinlich nicht bedacht haben, als Sie diesen Antrag eingebracht haben. Frau Kollegin, Ihre Fraktion hätte Sie aber darauf hinweisen können, dass Ihr Antrag problembehaftet ist (Zwischenruf des Abg. Matznetter) – wenn man aber schon mit einer einfachen Mitglieder­befragung überfordert ist, dann ist so eine sensible Rechtssache natürlich bei Weitem zu viel verlangt. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Michael Hammer: Die ist ja nicht einfach!)

17.00


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Bürstmayr.


17.00.05

Abgeordneter Mag. Georg Bürstmayr (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Ja, Rechts­extremismus und nationalsozialistische Wiederbetätigung sind ein Problem in diesem Land. Ich sage das nicht gerne, aber es braucht die Melde­stelle für NS-Wiederbetätigung und es braucht saubere Ermittlungen, denn National­sozi­alismus ist nicht irgendeine Ideologie, sondern ein Verbrechen. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von ÖVP und SPÖ.)

Mein Vorredner von der Freiheitlichen Partei hat jetzt ausführlich über die Gefahren geredet, die für Betroffene entstehen könnten, wenn man die Möglichkeit eröffnet, solche Sachverhalte auch anonym anzuzeigen. – Nun, in einem Rechtsstaat liegt zwischen einer Anzeige und einem Schwurgerichts­prozess im Allgemeinen eine Ermittlung, Herr Kollege, und diese Ermittlung ist alles andere als anonym; und wenn ein Beschuldigter einmal einen Beschul­digtenstatus hat, hat er Rechte. – Sie wissen das alles. (Abg. Ries: Ja!)

Trotzdem: Es ist vernünftig und gescheit und notwendig – gerade bei diesen Delikten, von denen wir hier sprechen –, auch die Möglichkeit zu eröffnen, Sachverhalte anonym anzuzeigen. Warum? – Weil das zum einen sogenannten Whistleblowern die Möglichkeit eröffnet, der Behörde, in diesem Fall der


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 261

Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst, entsprechende Hinweise zu geben, und weil es zum Zweiten sehr viele Personen unter Umständen davon abhält, solche Meldungen zu machen, wenn man sich an fünf Fingern einer Hand abzählen kann, um wen es dabei geht. (Abg. Lausch: Das müssen Sie dem Koalitionspartner erzählen, nicht uns!)

Herrschaften, das ist ja nicht irgendein Kleingartenverein! Wenn ich eine Meldung über eine NS-Wiederbetätigung mache, dann spreche ich von extrem gewaltbereiten Strukturen und Menschen, über die ich da erzähle, über die ich da eine Meldung mache. Jedermann versteht, dass es in Italien möglich ist, mafiöse Strukturen und Verbrechen der Mafia anonym anzuzeigen – na, was denn sonst? Warum sollte das dann bei nationalsozialistischer Wiederbetätigung nicht möglich sein? (Abg. Lukas Hammer: Na sie wollen halt wen schützen!)

Ich habe ein bisschen das Gefühl, Herr Kollege, dass Sie Ihre Argumentation nicht ganz durchdacht haben – im Gegensatz zu Kollegin Schatz, bei der ich mich an dieser Stelle für ihre Initiative, die zu diesem gemeinsamen Antrag geführt hat, bedanken möchte. – Danke fürs Zuhören. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von ÖVP und SPÖ.)

17.03 17.03.18


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet.

Wünscht der Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist auch nicht der Fall.

Dann kommen wir zur Abstimmung.

Ich lasse über den Antrag des Ausschusses für innere Angelegenheiten, seinen Bericht 1975 der Beilagen hinsichtlich des Entschließungsantrages 1543/A(E) zur Kenntnis zu nehmen, abstimmen.

Ich darf die Damen und Herren, die dem zustimmen, um ein dementsprechendes Zeichen ersuchen. – Das ist die Mehrheit, damit angenommen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 262

Weiters kommen wir zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 1975 der Beilagen angeschlossene Entschließung betreffend „Einrichtung eines Online-Formulars für die Meldestelle NS-Wiederbetätigung des BMI“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein dementsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen. (315/E)

17.04.0717. Punkt

Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Bericht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasser­wirtschaft über die Aktivitäten der AMA-Marketing GesmbH (Geschäftsjahr 2021) aufgrund der Entschließung des Nationalrates vom 8. Juli 2014, 29/E XXV. GP (III-814/1973 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 17.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Ich darf den Herrn Bundesminister für Inneres verabschieden und mich bedanken und Herrn Bundesminister für Landwirtschaft Totschnig recht herzlich bei uns begrüßen.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Ecker. – Frau Abgeordnete, Sie haben das Wort.


17.04.46

Abgeordnete Cornelia Ecker (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen und Zuseher:innen! Die AMA-Marketing muss dem Nationalrat jährlich einen Tätigkeitsbericht vorlegen, und ich begrüße es, dass wir diesen heute hier im Plenum ausführlich diskutieren.

Die AMA-Marketing ist in den letzten Wochen verstärkt in den Fokus gerückt, denn die in den Medien genannten Skandalbetriebe, in denen nachweislich


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 263

Hühner und Schweine gequält wurden, segelten unter der AMA-Güte­siegel­flagge. Die Bilder, die auf den Höfen aufgenommen wurden, haben gerade unter den Konsumentinnen und Konsumenten eine Welle an Betroffenheit ausgelöst und das Vertrauen in das AMA-Gütesiegel stark beschädigt, würde ich meinen. Auch wenn die AMA reagiert und jetzt verstärkte Kontrollen angekündigt hat, ändert dies aber nichts am Grundproblem: Wir haben in Österreich gerade in der Schweinehaltung sehr niedrige Haltungsstandards.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir als SPÖ stehen grundsätzlich hinter dem AMA-Gütesiegel. Wir wollen, dass es ein offizielles Siegel gibt, welches von einer unabhängigen Stelle vergeben wird. Sinkt das Vertrauen in das AMA-Gütesiegel, wird es nicht lange dauern, bis gerade die großen Einzelhandelsketten verstärkt auf ihre eigenen Qualitätssiegel umsteigen werden, die im besten Fall eine Marketingmaßnahme sind und überhaupt keine Richtlinien in Sachen Tierwohl mit sich bringen. Das wollen wir eigentlich nicht und das sollten wir hier im Haus verhindern.

Wir als SPÖ wollen wie gesagt ein rot-weiß-rotes Gütesiegel, welches hohe Standards aufweist, die weit über das gesetzliche Mindestmaß hinausgehen. Die Konsumentinnen und Konsumenten sollen darauf vertrauen dürfen, dass, wenn man sich für ein Produkt entscheidet, auf dem sich das AMA-Gütesiegel befindet, das Tier ein gutes Leben in Österreich hatte, dass es schlussendlich bei uns geschlachtet wurde und das Fleisch hier verpackt wurde.

Das AMA-Gütesiegel muss für eine bessere Qualität als Mindeststandards stehen. Es braucht eine klare, transparente Vergaberichtlinie und eine eng­maschige Kontrolle der Betriebe. Es braucht endlich auch schärfere gesetzliche Regelun­gen im Bereich der Tierhaltung: Vollspaltenböden müssen der Vergangenheit angehören. (Beifall bei der SPÖ.) Schluss mit diesen halbherzigen Lösungen, mit diesen langen Übergangsfristen!

Es muss aber auch der Dialog mit den Landwirtinnen und Landwirten verstärkt geführt werden, denn die Bäuerinnen und Bauern wollen mehr dazu beitragen,


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 264

dass es mehr Tierschutz auf den Höfen gibt. Dazu braucht es aber Maßnahmen und dazu braucht es auch eine Planungssicherheit für die Betriebe. Daher braucht es eine Tierhaltungsstrategie, die auf 20 bis 30 Jahre ausgelegt ist und in der der Weg ganz klar definiert wird.

Wer im Supermarkt Ja zu einem AMA-Gütesiegelprodukt beim Fleisch sagt, soll aus unserer Sicht darauf vertrauen können, dass das Tier tierwohlgerecht gehalten wurde, dass engmaschig kontrolliert wurde und dass es zu 100 Prozent aus Österreich stammt. (Beifall bei der SPÖ.)

Zum Schluss meiner Ausführungen möchte ich aber noch ein Thema ansprechen, welches mir als Mensch am Herzen liegt und welches ich als Parlamentarierin, die ihre Arbeit gerne macht, die ihre Arbeit und ihren verfassungsmäßigen Auftrag aber auch sehr ernst nimmt, nicht unerwähnt lassen möchte, nämlich die Arbeitsweise im Landwirtschaftsausschuss: Es werden alle Anträge der Opposition vertagt, in rund 50 Prozent unserer Ausschusssitzungen gibt es keine Regierungsvorlage, und was mich am allermeisten stört – das ist auch der Grund, wieso ich hier das Wort ergreife –, ist die Art und Weise, wie in diesem Ausschuss miteinander umgegangen und auch gesprochen wird – die Wortmel­dungen sind oft beleidigend und unter der Gürtellinie.

Kollege Strasser, ich möchte Sie bitten: Lassen Sie diesen Ausschuss nicht zu einem Stammtisch verkommen, sondern wahren Sie die Würde dieses hohen parlamentarischen Gremiums! Gleichzeitig fordere ich Sie, Herr Minister, dazu auf, Gesetze auf den Weg zu bringen und dem Parlament zuzuleiten, die unsere Bäuerinnen und Bauern bei der Bewältigung der Klimakrise unterstützen, ihre soziale Absicherung vorantreiben und gewährleisten, dass sie durch ihre Produkte ein gutes Auskommen haben. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

17.09


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Hechenberger. – Bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 265

17.09.44

Abgeordneter Ing. Josef Hechenberger (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Besucherinnen und Besucher hier und auch zu Hause! Ich darf heute von dieser Stelle aus ganz herzlich die Innungsmeister der Sparte Gewerbe und Handwerk begrüßen – herzlich willkommen! (Beifall­ bei der ÖVP, bei Abgeord­neten der FPÖ sowie der Abg. Fischer.)

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, in der letzten Sitzung des Landwirt­schaftsausschusses haben wir uns sehr intensiv mit dem Thema AMA-Marketing und AMA-Gütesiegel auseinandergesetzt. Ich denke, eines ist sehr wichtig: Wenn man über Themen diskutiert, dann muss man ein bisschen in die Vergan­genheit zurückblicken und schauen, wie etwas entstanden ist.

Wir wissen, als Österreich der Europäischen Union beigetreten ist (Zwischenruf bei der SPÖ – Abg. Doppelbauer: Ist halt schon ein paar Jahre her!), hat man das AMA-Gesetz mit dem Gütesiegel und dem Marketing beschlossen. Das Positive ist: Das AMA-Gütesiegel ist im Besitz aller Österreicherinnen und Österreicher, weil im Verwaltungsrat alle Interessenvertretungen drinnen sind – von der Arbeiterkammer über die Wirtschaftskammer bis hin zur Landwirtschafts­kam­mer –, und es sitzen auch – ich denke, das ist wichtig zu erwähnen, weil wir gerade in der Ausschusssitzung davor das Thema Konsumentenschutz diskutiert haben – Konsumentenschützer im Verwaltungsrat und definieren so die Standards für das AMA-Gütesiegel mit.

Ich glaube, dass das eine gute, breite Basis ist, weil zum Beispiel der Lebens­mitteleinzelhandel – und immerhin sind 85 Prozent des Lebensmittel­einzelhan­dels im Besitz von drei Konzernen – jährlich rund 500 Millionen Euro ins Marketing, in die Werbung investiert; das AMA-Gütesiegel hat lediglich 9,2 Mil­lionen Euro zur Verfügung. Ich denke, es ist besonders wichtig, dass wir da als Interessenvertreter mitgestalten können. Da ist man, glaube ich, auf einem guten Weg. (Beifall bei der ÖVP.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 266

Wir haben nämlich vor Kurzem das AMA-Gesetz bezüglich Marketing geändert, weiterentwickelt. Wir setzen jetzt auf ein duales System, auf ein produkt- und flächenbezogenes Einhebungssystem, das heißt, man geht her und sagt, man nimmt zukünftig in der Beitragseinhebung auch Flächen mit. Somit schaffen wir es, dass wir auch Brot und Gebäck mit dem AMA-Gütesiegel ausstatten können. Somit können alle Lebensmittel, die von österreichischen Bäuerinnen und Bauern produziert werden, mit dem AMA-Gütesiegel ausgestattet werden. Das ist für die Konsumentinnen und Konsumenten ein Signal, dass man letztendlich auch regional, aus sicherer Herkunft einkaufen kann.

Ich möchte an dieser Stelle, weil Kollegin Ecker die verstörenden Bilder ange­schnitten hat – keine Frage, diese verstörenden Bilder schmerzen jeden, auch jeden Bauern –, schon eines dazu sagen: 99,9 Prozent unserer Bauernfamilien produzieren im Einklang mit den Tieren, bemühen sich jeden Tag um das Tierwohl. Da ergeht wirklich mein großer Dank an unsere Bauern­familien für ihren fleißigen und unendlichen Einsatz. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich denke, was auch sehr positiv ist, ist: Man hat es in den letzten 25 Jahren geschafft, das AMA-Gütesiegel so zu etablieren, dass es bereits bei über 90 Prozent der Konsumentinnen und Konsumenten in den Köpfen gespeichert ist und wesentlich zur Kaufentscheidung beiträgt.

Mir ist auch eines wichtig, was, glaube ich, dazugesagt werden muss: Wir wissen, Vertrauen ist die härteste Währung, die es gibt, und aus diesem Grund setzt man vonseiten der AMA verstärkt auf Kontrollen. Es gibt – ihr müsst euch das vorstellen! – 60 Kontrollen am Tag, das heißt, jede halbe Stunde ist eine Kontrolle auf einem Betrieb. Natürlich fordert das die Bauernfamilien extrem, aber letztendlich sichert das auch, dass wir entsprechend tierwohlgerecht und standortangepasst produzieren können.

Für die Zukunft ist, glaube ich, eines wichtig: Wir wollen einfach das AMA-Gütesiegel weiterentwickeln, am AMA-Gütesiegel, das uns Österreicherinnen und Österreichern gehört, festhalten. Das ist unser Gütesiegel, das vom


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 267

Strohschwein bis hin zu verschiedenen anderen Aspekten geht, die wir in der Lebensmittelproduktion weiterentwickeln können und müssen, und daran ist, denke ich, festzuhalten, das Vertrauen darin ist weiterzuentwickeln. Was auch wichtig ist, ist, so denke ich, dass am Ende durch das Gütesiegel auch mehr Wertschöpfung auf den bäuerlichen Familienbetrieben geschaffen wird. (Beifall bei der ÖVP.)

Letztendlich sind es nämlich die bäuerlichen Familienbetriebe, die uns jeden Tag mehrmals die Lebensmittel zur Verfügung stellen und so den Tisch reichhaltig mit Lebensmitteln aus nachhaltiger Produktion – umweltgerecht, tierwohlge­recht – decken. Deshalb noch einmal ein Danke an die Bauernfamilien, aber auch ein großes Danke an unsere Konsumentinnen und Konsumenten, die beim Griff ins Regal über die Zukunft der Landwirtschaft entscheiden.

Das AMA-Gütesiegel soll einen Beitrag leisten, dass es eine gemeinsame Zukunft gibt, eine gute Zukunft für die Landwirtschaft und für unsere Konsumentinnen und Konsumenten gibt. Deshalb noch einmal ein Danke an die Mitarbeiter des AMA-Marketing, die aus meiner Sicht einen guten Bericht vorgelegt haben und auch extrem bemüht sind, das AMA-Gütesiegel, das AMA-Marketing positiv weiterzuentwickeln. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Fischer.)

17.15


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Schmiedlechner. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Lopatka: Na, jetzt kommt er! Jetzt wird es spannend!)


17.15.14

Abgeordneter Peter Schmiedlechner (FPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Sehr geehrte Zuseher! Es geht jetzt um den Bericht über die Aktivitäten der AMA-Marketing GesmbH – das ist übrigens von den 17 Tagesordnungspunkten im Landwirtschaftsausschuss der einzige Tagesordnungspunkt, der dann tatsächlich hier im Plenum diskutiert wird, und das auch nur, weil wir als FPÖ darauf


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 268

bestanden haben, dass wir den AMA-Marketingbericht hier diskutieren. (Abg. Einwallner: Na, der Strasser hat das ...!)

Die AMA-Marketing als Institution ist sozusagen die geschützte Werkstätte für ÖVP-Parteigänger (Zwischenruf bei der ÖVP), welche irrsinnig viel Geld von den Bauern bekommt und sehr wenig leistet, dafür aber vor allem den Handel stützt. Die Bauern dürfen jetzt sogar noch mehr dafür bezahlen, und das trotz der Teuerungen und trotz der katastrophalen Situation für die Bäuerinnen und Bauern.

Jetzt ist die AMA-Marketing mit Unterstützung der ÖVP hergegangen und kann von jedem Bauern und jeder Bäuerin pro Hektar 5 Euro verlangen oder einheben. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Wenn wir ehrlich sind, kann man sagen, das ist wie eine neue Grundsteuer, die die ÖVP dort eingeführt hat. Das verschafft der AMA-Marketing so circa 9 Millionen Euro mehr Spielgeld, um ihr System zu forcieren. (Ruf bei der ÖVP: Spielgeld?!) Die Bauern zahlen brav, die AMA-Marketing freut sich über das neue Geld.

Wenn man dann glaubt, dort wird sinnvolle Marketingarbeit gemacht, täuscht man sich, muss man sagen. Unter anderem betreibt die AMA-Marketing einen Onlineshop, sozusagen ein Kaufhaus Österreich 2.0. Wer meint, dass dieser Onlineshop so eine Art Feinkostladen ist, dass Feinkostprodukte angeboten werden, liegt total falsch, denn stattdessen werden dort Sachen wie ein Käse­servierwagen oder andere Utensilien angeboten und verkauft. (Abg. Strasser: Das haben sie dir aber schon erklärt, warum wir das brauchen, oder? – Abg. Lindinger: Erkläre halt die gesamte Wahrheit!) Was das den Beitragszahlern und den Bauern bringen soll, bleibt vollkommen unklar. (Abg. Strasser: Das ist schon drei Mal von der Christina Mutenthaler erklärt worden! Drei Mal erklärt! Für was diskutieren wir das hier? – Abg. Einwallner – in Richtung Abg. Strasser –: Bist nervös?)

Eines muss man auch sagen: Wenn man sich dann die Zahlen anschaut (Rufe bei der ÖVP: Sind Sie im Ausschuss? Ich glaube, du solltest einmal die Ohren aufmachen!), sieht man: Nur 10 Prozent des Budgets der AMA-Marketing


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 269

werden für die Qualitätskontrollen ausgegeben, der Rest eben für solche sinnbefreiten Marketingmaßnahmen (Ruf bei der ÖVP: Die FPÖ will mehr Bauernkontrollen!), und der Rest, der nicht für Marketing verwendet wird (Ruf bei der ÖVP: Da wählt euch dann keiner mehr!), versickert in der Bürokratie.

Bitte mich jetzt nicht falsch zu verstehen (Zwischenruf bei der ÖVP), weil die ÖVP jetzt gleich wieder hergehen und sagen wird, dass die FPÖ mehr Kontrollen der Bauern verlangt. (Ruf bei der ÖVP: Hast du aber gerade!) – Nein, das ist nicht so. Wir verlangen, dass die 90 Prozent, die angeblich für Marketing ausgegeben werden, einmal kritisch durchleuchtet werden und das einmal kritisch angeschaut wird. Wenn man sich nämlich anschaut (anhaltende Rufe und Gegen­rufe zwischen Abgeordneten von ÖVP und FPÖ), was dort an Geld verbraten wird und welche Leistung tatsächlich auf den Boden gebracht wird, muss man sagen: Das ist ein Desaster. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn man sich dann anschaut, wo noch Geld ausgegeben wird – das ist ja sozusagen das Tüpfelchen auf dem I –, sieht man: Da werden Inserate in der ÖVP-„Bauernzeitung“ geschaltet. Da frage ich mich schon, ob es die AMA-Marketing wirklich notwendig hat (Abg. Hörl: Was hast du gegen Inserate?), dass sie bei den eigenen Bauern Werbung macht, dass sie eine Berechtigung hat, dass das AMA-Gütesiegel eine Berechtigung hat. Also ich glaube nicht, dass das wirklich sinnvoll ist, das schaut mir eher nach einer Parteienfinanzierung aus. (Rufe bei der ÖVP: Aha! Ah!) – Ja, so ist das. (Heiterkeit des Redners. – Ruf bei der SPÖ: Aber doch bei der ÖVP nie!)

Wenn man sich dann anschaut, was tatsächlich passiert, sieht man: Die Bauern werden kontrolliert, und gleichzeitig werden Lizenzen an Schlachthöfe (Ruf bei der ÖVP: ... 10 Prozent von den Kontrollen!), an Unternehmer und an die verar­beitende Industrie vergeben.

