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Plenarsitzung

des Nationalrates

Stenographisches Protokoll

 

189. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

Mittwoch, 14. Dezember 2022

XXVII. Gesetzgebungsperiode

 

 

 

Großer Redoutensaal


 

Stenographisches Protokoll

189. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXVII. Gesetzgebungsperiode               Mittwoch, 14. Dezember 2022

Dauer der Sitzung

Mittwoch, 14. Dezember 2022: 9.05 – 22.29 Uhr

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Tagesordnung

1. Punkt: Bericht über den Antrag 3003/A der Abgeordneten Dr. Christian Stocker, Mag. Georg Bürstmayr, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, das Niederlas­sungs- und Aufenthaltsgesetz, das BFA-Verfahrensgesetz und das Asylgesetz 2005 geändert werden

2. Punkt: Bericht über den Antrag 2981/A der Abgeordneten Mag. Wolfgang Gerstl, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, das Verwaltungsrecht­liche COVID-19-Begleitgesetz und das COVID-19 Begleitgesetz Vergabe geändert werden

3. Punkt: Bericht über den Antrag 3010/A der Abgeordneten Peter Haubner, Dr. Elisabeth Götze, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Kontrolle von ausländischen Direktinvest­itionen (Investitionskontrollgesetz – InvKG) geändert wird

4. Punkt: Bericht über den Antrag 3011/A der Abgeordneten Peter Haubner, Dr. Elisabeth Götze, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit


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dem das Bilanzbuchhaltungsgesetz 2014 und das Wirtschaftstreuhandberufs­gesetz 2017 geändert werden

5. Punkt: Bericht über den Antrag 2979/A der Abgeordneten Tanja Graf, Ing. Martin Litschauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das E-Control-Gesetz geändert wird

6. Punkt: Bericht über den Antrag 2999/A der Abgeordneten Tanja Graf, Ing. Martin Litschauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz geändert wird

7. Punkt: Bericht und Antrag über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Bundesgesetz, mit dem die Organisation auf dem Gebiet der Elektrizi­tätswirtschaft neu geregelt wird (Elektrizitätswirtschafts- und -organisations­gesetz 2010 – ElWOG 2010), geändert wird

8. Punkt: Tätigkeitsbericht der Bundeswettbewerbsbehörde für das Jahr 2021

9. Punkt: Bericht über den Antrag 2997/A der Abgeordneten August Wöginger, Mag. Markus Koza, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Nachtschwerarbeitsgesetz und Art. V des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 473/1992 geändert werden

10. Punkt: Bericht über den Antrag 2717/A der Abgeordneten August Wöginger, Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Bundespflegegeldgesetz geändert wird

11. Punkt: Bericht über den Antrag 2424/A(E) der Abgeordneten Mag. Christian Drobits, Kolleginnen und Kollegen betreffend Pflege und Betreuung ist Schwer(st)arbeit

12. Punkt: Bericht über den Antrag 1792/A(E) der Abgeordneten Fiona Fiedler, BEd, Kolleginnen und Kollegen betreffend Automatische Fotoimple­mentierung bei Beantragung eines Behindertenpasses aus nationalen Datenbanken


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13. Punkt: Bericht über den Antrag 2965/A der Abgeordneten Bettina Zopf, Mag. Markus Koza, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsmarktservicegesetz geändert wird

14. Punkt: Bericht über den Antrag 2987/A(E) der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Arbeitslosenversiche­rungssystem und AMS-Schulungen dürfen nicht zum Ausländer-Arbeitsamt verkommen – Stopp der weiteren unqualifizierten Zuwanderung in den österreichischen Arbeitsmarkt und den Sozialstaat

15. Punkt: Bericht über den Antrag 3021/A der Abgeordneten Dipl.-Kffr. (FH) Eli­sabeth Pfurtscheller, Mag. Markus Koza, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz geändert wird

16. Punkt: Bericht über den Antrag 2986/A(E) der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Zuwanderungsstopp in den österreichischen Sozialstaat jetzt – „Unser Geld für unsere Leute“

17. Punkt: Bericht über den Antrag 3013/A der Abgeordneten August Wöginger, Mag. Markus Koza, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Kriegsopferversorgungsgesetz 1957, das Opferfürsorge­gesetz, das Impfschadengesetz, das Verbrechensopfergesetz und das Heimopferrentengesetz geändert werden

18. Punkt: Bericht über den Antrag 2966/A der Abgeordneten August Wöginger, Dipl.-Ing. Olga Voglauer, Kolleginnen und Kollegen betref­­fend ein Bundesgesetz, mit dem das Bauern-Sozialversicherungsgesetz geändert wird

19. Punkt: Bericht über den Antrag 3012/A der Abgeordneten August Wöginger, Mag. Markus Koza, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geän­dert wird


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20. Punkt: Bericht über den Antrag 2937/A(E) der Abgeordneten Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Aktion 60 plus für den österreichischen Arbeitsmarkt

21. Punkt: Bericht über den Antrag 2985/A(E) der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Echte Pensionsanpassung statt sozialpolitischem Falschspielertrick

22. Punkt: Bericht über den Antrag 2960/A der Abgeordneten Dr. Josef Smolle, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Einrichtung eines Covid-19-Lagers und über die Verfügung über Bundesvermögen bei Abgabe aus diesem Lager geändert wird

23. Punkt: Bericht über den Antrag 3020/A der Abgeordneten Dr. Josef Smolle, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialver­sicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversiche­rungsgesetz, das Allgemeine Pensionsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das COVID-19-Zweckzuschussgesetz, das Bundesgesetz, mit dem zur Abdeckung des Bedarfes zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie Ermächtigungen zur Verfügung über Bundesvermögen erteilt werden, das Gehaltsgesetz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948 und das Gesundheitstelematikgesetz 2012 geändert werden

24. Punkt: Bericht und Antrag über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz geändert wird

25. Punkt: Bericht über den Antrag 2961/A der Abgeordneten Dr. Josef Smolle, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird

26. Punkt: Bericht über den Antrag 2962/A der Abgeordneten Dr. Josef Smolle, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein


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Bundesgesetz, mit dem das Zahnärztegesetz und das Zahnärztekammergesetz geändert werden (Fachzahnarzt-Kieferorthopädie-Gesetz – FZA-KFO-G)

27. Punkt: Bericht über den Antrag 3014/A der Abgeordneten Dr. Josef Smolle, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Ärztegesetz 1998 geändert wird

28. Punkt: Bundesgesetz über eine Fachstelle zur Wahrnehmung der Interessen von Verbraucherinnen und Verbrauchern sowie von Menschen mit Behinde­run­gen in der Normung (Fachstelle-Normungsbeteiligung-Gesetz – FNBG)

29. Punkt: Bericht über den Antrag 3016/A(E) der Abgeordneten Mag. Ulrike Fischer, Mag. Peter Weidinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Förderkonzept zur Sicherstellung einer langfristigen Finanzierung von Verbraucherschutzorganisationen insbesondere des VKI“

30. Punkt: Bericht über den Antrag 2900/A(E) der Abgeordneten Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Durchführung einer Haltbarkeits­analyse und Einsatz für eine Anpassung der europäischen Regelungen betref­fend die Verkaufsfrist von Eiern“ bis zum 31. März 2023

31. Punkt: Bericht über den Antrag 2978/A(E) der Abgeordneten Dr. Astrid Rössler, Johannes Schmuckenschlager, Julia Elisabeth Herr, Walter Rauch, Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend Importverbot von Haiprodukten

32. Punkt: Bericht über den Antrag 2969/A(E) der Abgeordneten Ing. Martin Litschauer, Johannes Schmuckenschlager, Julia Elisabeth Herr, Kolleginnen und Kollegen betreffend Neubaupläne von Small Modular Reactors (SMRs) in Tschechien

33. Punkt: Bericht betreffend ÖBB-Rahmenplan 2023-2028


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34. Punkt: Bericht über den Antrag 2956/A(E) der Abgeordneten Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Aussetzung der Mautpflicht in Form der Vignette für Österreicher

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Inhalt

Personalien

Verhinderungen ......................................................................................................     27

Geschäftsbehandlung

Antrag des Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, MA, gemäß § 49 Abs. 5 GOG die Tagesordnungspunkte 5 bis 7 sowie 31 bis 34 von der Tagesord­nung abzusetzen – Ablehnung .................................................................  78, 89

Wortmeldungen im Zusammenhang mit dem Antrag auf Absetzung der Tages­ordnungspunkte 5 bis 7 sowie 31 bis 34:

Lukas Hammer .........................................................................................................     81

Mag. Jörg Leichtfried ...............................................................................................     83

Christian Hafenecker, MA .......................................................................................     85

August Wöginger .....................................................................................................     87

Antrag des Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried im Sinne des § 18 Abs. 3 auf Anwesenheit der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie – Ablehnung ...........................  83, 89

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 5 GOG .............................................................................................................     90

Wortmeldungen im Zusammenhang mit dem Misstrauensantrag der Abge­ordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen:

August Wöginger .....................................................................................................  103

Christian Hafenecker, M


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A .......................................................................................  104

Antrag der Abgeordneten Tanja Graf, Lukas Hammer, Kolleginnen und Kolle­gen, den Antrag 2979/A der Abgeordneten Tanja Graf, Ing. Martin Litschauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „ein Bundesgesetz, mit dem das E-Control-Gesetz geändert wird“, in der Fassung des Aus­schuss­berichtes 1896 d.B. gemäß § 53 Abs. 6 Z 2 GOG an den Ausschuss für Wirtschaft, Industrie und Energien rückzuverweisen – Annahme .  188, 188

Fragestunde (17.)

EU und Verfassung ................................................................................................     28

Mag. (FH) Kurt Egger (210/M)

Mag. Jörg Leichtfried (220/M); Mag. Romana Deckenbacher, Dr. Johannes Margreiter

Petra Steger (214/M); Michel Reimon, MBA, Mag. Wolfgang Gerstl

Mag. Eva Blimlinger (218/M)

Dr. Johannes Margreiter (223/M)

Mag. Martin Engelberg (211/M); Sabine Schatz

Mag. Selma Yildirim (221/M); Mag. Andreas Hanger, Mag. Christian Ragger

Dr. Susanne Fürst (215/M)

Mag. Agnes Sirkka Prammer (219/M); Mag. Jörg Leichtfried

Dr. Nikolaus Scherak, MA (224/M); Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich, Dr. Helmut Brandstätter

Mag. Wolfgang Gerstl (212/M); Dr. Ewa Ernst-Dziedzic, Dr. Harald Troch

Dr. Harald Troch (222/M); Dr. Susanne Fürst

Mag. Ernst Gödl (213/M)


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Bundesregierung

Vertretungsschreiben ............................................................................................     27

Ausschüsse

Zuweisungen ............................................................................................  76, 188

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kolle­gen an den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft betreffend „der Stillstand in der Regierung, darf nicht zum Stillstand der Wirtschaft werden: Arbeitsmarktreform jetzt!“ (13233/J) ..................................................................  255

Begründung: Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES ...................................................  274

Bundesminister Mag. Dr. Martin Kocher ...............................................................  283

Debatte:

Mag. Gerald Loacker ................................................................................................  296

August Wöginger .....................................................................................................  300

Josef Muchitsch .......................................................................................................  307

Peter Wurm ..............................................................................................................  313

Mag. Markus Koza ...................................................................................................  318

Dr. Stephanie Krisper ..............................................................................................  321

Mag. (FH) Kurt Egger ...............................................................................................  325

Melanie Erasim, MSc ...............................................................................................  327

Erwin Angerer ..........................................................................................................  329

Dr. Elisabeth Götze ..................................................................................................  332

Mag. Julia Seidl ........................................................................................................  335

Bettina Zopf .............................................................................................................  337

Mag. Verena Nussbaum ..........................................................................................  340

Mag. Meri Disoski ....................................................................................................  342

Michael Bernhard ....................................................................................................  345


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll189. Sitzung, 189. Sitzung des Nationalrats vom 14. Dezember 2022 / Seite 9

Rudolf Silvan ............................................................................................................  349

Nico Marchetti .........................................................................................................  351

Entschließungsantrag der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Arbeitsmarktreform jetzt umsetzen“ – Ablehnung ..  311, 353

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 3003/A der Abgeordneten Dr. Christian Stocker, Mag. Georg Bürstmayr, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Staatsbürger­schafts­gesetz 1985, das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, das BFA-Ver­fahrensgesetz und das Asylgesetz 2005 geändert werden (1868 d.B.) ..........     90

2. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 2981/A der Abgeordneten Mag. Wolfgang Gerstl, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, das Verwaltungsrechtliche COVID-19-Begleitgesetz und das COVID-19 Begleitgesetz Vergabe geändert werden (1869 d.B.) .....     91

Redner:innen:

Mag. Hannes Amesbauer, BA .................................................................................     91

Johann Singer ...........................................................................................................  105

Dr. Johannes Margreiter .........................................................................................  107

Mag. Jörg Leichtfried ...............................................................................................  108

Dr. Susanne Fürst .....................................................................................................  110

Mag. Georg Bürstmayr ............................................................................................  112

Christian Hafenecker, MA .......................................................................................  113

Andreas Minnich ......................................................................................................  116

Ing. Reinhold Einwallner ..........................................................................................  117


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll189. Sitzung, 189. Sitzung des Nationalrats vom 14. Dezember 2022 / Seite 10

Entschließungsantrag der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend „Transparenzbericht über Ausgaben für die ‚neue Völker­wanderung‘ – Kostenwahrheit für die Steuerzahler!“ – Ablehnung .  98, 119

Entschließungsantrag (Misstrauensantrag) der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Versagen des Vertrauens gegenüber der Bundesregierung“ und den Staatssekretär:innen gemäß Art. 74 Abs. 1 B-VG – Ablehnung ................................................................................  100, 120

Annahme der beiden Gesetzentwürfe in 1868 und 1869 d.B. ........................  119

Gemeinsame Beratung über

3. Punkt: Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über den Antrag 3010/A der Abgeordneten Peter Haubner, Dr. Elisabeth Götze, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Kontrolle von ausländischen Direktinvestitionen (Investitionskontrollgesetz – InvKG) geändert wird (1894 d.B.) ......................  121

4. Punkt: Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über den Antrag 3011/A der Abgeordneten Peter Haubner, Dr. Elisabeth Götze, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bilanzbuchhaltungsgesetz 2014 und das Wirtschaftstreuhandberufs­gesetz 2017 geändert werden (1895 d.B.) ..........................................................  121

Redner:innen:

Mag. Gerald Loacker ................................................................................................  121

Peter Haubner ..........................................................................................................  123

Dr. Christoph Matznetter ........................................................................................  124

Erwin Angerer ..........................................................................................................  127

Dr. Elisabeth Götze ..................................................................................................  129

Eva-Maria Himmelbauer, BSc .................................................................................  131

Mag. Dr. Petra Oberrauner .....................................................................................  133


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Franz Hörl .................................................................................................................  135

Cornelia Ecker ..........................................................................................................  137

Annahme der beiden Gesetzentwürfe in 1894 und 1895 d.B. ........................  189

Gemeinsame Beratung über

5. Punkt: Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über den Antrag 2979/A der Abgeordneten Tanja Graf, Ing. Martin Litschauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das E-Control-Gesetz geändert wird (1896 d.B.) ......................................  138

6. Punkt: Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über den Antrag 2999/A der Abgeordneten Tanja Graf, Ing. Martin Litschauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz geändert wird (1897 d.B.) .................  138

7. Punkt: Bericht und Antrag des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Bundes­gesetz, mit dem die Organisation auf dem Gebiet der Elektrizitätswirtschaft neu geregelt wird (Elektrizitätswirtschafts- und -organisations­gesetz 2010 – ElWOG 2010), geändert wird (1898 d.B.) ...........................................................  138

Redner:innen:

Alois Schroll ..............................................................................................................  139

Tanja Graf .................................................................................................................  141

MMMag. Dr. Axel Kassegger ..................................................................................  144

Lukas Hammer .........................................................................................................  148

Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer ..................................................................................  150

Bundesminister Johannes Rauch ............................................................................  153

Christoph Stark ........................................................................................................  155

Erwin Angerer ..........................................................................................................  162

Ing. Martin Litschauer .............................................................................................  170


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll189. Sitzung, 189. Sitzung des Nationalrats vom 14. Dezember 2022 / Seite 12

Laurenz Pöttinger ....................................................................................................  172

Johann Höfinger ......................................................................................................  175

Entschließungsantrag der Abgeordneten Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „gesetzeskonforme Grundversorgungstarife bei Energielieferanten in Österreich“ – Ablehnung ................................  165, 191

Entschließungsantrag der Abgeordneten Lukas Hammer, Tanja Graf, Alois Schroll, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Beschaffungskosten Netzverlustenergie“ – Annahme (283/E) ...........................................  173, 191

Rückverweisung des Antrages 2979/A an den Ausschuss für Wirtschaft, Industrie und Energie .............................................................................................  188

Annahme der beiden Gesetzentwürfe in 1897 und 1898 d.B. ........................  190

8. Punkt: Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über den Tätigkeitsbericht der Bundeswettbewerbsbehörde für das Jahr 2021, vorgelegt vom Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft (III-803/1893 d.B.) ........................................................................................................  177

Redner:innen:

Andreas Kühberger ..................................................................................................  177

Maximilian Lercher ..................................................................................................  180

Erwin Angerer ..........................................................................................................  181

Dr. Elisabeth Götze ..................................................................................................  183

Mag. Gerald Loacker ................................................................................................  185

Bundesminister Mag. Dr. Martin Kocher ...............................................................  186

Kenntnisnahme des Berichtes III-803 d.B. ..........................................................  192

Gemeinsame Beratung über

9. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 2997/A der Abgeordneten August Wöginger, Mag. Markus Koza, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll189. Sitzung, 189. Sitzung des Nationalrats vom 14. Dezember 2022 / Seite 13

Nachtschwerarbeitsgesetz und Art. V des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 473/1992 geändert werden (1821 d.B.) .......................................................  192

10. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 2717/A der Abgeordneten August Wöginger, Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundespflegegeldgesetz geändert wird (1824 d.B.) ..........................................  192

11. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 2424/A(E) der Abgeordneten Mag. Christian Drobits, Kolleginnen und Kollegen betreffend Pflege und Betreuung ist Schwer(st)arbeit (1830 d.B.) ...............................................................................................................  192

12. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 1792/A(E) der Abgeordneten Fiona Fiedler, BEd, Kolleginnen und Kollegen betreffend Automatische Fotoimplementierung bei Beantragung eines Behindertenpasses aus nationalen Datenbanken (1831 d.B.) ................  192

Redner:innen:

Josef Muchitsch .......................................................................................................  193

Bedrana Ribo, MA ....................................................................................................  196

Henrike Brandstötter (tatsächliche Berichtigung) ...............................................  204

Mag. Christian Ragger .............................................................................................  205

August Wöginger .....................................................................................................  212

Mag. Christian Drobits (tatsächliche Berichtigung) .............................................  216

Fiona Fiedler, BEd ....................................................................................................  217

Bundesminister Johannes Rauch ............................................................................  223

Alois Stöger, diplômé (tatsächliche Berichtigung) ................................................  227

Mag. Ernst Gödl .......................................................................................................  228

Dietmar Keck ...........................................................................................................  230

Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler ..........................................................................  232

Peter Wurm ..............................................................................................................  235

Bedrana Ribo, MA ....................................................................................................  238


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll189. Sitzung, 189. Sitzung des Nationalrats vom 14. Dezember 2022 / Seite 14

Mag. Christian Drobits ............................................................................................  239

Mag. Gerhard Kaniak ..............................................................................................  246

Nurten Yılmaz ..........................................................................................................  248

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Pflegeprämie muss auch in Kärnten und allen anderen Bundesländern 2.000 Euro netto betragen!“ – Ablehnung ......  208, 384

Entschließungsantrag der Abgeordneten Fiona Fiedler, BEd, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Kostenanalyse Pflege“ – Ablehnung .............  220, 384

Entschließungsantrag der Abgeordneten Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Anerkennung für die Leistung der Gesundheitsberufe durch Auszahlung eines beitrags- und steuerfreien Entgeltbonus zum Ausdruck bringen“ – Ablehnung .........................................................  242, 384

Annahme der beiden Gesetzentwürfe in 1821 und 1824 d.B. ........................  382

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 1830 d.B. ..........................................  384

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 1831 d.B. beigedruckten Entschließung betreffend „Automatische Fotoimplementierung bei Beantragung eines Behindertenpass aus nationalen Datenbanken“ (284/E) .....  385

Gemeinsame Beratung über

13. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 2965/A der Abgeordneten Bettina Zopf, Mag. Markus Koza, Kolle­gin­nen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeits­marktservicegesetz geändert wird (1819 d.B.) ...................................................  252

14. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 2987/A(E) der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Kollegin­nen und Kollegen betreffend Arbeitslosenversicherungssystem und AMS-Schulungen dürfen nicht zum Ausländer-Arbeitsamt verkommen –


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll189. Sitzung, 189. Sitzung des Nationalrats vom 14. Dezember 2022 / Seite 15

Stopp der weiteren unqualifizierten Zuwanderung in den österreichischen Arbeitsmarkt und den Sozialstaat (1820 d.B.) ....................................................  252

15. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 3021/A der Abgeordneten Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller, Mag. Markus Koza, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz geändert wird (1822 d.B.) ......................................................................................................  252

16. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 2986/A(E) der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Kollegin­nen und Kollegen betreffend Zuwanderungsstopp in den österreichi­schen Sozialstaat jetzt – „Unser Geld für unsere Leute“ (1832 d.B.) ..............  252

Redner:innen:

Peter Wurm ..............................................................................................................  253

Mag. Markus Koza ...................................................................................................  353

Mag. Gerald Loacker ................................................................................................  355

Josef Muchitsch .......................................................................................................  356

Mag. Hannes Amesbauer, BA .................................................................................  358

Bettina Zopf .............................................................................................................  363

Barbara Neßler ........................................................................................................  364

Petra Wimmer ..........................................................................................................  365

Rebecca Kirchbaumer ..............................................................................................  366

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Zuwanderungsstopp – Maßnahmen zur Eindämmung der neuen Völkerwanderung“ – Ablehnung ........  360, 386

Annahme der beiden Gesetzentwürfe in 1819 und 1822 d.B. ........................  385

Kenntnisnahme der beiden Ausschussberichte 1820 und 1832 d.B. .............  385

Gemeinsame Beratung über


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll189. Sitzung, 189. Sitzung des Nationalrats vom 14. Dezember 2022 / Seite 16

17. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 3013/A der Abgeordneten August Wöginger, Mag. Markus Koza, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kriegsopferversorgungsgesetz 1957, das Opferfürsorgegesetz, das Impf­schadengesetz, das Verbrechensopfergesetz und das Heimopferren­tengesetz geändert werden (1825 d.B.) ..............................................................  369

18. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 2966/A der Abgeordneten August Wöginger, Dipl.-Ing. Olga Voglauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bauern-Sozialversicherungsgesetz geändert wird (1826 d.B.) ..................  369

19. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 3012/A der Abgeordneten August Wöginger, Mag. Markus Koza, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (1827 d.B.) ..............................................................................................................  369

20. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 2937/A(E) der Abgeordneten Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Aktion 60 plus für den österreichischen Arbeitsmarkt (1828 d.B.) ...............................................................................................................  369

21. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 2985/A(E) der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Echte Pensionsanpassung statt sozialpolitischem Falschspielertrick (1829 d.B.) .................................................  369

Redner:innen:

Mag. Verena Nussbaum ..........................................................................................  370

Mag. Markus Koza ...................................................................................................  371

Erwin Angerer ..........................................................................................................  373

Mag. Ernst Gödl .......................................................................................................  374


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll189. Sitzung, 189. Sitzung des Nationalrats vom 14. Dezember 2022 / Seite 17

Mag. Gerald Loacker ................................................................................................  376

Clemens Stammler ...................................................................................................  377

Alois Stöger, diplômé ...............................................................................................  379

Bettina Zopf .............................................................................................................  380

Annahme der drei Gesetzentwürfe in 1825, 1826 und 1827 d.B. ..................  386

Kenntnisnahme der beiden Ausschussberichte 1828 und 1829 d.B. .............  387

Gemeinsame Beratung über

22. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 2960/A der Abgeordneten Dr. Josef Smolle, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Einrichtung eines Covid-19-Lagers und über die Verfügung über Bundes­vermögen bei Abgabe aus diesem Lager geändert wird (1885 d.B.) ...............  388

23. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 3020/A der Abgeordneten Dr. Josef Smolle, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozial­ver­sicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Allgemeine Pensionsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das COVID-19-Zweck­zuschuss­gesetz, das Bundesgesetz, mit dem zur Abdeckung des Bedarfes zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie Ermächtigungen zur Verfügung über Bundesvermögen erteilt werden, das Gehaltsgesetz 1956, das Vertrags­bedienstetengesetz 1948 und das Gesundheitstelematikgesetz 2012 geändert werden (1886 d.B.) ................................................................................  388

24. Punkt: Bericht und Antrag des Gesundheitsausschusses über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Gesundheits- und Kranken­pflegegesetz geändert wird (1887 d.B.) ...............................................................  388


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll189. Sitzung, 189. Sitzung des Nationalrats vom 14. Dezember 2022 / Seite 18

25. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 2961/A der Abgeordneten Dr. Josef Smolle, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialver­sicherungsgesetz geändert wird (1890 d.B.) .......................................................  388

Redner:innen:

Dietmar Keck ...........................................................................................................  389

Ralph Schallmeiner ..................................................................................................  390

Mag. Gerhard Kaniak ..............................................................................................  392

Mag. Michael Hammer ............................................................................................  396

Fiona Fiedler, BEd ....................................................................................................  397

Bundesminister Johannes Rauch ............................................................................  398

Martina Diesner-Wais .............................................................................................  399

Mag. Christian Drobits ............................................................................................  400

Mag. Gerald Hauser .................................................................................................  402

Annahme der vier Gesetzentwürfe in 1885, 1886, 1887 und 1890 d.B. .......  418

Gemeinsame Beratung über

26. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 2962/A der Abgeordneten Dr. Josef Smolle, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Zahnärztegesetz und das Zahnärztekammergesetz geändert werden (Fachzahnarzt-Kieferortho­pädie-Gesetz – FZA-KFO-G) (1888 d.B.) ............................................................  405

27. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 3014/A der Abgeordneten Dr. Josef Smolle, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ärztegesetz 1998 geändert wird (1889 d.B.) ......................................................................................  405

Redner:innen:

Rudolf Silvan ............................................................................................................  405

Ralph Schallmeiner ..................................................................................................  406


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll189. Sitzung, 189. Sitzung des Nationalrats vom 14. Dezember 2022 / Seite 19

Mag. Gerhard Kaniak ..............................................................................................  409

Dr. Werner Saxinger, MSc .......................................................................................  411

Philip Kucher ............................................................................................................  413

Fiona Fiedler, BEd ....................................................................................................  416

Annahme der beiden Gesetzentwürfe in 1888 und 1889 d.B. ........................  420

28. Punkt: Bericht des Ausschusses für Konsumentenschutz über die Regie­rungsvorlage (1752 d.B.): Bundesgesetz über eine Fachstelle zur Wahr­nehmung der Interessen von Verbraucherinnen und Verbrauchern sowie von Menschen mit Behinderungen in der Normung (Fachstelle-Normungs­beteiligung-Gesetz – FNBG) (1870 d.B.) .............................................................  420

Redner:innen:

Mag. Ulrike Fischer ..................................................................................................  421

Elisabeth Feichtinger, BEd BEd ...............................................................................  423

Peter Wurm ..............................................................................................................  424

Mag. Peter Weidinger ..............................................................................................  426

Bundesminister Johannes Rauch ............................................................................  429

Annahme des Gesetzentwurfes in 1870 d.B. .....................................................  459