Liebe Cornelia (in Richtung Abg. Cornelia Ecker), ich darf dir schon eines sagen: Der letzte Skandal, der dort aufgedeckt worden ist, ist nicht auf einem


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 270

Bauernhof passiert, sondern der ist auf einem Schlachthof, auf einem Geflügel­schlachthof passiert. Die Bilder von dort sind ein Desaster, die sind katastrophal. Da muss man dann aber auch wieder fragen: Wo bleibt da die Kontrolle? Was ist da mit dem Betrieb passiert? Und was wird da wirklich getan?

Tatsache ist, die AMA Marketinggebühr ist unserer Meinung nach nicht zeitge­mäß, deswegen fordern wir auch deren Abschaffung. Das AMA-Marketing­gütesiegel wäre ja eine gute Variante, um die Herkunftskennzeichnung sicher­zustellen, Tatsache ist aber auch, dass man den Konsumenten in den letzten Jahren ein falsches Bild vorgegaukelt hat und das AMA-Marketinggütesiegel bei Weitem (Abg. Prinz: Schmiedlechner, wer schreibt dir so viel Unsinn auf?), bei Weitem reformiert gehört. Man sieht schon, wie die ÖVP jetzt nervös wird. (Heiterkeit bei der ÖVP.) Es ist Tatsache, dass die Bauern in die Enge getrieben werden und sie hinten und vorne nicht mehr wissen, wie sie auf der einen Seite ihre Rechnungen zahlen sollen. Auf der anderen Seite schraubt ihr die Gebühren rauf und bittet die Bauern zur Kasse. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich bringe folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Abschaffung der AMA-Marketing-Grundsteuer“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, die heimische Landwirtschaft durch die Abschaffung der versteckten Grundsteuer zur Finanzierung der AMA Marketing GesmbH im Umfang von rund 27 Mio. EUR zu entlasten. Ferner soll das AMA-Gütesiegel durch eine echte Herkunftskennzeichnung als Garant für heimische Qualität ersetzt werden.“


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 271

*****

Wir bitten um breite Zustimmung und wir hoffen natürlich auch, dass die ÖVP sich endlich besinnt und einmal etwas für die Bauern macht. – Danke. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Prinz: Wir sind die ...!)

17.22

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Peter Schmiedlechner

und weiterer Abgeordneter

betreffend Abschaffung der AMA-Marketing-Grundsteuer

eingebracht im Zuge der Debatte in der 207. Sitzung des Nationalrats am 30. März 2023 über den Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Bericht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasser­wirtschaft über die Aktivitäten der AMA-Marketing GesmbH (Geschäftsjahr 2021) aufgrund der Entschließung des Nationalrates vom 8. Juli 2014, 29/E XXV. GP (III-814/1973 d.B.) (TOP 17).

Durch eine Umgestaltung des Marketingbeitragssystems der AMA müssen seit 1. Jänner 2023 alle landwirtschaftlichen Produzenten zur Finanzierung der AMA-Maßnahmen beitragen. Dies erfolgt durch die Einführung eines allgemeinen Flächen­beitrags neben den bisherigen produktbezogenen Beiträgen. Im Ergebnis handelt es sich um eine versteckte Grundsteuer.

Die Agrarmarkt Austria Marketing GesmbH mit ihrem AMA-Gütesiegel ist eine Medaille mit zwei Seiten. Einerseits bietet sie die EU-rechtskonforme Variante einer „Quasi-Herkunftskennzeichnung“. Freilich ist das keine wirkliche Herkunftskenn­zeichnung, aber für den Konsumenten ist es eine minimale Orientierungshilfe. Auf der anderen Seite macht die AMA-Marketing Werbung für die zertifizierten Produkte.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 272

Während die simulierte Herkunftskennzeichnung vielleicht einen Mehrwert für die Bauern zu schaffen vermag, denn die Kunden wollen heimische Produkte und können sie so besser erkennen, kommt die Werbung der AMA-Marketing jedoch in erster Linie dem Einzelhandel zugute. Ob dieser in der von den Bauern finanzierten AMA-Werbung einen Mehrwert sieht, darf angesichts der Zunahme von im Einzelhandel selbst entwickelten Gütesiegeln bezweifelt werden. Der Bauern finanzieren mit ihren Mitgliedsbeiträgen eine „Quasi-Herkunftskennzeichnung“ und Werbung. Vom Handel vergütet wird ihnen jedoch nur die „Quasi-Herkunftskennzeichnung“.

Marketing ohne Mehrwert

Die AMA-Marketing gibt mehr für Werbung im Internet (2,175 Millionen Euro oder 13 % des Gesamtbudgets) als für die Zertifizierung (Qualitätskontrollen: 1,692 Millionen Euro oder 10 % des Gesamtbudgets) aus.1 Der zunehmenden Kritik durch NGOs und Medien an Haltepraktiken vermag die AMA-Marketing nichts entge­gen­zusetzen. Sie wäre jedoch gefordert, für ihre Financiers einzustehen und für heimische Qualität zu bürgen. Wenn die Konsumenten dem Gütesiegel vertrauen, ist das mehr wert als jede Onlinewerbung.

Ein Bild, das Text enthält.

Automatisch generierte Beschreibung


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 273

Selbstvermarktung statt Fokus auf heimische Produkte

Mehr als an der Vermarktung der Bauern scheint die AMA an Selbstvermarktung interessiert zu sein. Wie sonst ist es zu erklären, dass die AMA-Marketing einen Onlineshop unter https://shop.amainfo.at/ betreibt? Dort werden aber keinesfalls die Produkte heimischer Landwirte in einem Online-Feinkostladen verkauft, vielmehr betätigt man sich als „90er-Jahre-Webshop“ mit „Minikäsereien“ (Stückpreis inkl. MwSt. Euro € 699,00) und „AMA-Käseservierwagen“ – erhältlich in den Ausführun­gen „Klassik“ (Stückpreis inkl. MwSt. Euro € 1.749,00) oder „Raffineur“ (Stückpreis inkl. MwSt. Euro € 2.189,00) – im Angebot.2


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 274

Inserate in der ÖVP-BauernZeitung

Im 3. Quartal 2021 wurde zudem in der Österreichischen „BauernZeitung“ des ÖVP-Bauernbundes um 37.002,42€ inseriert. Es stellt sich die Frage was mit solchen Inseraten erreicht werden soll. Muss die AMA-Marketing Eigenwerbung betreiben, weil sie nicht durch Leistung überzeugen kann? Wenn ja, muss davon ausgerechnet eine Partei durch Inserate in ihrer Parteizeitung profitieren?3

„Aus Datenschutzgründen“ nicht aufgeschlüsselt wird, wie sich knapp 12 Millionen Euro Bruttoumsatz auf diverse Werbeagenturen verteilen, obwohl viele davon durchaus auch als parteipolitisch konnotiert gelten.4

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachfolgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, die heimische Landwirtschaft durch die Abschaffung der versteckten Grundsteuer zur Finanzierung der AMA Marketing GesmbH im Umfang von rund 27 Mio. EUR zu entlasten. Ferner soll das AMA-Gütesiegel durch eine echte Herkunftskennzeichnung als Garant für heimische Qualität ersetzt werden.“

1 AMA-Marketing Bericht 2021, https://www.parlament.gv.at/dokument/XXVII/III/814/imfname_1485439.pdf, S. 18–19.

2 Für im Webshop erhältliche Produkte wurden 35.000€ ausgegeben. AMA-Marketing Bericht 2021, S. 20.

3 AMA-Marketing Bericht 2021, S. 108.

4 AMA-Marketing Bericht 2021, S. 105.

*****



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 275

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Entschließungsantrag ist ordnungs­gemäß eingebracht (Unruhe im Saal – der Präsident gibt das Glockenzeichen), ausreichend unterstützt und steht somit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Feichtinger.

Entschuldigung! Abgeordneter Stammler ist der nächste Redner. Ich habe mich verlesen.

Abgeordnete Stammler. – Bitte sehr.


17.22.36

Abgeordneter Clemens Stammler (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Betreffend die Tischkarten heute Vormittag: Die FPÖ hätte authentischer sein können, wenn draufgestanden wäre: Worum geht’s? – Wir sind dagegen.

Also der Entschließungsantrag, den Kollege Schmiedlechner gerade zur Abschaf­fung der AMA-Marketinggebühren eingebracht hat, hat meines Erachtens einen absolut absurden Ansatz. Auf der einen Seite die Einkommensentwicklung der Landwirtschaft zu beklagen – und das ausnahmsweise zu Recht – und auf der anderen Seite aber als Maßnahme dagegen die Werbung einzuschränken bezie­hungsweise zu verhindern, das heißt, die Präsentation der bäuerlichen Produkte, der Arbeit der Bäuerinnen und Bauern aufgrund dessen zu streichen, weil die Einkommensentwicklung schlecht ist, ist ja völlig absurd und widerspricht jeglicher betriebswirtschaftlicher Regel.

Auch weiß ich überhaupt nicht, was dagegen spricht, wenn die AMA-Marketing einen Onlineshop betreibt, wo Käseservierwagen angeboten werden, die von Direktvermarktern, von Manufakturen genützt werden, um Käse zu präsen­tie­ren; im Gegensatz zum Kaufhaus Österreich verkauft dieser Shop auch. Also es entspricht eigentlich der Regel, ein Angebot herzustellen, um die Präsentation


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 276

professionell abhalten zu können, um unsere Produkte zu bewerben. Es wider­spricht dem jedoch, nichts gegen die vorherrschende Einkommensstagnation zu tun.

Es ist überhaupt ein eigenartiges Phänomen der FPÖ, dass sie auf der einen Seite die Entwicklung der Landwirtschaft und vor allen Dingen die Einkommens­entwicklung der Landwirtschaft der letzten 40 Jahre kritisiert, aber gleichzeitig den Status quo erhalten will. Worum geht es? – Ich bin dagegen. Es ist völlig egal, ob es um Umweltmaßnahmen, ob es um Farm to Fork, um Green Deal, um Pestizidreduktion, um Antibiotikareduktion oder um Qualitätssteigerung geht: Es ist egal, worum es geht, Sie sind dagegen. Dabei brauchen eigentlich gerade die Bäuerinnen und Bauern wie kaum eine andere Berufsgruppe eine intakte Natur. Wasserspeicherfähige Böden – das wird das Problem der Zukunft werden. Wir brauchen gute Böden zur Kohlenstoffspeicherung. Ansonsten braucht man sich nämlich überhaupt nicht mehr über Preise oder dergleichen zu unterhalten, denn wenn der Boden nichts mehr hergibt, produzieren wir ganz einfach nicht mehr.

Es ist interessant, dass genau auch von der FPÖ der Biolandbau immer belächelt wird und man quasi sagt, mit Biolandbau kann man das Volk nicht ernähren. Im Prinzip zeigen uns die Daten, und zwar die Daten der Roll-AMA, auch eine Sparte der AMA-Marketing, genau das Gegenteil. Also der Biolandbau liefert nicht nur in Richtung Biodiversität und fruchtbare Böden Antworten, sondern auch am Markt.

Während die konventionellen Lebensmittel jetzt im Preisanstieg parallel zur Inflation gestiegen sind beziehungsweise genau auf Inflationslinie waren, sind die Biolebensmittel im Preis nur um die Hälfte davon gestiegen. Woran liegt das? – Das liegt ganz einfach daran, dass der Biobauer, die Biobäuerin nicht auf russisches Gas, aus dem Kunstdünger und Pestizide hergestellt werden, ange­wiesen sind, dass die Lieferketten funktionieren, enger sind, kleiner sind und vor allen Dingen geschlossen sind.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 277

Trotzdem: Im Arbeitsübereinkommen von Niederösterreich kommt im Landwirtschaftskapitel – eine A4-Seite – das Wort Biolandbau kein einziges Mal vor. (Abg. Hoyos-Trauttmansdorff: Oh!) Was vorkommt, ist hauptsächlich eigentlich der Verweis darauf: die Bundesregierung müsste machen, und: die EU sollte machen. – Das steht drin.

Ein weiterer Satz steht dann noch im Kapitel Tourismus drin. Man will die Gastronomie fördern, aber nur jene Gastronomie, die traditionelle Küche betreibt und traditionell kocht. Das ist die einzige Konsequenz, die man bei der FPÖ erkennen kann, wo sie wirklich Linie hält. Das ist, ganz einfach nichts anderes zu sagen als (die Tonlage ändernd): Das deutsche Landschwein hat ein Recht darauf, auf Wiener Art paniert zu werden. (Beifall bei den Grünen.)

17.27


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist nun Abgeordnete Feichtinger. – Bitte sehr.


17.28.01

Abgeordnete Elisabeth Feichtinger, BEd BEd (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Wie viele Tierhaltungs­skandale braucht es in Österreich eigentlich noch, bis die AMA ihr Gütezeichen überdenkt und Sie, Herr Bundesminister Totschnig, die gesetzlichen Rahmenbe­dingungen schaffen, um solches Tierleid zu verhindern?

Das Vertrauen der Konsumentinnen und Konsumenten in die AMA-Gütesiegel­betriebe ist in den letzten Monaten durch diese wirklich schlimmen Berichte in den Medien verloren gegangen. Eine kürzlich durchgeführte Erhebung der Tierschutzorganisation Vier Pfoten gemeinsam mit der Arbeiterkammer Ober­österreich hat bestätigt, dass viele Menschen gar nicht mehr wissen, was das AMA-Gütezeichen eigentlich verkörpert. Sie können nicht mehr darauf vertrauen, dass ein Produkt aus Österreich mit Gütesiegel von besonders hoher Qualität ist. Im Gegenteil! Es wird von diversen Medien aufgedeckt, dass nicht gentechnikfrei gefüttert wird und die Tiere unbemerkt gequält werden.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 278

Es braucht dringend gesetzliche Vorgaben zur verbesserten Tierhaltung und zum Tierwohl, die weit über den sogenannten Masterplan Schwein hinausgehen, um den Verbraucherinnen und Verbrauchern das Vertrauen in ihre Lebensmittel, die Lebensmittel, die sie erwerben, wieder zurückzugeben.

Das Gütesiegel ist in einer wirklichen Krise angelangt. Die AMA muss damit weg von einer reinen Marketingmaschinerie, die von unseren Bäuerinnen und Bauern mit satten Beiträgen finanziert wird, hin zu einem echten Gütesiegel, das eine höhere Qualität als den Mindeststandard bringt. Es muss alles getan werden, dass solche Skandale in Österreich nicht mehr passieren. Es gibt in Österreich unzählige Nutztierbetriebe, die tatsächlich das Tierwohl voranbringen und die sich sehr um ihre Landwirtschaft und um ihre Tiere kümmern. Diese sollen vor den Vorhang geholt werden. Die dürfen auch nicht in den großen Topf mit denjenigen geschmissen werden, die sich halt nicht entsprechend um ihre Tiere kümmern und nicht das Tierwohl forcieren.

Ein Gütesiegel kann nur ein Siegel sein, das tatsächlich eine bessere Qualität verspricht und dieses Versprechen hält. Welche Schritte werden Sie, Herr Minister, unternehmen, um das AMA-Gütesiegel neu und vertrauenswürdig aufzustellen? – Es wird Zeit, dass Sie endlich Taten setzen. (Beifall bei der SPÖ.)

17.30


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Doppelbauer. – Bitte.


17.30.24

Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Herr Präsident! Herr Land­wirtschaftsminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Heute geht es um den AMA-Marketingbericht. Das eine, was man tatsächlich sagen muss, ist – das haben ja auch meine Vorredner:innen schon angesprochen –: Wenn die FPÖ das heute nicht auf das Tableau gehoben hätte, wäre auch das nicht ins Plenum


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 279

gekommen. Dann fragt man sich natürlich schon, warum. Gibt es in der Landwirtschaft nichts zu tun?

Tatsächlich haben ja zumindest einige von uns offenbar die Meinung, dass alles perfekt ist, denn man muss im Plenum nicht darüber reden. Es braucht offenbar keine neuen Gesetze. Es spielt also offenbar keine Rolle, dass die Einkommen der Bäuerinnen und Bauern im Vergleich in Westeuropa mitunter die niedrigsten sind. Das ist offenbar nicht so wichtig. Dagegen muss man offenbar nichts tun.

Es ist offenbar auch kein Thema, dass das Höfesterben einfach weitergeht. Es ist auch kein Thema, dass sich die Biobauern gerade überlegen, wie man in diesem Umfeld überhaupt noch weiterleben soll. Es ist offenbar auch kein Thema, dass es eine Rekordtrockenheit gibt und dass da tatsächlich ganz, ganz schnell und dringend Maßnahmen getroffen werden müssten. Ich möchte nur in Erinnerung rufen, dass wir im letzten Jahr haarscharf, aber wirklich haarscharf an einer globalen Ernährungskrise vorbeigeschrammt sind.

Jetzt hatten wir drei Ausschusssitzungen, und die einzige Gesetzesmaterie, die es ins Plenum geschafft hat, ist tatsächlich die, dass die AMA-Marketing mehr Geld bekommen soll, um Getreide zu bewerben, also mehr Zwangsbeiträge für die AMA-Marketing. Ich finde, das kann man schon auch einmal so stehen lassen.

Also, was ist denn da los, Herr Minister, in Ihrem Ministerbüro? (Zwischenbemer­kung von Bundesminister Totschnig.) Ich finde ja tatsächlich, dass man mit ruhiger Hand führen soll –, da bin ich ja bei Ihnen, Herr Minister –, ich denke aber tat­sächlich, dass Ihre Hand im Augenblick etwas zu ruhig ist. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Strasser: Wer hat die Rede geschrieben, Karin? Die hast du nicht selber geschrieben!)

Es geht jetzt tatsächlich um die AMA-Marketing. Jetzt müssen wir uns noch einmal das Konstrukt der AMA-Marketing anschauen. Die AMA-Marketing, also ein Marketingkonstrukt, wie es in Österreich geschaffen wurde, gibt es sonst


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 280

nirgends in Europa. Das ist einzigartig in Österreich. Es gibt kein anderes Land, das sozusagen Zwangsgebühren einhebt, um ein Gütesiegel zu machen und Kampagnen mit der Aussage zu fahren, dass da mehr Einkommen für die Land­wirte erzeugt werden soll.

Wir überlegen uns das ja sehr genau, weil wir natürlich wollen, dass die Land­wirtinnen und Landwirte in Österreich mehr Einkommen haben. Sie müssen wieder ein Auskommen mit ihrem Einkommen haben. Das soll aus unserer Sicht nicht über Förderungen passieren – deswegen gibt es natürlich unterschiedliche Möglichkeiten, das anzugehen –, was wir aber auch sehen, ist, dass es einfach keine Daten und Fakten dazu gibt, dass die AMA-Marketing tatsächlich dazu beiträgt.

Es gibt jetzt einzelne Themen, die der Herr Bundesminister letztes Mal auf das Tableau gelegt hat. Dazu würden wir uns auch die Zahlen wünschen, wir hätten diese gern, tatsächlich gibt es aber weder vom Wifo noch von der Statistik Austria noch von irgendeinem Institut Zahlen, die beweisen oder belegen kön­nen, dass die AMA-Marketing ihrem Auftrag im Sinne, dass ein höheres Einkommen für die Landwirte generiert werden soll, auch nachkommt. Das sehen wir natürlich kritisch, weil wir tatsächlich sagen: Wenn es das nicht gibt, dann braucht man auch dieses Konstrukt in Österreich einfach nicht. (Bei­fall bei den NEOS.)

Jetzt kann man natürlich sagen: Die AMA-Marketing ist nicht das größte Problem, das die Landwirtschaft in Österreich hat. – Dem stimme ich zu. Das ist tatsächlich ein wichtiger Punkt. Ich möchte übrigens auch positiv bemerken, dass ich finde, dass Frau Mutenthaler-Sipek, die neue Leiterin der AMA-Marketing, offenbar wirklich versucht, frischen Wind und auch mehr Transparenz in die Diskussion zu bringen. Das schätzen wir als NEOS unglaublich, aber tatsächlich glaube ich, dass sie einen harten Stand hat. Ich wünsche ihr trotzdem alles Gute und viel Erfolg für diese Aufgabe. (Beifall bei den NEOS.)

17.34



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 281

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist der Herr Bundes­minis­ter. Ich darf ihm das Wort erteilen. – Bitte sehr, Herr Bundesminister.


17.34.44

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft Mag. Norbert Totschnig, MSc: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Nationalrätinnen und Nationalräte! Sehr geehrte Damen und Herren! Die AMA-Marketing GesmbH hat jährlich einen Bericht an das Parlament zu legen, den Geschäftsbericht des Vorjahres. Wir diskutieren heute den Bericht über das Jahr 2021.

Es ist ein Bericht, der wirklich Transparenz in die Aktivitäten und in die Aufga­ben­stellung der AMA-Marketing bringt. Jeder, der sich dafür interessiert, hat die Möglichkeit, sich zu vergewissern, dass da wirklich intensiv, professionell und ordentlich gearbeitet wird.

Vielleicht aber noch kurz zu den Schwerpunkten der AMA-Marketing GesmbH, um das noch einmal in Erinnerung zu rufen: Das Erste ist das Thema Herkunfts­sicherung und Qualitätssicherung. Dafür kennen viele die AMA-Marketing GesmbH, über das Gütesiegel. Es geht um die Absatzförderung heimischer Produkte. Wir sehen aus den Berechnungen, dass es natürlich einen großen Mehrwert für die Bäuerinnen und Bauern schafft, wenn ein bekanntes Gütesiegel dazu führt, dass heimische Produkte gelistet und verstärkt verkauft werden. (Abg. Hoyos-Trauttmansdorff: Aus welchen Berechnungen?)

Das Dritte ist – das ist auch sehr wichtig – die Bereitstellung von Informationen über Nahrungsmittel und landwirtschaftliche Erzeugnisse. Das ist vor allem auch für die Konsumentinnen und Konsumenten interessant. Wie entwickeln sich die Märkte? Wie entwickeln sich die Produkte? Wie entwickelt sich das Konsu­menten­verhalten? Jeder, der sich in Österreich dafür interessiert, bekommt da also einzigartige Möglichkeiten, sich zu informieren.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 282

Das AMA-Gütesiegel ist darüber hinaus zu einem Eckpfeiler der Qualitäts­produktion geworden: Österreich, der Feinkostladen Europas. Ohne das AMA-Gütesiegel wäre die Umsetzung dieser Strategie nicht möglich gewesen. Diese Strategie hat dazu geführt, dass sich die Qualitätsproduktion und das AMA-Gütesiegel im Bewusstsein der Konsumentinnen und Konsumenten fest etabliert haben.

Wenn ich als Beispiel die Erhebungen bringe, die beispielsweise die Roll-AMA oder die Exportzahlen enthalten: Das sind wichtige Informationen und Kenn­zahlen, die auch in den Medien immer wieder gern analysiert werden. Darüber wird gerne berichtet. Sie sind sehr spannend und zeigen einen sehr guten Über­blick über die Land- und Ernährungswirtschaft in unserem Land.

Wenn wir nach Deutschland schauen: Dort hat es die CMA gegeben, die Centrale Marketing-Gesellschaft der deutschen Agrarwirtschaft – die war sozusagen das Vorbild für die AMA-Marketing –; die hat man abgeschafft. Heute fehlt dort eine zentrale Organisation, die über die Agrarwirtschaft oder über Lebensmittel informieren würde. Sprich: Gäbe es die AMA-Marketing nicht, man müsste sie erschaffen und aufbauen. (Beifall bei der ÖVP.)

Die Wichtigkeit und die Rolle der AMA-Marketing sind aus meiner Sicht unver­zichtbar. (Zwischenruf des Abg. Hoyos-Trauttmansdorff.) Sie sind nicht hoch genug einzuschätzen.

Es wurde schon angesprochen: Wir freuen uns sehr, dass mit der neuen Geschäftsführerin Christina Mutenthaler-Sipek eine sehr erfahrene und professionelle Geschäftsführerin die nächsten Jahre tätig sein wird. Sie wird diese Organisation innovativ weiterentwickeln.

Ich komme zu einem Punkt – er ist angesprochen worden –, zum Thema Kon­trollen und Tierwohl. Abgeordneter Hechenberger hat schon gesagt, dass das natürlich verstörende Bilder sind. Auch mich verstören diese Bilder. Ich sage ganz klar: Das geht so nicht, das muss abgestellt werden. Gleichzeitig möchte ich


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 283

auch betonen, dass 99 Prozent der Betriebe ordentlich arbeiten und sich um das Tierwohl kümmern.

Wer ist für die Kontrollen zuständig? – Es sind die Veterinärbehörden, die für die Kontrollen zuständig sind, und die Lebensmittelaufsicht. Gleichzeitig bin ich in dieser Frage auch sehr eng in Abstimmung mit Tierschutzminister Johannes Rauch, damit da auch Verbesserungen stattfinden können.

Gleichzeitig sage ich aber auch: Die AMA-Marketing selber hat die Kontrollen verbessert. Sie hat sie insgesamt nachgeschärft. Wir haben über 20 000 Kon­trollen jährlich durchgeführt. Beispielsweise werden auch unangekündigte Vor-Ort-Kontrollen, sogenannte Spotaudits, durchgeführt.

Zu guter Letzt hat die AMA-Marketing seit Beginn des Jahres verstärkt auch digitale Tools zur Kontrolle im Einsatz. Wenn ich auf den angesprochenen Schlachthofbetrieb hinweisen kann: Dort wird eine Videoüberwachung instal­liert, er wird also ein gläserner Schlachthof. Damit soll zusätzlich erreicht werden, dass einfach eine größere Sicherheit und Transparenz besteht, denn uns geht es um eines: das Vertrauen in das AMA-Gütesiegel und seine Glaubwür­digkeit zu stärken. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich komme zum Thema Transparenz bezüglich der Marketingausgaben der AMA-Marketing. Es gibt neben dem jährlichen Bericht an den Nationalrat die Prüf­befugnis durch den österreichischen Rechnungshof. Es gibt die interne Revision der AMA, die in regelmäßigen Abständen alle Geschäftsbereiche der AMA-Marketing kontrolliert. Die AMA-Marketing berichtet darüber hinaus über die veröffentlichten RTR-Meldungen für die Offenlegung gemäß Mediengesetz. Zu guter Letzt wird das Marketing mittels Wirkungsmessung von unabhängigen Instituten geprüft. Es wird also wirklich geschaut, dass das Marketing effizient und richtig eingesetzt wird.

Ich komme zum Ausblick. Wohin geht die Reise? – Unsere Landwirtschaft gehört in Bezug auf Nachhaltigkeit, Qualität und Tierwohl zu den internationalen


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 284

Spitzenreitern, und unser Ziel ist es, diese hohen Standards gemeinsam mit der Branche und gemeinsam mit der AMA-Marketing zu sichern und sinnvoll weiterzuentwickeln.

Um genau das durchführen zu können, haben wir eine Novelle des AMA-Gesetzes beschlossen, denn der AMA-Marketing-Beitrag wurde seit 1995 nicht mehr angepasst, und diese Novelle – diese Mehreinnahmen von ungefähr 6 Millionen Euro – ermöglicht eine sinnvolle Weiterentwicklung der Organi­sation und sichert auch die budgetären Voraussetzungen, damit diese Innovationen in die Weiterentwicklung tatsächlich gelingen und die AMA zukunftsfit gestaltet wird.

An dieser Stelle möchte ich mich bei allen Partnern der Lebensmittelwert­schöpfungskette bedanken, beginnend bei den Bäuerinnen und Bauern über die Lebensmittelwirtschaft über die Logistik über den Vertrieb bis hin zum Lebensmitteleinzelhandel. Nur durch diese Partnerschaft ist es möglich, dass das AMA-Gütesiegel, die AMA-Marketing erfolgreich im Sinne der Landwirtschaft, im Sinne der Bäuerinnen und Bauern und im Sinne der Konsumentinnen und Konsumenten wirtschaften kann. Abschließend gilt mein Dank den Konsumen­tinnen und Konsumenten in Österreich für ihre Treue, für ihr Vertrauen in die heimische Landwirtschaft und in das AMA-Gütesiegel. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

17.41


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Hauser. – Bitte. (Abg. Hoyos-Trauttmansdorff: Ich hoffe, der Kollege Hauser sieht das gleich!)


17.42.00

Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (FPÖ): Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Kolleginnen und Kollegen! Ein grüner Mandatar hat als Vorredner die Frage gestellt, wofür die Freiheitliche Partei in ihrer Landwirtschaftspolitik steht. (Abg. Schallmeiner: Für den Rubel!) Die Frage ist relativ einfach zu beantworten:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 285

Wir wollen alles dafür geben, dass es die Landwirtschaft, in welcher Form auch immer, auch noch in den nächsten Jahren in Österreich gibt.

Seit den Sechzigerjahren ist in Österreich die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe von 400 000 auf 150 000 geschmolzen. (Abg. Lukas Hammer: Wegen der Sanktionen!) Die Einkommenssituation der letzten Jahre war äußerst angespannt. Auch wenn der Einkommensbericht im Jahr 2021 Gott sei Dank einen Einkom­menszuwachs zeigte, gab es über den Zeitraum der letzten zehn Jahre gesehen eine Stagnation, wenn man die Inflation mitberechnet. Unter dem Strich bedeutet das, dass die Einkommenssituation der Landwirtschaft in allen Facetten eine schwierige ist.

Wir setzen uns nicht nur für die Biolandwirtschaft ein, sondern auch für die traditionelle Landwirtschaft, weil nicht jeder Bauer die Chance und die Möglich­keit hat, Biolandwirtschaft zu betreiben. Wir brauchen diese Breite auch für den Konsumenten, so einfach ist die Sache nun einmal.

Wenn wir jetzt auf diesen AMA-Bericht eingehen, darf ich auf den Bericht der Frau Geschäftsführerin Mutenthaler eingehen, die uns auch mitgeteilt hat, was sich der Konsument in Österreich von der Landwirtschaft erwartet. (Der Redner stellt eine Tafel, auf der Balkendiagramme zu sehen sind, aufs Redner:innenpult.) Ich habe immer das Problem, dass meine Tafeln nicht gut stehen bleiben, aber gut, das sind die kleinen Blockaden des Gerald Hauser. Damit werde ich leben müssen. (Abg. Fischer: Man kann es leider nicht lesen! – Abg. Leichtfried: Die inhalt­lich schwierig sind! Die Taferl haben mehr Probleme als das!)

Worum geht es aber den Konsumenten? Ich zitiere aus dem Bericht der Frau Geschäftsführerin Mutenthaler. Na, was will er? (Abg. Leichtfried: Wer ist er?) – Nummer eins, er möchte, dass die landwirtschaftlichen Produkte öster­reichischer Herkunft sind. Regionalität ist mit Abstand das Zweitwichtigste, die kontrollierte Qualität, das Tierwohl. Das sind all jene Punkte, die sich der Konsument erwartet.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 286

Nun mache ich den Schwenk zu Mercosur und sage noch einmal, was die FPÖ will. Wir wollen unsere Landwirtschaft, die auch für die Existenz des ländlichen Raumes in der gesamten Breite, Tourismus und so weiter, notwendig ist, erhalten. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich zitiere aus einer Anfragebeantwortung von Frau Minister Köstinger, geschrie­ben, bevor sie ihre Funktion niedergelegt hat. Was sagt sie, was passiert, wenn Mercosir (Abg. Leichtfried: Mercosur, nicht Mercosir!) umgesetzt wird? – Sie sagt: „Bei einer Mercosur-Umsetzung würden zum Beispiel die bestehenden Rind­fleischquoten insgesamt massiv (um rund 36 Prozent) erhöht und die bestehende Quote für ‚Edelteile‘ (bisher 20 Prozent Zoll) zollfrei gemacht werden. Gerade der erhöhte Import von ‚Edelteilen‘ würde zu einem starken Verdrängungs­wettbewerb und einem Sinken der Erzeugerpreise am EU-Markt führen.“ – Na bumm! Ich meine, das sagt Ex-Ministerin Köstinger.

Wir wissen, Mercosur bedeutet noch eines: Rindfleisch, landwirtschaftliche Produkte aus diesem südamerikanischen Raum, und dafür dürfen wir Autos liefern. Das ist aber ein total schlechter Deal, und deswegen ist Mercosir (Abg. Leichtfried: Sur, nicht sir!) zu verhindern. Das wird aber nicht gemacht, das ist das Problem!

Wo stehen wir nämlich? Wir hatten im Zuge der letzten Ausschusssitzung eine Debatte mit Minister Totschnig, und Minister Totschnig hat uns richtigerweise mitgeteilt: Ja, eigentlich sind die Verhandlungen abgeschlossen! – Das ist der Punkt! Ich zitiere auch noch aus einer Anfragebeantwortung von Dr. Mückstein vom 8.10.2021, der Folgendes sagt: „Das Abkommen befindet sich derzeit in der Phase der Übersetzung und sprachjuristischen Prüfung.“ – Es ist tatsächlich abgeschlossen. Das ist der Punkt!

Jetzt geht es noch darum, irgendwelche Zusatzinstrumente aufzubauen und zu problematischen Bereichen zu formulieren: Was ist mit illegalem Abholzen? Was ist mit den Arbeitsstandards? Was ist mit dem Schutz der indigenen Bevölke­rung? – Das sind entscheidende Fragen, aber die spielen im Vertrag keine Rolle,


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 287

das sind Zusatzvereinbarungen. Gelten die? Wie sehr gelten die? Das hat ja noch niemand definiert.

Ich fürchte schon, dass das das Schlupfloch der ÖVP sein wird, wo man sagen kann: Na ja, da machen wir Zusatzvereinbarungen, deswegen stimmen wir diesem Abkommen zu und verraten damit konsequent die Landwirtschaft. (Abg. Obernosterer: Ja, der Hauser, das ist ...!) Die ÖVP hatte bereits vor eineinhalb Jahren einmal im Europäischen Parlament die Chance, dagegenzustimmen. Es wurde nämlich im Zuge des Jahresberichtes zur Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik über Mercosur abgestimmt. Diese Abstimmung ist mit 297 Pro- zu 303 Gegenstimmen negativ ausgegangen, weil die Wirtschaftsfunk­tionäre und die ÖAAB-Funktionäre der ÖVP damals für Mercosur gestimmt haben. Das ist genau dieses Doppelspiel, Herr Minister, und da müssen wir eingreifen.

Abschließend: Wenn es uns nicht gelingt, dieses Freihandelsabkommen zu ver­hindern, das gestern auch Kollege Haubner, Wirtschaftsvertreter hier im österreichischen Parlament, forciert hat und wollte, wobei die Kommissions­präsidentin von der Leyen angekündigt hat, es in diesem ersten Halbjahr tatsächlich zu finalisieren, dann brauchen wir wahrscheinlich die AMA in dieser Ausrichtung nämlich überhaupt nicht mehr. (Abg. Leichtfried: Für was habt ihr eine Redezeit, Axel?) Dann gibt es nichts zu vermarkten, weil nämlich viele land­wirtschaftliche Betriebe entgegen unserem Willen vom Markt verdrängt werden. Das ist zu verhindern! Deswegen sage ich: Da müssen wir jetzt wirklich die Bremse reinhauen, und wenn uns das nicht gelingt: Gute Nacht, Landwirtschaft! (Beifall bei der FPÖ. – Ruf bei den Grünen: Das ist der Freigeist! Der hat seine eigenen Gesetze!)

17.47


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Strasser. (Abg. Leichtfried: Ich bestehe darauf, dass der Zanger noch Zeit hat!)



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 288

17.47.42

Abgeordneter Dipl.-Ing. Georg Strasser (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Zunächst zu Kollegen Hauser: Das Nein dieser Bundesregierung ist in zwei Textteilen zu Mercosur festgelegt. Das eine ist das Regierungsprogramm und das andere ist ein Beschluss im EU-Unterausschuss, wo sich Österreich verpflichtet hat, das Abkommen, so wie es derzeit vorliegt, nicht anzunehmen, aus dem Jahr 2019, vom Bundeskanzler und von den zuständigen Ministern so bestätigt. (Abg. Bayr: EU-Hauptausschuss!) Das heißt, das Nein zu Mercosur steht. (Abg. Scherak: Weiß das der Wirtschaftsbund, Georg?)

Jetzt zur AMA, zum AMA-Gütesiegel, zur heutigen Diskussion und auch zur Diskussion im Ausschuss. Ich bin dankbar, dass wir einige Dinge auch heute wieder diskutieren dürfen. Kollegin Ecker, der schlechte Umgangston hat sich schon vor einem Jahr angebahnt, als Kollege Schmiedlechner mir die Ostereier nach vorne gebracht hat. (Abg. Köchl: Aber geredet haben schon deine Leute! Komm, komm!) Das hat dann sozusagen Wellen geschlagen. Gerne setze ich mich dafür ein, dass auch weiterhin, so wie wir es gewohnt sind, der gute Ton in unserem Ausschuss herrscht.

Zu Kollegen Einwallner, weil er mich angespitzt hat, warum ich mich aufrege: Ich rege mich halt auch darüber auf, wenn in einem Ausschuss und bei begleitenden Gesprächen zum Beispiel in einer Story vom Servierwagen aus einem Webshop erklärt wird, dass der in landwirtschaftlichen Schulen eingesetzt und im Shop einfach kostendeckend weiterverklopft wird, dass das dann trotzdem wieder zum Thema gemacht wird. Da verstehe ich auch sozusagen den Effekt der vor­he­rigen Gespräche nicht. Der geht mir ab und gehört auch ein wenig zum guten Ton dazu. Es tut mir leid, das ärgert mich einfach! Wofür klärt man Dinge, wofür ist Christina Mutenthaler im Ausschuss, wenn dann sauber beantwortete und unwidersprochene Fragen im Ausschuss einfach in der Öffentlichkeit wieder aufgewärmt werden.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 289

Das gehört auch ein wenig zum guten Ton, sonst schafft sich der Dialog nämlich sozusagen ab, weil wir es dann eh nicht mehr zu diskutieren brauchen. (Zwi­schenruf des Abg. Einwallner.) – Nein, nein, das hat nichts - - (Neuerlicher Zwischen­ruf des Abg. Einwallner.) – Weiß er eh, gut.

Ich komme zu meinem ersten Punkt, der Transparenz und Kontrollen beim AMA-Gütesiegel betrifft: Pro Tag finden 60 Kontrollen statt, das ist eine AMA-Gütesiegel-Kontrolle alle halbe Stunde, das sind 20 000 Kontrollen pro Jahr. Im Jahr 2022 sind 59 Betriebe wegen Nichteinhaltung von Richtlinien ausge­schlossen worden. Wenn man diese 59 Betriebe durch die 42 000 AMA-Gütesiegelbetriebe dividiert, dann ergibt das 0,14 Prozent. Über 99 Prozent der österreichischen Bäuerinnen und Bauern halten ihre Tiere ordentlich, ob konventionell oder bio, ob sie auf der Ebene oder am Berg zu Hause sind. Ein großes Dankeschön an unsere Bäuerinnen und Bauern! (Beifall bei der ÖVP.)

Es gibt jene Betriebe, wie diese 59, die nach AMA-Gütesiegel-Kontrollen ausgeschlossen werden, und dann gibt es noch welche, die von der Behörde gefunden werden. Da ist unser Motto: Wir müssen diese Betriebe früher finden. Dort braucht es Sanktionen, damit diese Missstände abgestellt werden. Wer ist dafür verantwortlich? – Es sind natürlich die Veterinärbehörde, der Tier­gesundheitsdienst, die Berater, die dort hinkommen, die Kontrollorgane, die Bäuerinnen und Bauern und alle Institutionen, in denen Daten gesammelt werden, in der Verantwortung, dass diesen Betrieben früher geholfen wird. Da geht es nicht nur um die Tiere, es geht auch um die Familien. Dass jenen Betrieben, wo im Stall wirklich etwas schiefgeht, einfach geholfen wird, das ist unsere gemeinsame Verantwortung.

Dann stellt sich die Frage: Was haben die Bauern davon? – Lieber Peter Schmiedlechner, erstens gibt es die AMA-Gütesiegel-Zuschläge im Bereich Schweinehaltung, im Bereich Rinderhaltung und im Bereich Geflügelhaltung. Diese gelten den Mehraufwand ab und stellen einen Qualitätszuschlag dar. 42 000 Betriebe können nicht irren. Die nutzen das AMA-Gütesiegel, um Wertschöpfung und auch Wertschätzung zu generieren, weil das Siegel nach


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 290

wie vor – auch wenn wir Probleme mit dem AMA-Gütesiegel haben – bei dem Konsumenten oder bei der Konsumentin gut angeschrieben ist. (Zwischenruf des Abg. Lausch.) Ein großes Dankeschön an die Konsumentinnen und Konsumenten! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Zudem, Kollege Schmiedlechner, ist das AMA-Gütesiegel ein Siegel, das von unseren Genossenschaften und Verbänden in den Verhandlungen gegenüber dem LEH genutzt wird. Wir brauchen große Chargen. Diese großen Chargen, die verhandelt werden, brauchen eine Spezifikation und spezielle Qualitätsmerk­male. Das ist bei den Verhandlungen und der Preisbildung essenziell. Genos­sen­schaften und Verbände in Österreich wollen das AMA-Gütesiegel nicht missen, Punkt.

Diese Genossenschaften und Verbände nützen das AMA-Gütesiegel als Instrument, um den Export nach Deutschland abgebildet zu sehen. Da gibt es momentan Verhandlungen, da gibt es eine Anpassungsdiskussion, aber es werden zum Beispiel 25 Prozent der Milchprodukte aus Österreich nach Deutschland exportiert, und um diesen Export absichern zu können, brauchen wir das AMA-Gütesiegel. Es ist einfach ein wichtiges Instrument.

Abschließend: Was haben die Konsumenten und Konsumentinnen vom AMA-Gütesiegel? – Ich muss das noch einmal erwähnen: Das Grundkonstrukt der AMA ist ein sozialpartnerschaftliches. Auch der Konsumentenschutz ist in den Gremien der AMA abgebildet. Es wird auch mit dem VKI immer wieder das eine oder andere Projekt gemacht; Christina Mutenthaler ist um Dialog bemüht. Das heißt, das AMA-Gütesiegel ist für die Konsumentinnen und Konsumenten ein Garant, dass man weiß, wo das Essen – zwischen Hof und Teller – her­kommt.