29. Punkt: Bericht des Ausschusses für Konsumentenschutz über den Antrag 3016/A(E) der Abgeordneten Mag. Ulrike Fischer, Mag. Peter Weidinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Förderkonzept zur Sicherstellung einer langfristigen Finanzierung von Verbraucher­schutz­organisationen insbesondere des VKI“ (1871 d.B.) ............................................  430

Redner:innen:

Mag. Christian Drobits ............................................................................................  430

Hermann Weratschnig, MBA MSc ..........................................................................  432

Christian Ries ...........................................................................................................  434

Ing. Mag. (FH) Alexandra Tanda .............................................................................  440

Petra Wimmer ..........................................................................................................  442


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll189. Sitzung, 189. Sitzung des Nationalrats vom 14. Dezember 2022 / Seite 20

MMag. Katharina Werner, Bakk. ............................................................................  444

Mag. Ulrike Fischer ..................................................................................................  445

Entschließungsantrag der Abgeordneten Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Ein Bundesgesetz betreffend VKI-Finanzierungs­ge­setz 2023“ – Ablehnung .......................................................................  436, 459

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 1871 d.B. beigedruckten Entschließung betreffend „Förderkonzept zur Sicherstellung einer langfris­tigen Finanzierung von Verbraucherschutzorganisationen insbesondere des VKI“ (285/E) ............................................................................................................  459

30. Punkt: Bericht des Ausschusses für Konsumentenschutz über den Antrag 2900/A(E) der Abgeordneten Peter Wurm, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend „Durchführung einer Haltbarkeitsanalyse und Einsatz für eine Anpassung der europäischen Regelungen betreffend die Verkaufsfrist von Eiern“ bis zum 31. März 2023 (1872 d.B.) ...................................................  446

Redner:innen:

Klaus Köchl ...............................................................................................................  447

Clemens Stammler ...................................................................................................  448

Peter Schmiedlechner ..............................................................................................  450

Andreas Kühberger ..................................................................................................  454

Mag. Ulrike Fischer ..................................................................................................  457

Entschließungsantrag der Abgeordneten Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Schluss mit den leeren Versprechen: für eine lückenlose Herkunftskennzeichnung von Lebensmitteln“ – Ablehnung ...  452, 460

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 1872 d.B. ..........................................  460

31. Punkt: Bericht des Umweltausschusses über den Antrag 2978/A(E) der Abgeordneten Dr. Astrid Rössler, Johannes Schmuckenschlager, Julia Elisabeth Herr, Walter Rauch, Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend Importverbot von Haiprodukten (1873 d.B.) ..................................  460


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll189. Sitzung, 189. Sitzung des Nationalrats vom 14. Dezember 2022 / Seite 21

Redner:innen:

Lukas Hammer .........................................................................................................  460

Julia Elisabeth Herr ..................................................................................................  462

Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich ...............................................................................  465

Michael Bernhard ....................................................................................................  467

Dr. Astrid Rössler .....................................................................................................  469

Joachim Schnabel ....................................................................................................  471

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 1873 d.B. beigedruckten Entschließung betreffend „Importverbot von Haiprodukten“ (286/E) ...........  484

32. Punkt: Bericht des Umweltausschusses über den Antrag 2969/A(E) der Abgeordneten Ing. Martin Litschauer, Johannes Schmuckenschlager, Julia Elisabeth Herr, Kolleginnen und Kollegen betreffend Neubaupläne von Small Modular Reactors (SMRs) in Tschechien (1874 d.B.) ..............................  472

Redner:innen:

Ing. Martin Litschauer .............................................................................................  473

Cornelia Ecker ..........................................................................................................  475

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek ......................................................................................  476

Mag. Johanna Jachs ................................................................................................  478

Mag. Yannick Shetty ...............................................................................................  479

Bundesminister Johannes Rauch ............................................................................  481

Martina Diesner-Wais .............................................................................................  483

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 1874 d.B. beigedruckten Entschließung betreffend „Neubaupläne von Small Modular Reactors (SMRs) in Tschechien“ (287/E) .............................................................................  485

33. Punkt: Bericht des Verkehrsausschusses über den Bericht der Bundes­ministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend ÖBB-Rahmenplan 2023-2028 (III-794/1857 d.B.) .......................................................................................................  485


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll189. Sitzung, 189. Sitzung des Nationalrats vom 14. Dezember 2022 / Seite 22

Redner:innen:

Mag. Gerald Hauser .................................................................................................  485

Hermann Weratschnig, MBA MSc ..........................................................................  489

Alois Stöger, diplômé ...............................................................................................  491

Andreas Ottenschläger ............................................................................................  493

Dr. Johannes Margreiter .........................................................................................  495

Bundesminister Johannes Rauch ............................................................................  497

Julia Elisabeth Herr ..................................................................................................  500

Johann Singer ...........................................................................................................  502

Klaus Köchl ...............................................................................................................  504

Joachim Schnabel ....................................................................................................  508

Alois Schroll ..............................................................................................................  511

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Konkreter Verkehrsplan während der Sanierung der Luegbrücke zur Verhinderung eines Totalchaos“ – Ablehnung  487, 525

Entschließungsantrag der Abgeordneten Philip Kucher, Erwin Angerer, Dr. Johannes Margreiter, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Umsetzung der Kärntner Güterverkehrstrasse“ – Ablehnung .............................  506, 525

Kenntnisnahme des Berichtes III-794 d.B. ..........................................................  524

34. Punkt: Bericht des Verkehrsausschusses über den Antrag 2956/A(E) der Abgeordneten Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Aussetzung der Mautpflicht in Form der Vignette für Öster­reicher (1858 d.B.) ..................................................................................................  512

Redner:innen:

Christian Hafenecker, MA .......................................................................................  512

Hermann Weratschnig, MBA MSc ..........................................................................  518

Dietmar Keck ...........................................................................................................  520

Mag. Christian Ragger .............................................................................................  521

Lukas Brandweiner ..................................................................................................  522


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll189. Sitzung, 189. Sitzung des Nationalrats vom 14. Dezember 2022 / Seite 23

Entschließungsantrag der Abgeordneten Christian Hafenecker, MA, Kollegin­nen und Kollegen betreffend „Abschaffung der CO2-Steuer und Ver­schie­bung der Einführung der Kraftstoffverordnung“ – Ablehnung  515, 525

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 1858 d.B. ..........................................  525

Eingebracht wurden

Berichte ...................................................................................................................     77

III-826: Bericht nach § 1 Abs. 4 des Bundesgesetzes über die Errichtung eines Non-Profit-Organisationen Unterstützungsfonds für November 2022; BM f. Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport

III-827: Tätigkeitsbericht der Ombudsstelle für Studierende; BM f. Bildung, Wissenschaft und Forschung

Anträge der Abgeordneten

Mag. Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Pflegeprämie muss auch in Kärnten und allen anderen Bundesländern 2.000 Euro netto betragen! (3054/A)(E)

Mag. Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Pflegeprämie muss auch in Kärnten und allen anderen Bundesländern 2.000 Euro netto betragen! (3055/A)(E)

Mag. Dr. Martin Graf, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schluss mit dem Genderzwang an den Universitäten (3056/A)(E)

Dr. Harald Troch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Weiterentwicklung des Grundrechtekatalogs – Schaffung von sozialen Grundrechten (3057/A)(E)

Dr. Harald Troch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bericht der Volksanwalt­schaft über Präventive Empfehlungen zum Schutz und zur Förderung der Menschenrechte im Bereich des Straf- und Maßnahmenvollzugs – Schriftenreihe der Volksanwaltschaft – Band VI (3058/A)(E)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll189. Sitzung, 189. Sitzung des Nationalrats vom 14. Dezember 2022 / Seite 24

Elisabeth Feichtinger, BEd BEd, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Freiwilligengesetz BGBl I 17/2012 geändert wird (3059/A)

Mario Lindner, Kolleginnen und Kollegen betreffend kostenfreier Zugang zur HIV-Prä-Expositionsprophylaxe (PrEP) (3060/A)(E)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schaffung eines Arzneimittelkostendeckels (3061/A)(E)

Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen betreffend Datenerhebung und Bewusstseinskampagne zu Stealthing (3062/A)(E)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Gendern? Nein Danke! Regeln der deutschen Sprache einhalten – keine politisch motivierte Verfremdung der Sprache! (3063/A)(E)

MMMag. Dr. Axel Kassegger, Kolleginnen und Kollegen betreffend FH-Entwicklungs- und Finanzierungsplan (3064/A)(E)

Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Es braucht eine wirklich faire Schwerarbeiterregelung für die Justizwache (3065/A)(E)

Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die XXVII. Gesetzgebungsperiode des Nationalrates vorzeitig beendet wird (3066/A)

Mag. Dr. Petra Oberrauner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Mehr Mittel für den Breitbandausbau und Förderfokus auf offene Glasfasernetze der öffent­lichen Hand“ (3067/A)(E)

Mag. Dr. Petra Oberrauner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Open-Source fördern – für eine erfolgreiche Wirtschaft und eine unabhängige und innovative Öffentliche Verwaltung“ (3068/A)(E)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll189. Sitzung, 189. Sitzung des Nationalrats vom 14. Dezember 2022 / Seite 25

Anfragen der Abgeordneten

Dr. Ewa Ernst-Dziedzic, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend Völker­rechtswidrige türkische Militäroffensive in Nordostsyrien und im Nordirak und die damit in Verbindung stehende Gefahr des Erstarkens des IS-Terrors (13226/J)

Mag. Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien betreffend Schließung mutmaßlich staatsfeindlicher Moscheen (13227/J)

Mag. Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Umsetzung der Europäischen Kindergarantie (13228/J)

Mag. Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Schließung mutmaßlich staatsfeindlicher Moscheen (13229/J)

Henrike Brandstötter, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien betreffend Förderung einer Selbst­kontrolleinrichtung zum Schutz Minderjähriger (13230/J)

Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft betreffend AMA-Marketingaktionen: Bevorzugung einflussreicher Marktteilnehmer aufgrund intransparenter Teilnahmekriterien? (13231/J)

Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft betreffend Position des Ministers zur Resolution am Österreichisch-Bayerischen Bauerntag (13232/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll189. Sitzung, 189. Sitzung des Nationalrats vom 14. Dezember 2022 / Seite 26

Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen an den Bundes­minister für Arbeit und Wirtschaft betreffend der Stillstand in der Regierung, darf nicht zum Stillstand der Wirtschaft werden: Arbeitsmarktreform jetzt! (13233/J)


 


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll189. Sitzung, 189. Sitzung des Nationalrats vom 14. Dezember 2022 / Seite 27

09.05.07Beginn der Sitzung: 9.05 Uhr

Vorsitzende: Präsident Mag. Wolfgang Sobotka, Zweite Präsidentin Doris Bures, Dritter Präsident Ing. Norbert Hofer.

09.05.08*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete, ich darf Sie recht herzlich zur 189. Sitzung des Nationalrates begrüßen. Die Sitzung ist eröffnet.

Als verhindert gemeldet sind heute die Abgeordneten Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller, MMMag. Gertraud Salzmann, Dr. Josef Smolle, Mag. Karin Greiner, Maximilian Köllner, MA, Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc, Dr. Dagmar Belakowitsch, Herbert Kickl und Mag. Nina Tomaselli.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Für den heutigen Sitzungstag hat das Bundeskanzleramt über die Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung folgende Mitteilung gemacht:

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA wird durch den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch vertreten.

Ferner gebe ich die Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung, die sich in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union aufhalten, wie folgt bekannt:

Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc wird durch die Staatssekretärin im Bundes­kanzleramt Claudia Plakolm vertreten.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll189. Sitzung, 189. Sitzung des Nationalrats vom 14. Dezember 2022 / Seite 28

*****

Ich darf bekannt geben, dass die Sitzung von ORF 2 bis 13 Uhr übertragen wird, von ORF III bis 19.15 Uhr und die Sitzung anschließend in der TVthek übertragen wird; auch private Rundfunk- und Fernsehanstalten übertragen beziehungsweise streamen unsere Sitzung.

09.06.16Fragestunde


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen nun zur Fragestunde.

Die Fragestellungen durch die Damen und Herren Abgeordneten werden von den beiden Rednerpulten im Halbrund aus vorgenommen, die Beantwortung durch die Bundesministerin von der Mitte aus.

Die Redezeit für die Fragen beziehungsweise die Zusatzfragen beträgt 1 Minute, die Redezeit für die erste Beantwortung 2 Minuten und die Beantwortung der Zusatzfragen 1 Minute. Ich werde Ihnen ein Zeichen geben.

EU und Verfassung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die erste Frage stellt Abgeordneter Egger. – Bitte sehr, Herr Abgeordneter. 09.06.58


Abgeordneter Mag. (FH) Kurt Egger (ÖVP): Schönen guten Morgen, Frau Bundesministerin!

210/M

„Sie waren vor zwei Wochen beim Internet Governance Forum in Addis Abeba, können Sie uns mitteilen, welche Inhalte bei dieser Konferenz verhandelt wurden?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Schönen guten Morgen! Sehr geehrter Herr Präsident! Meine


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll189. Sitzung, 189. Sitzung des Nationalrats vom 14. Dezember 2022 / Seite 29

sehr geschätzten Damen und Herren Abgeordneten! Hohes Haus! Herr Abge­ordneter, es ist richtig, ich war beim sogenannten Internet Governance Forum, das dieses Jahr in Äthiopien stattgefunden hat. Es handelt sich dabei um eine globale demokratisch-transparente Plattform, die bei den Vereinten Nationen angesiedelt ist, auf der der politische Dialog zur Internetgovernance und zu deren Fragen, also zur Gestaltung der Regelungen im Internet, abge­handelt wird. Das geht von Fragen der Cybersecurity über Hass im Netz bis zum Umgang mit Darknet, aber auch der Verankerung der Menschenrechte im Internet, der Datensicherheit und vor allem dem Zugang aller zum Internet.

Das Leitthema des diesjährigen Treffens in Addis Abeba war ein resilientes Internet für eine gemeinsame und nachhaltige Zukunft. Das Treffen wird natür­lich von Stakeholdern aus der Technologiebranche, aber auch von Politikern besucht. Im letzten Jahr fand es in Polen statt, nächstes Jahr wird es in Japan stattfinden. Es fand insgesamt zum 17. Mal statt.

Ich war drei Tage dort und habe ein intensives Arbeitsprogramm mit vielen Treffen – hochrangigem Austausch mit Politikern auch vom afrikanischen Kontinent – abgearbeitet. Ich habe dort insbesondere auch das Kommunika­tionsplattformen-Gesetz aus Österreich vorgestellt, das sehr wohl auch als Vorlage dienen kann. Sie wissen, in der Europäischen Union gibt es den DSA und den DMA, aber es braucht die nächste Ebene und internationale Regeln.

Abschließend darf ich sagen: Internetgovernanceregelungen im Internet werden uns die nächsten 20 Jahre noch intensiv beschäftigen, und es ist jetzt Zeit, hier zu handeln.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordneter Mag. (FH) Kurt Egger (ÖVP): Was war Ihre Rolle bei diesem Treffen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll189. Sitzung, 189. Sitzung des Nationalrats vom 14. Dezember 2022 / Seite 30

Bundesministerin.


Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Ich habe die ganz besonders große Ehre, als eines von zehn Mitgliedern im High-Level-Panel zu sitzen. Ich bin im August von General­sekretär António Guterres für die Dauer von zwei Jahren in dieses Panel bestellt worden.

Wir haben von ihm die Aufgabe bekommen, auch Anleitungen für die Staaten zu geben, zu entwickeln, wie man in Zukunft mit Internet umgehen kann. Unser Vorsitzender ist niemand Geringerer als Vint Cerf, der Vater und Erfinder des Internets, die Kovorsitzende ist Maria Ressa, eine Friedensnobelpreisträgerin. Wir haben diese Challenge accepted, wenn ich das so sagen darf, und unsere Arbeitsweise jetzt auch im Zuge dieser Konferenz festgelegt; wir werden das physisch wie auch digital abhalten.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Frage stellt Abgeordneter Klubobmann Leichtfried. – Bitte. 09.09.43


Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Herr Präsident! Guten Morgen, Frau Bundesministerin! Meine Frage an Sie wäre: Wann dürfen die Menschen in Österreich endlich, so wie das in vielen anderen europäischen Ländern schon der Fall ist, mit einem Informationsfreiheitsgesetz rechnen? Ich glaube, es wäre schön langsam hoch an der Zeit; wenn ich es richtig im Kopf habe, diskutieren wir das jetzt schon fast ein Jahrzehnt. Wann ist es jetzt so weit?

*****

Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 220/M, hat folgenden Wortlaut:

„Wann dürfen die österreichischen Bürgerinnen und Bürger endlich mit einer Regierungsvorlage zur Umsetzung der Informationsfreiheit rechnen, einer Informationsfreiheit, wie es in anderen europäischen Ländern seit Jahren Standard ist?“

*****



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll189. Sitzung, 189. Sitzung des Nationalrats vom 14. Dezember 2022 / Seite 31

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Herr Abgeordneter, wenn Sie den Beginn der Diskussion ansprechen, dann muss ich sagen, das war vor meiner Zeit in der Politik. Ich kann aber sagen, seit ich unter anderem auch für diesen Bereich zuständig bin, habe ich mich ganz klar dazu bekannt, dass dieser Paradigmenwechsel vorzunehmen ist. Die Gesellschaft im 21. Jahrhundert hat ein anderes Informa­tionsbedürfnis als frühere, und ich war auch immer ganz klar dafür, dass das Amtsgeheimnis abgeschafft werden soll. Wir wollen aber Regelungen entwerfen und entwickeln, die von denen, die sie umsetzen müssen, tatsächlich auch angenommen werden.

Es ist kein einfacher Prozess, das darf ich auch sagen. Transparenz ist aber zweifelsohne ein Gebot der Stunde, und deswegen sind wir auch in diesem Gesetzwerdungsprozess transparent. Wir haben dieses Gesetz, das ist richtig, schon vor mehr als einem Jahr in Begutachtung gehabt. Wir haben über 200 Stellungnahmen im Begutachtungsprozess bekommen. Wir haben in der Zwischenzeit viele Gespräche geführt.

Ich durfte aufgrund des Auskunftspflichtgesetzes auch eine Anfrage von einem Bürger beantworten. Da haben wir dann aufgelistet, dass alleine ich nach der Begutachtung 30 Gespräche mit diversen Stakeholdern geführt habe, mein Kabinett hat darüber hinaus auch viele Gespräche geführt. Ich habe mit dem Vizekanzler gemeinsam mittlerweile die Vertreter der Länder, den Gemeinde- und den Städtebund getroffen. Wir haben Gespräche mit der Industriellen­ver­einigung, mit der Wirtschaftskammer Österreich und mit den Landtags­präsiden­ten geführt. Es gibt vor Weihnachten auch noch ein Gespräch mit diversen Stakeholdern aus dem Bereich der NGOs.

Das Ziel ist es, tatsächlich alle noch einmal abzuholen, zu fragen, wo die Bruchlinien sind, wo die Sorgen sind, damit wir im Endeffekt ein gutes Gesetz haben, das auch tatsächlich gut angewendet wird. Da sind wir dran.


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Das heißt, Ihre Frage darf ich so beantworten: Die Legislaturperiode dauert noch ein bisschen, aber ich bin davon überzeugt, dass wir es innerhalb dieser Zeit schaffen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Was mich da schon interessieren würde: Es hat ja eigentlich schon im Jahr 2014 eine Einigung zwischen Bund, Ländern, Gemeinden, NGOs und so weiter und so fort gegeben. Das ist im Zuge des parteiinternen Putsches des Herrn Kurz dann wieder irgendwie ver­schwunden. Wäre das aber nicht eine gute Basis gewesen, auf der weitergear­beitet werden kann? Da hat man ja schon etwas gehabt, für das alle waren.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Wenn Sie auf das Jahr 2014 anspielen, dann muss ich noch einmal sagen, dass das eine Zeit ist, in der ich noch nicht in der Politik war. Ich kann nur auf das referenzieren, was ich selbst aus meiner Tätigkeit in dieser Position weiß. Wir haben ein Gesetz in Begutachtung geschickt, das auch eine entsprechend lange Zeit in Begutachtung war. Wir haben viele Stellungnahmen bekommen und ich glaube, aus dem Inhalt der Stellungnahmen wird klar, dass der Vorschlag nicht so schlecht ist. Die einen sagen, es ist zu viel, die anderen sagen, es ist zu wenig. Ich denke, wir werden es schaffen, einen guten Mittelweg zu finden und auch all die Erfahrungen, die es schon vorher gab – ich schaue natürlich auch auf die Zeit, die vor meiner politischen Tätigkeit liegt –, einzubinden und ein gutes Gesetz auf den Weg zu bringen. (Abg. Leichtfried: Danke!)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Eine weitere Zusatzfrage stellt Frau Abgeordnete Deckenbacher. – Bitte.


Abgeordnete Mag. Romana Deckenbacher (ÖVP): Schönen guten Morgen, Frau Bundesminister! Die SPÖ fordert, wie wir es ja gerade gehört haben, auf Bundesebene immer wieder die Abschaffung der Amtsverschwiegenheit. (Abg.


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Meinl-Reisinger: Das steht sogar im Koalitionsvertrag!) Auf Landesebene – ich denke da zum Beispiel an Wien – hat sie offenbar eine ganz andere Einstellung. Ich möchte in diesem Zusammenhang an den Skandal rund um Wien Energie erinnern. Da hat es offenbar keine rechtzeitige Information über den Geldbedarf gegeben, und er liegt doch in Milliardenhöhe. Auch das Ausüben der Not­kompetenz des Bürgermeisters hat es offenbar nicht rechtzeitig gegeben. Wie steht das Land Wien zum geplanten Informationsfreiheitsgesetz? (Abg. Meinl-Reisinger: Es steht sogar im Koalitionsvertrag, dass das kommt!)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Es gab wie gesagt rund 200 Stellungnahmen, auch eine sehr umfassende Stellungnahme vom Land Wien. Ich habe sie auch mitgebracht; das sind 46 Seiten. Die Stadt Wien begrüßt einleitend „ausdrücklich das Vorhaben, die Verwaltung für Bürgerinnen und Bürger transparenter zu machen“. Es folgt dann aber die Kritik, es wird formuliert, dass der Gesetzentwurf, der in Begut­ach­tung war, nicht ausgewogen sei und zu wenig präzisiert wäre.

Ich kann Ihnen nur sagen, wir haben mittlerweile gemeinsam mit dem Vize­kanzler auch ein sehr gutes Gespräch mit Bürgermeister Ludwig als Vorsit­zendem der Landeshauptleutekonferenz gehabt.

Ein bisschen muss ich immer schmunzeln, denn jeder begrüßt dieses Geset­zes­vorhaben, aber wenn es dann um die eigenen Interessen geht und darum, sich daran zu halten, kommt immer ganz schnell: Bitte nicht bei mir, sondern bei den anderen!, also frei nach dem Florianiprinzip: Heiliger Florian, schütze mein Haus und zünde ein anderes an! – Wir werden aber einen Weg finden.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Weitere Zusatzfrage: Abgeordneter Margreiter. – Bitte.


Abgeordneter Dr. Johannes Margreiter (NEOS): Guten Morgen, Frau Bundesministerin! Im Zuge der Reform der Parteienfinanzierung haben wir im


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Juli dieses Jahres eine Änderung des B-VG herbeigeführt. Wir haben Artikel 20 den Absatz 5 hinzugefügt, wonach alle „mit Aufgaben der Bundes-, Landes- und Gemeindeverwaltung betrauten Organe [...] Studien, Gutachten und Umfragen, die sie in Auftrag gegeben haben, samt deren Kosten in einer für jedermann zugänglichen Art [...] zu veröffentlichen“ haben, „solange und soweit deren Geheimhaltung nicht [...] geboten ist“.

Die Frage an Sie: Der 1.1.2023 – da tritt diese Bestimmung in Kraft – kommt näher. Ist es im Bereich des Bundes vorgesehen, eine einheitliche Plattform anzubieten, auf der diese Informationen angeboten werden, beziehungsweise was ist im Bereich Ihres Ministeriums vorgesehen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Tatsächlich ist die Änderung, die Sie ansprechen, wenn man so will, inhaltlich eigentlich ein Vorgriff auf das Informationsfreiheitsgesetz. Im Informationsfreiheitsgesetz haben wir vorgesehen, dass wir eine Plattform einrichten, wo Informationen auch proaktiv eingemeldet werden sollen. Die gibt es jetzt noch nicht, weil es das Informationsfreiheitsgesetz noch nicht in Beschlussform gibt. Diesen Absatz 5 gibt es aber, und insofern wird vom Bund, aber auch von den Ländern, weil das natürlich auch für die Länder gilt, zu überlegen sein, wie dann dieser Veröffentlichungspflicht nachgekommen wird.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Frage stellt Frau Abgeordnete Steger. – Bitte. 09.16.00


Abgeordnete Petra Steger (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundes­ministerin, Sie haben 2021 dem sowohl EU-rechts- als auch verfas­sungswidrigen Coronawiederaufbaufonds in Milliardenhöhe und damit auch dem gewaltigen Tabubruch einer europäischen Schuldenaufnahme nur unter der Bedingung zugestimmt, dass es sich um eine einmalige Sache handelt. Dieses Versprechen haben Sie nicht nur einmal wiederholt. Mittlerweile hat die ÖVP bereits


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mehrfach einer weiteren Schuldenaufnahme für Milliardenzahlungen an die Ukraine zugestimmt und damit auch bewiesen, dass man Ihnen kein Wort glauben kann. Sie sind bei diesem Verrat an den österreichischen Steuerzahlern mit Ihrem Finanzkommissar Hahn sogar federführend mit dabei. Ihnen ist anscheinend egal, dass die Menschen in Österreich reihenweise verarmen und nicht mehr wissen, wie sie sich ihr Leben noch leisten können. Lieber überweisen Sie mehr und mehr und mehr Milliarden an die Ukraine, drehen an der Eskala­tions­spirale und treten unsere Neutralität mit Füßen.

Daher meine Frage:

214/M

„Wie rechtfertigen Sie die geplante Zustimmung zur 18 Milliarden Euro schweren Makrofinanzhilfe+ für die Ukraine, trotz der mehrmaligen Versprechen Ihrerseits und der ÖVP keiner weiteren Schuldenaufnahme auf EU-Ebene zuzustimmen?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Geschätzte Frau Abgeordnete, zum Ersten möchte ich Ihnen sagen, dass ich sehr froh bin, berichten zu können, dass es erst vor zwei Tagen im Coreper, im Ausschuss der Ständigen Vertreter in Brüssel, die Einigung gab, dass man der Ukraine seitens der Europäischen Union eine Makrofinanzhilfe in der Höhe von 18 Milliarden Euro im nächsten Jahr geben wird. Ich halte das für absolut notwendig, wichtig und zum richtigen Zeitpunkt kommend, denn ich war erst vor Kurzem mit einer insgesamt achtköpfigen Delegation aus europäischen Europaminister:innen und der Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments in Kiew und wir haben dort gesehen, dass jede Hilfe bitter notwendig ist.

Sie sprechen eine Hilfe an, die aus dem Mehrjährigen Finanzrahmen finanziert wird. Ich komme auf die Einigung zurück, die getroffen worden ist, Gott sei Dank jetzt auch mit der Stimme Ungarns, damit das möglich ist: Es ist nicht das erste


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Mal, dass wir eine Makrofinanzhilfe aus dem Mehrjährigen Finanzrahmen zur Verfügung stellen, aber ich halte sie für absolut notwendig, denn die Menschen dort vor Ort haben es bitter notwendig, dass Infrastruktur wieder aufgebaut wird, dass auch schon jetzt, während dieser unglaublich schrecklichen Phase des immer noch andauernden Angriffskriegs Russlands, eine Unterstützung seitens der Europäischen Union in Form von Geld für den Wiederaufbau, der jetzt vorangehen muss, geleistet wird, damit die Menschen dort nicht verhungern und vor allem nicht erfrieren, jetzt im Winter. Das Geld ist für den Wiederaufbau, insbesondere von Infrastruktur, vorgesehen, aber auch zum Investieren in den Aufbau von Justiz und rechtsstaatlichen Institutionen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage, Frau Abgeordnete? – Bitte.