Zweiter Punkt, die höhere Qualität: Liebe Kolleg:innen von der SPÖ, Sie irren da! Führen wir wieder einmal ein vertiefendes Fachgespräch, inwiefern das AMA-Gütesiegel in den einzelnen Branchen ein Mehr an Qualität bringt. Da geht es um Haltungsformen, da geht es aber auch um die Antibiotikareduktion und um


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 291

spezielle Fütterungsstandards. Bitte, schauen wir uns das im Detail an, denn da wird akribisch gearbeitet! (Abg. Leichtfried: Die Redezeit wäre ...!)

Abschließend komme ich zu Kollegen Keck, der mir vor Kurzem einmal so quasi gesagt hat, wir hätten da keine gemeinsamen Interessen. – Das sehe ich nicht so, weil den Bäuerinnen und Bauern der Tierschutz wirklich extrem wichtig ist. Es wird aber auch immer wieder die Preisdiskussion geführt, und das AMA-Güte­siegel beziehungsweise der österreichische Standard bietet die Möglichkeit, sich frei zu entscheiden, in welcher Preiskategorie von Lebensmittel man einkauft.

Am Beispiel der Schweine: In Österreich – nach den in Österreich geltenden gesetzlichen Standards – gemästete Schweine sind die günstigsten, und diese bieten wir auch an. 2040 ist der Vollspaltenboden Geschichte. Dann gibt es die AMA-Gütesiegel-Sau, bei der man dann sozusagen ein wenig tiefer in die Tasche greifen muss. Bis 2033 ist dort das Ende des Vollspaltenbodens vorgezeichnet. Wenn es der Konsument, die Konsumentin und der Handel zahlen würden, wären wir schon gentechnikfrei. Das haben wir aber leider noch nicht umsetzen können, weil uns keiner die Mehrkosten zahlt.

Der dritte Bereich, Kollege Keck, ist der klassische Tierwohlbereich, wir reden da vom Strohschwein oder Bioschwein. 250 000 Säue werden aktuell bio oder in Strohhaltung gemästet. Unser Ziel ist es, dass wir bis 2030 in Österreich eine Million Schweine aus Strohhaltung produzieren und auch an die Frau und an den Mann bringen. Aktuell stagnieren wir, weil die Teuerungsdiskussion die Ent­wick­lung in dieser Branche und auch die Investitionen der Bäuerinnen und Bauern im Bereich Strohschwein bremst. Das müssen wir einfach zur Kenntnis nehmen, weil Bäuerinnen und Bauern auch nicht von der Hand in den Mund leben kön­nen – wir müssen halt auch etwas verdienen.

In dem Sinn ist das AMA-Gütesiegel ein wichtiges Zukunftsprojekt mit einer guten Historie in einer aktuell schwierigen Situation (Abg. Doppelbauer: ... die


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 292

Zahlen dazu!), aber wir werden das hinbringen, weil das AMA-Gütesiegel ein Zukunftsprojekt ist. – Danke schön und alles Gute. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

17.56


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Keck. – Bitte.


17.57.03

Abgeordneter Dietmar Keck (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Dass der ÖVP-Bauernbundobmann natürlich eine Brandrede auf das AMA-Gütesiegel halten muss, ist ja vollkommen klar, das verstehen wir auch. Was aber, meine Damen und Herren, passiert denn? – Ich kann es hochloben, ich kann es tiefschlecht machen oder ich kann über Tatsachen reden. (Ruf bei der ÖVP: Genau das hat Kollege Strasser gemacht!) Diese Tatsachen habe ich schon oft genug hier von diesem Pult aus vorgebracht. Ich habe hier Bilder von Missständen, die es in AMA-Gütesiegelbetrieben gegeben hat, gezeigt. So etwas darf in keinem einzigen Betrieb vorkommen, egal, ob AMA-Gütesiegel oder nicht. Es waren aber AMA-Gütesiegelbetriebe. Jeder Betrieb, in dem Bilder wie diese zustande kommen, ist ein Betrieb zu viel. (Abg. Pfurtscheller: Ja, das sagt er ja!) Da muss man sagen, diesen Betrieben müsste man die Tiere und auch alles andere wegnehmen, man müsste Tierhalteverbote aussprechen, aber das passiert einfach nicht. Das sind die Probleme, die es da gibt. (Abg. Strasser: Das passiert ja!)

Laut Bericht über das Jahr 2021 hat es damals 22 000 Kontrollen gegeben – ich habe das hinterfragt, und es freut mich, dass Kollege Hechenberger so aufge­passt hat, weil ich das ja auch im Ausschuss schon vorgerechnet habe –, das bedeutet, es hat über 60 Kontrollen am Tag gegeben. Dann frage ich mich: Wenn es 22 000 Kontrollen im Jahr gibt, es aber 45 000 AMA-Gütesiegelbe­triebe gibt – laut Auskunft der AMA, das ist nicht von mir, es gibt 45 000 Betriebe, die das AMA-Gütesiegel haben –, dann bedeutet das, dass jeder Betrieb


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 293

maximal – maximal! – alle zwei Jahre wirklich kontrolliert werden kann, bezie­hungsweise dass es Betriebe gibt, die auch erst im dritten Jahr kontrolliert werden. (Abg. Pfurtscheller: Ja, stell dir vor, der Arbeitsinspektor kommt auch jedes Jahr ins Haus!)

Die Kontrollen, die da vorgenommen werden, sind bedeutend zu wenig. Da kann es schon sein, dass es zu Missständen kommt. Wenn ich lese, dass es nur 261 Kontrollorgane bei der AMA gibt – das war auch meine Frage im Ausschuss, wie viele Kontrollorgane es gibt –, dann ist mir alles klar. Wenn ich 22 000 Kon­­trollen im Jahr machen muss, dann heißt das, ich muss an 365 Tagen im Jahr je 60 Kontrollen machen, egal ob Ostern, egal ob Weihnachten, egal ob Karfreitag, ob Pfingsten ist – wurscht was –, ich muss jeden Tag kontrollieren, damit ich überhaupt auf die 22 000 Kontrollen komme, damit ich das hinbekomme.

Was das bedeutet, meine Damen und Herren, das sieht man auch schon: Im September 2021 hat die AMA veröffentlicht, dass 80 Prozent der Öster­reicherinnen und der Österreicher Vertrauen in das AMA-Gütesiegel haben. Super! Das war im September 2021. Im Jänner 2023 hat die AMA veröf­fentlicht, dass 70 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher Vertrauen in das AMA-Gütesiegel haben.

Was bedeutet denn das, wenn von September 2021 bis Jänner 2023 – das sind Zahlen der AMA – 10 Prozent weniger Österreicherinnen und Österreicher Vertrauen in das AMA-Gütesiegel haben? – Da muss man sich etwas überlegen. Da muss man sich eingestehen, es läuft irgendetwas falsch. Da muss man etwas tun.

Auch Bäuerinnen und Bauern, meine Damen und Herren, haben schon gesagt: Es muss etwas am System geändert werden! – Und genau das ist es, was wir wollen: Das System hat sich endlich zu ändern. Es geht so nicht mehr weiter. Der Hühnerhaltungsbetrieb in der Steiermark, der den letzten Skandal ausgelöst hat, hat das AMA-Gütesiegel gehabt. Da sind einige Bäuerinnen und Bauern aufgestanden und haben gesagt: So geht es nicht mehr! Sie haben das unter


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 294

ihrem Namen gesagt. Sie haben endlich gesagt: Man muss etwas ändern! Ändert etwas am System! Haltet nicht an diesem System fest, sondern tut wirklich etwas für die Bäuerinnen und für die Bauern, dann ist jedem geholfen (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Kainz und Schmiedlechner): dann ist den Kon­sumentinnen und Konsumenten geholfen, dann ist den Bäuerinnen und Bauern in Österreich geholfen, dann ist für alle etwas getan. Bleibt bitte nicht bei diesem System, denn das hilft nur euch im Bauernbund! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Kainz und Schmiedlechner.)

18.00


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Lindinger. – Bitte, Herr Abgeordneter.


18.00.39

Abgeordneter Ing. Klaus Lindinger, BSc (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Meine Damen und Herren, wer kennt es nicht, das AMA-Gütesiegel? – 90 Prozent der Bevölkerung kennen das AMA-Gütesiegel und rund 80 Prozent vertrauen darauf. (Abg. Keck: 70 Prozent mit Jänner 2023!) Meine Damen und Herren! In einem Gütesiegelhaufen von über 100 Gütesiegeln, die es in Öster­reich gibt, ist das AMA-Gütesiegel das einzige Gütesiegel, das nicht in der Hand von Handelsketten oder irgendwelchen Tierschutzorganisationen ist. Es ist das einzige Gütesiegel, das von unabhängiger Stelle kontrolliert wird. (Beifall bei der ÖVP.)

Es ist bereits angesprochen worden: Täglich finden 60 Kontrollen statt, in Summe gibt es jährlich rund 20 000 Vor-Ort-Kontrollen. (Abg. Leichtfried: Das hat der Kollege schon alles erzählt!) Und, meine Damen und Herren, ja, es ist wichtig, dass kontrolliert wird, aber man muss schon auch sagen: Die Bäuerinnen und Bauern leiden unter einem großen Kontrolldruck. Ich sage es noch einmal: Es ist wichtig, dass kontrolliert wird, ob das Tier in Österreich geboren und aufgewachsen ist und geschlachtet worden ist. 100 Prozent heimische Qualität


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 295

auf unseren Tellern garantiert hier in Österreich nur das AMA-Gütesiegel. (Beifall bei der ÖVP.)

Es ist ein verlässliches Zeichen beim Lebensmitteleinkauf. Die Konsumentinnen und Konsumenten können beim täglichen oder wöchentlichen Einkauf zeigen, indem sie dementsprechend bewusst zum rot-weiß-roten Gütesiegel greifen, dass sie auf österreichische Herkunft setzen – Kollege Strasser hat schon gesagt, vom Hof bis auf den Teller –, dass sie auf hohe österreichische Qualität, nämlich höchste Qualität, und auf die unabhängigen Kontrollen setzen.

Das AMA-Gütesiegel ist nämlich – anders als das in den Medien und auch in diesem Haus oft dargestellt wird – ein wertvolles Unikat in Europa, um das uns viele andere Länder beneiden. Ein Kollege aus dem Deutschen Bundestag, Artur Auernhammer, war vor einigen Wochen hier zu Gast und hat wörtlich gesagt, dass man mit der Abschaffung der CMA, der Centralen Marketing-Gesellschaft der deutschen Agrarwirtschaft, bittere Erfahrungen gemacht hat. Und auch er anerkennt und betont, wie wichtig die Erhaltung des AMA-Gütesiegels nicht nur für die Bäuerinnen und Bauern, sondern auch für die Konsumentinnen und Konsumenten in Österreich ist, meine Damen und Herren.

Ich darf somit zum eigentlichen Thema kommen, nämlich der Frage, was konkret die Aufgabe der AMA, der AMA-Marketing und des AMA-Gütesiegels ist. Es ist die Bewerbung der Produkte im AMA-Gütesiegelprogramm, das höhere Auf­lagen als die Standardauflagen, die ja in Österreich ohnehin schon hoch sind, höhere Standards bei der Fütterung, höhere Standards bei der Haltung aufweist. Dementsprechend generiert es mehr Wertschätzung und mehr Wertschöpfung. Es generiert unter anderem mehr Wertschöpfung für die Bäuerinnen und Bauern, denn 1 Euro AMA-Marketingbeitrag bringt am Ende des Tages 3 Euro Wertschöpfung. (Zwischenruf der Abg. Doppelbauer.) Das ist in Summe ein Mehr­wert von 60 bis 70 Millionen Euro pro Jahr. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn wir jetzt das erste Mal seit 1995 die Agrarmarketingbeiträge novellieren, dann entspricht das einer Neuregelung.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 296

Es sind einige Bereiche dazugekommen, in einigen Bereichen wurde der Marke­tingbeitrag gesenkt, in manchen auch erhöht. Das kann ganz klar festgehalten werden. Ganz wichtig ist aber: Diese Beiträge sind enorm wichtig – ich habe es bereits gesagt – wegen der Wertschätzung und wegen der Wertschöpfung. Vor allem aber werden die Bereiche separat abgerechnet, das heißt, jeder Euro, der aus der Fläche kommt, wird auch wieder für die Fläche aufgewendet.

Meine Damen und Herren, ich darf noch einen kleinen Vergleich bringen, weil wir immer über das Werbebudget reden: Die drei größten Handelsketten haben ein Werbebudget von 500 Millionen Euro – 500 Millionen Euro, meine Damen und Herren! –, die AMA-Marketing hat ein Werbebudget von 9,2 Millionen Euro. (Abg. Leichtfried: Die Frau Rechnungshofpräsidentin wäre da!) Im Vergleich ist das nur ein kleines Budget gegen die drei großen Lebensmittelketten, aber damit wird eine große Wirkung erzielt. Das ist wertvoll für die Landwirtschaft, wertvoll für die Konsumentinnen und Konsumenten. Bei keinem anderen Gütesiegel sind die Bekanntheit und das Vertrauen so stark ausgeprägt, wie beim AMA-Gütesiegel, und das auch zu Recht. (Beifall bei der ÖVP.)

Das AMA-Gütesiegel sichert somit Transparenz und trägt auch zur Herkunfts­sicherung bei, und das im Sinne der Bäuerinnen und Bauern, aber auch im Sinne der Konsumentinnen und Konsumenten. Ich lade auch die Kolleginnen und Kollegen der Opposition ein: Bekennt euch zum AMA-Gütesiegel, bekennt euch zur österreichischen Landwirtschaft, bekennt euch zu den landwirtschaftlichen Betrieben in Österreich, denn nur so können wir unsere kleinstrukturierte Landwirtschaft erhalten, nur so können wir gemeinsam das AMA-Gütesiegel weiterentwickeln und nachhaltig als das Gütesiegel in Österreich für die Her­kunft aus Österreich absichern. Es ist ein gutes Gütesiegel, und darum: Beken­nen Sie sich dazu! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Strasser: Bravo!)

18.06


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Köchl. – Bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 297

18.06.35

Abgeordneter Klaus Köchl (SPÖ): Geschätzter Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Lieber Vorredner Lindinger! Wir als Sozialdemokraten bekennen uns zur Landwirtschaft, das ist ja selbstverständlich. Wir bekennen uns auch zu allen Bäuerinnen und Bauern. Wir haben aber seit dem Jahr 1972, glaube ich, seit Bruno Kreisky nie mehr Regierungsverantwortung im Bereich Landwirtschaft gehabt. (Abg. Höfinger: Das glaube ich nicht! Der bekämpft die Bauern!) Regierungs­verantwortung für diesen Bereich hat in dieser Zeit ausschließlich die ÖVP gehabt. (Abg. Höfinger: Gott sei Dank!) In dieser Zeit haben täglich Betriebe zugesperrt, mit und ohne AMA-Gütesiegel. Das muss man auch einmal ganz klar sagen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich merke, wenn ihr ans Rednerpult herauskommt, dass ihr so richtig angespannt seid, wenn es um eure Bauern geht. Fakt ist aber, ihr macht eine Politik für unsere Bauern, die einfach nicht funktioniert. 99,9 Prozent der Bauern sind in Ordnung – da bin ich hundertprozentig eurer Meinung, das kann ich nur unter­streichen, die Bauern und Bäuerinnen sind in Ordnung –, aber die Kontrolle, die ihr zu machen habt, ist nicht in Ordnung.

Bei der AMA-Marketing gibt es eine Generalversammlung, einen Aufsichtsrat, und da sind wahrscheinlich nur Bauernbundleute drinnen. (Abg. Strasser: Nein, da sitzt ja ihr drinnen! Das gibt es ja nicht! Da seid ja ihr drinnen! Du bist dort vertre­ten! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP. – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.) – Ja, aber nur ihr redet dort. (Abg. Strasser: Da seid ihr drinnen! Ihr seid dort vertreten!) – Nein! Es gibt verschiedene Fachgremien, da müsst ihr halt Leute einsetzen, die das kontrollieren. (Abg. Strasser: Da seid ja ihr vertreten drinnen! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ihr müsstet Leute einset­zen, die das kontrollieren. (Beifall bei der SPÖ.)

Das wäre wichtig, und dann hätte man Vertrauen. Dann wäre es nicht so, wie Kollege Keck gesagt hat, dass das Vertrauen von 80 auf 70 Prozent zurückgeht. Es geht darum, dass die Leute so etwas sehen. Und ich muss euch ganz ehrlich


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 298

sagen: Wenn ich solche Bilder sehe, werde ich zum Vegetarier. Ich bin ein echter Fleischesser, aber das, was man da sieht, wie da mit den Hühnern umgegangen worden ist, das geht einfach nicht. Da kann ja kein Vertrauen entstehen. Wie soll denn das gehen? (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Michael Hammer: Ja, wie soll denn das gehen mit den Roten? Das ist nicht unser Problem!)

Ihr müsst dafür endlich Richtlinien zusammenbringen und dann müsst ihr das anständig kontrollieren. Oder sind das auch wieder nur Kollegen vom Bau­ernbund, die ihr nicht so genau kontrolliert? Wie schaut denn das aus? Ihr habt eine solche Macht und bringt das nicht zusammen. 99 Prozent der Betriebe sind in Ordnung, und 1 Prozent zu kontrollieren, das bringt ihr nicht zusammen. (Zwischenruf der Abg. Pfurtscheller.) Ihr könnt mir nicht erklären, wie das geht. Das könnt ihr mir nicht erklären, dass das nicht geht. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Michael Hammer: Kandidat 112 hat sich soeben vorgestellt!)

Ihr regt euch so auf. Was den Umgang miteinander betrifft: Bald sind wir von der Opposition auch noch daran schuld, dass der Umgang miteinander in den Aus­schüssen nicht passt. Das macht ja ihr! Das ist ja deine Vorsitzführung, Kollege Strasser, das musst doch du anständig machen. Du musst eben gewisse Dinge unterbinden, nicht ich! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Michael Hammer: Keine Ahnung von Ackerbau und Viehzucht! – Abg. Wöginger: Keine Ahnung! – Abg. Michael Hammer: Das ist ein Giraffenbauer!)

18.09


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Prinz. – Bitte. (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP. – Abg. Leichtfried: Der steht aber nicht auf der Liste! – Ruf bei der SPÖ: Noch ein Bauernbündler!)


18.09.33

Abgeordneter Nikolaus Prinz (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren! (Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.) Zum Abschluss noch ganz kurz (Abg. Leichtfried: Ihr könnt das einfach nicht kurz!): Kollege Köchl hat seinen Redebeitrag doch relativ impulsiv vorgetragen (Abg. Michael Hammer: Ja, er ist ja


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 299

ein Vertreter der Scherzgruppe!); er war zwar inhaltlich nicht besonders, aber er war ziemlich emotional.

Lieber Kollege Köchl, nur so viel: Wenn du von Bauernbund und AMA redest, dann schau dir bitte einfach einmal an, wer in der Geschäftsführung der AMA ist. Da gibt es zwei Personen: Dipl.-Ing. Günter Griesmayr und einen Herrn Leutner. Und dann schau dir an, wo dieser Herr Leutner vorher gearbeitet hat – nämlich bei der Gewerkschaft – und welcher Fraktion er angehört. Es sind schlicht und einfach alle Sozialpartner dort vertreten. (Zwischenruf der Abg. Doppelbauer.) Das ist vernünftig und gescheit. Die AMA arbeitet insgesamt gut und die AMA-Marketing arbeitet hervorragend. (Beifall bei der ÖVP.)

18.10 18.10.28


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft, den vorliegenden Bericht III-814 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer das tut, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Abschaffung der AMA-Marketing-Grundsteuer“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein dementsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

18.11.05Abstimmung über Tagesordnungspunkt 13


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zur verlegten Abstimmung über Tagesordnungspunkt 13: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 300

das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversiche­rungs­gesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz sowie weitere Gesetze geändert werden, in 1995 der Beilagen.

Hierzu liegen folgende Zusatz- beziehungsweise Abänderungsanträge vor: ein Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag der Abgeordneten Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen sowie ein Zusatzantrag- beziehungsweise Abände­rungs­antrag der Kollegen Wöginger, Koza, Kolleginnen und Kollegen.

Ich werde zuerst über die von den erwähnten Zusatz- beziehungsweise Abände­rungsanträgen betroffenen Teile – der Systematik des Gesetzentwurfes folgend – und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Abänderungsantrag der Abgeordneten Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Artikel 1 mit folgendem Inhalt: Einfügung neuer Ziffern 1 und 4, die daraus resultierende Umnummerierung der bisherigen Ziffern und Änderung der neuen Ziffer 7.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein dementsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über diese Teile des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich ersuche die Damen und Herren, die dem die Zustimmung geben, um ein dementsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit, angenommen.

Wir kommen zum Antrag der Abgeordneten Wöginger, Koza, Kolleginnen und Kollegen, einem Zusatzantrag betreffend die Einfügung eines neuen Absatzes 3 in Art. 1 Z 5.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 301

Wer dafür ist, den bitte ich um ein dementsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit, angenommen.

Ferner haben die Abgeordneten Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag betreffend Artikel 2 mit folgendem Inhalt eingebracht: Einfügung neuer Ziffern 2 und 3, die daraus resultierende Umnummerierung der folgenden Ziffern sowie Änderung der neuen Ziffer 6.

Wer dafür ist, den darf ich um ein dementsprechendes Zeichen ersuchen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über diese Teile des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschussberichtes.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Mehrheit, angenommen.

Zusatzantrag der Abgeordneten Wöginger, Koza, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Einfügung eines neuen Absatzes 3 in Art. 2 Z 4.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Mehrheit, angenom­men.

Zusatz- und Abänderungsantrag der Abgeordneten Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Artikel 3 mit folgendem Inhalt: Einfügung neuer Ziffern 2 und 4, die daraus resultierende Umnummerierung der folgenden Ziffern und Änderung der neuen Ziffer 7.

Wer dafür ist, wird um ein dementsprechendes Zeichen gebeten. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über diese Teile des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschussberichtes.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 302

Wer dafür ist, wird um ein dementsprechendes Zeichen gebeten. – Das ist die Mehrheit, angenommen.

Zusatzantrag der Abgeordneten Wöginger, Koza, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Einfügung eines neuen Absatzes 3 in Art. 3 Z 5.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein dementsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit, angenommen.

Es wurde ein Abänderungsantrag der Abgeordneten Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Artikel 5 eingebracht: Einfügung neuer Ziffern 1 bis 3 sowie Änderung der bisherigen Novellierungsanordnung.

Wer dafür ist, wird um ein dementsprechendes Zeichen gebeten. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über diese Teile des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschussberichtes unter Berücksichtigung des Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrages der Abgeordneten Wöginger, Koza, Kolleginnen und Kollegen betreffend Nummerierung der Novellierungs­anordnung sowie Einfügung einer neuen Ziffer 2 in Artikel 5.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit, angenommen.

Zusatzantrag der Abgeordneten Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betref­fend Artikel 6: Nummerierung der Novellierungsanordnung sowie Einfügung der neuen Ziffern 2 bis 5.

Wer dafür ist, den darf ich um ein dementsprechendes Zeichen bitten. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Die Abgeordneten Wöginger, Koza, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungsantrag betreffend Artikel 6 eingebracht.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 303

Wer dafür ist, den bitte ich um ein dementsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit, angenommen.

Abänderungsantrag der Abgeordneten Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Artikel 7: Einfügung neuer Ziffern 1 bis 3 sowie 5 und die daraus resultierende Nummerierung der Novellierungsanordnung.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein dementsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über diese Teile des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschussberichtes unter der Berücksichtigung des Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrages der Abgeordneten Wöginger, Koza, Kolleginnen, Kollegen betreffend die Nummerierung der bisherigen Novellierungsanordnung sowie Einfügung einer neuen Ziffer 2 in Artikel 7.

Wer dafür ist, wird um ein Zeichen gebeten. – Das ist die Mehrheit, angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit, angenommen.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Wer das auch in dritter Lesung tut, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die gleiche Zustimmungsrate, daher ist der Gesetzentwurf somit auch in dritten Lesung angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Wertsicherung der


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 304

Pensionen in Österreich jetzt! Keine Enteignung und Wertverlust durch Inflation und Aliquotierung!“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein dementsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

18.16.4018. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Prävention und Bekämpfung von Cyberkriminalität – Reihe BUND 2021/23 (III-335/1967 d.B.)

19. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Koordination der Cyber-Sicherheit – Reihe BUND 2022/13 (III-623/1968 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zu den Punkten 18 und 19 der Tagesordnung, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Ich begrüße die Frau Rechnungshofpräsidentin und bedanke mich beim Herrn Landwirtschaftsminister.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Brandweiner. Bei ihm steht das Wort. – Herr Abgeordneter, bitte.


18.17.37

Abgeordneter Lukas Brandweiner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Rechnungshofpräsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher auf der Galerie und zu Hause vor den Bildschirmen! Der Rechnungshof hat die Datengrundlagen zur Cyberkriminalität und den damit einhergehenden Strategien von Innen- und Justizministerium


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 305

überprüft. Es wurden insbesondere Prävention und Bekämpfung in Bezug auf Organisation und Zusammenarbeit von Kriminalpolizei und Justiz beurteilt. Beurteilt beziehungsweise geprüft wurden die Jahre 2016 bis 2019. Ich möchte mich gleich zu Beginn bei der Frau Präsidentin und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sehr herzlich für diese ausführliche Prüfung bedanken.

Cyberkriminalität ist ein wichtiges Thema, weil sie leider immer mehr zunimmt und auch immer mehr Menschen betrifft. Internationale Erhebungen gehen von einem Schaden durch Cyberkriminalität von über 700 Milliarden US-Dollar im Jahr 2017 aus. In Österreich dürfte der Schaden nach Schätzungen mehrere 100 Millionen Euro ausmachen. Neben den finanziellen Folgen gibt es aber leider auch immaterielle Folgen wie zum Beispiel Cybermobbing oder Verhet­zung und Hass im Netz, und leider nehmen auch diese kontinuierlich zu.

Seit dem Frühjahr 2020, mit dem Auftreten der Covid-Pandemie, war die klas­sische Kriminalität in Österreich rückläufig, die Cyberkriminalität ist im Gegensatz jedoch wirklich stark angestiegen. Allein im Jahr 2019 haben sich die Anzeigen verdoppelt. Es gibt sehr viele Beispiele, und ich bin überzeugt, dass auch viele Kolleginnen und Kollegen viele kennen. Ich denke da an kleinere und mittlere Unternehmen, die gehackt werden, wo ganze Verrechnungssysteme lahmgelegt werden und die Unternehmen im Anschluss erpresst werden. Quasi eine Betrügerei: Zahlt mich und ich bringe euer Rechnungssystem wieder zum Laufen! – Leider Gottes gibt es auch – davon bin ich überzeugt – viele Firmen, die solche Dinge nicht zur Anzeige bringen, sondern diesen Forderungen einfach nachkommen und dadurch natürlich einen großen Schaden erleiden.

Plötzlich verstorbene Verwandte, die es angeblich gibt, die etwas zu vererben haben: Wer von uns hat nicht schon so ein E-Mail oder eines, in dem es heißt, dass man plötzlich im Lotto gewonnen hat, bekommen? So wird geködert und im schlimmsten Fall gehackt, Daten werden gestohlen, und man ist dann natürlich auch mit finanziellen Folgen gestraft.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 306

Daher bin ich froh und möchte auch unserem Innenminister Gerhard Karner danken, dass bereits Reformen auf den Weg gebracht wurden. Die wesentlichen Säulen sind die Stärkung der Kriminalpolizei in den Regionen draußen, der Fokus eben auf Cybercrime und die Weiterentwicklung der Bekämpfung sowie der Prävention von organisierter Kriminalität.

Ein Problem ist natürlich auch, das geeignete Personal zu finden. Da ist es wie in vielen Bereichen so, dass es aktuell einfach schwierig ist, Personen mit diesen Fähigkeiten zu finden, und daher ist es wichtig, massiv in die Aus- und Weiter­bil­dung der Kolleginnen und Kollegen zu investieren. Ich möchte aber auch diesen Personen für den Einsatz, den sie leisten, wirklich Danke sagen.

Es muss aber auch an den Strafen gedreht werden. Durch eine Gesetzesnovelle soll die Polizei mehr Ermittlungsmöglichkeiten in Fällen von Cyberkriminalität bekommen. Es sollen aber eben auch die Strafen erhöht werden. Im Falle eines gehackten Computers sollen zwei Jahre Freiheitsstrafe drohen, aber auch bei Angriffen auf infrastrukturell kritische Einheiten müssen wir reagieren, und da ist der Vorschlag, die Strafe auf drei Jahre zu erhöhen.

Geschätzte Damen und Herren, keiner von uns würde sein Geldbörsl irgendwo liegen lassen oder das Auto offen in der Tiefgarage stehen lassen. (Abg. Loacker: Mit einer Waffe drin!) – Bitte, Herr Kollege? (Abg. Loacker: Das Auto in der Tiefgarage stehen lassen mit einer Waffe drin!) – Ah, genau! Herr Kollege Loacker sagt es richtig: Es gibt schon welche, die das Auto offen und sogar mit Waffe drin stehen lassen, aber ich glaube, das ist nicht alltäglich und macht nicht jeder. Also der Großteil von uns würde das nicht machen. Genauso wichtig ist es natürlich auch, dass wir im virtuellen Raum auf Sicherheit schauen, egal ob im privaten Bereich oder auch bei Firmen, denn sonst kann natürlich ein erheblicher Schaden entstehen, und daher lautet der Tipp, da wirklich vorsichtig zu sein und in die Sicherheit zu investieren.

Eingangs habe ich aber auch erwähnt: Leider wird auch Hass im Netz ein immer größeres Thema, genauso wie Cybermobbing. Zu Hause vor dem Computer


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 307

fühlen sich leider viele Menschen sehr stark und glauben, sie können sagen und schreiben, was sie wollen. Dem ist natürlich nicht so. Egal ob in der realen oder in der virtuellen Welt – wir müssen in Zukunft verstärkt darauf schauen. Das Internet ist kein rechtsfreier Raum, und ich bin da auch unserer Jugend­staats­sekretärin Claudia Plakolm sehr dankbar, dass sie sich aktuell sehr für ein Dickpicverbot starkmacht, denn eines ist auch klar: Belästigung bleibt Belästi­gung, egal ob in der realen Welt oder im virtuellen Raum, und daher muss da auch reagiert werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

18.23


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Greiner. – Bitte.


18.23.47

Abgeordnete Mag. Karin Greiner (SPÖ): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Bericht ist wiederum sehr aussagekräftig, und wir haben daraus entnommen, dass Cyberkriminalität beträchtliche Schäden verursacht. In der Coronapandemie sind diese Schäden nochmals sichtbarer und größer geworden. Wo liegen laut Bericht die gravierendsten Probleme? – Eines der prägenden Probleme ist wohl, dass die beiden geprüften Ministerien, Innenministerium und Justizministerium, nicht kooperiert haben. Woran liegt das? – Das liegt daran, dass es einfach kein Konzept und keine Strategie für die Kooperation gibt. Da gibt es also in beiden Ministerien einiges aufzuholen.

Die Schwierigkeit beginnt ja schon bei nicht geklärten Begriffsbestimmungen, zum Beispiel: Was genau versteht man eigentlich unter Cyberkriminalität? Da ist mit unterschiedlichen Begriffen gearbeitet worden. Demzufolge ist es natürlich schwer, dass man einen einheitlichen Modus findet, wie man dagegen vorgehen kann. Die Justiz verfügt laut diesem Bericht auch nicht über offizielle Zahlen von der Polizei zu Aktivitäten in Richtung Cyberkriminalität. Es gibt keine Vergleichs­möglichkeit mit der polizeilichen Kriminalstatistik, und das ist natürlich ein gra­vierendes Manko.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 308

Wie gesagt: Eine Strategie zur Zusammenarbeit liegt leider nach wie vor nicht ausgearbeitet auf dem Tisch. Was besonders aufgefallen ist, ist aber nicht nur die fehlende Strategie: Es gibt keine definierten Meilensteine, keine klaren Ziele und auch keine Verantwortlichkeiten. Da wird es schwer, da weiß man nicht: Wer ist eigentlich wofür? Wie legen wir es an?

Angesichts der Dynamik im Cybercrimebereich gibt es viele Herausforderungen. Da waren wir uns im Ausschuss auch einig, wo es wirklich besonderer Schwer­punkte bedarf: bei der Prävention beispielsweise. Da spreche ich vor allem für eine Gruppe, nämlich für die Seniorinnen und Senioren, die bei diesem Problem besonders sensibilisiert und auch gewarnt werden müssen: Wie kann man damit umgehen?

Dazu benötigt man nicht nur ein Konzept, sondern man braucht auch wirklich geschultes, topausgebildetes IT-Personal, das ermitteln kann. Das heißt, die Ausbildungsmodule müssen entsprechend adaptiert und angepasst werden. Es bedarf auch externer Experten, die man vom Markt holen muss. Das Problem dabei ist: Man sollte sie auch halten können. Da wird es sinnvoll und notwendig sein, auch Dienstrechtsanpassungen vorzunehmen.

Zusammenfassend: Es braucht ein klares Konzept für die Kooperation, deutliche Begriffsbestimmungen, man braucht valide Daten – ohne Daten kann man keine Maßnahmen ableiten; auch da waren wir uns einig –, und die technische Ausstattung muss entsprechend angepasst werden, die Ausbildung auf den Topstand gebracht werden.

Ich möchte kurz darauf eingehen, dass der Herr Innenminister gesagt hat: Ja, es wird mehr Cyberspezialisten in den Ländern, in den Bezirken geben! – Das ist schön, begrüßenswert und notwendig, aber bitte ein bisschen mehr aufs Tempo drücken! Auf die Frage, welche Kommanden betroffen sein werden, hat man nämlich nichts Genaues antworten können. Ende Sommer wisse man angeblich


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 309

Bescheid. Bitte Tempo erhöhen und die Maßnahmen beherzigen! – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

18.27


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Zanger. – Bitte.


18.27.28

Abgeordneter Wolfgang Zanger (FPÖ): Herr Präsident! Frau Präsidentin des Rechnungshofes! Ich halte das Thema der Internetkriminalität für eine der zentralen und wichtigsten Herausforderungen, auch für die Zukunft, denn, wie Kollegin Greiner schon gesagt hat, Hauptbetroffene sind in erster Linie ältere Menschen, die sich sehr schwertun, zu unterscheiden: Welche Schreiben, die sie erhalten, welche SMS, die kommen, sind wirklich von der Tochter, vom Enkerl oder von sonst irgendjemandem, den sie kennen, und welche nicht? Die fallen aufgrund lieben, guten Gottvertrauens sehr, sehr schnell auf diese Betrüger herein. Da geht es hauptsächlich darum, dass man versuchen muss, dem präventiv entgegenzuwirken. Darauf möchte ich dann noch einmal zurück­kommen.

Wir sehen die Problematik darin, dass es einen nahezu exponentiellen Anstieg von Internetkriminalitätsdelikten gibt. So hat der Rechnungshof festgestellt, dass es im Jahr 2019 im Vergleich zu 2016 eine Verdoppelung auf rund 28 400 Fälle gegeben hat. Dieses Deliktphänomen schätze ich im Vergleich zu anderen Delikten als verhältnismäßig jung ein.

Der Rechnungshof hat Mankos vor allem hinsichtlich wirksamer Steuerungs­maßnahmen, hinsichtlich einer abgestimmten Strategie zwischen dem Innen- und dem Justizministerium, Mankos auch hinsichtlich angemessener organi­satorischer, infrastruktureller und personeller Rahmenbedingungen, hinsichtlich Aus- und Fortbildungskonzepten, der Implementierung eines Frühwarnsystems und permanent verfügbarer Cybereinsatzteams festgestellt.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 310

Wie gesagt: Die große Herausforderung ist auf der einen Seite die Prävention. Da braucht es natürlich auch Personal, um entsprechende Vorträge et cetera gestalten zu können. Ich sehe aber die größte Herausforderung darin, ent­sprechend kompetentes Personal zu rekrutieren, denn in Wahrheit sind einem, wie man so schön sagt, die Gauner ja immer einen Schritt voraus. Vielleicht sollte man sich, so lächerlich es klingt, einmal so einen Gauner schnappen und gut bezahlen. Dann wäre man vielleicht auch in diesem Fall einen Schritt vor den Gaunern. (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)

Ich weiß, das klingt witzig, es hat aber einen relativ ernsten Hintergrund. Eines ist sicherlich der Fall: Im öffentlichen Dienst wird eine Besoldung für solche Spezialisten – und nichts anderes sind die, das sind hoch qualifizierte Spezialis­ten – niemals in der gleichen Höhe ausfallen können wie bei Facebook, Google und Co. Da sehe ich schon eine sehr, sehr große Herausforderung für die Zukunft, wobei wir alles daransetzen müssen, die wie gesagt besonders betrof­fene Opfergruppe der älteren Menschen auch besonders zu schützen. (Beifall bei der FPÖ.)

18.30


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter David Stögmüller. – Bitte.


18.30.34

Abgeordneter David Stögmüller (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Rechnungshofpräsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Make the world a better place. – Wissen Sie, von wem das ein Slogan ist? Aktuell sehen Sie, wenn Sie derstandard.at aufmachen, ganz oben einen Header mit Vulkan-Files.

Vulkan-Files ist ein Netzwerk von Hackern, ein GRU-Netzwerk, da reden wir von russischen Geheimdiensten, dem GRU, dem FSB, dem SWR. Das sind Geheim­dienste mit dem Hackerkollektiv Sandworm.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 311

Warum ist das so interessant? Warum ist das so gefährlich? – Heute war Präsident Selenskyj hier und hat vor einem massiven Hackerangriff auf Europa und auf die Welt gewarnt. Genau dieses Netzwerk wurde heute entlarvt. Das geschah vor ein paar Stunden durch ein Kollektiv von deutschen und öster­reichischen Medien – ARD, „Der Spiegel“, „Der Standard“ – und einem quasi neuen Netzwerk, einem Investigativnetzwerk, nämlich paper trail media. Die haben entlarvt, wie brutal Russland im Hackerbereich vorgeht: Desinformation, Fakeprofile, Zensur, Maßnahmen zur Überwachung nach Innen sowie nach Außen, gezieltes Aufspüren von Schwachstellen in den Infrastrukturen anderer Länder. Es wurden Schweizer AKWs, Außenministerien und ukrainische Botschaften genannt, die als Schwachstellen identifiziert wurden. Nun wurde auch – und das ist das Besondere – der Angriff auf das österreichische Außenministerium genannt.

Genau das ist der Punkt, der mich heute zum Rechnungshofbericht reden lässt: Diese Schwachstelle, die durch den Angriff auf das österreichische Außen­ministerium entdeckt wurde, findet sich nämlich exakt im Rechnungshofbericht wieder. Diese Schwachstelle ist ein massives Problem. Seit 2013 gibt es dieses Cyberprofil und eine österreichische Sicherheitsstrategie, die nie adaptiert worden ist. Das ist auch ein Punkt, der dringend notwendig ist, weil da Cyber nur peripher genannt wird. Auch die Cyber-Sicherheitsstrategie von 2013 war schon damals, 2019, als der Cyberangriff auf das österreichische Außen­ministerium war, komplett überholt. Es ist dringend notwendig, dass da etwas passiert.

Das Frühwarnsystem, das vom Netz- und Informationssicherheitsgesetz vorge­sehen war, war 2021 von der Umsetzung auch noch weit entfernt. Auch da müssen wir angasen, da müssen wir etwas umsetzen. Dass die Koordination der verschiedenen Organe mangelhaft war und weder die Länder noch das Digitalisierungsministerium irgendwie in die operative Koordination eingebun­den waren, war einer der Kritikpunkte des Rechnungshofes.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 312

Ich zitiere noch einen Punkt aus Ihrem Bericht, Frau Präsidentin: Räumlichkeiten und sonstige Ausstattungen wie Hardware und Software waren nicht vorhanden und müssten um 2 Millionen Euro notbeschafft werden. – So, und nun kommt ja der Clou in dieser ganzen Geschichte, und das finde ich ja das besonders Spannende. Wir haben heute Selenskyj gehört, wir wissen nun Bescheid über russische Netzwerke, über die Hackerangriffe. Wir wissen, mit welcher Brutalität Russland im Netz agiert.

Was machte dazumals das Außenministerium? Es gibt ein Netzwerk in Deutschland, also es gibt verschiedenste, aber der Deutsche Nicolaus von Rintelen mit Virtual Solution, einem Netzwerk rund um Jan Marsalek – wir wissen ja, Marsalek hat engste Verbindungen nach Russland, das ist alles relativ gut bewiesen –, ver­sucht, in das Außenministerium zu lobbyieren, nämlich den Auftrag zu bekom­men, dass sie diese Cyberattacke von 2019 bewältigen. Nein, man kam noch drauf. Man hat dann diesen Auftrag einer anderen Firma gegeben, nämlich Cyan Networks; wieder ein Auftrag von über 1,69 Millionen Euro. Cyan Networks wurde bei Ihnen Firma B genannt. Diese Firma gehört lustigerweise wieder zum Netzwerk von Jan Marsalek und dem Netzwerk von Russland.

Genau das ist unser Problem: Wir beschäftigen immer wieder russische Netz­werke und russische Firmen, ohne das irgendwie zu checken. Bei uns gibt es Intransparenz in genau diesen Problemlagen. Es gibt kein Problembewusstsein, welche Firmen wofür engagiert werden. Das muss notwendigerweise passieren. Da ist nur Dsurf zu nennen, eine österreichische Firma mit engsten Netzwerken nach Russland und Aufträgen in die Geheimdienste. Das steht alles in langen Zeitungsartikeln, es stand vor drei Wochen im „Profil“, große Artikel. Wir haben da kein Problembewusstsein. Wenn dieser Angriffskrieg von Russland eines bedeutet, dann: Wir müssen in Österreich Problembewusstsein bekommen! (Beifall bei Grünen und NEOS.)