Abgeordnete Petra Steger (FPÖ): Ich nehme zur Kenntnis, dass Ihnen Ihre gegenüber den Wählern gegebenen Versprechen anscheinend nicht viel wert sind.

Abgesehen davon gibt es mehrere Berichte, dass diese Gelder entgegen Ihren Behauptungen für die Zahlung amerikanischer Waffen eingesetzt werden sollen und daher eine österreichische Beteiligung auch nicht mit unserer Neutralität vereinbar ist. Es gibt auch einen Bericht der „Financial Times“, dass die Ukraine in der Vergangenheit EU-Hilfsgelder an der Kryptobörse FTX verspekuliert haben soll. Vor Ausbruch des Krieges wurde durch die berühmten Panama­papers auch bekannt, dass die Ukraine ein gewaltiges Korruptionsproblem hat – übertroffen nur noch durch die EU selbst, wie wir zurzeit in jeder Zeitung lesen können.

Daher meine Frage: Welche Kontrollen gibt es, um zu klären, was mit dem Geld passiert? Und: Wie können Sie es rechtfertigen, dass die EU weiterhin Milliarden überweist, bevor diese Anschuldigungen aufgeklärt sind?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau


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Bundesministerin.


Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Ich lasse mir hier nichts unterstellen und ich möchte auf das Entschiedenste zurückweisen, dass Versprechungen nicht gehalten werden. Sie haben mich mehrmals darauf angesprochen, unter anderem im EU-Hauptaus­schuss, aber, ich glaube, auch im Verfassungsausschuss, und da ist es immer um das einmalige Instrument des Next Generation EU, des Aufbaufonds von 750 Milliarden Euro nach der Coronapandemie – beziehungsweise beschlossen noch während der Coronapandemie – gegangen, um den Staaten unter die Arme zu greifen, die am härtesten davon getroffen werden. Dieses Versprechen ist auch gehalten worden. Wir als Österreich stehen unter anderem im Verbund der frugalen vier und dafür, dass Steuergeld effizient eingesetzt wird.

Ich möchte Sie noch einmal bitten, dass Sie Makrofinanzhilfen aus dem MFR von einem einmaligen Finanzinstrument wie dem Next Generation EU unter­scheiden. Ich darf noch einmal sagen, dass das Kredite sind, deren Einhaltung ihrer Zwecke natürlich kontrolliert wird, und zwar von der Europäischen Kommission selbst, und die Mittel werden auch in kleineren Tranchen ausge­zahlt, etwa 1,5 Milliarden Euro über ein ganzes Jahr hinweg, damit man eben kontrollieren kann, wohin sie fließen. Jeder Cent wird dort ankommen, wo er gebraucht wird. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP. – Heiterkeit des Abg. Wurm.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Eine Zusatzfrage stellt Abgeordneter Reimon. – Bitte.


Abgeordneter Michel Reimon, MBA (Grüne): Herr Präsident! Guten Morgen, Frau Bundesministerin! Die ungarische Regierung hat die Makrofinanzhilfe für die Ukraine blockiert, um Zugeständnisse bei der Bewilligung des ungarischen Konjunkturprogramms und der drohenden Nichtauszahlung von EU-Mitteln aufgrund von Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit zu erzwingen. Wie beurteilen Sie den Kompromiss, gemäß dem rund 6,3 Milliarden Euro an EU-Fördergeld für Ungarn endlich eingefroren werden?



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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Herr Abgeordneter, es ist natürlich auf europäischer Ebene auch immer so, dass man Kompromisse finden muss, und ich bin froh, dass sie in diesem Fall auch gefunden worden sind. Ungarn hat das Veto gegen die Makro­finanzhilfe aufgegeben, das halte ich für gut und richtig, und wir haben auf der anderen Seite, glaube ich, auch eine gute Lösung gefunden, was den Konditiona­litätsmechanismus betrifft.

Dieser Mechanismus ist gegen Ungarn ja das erste Mal zur Anwendung gebracht worden. Das Einfrieren von ursprünglich 65 Prozent der Gelder war vorgesehen. Ungarn hat Schritte gesetzt, es sind insgesamt 17 Punkte, von denen zwölf teilweise umgesetzt worden sind – daher dann auch die Lösung, der im Übrigen von allen außer von Ungarn zugestimmt worden ist, dass 55 Pro­zent der Gelder eingefroren bleiben. Ich halte es für richtig und wichtig, dass es über 50 Prozent sind, um auch die Motivation aufrechtzuerhalten, dass Ungarn da weitertut, denn darauf werden wir ganz genau schauen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Eine Zusatzfrage stellt Abgeordneter Gerstl. – Bitte.


Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl (ÖVP): Sehr geehrte Frau Bundesminis­terin, ich möchte Ihnen zuerst sagen, dass Frau Kollegin Steger mit dem, was sie vorhin gesagt hat, vollkommen isoliert in Europa ist, auch innerhalb des öster­reichischen Parlaments. Vier Parteien haben hier eine ganz klare Meinung. Russland führt einen menschenverachtenden Terrorangriff gegen die dortige Zivilbevölkerung. Das, was sie behauptet, ist wahrscheinlich nur dem geschuldet, dass sie einer Partei angehört, die vielleicht früher auch einmal von Kräften aus Russland finanziert und unterstützt wurde. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Steger: Sie betreiben Realitätsverweigerung!)


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Kollege Reimon hat zuvor schon zum Veto Ungarns gegenüber der Finanzhilfe für die Ukraine gesprochen. Wie ist da jetzt der ganz konkrete Letztstand und was können wir vonseiten Ungarns an Finanzhilfe gegenüber der Ukraine erwarten?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Wie gesagt, ich bin froh, Ihnen berichten zu können, dass Ungarn das Veto aufgegeben hat, was die Finanzhilfe für die Ukraine betrifft. Ganz konkret geht es um insgesamt vier Punkte, die jetzt auch im schriftlichen Verfahren ab heute angenommen werden, hoffentlich von allen Hauptstädten, so jedenfalls die Einigung der Ständigen Vertreter vor zwei Tagen im Coreper. Dann ist es morgen, wenn sich die Staats- und Regierungschefs zum Europäischen Rat treffen, auch durch.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Frage stellt Frau Abgeordnete Blimlinger. – Bitte. 09.23.20


Abgeordnete Mag. Eva Blimlinger (Grüne): Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Frau Bundesminister, was unternehmen Sie als für die Bekämpfung von Anti­semitis­mus zuständige Bundesministerin, um gegen antisemitische Artikel, Publi­ka­tio­nen und insbesondere Karikaturen wie zuletzt in Exxpress vorzugehen?

*****

Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 218/M, hat folgenden Wortlaut:

„Was unternehmen Sie, um gegen antisemitische Artikel und insbesondere Karikatu­ren wie zuletzt in Exxpress vorzugehen?“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau


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Bundesministerin.


Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Zunächst, Frau Abgeordnete, möchte ich sagen, dass diese Karikatur absolut geschmacklos war und dass wir alles unternehmen müssen, damit Derartiges nicht vorkommt, damit auch die Sensibilität bei den Medien erhöht wird und damit auch jeder über ausreichend Bildung verfügt, um zu erkennen, was da dahintersteckt.

Wir bekämpfen Antisemitismus, egal auf welcher Ebene und in welcher Form er daherkommt, möchte ich fast sagen. Wir haben eine Nationale Strategie gegen Antisemitismus, in der unter anderem auch diese Bereiche, also von der Bildung bis zur Medienpolitik, abgebildet sind. Das sind einmal 38 Maß­nahmen, die aber nicht in Stein gemeißelt sind, sondern deren Evaluierung ein ständiger Prozess ist, weil wir ja auch immer schauen, ob diese 38 Maßnahmen auch treffsicher sind. Wir haben eine ganze Reihe dieser Maßnahmen bereits umgesetzt, alle anderen sind mittlerweile in Umsetzung. Wir haben einen ersten Umsetzungsbe­richt bereits im letzten Jahr veröffentlicht. Der nächste wird Anfang kommenden Jahres veröffentlicht werden, und da überprüfen wir auch immer, ob es sozu­sagen wirkt.

Ich darf auch dazusagen: Pressefreiheit und Meinungsäußerungsfreiheit sind ein hohes Gut, aber wie es mit den Menschenrechten und Grundrechten so ist: Sie enden dort, wo sie das Recht des anderen zu verletzen beginnen. Insofern muss es da natürlich auch immer eine Verhältnismäßigkeitsabwägung geben.

Was diese unsägliche, von Ihnen angesprochene Karikatur betrifft, ist mein Urteil ein eindeutiges: Das ist geschmacklos und in jeder Form abzulehnen. Ich hoffe, dass das auch angekommen ist und nicht wieder vorkommt.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete.


Abgeordnete Mag. Eva Blimlinger (Grüne): Meine Zusatzfrage ist: In Ihrem Haus wird auch gegen Desinformation in Medien vorgegangen, zum Beispiel Aktionsplan Deepfake et cetera. Welche Maßnahmen haben Sie vor allen


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Dingen in den vergangenen Monaten gesetzt, um gezielte Desinformation in Medien, zum Beispiel vor allem in Hinsicht auf den Russlandkrieg, zurückzudrängen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Desinformation ist tatsächlich ein großes Problem, ist auch eine Gefahr für die Demokratie und für demokratische Prozesse. Auf der europä­i­schen Ebene ist diese Sensibilität spätestens seit dem Wahlkampf zum Europäi­schen Parlament im Jahr 2019 auch gegeben. Es gibt hier auch das Rapid Alert System der EU, über das man Desinformation auch einmelden kann.

Wir haben das Problem, dass sich falsche Information oft sehr viel schneller verbreitet als richtige Information. In Österreich ist die Zuständigkeit eine geteilte. Ich fühle mich als Verfassungsministerin verantwortlich für das Thema – wir haben es auch in der Nationalen Strategie –, aber es gibt auch eine Medienministerin, eine Justizministerin und einen Innenminister, die zusam­menarbeiten, um Beamte entsprechend zu sensibilisieren, um die Kapazitäten im Bereich Monitoring und Screening zu erhöhen, und es wird auch Artificial Intelligence, also künstliche Intelligenz, eingesetzt, um herauszufiltern, wo Deepfake, wo Fakenews unterwegs sind.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Frage stellt Herr Abgeordneter Margreiter. – Bitte sehr. 09.26.31


Abgeordneter Dr. Johannes Margreiter (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Es war der 19.4.2021 – vor mehr als 600 Tagen, fast 100 Wochen –, da endete die Begutachtungsfrist für dieses Gesetzespaket, das wir unter dem Etikett Informationsfreiheitsgesetz verhandeln. Seither wurden Sie schon öfter gefragt, welche Hindernisse dem jetzt entgegenstehen, dass das dem Nationalrat zur Beschlussfassung vorgelegt wird. Sie haben auch heute


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bereits Antworten gegeben. Eine der Antworten war, dass Länder- und Gemein­devertreter sich dagegen sträuben oder Bedenken äußern, daher die Frage:

223/M

„Können Sie konkretisieren, welche Länder- oder Gemeindevertreter – und vor allem aus welchem Grund und auf welche Weise – die Umsetzung der Informationsfreiheit verhindern?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Ich würde es anders formulieren. Sie haben gesagt „sträuben“, das will ich nicht so stehen lassen. Es gibt Bedenken, was die Umsetzung dieses Gesetzes betrifft. Die gibt es aus gutem Grund, weil da natürlich die Sorge vor­herrscht, dass die Verwaltung lahmgelegt werden könnte. Ich glaube, wir haben viele Punkte im Gesetz vorgesehen, um Missbrauch vorzubeugen und ihn zu erkennen und die Verwaltung in jedem Moment auch handlungsfähig zu erhalten, aber diese Gespräche sind notwendig, sie müssen geführt werden, weil das ein wahrer Paradigmenwechsel ist.

Das Amtsgeheimnis ist seit 1925 im Bundes-Verfassungsgesetz verankert, und um so etwas zu ändern, braucht es auch ein Umdenken bei denen, die dann die Gesetze anwenden. An diesem Prozess sind wir dran. Sie haben jetzt die Tage aufgezählt; ich habe es nicht nachgerechnet, aber ich glaube, jeder Tag, an dem wir daran arbeiten und Überzeugungsarbeit leisten, um im Endeffekt zu einem gut angewendeten Gesetz zu kommen, ist ein guter.

Ich sage noch einmal: Ich stehe zu diesem Paradigmenwechsel, ich verhandle das derzeit auch aktiv mit dem Vizekanzler und ich gehe davon aus, dass wir in dieser Legislaturperiode auch noch einen Entwurf beschließen können, also Sie hier im Hohen Haus hoffentlich.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.



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Abgeordneter Dr. Johannes Margreiter (NEOS): Können Sie angeben, welche Länder- oder Gemeindevertreter, auf die Sie sich ja berufen, ganz konkret die Umsetzung verhindern?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Wie ist die Frage? Wer es verhindert?


Abgeordneter Dr. Johannes Margreiter (NEOS): Welche Länder- oder Gemeindevertreter? Sie berufen sich ja immer wieder darauf, dass von Länder- und Gemeindevertretern die Verhinderung kommt. Welche sind das? (Zwischenruf des Abg. Hörl.)


Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Es gibt kleine Städte in Österreich, es gibt kleine Gemeinden, die einfach Sorge vor einer überbordenden Verwaltungsaufgabe haben, wo man im Endeffekt, selbst wenn die Beschlussfassung erfolgt ist, glaube ich, eine ent­sprechende Legisvakanz braucht, um die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dort einzuschulen, um auch gleichförmige Informationen herauszugeben und um die Kenntnis zu vermitteln: Was ist von einer Information umfasst, was ist sozusagen von diesem verfassungsrechtlich gewährleisteten Recht umfasst und was ist eben auch nicht hinauszugeben? Da gilt es natürlich auch Abgren­zungsfragen zu klären. Das wollen wir in guter Art und Weise im Gesetz machen, aber das braucht dann natürlich auch die Gespräche, und diese führen wir.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Frage stellt Abgeordneter Engelberg. – Bitte. 09.29.39


Abgeordneter Mag. Martin Engelberg (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bun­desministerin! Ich möchte das Thema Verbotsgesetz ansprechen, eine sehr komplexe Materie, bei der es auch immer wieder Reformbedarf gibt.


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Gemeinsam mit Frau Bundesministerin Zadić haben Sie eine Reform des Verbotsgesetzes angekündigt. Vielleicht können Sie uns ein bissel was darüber sagen, worum es da im Detail gehen soll.

*****

Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 211/M, hat folgenden Wortlaut:

„Welche Maßnahmen beinhaltet die Reform des Verbotsgesetzes, die Sie gemeinsam mit FBM Zadić angekündigt haben?“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Die Reform des Verbotsgesetzes ist ein Teil der Nationalen Strategie gegen Antisemitismus. Die Justizministerin hat eine Arbeitsgruppe eingerichtet, deren Ergebnisse ich erst vor wenigen Wochen mit ihr präsentiert habe. Da ist klar zutage getreten, dass das Verbotsgesetz in einigen Bereichen geändert werden sollte, um noch besser anwendbar zu sein.

Es geht zum einen um die Ausweitung der inländischen Gerichtsbarkeit, sodass, gerade wenn Postings im Internet abgegeben werden, dafür auch öster­reichische Gerichte zuständig sind, wenn die Sicherheit in Österreich gefährdet ist, denn man braucht ja einen Ansatzpunkt für die inländische Gerichts­barkeit.

Es geht um Klarstellungen im Bereich der Holocaustverleugnung. Wir haben gesehen, gerade während der Pandemie hat es immer wieder auch Demonstra­tionen gegeben, bei denen es zu einem abscheulichen Zur-Schau-Stellen von Wiederbetätigung gekommen ist (Abg. Schnedlitz: Das ist ein strafrechtlicher Vor­wurf!), von Delikten, die unter das Verbotsgesetz fallen, wie zum Beispiel das Tragen von Judensternen. Das war etwas, das wir sehr oft beobachten mussten. Oder: In Form des Schriftzuges „Arbeit macht frei“, der so in Auschwitz-


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Birkenau zu finden ist, stand dann: Impfen macht frei! – Das ist sehr wohl etwas, was unter das Verbotsgesetz fällt, liebe FPÖ, und auch strafrechtlich relevant ist. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

Um da klarer zu sein, werden wir – das ist auch die Empfehlung der Arbeits­gruppe – zum Beispiel im Straftatbestand § 3h des Verbotsgesetzes das Wort „gröblich“ vor „verharmlosen“ streichen, damit es auch tatsächlich für jeden Anwender klar ist, dass das darunterfällt.

Ein dritter Punkt, den ich anführen möchte: Die Verhandlung von Delikten nach dem Verbotsgesetz ist aus gutem Grunde vor dem Geschworenengericht angesiedelt, um zu zeigen, dass das wirklich etwas ganz Schreckliches ist und dass wir da geschichtlich auch eine Verantwortung zu tragen haben.

Dennoch bin ich davon überzeugt, dass es manche Delikte gibt, die auch diversionsfähig sein sollten, dass es also ein Grunddelikt geben sollte, das mit weniger Strafe bedroht ist als dann die Qualifikation, die mit einer höheren Strafe bedroht ist, um Delikte, die von minderer Schwere sind, auch mit Diversion erledigen zu können. Das heißt, dass sich sozusagen nicht jemand in der Rechtsanwendung davon abgeschreckt fühlt, eine zu hohe Strafe geben zu müssen, und es im Endeffekt zu keinem Verfahren kommt.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordneter Mag. Martin Engelberg (ÖVP): Sie haben davon gesprochen, dass das auch Teil der Nationalen Strategie gegen Antisemitismus ist, die jetzt bald zwei Jahre alt ist. Haben Sie da vielleicht auch schon ein bissel ein Resümee, wie das bisher verlaufen ist?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Zum Verbotsgesetz?



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Abgeordneter Mag. Martin Engelberg (ÖVP): Nein, nein! Das Verbotsgesetz ist ja Teil der Nationalen Strategie gegen Antisemitismus, die jetzt bald zwei Jahre alt wird, und da war jetzt meine Frage: Gibt es schon ein Resümee darüber, welche Erfahrungen mit der Umsetzung dieser Nationalen Strategie gemacht wurden?


Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Wir haben den ersten Umsetzungsbericht im Jänner 2022 präsentiert, wir werden den nächsten Anfang nächsten Jahres präsentieren. Wir haben mittlerweile alle 38 Maßnahmen in Umsetzung, es sind viele bereits zur Gänze umgesetzt. Das geht von Schulungen von Polizistinnen und Polizisten bis zu Bildungsangeboten für im Bundesheer befindliche Zivildiener. Wir haben, glaube ich, tatsächlich auch auf europäischer Ebene bewiesen, dass wir da eine Vorreiterrolle eingenommen haben.

Ich durfte im Zuge meines Besuchs in Israel auch den israelischen Staatspräsi­denten treffen, der diese Strategie sehr anerkennend entgegengenommen hat und sich, glaube ich, dann auch zum ersten Mal näher damit beschäftigt hat.

Wir haben zum Beispiel eine Konferenz ins Leben gerufen, zu der wir auch europäische Vertreter nach Wien eingeladen haben, und wir wollen eine solche einmal jährlich abhalten. Ein Ergebnis war die Wiener Deklaration, die mitt­lerweile von elf Mitgliedstaaten der Europäischen Union unterzeichnet worden ist und in der es darum geht, einheitliche Parameter zu erstellen, was antisemitische Vorfälle betrifft, damit wir auch vergleichbare Zahlen haben.

Eines darf ich auch noch sagen: Wir haben in der Zwischenzeit einen Rückgang der antisemitischen Vorfälle um rund ein Drittel. Das ist gut, aber das ist kein Grund zur Freude und dazu, sich zurückzulehnen, weil jeder Vorfall einer zu viel ist, und wir werden hier weiterkämpfen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Zusatzfrage stellt Frau Abge­ordnete Schatz. – Bitte sehr.



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Abgeordnete Sabine Schatz (SPÖ): Guten Morgen, Frau Bundesministerin! Wir begrüßen ja die Reform des Verbotsgesetzes, weil es notwendig ist, dass es, wie Sie gesagt haben, auch an die Gegebenheiten der Zeit angepasst wird. Sie haben jetzt aber auch die Neuregelung der Diversion angekündigt, die von Expertinnen und Experten durchaus auch kritisch gesehen wird.

Meine konkrete Frage ist: Können Sie da genauer, detaillierter darauf eingehen, was das bedeutet? Es hat ja zum Beispiel schon einmal in Innsbruck und in Linz konkrete Diversionsprogramme gegeben. Ist so etwas vorgesehen, dass es für diese Diversionen auch entsprechende Programme gibt? Und: Gibt es dafür auch budgetäre Mittel?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Diversion ist seit vielen Jahren ein probates Mittel, auch nicht ganz so schweren Delikten zu begegnen. Es geht bis zu einer Straf­drohung von fünf Jahren. Darüber hinaus ist es laut StPO auch nicht mehr zuläs­sig. Ich spreche hier schon auch als ehemalige Strafrichterin, und man überlegt sich dann natürlich als Staatsanwalt oder als Richter gut, ob Diversion anzuwenden ist.

Gerade wenn es um den sensiblen Bereich des Verbotsgesetzes geht, wenn es um Delikte geht, wo Jugendliche oft auch aus Unwissenheit, was nicht zu entschuldigen ist, solche Dinge machen, dann, glaube ich, sollte man diesen jungen Menschen auch eine Chance geben. Die Diversion zeichnet sich dadurch aus, dass man dem begegnen kann, zum Beispiel mit der Zahlung eines Geldbetrages, aber auch mit der Auferlegung einer Probezeit und der Erfüllung bestimmter Pflichten in dieser Probezeit.

Da ist es auch jetzt schon gängige Praxis, dass, auch wenn es zu keinem Strafverfahren kommt, Jugendliche zum Beispiel zu einem Rundgang in Mauthausen eingeladen werden. Solche Dinge wollen wir sehr wohl entwickeln


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und auch institutionalisieren, damit möglicherweise manche dann auf den richtigen Pfad geführt werden können.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Frage stellt Frau Abgeordnete Yildirim. – Bitte sehr, Frau Abgeordnete. 09.35.54


Abgeordnete Mag. Selma Yildirim (SPÖ): Frau Ministerin! Wenn Ministerien Parteizeitungen überteuerte Inserate, finanziert aus Steuergeldern, zuschanzen oder öffentliche, hoch dotierte, attraktive Jobs Günstlingen zugeschanzt werden, dann sind das perfide Formen von Korruption, die für die Demokratie gefährlich sind. Wann genau werden Sie mit der Justizministerin die leider noch vorhandenen Lücken im Korruptionsstrafrecht schließen? (Abg. Michael Hammer: Sozialistische Vizepräsidentin!)

*****

Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 221/M, hat folgenden Wortlaut:

„Wann werden Sie gemeinsam mit der Justizministerin dem Nationalrat eine Vorlage zuleiten, mit der vorhandene Lücken im Korruptionsstrafrecht endlich geschlossen werden?“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Frau Abgeordnete! Sie sprechen die Verhandlungen zum Korrup­tionsstrafrechtsänderungsgesetz an. Die Verhandlungen laufen zwischen den Klubobleuten der beiden in der Regierung vertretenen Parteien. Es ist aber auch so, dass die Expertinnen und Experten des Verfassungsdienstes und auch meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter immer wieder hinzugezogen werden. Ich kann Ihnen nur von diesen Sitzungen berichten, über die mir auch berichtet wird, dass man sehr weit fortgeschritten ist. Es wird, wie ich gehört habe, am


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heutigen Tag wieder eine Sitzung stattfinden, damit die Umsetzung des Willens des Gesetzgebers auch tatsächlich abgeschlossen werden kann.

Es wäre jetzt unseriös von mir, hier einen Zeitpunkt zu nennen, wann das der Fall sein wird. Ich sage Ihnen nur, auch als ehemalige Strafrichterin: Strafrecht ist das schärfste Mittel, das man kennt, und man will da natürlich auch bestimmte Sachverhalte die Korruption betreffend strafbar machen. Man will aber nicht alle strafbar machen und man will vor allem nicht, dass politisches Handeln unmöglich wird.

Wir haben da Dinge drinnen, die international wirklich absolutes Neuland bedeu­ten. Wovon spreche ich? – Ich spreche von Mandatskauf. Diesen Sachverhalt miteinzubeziehen gibt es auf der ganzen Welt nirgends und bedeutet eine Vorverlegung der Strafbarkeit auf einen sehr frühen Zeitpunkt, und da braucht es klare Abgrenzungen, damit dieses Gesetz auch gut anwendbar ist. Dadurch soll jemand bestraft werden, der sich einkauft, der mit unlauteren Mitteln auf eine Liste kommen will. Aber es sollte nicht jemand anderer in ein komisches Licht gerückt werden, weil er vielleicht seit Jahren Mitglied einer Partei ist und auch Mitgliedsbeiträge zahlt.

Das klingt jetzt so banal, aber es steckt wirklich der Teufel im Detail, und die Expertinnen und Experten sind dran, die Verhandlungen stehen, was ich höre, kurz vor Abschluss.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete.


Abgeordnete Mag. Selma Yildirim (SPÖ): Sie sind ja auch EU-Ministerin, und es ist eine Reihe von EU-Richtlinien noch nicht umgesetzt worden. Kennen Sie die Zahl jener Richtlinien, die noch nicht umgesetzt wurden? Ganz besonders spreche ich hier die Whistleblowerrichtlinie an, bei der die Frist ja seit über einem Jahr verstrichen ist. Könnten Sie dazu eine Stellungnahme abgeben, wie es Ihnen als Europaministerin dabei geht?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau


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Bundesministerin.


Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Ich kenne die ganz genaue Zahl der nicht umgesetzten Richtlinien nicht, aber ich weiß, dass es im Moment konkret zwei gibt, wo wir über der Frist sind und wo wir auch versuchen, eine Lösung zu finden, dass diese Richtlinien möglichst schnell umgesetzt werden. Eine davon ist die Whistleblowerrichtlinie, die Sie angesprochen haben. Das ist mir bewusst und es ist uns allen in der Regierung bewusst, und wir wollen hier eine rasche Lösung finden, damit wir den Rechtszustand herstellen, der in diesem Bereich von der Europäischen Union auch gefordert wird, was den gemeinsamen Acquis betrifft.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Zusatzfrage stellt Abgeordneter Hanger.


Abgeordneter Mag. Andreas Hanger (ÖVP): Frau Bundesministerin! Wir sind ja derzeit auf der europäischen Ebene mit einem sozialdemokratischen Korrup­tionsskandal konfrontiert. (Heiterkeit bei der SPÖ.) Betroffen sind die sozialdemo­kratische Vizepräsidentin sowie sozialdemokratische Mitglieder des Euro­pä­ischen Parlaments. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Wie kann aus Ihrer Sicht diese sozialdemokratische Korruptionsaffäre auf europäischer Ebene aufgearbeitet werden? (Abg. Leichtfried: Na geh, das wäre jetzt schon dreimal gegangen! – Ruf bei der SPÖ: Enttäuschend!)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Also zum Ersten möchte ich schon festhalten, dass ich zutiefst erschüttert bin - - (Abg. Leichtfried: Herr Hanger, das ist ja unter Ihrem normalen Niveau! – Abg. Loacker: Nein, das ist genau Hanger-Niveau! – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.) Zum Ersten möchte ich festhalten, dass ich zutiefst erschüttert darüber bin, dass dieser Korruptionsvorwurf in die höchsten Ebenen des Europäischen Parlaments vorgedrungen ist und auch die Glaubwürdigkeit der Institutionen in Europa insgesamt dadurch erschüttert wird. (Abg. Leichtfried: Herr Hanger, was ist aus Ihnen geworden? Es ist unglaublich!)