Ja, es werden fast täglich neue Technologien entwickelt, und die bringen nicht nur Gefahren, sondern auch Chancen. Nützen wir die Chancen, erkennen wir die Gefahren und agieren wir auch dementsprechend! – Frau Präsident, ich bin


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 313

Ihnen sehr dankbar für diesen Bericht, denn Sie zeigen schonungslos auf, dass wir in diesem und auch in vielen anderen Bereichen wirklich noch Nachholbedarf haben. Bitte bleiben Sie da auch in Ihrer Cyberabteilung dran, denn gerade diese Netzwerke nach Russland und in Drittländer, die eine Gefahr für die österreichi­sche Sicherheitsstruktur darstellen, müssen restlos aufgeklärt werden – nicht nur in finanzieller Hinsicht, sondern auch darüber hinaus, nämlich ob es eine Struktur ist, der wir vertrauen können. – Vielen Dank dafür. (Beifall bei Grünen und NEOS.)

18.36


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Hoyos-Trauttmansdorff. – Bitte.


18.36.24

Abgeordneter Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Kollege Stögmüller hat die aktuelle Lage und die aktuelle Situation schon angesprochen, und ich glaube, die muss man sehr ernst nehmen. Der Rechnungshof hat da einen oder zwei sehr gute Berichte zu den Themen Cybersicherheit und Cybercrime veröffentlicht. Ich glaube – David, du hast es angesprochen –, sie sind aktueller denn je, wenn wir schauen, was gerade in der Ukraine und in Europa passiert. Nicht nur seit heute, muss man dazusagen, sondern de facto seit einem Jahrzehnt wird von russischer Seite nichts anderes gemacht, als auf allen Ebenen versucht, Europa zu destabilisieren. Das hat mit tagtäglichen Cyberangriffen auf Unternehmen und staatliche Institutionen – auch in Österreich – angefangen. Die Zahl nimmt massiv zu, was Unterneh­mens­angriffe betrifft. Es gibt auch immer wieder Angriffe auf staatliche Institutionen, sei es das Außenministerium oder beispielsweise Kliniken in Kärnten et cetera.

Wir haben das alles erlebt – und wir wissen, dass wir in Österreich leider nach wie vor zu schlecht aufgestellt sind. Die Bundesregierung kündigt immer wieder an: Wir tun etwas. – Das haben die vorigen Bundesregierungen gemacht, das hat


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 314

die derzeitige gemacht. De facto sind wir nach wie vor viel zu schlecht aufge­stellt. Es ist besonders beschämend, wenn wir an einem Tag wie diesem, an dem wir es nach einem Jahr endlich geschafft haben, dass Selenskyj hier spricht, in der Situation sind, zu wissen, wie da vorgegangen wird – denn es ist kein Krieg zwischen der Ukraine und Russland, sondern es ist ein Krieg in Europa, der mit verschiedensten Mitteln tagtäglich geführt wird, und das seit einem Jahrzehnt (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der Grünen) –, und gleichzeitig mitan­sehen zu müssen, dass eine Fraktion ganz auszieht und eine andere hier nur zur Hälfte im Saal ist. Es ist schließlich ein Konflikt, der uns betrifft. Diese Berichte haben es gezeigt, Frau Präsidentin. Es zeigt uns aber auch die tägliche Realität. In der müssen wir ankommen und uns als Europa auf allen Ebenen zur Wehr setzen. Da ist natürlich der Cyberkrieg einer der entscheidenden. (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Stögmüller.)

Wir haben sehr intensiv über den Anlassfall des Außenministeriums gesprochen – und auch Sie, Frau Präsidentin, haben ihn in Ihren Berichten erwähnt. Wir haben ihn ja auch im Ausschuss ausgiebig diskutiert. Eine Sache, die ganz klar ist, die nämlich nicht nur wir in der Aufarbeitung auf der politischen Ebene damals festgestellt haben, sondern auch Sie und Ihre Experten im Haus: Wir haben damals Glück gehabt, dass dieser Angriff so schnell zu Ende war und dass unsere Experten Gott sei Dank die richtigen Schlüsse zum richtigen Zeitpunkt gezogen haben. Wir haben es allerdings nicht geschafft, weil wir so großartig aufgestellt sind, weil unsere Institutionen gut und eng zusammenarbeiten, und insbe­sondere nicht, weil wir in Europa so gut vernetzt sind. Das sind die Themen, die nun anstehen – nicht nur im Cyberbereich, sondern weit darüber hinaus.

Wir dürfen uns nicht zurücklehnen und sagen: Na ja, wir sind neutral und deshalb wird der Virus nicht über die Grenze kommen, er wird sich auf dem Weg durch die Leitung Stopp sagen (Heiterkeit der Abg. Meinl-Reisinger) und sagen: Hilfe, das ist jetzt ein neutrales Land, da werde ich nicht einmarschieren und die Sicherheitssysteme, die Krankenhäuser oder was auch immer stilllegen!


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 315

Nein, das wird so nicht funktionieren, denn egal wie die künstliche Intelligenz ist, egal wie sich Chat-GPT und andere Dinge weiterentwickeln, eine Sache kann ich Ihnen garantieren: Ein Hacker wird nie in seinen Code hineinschreiben: Nein, bitte lasst Österreich außen vor, weil wir mit der FPÖ einen Freundschaftsver­trag geschlossen haben!, oder Ähnliches. (Beifall bei den NEOS und bei Abge­ordne­ten der Grünen.)

Der russische Hacker hat nur eine Aufgabe: Das Einzige, was er machen will, ist, die europäischen Werte zu zerstören. Wir dürfen dabei nicht zuschauen, egal ob das im Cyberraum ist oder ob das auf sonstigen Ebenen ist. Da müssen wir stark sein, da müssen wir endlich Geschlossenheit in diesem Land zeigen und endlich Geschlossenheit in ganz Europa zeigen. (Beifall bei den NEOS.)

18.40


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Andreas Kühberger. – Bitte.


18.40.40

Abgeordneter Andreas Kühberger (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Rechnungshofpräsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren auf der Galerie! Ja, die Cyberkriminalität fordert uns alle, und da kann ich eigentlich das unterstreichen, was meine Vorredner schon angesprochen haben. Auch im privaten Bereich – im Jahr 2023 kann man sich das Internet eigentlich gar nicht mehr wegdenken, egal ob beim Einkauf, bei der Bildung, in der Kommunikation oder vielem mehr – steigt natürlich die Nutzung, und mit dieser Nutzung steigt auch die Gefahr der Cyberkriminalität.

Meine Damen und Herren! Vielen von Ihnen wird es auch schon so gegangen sein, dass Sie ein gefälschtes Mail oder eine gefälschte SMS oder Whatsapp-Nachricht bekommen haben. Zum Beispiel kriegen momentan in meiner Gemeinde meine Mitarbeiter E-Mails mit meinem Namen und mit der Bitte, dass sie Geld


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 316

überweisen. Da tut sich also sehr viel, und wenn man sich dann die Kriminal­statistik im Jahr 2021, die noch um 29 Prozent gestiegen ist, anschaut, erkennt man, dass das schon eine große Herausforderung ist.

Wie es die Vorredner angesprochen haben: Der Angriff auf das Außenminis­terium war sehr fordernd und, so glaube ich, auch ein Anstoß zum Nachdenken. Da war wirklich Handlungsbedarf. Ich bin auch dankbar, dass der Rech­nungshof dann eine Prüfung durchgeführt hat. Der Rechnungshof hat ja die Jahre 2018 bis Mai 2021 geprüft. Der Prüfungszeitraum war von Februar 2021 bis Mai 2021.

Was ist geprüft worden? – Das Bundeskanzleramt ist genauso wie das Bun­desministerium für Landesverteidigung, das BMI und das Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten überprüft worden. Da ist es darum gegangen, sich einfach die Koordinierungsstruktur anzuschauen: Was passiert im Falle eines Angriffes? Wie sind wir gerüstet? Welche Rolle, welche Aufgaben haben wir?

Das Außenministerium wurde schon angesprochen, und da ist auch interessant, was der Rechnungshof festgestellt hat, aber darauf ist mein Vorredner schon eingegangen. Wichtig ist, dass wir diese Überprüfung ernst nehmen und die Empfehlungen auch umsetzen, und da ist schon sehr viel passiert. Von den insgesamt 38 Empfehlungen sind 15 schon komplett umgesetzt worden. Der Rest ist gerade in Umsetzung. Eine Herausforderung ist natürlich, dass man die richtigen IT-Profis dafür bekommt. Eine Empfehlung ist noch nicht umgesetzt, aber diese eine Empfehlung wird dann umgesetzt oder kann erst umgesetzt werden, wenn auch die anderen erledigt sind.

Was ich aber von den Vorrednern nicht unterstreiche, ist, dass wir da finanziell schlecht für die Zukunft aufgestellt sind. Sicherlich, die Zukunft wird, was Cybercrime betrifft, auch noch sehr herausfordernd, aber ich möchte da schon auch erwähnen, dass wir das größte Sicherheitspaket der Zweiten Republik im Budget beschlossen haben, dass diese Bundesregierung für Sicherheit viel Geld


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 317

ausgibt. Das fängt bei den Hubschraubern an. Ich war jetzt in Aigen im Ennstal, wo wir großartige Hubschrauber, die nicht nur militärisch, sondern auch zivil genutzt werden können, übergeben konnten. (Abg. Loacker: Hubschrauber ... Cybercrime!)

Jetzt, Herr Kollege, komme ich wieder zurück zu Cybercrime: Auch da nimmt die Bundesregierung viel Geld in die Hand. Das wird natürlich noch ein Thema für die Zukunft. Man kann nie voll gerüstet sein, aber wir versuchen wirklich, alles Mögliche zu unternehmen, dass wir unsere Verwaltungen vor diesen Angriffen schützen.

Ihnen zu Hause vor dem TV-Gerät kann ich nur empfehlen: Passen Sie auch auf ihre persönlichen Daten auf – was Sie im Internet bekannt geben –, denn da sind so viele unterwegs, die das ausnützen, und es kann dann auch schlimm aus­gehen. – Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

18.44


Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich die Präsidentin des Rechnungshofes zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Dr.in Margit Kraker.


18.44.34

Präsidentin des Rechnungshofes Dr. Margit Kraker: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ja, es ist tatsächlich so, dass wir uns vonseiten des Rechnungshofes bemühen, aktuelle und relevante Themen in unsere Prüfarbeit aufzunehmen und Ihnen Berichte zu liefern, in denen wir den Handlungsbedarf aufzeigen.

Wir hatten Mitte März mit dem Herrn Innenminister eine Sitzung im Rech­nungshofausschuss. Die ersten beiden Punkte, die jetzt auf der Tagesordnung stehen, betreffen die Bekämpfung und die Prävention von Cyberkriminalität und die Koordination der Cybersicherheit in Österreich. Es sind dies Themen von großer Bedeutung und aktueller Relevanz, denn es geht um die Sicherheit der


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 318

Netz- und Informationssysteme, und es geht um den Schutz vor kriminellen Handlungen im virtuellen Raum.

Was die Cyberkriminalität betrifft: Wir haben dieses Thema schon vor Covid in unser Prüfprogramm aufgenommen. Dann haben wir miterleben können, wie es gerade während der Covid-Pandemie einen Digitalisierungsschub gab, wie sich auch die Arbeitswelt dort, wo es möglich war, in den virtuellen Raum verlagert hat. Aber nicht nur die Nutzung von IT im positiven Sinne und im guten Sinne nahm zu, sondern es stieg auch die Kriminalität in diesem Bereich an. Im Prüfungszeitraum verdoppelten sich die polizeilichen Anzeigen wegen Internet­betrugs, und die steigenden Delikte waren natürlich eine Herausforderung für die Behörden. Leider lag die Aufklärungsquote 2019 mit über 36 Prozent deut­lich unter der Gesamtaufklärungsquote.

Bei der Prüfung haben wir den Fokus auf Prävention und Ausbildung für die Bekämpfung von Cyberkriminalität gelegt. Wir haben schon gehört, es gibt keine einheitliche Definition von Cyberkriminalität. Es gibt die im engeren Sinn, das sind Angriffe auf IT-Systeme wie Hackerangriffe, und die im weiteren Sinn, wenn IT zur Begehung von Straftaten verwendet wird. Die Datengrundlagen zwischen den Ministerien – zwischen dem Innenministerium und dem Justizministerium – passen nicht zusammen. Es kann daher zwischen dem Einlangen einer Anzeige bei der Polizei und der Erledigung bei der Justiz kein Zusammenhang hergestellt werden.

Ein schwieriges Problem – darauf wurde auch schon eingegangen – ist die Rekrutierung von geeignetem Personal. Wir haben daher dem Innenministerium ein modernes Personalmanagement empfohlen. Es geht da um personelle und qualitative Verbesserungen. Es geht um Rekrutierung, Personalentwicklung, Aus- und Fortbildung, damit wir Personal in ausreichender Anzahl und Qualität zur Verfügung haben.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 319

Wesentlich ist für uns auch, dass eine laufende Anpassung der Organisation auf Ebene der jeweiligen Kommanden – der Bezirks- und Stadtpolizeikommanden –, der Landeskriminalämter und im Bundeskriminalamt stattfindet.

Ein Punkt war die Prävention: Da geht es um die Freiwilligkeit bei den Bediens­teten selbst, aber es geht eben auch darum, dass die Präventionsarbeit verstärkt wird. Wir sprechen da die Jugend an, aber es geht auch um Erwachsene, und es geht um die ältere Generation. Darüber hinaus ist es wichtig, dass die Polizei über die notwendigen geeigneten technischen und räumlichen Infrastrukturen verfügt.

Was die Cybersicherheit betrifft, geht es um die Koordination. Wir haben die vier sogenannten Sicherheitsministerien geprüft: Das Bundeskanzleramt, das Innenministerium, das Verteidigungsministerium und das Außenministerium, und ja, wir sind auf den Cyberangriff auf das Außenministerium Anfang 2020 eingegangen und haben uns angeschaut, wie dieser Angriff bewältigt werden konnte. Da gab es erstmals eine Cyberkrise, und da wurden die dafür vorgesehe­nen Strukturen aktiviert.

Grundsätzlich konnte die Krise erfolgreich bewältigt werden, aber es gab einige Aspekte, auf die wir im Bericht hingewiesen haben. Es gab Ende 2019, Anfang 2020 keine Krisen-, Kontinuitäts- und Einsatzpläne, obwohl die Cyber­sicherheitssteuerungsgruppe die Ausarbeitung solcher Pläne bereits Jahre zuvor gefordert hatte. Es fehlte an einer Cyberkriseninfrastruktur, daher mussten Räumlichkeiten und sonstige Ausstattung wie Hardware und Software erst in der Cyberkrise organisiert werden. Es stand kein ständig verfügbares Einsatzteam zur Verfügung, und es gab auch keine staatliche Cybersicherheitsleitstelle mit einer Einsatzzentrale und einsatzbereitem Personal.

Das sind alles Punkte, die wir aufgezeigt haben und von denen wir sagen, dass das ein Anlass ist, damit man das besser macht und auch angesichts der wachsenden Bedrohungen darauf achtet.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 320

Die Prüfung hat hinsichtlich der strategischen und operativen Cyberkoordination Optimierungsbedarf gezeigt. Der äußere Kreis, die OpKoord, hat bisher keine eigenständige Tätigkeit entfaltet, deshalb wären die Aufgaben dieser Koordinier­ungsstruktur zu evaluieren. Es gibt da einen Verbesserungsbedarf. Was auch fehlte, war ein Meldeanalysesystem sowie ein Frühwarnsystem für die Analyse und die Erkennung von Risken. Beides ist noch nicht umgesetzt. Der Rech­nungshof hat darüber hinaus gefordert, dass das für Digitalisierung zuständige Ministerium eingebunden wird – das ist jetzt das Finanzministerium – und dass natürlich auch die Länder in die Koordinierungsstruktur einbezogen werden. – Ich danke für die Aufmerksamkeit. (Allgemeiner Beifall.)

18.50


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Reinhold Einwallner. – Bitte.


18.50.49

Abgeordneter Ing. Reinhold Einwallner (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Rechnungs­hofpräsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ja, die Vorredner haben es schon gesagt: Cyberkriminalität ist eines der Kriminalitätsfelder, die enorme Steigerungsraten haben. Das sehen wir jetzt, in den letzten Jahren, und die Zeit der Pandemie hat noch einmal fast wie ein Brandbeschleuniger gewirkt und das Aufkommen noch einmal verstärkt. Im letzten Jahr waren es bis zu 60 000 Fälle. Das zeigt auf der einen Seite, wie stark das Bedrohungsszenario ist, und auf der anderen Seite, dass es für die Beamten und das Personal, das sich damit aus­einandersetzen muss, natürlich eine große Belastung ist.

Eine Belastung ist es auch, weil wir dort natürlich ganz spezifisch ausgebildetes Personal brauchen, das nicht nur im öffentlichen Dienst, sondern auch in der Privatwirtschaft irrsinnig gefragt ist. Es ist kaum oder nur ganz schwer möglich, entsprechendes Personal zu finden, gerade in den Gehaltsstrukturen, wie wir sie im öffentlichen Dienst haben. Darum ist es so wichtig, dass wir schauen, dass es für so spezialisierte Aufgaben Sonderverträge gibt, und das sollte möglichst


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 321

rasch umgesetzt werden. Das ist übrigens auch ein Punkt, eine der Empfehlun­gen: die Reform oder die Anpassung des Dienstrechtes. Da wird wahrscheinlich das Gehalt alleine nicht ausschlaggebend sein, aber der öffentliche Dienst muss für solche Spezialisten ein guter, attraktiver Arbeitgeber sein.

Meine Damen und Herren, was wir halt in den letzten Jahren erleben, ist, dass wir vonseiten der Politik in diesem Kriminalitätsfeld ganz, ganz viel Ankündigung und ganz wenig Output haben. Das zeigt sich leider schon seit vielen, vielen Jahren – es gibt kaum einen Innenminister, der nicht irgendwann einmal hier im Haus gestanden ist und gesagt hat: Da werden wir jetzt im nächsten Jahr einen Schwerpunkt setzen, und da wird jetzt noch mehr Geld hineinfließen! – Das Problem ist halt: Im Output passiert zu wenig.

Kollege Stögmüller hat es aufgezeigt: Was wir brauchen, ist eine moderne Sicherheitsarchitektur, eine Sicherheitsstrategie. Was wir aber auch brauchen, ist ein modernes Lagezentrum, ein gesamtstaatliches Lagezentrum. Und dann macht ihr solch einen Pfusch beim Krisensicherheitsgesetz! Das ist halt auch der Output dieser Bundesregierung. Das wird verrissen, und es entspricht überhaupt nicht den Herausforderungen, die man eigentlich hätte. Wir brauchen ein modernes Krisensicherheitsgesetz, das die Herausforderungen, die wir im Cyber­kriminalitätsfall, aber auch bei anderen Krisen haben, unbedingt abdeckt, und das tut der Vorschlag, den die schwarz-grüne Bundesregierung bis jetzt vorge­legt hat, nicht!

Da also mein Appell: Zurück an den Start und etwas Ordentliches, etwas Ver­nünftiges machen! Weil: Bis jetzt, glaube ich, ist der Hauptpunkt, der drinnen ist, irgendein ominöser Bunker, den zuerst Bundeskanzler Nehammer bauen wollte und an dem Karner jetzt festhält. Er hat inzwischen schon dreimal so viel gekos­tet (Zwischenruf des Abg. Stögmüller) wie angekündigt, darum herum ist viel Text und nichts dahinter. Da braucht es auch in der Ausarbeitung von Gesetzen ein bisschen mehr Qualität. (Beifall bei der SPÖ.) Ich glaube, das ist wichtig. – Das ist das eine Thema.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 322

Das zweite Thema, bei dem ein großes Bedrohungsszenario gegeben ist, ist der Terrorismus. Diesen dürfen wir nicht vergessen. Wir brauchen eine gute Kommunikationsvernetzung im Bereich der Cyberkriminalität, aber auch im Bereich des Terrorismus. Diesbezüglich kann ich wieder einmal nur an unsere Forderungen nach einem Terrorismusabwehrzentrum und einem gesamt­staatlichen Lagezentrum erinnern, die es aber wirklich auch dementsprechend wert sind. Das brauchen wir, um solchen Herausforderungen gewachsen zu sein. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

18.54


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Agnes Sirkka Prammer. – Bitte.


18.54.34

Abgeordnete Mag. Agnes Sirkka Prammer (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsi­dentin! Frau Präsidentin des Rechnungshofs! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Wir haben hier jetzt, in dieser Diskussion, schon sehr viel darüber gehört, wie vielschichtig die Problematik der Cyberkrimi­nalität ist. Wir haben auch gehört, welch wertvollen Beitrag der Rechnungs­hofbericht leistet, um aufzuzeigen, auf welchem Stand wir in der Strafverfolgung, sowohl bei den Ermittlungen als auch bei den Gerichtsverfahren, bei den Staatsanwaltschaften, tatsächlich noch sind.

Es ist generell so, dass die Strafverfolgung der Kriminalität natürlich immer einen Schritt hinterher ist – es heißt ja auch Verfolgung –, aber in diesem Bereich ist es noch viel schlimmer. In diesem Bereich hat man nämlich die Dynamik, dass sich auf der einen Seite die Technologie mehr und mehr verbessert und sich die Fähigkeiten der Kriminellen immer mehr steigern, und auf der anderen Seite hat man die Mühe – wo man ohnehin schon einen Schritt hinterher ist –, auch noch Ressourcen aufbringen zu müssen, die einen dann als Staat befähigen, die gleiche Expertise, die bei den Verbrechern vorhanden ist, auch in die Ermitt­lungsbehörden hineinzubringen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 323

Das ist die große Aufgabe, der wir uns aber stellen müssen und die wir bewäl­tigen müssen. Es ist ja von den Vorrednern und Vorrednerinnen schon sehr deutlich aufgezeigt worden, welch großes Gefahrenpotenzial da nicht nur für den einzelnen Menschen liegt, wenn es vor allem darum geht, dass technische Mittel zur Verübung von Verbrechen verwendet werden, Verbrechen aus dem Homeoffice sozusagen – das ist der eine Teil. Der andere Teil aber sind die wirklich staatsgefährdenden und demokratiegefährdenden Handlungen, die tatsächliche Angriffe nicht auf einzelne Individuen, sondern auch auf den Staat als Ganzen darstellen.

In diesem Bereich ist es wirklich wichtig, die größtmögliche Expertise zu bekommen. Es wurde schon sehr viel gemacht – auch das wurde aufgezeigt –, aber es ist wirklich notwendig, da noch sehr viel mehr Energie, noch sehr viel mehr Ressourcen hineinzustecken. – Vielen Dank für den Bericht, der uns das sehr, sehr deutlich aufgezeigt hat!

Wir werden da auf jeden Fall nicht locker lassen und die begonnene Arbeit zu Ende führen, damit wir wirklich, wirklich aufschließen und diesen Bereich sehr gut abdecken können. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

18.57 18.57.01


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Damit kommen wir nun zu den Abstimmungen.

Abstimmung über Tagesordnungspunkt 18: Antrag des Rechnungshofaus­schusses, den Bericht III-335 der Beilagen betreffend Prävention und Bekämp­fung von Cyberkriminalität zur Kenntnis zu nehmen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 324

Wer sich für die Kenntnisnahme ausspricht, den bitte ich um ein zustimmendes Zeichen. – Das ist einstimmig zur Kenntnis genommen.

Abstimmung über Tagesordnungspunkt 19: Antrag des Rechnungshofaus­schusses, den Bericht III-623 der Beilagen betreffend Koordination der Cyber-Sicherheit zur Kenntnis zu nehmen.

Wer ist für diese Kenntnisnahme? – Auch das ist einstimmig zur Kenntnis genommen.

18.58.0020. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Asylbetreuungseinrichtungen des Bundes – Reihe BUND 2022/2 (III-538/1969 d.B.)

21. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Grundversorgung in Wien – Reihe BUND 2021/8 (III-246/1970 d.B.)

22. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Erweiterung der Parkraumbewirtschaftung Wien; Follow-up-Überprüfung – Reihe BUND 2020/41 (III-196/1971 d.B.)

23. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Verkehrsstrafen; Follow-up-Überprüfung – Reihe BUND 2022/43 (III-823/1972 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir nun zu den Punkten 20 bis 23 der Tagesordnung, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 325

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als erste Wortmeldung liegt mir jene des Herrn Abgeordneten Hermann Gahr vor. – Bitte, Herr Abgeordneter.


18.58.58

Abgeordneter Hermann Gahr (ÖVP): Frau Präsident! Frau Präsident des Rechnungshofes! Geschätzte Damen und Herren! Hohes Haus! Der Rechnungs­hof hat eine Sonderprüfung zu den Asylbetreuungseinrichtungen des Bundes durchgeführt. Das war ein Prüfungsverlangen der FPÖ mit insgesamt 28 Fragen.

Worum ging es bei dieser Prüfung? – Es ging um die rechtlichen, organisato­rischen, finanziellen und personellen Maßnahmen hinsichtlich der Grund­versorgung, und im Speziellen ging es um die Verträge der Betreuungsein­rich­tungen. Der Zeitraum umfasste die Jahre 2013 bis 2017, aufgrund der Aktualität wurde dieser Zeitraum dann bis auf das Jahr 2020 ausgedehnt, wie die Frau Präsident uns im Ausschuss berichtet hat.

Insgesamt hat der Rechnungshof 18 Empfehlungen ausgesprochen, und diese Empfehlungen wurden eigentlich zum größten Teil umgesetzt. Das BMI hat seit 2013 insgesamt 37 neue Verträge für Betreuungseinrichtungen abgeschlossen, überwiegend waren diese Verträge mit privaten Partnern. 2020 waren noch sieben dieser Verträge aktiv, 19 Verträge sind ausgelaufen. Ende 2020 wurden dann elf Verträge stillgelegt, die Zahlungen mussten aber trotzdem fortgeführt werden. Der Rechnungshof hat da kritisiert, dass die Verträge mit 15 Jahren Bindung eigentlich zu lang waren, was den Zeitraum betrifft. Der Rechnungshof hat empfohlen – das hat das Bundesministerium auch aufgegriffen –, die Verträge zu evaluieren und nachzuverhandeln, und speziell die langen Kündi­gungs­fristen wurden dabei berücksichtigt. Es gab insgesamt drei explizit genannte Objekte – Steinhaus, Gaisberg und Bergheim –, bei denen Nachver­handlungen durchgeführt werden sollten.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 326

Ein spezielles Problem war die Beschaffung der Containeranlagen. Da muss man, glaube ich, davon ausgehen, dass es da, gerade unter dem Druck, den man in den Jahren 2015 und 2016 gehabt hat, natürlich einen riesigen Beschaffungs­vorgang gegeben hat. Insgesamt wurden 3 063 Container angeschafft. Dann aber hat sich die Lage entspannt, und in etwa 30 Prozent oder 900 von den Containern wurden aktiv genutzt. Da hätte es durchaus Einsparungspotenzial gegeben.

Fakt ist: Man muss immer die Situation bewerten, und ich glaube, man soll auch die Lehren daraus ziehen, Frau Präsident, dass die Situation sich vom Extremen irgendwo entspannt hat und damit einfach der Druck zum Bezug dieser Container nicht mehr so groß war. Der Rechnungshof hat aber auch positiv vermerkt, dass gerade diese Container dazu beigetragen haben, Obdachlosigkeit zu ver­hindern.

Diese Zwangslage und natürlich das Umfeld haben dazu beigetragen, dass man die Verträge dann hat anpassen können. Dadurch sind auch Kosten reduziert worden. Bundesminister Karner hat im Ausschuss erwähnt, dass von den 18 Empfehlungen 14 umgesetzt wurden. Ein großer Beitrag dazu ist auch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen, welche als Ansprech- und Koordinationspartner durchaus gewährleistet, dass eben einerseits die Auslastung und andererseits die Kapazität gesteuert werden können.

Aktuell ist die Lage wohl so: 89 000 Menschen sind in der Grundversorgung, davon kommen 52 000 aus der Ukraine. Man hat jetzt aktuell aus der Vergangenheit gelernt, man hat auch den Rechnungshofbericht einfließen lassen. Für die Zukunft sollte uns gelingen, dieses System effizient zu gestalten. – Vielen Dank. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.02


Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Herr Abgeordneter Michael Seemayer zu Wort. – Bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 327

19.02.55

Abgeordneter Michael Seemayer (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Präsidentin des Rechnungshofes! Meine Damen und Herren! Kollege Gahr hat die Eckpunkte des vorliegenden Berichts zu den Asylbetreuungseinrichtungen in den Jahren 2013 bis 2020 ohnehin schon gut aufgezeigt. Der Bericht zeigt eindringlich, wie schwierig und auch teuer es sein kann, wenn man nicht ordentlich auf die ver­schiedensten Situationen vorbereitet ist.

2014 war das Innenministerium noch in der Lage, die Unterbringung von Asylwerbenden bedarfsgerecht umzusetzen. Die Migrationsströme 2015/2016 machten das natürlich nahezu unmöglich, und es mussten zusätzliche Kapazi­täten geschaffen werden. Insgesamt wurden 37 neue Verträge im Zusammen­hang mit der Öffnung neuer Einrichtungen abgeschlossen. 2020 waren nur mehr – und das ist schon berichtet worden – sieben der neuen Einrichtungen aktiv in Nutzung. 19 Stellen wurden geschlossen, elf Einrichtungen wurden aber bei aufrechten Verträgen stillgelegt und werden vom Innenministerium derzeit als Depots und Lager benutzt.

Da im Innenministerium aber der Prozess für Krisensituationen fehlte, konnte 2015 und 2016 nur kurzfristig auf den gestiegenen Bedarf reagiert werden. Wenn man dann schnell Unterbringungsmöglichkeiten anmieten muss, ist die Verhandlungsposition denkbar schlecht. So wurden lange Kündigungsfris­ten und Kündigungsverzichte vereinbart, und das Ministerium ist bis zu 15 Jahre an diese gebunden.

Auch wenn man 2015 oder 2016 unter Druck stand, sind einzelne Vertrags­inhalte eher schwer nachvollziehbar, nämlich Vertraulichkeitsklauseln, erhöhte Instandhaltungs- und Erhaltungspflichten sowie überhöhte Mietzinsen.

Auch bei den kurzfristig angeschafften Containern – das ist auch schon berichtet worden – hat es nur eine Auslastung von 30 Prozent gegeben. Wäre nur der tatsächliche Bedarf angeschafft worden, hätte das eine Einsparung von circa 15 Millionen Euro bedeutet. Für die stillgelegten Einrichtungen, die aufgrund der


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 328

langen Kündigungsfristen nicht aufgelöst werden konnten, sind bis 2020 11 Millionen Euro und bis zum erstmöglichen Vertragsende weitere 9 Millionen Euro fällig gewesen. Das hätte man sich mit einer ordentlichen Vorbereitung vermutlich sparen können.

Der Rechnungshof zeigt eindeutig auf, wie wichtig es ist, auf unterschiedliche Herausforderungen ordentlich vorbereitet zu sein. Bei den letzten Innen­minis­tern hatte man oftmals aber eher das Gefühl, dass das nicht ernsthaft betrieben wurde. Im Gegenteil, manchmal hat man eher das Gefühl, dass unter dem Titel Grenzen dicht eine andere Lösung verfolgt wird – daher ist keine Vorbereitung notwendig. Kolleginnen und Kollegen, das funktioniert aber nicht einmal im Ansatz und ist auch menschenverachtend. (Beifall bei der SPÖ.)

Es wird leider auch in Zukunft notwendig sein, Menschen Zuflucht zu gewähren, sei es aufgrund von Kriegen, Verfolgung, aber auch Naturkatastrophen.

Frau Präsidentin, danke für den ausführlichen Bericht! Er zeigt ganz gut auf, wie notwendig wir es haben, dass wir uns gut vorbereiten. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

19.06


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Hannes Amesbauer. – Bitte.


19.06.31

Abgeordneter Mag. Hannes Amesbauer, BA (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsi­dentin! Frau Rechnungshofpräsidentin! Geschätzte Damen und Herren! Wir sprechen über den Rechnungshofbericht betreffend eine Sonderprüfung der Asylbetreuungseinrichtungen des Bundes. Es wurde ja schon ausgeführt: Das geht auf die Migrationskrise der Jahre 2015/2016 zurück, aber auch weit darüber hinaus. Damals ist Österreich an seine Belastungsgrenzen gekommen und hat diese auch überschritten. Der Rechnungshof hat die vorliegende Prüfung aufgrund des Verlangens von FPÖ-Bundesparteiobmann Herbert


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 329

Kickl und unserem freiheitlichen Rechnungshofsprecher Wolfgang Zanger gemacht.

In diesem Bericht wird bestätigt – so lese ich das, und das steht in Wahrheit auch klipp und klar drinnen –, dass die damalige rot-schwarze Bundesregierung in den Jahren 2015 und 2016 völlig überfordert, völlig unvorbereitet war und langfristigen Schaden verursacht hat. Der umfangreiche Bericht bestätigt die freiheitliche Kritik, vor allem auch an den damaligen Vertragsabschlüssen, was die Asylquartiere des Bundes betrifft, mit vorwiegend privaten Vermietern von Unterkünften, mit viel zu langen Laufzeiten und mit horrenden langfristigen Kosten.

Herbert Kickl hat als Innenminister zahlreiche Quartiere geschlossen, um den angerichteten Schaden zu minimieren. Jetzt wachsen sie wieder wie die Schwammerl aus dem Boden. Allein in meinem Heimatbundesland Steiermark sind es jetzt zusammen mit den Landesquartieren 500 Asylquartiere, weil die ÖVP ihre restriktive Migrationspolitik nur in Pressekonferenzen betreibt, aber nicht in der Umsetzung, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Fehlende Abschätzungen der benötigten Kapazitäten, kein Prozess für diese Krisensituation, null strategische Vorsorge, unklar geregelte Zuständigkeiten, nicht nachvollziehbare Unterschiede bei den vereinbarten Mietzinsen, Geldver­schwendung durch Anschaffung von Containern, die nur zu 30 Prozent genutzt wurden, sowie mangelhafte Entscheidungsgrundlagen hinsichtlich der Nutzung der Betreuungseinrichtungen: Das sind nur einige Auszüge aus dem vernich­tenden Bericht über das rot-schwarze Asylchaos, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Der Rechnungshof hat unter anderem konkret bemängelt, dass das Innenminis­terium „bis zu 15 Jahre an einzelne Mietverträge und somit an Betreuungs­einrichtungen gebunden“ war. Das ist auch in meinem Heimatbezirk so passiert, in Steinhaus am Semmering, einem der berühmtesten und berüchtigtsten


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 330

Flüchtlingsmassenquartiere in Österreich. Herbert Kickl hat es damals geschlos­sen, Karl Nehammer hat es wieder aufgesperrt, meine sehr geehrten Damen und Herren. Das ist auch der Unterschied zwischen freiheitlicher Asylpolitik und der Asylpolitik der anderen – der ÖVP. (Beifall bei der FPÖ.)

„Lange Kündigungsverzichte oder -fristen schränkten die Möglichkeiten, auf geänderte Rahmenbedingungen flexibel zu reagieren, stark ein und führten zu hohen finanziellen Vorbelastungen. Auch unter Berücksichtigung des erhöhten Drucks in der“ Krise „2015/16 waren wirtschaftlich nachteilige und unübliche Vertragsinhalte, wie erhöhte Instandhaltungs- und Erhaltungspflichten, Vertraulichkeitsklauseln, überhöhte Mietzinse sowie fehlende Bonitätsaus­künfte, nur bedingt nachvollziehbar“, heißt es wörtlich im Bericht.

All das ist nicht nur für den Rechnungshof nicht nachvollziehbar, meine Damen und Herren, das ist für niemanden nachvollziehbar und entspricht schon gar nicht den Grundsätzen der Sparsamkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit. Der Rechnungshof formuliert Kritik ja bekanntermaßen eher zurückhaltend, so gesehen ist ein Bericht in dieser Deutlichkeit eine völlige Bankrotterklärung für das zum Zeitpunkt der Vertragsabschlüsse – sowie auch jetzt – von der ÖVP geführte Innenministerium.

Es gibt auch Empfehlungen des Rechnungshofes: angemessene Vorsorge für die Bewältigung von gegebenenfalls wieder steigenden Asylantragszahlen – die haben wir ja jetzt – zu treffen. Die einzige Vorsorge, die es demnach braucht, ist ein konsequenter und wirksamer Grenzschutz mit Rückweisungen in tausend­facher Anzahl, meine sehr geehrten Damen und Herren. Rund 110 000 Asylan­träge alleine im Vorjahr zeigen, dass man die illegale Migration mit Entschlos­senheit und mit eiserner Faust bekämpfen muss (Abg. Krisper: Oh Gott!) und nicht mit inhaltslosen Reden auf irgendwelchen ÖVP-PR-Pressekonferenzen.

Die Freiheitliche Partei ist gewillt und bereit, die Asylproblematik anzugehen und zu lösen, das versprechen wir. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Litschauer: Mit Stachel­draht in Drasenhofen!)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 331

19.11


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Georg Bürstmayr. – Bitte.


19.11.35

Abgeordneter Mag. Georg Bürstmayr (Grüne): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Rechnungshofpräsidentin! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Meine Vorredner haben im Prinzip den Inhalt des Berichts, über den wir hier diskutieren, schon ausführlich wiedergegeben. Tatsächlich ist er kritischer –wenn auch tatsächlich höflich formuliert – als so manch andere Berichte aus­gefallen, weil bei der Beschaffung von Unterkünften, von Quartieren für Geflüchtete insbesondere in den Jahren 2015/16 wohl einiges schiefgegangen sein dürfte – sei es aufgrund des Zeitdrucks oder des Drucks der Ereignisse und der sehr, sehr hohen Zahl von Flüchtlingen, die Österreich damals zu beher­bergen hatte.

Das ist unerfreulich, deshalb möchte ich auf einen etwas erfreulicheren Aspekt zu sprechen kommen. Als eine der letzten Handlungen der schwarz-blauen Koalition wurde im Parlament beschlossen, die Unterbringung und die Rechts­beratung von Asylwerberinnen und Asylwerbern zu verstaatlichen. (Zwischenruf bei der FPÖ.) Letztendlich mit Leben erfüllt hat diese Bestimmungen die schwarz-grüne Koalition unter wesentlicher Mitarbeit von Justizministerin Alma Zadić, was dazu geführt hat, dass es heute eine BBU GmbH – unter der Leitung ihres Geschäftsführers Andreas Achrainer – gibt, die diese beiden Aufgaben tat­säch­lich wahrnimmt. Sie genießt nicht nur im Bereich der Rechtsberatung aller­höchsten Respekt – sei es vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, sei es vom Bundesverwaltungsgericht oder auch von NGOs und der Anwaltschaft.

Ihr ist es auch gelungen, die Unterbringung und, soweit als möglich, auch die Vorsorgehaltung von Quartieren für Asylwerberinnen und Asylwerber deutlich professioneller und unter dem Strich auch deutlich kostengünstiger, als das im


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 332

alten System der Fall war, aufzustellen. Fehler der Vergangenheit aufzu­zeigen ist gut und wichtig, weil wir in der Politik und in der Verwaltung immer wieder vor Fehlern stehen, die manches Mal durchaus erhebliche Folgekosten haben können. Wir können aber aus Fehlern lernen, indem wir zunächst einmal analysieren, was schiefgelaufen ist, und dann festlegen, was wir beim nächsten Mal besser machen. Das haben wir in diesem Fall mit der BBU getan. Ich hoffe, dass ein nächster Bericht vor diesem Hintergrund anders ausfällt als der, den wir heute diskutieren. – Danke fürs Zuhören. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Angerer: Danke fürs Lob!)

19.15


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Stephanie Krisper. – Bitte.


19.15.10

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Rechnungshofpräsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Wir sind sehr froh, dass der Rechnungshof die Bundesbetreu­ungseinrichtungen und die Landesbetreuungseinrichtungen für Asylwerberinnen und Asylwerber geprüft hat. Schließlich hat es ein klares Ergebnis und klare Kritikpunkte gegeben.

Zu der Zeit nach 2015: Kritisiert wurden natürlich die langen Mietverträge und die langen Kündigungsfristen. Ein Kritikpunkt, der weiterhin gültig ist, war, dass das Innenministerium keinen Prozess und kein Konzept für den Fall, dass die Asylwerberzahl ansteigt, hat. Da wurden Einsparungen in der Höhe von vielen Millionen Euro unterlassen. Und das gilt bis heute.

Wir freuen uns wegen dieses andauernden Missstandes über den Bericht. Wenn der Rechnungshof – eine angesehene Einrichtung – nämlich Kritik an etwas, auf das wir schon seit Jahren aufmerksam machen, übt, bleiben wir optimistisch, dass das Innenministerium vielleicht dieses Mal reagiert. Wir konnten in den


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 333

letzten Jahren durch Anfragen die Missstände zwar aufzeigen und haben hof­fentlich auch der Bevölkerung bewusst gemacht, dass das Innenministerium da untätig bleibt, konnten aber mit unseren Anträgen keine Besserung bewirken.

Was müsste getan werden? Was versuchen wir durch Anträge zu bewirken? – Die Bundesländer müssten endlich, wie in der Grundversorgungsvereinbarung versprochen, Asylwerberinnen und Asylwerber von der Bundesbetreuung in die Landesbetreuung übernehmen. Außer Kärnten sind nur ÖVP-geführte Bun­desländer in Verzug und säumig. Die Bundesbetreuung kostet pro Monat 4 Millio­nen Euro mehr, als die Landesbetreuung kosten würde. Die Bundesbetreuung ist fast chronisch überfüllt, und dadurch ist es unmöglich, dann, wenn die Asyl­werberzahl steigt, spontan Personen aufzunehmen. So kommt es dazu, dass Zelte aufgestellt werden müssen.