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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich würde bitten, dass wir die Fragerunde ordnungsgemäß abwickeln können. (Abg. Leichtfried: Na dann soll sich der Herr Hanger auch vernünftig verhalten!)

Die Frau Bundesministerin ist am Wort – ich würde Sie bitten. (Abg. Hanger: Leichtfried, Wahrheit tut weh! – Abg. Leichtfried: Ach, Herr Hanger!)


Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler (fortsetzend): Was es jetzt braucht, ist Aufklärung und Transparenz. Ganz deutlich möchte ich hier auch einen Dank an die Präsidentin des Euro­päischen Parlaments Roberta Metsola aussprechen, die dort in Abstimmung mit den Behörden auch die entsprechenden Schritte setzt, denn wir dürfen es uns in einer Zeit wie der heutigen nicht leisten, dass wir das Vertrauen in die Institutionen, in die Demokratie weiter erschüttern.

Alle, die von diesem Skandal betroffen sind – egal, wer das ist! –, müssen zur Rechenschaft gezogen werden, und das findet im Moment statt. Ich hoffe, dass sich dieser Skandal nicht weiter ausweitet, aber wir werden diese Aufklärung und natürlich auch Parlamentspräsidentin Roberta Metsola unterstützen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Krainer: Was machen Sie dann eigentlich noch im Amt? Wieso sind Sie dann noch im Amt? Wieso sind Sie noch im Amt, wenn es Konsequenzen geben muss für Korruption? ... 20 000 Euro für ...!)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Eine Zusatzfrage stellt Abgeordneter Ragger. – Bitte.


Abgeordneter Mag. Christian Ragger (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Ministerin! Was auf nationaler Ebene die ÖVP und auf internationaler die Sozialdemokratie ist, ist – was auch Transparency Inter­na­tio­nal festgehalten hat – offensichtlich ein Ausfluss dessen, dass es nämlich eine Kultur der Straflosigkeit in allen Institutionen gibt, und daher ist es, glaube ich, ganz wesentlich zu fragen: Welche Maßnahmen werden Sie als Europa­ministerin setzen, nachdem dieser Skandal auf europäischer Ebene ruchbar


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geworden ist, damit auch auf europäischer Ebene ein Korruptionsstrafrecht eingeführt wird, das auch auf das Europäische Parlament durchgreifen kann?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Es ist ein Skandal, der das Europäische Parlament erschüttert. Es gab auch vor wenigen Tagen ein Interview des Ersten Vizepräsidenten des Euro­päischen Parlaments dazu, der ausgeführt hat, dass das Europäische Parlament seiner Ansicht nach sehr transparent agiert. Das heißt, ich als österreichische Europaministerin kann dem Parlament nicht auferlegen oder kann keine Empfeh­lungen abgeben, wie es damit umgeht, aber ich bin sicher – vor allem, weil ich die Präsidentin auch kenne –, dass die entsprechende Sensibilität dort vorherrscht und dass die notwendigen Schritte auch tatsächlich gesetzt werden.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Frage stellt Frau Abgeordnete Fürst. – Bitte. 09.42.24


Abgeordnete Dr. Susanne Fürst (FPÖ): Frau Minister, wir wissen, dass die Recht­sprechung der internationalen Gerichtshöfe – also EGMR und EuGH – für den derzeitigen und andauernden Asylwerber- und Einwandereransturm, den wir auf Europa und vor allen Dingen auch auf Deutschland und Österreich erleben, mitverantwortlich ist. Die Richter haben da in den vergangenen Jahren und Jahr­zehnten schon den Ermessensspielraum, den auch der Wortlaut der Euro­päischen Menschenrechtskonvention bietet, genutzt, um den Grund- und Men­schenrechten einen zum Teil absurden Inhalt zu unterstellen. Ich sage als Beispiel nur, dass Abschiebungen wegen angeblich fehlender Standards selbst in andere EU-Länder nicht mehr möglich sind. Da hat sich also ein Richterrecht verselbstständigt, das auch Gesetzgeber aushebelt.

Jetzt haben Sie selbst auch die Entscheidungen dieser Gerichtshöfe zumindest als häufig nicht realitätsnah, wenn ich Sie da richtig zitiere, bezeichnet. Wir wissen, die Rechtsprechung ist unabhängig, aber was machen Sie jetzt konkret


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auf politischer Ebene, um da eine Meinungsbildung oder einen Meinungs­umschwung bewirken zu können?

*****

Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 215/M, hat folgenden Wortlaut:

Welche konkreten politischen Schritte setzten Sie angesichts Ihrer richtigen Fest­stellung, dass Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) und des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) häufig nicht „realitätsnah“ sind?

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Wie Sie wissen, Frau Abgeordnete, war ich selbst fast zwei Jahre lang am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte als wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Registry tätig, und ich weiß daher aus eigenem Erleben, wie dieser Gerichtshof arbeitet und wie auch die Europäische Menschenrechts­konvention gesehen wird, nämlich als Living Instrument, das immer wieder ausgelegt werden muss.

Die Europäische Menschenrechtskonvention wurde am 4. November 1950 zur Unterschrift aufgelegt und ist zwei Jahre später in Kraft getreten, sie ist also über 70 Jahre in Kraft, und dennoch hat sie nichts an Aktualität eingebüßt, muss daher aber auch immer wieder neu vom Europäischen Gerichtshof für Men­schen­rechte ausgelegt werden. Insbesondere in der Judikatur im Bereich des Asylwesens schlägt sich das schon nieder, dass da auch immer wieder die aktuelle Situation geprüft wird und dass vor allem auch jeder Einzelfall geprüft wird. Also selbst wenn es institutionelle Probleme gibt im Bereich von Asyl­verfahren oder im Bereich der Unterbringung in Staaten – Sie haben Mitgliedstaaten der Europäischen Union angesprochen –, wird jeder Fall als Einzelfall geprüft.


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Und da haben Sie mich nicht ganz richtig zitiert, ich habe gesagt: Damit die Anerkennung dieser Urteile in den Mitgliedstaaten – des Europarates in dem Fall – auch tatsächlich voll gegeben ist, braucht es Realitätsnähe, und da braucht es natürlich schon auch immer wieder den Dialog mit den Menschen vor Ort. Deshalb gibt es auch beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte die Einrichtung der Seconded Judges, das heißt also derjenigen, die dorthin entsandt werden, um auch die Ansicht der Mitgliedstaaten einzubringen, denn wenn man viele, viele Jahre weg ist von den einzelnen Mitgliedstaaten, dann hat man möglicherweise auch eine anderen Sicht auf die Dinge.

Deshalb halte ich das für gut und richtig, wie dieses System aufgestellt ist: dass man da auch immer wieder die Realitätsnähe hineinbringt und sich die Situation auch sozusagen am Boden anschaut, denn der Europäische Gerichtshof lebt natürlich davon, dass diese Urteile letztlich auch politisch umgesetzt werden. Teilweise sind es Systemänderungen, teilweise sind es nur Kleinigkeiten, die notwendig sind, manchmal ist es ein Verstoß in der Rechtsanwendung, was mit einer Geldstrafe geahndet wird.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage, Frau Fürst? – Bitte.


Abgeordnete Dr. Susanne Fürst (FPÖ): Sie haben jetzt lange darauf geantwortet, aber ich habe da jetzt nichts auch von Kritik an dieser Rechtsprechung herausgehört.

Wir wissen das: Ja, die EMRK, das alles ist ein Living Instrument, das ist schon klar, auch die Rechtsprechung ändert sich, aber sie hat sich eben eigentlich angesichts dessen, dass wir ja einen Ansturm erleben, den es bei der Schaffung der EMRK in den Fünfziger-, Sechzigerjahren nicht gegeben hat, nicht angepasst. Wir wissen, da war alles völlig anders, da sind einzelne Leute gekommen, jetzt hat sich die Mobilität ganz anders entwickelt, die Rechtsprechung hat sich dem aber nicht angepasst, sondern ganz im Gegenteil das eigentlich noch befördert, und ich habe da jetzt überhaupt keine Kritik Ihrerseits an dieser Judikatur gehört.



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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Die Rechtsprechung hat sich sehr wohl angepasst, das kann man auch ganz genau insbesondere bei den Asylverfahren nachverfolgen. Ich nenne Ihnen nur ein Beispiel: innerstaatliche Fluchtvarianten. Das wird immer wieder geprüft betreffend die Länder, in die zurückgeschickt wird.

Um aber dann auch auf die Situation einzugehen, bringe ich das Beispiel Afghanistan: Es war früher ein Thema, dass dort innerstaatliche Fluchtvarianten geprüft werden; seit der Übernahme der Taliban ist das nicht mehr der Fall, weil man da natürlich auch immer den Realitätscheck vornehmen muss.

Eines möchte ich an dieser Stelle schon klar festhalten: Urteile von Höchst­ge­richten sind natürlich umzusetzen, und Österreich macht das auch. Es gibt andere Staaten, die das nicht so ernst nehmen – das muss man auch in aller Deutlichkeit sagen –, wo es Urteile gibt, die über Jahre hinweg nicht umgesetzt werden, aber Österreich macht das. Den Realitätscheck muss man aber immer wieder machen, deshalb halte ich den Dialog zwischen den Mitgliedstaaten und denen, die dort in Verantwortung stehen, für richtig und wichtig.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Frage stellt Frau Abgeordnete Sirkka Prammer. – Bitte sehr. 09.47.14


Abgeordnete Mag. Agnes Sirkka Prammer (Grüne): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Ich versuche das jetzt, ohne die Gewaltenteilung grundsätzlich in Frage zu stellen.

Es gibt ja Ehrenzeichen der Republik Österreich, die die Republik an Menschen verleiht, die besondere Dienste geleistet haben oder die besonders heraus­ragende Persönlichkeit sind und bei denen es gut und wirksam ist, dass sie für die Republik stehen. Natürlich werden diese Personen vor der Verleihung der Ehrenzeichen auch durchleuchtet, ob denn ihre Biografie und ihre Einstellungen dem entsprechen.


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Jetzt gibt es aber dennoch Fälle, bei denen erst im Nachhinein herauskommt, dass man dieses Ehrenzeichen wahrscheinlich besser nicht verliehen hätte, und deshalb haben Sie schon vor längerer Zeit angekündigt, einen Gesetzesvorschlag vorzulegen, dass künftig Ehrenzeichen der Republik auch aberkannt werden können. Haben Sie schon einen Zeitplan, wann dieser Entwurf vorliegen wird?

*****

Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 219/M, hat folgenden Wortlaut:

Als zuständige Verfassungsministerin haben Sie vor längerer Zeit angekündigt, einen Gesetzesvorschlag vorzulegen, dass künftig Ehrenzeichen der Republik Österreich aberkannt werden können – wann soll der Entwurf vorliegen?

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Die entscheidende Antwort zu Beginn: Ja, ich gehe davon aus, dass wir Anfang nächsten Jahres eine Gesetzesvorlage hier vorlegen können beziehungsweise nach Abstimmung mit dem Koalitionspartner dann auch mit den Oppositionsparteien verhandeln können.

Sie haben vollkommen recht: Ehrenzeichen würdigen besonders herausragende Leistungen, und Ehrenzeichen sollen nur Personen verliehen werden, die auch tatsächlich das Ansehen der Republik stärken und andere motivieren, sozusagen ebenfalls als Vorbilder zu fungieren.

Es gibt da ganz konkret einen Anlassfall, aufgrund dessen wir eine Änderung des Ehrenzeichengesetzes vornehmen wollen, das ist der Fall Globke, der ein Ehrenzeichen Österreichs bekommen hat, der aber Mitverfasser der Nürnberger Rassengesetze war, was absolut abzulehnen ist und der sicher niemals ein Ehrenzeichen in irgendeiner Form auch nur ansatzweise verdient hätte. Das ist der Anlassfall.


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Wir sind in guten Gesprächen auch mit der österreichischen Bundespräsident­schaftskanzlei, damit wir hier eine gute Lösung auf den Weg bringen, denn Sie müssen sich schon vor Augen halten: Wenn es um die Aberkennung geht, dann muss natürlich auch immer bedacht werden, dass es auch um posthume Aberken­nungen geht, also bei Menschen, die schon verstorben sind, und sich da auch Abgrenzungsfragen stellen, bei denen – ich darf das so sagen – der Teufel dann doch auch im Detail steckt, aber wir wollen ein gutes und ausgewogenes Gesetz und hoffen, dass das dann Anfang nächsten Jahres vorliegt.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete.


Abgeordnete Mag. Agnes Sirkka Prammer (Grüne): Ja, eine kurze Zusatzfrage – das Stichwort kam schon in der Antwort. Es gibt ja eine Arbeitsgruppe, die sich auch mit dem Verbotsgesetz auseinandersetzt, und da ist auch vorgekommen, dass es bisher nicht strafbar ist, dass man NS-Devotionalien bloß besitzt. Jetzt ist die Frage, ob man sich schon überlegt hat, welche Lösungen es hierfür künftig auch außerhalb des Strafverfahrens geben könnte.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Dieser Zuständigkeitsbereich betrifft natürlich inhaltlich die Justizministerin. Ich habe mit ihr gemeinsam vor einigen Wochen, wie ich schon ausgeführt habe, den Arbeitsgruppenbericht präsentiert.

Und ja, die Arbeitsgruppe hat auch in einem Bereich eindeutig Handlungsbedarf gesehen, nämlich dem Einziehen von Devotionalien auch dann, wenn es zu keiner strafrechtlichen Verfolgung beziehungsweise Verurteilung kommt. Das sollte für den Einzelfall möglich sein. Ich darf jetzt hier und heute auch festhalten: NS-Devotionalien gehören ins Museum oder vernichtet und sonst genau gar nirgends hin.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Eine Zusatzfrage stellt Herr Klubobmann Leichtfried. – Bitte sehr.



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Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Frau Bundesministerin, wir reden über diese Angelegenheit frei geschätzt schon über zwei Jahre, und das ist meines Erachtens doch schon sehr lange für ein Parlament. Es gibt andere Parlamente, die reagieren bei derartigen Dingen etwas schneller. Das Euro­päische Parlament hat zum Beispiel in sehr kurzer Zeit die von Herrn Hanger angesprochene griechische Vizepräsidentin abgesetzt. Da gilt also offenbar nicht die strafrechtliche Verurteilung als rote Linie, so wie sie bei der ÖVP gilt. (Abg. Hanger: Die Betroffenen sind trotzdem Sozialdemokraten, lauter Sozis! Nur Sozis! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Deshalb frage ich Sie, Frau Bundesministerin: Wäre es nicht vernünftiger, schneller auf derartige Dinge zu reagieren?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin. (Abg. Michael Hammer: Du musst eine Frage stellen! – Abg. Leichtfried: Ah, Herr Hammer, Sie sind auch da! Guten Morgen!)


Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Von welcher Sache reden wir jetzt lange? Sie müssen mir das noch einmal konkret sagen! (Zwischenrufe bei der ÖVP.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka (das Glockenzeichen gebend): Ich bitte um Ruhe. Die Frau Bundesminister ist am Wort.


Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler (fortsetzend): Ich muss aber dazusagen: Ich darf nachfragen, weil ich nicht verstanden habe, von welcher Sache wir jetzt reden. Wir haben von Ehrenzeichen geredet. Das ist eine Zusatzfrage, oder?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ja.


Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler (fortsetzend): Wir haben vom Ehrenzeichengesetz gesprochen, wir


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haben vom Verbotsgesetz gesprochen. Worauf beziehen Sie sich? (Zwischenrufe bei der ÖVP.)


Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Meine Frage war, ob Parlamente – jetzt nicht im Sinne der ÖVP, die immer nur die strafrechtliche Verurteilung als rote Linie sieht – generell schneller auf Missstände reagieren sollen, seien es Ordensaberkennungen oder sei es auch betreffend Korruption, die vorkommt, und was Ihre Meinung dazu ist. Ich bin der Meinung, da haben das Strafrecht und die strafrechtliche Verurteilung nicht die rote Linie zu sein. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)


Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Herr Abgeordneter, wenn es um die Frage geht, ob Parlamente schneller reagieren sollen, dann fragen Sie mich als Teil der Exekutive als Falsche. (Abg. Leichtfried: Ihre Meinung! – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ich glaube, wir arbeiten sehr gut zusammen. Ich sehe hier im Bereich sowohl des Verbotsgesetzes als auch des Ehrenzeichengesetzes Handlungsbedarf, deshalb sind wir auch dran und deshalb wollen wir hier eine möglichst schnelle, aber vor allem auch eine gute Lösung erreichen. (Abg. Leichtfried: Vielen Dank!)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Abgeordneter Scherak. – Bitte, Herr Abgeordneter. 09.52.23


Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Guten Morgen, Frau Bun­des­ministerin! Die österreichische Bundesregierung hat es ja mit dem nicht nachvollziehbaren Veto zum Schengenbeitritt von Rumänien und Bulgarien geschafft, sich auf europäischer Ebene ziemlich ins Abseits zu stellen. Beide Länder erfüllen die Voraussetzungen, aus offensichtlich innenpolitischen Grün­den hat die ÖVP aber beschlossen, da ein Veto einzulegen – insbesondere Innenminister Karner, der noch im November der Meinung war, dass natürlich beide Staaten der Schengenzone beitreten sollten. Deswegen lautet meine Frage:


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224/M

„Ist damit zu rechnen, dass die österreichische Bundesregierung ihr Veto im Zusammenhang mit der Schengenerweiterung nach der Landtagswahl in Niederösterreich aufgeben wird?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Herr Abgeordneter, ich darf Ihnen berichten: Ich war gestern im Rat für Allgemeine Angelegenheiten in Brüssel. Ich habe viele Gespräche geführt, unter anderen mit den Kolleg:innen aus Rumänien und Bulgarien. Ich möchte auch hinzufügen, dass seit einigen Wochen im Bereich der Migrationspolitik eine extreme Dynamik drinnen ist, unter anderem weil Österreich ja dieses Thema aufgebracht hat, und dass die Europäische Kommission schon Teile dieser fünf Punkte, die der Innenminister vorgelegt hat, aufgenommen hat, nämlich in den Aktionsplan betreffend den Westbalkan. (Abg. Stöger: Das hat mit Schengen nichts zu tun, gar nichts!) Wir wollen da auch gemeinsam tatsächlich für die betroffenen Länder Rumänien und Bulgarien eine Zeitschiene, einen Aktionsplan entwickeln, aber auch im Bereich der Migrationspolitik die jetzt notwendigen Schritte setzen, um da eine Lösung herbeizuführen.

Wir haben die österreichische Rechtslage dargelegt und sind auch gehört worden. Ich muss Ihnen sagen – um jetzt bei Ihrer doch ein bisschen polemi­schen Frage zu bleiben –, dass in den letzten Jahren in der Migrationspolitik nicht viel weitergegangen ist (Abg. Krisper: Danke, ÖVP!), dass, um ehrlich zu sein, die Asylpolitik gescheitert ist und ich nicht davon ausgehe, dass sich das Ganze in den nächsten Wochen, also vor der niederösterreichischen Landtagswahl, lösen wird. Ich hoffe aber doch, dass wir im nächsten Jahr eine wesentliche Ände­rung herbeiführen können, dass wir wichtige Schritte, Milestones setzen können.

Wenn ich auf das, was die Kommission schon aufgenommen hat, zurück­kommen darf, dann möchte ich auf ein Pilotprojekt verweisen, nämlich schnelle


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Verfahren an der Außengrenze, aber auch finanzielle Unterstützung von Mitgliedstaaten, die andere Länder an den Außengrenzen bei der Bewältigung dieser Anstürme und auch bei der Abarbeitung dieser hohen Zahl an Asylverfahren unterstützen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage, Herr Abgeordneter? – Bitte.


Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Wir sind uns ja einig, dass das Asylsystem gescheitert ist. Ich mag auch Ihre Selbsterkenntnis, weil, als in den letzten Jahren nichts weitergegangen ist, dafür ÖVP-Regierungsmit­glieder federführend zuständig waren und offensichtlich auf europäischer Ebene nichts weitergebracht haben.

Meine Frage wäre aber: Da für den Schengenbeitritt jetzt offensichtlich nicht mehr die Voraussetzungen gelten, die früher gegolten haben, und die Frage jetzt lautet, ob man Flüchtlinge auch entsprechend registrieren und darüber urteilen kann, ob sie Asyl bekommen oder ob man Flüchtlinge weiterleitet – das ist ja ein wesentlicher Grund im Zusammenhang mit dem Veto gegenüber Rumänien und Bulgarien –, müssten Sie da nicht dementsprechend auch der Meinung sein, dass Ungarn den Schengenraum verlassen soll, weil Ungarn großartig darin ist, Flücht­linge nicht zu registrieren, sondern nach Österreich weiter zu lassen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Zum Ersten darf ich Ihnen sagen, dass ich niemanden aus der Pflicht lasse, also weder Ungarn noch sonstige Länder, die da vielleicht entgegen dem Rechtsbestand der Europäischen Union die Gesetze nicht einhalten, Flüchtende nicht registrieren. Das ist einmal der erste Punkte.

Der zweite Punkt ist, dass Migrationspolitik selbstverständlich auch etwas mit Außengrenzschutz zu tun hat.


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Der dritte Punkt ist, dass die Evaluierung der Grenzen Rumäniens und Bulgariens aus dem Jahr 2011 stammt. Jetzt kann man natürlich beklagen, dass die beiden Länder über zehn Jahre warten müssen – und womöglich jetzt noch länger –, bis sie in den Schengenraum aufgenommen werden. Man könnte aber auch die Frage stellen: Warum referenziert man jetzt auf eine Evaluierung, die aus dem Jahr 2011 stammt und spätestens, aber allerspätestens seit dem 24.2. an jeder Aktualität verloren hat, und tritt nicht heran und stärkt auch das Vertrauen mit den anderen Mitgliedstaaten? Im Übrigen haben die Niederlande auch gegen den Beitritt Bulgariens gestimmt.

Wir sind jetzt aber auf einem konstruktiven Weg – und das ist mir wichtig, zu sagen –, mit den beiden Ländern und auch mit denen, die hier zu Recht kritisch sind, einen Zeitplan zu erarbeiten, um diesbezüglich das Vertrauen zu stärken und die richtigen Schritte auch in der Migrationspolitik zu setzen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Zusatzfrage stellt Abgeordneter Berlakovich. – Bitte sehr.


Abgeordneter Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich (ÖVP): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Das österreichische Veto betreffend die Schengenerweiterung wurde ja mit einem Versagen der Europäischen Union in der Beantwor­tung der Migrationsfrage begründet. Das Thema ist ja schon angesprochen worden.

Tatsächlich ist es ja so, dass eine der Hauptmigrationsrouten über Rumänien verläuft, aber gleichzeitig dort nur rund 130 Asylanträge gestellt werden. In Österreich gibt es ja eine Vervielfachung der Zahl der Asylanträge. Das Dublin­system der EU funktioniert offensichtlich nicht – auch betreffend Ungarn, das ist ja angesprochen worden.

Jetzt ist meine Frage: Was werden Sie in diesem Zusammenhang auf der europäischen Ebene unternehmen, dass es bei der Migration zu Weichenstel­lungen kommt?



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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Wir haben das Thema gestern beim Rat für Allgemeine Ange­legenheiten selbstverständlich auch besprochen. Es ist von uns und von einigen anderen Staaten gestern auch die Forderung gestellt worden, dass das auch die Staats- und Regierungschefs morgen beim Rat tun sollten.

Der Innenminister hat da insbesondere einen Fünfpunkteplan vorgelegt. Dieser enthält einige Ideen zu Dingen, die man jetzt machen müsste, damit diese Asylpolitik tatsächlich gemeinsam funktionieren kann. Manche Beispiele habe ich genannt, die schon aufgegriffen worden sind. Wir fordern aber auch eine Rückweisungsrichtlinie, dass man also Personen, die sicherlich keinen Grund für Asyl haben, schneller zurückweisen kann, um denen, die tatsächlich einen Grund für Asyl haben, eine echte Chance zu geben.

Tatsächlich verfolge ich das nicht erst in meiner Zeit als Ministerin oder vorher Staatssekretärin, sondern auch schon in meiner Zeit als Mitarbeiterin am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Das Dublin-III-System ist tot, es funktioniert nicht. Wir müssen schnellstmöglich etwas anderes einführen, damit wir wieder zu einem funktionierenden System und zu einem guten Mit­ei­nander kommen können.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Zusatzfrage stellt Abgeordneter Brandstätter. – Bitte.


Abgeordneter Dr. Helmut Brandstätter (NEOS): Frau Bundesministerin, aus Ihrer Beantwortung der Frage des Kollegen Scherak habe ich herausgehört, dass Sie selbst sehen, dass Ungarn das Asylrecht nicht einhält. Jetzt wollte ich Sie in diesem Zusammenhang persönlich fragen, wie es Ihnen so geht, wenn Sie Fotos sehen, auf denen der Bundeskanzler mit dem ungarischen Ministerpräsi­denten Händchen hält (Abg. Zarits: Das ist ja ein Wahnsinn! Das ist ja wirklich ein


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Wahnsinn!), und noch dazu auch mit dem serbischen Präsidenten Vucić, der ganz bewusst Europa topediert? (Zwischenruf des Abg. Sieber.)

Die konkrete Frage: Werden Sie ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn einleiten, weil es – wie ich es bei Ihnen ja verstanden habe – ganz offensichtlich eben nicht das europäische Asylrecht einhält?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Man muss nicht in allen Dingen zu 100 Prozent übereinstimmen, um Gott sei Dank trotzdem einen guten Umgang mit Kolleginnen und Kollegen aus Europa zu pflegen – im Gegenteil: ich glaube, es ist sehr wichtig. Ich habe mit der ungarischen Kollegin auf meiner Ebene, Judit Varga, ein ausgezeichnetes persönliches Verhältnis, aber ich sage ihr auch ganz deutlich, wenn ich mit etwas nicht einverstanden bin, so zum Beispiel auch gestern in einer Begegnung beim Rat für Allgemeine Angelegen­heiten.

Zu dem, was Sie ansprechen, nämlich das Treffen des Bundeskanzlers mit Präsident Vucić und Viktor Orbán: Es ist absolut richtig und wichtig gewesen, wenn die Europäische Union da keine Lösungen hat, auch sozusagen Selbsthilfe zu leisten und Rückübernahmeabkommen zu verhandeln beziehungs­weise mit Präsident Vucić ganz konkret darüber zu reden, was er ändern kann, damit die Situation in Österreich einfacher wird.

Wir haben gesehen, dass 40 Prozent derjenigen, die im Endeffekt nach Öster­reich kommen, über den Flugweg über Belgrad reinfliegen, weil es da Visaliberalisierungen gab. Das ist aus meiner Sicht ein ganz, ganz wesent­licher Punkt gewesen, und wir erwarten uns da auch einen deutlichen Rück­gang der Zahlen, insbesondere aus Indien, weil da mit Ende des Jahres die Visal­iberalisierung endet.


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Also: Persönlich gut miteinander zu können ist das eine, inhaltlich vielleicht nicht übereinzustimmen das andere. Es braucht aber das Erste, damit man inhaltliche Lösungen finden kann. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Brandstätter: Und das Vertragsverletzungsverfahren? Die Frage wurde nicht beantwortet! Gibt es ein Vertragsverletzungsverfahren?)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter, wir haben nur die Möglichkeit, die Frage beantworten zu lassen. Wenn Sie nicht zufrieden sind, müssen wir das schriftlich organisieren.