Wir haben immer wieder entsprechende Anträge gestellt, damit die Bundes­länder endlich ihrer Pflicht nachkommen: auf Erhöhung der Tagessätze für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge – vertagt und im letzten Ausschuss wiederum vertagt. Genauso vertagt wurde unser Antrag, dass sich der Minister ein Durchgriffsrecht holt, wie damals auch Mikl-Leitner, um Quartiere schnell bereitstellen zu können, und auch jener, dass die Bundesländer, die ihrer Verpflichtung nicht nachkommen und keine Asylwerberinnen und Asylwerber aufnehmen, sanktioniert gehören. (Beifall bei den NEOS.)

Es wurde nur vertagt, damit wir hier im Plenum nicht darüber reden können, dass diese Anträge und diese Möglichkeiten seit vielen Jahren am Tisch liegen. Der Minister sagte im Ausschuss, er möchte das gar nicht, er lehnt das ab, weil er mit den Bundesländern auf Augenhöhe reden möchte. Das hat ja in den letzten Jahren großartig funktioniert! Ich glaube, da wird einem Minister nach dem ande­ren auf Augenhöhe ins Gesicht gelacht. Es funktioniert nicht, und das liegt in der Verantwortung der politischen Ebene des Innenministeriums, weil, wie Kollege Bürstmayr schon gesagt hat, die BBU großartige Arbeit leistet.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 334

Jetzt komme ich zum Absurden an der ganzen Chose: Die Mitarbeiter des Innenministeriums und der BBU können sich beim Minister, der politischen Ebene und auch bei der ÖVP bedanken, weil diese ihnen die Arbeit erschweren. Was passiert nämlich? – Die BBU versucht, in den Bundesländern, in den Gemeinden und Orten dafür zu werben, dass Landesbetreuungseinrichtungen eröffnet werden. Was aber macht die ÖVP auf politischer Ebene – sei es die ÖVP Niederösterreich, sei es der Wiener ÖVP-Chef Mahrer und die echten besorgten Bürger in seinem Video namens ÖVPler (Heiterkeit der Abg. Fischer), sei es der Innenminister selbst? – Sie nährt permanent populistische, rassistische Narrative, die natürlich eine Stimmung schaffen, in der die Bevölkerung an gewissen Orten sagt: Wir wollen nicht, dass ums Eck eine Betreuungseinrichtung aufsperrt!

Der Minister hat es auch wieder im Innenausschuss getan. Er hat völlig undifferenziert geredet und vom Zuzug ins Sozialsystem gesprochen, was bei Asylwerbern absurd und einfach faktisch falsch ist. (Abg. Loacker: Ist ein Niederösterreicher!) Das sollte er mittlerweile wissen, weil Asylberechtigte – und das sind schließlich Menschen, die von seinen Beamten bestätigt bekamen, dass sie echte Schutzsuchende sind – zuerst in die Mindestsicherung kommen.

Der Herr Innenminister spricht auch am liebsten nur von den Personen, die aus Urlaubsdestinationen kommen, und redet nicht darüber, dass gerade in Traiskirchen über die Hälfte der Menschen aus Kriegsgebieten kommen und dort seit Monaten, teilweise aber auch seit Jahren feststecken, viel zu viele, weil eben die Bundesländer sie nicht übernehmen. (Beifall bei den NEOS.)

Wozu führt diese eindimensionale, plumpe fremdenfeindliche Rederei der ÖVP letztlich? – Sie vergiftet die Stimmung so sehr, dass der Innenminister, ÖVP, den eigenen Mitarbeitern in der BBU eigentlich verunmöglicht, das Problem zu lösen. Dass also Chaos, höhere Kosten, Missmanagement bleiben und bleiben und bleiben, ist der ÖVP zu verdanken – oder vielleicht diesen Masterminds, die die Redeunterlagen für diese ÖVP-Politiker schreiben.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 335

Wir sehen es weiterhin als unsere Aufgabe an, dieses Narrativ zu falsifizieren, weil in Wahrheit die Mitarbeiter des Innenministeriums leiden, die Betroffenen in diesen Massenquartieren manchmal Jahre hausen müssen und natürlich auch die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler dafür aufkommen müssen. Und bis es so weit ist, gehe ich meiner Wege und träume, dass wir endlich einmal in diesem Land einen Innenminister – oder eine Innenministerin – bekommen, der sachlich, ruhig und differenziert seine Arbeit macht. Gerade in so einem menschen­recht­lich sensiblen Bereich wäre das nötig. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Michael Hammer: Ampelmännchen!)

19.21


Präsidentin Doris Bures: Nun ist Herr Abgeordneter Johann Singer zu Wort gemeldet. – Bitte.


19.21.26

Abgeordneter Johann Singer (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Präsidentin des Rechnungshofes! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Rechnungshofbericht betreffend Grundver­sorgung in Wien kam zustande, weil es eine mediale Berichterstattung über angebliche Gewährung von Grundversorgungsleistungen an nicht leistungsbe­rechtigte Personen in Wien gab.

Was bedeutet die Grundversorgung? – Die Grundversorgung dient der Versorgung von hilfs- und schutzbedürftigen Fremden wie Asylwerbern und umfasst insbesondere Unterbringung, Verpflegung und medizinische Ver­sorgung. Bei der Grundversorgung sind sowohl der Bund als auch die Länder gefordert. Konkret wurden vom Rechnungshof das Land Wien und das Bundesministerium für Inneres geprüft.

Welche Kritikpunkte wurden nun Wien betreffend festgehalten? – Weil Perso­nen mit bestimmten Aufenthaltstiteln keine anderen Unterstützungs­leistungen beziehen konnten, betreute Wien diese in der Grundversorgung, obwohl sie


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 336

dafür nicht anspruchsberechtigt waren. Ein weiterer Punkt betrifft Vollzugs­probleme, da wurden Stichprobenüberprüfungen gemacht. Die finanzielle Auswirkung der festgestellten Fehlauszahlungen lag in Summe bei rund 0,5 Prozent der ausgezahlten Grundversorgungsleistungen.

Kritisiert wurde auch der Umgang mit Auslandsaufenthalten von Personen in der Grundversorgung. Die Regelungen waren unklar und wurden unvollständig vollzogen, so der Rechnungshof. Da die Abwesenheit bei der Auszahlung der Leistung nicht bemerkt wurde, kam es zu Rückforderungen, beziehungsweise in manchen Fällen unterblieben auch diese Rückforderungen.

Zusammenfassend, sehr geehrte Damen und Herren, interpretiere ich die Kritikpunkte so, dass es eine Reihe von Verbesserungen braucht. Die medialen Vorwürfe wurden allerdings vom Rechnungshof nicht bestätigt.

Das Bundesministerium für Inneres wurde insbesondere in zwei Punkten kriti­siert: zum einen wegen der mangelnden Datenqualität und fehlender Kontroll­schritte im Betreuungsinformationssystem und zum anderen wegen einer fehlenden vollständig automatisierten Bund-Länder-Abrechnung und einer fehlenden einfacheren Kostenaufteilung. Seitens des Rechnungshofes wurde eine Pauschalierung vorgeschlagen.

Das Bundesministerium für Inneres signalisierte große Bereitschaft zur Umset­zung der Anregungen des Rechnungshofes. 51 Empfehlungen sind in Umsetzung beziehungsweise wurde zugesagt, sie umzusetzen, und damit wird ein Umset­zungsgrad von 83,6 Prozent, wie das Nachfrageverfahren zeigt, erreicht. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

19.24


Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich die Präsidentin des Rechnungshofes zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Präsidentin.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 337

19.24.48

Präsidentin des Rechnungshofes Dr. Margit Kraker: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Lassen Sie mich in aller Kürze noch auf die beiden nun zur Behandlung stehenden Berichte eingehen.

Der erste Bericht betrifft die Asylbetreuungseinrichtungen des Bundes. Es wurde schon gesagt, dass dieser Bericht auf Verlangen der FPÖ erstellt und im Jänner 2022 von uns veröffentlicht wurde. Es gab 29 Fragen im Verlangen, die wir im Bericht ausführlich zu beantworten versucht haben. Wir haben im Bericht eine Übersicht zu allen Standorten gegeben, inklusive der stillgelegten Einrichtungen und auch der Kosten pro Kapazität.

In diesem Zusammenhang muss erwähnt werden, dass die Migrationskrise im Jahr 2015/16 das Innenministerium vor große Herausforderungen gestellt hat, vor allem in Bezug auf die Schaffung ausreichender Unterbringungsmög­lichkeiten und in Bezug auf die Suche nach geeigneten Objekten.

Wir haben sämtliche Mietverträge, die im Zeitraum von 2013 bis 2020 abge­schlossen wurden, lückenlos überprüft und dabei festgestellt, dass die Verträge überwiegend marktüblich waren. Aber wir haben auch einige Vertragsabschlüsse und -bestandteile entdeckt, die für den Bund wirtschaftlich beziehungsweise rechtlich nachteilig waren, wie etwa Kündigungsverzichte von bis zu 15 Jahren, Vereinbarungen über erhöhte Instandhaltungspflichten oder überhöhte Miet­zinse. Das war zum Teil dem Zeitdruck geschuldet.

Die zentrale Empfehlung von unserer Seite an das Innenministerium ist daher, ein Konzept zur Bereithaltung von Vorsorgekapazitäten zu erstellen, um nicht erneut in ähnliche Situationen zu geraten, und natürlich dort, wo es möglich ist, Mietverträge nachzuverhandeln. Die Containerbeschaffung erfolgte zu spät, sodass dann keine entsprechende Auslastung gegeben war. Das heißt also, wir haben darauf hingewiesen, zeitgerecht eine Strategie für ein erneutes Ansteigen von Asylantragszahlen zu entwickeln und eine angemessene Vorsorge für schnell verfügbare und wieder rückführbare Kapazitäten zu entwickeln.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 338

Was den Bericht zur Grundversorgung in Wien betrifft, so bietet dieser sozusagen eine Übersicht im Hinblick auf die Zusammenarbeit und Abrechnung zwischen dem Bund und dem Land Wien. Er wurde auf Anregung des Stadtrats von Wien, Herrn Peter Hacker, erstellt.

Die Grundversorgung dient der Versorgung hilfs- und schutzbedürftiger Fremder. Die Leistung erhalten Asylwerber und Asylberechtigte in den ersten vier Monaten und subsidiär Schutzberechtigte. Die Grundversorgung hat Anknüpfungspunkte zu Bundes- und Landeszuständigkeiten und ist in einer 15a-Vereinbarung geregelt. In dieser ist auch die Kostenaufteilung im Verhältnis 60 : 40 verankert. Wenn die Asylverfahren länger als ein Jahr dauern, zahlt der Bund 100 Prozent.

Bei der Prüfung der Grundversorgung haben wir festgestellt, dass die Abrechnungen teilweise langwierig waren, dass es zu Verzögerungen kam und dass das System der Abrechnung im Wege des Betreuungsinformations­systems fehleranfällig war. Wir empfehlen daher, eine einfachere Regelung für die Kostenaufteilung zu finden, denn sonst ist das nicht effizient abzuwickeln.

Wir haben auch gemerkt, dass in rechtlich nicht schwierigen Fällen der Abrechnungsprozess lange dauerte. Da waren keine rechtlichen Fragen zu klären, und trotzdem war die Abrechnung sehr verzögert. Das heißt, Organisation, Prozesse und IT-Anwendungen zu optimieren wäre unsere Empfehlung.

Wichtig ist, in Bezug auf Standorte und Unterbringungsmöglichkeiten ein abgestimmtes Szenario zwischen Bund und Ländern zu finden. Wir haben dem Innenministerium empfohlen, gemeinsam mit den Ländern, Gemeinden und NGOs ein Konzept zu entwickeln, um gemeinsam für die Zukunft eine effektive und wirtschaftliche Vorgehensweise festzulegen. – Danke für die Aufmerk­samkeit. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP, SPÖ, FPÖ, NEOS und Grünen.)

19.29


Präsidentin Doris Bures: Danke, Frau Präsidentin.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 339

Nun gelangt Frau Abgeordnete Ruth Becher zu Wort. – Bitte.


19.29.19

Abgeordnete Mag. Ruth Becher (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Präsiden­tin des Rechnungshofes! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch ich möchte kurz zur Grundversorgung in Wien Stellung nehmen. Der Bericht geht ja – Sie haben das ja in Ihrer Stellungnahme gesagt – auf eine Anregung des Sozialstadtrates zurück und betrifft den Zeitraum 2014 bis 2018. In diesem Prüfungszeitraum kann man wirklich von einem Stresstest sprechen, denn die Herausforderungen für die Behörden waren damals aufgrund der großen Flucht­bewegung besonders groß. 2016 haben sich 87 000 Personen in der Grund­versorgung befunden, das sind viermal so viel, wie es 2014 waren.

Ich möchte noch einen wesentlichen Aspekt herausgreifen: Wien hat die zugeteilte Quote an den zu versorgenden Personen in der Grundversorgung um 70 Prozent übererfüllt, was einen wirklich wesentlichen Anteil an der Bewälti­gung der damaligen Herausforderungen ausgemacht hat.

Im Prüfbericht des Innenministeriums zur Abrechnung des Fonds Soziales Wien sind auch Fehlerquoten von 0,3 Prozent ausgewiesen. Das ist eigentlich relativ wenig und unterstreicht auch, dass hier unter sehr schwierigen Umständen nicht nur rasch und effizient, sondern auch korrekt gearbeitet wurde.

Die Schwachstelle, die der Rechnungshofbericht offenlegt, ist die mangelnde Transparenz durch mangelnde Dokumentation und auch die Vernetzung mit dem Innenministerium. Dazu muss man Folgendes sagen: Wenn es zwischen Bund und Ländern um die Grundversorgung geht und man nicht genau weiß, wie viel es tatsächlich kostet, ist das ein Missstand. Der Nationalrat hat sich auch für eine Evaluierung der Asyl- und Fremdenrechtsstatistik ausgesprochen sowie für eine umfassende Transparenz in Bezug auf die Daten des Innenministeriums.

Solange mit dem Thema Asyl Politik gemacht wird, sollte es zum Beispiel bei einem Thema wie der Grundversorgung auch volle Transparenz geben. Das


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 340

sprichwörtliche Tappen im Dunkeln ist einer sachlichen Diskussion nicht wirklich dienlich. (Beifall bei der SPÖ.)

Dass die Initiative der SPÖ für mehr Transparenz nicht unterstützt wurde, legt auch den Verdacht nahe, dass schlichtweg nicht allen politischen Kräften an voller Transparenz gelegen ist. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

19.32


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Hermann Weratschnig. – Bitte.


19.32.25

Abgeordneter Hermann Weratschnig, MBA MSc (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Rechnungshofpräsidentin! Zum krönenden Abschluss des heutigen Sitzungstages spreche ich noch zu den Rechnungshof­berichten betreffend Verkehrsstrafen und Parkraumbewirtschaftung in Wien.

Wir haben ja gestern einen, so glaube ich, sehr wichtigen Beschluss gefasst, indem wir das Kraftfahrzeuggesetz mit einem höheren Strafrahmen, was Handy am Steuer und Gurten- und Sturzhelmpflicht betrifft, beschlossen haben. Ich glaube, das ist ein wichtiger Beschluss für die Verkehrssicherheit, für weniger Leid bei den betroffenen Familien, Angehörigen, Freunden von Unfallopfern.

Zurück zum Bericht betreffend die Verkehrsstrafen: Der Rechnungshof bringt einen detaillierten Einblick in die Statistik der Verkehrsdelikte und Strafen. Ein paar Zahlen sind dabei interessant: Es gibt bundesweit 5 Millionen Delikte im Bereich der überhöhten und nicht angepassten Geschwindigkeit im Jahr und 28 500 Delikte im Zusammenhang mit Alkohol. Da ist es, glaube ich, positiv, dass diese Zahl rückläufig ist, weil diesbezüglich sehr viel kontrolliert wird, weil da auch immer wieder Verkehrskampagnen durchgeführt werden und Bewusst­seinsarbeit passiert. Nicht zu verachten ist die Zahl von über 240 000 Delikten im Bereich des Schwerverkehrs in Österreich, insgesamt im Verkehrsbereich


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 341

sind es 8,3 Millionen Delikte im Jahr – und das bei einer Einwohnerzahl von 9,1 Millionen in Österreich.

Der Rechnungshof hat, glaube ich, richtigerweise und völlig zu Recht die Defizite angeführt und erkannt, wo es hakt, nämlich an der Vereinheitlichung der Straf­höhen, an einheitlichen Strafkatalogen, an verkürzten Verfahren. Ich glaube, das sind wichtige Bereiche, wie auch ein koordinierteres Vorgehen bei Straftole­ran­zen. Da gilt es die Bundesländer aufzurufen, diesbezüglich noch mehr zu koope­rieren und zusammenzuarbeiten, dass wir das zusammenbringen und dass es da einen österreichweiten Konsens gibt.

Auch die Umsetzung eines bundesweit abrufbaren Verwaltungsstrafregisters ist, wie ich glaube, eine sehr wichtige Aufgabe, bezüglich der mir gesagt wird, dass das Bundeskanzleramt da gefordert ist und gerade daran arbeitet. Das ist vor allem auch wichtig für jene Maßnahmen, die wir vorhaben, etwa was die Beschlagnahme betrifft. Das ist ein Punkt, den wir auch, so hoffe ich, im nächs­ten Verkehrsausschuss behandeln werden.

Noch ganz kurz zur Parkraumbewirtschaftung: Die Prüfung in Wien zeigt auf, welche Kriterien bei der Parkraumbewirtschaftung wichtig sind und was überhaupt bei diesem Lenkungsinstrument wichtig ist, nämlich den öffentlichen Raum fair zu verteilen und zu gestalten – nachvollziehbar und effizient, wenn es da nach dem Rechnungshof geht – und Bedürfnisse auszuloten. Der Bericht zeigt auch, dass die Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung in Wien positiv war und auch, glaube ich, eine wichtige politische Entscheidung war, die damals gefasst wurde. Dies zeigt auch auf, wie wichtig es ist, diese Bedürfnisse auch dementsprechend nachvollziehbar und effizient auszuloten.

Am Ende bleibt mir, ein Danke zu sagen an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Rechnungshofes, an Sie, geschätzte Frau Rechnungshofpräsidentin, und als letzter Redner heute möchte ich auch noch einen Schlussappell an uns richten: Mehr Raum für die Allgemeinheit! Das ist in Wirklichkeit schlussendlich ein Faktum, das von allen Farben im Verkehrsbereich geliebt wird.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 342

Und wenn ich von allen Farben spreche, so wünsche ich allen Abgeordneten, allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, allen Zuseherinnen und Zusehern ein farben­frohes Osterfest – und beim Osterfest nicht vergessen: Der Osterhase freut sich über regionale Freilandeier. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

19.36 19.36.44


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist tatsächlich niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist somit geschlossen.

Wird seitens der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Damit würde ich jetzt alle ersuchen, ihre Plätze einzunehmen, sodass wir in den Abstimmungsvorgang eintreten können.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 20: Antrag des Rechnungshofausschusses, den Bericht betreffend Asylbetreuungseinrichtungen des Bundes, III-538 der Beilagen, zur Kenntnis zu nehmen.

Wer ist für diese Kenntnisnahme? – Der Bericht ist einstimmig - - Herr Abgeordneter Graf, stimmen Sie zu? (Abg. Martin Graf steht von seinem Sitzplatz auf.) – Einstimmig angenommen.

Damit kommen wir zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 21: Antrag des Rechnungshofausschusses, den Bericht betreffend Grundversorgung in Wien, III-246 der Beilagen, zur Kenntnis zu nehmen.

Auch dieser Bericht ist jetzt einstimmig zur Kenntnis genommen.

Tagesordnungspunkt 22: Antrag des Rechnungshofausschusses, den Bericht betreffend Erweiterung der Parkraumbewirtschaftung Wien – Follow-up-Überprüfung, III-196 der Beilagen, zur Kenntnis zu nehmen.

Wer stimmt der Kenntnisnahme zu? – Auch dieser Bericht ist einstimmig zur Kenntnis genommen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung, 207. Sitzung des Nationalrats vom 30. März 2023 / Seite 343

Abstimmung über Tagesordnungspunkt 23: Antrag des Rechnungshofaus­schusses, den Bericht betreffend Verkehrsstrafen – Follow-up-Überprüfung, III-823 der Beilagen, zur Kenntnis zu nehmen.

Auch dieser Bericht ist einstimmig zur Kenntnis genommen.

Ich gebe noch bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen - - Entschuldigung!

Die Tagesordnung ist erschöpft. (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten von ÖVP, SPÖ und Grünen.)

19.38.52Einlauf


Präsidentin Doris Bures: Ich habe trotzdem noch etwas bekannt zu geben, nämlich dass die Selbständigen Anträge 3292/A bis 3309/A eingebracht worden sind.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die geschäftsordnungsmäßige Mittei­lun­gen und Zuweisungen betreffen wird, berufe ich für 19.39 Uhr – das ist gleich im Anschluss an diese Sitzung – ein.

Diese Sitzung ist geschlossen.

19.39.26Schluss der Sitzung: 19.39 Uhr

 

Impressum:

Parlamentsdirektion

1017 Wien