Herr Kollege Gerstl stellt die nächste Frage. – Bitte. 10.00.52


Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl (ÖVP): Sehr geehrte Frau Bundes­ministerin! Sie waren vor Kurzem mit Ihren Amtskolleginnen aus der Europäischen Union in der Ukraine. Mich interessiert, welche Eindrücke Sie dort vor Ort wahrgenommen haben.

Sie wissen ja, dass letzte Woche auch eine Parlamentarierdelegation in der Ukraine war, nicht nur in Kiew, sondern auch in Charkiw, schon 30 bis 40 Kilometer vor der russischen Grenze, wo wir von diesem Terrorangriff Putins gegenüber der Zivilbevölkerung desaströse Eindrücke gewinnen konnten. Wir waren von der mangelnden Elektrizität, von den mangelnden Heizungsmöglichkeiten, von mangelnden Lebensmitteln, die es teilweise, da und dort gibt, tief betroffen, und auch davon, wie die Menschen dort trotz­dem für ihre Freiheit und gegen die Versklavung kämpfen.

Was waren Ihre Eindrücke vor Ort?

*****

Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 212/M, hat folgenden Wortlaut:

„Was sind Ihre Eindrücke von der aktuellen Situation in der Ukraine, die Sie kürzlich mit acht europäischen Amtskolleginnen besucht haben?“


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*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Herr Abgeordneter! Sie wissen, dass ich als Europaministerin viel reise, aber diese Reise war eine besondere, die mir immer in Erinnerung bleiben wird. Sie war tief beeindruckend, im negativen, aber auch im positiven Sinn, weil die Menschen dort kämpferisch sind, weil sie nicht aufgeben wollen und weil sie trotz widriger Umstände – keine Elektrizität, damit einhergehend keine Möglichkeit, so banal es klingt, die Toiletten zu spülen – einfach kämpfen und auch junge Frauen mir auf der Universität gegenübergesessen sind und gesagt haben, sie wollen Juristinnen werden, sie wollen Journalistinnen werden, aber jetzt verteidigen sie ihr Land. Ob Sie mir es glauben oder nicht, ich bekomme Gänsehaut, wenn ich das hier sage.

Es war aus meiner Sicht die wichtigste Reise, die ich bisher in meiner Funktion als Europaministerin gemacht habe, um einen direkten Eindruck zu bekom­men. Ich werde mein ganzes Leben lang Kriegsberichterstattung, ganz egal ob im Fernsehen oder in Zeitungen, nicht mehr so anschauen können wie bisher, sondern ich werde immer den Geruch von Brand in der Nase haben. Ich werde immer die Bilder vor mir sehen, wo Feuerwehrleute mit Jacken dort gestanden sind, auf denen Berufsfeuerwehr Graz draufstand, weil Hilfslieferungen von Österreich direkt dort angekommen sind und weil man gemeinsam gegen den wenige Stunden vorher stattgefundenen Raketenangriff angekämpft hat. Vor allem werde ich eines nicht mehr aus den Kopf bekommen: die Bilder der drei an diesem Ort getöteten Personen, die in einem nur geringen Abstand von uns, leicht zudeckt, aber so, dass man es erkannte, vor uns gelegen sind. Als wir zurück­gekommen sind, war dort eine Blutlache.

Das sind Eindrücke, die für mich als Europapolitikerin wichtig sind, wenn es auch darum geht, Hilfe für die Ukraine zur Verfügung zu stellen. Es sind Gespräche wie jene mit Vizepremierministerin Stefanischyna oder auch der First Lady Selenska,


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die mich antreiben, alles zu tun, dass man die Menschen unterstützt. Ich kann es nur noch einmal betonen: Da wird alles gebraucht, die Ausrüstung für den Feuerwehrmann genauso wie Heizkanonen und Generatoren, damit ein Mini­mum an Lebensqualität, ein Minimum an hygienischen Maßnahmen auf­rechterhalten werden kann. Denken Sie an die Spitäler, wo Ärzte mit Stirn­lam­pen operieren und das Wasser in Kanistern danebensteht – nicht das, was man als Standard hygienischer Natur in einem Krankenhaus bezeichnen kann! Ich bin froh, dass wir dort waren.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage, Herr Abgeordneter? – Bitte.


Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl (ÖVP): Mich hat besonders beeindruckt, dass die Menschen im Osten des Landes, obwohl 90 Prozent von ihnen vorher Russisch gesprochen haben, nicht mehr Russisch sprechen, weil sie nicht mehr mit Russland in Verbindung gebracht werden wollen. Besonders berührend war die Geschichte einer Menschenrechtsorganisationshelferin, die gesagt hat, dass ihre Tochter plötzlich begonnen hat, auf Ukrainisch zu beten, obwohl sie Russisch als Muttersprache hat. Das verändert die Situation dort total.

Wenn man auch gesehen oder mitbekommen hat, dass eine Rakete, vom Schwarzen Meer abgeschossen, vielleicht die EUAM, die European Union Advisory Mission, hätte treffen sollen, dann weiß man, wie gefährlich die gesamte Situation für ganz Europa ist.

Daher: Planen Sie ein Follow-up zu Ihrer Reise?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Ja, die Idee zu dieser gemeinsamen Reise mit insgesamt acht Delegationsteilnehmerinnen ist ja bei einer Konferenz in Salzburg mit dem Titel „The Next Generation is Female“, die ich selbst ins Leben gerufen habe, entstanden. Was unser Ziel war: Wir wollten das Spotlight auf die Needs, auf die


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Bedürfnisse der Frauen und Kinder insbesondere im Krieg werfen – das geht von Soldatenmüttern über Opfer von Kriegsverbrechen, von Vergewaltigung über Menschen, die vertrieben worden sind, bis hin zu Kindern, die einfach keinen Zugang zu Bildung haben, weil die Schule weggebombt wurde.

Wir haben schon darüber gesprochen, unter anderem erst gestern wieder beim Rat Allgemeine Angelegenheiten, dass wir auf alle Fälle ein Follow-up machen wollen. Ich darf auch dazusagen, dass diese Gruppe aus Europa­ministe­rinnen in der Zwischenzeit größer geworden ist, weil wir zwei weibliche Kolleginnen dazubekommen haben, nämlich aus Frankreich und Schweden, die auch Inter­esse angemeldet haben, bei weiteren Aktivitäten dabei zu sein. Wir werden also auch da dranbleiben.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Zusatzfrage stellt Abgeordnete Ernst-Dziedzic. – Bitte.


Abgeordnete Dr. Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne): Frau Ministerin! Auch die Freund­schaftsgruppe plant eine Follow-up Reise, weil wir nicht nur gesehen haben, wie groß das Leid ist, sondern auch, dass die Bevölkerung dort nicht verges­sen werden möchte. Genau diese Reisen tragen dazu bei, dass wir der ukra­inischen Bevölkerung zeigen: Wir stehen hinter euch und wir tun auf europäi­scher Ebene alles, damit ihr gut über den Winter kommt.

Soeben ist die Meldung hereingekommen, dass weitere 13 im Iran hergestellte Drohnen über der Hauptstadt Kiew abgeschossen worden sind, auf Wohnhäuser abgeschossen worden sind.

Meine Frage an Sie – weil ja vor allem die zivile Infrastruktur leidet und die Men­schen ohne Wasser, ohne Strom, wie Sie selbst gesehen haben, leben und aus­harren müssen – ist: Welche konkreten weiteren Maßnahmen können wir auf europäischer Ebene setzen, um in dieser schwierigen Zeit vor allem eben die Zivilbevölkerung in der Ukraine zu schützen und zu unterstützen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.



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Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Schauen Sie, Frau Abgeordnete, Sie waren ja selbst auch vor Ort! Ich könnte mich jetzt hierherstellen und Ihnen die ganzen Zahlen an Geldern in Milliardenhöhe runterbeten, die aus der Europäischen Union und auch aus den EU-Mitgliedstaaten schon an die Ukraine gegangen sind, unter anderem für humanitäre und für makrofinanzielle Unterstützung. Wir reden da, seit Beginn des Krieges, seitens der EU von einer Summe von 12,4 Milliarden Euro und von rund 7,3 Milliarden Euro – die Zahl ist sicher nicht vollständig, weil ja Gott sei Dank auch immer wieder etwas dazukommt – seitens der EU-Mitgliedstaaten. Auch Österreich hat mittlerweile einen zweistelligen, knapp unter dreistelligen Millionenbetrag geleistet.

Seit ich aber dort war, weiß ich, dass das alles nicht genug ist und dass jeder Cent dort gebraucht wird, dass vor allem jeder Generator gebraucht wird und dass teilweise auch – das war damals ein Thema, als es diese großflächigen Bombardements auf Infrastruktur gab – ganz kleine Halbleiter fehlen, um die Stromversorgung wiederherzustellen.

Um nur ein Beispiel zu geben: Wir sind natürlich mit dem Zug dorthin gefahren, und beim Zurückfahren gab es großflächige Stromausfälle. Dann ist auf eine Diesellok umgerüstet worden. Also ich war noch nie so froh, wieder auf polni­schem Boden zu sein! Vier Mal haben sie die Lok in der Nacht umgehängt, um mit dieser Diesellok herauszukommen. – Da wird einem die ganze Dimension bewusst.

Das heißt, ich glaube, es wird von der Europäischen Union wirklich viel unter­stützt, aber es wäre eine Hybris zu sagen, das sei viel, weil es immer noch zu wenig ist. (Abg. Ernst-Dziedzic: Vielen Dank!)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Zusatzfrage stellt Abgeordneter Troch. – Bitte.



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Abgeordneter Dr. Harald Troch (SPÖ): Guten Morgen, Frau Bundesministerin! Zum Ukrainekrieg: Der dürfte ja leider im Jahr 2023 weitergehen. Die huma­nitäre Hilfe, bei der sich Österreich durchaus großzügig und effizient zeigt, wäre sowieso auch nach dem Krieg noch eine Zeit lang notwendig.

Frau Bundesministerin, wie schaut das 2023 finanziell aus? Was plant Öster­reich, wie sind die Dimensionen und wie sehen Sie die humanitäre Hilfe im Rahmen unserer österreichischen Neutralität?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Humanitäre Hilfe ist notwendig, richtig und wichtig, und neutral zu sein heißt nicht, neutral gegenüber Krieg und Kriegsverbrechen zu sein.

Ich bin froh und dankbar, dass nicht nur Gelder gespendet werden, Sachspenden geleistet werden, sondern dass die österreichische Bevölkerung auch extrem aufnehmend und wohlwollend gegenüber denen ist, die flüchten mussten. Es wurden teilweise Zimmer, Privatzimmer, zur Verfügung gestellt, es gibt eine ganze Flut an Privatunterkünften, in denen Flüchtlinge auch unterkommen, und das jetzt teilweise schon sehr lange. Da möchte ich an dieser Stelle auch einmal einen großen Dank an die Riesenhilfsbereitschaft der Österreicherinnen und Österreicher aussprechen.

Ich kann Ihnen hier und heute keine Zahlen nennen, was da sozusagen an weiteren Unterstützungen im nächsten Jahr geleistet werden wird, aber ich kann Ihnen berichten, dass wir erst heute darüber gesprochen haben, auch sammeln zu wollen, was die einzelnen Institutionen machen. Der Gemeindebund macht irrsinnig viel, die Städte machen teilweise viel, in den Ländern passiert viel und natürlich auch auf Bundesebene durch die einzelnen Ressorts, und das sollte man auch, um es darstellen zu können, sammeln. Wir sind jetzt dabei und dann kann ich Ihnen beim nächsten Mal diese Frage vielleicht konkreter beantworten. (Abg. Troch: Danke!)



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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Sie stellen gleich die nächste Hauptfrage, Herr Abgeordneter Troch. – Bitte. 10.10.33


Abgeordneter Dr. Harald Troch (SPÖ): Frau Bundesministerin! Sie als Verfassungsministerin sind auch in der Frage Regierungsübereinkommen zum Thema Wiederaufnahme der Allparteienverhandlungen zum Thema Grundrechtskatalog, Grundrechtskatalog in der österreichischen Verfassung gefordert.

Wie sehen Sie das und was sind Ihre Vorhaben in Bezug auf Erweiterung der Grundrechte in der Verfassung? Was werden Sie diesbezüglich konkret unternehmen?

*****

Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 222/M, hat folgenden Wortlaut:

„Was haben Sie als Verfassungsministerin unternommen, um das Vorhaben im Regierungsübereinkommen, Wiederaufnahme der Allparteienverhandlungen zur Erarbeitung eines umfassenden österreichischen Grundrechtskatalogs und zur Prüfung einer allfälligen Erweiterung des Grundrechtsschutzes, umzusetzen?“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Herr Abgeordneter, ich stehe nicht an, Ihnen hier von diesem Pult aus auch zu sagen, dass das ein Punkt des Regierungsprogramms ist, der noch nicht umgesetzt ist. Ich habe auch noch keine Allparteiengespräche dazu geführt. Das liegt schlicht und ergreifend auch daran, dass wir seit März 2020 ein paar Themen dazubekommen haben, die außerhalb des Regierungsprogramms waren, und dass ich grundsätzlich der Meinung bin, dass der Grundrechtsrahmen in Österreich ein ganz, ganz guter ist.


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Nichtsdestotrotz glaube ich, dass es wichtig ist, dass das im Regierungs­programm steht und dass man das auch angehen sollte. Es war schlicht und ergreifend noch keine Zeit dafür. Wir verhandeln natürlich immer wieder auch über verschiedene Verfassungsgesetze, die damit sozusagen auch zu einer Erweiterung dieses Grundrechtskataloges beitragen, aber ich glaube grundsätz­lich an das Vorhaben, dass man vielleicht auch einmal klar auflistet, welche Grundrechte, welche verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechte es in Öster­reich gibt.

Und nicht zuletzt durch Ihre Frage haben Sie mich auch darauf hingewiesen, dass es da noch Handlungsbedarf gibt.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage, Herr Abgeordneter? – Bitte.


Abgeordneter Dr. Harald Troch (SPÖ): Gerade in Zeiten wie diesen mit der Teuerung möchte ich als SPÖ-Mandatar insbesondere die Frage der sozialen Grundrechte ansprechen. Sowohl die Teuerung im Bereich Energie wie auch die Teuerung allgemein, im Bereich Lebensmittel, drücken auf die Lebenshal­tungskosten der Österreicher. Da wäre aus meiner Sicht und aus Sicht der SPÖ ganz vorrangig Handlungsbedarf gegeben, die Grundbedürfnisse der Öster­reicher abzusichern, um ein menschengerechtes Leben auch für Menschen mit niedrigem Einkommen sicherzustellen. – Danke.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Das war jetzt weniger eine Frage als eine Fest­stellung Ihrerseits. Ich darf vielleicht darauf antworten, wenn Sie so wollen: Ich glaube, im Moment – Sie haben recht – gibt es viele, viele Menschen, die große Sorgen haben, gerade was ihr soziales Fortkommen betrifft, was ihr Einkommen betrifft, was die nächste Rechnung für das Heizen betrifft, und da halte ich es für notwendig, dass man Maßnahmen setzt, die schnell zu einer Entlastung führen. Ob man das dann besser so macht – ich glaube, es ist so


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besser – oder in einer Besprechung über mögliche verfassungsrechtlich gewährleistete Rechte, bleibt wahrscheinlich jetzt zwischen uns hier offen, aber ich denke, jetzt Maßnahmen zu setzen, die zu einer Entlastung führen, ist vorrangig.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Eine Zusatzfrage von Frau Abgeordneter Fürst. – Bitte.


Abgeordnete Dr. Susanne Fürst (FPÖ): Ich schließe an diese Frage nach dem österreichischen Grundrechtskatalog an. Wir haben gestern hier im Nationalrat ausgiebig darüber debattiert, dass ja Österreich vom Ansturm illegaler Einwan­derer besonders betroffen ist – auch jetzt wieder. Auch Bundeskanzler Nehammer hat ausführlich Stellung genommen und hier auch von der größten Pro-Kopf-Belastung an Asylwerbern innerhalb der EU, die Österreich hat, gesprochen.

Das heißt: Wenn es anderen EU-Ländern viel besser gelingt, das abzuwehren, oder wenn die anderen EU-Länder weniger Asylanträge haben, gibt es ja offensichtlich auch innerstaatliche Defizite. Wie sehen Sie als Verfassungs­ministerin das und darf man da im Zusammenhang mit dem Grundrechts­katalog – Grundrechte sind ja auf Verfassungsebene – Konkretisierungen vornehmen, um bei diesem Thema etwas weiterzubringen und die Grundrechte der Österreicher mehr zu schützen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Frau Kollegin, ich möchte Ihnen jetzt nur sagen, dass Grundrechte nicht für Österreicherinnen und Österreicher da sind, sondern für alle Menschen. Wenn wir jetzt von der Europäischen Menschen­rechtskonvention ausgehen, dann gelten sie für alle Menschen, nicht nur für jene, die in Europa leben, sondern auch für alle, die hierherkommen, sei es, weil sie flüchten, oder sei es, weil sie hier Urlaub machen.


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Der Ausgestaltung der Grundrechte ist immanent, dass sie sozusagen eigentlich Abwehrrechte gegenüber dem Staat sind. Das ist die Grundidee von Grund­rechten. Insofern erschließt sich mir aus Ihrer Frage nicht ganz genau, was Sie von mir in Bezug auf Grundrechte mit dem Asylrecht wollen.

Es gibt, das möchte ich auch in aller Deutlichkeit festhalten, in der Europäischen Menschenrechtskonvention kein Grundrecht auf Asyl, aber es gibt sehr wohl ein Grundrecht, wie man in den einzelnen Staaten behandelt wird. Ich spreche da jetzt Artikel 2 und Artikel 3 der Menschenrechtskonvention an – das ist seit 1950 in Kraft, seit 1952 in der Form, und ist aus meiner Sicht auch gut und richtig so.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Abgeordneter Gödl. – Bitte. 10.15.29


Abgeordneter Mag. Ernst Gödl (ÖVP): Einen schönen Vormittag, Frau Minis­terin! Ich darf das Thema Migration noch einmal ansprechen. Österreich ist ja von diesem Thema überproportional betroffen. Daher meine Frage:

213/M

„Auf EU-Ebene gibt es bislang keine effiziente Lösung im Kampf gegen illegale Migration, Schlepperei und Menschenhandel, was braucht es für einen effektiven Grenzschutz?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Ich glaube tatsächlich, es braucht ein Umdenken auch auf europäischer Ebene, auch bei der Europäischen Kommission, dass der Außengrenzschutz der Europäischen Union ohne physische Barrieren nicht gelingen kann. Das ist etwas, was ich gestern auch mit zahlreichen Kolleginnen und Kollegen besprochen habe.


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Wir haben einfach die Situation, dass unsere Grenzen offensichtlich zu offen sind. Wir haben dazu die Problematik, dass das europäische Asylsystem nicht funktioniert, dass Schengen da natürlich ein Einfallstor ist, dass Dublin III nicht funktioniert, also die Registrierung von denen, die hierherkommen, nicht Anwendung findet, aus unterschiedlichsten Gründen – weil die Personen das umgehen oder weil von den Staaten gar nicht versucht wird, zu registrieren –, und deshalb braucht es da aus meiner Sicht ganz klar ein Umdenken.

Der zweite Punkt, den ich Ihnen sage, ist, dass Asylpolitik auch Kommunikation ist. Ich war erst am Beginn der letzten Woche in Schweden, in Stockholm, und habe mich mit dem künftigen Vorsitz ausgetauscht, mit meinem Gegenüber, mit Jessika Roswall, die ja auch den Vorsitz im RAA dann führen wird.

Schweden hatte im Jahr 2015 extrem hohe Zahlen, hat entsprechende Maß­nahmen gesetzt, das hat sich auch herumgesprochen, und die Zahlen sind ganz signifikant nach unten gegangen, und jetzt sind sie nach wie vor auf einem niedrigen Niveau, sie sind dort geblieben. Im Jahr 2022 gibt es in Schweden etwa 14 300 Asylanträge, während wir in Österreich heuer schon über 100 000 Per­sonen registriert haben als solche, die flüchten.

Der dritte Punkt, den ich hier noch einmal betonen möchte: Es ist an der Zeit, zu handeln, und aus meiner Sicht ist es wichtig und richtig, dass der Innenminister da ganz klar fünf Punkte vorgelegt hat. Darüber hinaus ist aber schon auch die Kreativität der Kommission gefordert, und ich suche ganz konkret auch Allianzen innerhalb der Mitgliedstaaten, dass wir da dranbleiben. Ich habe die Hoffnung, dass mit der schwedischen Präsidentschaft das Thema hoch oben auf der Agenda bleibt. (Beifall bei der ÖVP.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter.


Abgeordneter Mag. Ernst Gödl (ÖVP): Genau puncto Schweden wollte ich nachfragen: Was glauben Sie, wird die schwedische Ratspräsidentschaft darauf einen besonderen Fokus legen?



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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Ja, davon gehe ich aus, es ist auch angekündigt worden. Im Übrigen wird die schwedische Ratspräsidentschaft natürlich auch, so wie einige vorher, sehr viel Pflichtprogramm abarbeiten müssen, und darunter fällt jetzt auch die Migration. Ich glaube, das ist jetzt ein Gebot der Stunde, denn es wird die Gretchenfrage auch für Europa sein, hier eine Lösung zu finden, denn es kann nicht sein, dass wir in einem Verbund von Staaten sind, die die Rechtsstaat­lichkeit zu Recht hochhalten und auf der anderen Seite keine Gesetze auf dem Weg haben und keinen anwendbaren Acquis, der tatsächlich auch angewendet wird. Da gilt es jetzt zu handeln.

Ich habe das mit den schwedischen Kolleg:innen auch schon besprochen und ich glaube, wir sind bei ihnen – sie sind leidgeprüft, sie sind aber auch sehr erfahren und sie wissen um das Problem – sozusagen in besten Händen, und wir werden auch das Unsrige dazu beitragen, dass dieses Thema auf der Agenda bleibt. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich bedanke mich bei der Frau Bundes­ministerin und bei allen, die Fragen gestellt haben. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Da alle Fragen gestellt wurden, ist die Fragestunde beendet.

10.19.22Einlauf und Zuweisungen


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

Schriftliche Anfragen: 13226/J bis 13232/J


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B. Zuweisungen in dieser Sitzung:

a) zur Vorberatung:

Gleichbehandlungsausschuss:

Gesetzesantrag der Bundesrätinnen und Bundesräte Korinna Schumann, MMag. Dr. Karl­Arthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kollegen vom 30. November 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Gleichbehandlung im Bereich des Bundes (Bundes-Gleichbehandlungsgesetz – B-GlBG) und das Bundesgesetz über die Gleichbehandlungskommission und die Gleichbehandlungsanwaltschaft (GBK/GAW­Gesetz) geändert wird (1859 d.B.)

b) zur Enderledigung im Sinne des § 28b GOG (vorbehaltlich der endgültigen Entscheidung des Ausschusses):

Sportausschuss:

Bericht nach § 1 Abs. 4 des Bundesgesetzes über die Errichtung eines Non-Profit-Organisationen Unterstützungsfonds für November 2022, vorgelegt vom Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport (III-826 d.B.)

Wissenschaftsausschuss:

Tätigkeitsbericht der Ombudsstelle für Studierende, vorgelegt vom Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung (III-827 d.B.)

*****

(Abg. Scherak hebt die Hand.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Eine Wortmeldung zur Geschäfts­behandlung. – Warten wir noch einen Moment, bis die Rednerpulte abgebaut sind.

Bitte, Herr Abgeordneter Scherak zur Geschäftsbehandlung.


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10.19.45*****


10.19.56

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Ich habe mich jetzt zu Wort gemeldet, weil wir heute eine leicht problematische Situation im Zusammenhang mit unserer Tagesordnung haben.

Wir haben heute sieben Tagesordnungspunkte, bei denen die zuständige Ministerin fehlt. Wieso das ein Problem ist, möchte ich unter Hinweis auf die Arbeitsweise des Parlaments ein bisschen erläutern: Es ist so, dass wir gemeinsam einen Arbeitsplan festlegen – meistens ein halbes Jahr, ein Dreivier­teljahr bevor die Sitzungen stattfinden – und dieser Arbeitsplan auch der Bundesregierung übermittelt wird, damit sich die Regierungsmitglieder diese Tage freihalten können; freihalten aus zwei Gründen: einerseits weil Regierungsmitglieder Regierungsvorlagen ins Parlament mitbringen, ande­rerseits auch weil es sein kann, dass Abgeordnete Minister wegen Anfra­gen ins Parlament zitieren.

Es geht also einerseits um die Gesetzgebung, andererseits um die Kontrolle. Das Erste ist einigermaßen kalkulierbar, denn wenn ich als Minister eine Regie­rungsvorlage ins Parlament bringe, weiß ich selbst, wann ich sie einbringe und wann sie dann wohl auch im Plenum debattiert wird.

Das Zweite ist ein bisschen weniger kalkulierbar, nämlich Dringliche Anfragen, aber selbst da ist es so, dass es ein gutes Einvernehmen zwischen Oppositions- und Regierungsparteien gibt, dass man im Vorfeld vorwarnt, welche Dringlichen Anfragen man machen wird. So gibt es zum Beispiel heute eine Dringliche Anfrage von uns an Bundesminister Kocher; er weiß seit Montag, dass das passieren wird, weil man versucht, miteinander Lösungen zu finden, damit er sich diese Zeit auch freihalten kann.

Wir nehmen in der Regel auch Rücksicht auf Auslandsaufenthalte von Ministern und machen dann keine Dringlichen Anfragen – weil der Mehrwert ein geringer


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ist, wenn der Minister sich vertreten lassen muss, aber auch weil es sich einigermaßen so gehört.

Das System wird nur dann pervertiert, wenn man andauernd im Ausland ist und sich ganz grundsätzlich der Kontrolle des Parlaments entzieht. Dieses Problem haben wir im letzten Jahr einigermaßen oft, das hat sich gehäuft, die Ministe­rin­nen und Minister fehlen sehr oft an Plenartagen, eine ganze Latte teilweise, und das, obwohl sie lange davor davon wussten. Das verunmöglicht eine der Haupt­aufgaben des Parlaments, nämlich die Kontrolle.

Genau deswegen, damit diese Missachtung des Parlaments ein Ende hat, haben Sie, Herr Präsident, auch einen Brief an den Bundeskanzler geschrieben, dass er in Zukunft darauf schauen soll, dass seine Mitglieder der Bundesregierung auch dem Parlament zur Verfügung stehen.

Jetzt gibt es eine Ministerin, bei der das ein besonderes Problem darstellt, das ist Frau Bundesministerin Gewessler. Die ist nämlich sehr oft abwesend: Sie war im Jahr 2022 – inklusive der drei Plenartage, die wir jetzt haben – von 29 Nationalratssitzungstagen an 15 abwesend, sprich an mehr als der Hälfte. Sie empfindet es offensichtlich nicht als notwendig, dem Parlament hier Rede und Antwort zu stehen.

Jetzt bin ich als selbstbewusster Parlamentarier grundsätzlich der Meinung, dass wir auch ohne Ministerinnen und Minister Gesetze beschließen können, aber worum es heute geht – was heute auf der Tagesordnung ist –, das sind Regie­rungsvorlagen. Das sind Vorlagen, die Frau Bundesministerin Gewessler in vollem Bewusstsein dem Parlament zugeleitet hat, wobei sie sich ausrechnen kann, wann die hier auf die Tagesordnung kommen. Das heißt, ich kann daraus nur schließen, die Frau Bundesministerin interessiert sich entweder nicht für das Parlament oder es sind ihr die Themen Umwelt, Verkehr und Ener­gie­politik nicht sonderlich wichtig, denn sonst wäre sie heute anwesend.


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Man kann sich verfassungsmäßig natürlich vertreten lassen. Das passiert heute auch: Bundesminister Rauch wird Frau Bundesministerin Gewessler vertreten. Ich bin sehr gespannt, ob er die gleiche inhaltliche Expertise hat wie die Frau Bundesministerin – wir werden es sehen –, denn es kommt natürlich darauf an, dass man als Minister hier steht, seine Regierungsvorlagen inhaltlich verteidigt und sagt, wieso man der Meinung ist, dass man das machen sollte.

Wir als Parlament sind nicht zuständig für den Terminplan von Frau Bundes­minis­terin Gewessler, und wir sind auch nicht dafür zuständig, dass die Frau Bundesministerin ein unfassbar großes Potpourri an Themen hat, für die sie zuständig ist. Es ist so, dass das Bundesministeriengesetz zwar hier im Parlament beschlossen wird, wir vollziehen da aber in der Regel den Wunsch der Regie­rung, und es war in dem Zusammenhang der Wunsch der Grünen, dass es so ein umfassend großes Ressort gibt, was ja mit ein Grund dafür ist, dass die Frau Bundesministerin so wenig Zeit hat.

Ich darf für meine Fraktion ankündigen, dass wir das in Zukunft nicht mehr in diesem Ausmaß so halten werden, denn wenn das Ergebnis dann jenes ist, dass jemand dem Parlament nicht mehr zur Verfügung steht, dann halte ich das für einigermaßen schwierig.

Was ich auch für einigermaßen schwierig und irritierend halte, ist, dass wir die Diskussion in der Präsidialkonferenz letzte Woche am Mittwoch geführt haben und ich dort sehr laut und sehr klar gemeinsam mit der FPÖ und der SPÖ gesagt habe, dass das aus unserer Sicht nicht geht, dass die Frau Bundesministerin nicht anwesend ist. Es war gestern, am Dienstag, Sitzung des Rates der Euro­pä­ischen Union, und dafür hat man auch Verständnis, dass dort Ministerinnen und Minister anwesend sein müssen. Wir haben dementsprechend vorgeschlagen, dass wir die Tagesordnung umstellen, dass man versucht, dass das irgendwie funktioniert, und die Rückmeldung war: Sie kann aber auch am Mittwoch und am Donnerstag nicht kommen, denn da ist sie in Kanada.


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Damit nicht genug: Es gab dann noch eine Abwesenheitsmeldung, sie wird auch nächste Woche dem Bundesrat nicht zur Verfügung stehen – da ist sie wiede­rum beim Rat, muss man dazusagen.

Ich frage mich, was sich die Grünen in einer Zeit, in der sie eine sehr vitale und kontrollierende Oppositionskraft gewesen waren, überlegt hätten, wenn ein Minister sich dem Parlament dauerhaft entzieht, so wie das Frau Bundesministerin Gewessler macht.

Damit diese Verhöhnung des Parlaments und diese bewusste Frotzelei ein Ende hat, bin ich der Meinung, dass wir die Tagesordnungspunkte der Frau Bun­des­ministerin heute von der Tagesordnung nehmen sollten. Ich stelle gemäß § 49 Abs. 5 GOG den Antrag, dass die Verhandlungsgegenstände Informations-, Einsicht- und Entsendungsrechte des Finanzministers bei E-Control, das Aus­setzen der Erneuerbaren-Förderpauschale, das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz, das Importverbot von Haiprodukten, die Neubaupläne von Small Modular Reactors in Tschechien, den ÖBB-Rahmenplan sowie die Aussetzung der Maut­pflicht in Form der Vignette für Österreicher von der Tagesordnung abgesetzt werden. Der Antrag liegt Ihnen vor, und ich würde Sie bitten, diesen nachher auch zur Abstimmung zu bringen. (Beifall bei NEOS, SPÖ und FPÖ. – Abg. Hafenecker: Sehr peinlich für die Grünen! Sehr peinlich für die Grünen!)

10.25


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wünscht noch jemand, zur Geschäftsord­nung zu reden? – Bitte, Herr Hammer.


10.25.58

Abgeordneter Lukas Hammer (Grüne) (zur Geschäftsbehandlung): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich wundere mich ein bisschen darüber, dass gerade die NEOS und Kollege Scherak sich so äußern. Ich finde es auch etwas populistisch, so zu tun, als wäre der Ministerin das Parlament nicht wichtig. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Sie


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haben selber erwähnt (Unruhe im Saal – Präsident Sobotka gibt das Glocken­zeichen), dass die Ministerin gestern am Sonderministerrat der Energie­minister:innen war. (Ruf bei der FPÖ: Mit dem Privatjet!) Vielleicht ist es Ihnen aufgefallen, dass wir die größte Energiekrise in der Geschichte unserer Zweiten Republik haben. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenrufe der Abgeord­neten Schnedlitz und Deimek. – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Es ist die Aufgabe der Energieministerin, alles dafür zu tun, dass wir gemeinsam europäische Lösungen finden. Ich finde es einigermaßen befremdlich, dass gerade die selbsternannte Europapartei NEOS sich darüber aufregt. (Abg. Deimek: Das ist ja ein Skandal mit dieser Frau! Die tut ein ganzes Jahr nichts, und dann ... einen Flieger!)

Heute ist die Ministerin gemeinsam mit 138 Ministerinnen und Ministern aus anderen Ländern in Montreal bei der Biodiversitätskonferenz im High-Level-Segment. (Ruf bei der SPÖ: Was hat sie für ein Ziel gehabt?) Sie trifft sich in weiterer Folge mit anderen Energieminister:innen, unter anderem mit dem Energieminister von Kanada. (Abg. Meinl-Reisinger: Wir nehmen zur Kenntnis, dass sie etwas Wichtigeres zu tun hat!) Ich glaube, auch das ist etwas, das genau ihre Aufgabe ist. (Abg. Leichtfried hebt die Hand.)

Und was Sie auch nicht dazugesagt haben (Abg. Deimek: ... umeinander und tut nichts!): Unsere Arbeit findet nicht nur hier im Plenum statt, sondern auch in den Ausschüssen. Die Ministerin war im Umweltausschuss, sie war im Energieaus­schuss und sie war im Verkehrsausschuss anwesend (Abg. Scherak: Deswegen muss sie nicht kommen?) – das haben Sie nicht dazugesagt. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Haubner. – Abg. Krainer: Das heißt, sie ist eine Ausschussminis­terin? – Abg. Deimek: Wenn ... beschlossen wird, dann soll sie halt ...! – Weitere Rufe: Also sie ist eine Ausschussministerin!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn Sie unbedingt wollen, dass wir die Punkte von der Tagesordnung nehmen, dann müssen Sie auch dazusagen, was das heißt. (Abg. Krainer: Wir haben nächste Woche Zeit für eine Sondersitzung,


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kein Problem!) Wir haben zum Beispiel heute einen Punkt auf der Tagesordnung, dass die Förderpauschale für nächstes Jahr gestrichen werden soll. Das ist eine Entlastung von 350 Millionen Euro. Wenn wir das jetzt nicht beschließen, kann das nächstes Jahr nicht in Kraft treten. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeord­neten der ÖVP. – Zwischenrufe der Abgeordneten Kainz und Deimek.)

Wenn Sie das wollen, dann müssen Sie eben dazusagen, was die Konsequenzen sind. (Abg. Krainer: Wir haben eh nächste Woche auch Zeit!) Und wir sollten als Parlament, als Abgeordnete das Selbstvertrauen haben, diese Gesetze auch zu beschließen, wenn die Ministerin einmal nicht anwesend ist. (Abg. Krainer: Wir haben eh Zeit nächste Woche!) Wir werden diesem Antrag daher auch nicht zustimmen. (Abg. Scherak: Das heißt, der Zweck heiligt die Mittel?) – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Deimek: ... das ist ja doch lächerlich! Die ganze Partei ist lächerlich! Sie kann einen Sektionschef hinschicken! Sie muss nicht selber dort sein, denn sie weiß am allerwenigsten von allen!)

10.28


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir können das gut diskutieren, aber ich würde um ein bisschen Respekt bitten, dass wir jeden ausreden lassen und nicht unterbrechen. (Neuerliche Zwischenrufe.) – Sie können sich ja dann auch zu Wort melden.

Bitte, Herr Abgeordneter Klubobmann Leichtfried.


10.28.51

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Ich möchte wieder etwas mehr Seriosität in diese Geschäftsordnungs­debatte bringen (Heiterkeit bei Abgeordneten der ÖVP) – mit der Anmerkung, dass natürlich der Kampf um die Artenvielfalt, das Erhalten von Arten (Ruf bei der FPÖ: ... ist sowieso eigenartig!) ein wesentlicher ist und auch die Sozialdemokratie diesen Kampf selbstverständlich führt, aber darum geht es heute nicht. (Abg. Lukas Hammer: Ihr führt den Kampf gegen die Artenvielfalt, das stimmt!)


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Es geht darum, dass es eine Ministerin gibt, die von 29 Parlamentstagen, die ihre Dossiers betreffen, 15 Mal abwesend war – und das zeugt von mangelndem Respekt gegenüber der parlamentarischen Demokratie, gegenüber den Wähle­rinnen und Wählern. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von FPÖ und NEOS.)

Die Republik Österreich ist keine Räterepublik, in der eine Ministerin sich Räte zusammensucht und ihnen Rechenschaft ablegt, die Ministerinnen und Minister dieses Landes haben im Nationalrat Rechenschaft abzulegen.

Das ist ihre erste und vornehmste Pflicht und das, finde ich, tut Frau Gewessler – aus welchen Gründen auch immer – schon länger nicht. Das gehört jetzt wirklich einmal angesprochen und deshalb meine ich: Kollege Scherak hat recht gehabt, dass er sich deswegen zu Wort gemeldet hat. Er hat auch mit seinem Antrag recht, wenn es nicht möglich ist, dass die Frau Ministerin da ist.

Wir haben wirklich alles versucht. Herr Präsident, Sie sind Zeuge! Wir haben versucht, die Tagesordnungspunkte zu tauschen, wir haben versucht, ganz in der Früh etwas zu machen. Wir haben versucht, es irgendwie zu ermöglichen, dass das zusammenpasst. Ich habe aber das Gefühl: Es war ja nicht einmal gewünscht, dass das irgendwie geht. Sie wollte einfach nicht herkommen. (Beifall bei SPÖ, FPÖ und NEOS. – Abg. Lukas Hammer: Dass dir das nicht peinlich ist!)

Wenn das so dringend ist, wie Kollege Hammer behauptet, können die Grünen jederzeit eine Sondersitzung nächste Woche verlangen. Dann machen wir es so, dann vertagen wir heute und machen nächste Woche eine Sondersitzung, damit die Frau Ministerin teilnehmen kann. (Rufe bei der SPÖ: Genau!) Das wird ja noch möglich sein, so etwas zu tun. (Beifall bei SPÖ, FPÖ und NEOS. – Zwischenrufe bei der ÖVP. – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.)

Ich möchte eines anmerken: Die Minister und Ministerinnen haben es in der Hand, wann sie Tagesordnungspunkte am Ende dem Plenum zuleiten. All diese Dinge stehen eigentlich seit Langem fest. Unsere Sitzungstage stehen fest.


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Wichtige Veranstaltungen, bei denen ein Minister, eine Ministerin anwesend sein muss, stehen auch fest. Wenn es so wesentliche Punkte sind, wird es doch möglich sein, die so fertig zu machen, dass man als Minister auch persönlich anwesend sein kann. Das ist einmal das Mindeste, was man von einer Ministerin, einem Minister erwarten kann, geschätzte Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Ich würde mich daher im Namen meiner Fraktion dem Antrag von Kollegen Scherak vollinhaltlich anschließen. Sollte der Vertagungsantrag keine Mehrheit finden, beantrage ich, die Frau Ministerin herbeizuschaffen. – Danke. (Beifall bei SPÖ und NEOS sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)

10.31


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zur Geschäftsbehandlung zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Hafenecker. – Bitte.


10.32.01

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! (Zwischenrufe bei SPÖ, FPÖ und NEOS. – Präsident Sobotka gibt neuerlich das Glockenzeichen.) Ja, ich möchte – auch von unserer Seite – unserem Ärger Ausdruck verleihen, dass die Ministerin ganz bewusst zu mehr als der Hälfte der Sitzungen nicht gekommen ist. Offensichtlich nimmt sie das Parla­ment nicht ernst.

Wie meine Vorredner bereits gesagt haben, sind das doch keine Termine, die über uns wie Naturkatastrophen hereinbrechen, sondern es gibt einen Arbeits­plan des Parlaments, nach dem sich die Frau Minister zu richten hat. Sie hat auch wertzuschätzen, was hier passiert. (Abg. Krainer: Wir haben nächste Woche Zeit, machen wir doch eine Sondersitzung!) Ich möchte wiederholen, was die Kollegen gesagt haben: Wenn es der grünen Fraktion so wichtig ist, dass diese Beschlüsse heute gefasst werden, dann müssen Sie halt ein bisschen später damit beginnen, sich in eine Weihnachtsstimmung zu begeben, dann müssen wir nächste Woche noch eine Sondersitzung machen, dann muss die Frau Minister halt jetzt einmal


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aufhören, irgendwo im Ausland in Privatjets zu champagnisieren, sondern hierherkommen und ihre Vorlagen auch zur Beschlussfassung bringen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ich muss Ihnen das ganz klar sagen: Wir haben ein Ministerium, das Klima­ministerium, das mit Abstand die größte Summe an Beraterkosten verbrennt. Es werden dort 13 Millionen Euro verbrannt. Wir wissen nicht, wofür. Wenn man sich in diesem Ministerium schon Berater um 13 Millionen Euro leistet, dann könnten diese Berater zumindest darauf hinweisen, dass es nicht schlecht wäre, im Parlament aufzutauchen, wenn die eigenen Tagesordnungspunkte zur Beschlussfassung stehen. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Noch etwas: Ich weiß schon, warum die Frau Minister vielleicht hin und wieder nicht kommt: weil sie ohnehin am wenigsten zum parlamentarischen Betrieb beiträgt, einfach deswegen, weil ja überhaupt keine Entwürfe aus ihrem Minis­terium kommen. Es ist also ein Ministerium, in dem gähnende Leere an Vorlagen herrscht. Es kommt ja gar nichts.

Eines verstehe ich auch nicht, wenn die Ministerin jeden Tag davon spricht, dass das Klimaschutzgesetz für sie so wichtig sei: Na gerade da wäre es wichtig, dass man zu Hause im Büro sitzt und nicht durch die Welt – nach vorne und nach hinten und retour und ich weiß nicht wohin – jettet. Auch das kann man der Ministerin ausrichten.

Zum Schluss: Auch wir schließen uns Kollegen Scherak und den Kollegen von der SPÖ an und sind natürlich für eine Vertagung dieser Tagesordnungspunkte. Wie gesagt, wer nicht hören kann, muss fühlen: Dann müssen wir halt nächste Woche eine Sondersitzung machen. (Beifall bei der FPÖ sowie bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS.)

10.34


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zur Geschäftsbehandlung zu Wort gemeldet ist Klubobmann Wöginger. – Bitte.



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10.34.21

Abgeordneter August Wöginger (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsi­dent! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zum Ersten möchte ich festhalten, dass die letzte Geschäftsordnungswortmeldung wieder missbraucht wurde, um andere Inhalte unterzubringen. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwischenrufe bei der SPÖ: Ja, ja!) Das sollte man generell nicht tun. Kollege Scherak hat das aus meiner Sicht sehr ordentlich gemacht. Wir mögen zwar inhaltlich unterschiedlicher Ansichten sein (Abg. Krainer: Ist das eine Kritik an Kollegen Hammer?), aber das war wenigstens eine Geschäftsordnungs­wort­meldung, die inhaltlich nicht mit anderen Punkten ausgeschmückt worden ist. (Abg. Krainer: Das war offenbar eine Kritik am Grünen Hammer! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Zum Zweiten: Ich bin jetzt 20 Jahre im Parlament und es ist die fünfte Regie­rungskoalition, der ich als Abgeordneter angehöre. Wir haben mit der Sozialdemokratischen Partei, mit der Freiheitlichen Partei regiert und regieren jetzt mit den Grünen. (Abg. Krainer: Und mit dem BZÖ! Das BZÖ nicht vergessen!) Es hat immer wieder verfassungsmäßige Vertretungen von Ministe­rin­nen und Ministern gegeben, weil sie nicht hier sein konnten. Es ist der Situation und dieser herausfordernden Zeit geschuldet. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Ich nenne Ihnen ein Beispiel: Die Sitzung des Europäischen Rates, die diese Woche stattfindet, ist um einen Tag – nämlich um den heutigen – erweitert worden, und der Bundeskanzler steigt jetzt gerade in den Flieger und fliegt nach Brüssel.

Es ist wichtig, dass unsere Ministerinnen und Minister diese internationalen – nicht nur europäischen, sondern auch internationalen – Termine wahrnehmen. (Ruf bei der SPÖ: Das hat keiner kritisiert!) Ich möchte ja gar nicht wissen, was Sie sagen würden, wenn unsere Minister nicht an diesen Konferenzen teilnehmen. Tun Sie bitte nicht so, das ist wirklich eine Bitte! Als Sie selber Ministerinnen und Minister gestellt haben, war das ganz klar, da haben wir solche Debatten nicht geführt. Es war ganz klar: Wenn sie verfassungsmäßig entschuldigt sind – das


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wird am Beginn der Sitzung verlesen –, wenn es eingemeldet ist, wird das auch angenommen.

Seit einiger Zeit haben wir hier die Situation: Wir bemühen uns wirklich von­seiten der Klubobleute der Koalition, dass wir schauen, dass die Ministerinnen und Minister da sind, dass sie kommen. (Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ.) Nur: Der Plan steht bei uns ein Dreivierteljahr im Vorhinein fest und Konferenzen wie auch Ratssitzungen werden dann terminlich später festgelegt. Da können die Ministerinnen und Minister nichts dafür. Das möchte ich wirklich auch einmal betonen.

Kollege Scherak hat natürlich damit recht, dass wir uns bemühen müssen, dass die Regierungsmitglieder bei ihren Punkten da sind. Es geht aber leider nicht immer. Gerade in Zeiten wie diesen ist es eben extrem herausfordernd. (Zwi­schenruf des Abg. Deimek.) Da bitte ich auch wirklich, es anzuerkennen und zu respek­tieren, dass die Bundesregierungsmitglieder da wirklich alles tun, um unsere Republik im Ausland – auf der europäischen Ebene und auch international – bestmöglich zu vertreten. Daher treten wir als Volkspartei diesen Anliegen nicht näher.

Ich sage aber zu, dass ich in Bezug auf die Regierungsmitglieder der Volkspartei alles tun werde, dass sie – so gut es irgendwie möglich ist und geht – natürlich auch im Parlament anwesend sind. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Deimek.) Herr Kollege Leichtfried, einen Zitationsantrag zu stellen: Das, was du da jetzt gemacht hast, ist demokratiepolitisch gefährlich, weil die Ministerin in Kanada ist, wie du weißt. Sollte dieser Antrag eine Mehrheit bekommen – du hast gewusst, dass er keine Mehrheit kriegt, weil du sonst das demokratische System gefährdet hättest –, dann können wir die Tagesordnungen von heute und morgen, auf denen wichtige Punkte für die Bevölkerung Österreichs enthalten sind, in den Mistkübel schmeißen. (Weiterer Zwischenruf des Abg. Deimek.) Kehren wir also auch zu einer seriösen Art und Weise zurück, wie wir den Parlamenta­rismus in Österreich gestalten! (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Abg. Matznetter: Er fällt unter eine Lüge, der Herr Wöginger!)

10.37 10.37.46



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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Sie haben den Antrag auf Absetzung der Tagesordnungspunkte 5 bis 7 sowie 31 bis 34 gehört. Der Antrag gemäß § 49 Abs. 5 der Geschäftsordnung liegt auch schriftlich vor. Eine Absetzung kann vor Eingang in die Tagesordnung beschlossen werden und erfordert eine Zweidrit­tel­mehrheit. (Rufe bei der SPÖ: Jetzt müssen wir abstimmen!)

Wir gelangen sogleich zur Abstimmung über den Absetzungsantrag betreffend die Tagesordnungspunkte 5 bis 7 sowie 31 bis 34.

Ich ersuche die Abgeordneten, die dafür sind, um ein dementsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Die erforderliche Zweidrittelmehrheit ist nicht erreicht.

Es bleibt bei der bekannt gegebenen Tagesordnung.

*****

Abgeordneter Leichtfried hat den Antrag zur Geschäftsbehandlung gestellt, der Nationalrat wolle im Sinne des § 18 Abs. 3 der Geschäftsordnung die Anwesen­heit von Bundesministerin Gewessler verlangen.

Eine Debatte über diesen Antrag wurde nicht verlangt.

Wir kommen also gleich zur Abstimmung.

Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Auch das ist die Minderheit, abgelehnt. (Unruhe im Saal. – Der Präsident gibt das Glockenzeichen.)

10.39.06 Behandlung der Tagesordnung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Es ist vorgeschlagen, die Debatten über die Punkte 1 und 2, 3 und 4, 5 bis 7, 9 bis 12, 13 bis 16, 17 bis 21, 22 bis 25 sowie 26 und 27 der Tagesordnung jeweils zusammenzufassen.

Wird dagegen ein Einwand erhoben? – Das ist nicht der Fall.


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Ankündigung einer Dringlichen Anfrage


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die Abgeordneten Meinl-Reisinger, Kolleginnen und Kollegen haben das Verlangen gestellt, die vor Eingang in die Tagesordnung eingebrachte schriftliche Anfrage 13233/J der Abgeordneten Meinl-Reisinger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft betreffend „der Stillstand in der Regierung, darf nicht zum Stillstand der Wirtschaft werden: Arbeitsmarktreform jetzt!“ dringlich zu behandeln.

Gemäß der Geschäftsordnung erfolgt der Aufruf der Dringlichen Anfrage um 15 Uhr.

Redezeitbeschränkung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zwischen den Mitgliedern der Präsidial­konferenz wurde Konsens über die Dauer der Debatten erzielt. Es gibt heute eine Tagesblockzeit von 9,5 „Wiener Stunden“. Die Redezeiten ergeben sich wie folgt: ÖVP 185, SPÖ 128, FPÖ 105, Grüne 95 sowie NEOS 76 Minuten.

Gemäß § 57 Abs. 7 der Geschäftsordnung beträgt die Redezeit für die gesamte Tagesordnung von jenen Abgeordneten, die keinem Klub angehören, 38 Minu­ten. Der Debattenbeitrag darf 5 Minuten nicht übersteigen.

Wir kommen gleich zur Abstimmung.

Wer dem zustimmt, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist einstimmig.

*****

Wir gehen somit in die Tagesordnung ein.

10.40.501. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 3003/A der Abge­ord­neten Dr. Christian Stocker, Mag. Georg Bürstmayr, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985,


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das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, das BFA-Verfahrensgesetz und das Asylgesetz 2005 geändert werden (1868 d.B.)

2. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 2981/A der Abgeord­ne­ten Mag. Wolfgang Gerstl, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, das Verwaltungsrechtliche COVID-19-Begleitgesetz und das COVID-19 Begleitgesetz Vergabe geändert werden (1869 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen zu den Punkten 1 und 2 der Tagesordnung, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Amesbauer. Bei ihm steht das Wort. – Bitte sehr, Herr Abgeordneter.


10.41.57

Abgeordneter Mag. Hannes Amesbauer, BA (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Frau Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Werte Fernseh­zu­seher! Wir debattieren jetzt einen Tagesordnungspunkt, bei dem unter anderem auch eine Änderung im Asylgesetz vorgenommen wird. Das bietet die Gelegen­heit, wieder über die Asylsituation in Österreich zu sprechen. Wir als Freiheit­liche Partei haben das ja gestern in der Aktuellen Stunde auch an den Beginn der Tagesordnung gestellt.

Was mich so stört, ist diese Ignoranz bei dem Problem auf der einen Seite, nämlich aufseiten der SPÖ, der Grünen und der NEOS, also auf der linken bis ganz linken Seite, und die Untätigkeit der ÖVP, die wir hier sehen. Die ÖVP kreiert jetzt Worte wie Asyltourismus – dagegen ist nichts zu sagen, das ist ja kein böses Wort, das ist ja auch zutreffend –, gestern das komische Wort – das habe ich bisher überhaupt noch nie gehört – Asylbremse. Es wäre nett, wenn


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einmal erläutert würde, was das sein soll und wie sich die Asylbremse auswirkt. Das ist eine Wortschöpfung, die unnötig ist, die lächerlich klingt und die es in der Realität auch nicht gibt. Was wir brauchen, ist ein Asylstopp, und zwar ein vollständiger Asylstopp (Abg. Meinl-Reisinger: Was ist das? Wie machen Sie das?) mit der Maßnahme, keinen einzigen Asylantrag mehr anzunehmen. (Abg. Meinl-Reisinger: Ah ja! Ja, eh!)

Frau Meinl-Reisinger von den NEOS findet das ja witzig (Abg. Meinl-Reisinger: Nein, ich finde Ihr rechtsstaatliches Verständnis witzig!), aber die Menschen, die unter dieser Massenzuwanderung leiden, finden das nicht lustig. (Abg. Meinl-Reisinger: Das müssen Sie aber den Bürgern erklären, wie Ihr Rechtsstaatsverständnis ist!) – Wenn Sie vom Rechtsverständnis reden: Wir haben so zu handeln, wie die Bürger es wollen (Abg. Meinl-Reisinger: Der Rechtsstaat hat Rechtsstaat zu bleiben!), und wenn die Bürger diese Invasoren aus aller Herren Länder in Öster­reich nicht haben wollen, dann haben wir so zu handeln. – Aus, fertig, Ende! Das ist mein Rechtsverständnis und das ist das Rechtsverständnis der Freiheitlichen Partei: Das Volk entscheidet! (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Meinl-Reisinger: Dann wissen wir, wo Sie stehen: außerhalb des Rechtsstaates!) – Wo stehen wir? Außer­halb des Rechtsstaates?

Was ist dann mit den Polen, was ist mit den Ungarn, was ist mit Griechenland, was ist mit Italien, die Rückweisungen machen, die die Grenzen schützen? Die Kroaten schützen übrigens auch sehr gut die Grenzen, nur Österreich schafft es nicht.

Frau Meinl-Reisinger, ich bringe Ihnen ein paar Zahlen. Die Zahlen sind ja - - (Abg. Meinl-Reisinger: Sie wollen ...! Sie müssen schon genau ausführen, was Sie wollen, wenn Sie sich nicht lächerlich machen wollen!) Frau Meinl-Reisinger, es hört Sie eh niemand im Fernsehen, also sparen Sie sich das! (Abg. Meinl-Reisinger: Wieso sind Sie so nervös? ...!) Melden Sie sich zu Wort, wenn Sie etwas Substan­zielles zur Asylthematik beizutragen haben! Nur habe ich von den NEOS noch nie etwas anderes dazu gehört, außer: Es sollen noch mehr hereinkommen! –


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Das ist der völlig falsche Ansatz. (Beifall bei Abgeordneten der FPÖ. – Abg. Meinl-Reisinger: Das findet sogar Ihre Fraktion nicht so besonders! Der „Asylstopp“!)

Um die Dramatik einzuordnen: Es ist ja allgemein bekannt, dass wir im heurigen Jahr schon über 100 000 Asylanträge verzeichnen. Ich habe jetzt die Statistik vom 20.11.2022 – das sind die aktuellsten Daten, die ich habe –, bis dahin hat man in Österreich 101 431 Asylanträge bei neun Millionen Einwohnern verzeichnet. In der gesamten EU, in den EU-27, gab es im Zeitraum bis 20. No­vember 764 986 Asylanträge – mittlerweile sind es weit mehr –, und die Europäische Union hat 447,7 Millionen Einwohner. Österreich stellt also 2 Pro­zent der Bevölkerung der EU, hat aber 13,2 Prozent aller Anträge in der EU. Also wie funktioniert das?

Asylanträge in Deutschland – ganz spannend –: 168 611. Sie wissen ja, der Faktor zehn: Deutschland hat 83,2 Millionen Einwohner, wir haben neun Millio­nen Einwohner. Ungarn hat nur 42 Asylanträge. Warum? – Na weil die einerseits keine Sozialleistungen gewähren und andererseits die Asylanträge einfach nicht annehmen. Die Ungarn machen also alles richtig und pfeifen auf das Nase­rümpfen in der Europäischen Union. Sie schützen ihr Volk, und auch wir als österreichi­sche Politiker sollten parteiübergreifend endlich unser Volk vor diesen Gefahren schützen, die mit der Masseneinwanderung ins Land strömen, meine Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ.)

Interessant ist auch: Bei unseren Asylanträgen sind 91 Prozent originär, das heißt, Erstantragsteller. 91 Prozent aller Asylanträge in Österreich sind von originären Antragstellern, den Rest machen die Kategorien Mehrfachantrag­steller, wenn ein und dieselbe Person mehrmals Anträge stellt, Nachgeborene und Einreisegestattung aus.

Ich bringe jetzt einen interessanten Vergleich zu den Jahren, als Herbert Kickl die Verantwortung im Innenministerium hatte: 2018 gab es 13 746 Anträge, davon nur 42 Prozent originär, und 2019 12 886 Anträge, davon nur 48 Prozent originär. Die Erstantragsteller waren also in der Zeit von Herbert Kickl in der


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Minderheit – das muss man auch einmal klar sagen –, und jetzt sind es 91 Pro­zent aller Antragsteller.

Die top fünf Herkunftsstaaten: 23 Prozent Afghanen, über 20 000 Personen heuer schon, über 16 000 Syrer, über 15 000 Inder, rund 12 000 Tunesier, über 7 000 Pakistani. In den Top Ten vertreten sind Marokko, Türkei, Somalia, Ägypten und Bangladesch.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe ja auch das Sicherheitssystem angesprochen: Es gibt laufend Polizeieinsätze im Bereich der Asylquartiere. Was macht die Bundesregierung? – Sie sperrt ein Asylquartier nach dem anderen neu auf, jetzt zum Beispiel das Großquartier in Kindberg in meinem Heimatbezirk.

Schauen wir uns zum Beispiel die Zahl der Polizeieinsätze an! Es gab im Bundesquartier in Bergheim 49 Einsätze in einem Jahr, in Semmering, auch in meinem Bezirk, 29 Einsätze. Bei den Einsätzen geht es um Drogenkriminalität, Gewalttaten, Körperverletzungen und dergleichen. Asylheime sind also immer eine potenzielle Sicherheitsgefährdung für die Bevölkerung.

Es hat sich erst unlängst ein tragischer Fall in Deutschland, in einer kleinen Gemeinde nahe Ulm, zugetragen: Ein Asylwerber aus Eritrea ist aus dem Asylwerberheim gestürmt, hat zwei Mädchen, ein 14-jähriges und ein 13-jähriges Mädchen, attackiert, hat mit einem Messer auf die Mädchen einge­stochen, und die 14-Jährige ist dann verstorben. Solche Zustände wollen wir nicht! Ich sage auch ganz klar: Jene, die diese verantwortungslose Massen­einwanderung ermöglichen, sind an solchen Taten mitschuldig. (Beifall bei der FPÖ.)

Der Prozess im Fall Leonie – dieser tragische Fall in Österreich, der auch noch nicht so lange her ist – ist ja gerade erst mit einem Urteil zu Ende gegangen, das wirklich erfreulich und verdient ist. Davon hat zwar Leonie nichts, aber bei dem Urteil hat die Rechtsprechung wirklich gut funktioniert. Der einzige Schaden ist,


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dass die Herrschaften die Strafe in Österreich – auf unsere Kosten – und nicht in Afghanistan absitzen müssen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich komme jetzt noch zu den Kosten des gesamten Asylwesens. Wir wissen, dass im Kapitel Fremdenwesen 1,1 Mil­liar­den Euro budgetiert sind, aber das ist nur ein kleiner Teil der Wahrheit. Wir wissen, dass die Kosten insgesamt weit höher sind.

Interessanterweise werden jetzt sogar Animateure, sogenannte Freizeitbetreuer für die Asylquartiere gesucht. Das haben wir mit einer parlamentarischen Anfrage aufgearbeitet. Freizeitbetreuer über das AMS: Diesen Zynismus muss man sich vorstellen! Es gibt in Österreich rund 160 solcher Freizeitbetreuer für Asylwerber, und die kosten im Jahr über 5 Millionen Euro. Es ist in Zeiten der Teuerung ein besonderer Zynismus, dass man für die Freizeitgestaltung dieser Herrschaften, die illegal und ungebeten ins Land kommen, hier straffällig werden und bei uns in der sozialen Hängematte liegen, auch noch Animateure einstellt. Auf die Idee muss man einmal kommen! (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Stöger: He, he, he! ...!)

Ich stelle deshalb folgenden Antrag:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Transparenzbericht über Ausgaben für die ‚neue Völkerwanderung‘ – Kosten­wahrheit für die Steuerzahler!“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, einen monatlichen Transparenzbericht betreffend ‚Kosten der illegalen Einwanderung‘ mit Ausgabenaufstellung aller Bundesministerien zu erstellen.“


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*****

Durch diesen Antrag soll gewährleistet werden, dass wir eine wirkliche Kostenwahrheit haben, was das insgesamt alles kostet – im Bildungswesen, im Gesundheitswesen und so weiter. Es ist wohl das Mindeste, dass wir diese Transparenz leben.

Ich stelle jetzt einen weiteren Antrag, meine sehr geehrten Damen und Herren, denn wir importieren wie gesagt auch die Kriminalität. Wir importieren uns den Islamismus und damit auch eine potenzielle Terrorgefahr. Wir wissen, wie viele Gefährder und Radikale unterwegs sind, dazu brauchen wir nur einen Blick in die Kriminalitätsstatistik zu werfen, dazu brauchen wir uns nur anzuschauen, wie viele Ausländer unter den Tätern oder den Verdächtigen bei all den Frauen­mor­den in Österreich sind, und dazu brauchen wir uns nur die Anzahl der auslän­dischen Gefängnisinsassen anzusehen. Und die Regierung macht nichts dagegen, wirklich gar nichts, um diese Masseneinwanderung zu bremsen; die Asylbremse habe ich ja schon besprochen. Der einzige Grund, warum die Zahlen jetzt leicht zurückgehen, sind die Minustemperaturen. Das ist der einzige Grund dafür – und nicht wegen dieser Bundesregierung, die ja im Wesentlichen aus Blindgängern besteht.

Ich bringe jetzt gemäß § 55 der Geschäftsordnung des Nationalrates einen Misstrauensantrag ein:

Misstrauensantrag

der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Versagen des Vertrauens gegenüber der Bundesregierung“

(Zwischenruf des Abg. Gerstl.) – Sie haben richtig gehört: Ich stelle einen Misstrauensantrag gegen die gesamte Bundesregierung. (Abg. Gerstl: Nichts Neues!)

„Der Nationalrat wolle beschließen:


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Der Bundesregierung und den Staatssekretären wird gemäß Art. 74 Abs. 1 iVm Art. 78 Abs. 2 B-VG durch ausdrückliche Entschließung des Nationalrats das Vertrauen versagt.“

*****

Meine Damen und Herren, neben dem Versagen im Asylchaos, das ich jetzt ausführlich behandelt habe, gibt es viele Gründe für das Misstrauen gegen diese Bundesregierung. Es gibt viele Gründe, diese Regierung in die Wüste zu schicken. Es gibt meines Erachtens keinen einzigen Grund, diese Regierung im Amt zu belassen.

Da ist das Totalversagen in der gesamten Coronasituation mit der Aushebelung der Grund- und Freiheitsrechte und dem Schaden von vielen Milliarden Euro, der angerichtet wurde. Es gibt die Korruption der ÖVP. Dann ist da noch die Teuerung, gegen die nichts getan wird, nichts Wirksames getan wird. Es gibt den schleißigen Umgang - - (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Na schau, da schreien Sie, wenn Sie Korruption hören! Jene, die die Korruption betreiben und zudecken, schreien auf! Ja, ihr habt ein Korruptionsproblem, ihr steckt im Korruptions­sumpf (Abg. Gerstl: ... Verleumdung! ... Sie begehen gerade strafrechtlich...!), meine Damen und Herren! Ihr habt einen Dauerstreit innerhalb der Regierung, ihr bringt nichts mehr weiter.

Und nicht zuletzt die fehlende demokratische Legitimation: Bei der letzten Wahl hat ein gewisser Sebastian Kurz kandidiert – kein Schallenberg, der ein kurzes, unrühmliches Intermezzo hatte, und kein Nehammer. Das nennt man Wähler­täu­schung. Alle Regierungsmitglieder, inklusive der anwesenden Frau Edtstadler, haben unterschrieben: Ohne den Gottseibeiuns, ohne den einstigen Superstar Basti Fantasti (Zwischenruf des Abg. Gerstl), machen wir nicht mehr weiter!, und immer noch kleben Sie an Ihren Sesseln fest. Das ist Wählertäuschung, das ist auch ein Beleg dafür (Zwischenruf des Abg. Zarits), dass weder Ihr Wort noch Ihre Unterschrift etwas wert sind und dass man sich auf Sie nicht verlassen kann. Es ist die mangelnde Handschlagqualität, die bekannt ist. In den Umfragen kratzen


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Sie gemeinsam, ÖVP und Grüne, gerade noch an der 30-Prozent-Hürde. Es ist Zeit, den Weg frei zu machen. Es ist Zeit, Österreich, dieser Republik und den Bürgern eine Chance auf eine ehrliche, anständige und saubere Politik zu geben.

Meine Damen und Herren, stimmen Sie diesem Misstrauensantrag zu! (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Wöginger – beim Mikrofon in den Abgeordnetenreihen der ÖVP stehend –: Herr Präsident!)

10.53

Die Anträge haben folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten KO Kickl, Mag. Amesbauer

und weiterer Abgeordneter

betreffend Transparenzbericht über Ausgaben für die „neue Völkerwanderung“ – Kostenwahrheit für die Steuerzahler!

eingebracht im Zuge der Debatte über den Tagesordnungspunkt 1, Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 3003/A der Abgeordneten Dr. Christian Stocker, Mag. Georg Bürstmayr, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, das BFA-Verfahrensgesetz und das Asylgesetz 2005 geändert werden (1868 d.B.), in der 189. Sitzung des Nationalrates, XXVII. GP, am 14. Dezember 2022

Die Zahl der heuer in Österreich gestellten Asylanträge hat die dramatische Rekord­marke von 100.000 bereits überschritten, bis Jahresende sollen es 120.000 werden. Die rund 80.000 Ukrainer im Land sind da noch nicht eingerechnet. Das von ÖVP und Grünen verursachte Asylchaos stellt nicht nur das Katastrophenjahr 2015 in den Schatten, vielmehr hat die illegale Einwanderung schon längst das Ausmaß einer „neuen Völkerwanderung“ erreicht. Den Preis dafür lassen Nehammer, Kogler und Co. die Österreicher mit ihrer Sicherheit, dem Verlust ihres Rechts auf Heimat und


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Abermilliarden an Steuergeld aus allen möglichen Bereichen bezahlen. Über die tatsächliche Dimension dieser Kosten, angefangen vom Sozialsystem bis hin zum Bildungsbereich, lässt die Bundesregierung die Steuerzahler im Dunkeln.

Es muss daher Kostenwahrheit und Transparenz durch alle Ministerien hergestellt werden. Was die Bundesregierung bei Corona mit wöchentlichen Pressekonferenzen und Dashboards zusammengebracht hat, muss sie bei der illegalen Massenein­wanderung zumindest einmal im Monat schaffen.

Konkret sollten alle Bundesministerien dazu verpflichtet werden, sämtliche mit dem Bereich Migration und Asyl verbundenen Ausgaben transparent auszuweisen und dem Finanzminister zu melden, der in monatlichen Abständen einen daraus erstellten Transparenzbericht „Kosten der illegalen Einwanderung“ veröffentlichen muss. Derzeit ist es so, dass beispielsweise im Budget 2023 für das „Fremdenwesen“ 1,1 Milliarden Euro an Kosten ausgewiesen werden. Das ist aber nur der Aufwand für die „Völkerwanderungsbürokratie“ und damit nicht einmal die halbe Wahrheit. Die durch die Masseneinwanderung verursachten Belastungen für den Gesundheitsbereich, das Sozialsystem, den Bildungsbereich, die Justiz oder Kosten für die Schulungsmaß­nahmen und Förderungen quer über verschiedenste Ressorts machen ein Vielfaches davon aus. Sie werden allerdings nicht herausgerechnet und gesammelt dargestellt. 

Die Regierung wirft unsinnigerweise Milliarden Euro für die „neue Völkerwanderung“ zum Fenster hinaus. Dafür hat weder die heimische Bevölkerung Verständnis noch Menschen, die seit vielen Jahren hier leben, arbeiten, Steuern zahlen und – im Gegensatz zur Masse der „Neuankömmlinge“, die sich nur in unser Sozialsystem drängen wollen – Leistungsträger sind. Somit ist es nur eine Minimalforderung, auch die Wahrheit über die tatsächlichen Kosten zu erfahren. Die Aufwendungen für die Ukrainer im Land sind hier ebenfalls einzubeziehen.

Die Bevölkerung hat ein Recht auf Kostenwahrheit. Ganz besonders in Zeiten, in denen viele nicht wissen, wie sie überhaupt noch über die Runden kommen sollen. Ganz egal, ob es Kosten für die Sicherheit, AMS-Schulungen, Arztbesuche oder Krankenhausbehandlungen, Schul- oder Kindergartenplätze, Gerichtsverfahren, das


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Absitzen von Haftstrafen oder den absurden Klimabonus für Asylanten betrifft: Jeder einzelne Euro, der für Drittstaatsangehörige, die Asyl in Österreich verlangt haben, ausgegeben wird, muss auch in einer gesonderten Aufstellung von den zuständigen Bundesministerien transparent abgebildet werden.

Denn nur dann wird für jeden auf einen Blick sichtbar, dass der ausgewiesene finanzielle Aufwand etwa für Grundversorgung, Sozialhilfe und Mindestsicherung im Zusammenhang mit Asyl zwar ohnehin schon horrend ist, aber in Wirklichkeit nur einen Bruchteil der gesamten Kosten für die österreichische Volkswirtschaft ausmacht.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, einen monatlichen Transparenzbericht betreffend „Kosten der illegalen Einwanderung“ mit Ausgabenaufstellung aller Bundesministerien zu erstellen.“

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Mißtrauensantrag

§ 55 GOG-NR

der Abgeordneten KO Kickl, Mag. Amesbauer

und weiterer Abgeordneter

betreffend Versagen des Vertrauens gegenüber der Bundesregierung

eingebracht im Zuge der Debatte über den Tagesordnungspunkt 1, Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 3003/A der Abgeordneten Dr. Christian Stocker, Mag. Georg Bürstmayr, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, das Niederlassungs- und


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Aufenthaltsgesetz, das BFA-Verfahrensgesetz und das Asylgesetz 2005 geändert werden (1868 d.B.), in der 189. Sitzung des Nationalrates, XXVII. GP, am 14. Dezember 2022  

Das von ÖVP und Grünen verursachte Asylchaos stellt nicht nur das Katastro­phenjahr 2015 in den Schatten, vielmehr hat die illegale Einwanderung schon längst das Ausmaß einer „neuen Völkerwanderung“ erreicht. Den Preis dafür bezahlen die Österreicher mit ihrer Sicherheit, dem Verlust ihres Rechts auf Heimat und Abermil­liarden an Steuergeld aus allen möglichen Bereichen.

Unser Land ist durch das Nichthandeln der Regierung eine der ersten Adressen für illegale Einwanderer. Mit Stand 20. November 2022 sind laut Zahlen aus dem BMI heuer bereits 101.431 Asylanträge in Österreich gestellt worden. Die Antragsteller kommen hauptsächlich aus Indien, Afghanistan, Syrien, Marokko und Tunesien. All diese Länder sind weit weg von Österreich, dazwischen liegen viele sichere Staaten, in denen man einen Antrag stellen hätte können. Daraus ergibt sich der Umstand, dass Österreich nicht zuständig ist für diese Menschen. Daher muss man die Entwicklun­gen an den österreichischen Außengrenzen nicht managen, sondern abwehren.

Die Regierung begleitet diese „neue Völkerwanderung“ jedoch nur, tut aber nichts, um die Grenzen zu sichern. Von SPÖ und ÖVP wurde im Jahr 2016 ein Positionspapier zum Thema Asyl verfasst. Dort sind konkrete Maßnahmen – wie die Sicherstellung einer geordneten Einreisekontrolle, eine rasche und effektive Sicherung der EU-Außengrenze sowie das Schaffen von Hotspots für das Stellen von Asylanträgen an den Außengrenzen der EU – festgeschrieben worden. Auch sollte das Stellen eines Asylantrags in Österreich nicht mehr möglich sein, wenn bereits 37.500 Anträge innerhalb eines Jahres gestellt worden sind.

Heute – beinahe sieben Jahre später – ist von den damaligen Versprechen nichts mehr übrig und die Realität beweist, dass alle Beteuerungen, das Jahr 2015 dürfe sich nicht wiederholen und man habe aus den damaligen Ereignissen gelernt, nichts als leere Worte waren. Innenminister Karner macht es sich sehr leicht, die eigene Verantwortung auf den nicht funktionierenden Schutz der Schengen-Außengrenzen


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abzuschieben. Es geht ihm nur um die mediale Inszenierung, statt endlich Maß­nahmen zu setzen.

Er selbst – und sonst niemand – ist für die Sicherheit in Österreich verantwortlich. Wenn er beim Abschieben von illegalen Einwanderern nur annähernd so konsequent wäre wie beim Abschieben seiner Verantwortung, wäre ein Teilbereich des Problems bereits gelöst. Tatsache ist: ÖVP und Grüne haben Österreich zur ersten Adresse für die illegale Einwanderung werden lassen – und das zulasten der eigenen Bevölkerung.

Österreich muss als Zielland für illegale Einwanderer unattraktiv gemacht werden, wir brauchen keine Einwanderer in das Sozialsystem. Die notwendigen Maßnahmen gegen die illegale Einwanderung und den Asylmissbrauch sind aber nicht ersichtlich. Aktuell lädt man die Migranten buchstäblich ein. Eine Möglichkeit, den unkontrol­lierten Zustrom wenigstens zu begrenzen, wäre die Notverordnung mit der Ober­grenze 37.000 gewesen. Doch Dank des ÖVP-Totalversagens, hier insbesondere von Bundeskanzler Nehammer und Innenminister Karner, ist Österreich trauriger Spitzen­reiter als Zielland der aktuellen „neuen Völkerwanderung“ in Europa. Die Leid­tra­genden sind die Bürger dieses Landes.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesregierung und den Staatssekretären wird gemäß Art. 74 Abs. 1 iVm Art. 78 Abs. 2 B-VG durch ausdrückliche Entschließung des Nationalrats das Vertrauen versagt.“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zuerst zu den Anträgen: Die Anträge sind ordnungsgemäß eingebracht und ausreichend unterstützt und stehen somit mit in Verhandlung; das betrifft beide Anträge.


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Ich würde Sie bitten, auch in Ihrer Wortwahl etwas respektvoller umzugehen. Bei aller Schärfe der inhaltlichen Sache, aber „Blindgänger“ ist wirklich keine Wortwahl, die im Parlament angemessen erscheint.

Zur Geschäftsbehandlung: Klubobmann Wöginger. – Bitte.

*****


10.54.11

Abgeordneter August Wöginger (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Auch im Anschluss an die vorherige Geschäftsordnungsdebatte möchte ich schon eines zu diesen beiden Anträgen – sowohl zum Entschließungsantrag als auch zum Misstrauensantrag der Abgeordneten Klubobmann Kickl und Mag. Amesbauer – festhalten: Klubobmann Kickl ist heute entschuldigt, das ist okay, es gibt immer wieder Entschuldigungen, passt (Zwischenruf bei der FPÖ), dass aber dann ein entschuldigter Klubobmann auf einem Antrag steht, der hier zur Abstimmung kommt – und da geht es immerhin um das Misstrauen gegenüber der gesamten Bundesregierung –, ist formell gerade noch zulässig. (Ruf bei der FPÖ: Horch, horch!)

Weil wir aber vorhin auch diskutiert haben, ob es seriös ist: Seriös ist es nicht, meine Damen und Herren, wenn ein Klubobmann auf einem Misstrauensantrag nicht nur als Abgeordneter unter der Überschrift steht, sondern ihn (ein Schriftstück in die Höhe haltend) auch unterschrieben hat. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Das, was wir hier haben, sind die berühmten Schubladenanträge.

Formell ist es laut Geschäftsordnung möglich, ein seriöser Parlamentarismus ist es zweifelsohne nicht. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

10.55


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Abgeordneter Singer ist zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter Singer. (Abg. Hafenecker steht beim Mikrofon in den Abgeordnetenreihen der FPÖ und hebt die Hand.) – Abgeordneter Hafenecker, zur Geschäftsbehandlung.



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10.55.39

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Ich möchte nur ganz kurz auf Herrn Kollegen Wöginger replizieren, der kritisiert hat, dass es einen Antrag gibt, auf dem Klubobmann Kickl draufsteht. – Es ist nicht „gerade noch“ zulässig, Herr Kollege Wöginger, es ist zulässig, das ist mit der Parlamentsdirektion so besprochen worden. Hinsichtlich „gerade noch“ weiß ich jetzt nicht, was das für ein Zusatz von Ihnen sein soll – das aber nur nebenbei.

Abgesehen davon, Kollege Wöginger, ist es ja eine furchtbare Anklage gegen Kollegin Maurer, die die meiste Zeit nicht da ist, auf vielen Anträgen draufsteht, aber nicht entschuldigt ist. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Wöginger: Hör auf mit dem, wer da ist! Hör auf!) Kollege Kickl ist heute entschuldigt. (Abg. Wöginger: Na, bitte, hör auf! Das ist ja lächerlich! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Kollegin Maurer ist kaum entschuldigt und meistens nicht im Saal (Abg. Reimon weist auf die neben ihm sitzende Abg. Maurer), wenn es um wichtige Themen geht, also macht euch das bitte innerhalb der Koalition aus! (Zwischenruf der Abg. Maurer. – Abg. Wöginger: Das ist ja lächerlich! Abg. Steinacker: Sie sitzt ja eh da!)

Also ich beantrage wirklich, dass wir vielleicht eine kurze Stehung machen (Abg. Wöginger: Ja, gerne! Gern! – weitere Zwischenrufe bei der ÖVP), um die Vorgangs­weise von Kollegen Wöginger zu besprechen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ. Abg. Steinacker: Die Frau Klubobmann sitzt da in der dritten Reihe! Abg. Wöginger – in Richtung Abg. Maurer weisend –: Sie sitzt da, Christian!)

10.56

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Singer. (Unruhe im Saal.) – Ich würde Sie bitten, dass wir wieder ein bisserl mehr Disziplin und Ruhe hereinbringen können. Schauen Sie, es braucht ja nicht noch zusätzlich Emotionalitäten, das Thema ist schon intensiv genug!

Bitte sehr, Herr Abgeordneter Singer, Sie gelangen zu Wort.



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10.57.00

Abgeordneter Johann Singer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Kollege Amesbauer, ich war von diesen Themen, die Sie angesprochen haben, leicht irritiert. Warum? – Weil ich gedacht habe, ich habe mich zu den falschen Themen vorbereitet. Das heißt, tatsächlich disku­tieren wir jetzt über Corona und die Auswirkungen.

Lassen Sie mich aber noch einen Punkt ansprechen: Für mich ist es unerträglich und ich weise es auf das Schärfste zurück, die Regierungsmitglieder als „Blindgänger“ zu bezeichnen. (Beifall bei ÖVP und Grünen. Abg. Hafenecker: Ist Versager besser? Ist Versager besser? Abg. Rauch: Ein Blindgänger macht noch keinen ...!)

Aber nun zurück zum Thema: Wir haben in den vergangenen zwei Jahren eine Reihe von Beschlüssen gefasst, damit das öffentliche Leben auch trotz Pandemie gut funktionieren kann. Einige dieser Coronasonderregelungen wurden inzwischen mehrfach verlängert. Mit der heutigen Beschlussfassung geht es um Bereiche aus dem Bundes-Verfassungsgesetz, das Verwaltungsrechtliche COVID-19-Begleitgesetz, das Staatsbürgerschaftsgesetz und das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, um einige zu nennen. Diese sollen um ein weiteres halbes Jahr, nämlich bis Ende Juni 2023, verlängert werden.

Ich weiß schon, dass es Kritik an diesen Verlängerungen gibt. Allerdings kann man zum heutigen Zeitpunkt noch nicht vollständig ausschließen, dass die betreffenden Maßnahmen wieder gebraucht werden. Auch für mich ist aber ganz klar, dass, sofern sich an der Gesamtsituation hoffentlich nichts Wesent­liches verändert, eine weitere Verlängerung nicht mehr notwendig sein wird.

Worum geht es konkret? – Es geht um die Ermächtigung für Gemeinderäte, Beschlüsse per Videokonferenz beziehungsweise im Umlaufweg zu fassen, und


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zwar dann – und nur dann! –, wenn außergewöhnliche Umstände vorliegen. Ich darf das betonen: Es geht um außergewöhnliche Umstände.

Auch die Bundesregierung hat die Möglichkeit, weiterhin Beschlüsse per Videokonferenz zu fassen. Die Möglichkeit des Einsatzes der Videotechnologie in Verwaltungsverfahren und bei Verwaltungsgerichten wird auch verlängert. Auch da muss im Vordergrund stehen, dass die Wahrung der Parteienrechte entsprechend gewährleistet ist.

Auch soll es durch Verordnung weiterhin möglich sein, bestimmte Zeiten wie Verjährungsfristen auszunehmen, wenn dies zur Verhütung der Ausbreitung der Covid-19-Pandemie geboten ist. (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Für mich ist es selbstverständlich, dass die Verantwortlichen ganz genau prüfen, ob die angesprochenen Maßnahmen sachlich zum jeweiligen Zeitpunkt tatsächlich gerechtfertigt sind.

Tatsache ist auch, dass sich einzelne Maßnahmen durchaus bewährt haben. Aus dieser Erfahrung heraus stellt sich für mich die Frage, ob nicht manche dieser Bestimmungen ins Dauerrecht übernommen werden könnten. Obwohl das natürlich eine sorgsame Abwägung braucht, sehe ich wohl die Chance, einiges tatsächlich ins Dauerrecht zu übernehmen, und ich freue mich, dass daran auch schon gearbeitet wird.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich darf Sie bitten, der Verlängerung dieser Maßnahmen bis 30. Juni 2023 die Zustimmung zu geben. – Herzlichen Dank. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

11.01


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Johannes Margreiter. – Bitte.



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11.01.16

Abgeordneter Dr. Johannes Margreiter (NEOS): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Hohes Haus! Mit den vorliegenden Initiativanträgen arbeitet die Regierungs­mehr­heit in diesem Haus einer Regierung zu, die offenbar nicht regieren kann, die auch nicht regieren will, die das Regieren geradezu verweigert. Das wird aus den vorliegenden Unterlagen, über die wir heute beraten und die wir beschließen, sehr, sehr deutlich.

Es geht darum, dass wir bereits zum vierten Mal seit Beginn der Pandemie Verlängerungen für einschneidende Regelungen im Bereich des Verfah­rens­rechtes, im Bereich der Rechtsmaterien, in denen es um den Schutz von Bürgerrechten geht, beschließen, ohne dass die Regierung ein einziges Mal daran gedacht hätte, diese Regelungen einer Evaluierung zu unterziehen.

Kollege Singer hat vollkommen recht, natürlich: Wir sammeln Erfahrungen, und es kann durchaus sein, dass man erkennt, dass man einzelne dieser Regelungen, die im Hinblick auf die Pandemie getroffen worden sind, ins Dauer­recht übernimmt. Das will aber sehr gut überlegt und auch sehr gut überprüft sein. Daher wäre es eben notwendig, dass man Evaluierungen durchführt, dass man unter Einbindung aller beteiligten Kreise, der einschlägigen Wissen­schaft, der Praktiker, die an der Front mit diesen Regelungen arbeiten, die Erfahrungen sammelt, um so einen Mehrwehrt an Rechtsstaatlichkeit zu gene­rieren.

Das alles passiert nicht, sondern ganz im Gegenteil: Es wird einfach dumpf wieder um sechs Monate verlängert. Das ist ein unhaltbarer Zustand, wenn man bedenkt, dass es darum geht, dass der Parteienverkehr bei Behörden einge­schränkt werden kann, dass auch einzelne Verhandlungen, die der Wahrheits­findung dienen, im Wege von Videokonferenzen durchgeführt werden können und die Erfahrung eben zeigt, dass dabei die Wahrheitsfindung natürlich wesentlich schwieriger ist als in der direkten Verhandlung. All das sollte einer


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genauen Evaluierung unterzogen werden, damit wir wirklich den Mehrwert und die positiven Erfahrungen, die ja nicht zu verleugnen sind, ins Dauerrecht überführen. (Beifall bei den NEOS.)

So, wie das jetzt passiert, ist es unakzeptabel; ganz abgesehen davon, dass es nicht annehmbar ist, dass man solche Eingriffe in die Rechte der Bevölkerung nur auf Vorrat, auf Verdacht hin macht. Auch das muss erwähnt werden. Die pandemische Situation ist eine gänzlich andere. Wenn in der Begründung oder in den Ausschussberichten davon die Rede ist, dass sich eben ein Ende der Pan­demie noch immer nicht abzeichnet, so ist das einfach faktenwidrig. Wir wissen ganz genau, dass wir schon lange keinerlei Beschränkungen mehr unterliegen, dass auch seitens ernst zu nehmender Virologen erklärt wird – ich verweise da auf den Bericht über das Gespräch mit dem Virologen Weiss in der „Presse“ –, dass Corona mittlerweile eine „ganz andere Krankheit“ ist, die diese Eingriffe nicht mehr notwendig macht.

Vor diesem Hintergrund ist es einfach unakzeptabel, jetzt wieder sechs Monate zu verlängern, ohne diese Themen seriös aufzuarbeiten, so wie ich das beschrieben habe. Wir werden daher diesen Gesetzentwürfen nicht zustim­men. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

11.05


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Jörg Leichtfried. – Bitte.


11.05.14

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundes­ministerin! Geschätzte Damen und Herren! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte vielleicht zuerst kurz auf die tatsächlichen Inhalte dieses Dossiers eingehen. Es geht nämlich darum, einige Gesetze zu ändern. Diese Gesetzesänderungen sind notwendig, weil die Covid-Pandemie es notwendig gemacht hat, Verwaltungshandlungen anders zu setzen. Jetzt müssen das Staatsbürgerschaftsgesetz, das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz und


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andere Gesetze geändert werden, damit diese Sonderbestimmungen, die jetzt gelten, noch einmal verlängert werden können.

Ich glaube, es gibt da einige positive Dinge, die hier geschehen, insbesondere was Fragen des Daueraufenthaltes in der EU betrifft, was minderjährige Flüchtlinge betrifft, aber auch andere Dinge. Ich möchte nur anmerken, Frau Bundesministerin, dass diese ständigen Verlängerungen vielleicht jetzt einmal in die Phase kommen könnten, dass man dazu übergeht, das, was sich wirklich bewährt hat und notwendig ist, auf Dauer zu verlängern und das, was nicht not­wendig ist und sich nicht bewährt hat, ad acta zu legen. Ich glaube, jetzt wäre es an der Zeit. Deshalb werden wir jetzt auch noch einmal zustimmen – mit der Auflage: Beim nächsten Mal sollte es dann schon anders sein. (Bundesministerin Edtstadler nickt.)

Gestatten Sie mir aber auch, geschätzte Damen und Herren, ein, zwei Worte zu diesem merkwürdigen Spektakel, das uns Herr Amesbauer hier geliefert hat. Herr Amesbauer, ein bisschen pharisäerhaft war das schon, was Sie gesagt haben. Sie haben die Situation geschildert – die ist, wie sie ist. (Zwischenrufe der Abgeordneten Rauch und Schnedlitz.) Wir sind derzeit in Österreich mit einer hohen Zahl von Flüchtlingen konfrontiert, die hauptsächlich über Ungarn kommen, die von Orbán durchgelassen werden und die so eigentlich nicht rechtens in Österreich sind. Die Frage ist nur: Was ist die Lösung dafür? – Die Lösung ist meines Erachtens eine funktionierende Europäische Union, eine funktionierende europäische Asylpolitik, funktionierende Außengrenzen, ein funktionierendes Schengensystem. Das ist die Lösung dafür.

Was haben Sie in der Zeit Ihrer Regierungsbeteiligung gemacht? – Sie haben, und deshalb sage ich pharisäerhaft, das System Kurz zwei Jahre lang euro­papolitisch nicht nur unterstützt, sondern wahrscheinlich vor sich hergetrieben – mit dem Ziel, das alles zu zerstören und das alles nicht zuzulassen. Und jetzt regen Sie sich auf, dass es das nicht gibt. Das ist pharisäerhaft, Herr Amesbauer! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Amesbauer: Frau Präsidentin! Das ist ein Ordnungsruf! Zum dritten Mal, das ist jetzt ein Ordnungsruf!)


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Sie mit Ihrer Regierungsbeteiligung damals tragen die Verantwortung für die Zustände jetzt. Sie sind zwei Jahre lang verantwortlich für das System Kurz gewesen, davon können Sie sich nicht abputzen. Sie waren das, genau. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Michael Hammer: Eine künstliche Aufregung wieder!)

11.08


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Susanne Fürst. – Bitte. (Abg. Amesbauer: Frau Präsidentin! Dreimal Pharisäer in einer Rede!)


11.08.24

Abgeordnete Dr. Susanne Fürst (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Das war jetzt eine eigenartige Rede von Klubobmann Leichtfried. Ich weise das „pharisäerhaft“ in Richtung Kollegen Amesbauer schärfstens zurück. (Ruf bei der SPÖ: Ist aber so!) Dass wir jetzt plötzlich für das System Kurz verantwortlich sind, finde ich interessant. Also ganz so waren die Machtverhältnisse in der Koalition nicht.

Sie sagen, die Asylsituation ist, wie sie ist. – Nein, sie müsste so nicht sein. Sie ist bei uns so, wie sie ist, weil nichts dagegen unternommen wird. Sie ist in Deutsch­land nicht so, sie ist aber auch in den anderen EU-Mitgliedstaaten nicht so. Man könnte also sehr vieles machen, anstatt immer nur darauf zu verweisen: Das ist ein Versagen auf europäischer Ebene! – Nein, es ist auch ein Versagen hier in Österreich. (Beifall bei der FPÖ.)

Und übrigens, Herr Kollege Leichtfried, ich meine, Sie gehen auf eine Demo in Kindberg, unterstützen dort scheinbar die Bevölkerung gegen die Asylprob­le­matik – und hier in Wien sagen Sie ganz etwas anderes! Das ist jetzt auch bezeichnend für die Asyl- und Migrationslinie der SPÖ. Also wo ist da irgendwer pharisäerhaft? (Beifall bei der FPÖ.)

Wir wissen, dass der Misstrauensantrag das stärkste Mittel der parlamenta­rischen Kontrolle gegenüber der Regierung ist. Wir machen davon nicht


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leichtfertig Gebrauch, aber angesichts der unfassbaren Schäden, die von dieser Bundesregierung tagtäglich angerichtet werden, finden wir es richtig, dass sozusagen beinahe durchgehend diese dunkle Wolke des Misstrauensantrages über ihr hängt.

Das passt auch zum Tagesordnungspunkt, obwohl sich dieser eigentlich sehr harmlos anhört: Es geht um die Verlängerung von Coronasonderregelungen – wieder um ein halbes Jahr – in verschiedenen Rechtsmaterien. Das heißt, man will immer noch nicht von diesem Unrecht abgehen – entweder sind es sinnvolle Regelungen, dann sollen sie ins Dauerrecht übergehen, oder man lässt endlich einmal von diesen provisorischen Verlängerungen ab! Wenn es dann außerdem hier heißt, hoffentlich werde das nicht mehr gebraucht: Dann hören Sie jetzt endlich einmal mit diesen provisorischen Regelungen auf!

Es muss auch endlich einmal Einsicht gezeigt werden, was die Gräben und die Schäden betrifft, die durch die Coronapolitik verursacht wurden – da ist keine Einsicht vorhanden. Auch Ihre verbalen Entgleisungen in Sachen Corona und Impfpflicht sind ja nie zurückgenommen worden. Da könnte man jetzt also schon einen Schlussstrich ziehen und diese Coronapolitik, bei der so viele Fehler gemacht wurden, beenden.

Abgesehen davon gibt es auch ein Versagen der Bundesregierung bei den anderen Themen, die uns zurzeit beschäftigen, vor allen Dingen bei Inflation und Teuerung, deren Ursachen nicht bekämpft, sondern nur Almosen und Zuschüsse ausgeteilt werden – die der Steuerzahler wiederum selbst bezahlen muss.

Ganz kurz zum Antrag, den Kollege Amesbauer vorgestellt und eingebracht hat: Es muss auch beim Asyl- und Migrationsthema endlich einmal Kostenwahrheit geben! Es muss eine ehrliche, echte Auflistung der gesamten Kosten geben, denn das sind ungeheure Dimensionen, die gegenüber dem österreichischen Steuerzahler offengelegt werden müssen.


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Die Asylkrise wurde ja immer kleingeredet, bis nun die Bilder einfach nicht mehr zu leugnen sind. Wir kennen jetzt die Zahlen, und auch die ÖVP springt jetzt sozusagen auf dieses Wahlkampfthema – dafür wird es aktuell benutzt – auf und sagt, wir sind da, wir haben in Österreich die höchste Pro-Kopf-Belastung – als ob die ÖVP nicht schon die ganze Zeit in der Regierung gewesen wäre. (Zwi­schenruf bei der ÖVP.)

Im Budget 2023 sind für das Fremdenwesen nur 1,1 Milliarden Euro ange­geben – das betrifft aber nur das BMI und das Fremdenwesen, was nur einen ganz kleinen Teil ausmacht.

Die wahren Kosten betragen ja ein Vielfaches davon, wenn wir uns etwa den gesamten Sicherheitsbereich anschauen, den Bildungsbereich – Schulen, Universitäten, AMS-Schulungen –, die Gesundheitsversorgung – Arztbesuche, Krankenhausbehandlungen –, die Gerichtsverfahren und die Justiz; dazu kommt auch der Klimabonus, der da ausgeschüttet wurde, die Sozialleistungen wie Grundversorgung, Sozialhilfe, Mindestsicherung und so weiter. Da muss es zu einer ordentlichen Auflistung kommen, und diese fordern wir mit diesem Antrag ein. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

11.12


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Georg Bürstmayr. – Bitte.


11.12.58

Abgeordneter Mag. Georg Bürstmayr (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Kollege Margreiter hat recht, Provisorien sollten nicht ewig verlängert werden – wir sollten sie evaluieren und das, was sich bewährt hat, ins Dauerrecht übernehmen und das, was sich nicht bewährt hat, streichen. Ich denke, wir sollten das in den nächsten drei bis vier Monaten endgültig erledigen.


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Lassen Sie mich aber meine restliche Redezeit für ein paar Klarstellungen nutzen, weil es da etwas Verwirrung zu geben scheint: Ein Tourist verlässt seine Wohnung, sein Heim und seine Heimat in der Gewissheit, dorthin wieder zurück­zukehren – ein Flüchtling kann nicht in sein Heim, in seine Heimat zurück­kehren, weil er dort verfolgt, misshandelt, geschlagen, eingesperrt, gefoltert oder getötet würde. Solchen Menschen, solchen Flüchtlingen gibt Österreich Asyl, und dafür stehen wir Grüne auch weiterhin.

Wir stehen aber auch dafür, diese zwei Wörter nicht zu verknüpfen: Sie ergeben nicht nur ein Oxymoron – einen schwarzen Schimmel –, sondern die Verknüp­fung dieser zwei Wörter Asyl und Tourismus ergibt einen Kampfbegriff der Rechtsextremen und der extrem Rechten und vergiftet die Debatte. (Beifall bei den Grünen.)

Worte können Schaden anrichten – diese Wortschöpfung ganz besonders, wir sollten sie nicht weiter verwenden.

Wichtiger noch als Wörter und Begriffe ist uns jedoch Folgendes, und ich sage das, weil auch dies nicht mehr in allen Fraktionen dieses Hauses selbst­ver­ständ­lich scheint: Ganz egal, ob das einer von uns ist oder ein Tourist oder sonst einer, du lässt ihn nicht erfrieren, und du jagst ihn auch nicht hinaus wie einen Hund, weil er ein Mensch ist! – Danke für das Zuhören. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

11.15


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Christian Hafenecker. – Bitte.


11.15.48

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ): Ich glaube, es war wichtig, dass Kollege Amesbauer vorhin diesen Antrag eingebracht hat – ich meine, wenn sich Herr Bürstmayr ans Rednerpult stellt und von der ÖVP schon als


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extreme Rechte spricht, dann weiß man, dass in dieser Koalition nicht mehr recht viel funktionieren kann.

Kollege Bürstmayr hat aber zumindest in einem recht gehabt. Er hat vorhin gesagt: „Was sich nicht bewährt hat“, das gehöre gestrichen – und genau so ist es auch mit dieser Bundesregierung, sie hat sich nämlich nicht nur nicht bewährt, sondern sie hat uns noch dazu ganz, ganz massiv geschadet! Die Einsicht dürfte also zumindest bei den Grünen schön langsam einkehren, jetzt müsst ihr nur mehr gemeinsam den Stecker ziehen und das Land aus eurer Geiselhaft entlas­sen. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich möchte mich in diesem Zusammenhang auch noch dem Thema der Asylkrise widmen, weil diese Asylkrise tatsächlich eine absolute Parallele zu jener von 2015 zeigt. Es gibt beziehungsweise gab zwei Schwachstellen im Innenminis­terium: Damals, im Jahr 2015, war es Frau Mikl-Leitner, die nichts anderes zu tun gewusst hat, als auf Bahnhöfen zu klatschen, als die ersten Flüchtlinge gekommen sind – man sollte auch in Hinblick auf die niederösterreichische Landtagswahl nicht vergessen, dass sie eine Willkommensklatscherin gewesen ist –, und jetzt gibt es einen anderen hilflosen Niederösterreicher. Der steht zwar nicht am Bahngleis, aber halt traurig schauend an der Grenze, das ist der Innen­minister Karner, der auch nichts zusammenbringt.

Was sind aber die Parallelen dieser beiden Jahre? – In beiden Jahren wuss­ten wir von unseren Diensten und über unsere Informationen bereits jeweils vor dem Sommer darüber Bescheid, dass sich große Flüchtlings­trecks in Gang gesetzt hatten und unsere Grenzen ansteuerten.

In beiden Jahren war die ÖVP nicht in der Lage, präventiv etwas dagegen zu tun, und in beiden Jahren hat die ÖVP am Ende des Tages, als die Leute dann eingetroffen sind, an der Grenze traurig geschaut und nicht mehr gewusst, was man weiter tun soll. – Frau Bundesminister Edtstadler, da Sie als Europa­ministerin heute hier sind, würde ich schon gern auch wissen, was Sie dazu für Wahrnehmungen haben.


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Gerade im heurigen Sommer haben wir erfahren, dass es die sogenannte Karawane des Lichts gibt, das war eine Karawane von Flüchtlingen, die über die Türkei, Bulgarien und so weiter nach Europa gekommen sind. Es hat dann natürlich auch eine zweite Route über Serbien gegeben, das wissen wir – aber an der türkischen Grenze ist von den Bulgaren beobachtet worden, dass Personen mit Regierungsfahrzeugen direkt zur Grenze der Türkei gefahren sind, die Flüchtlinge dort abgesetzt und ihnen die Richtung zur EU-Außengrenze gezeigt haben.

Frau Bundesminister, da würde mich schon interessieren, was Sie in Bezug auf die Türkei für Maßnahmen gesetzt haben – ich kann es Ihnen gleich selbst sagen: gar keine, so wie immer! Sie bezahlen zwar seitens der EU weiterhin der Türkei Geld für die Unterbringung der Flüchtlinge, schauen aber gleichzeitig dabei zu, wie die Türkei diese in die EU schickt. Das ist das, was die ÖVP in diesen Fällen immer tut: Sie steht wie das Kaninchen vor der Schlange und ist am Ende des Tages fast paralysiert, und das ist doch der Beweis dafür, warum es so wichtig ist, dass wir diesen Antrag eingebracht haben.

Eine Frage habe ich noch: Wir wissen jetzt, dass vor allem über Serbien und den Kosovo sehr, sehr viele Inder und Pakistani zu uns kommen – warum werden diese Herrschaften nicht einfach wieder ins Flugzeug gesetzt und nach Hause geschickt? Wo liegt da das Problem? Sie haben ja alle miteinander hier im Parlament Ihre große Liebe zu den Vereinigten Staaten erkannt – zumindest seit Februar –, und da möchte ich Ihnen als Beispiel bringen: Versuchen Sie doch dort einmal, ohne ein Visum in die Vereinigten Staaten von Amerika einzureisen, dann schauen Sie, wie es Ihnen dort geht, und schauen Sie, wo Sie sich am Ende des Tages wiederfinden werden!

Genau diese No-Way-Politik muss natürlich auch in Österreich gelten, vor allem weil wir noch dazu ein Binnenland sind. Da sollte man, glaube ich, ganz, ganz klar sagen: Wir sind nicht das Armenhaus der Welt, wir wollen es auch nicht werden, und wir sind auch nicht die Traumfabrik für Wirtschaftsträume. Wir können das nicht stemmen, wir haben derzeit mehr als genug Probleme: mehr als genug


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Probleme, die die extreme Linke uns eingebrockt hat, und mehr als genug Probleme, die uns von der ÖVP samt all ihren Korruptionsproblemen einge­brockt worden sind. Wir haben genug eigene Probleme zu lösen, wir können nicht alles andere auch noch mit bewerkstelligen. (Beifall bei der FPÖ.)

Aus diesem Grund gibt es diesen neuerlichen Misstrauensantrag: Bitte unterstützen auch Sie vonseiten der Grünen und der ÖVP diesen, bereiten wir Ihrem gemeinsamen Leiden ein Ende!

Eine persönliche Bitte noch an Sie, Frau Bundesminister Edtstadler: Falls das heute nicht klappen sollte, machen Sie endlich das, was Sie mit Ihrer Unterschrift versprochen haben! Nach dem Rücktritt von Sebastian Kurz gab es ein wun­derbares Dokument, das auch Sie unterzeichnet haben. Sie haben gesagt, ohne Sebastian Kurz gehe es nicht weiter, und Sie haben damals gesagt, Sie würden zurücktreten – ich warte noch immer auf den Rücktritt, aber vielleicht können Sie ja mit gutem Beispiel vorangehen. (Beifall bei der FPÖ.)

11.20


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Andreas Minnich. – Bitte.


11.20.49

Abgeordneter Andreas Minnich (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Sehr geehrte Zuseher zu Hause vor den Fernsehbildschirmen und hier auf der Galerie! Die Pandemie hat jeden von uns vor eine Unmenge an Herausforderungen gestellt, im Privaten wie auch im Beruflichen. Die Pandemie hat auch unsere Behörden vor Hürden und vor folgende Fragen gestellt: Erstens: Wie sollen Verwaltungsverfahren im Social Distancing ablaufen? Zweitens: Wie wird mit dem Thema Parteienverkehr umgegangen? Drittens: Wie können Gremien, vom Gemeinderat bis zum Ministerrat, handlungsfähig bleiben?


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Wir haben zu dieser Menge an Herausforderungen auch eine Menge an Lösungen gefunden. So ist für uns plötzlich im privaten wie auch im behörd­lichen Bereich der Einsatz von Videokonferenzen etwas völlig Alltägliches geworden. Wir haben gesehen, dass manche Lösungen uns nicht nur durch die Pandemie geholfen, sondern auch einiges in unserem Leben vereinfacht oder effizienter gemacht haben.

Ich bin jedenfalls der Überzeugung, dass wir uns ganz genau anschauen müssen, welche Dinge wir als Lösungen beibehalten sollten. Einige davon, beispielsweise die digitale Amtshandlung, bieten auch außerhalb der Krise einen großen Vorteil und verdienen es, ins Dauerrecht übernommen zu werden.

Zu den Ausführungen meiner Vorredner Amesbauer und Hafenecker möchte ich nur anmerken, dass die Bundesregierung speziell in den letzten Wochen und Monaten sehr aktiv daran gearbeitet hat, dass die Visaliberalisierung Serbiens für bestimmte Länder wie Indien, Tunesien und Burundi neu verhandelt und neu gestaltet wird. Damit ist ein ganz großer Schritt gelungen, um die illegale Immi­gration zu reduzieren und zu verhindern. (Beifall bei der ÖVP.)

In diesem Sinne bitte ich um Zustimmung zu diesem Antrag. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

11.23


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Reinhold Einwallner. – Bitte.


11.23.34

Abgeordneter Ing. Reinhold Einwallner (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geschätzte Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen! Frau Bundesministerin! Im Bereich des Fremdenrechts werden mit diesen Gesetzesvorlagen neuerlich bestehende Sonderbestimmungen verlängert. Ich bin schon bei Kollegen Bürstmayr und auch bei Kollegen Scherak, wenn man sagt, dass wir jetzt wirklich einmal evaluieren müssen, welche dieser Sonderbestimmungen sich so bewährt haben,


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dass wir sie ins Dauerrecht übernehmen können, und welche wir nicht mehr brauchen.

Ich glaube, dass es doch das eine oder andere gibt, das wir jetzt in der Pandemie und in der Auseinandersetzung damit gelernt haben, nämlich wie wir Verfahren beschleunigen oder zumindest Arbeitslast von den Beamtinnen und Beamten nehmen können. Diese haben dadurch wieder Zeit für die tatsächliche Bearbeitung der Fälle, sodass es raschere, bessere und rechtssicherere Asylver­fahren gibt.

Ich glaube, wenn man da Verbesserungen vornehmen kann, dann sollte man das tun, und daher unterstützen wir heute noch einmal diese Verlängerung bis 30. Juni 2023. Wir wünschen uns aber, und das sehr nachdrücklich, dass schon untersucht wird, was man dann zukünftig tatsächlich ins Dauerrecht über­nehmen kann.

Meine Damen und Herren, weil hier heute natürlich auch das Thema Asyl, vor allem von der FPÖ, ins Spiel gebracht wird, möchte ich gerade am heutigen Tag ein Thema nicht ganz ausklammern: Mehrere Medien haben heute über eine Vorgangsweise des damaligen Innenministers und jetzigen Bundeskanzlers Nehammer berichtet. Die Medien berichten mit nachhaltigen Belegen, dass letztes Jahr der damalige Innenminister Nehammer offenbar gemeinsam mit dem deutschen CSU-Innenminister Seehofer aus rein parteipolitischen Gründen – also nicht aus rechtsstaatlichen Gründen, aus rein parteipolitischem Kalkül – einen geheimen Abschiebeflug in ein Kriegsgebiet, nach Afghanistan, durchfüh­ren wollte. (Abg. Holzleitner: Widerlich! – Abg. Schnedlitz: So widerlich ist der gar nicht! – Zwischenruf der Abg. Holzleitner.)

Meine Damen und Herren, da sieht man den Zugang der ÖVP, und es zeigt sich eines ganz, ganz klar: Der ÖVP geht es bei diesem Thema nicht um das Thema Sicherheit in Österreich, der ÖVP geht es bei diesem Thema auch nicht um die Einhaltung der Menschenrechte, das muss man leider sagen, sondern der ÖVP geht es bei diesem Thema schlicht und einfach um parteipolitisches Kalkül, und das sehen wir jetzt wieder einmal bewiesen durch das, was heute in den Medien


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aufgedeckt wurde. Es ist ein parteipolitisches Kalkül der ÖVP: Keine Lösungs­orientierung, das will diese Partei nicht, sondern sie will das Problem am Köcheln halten, um politisches Kleingeld zu schlagen, und das ist einer ehemals staats­tragenden Partei eigentlich unwürdig. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

11.26 11.26.47


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Diese Debatte ist damit geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Ich frage die Fraktionen, ob wir gleich zu den Abstimmungen kommen können. – Da mir Zustimmung signalisiert wird, brauchen wir also keine Unterbrechung.

Wir gelangen somit gleich zu den Abstimmungen, die ich über jeden Ausschuss­antrag getrennt vornehme.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 1: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, das Nieder­lassungs- und Aufenthaltsgesetz, das BFA-Verfahrensgesetz und das Asylge­setz 2005 geändert werden, samt Titel und Eingang in 1868 der Beilagen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem zustimmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem zustimmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Der Gesetzentwurf ist auch in dritter Lesung mit Mehrheit ange­nommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Transparenzbericht über Ausgaben für die ‚neue Völkerwanderung‘ – Kostenwahrheit für die Steuer­zah­ler!“


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Wer ist für diesen Entschließungsantrag? – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Versagen des Vertrauens gegenüber der Bundesregierung“ sowie der Staatssekretärinnen und dem Staats­sekretär gemäß Art. 74 Abs. 1 des Bundes-Verfassungsgesetzes.

Da zu einem solchen Beschluss des Nationalrates gemäß Absatz 2 der zitierten Verfassungsbestimmung die Anwesenheit der Hälfte der Abgeordneten erfor­der­lich ist, stelle ich diese ausdrücklich fest.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Misstrauensantrag sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 2: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, das Verwaltungs­rechtliche COVID-19-Begleitgesetz und das COVID-19 Begleitgesetz Vergabe geändert werden, samt Titel und Eingang in 1869 der Beilagen.

Da auch dieser Gesetzentwurf eine Änderung des Bundes-Verfassungsgesetzes und eines Bundesverfassungsgesetzes sowie eine Verfassungsbestimmung enthält, stelle ich zunächst im Sinne des § 82 Abs. 2 Z 1 der Geschäftsordnung die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der verfassungsmäßig vorgesehenen Anzahl der Abgeordneten fest.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.


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Wer auch in dritter Lesung seine Zustimmung gibt, den ersuche ich um ein Zeichen. – Der Gesetzentwurf ist auch in dritter Lesung mit Zweidrittelmehrheit angenommen.

11.30.033. Punkt

Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über den Antrag 3010/A der Abgeordneten Peter Haubner, Dr. Elisabeth Götze, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Kontrolle von ausländischen Direktinvestitionen (Investitionskontrollgesetz – InvKG) geändert wird (1894 d.B.)

4. Punkt

Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über den Antrag 3011/A der Abgeordneten Peter Haubner, Dr. Elisabeth Götze, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bilanzbuchhaltungsgesetz 2014 und das Wirtschaftstreuhand­berufsge­setz 2017 geändert werden (1895 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir nun zu den nächsten Tages­ordnungspunkten. Es sind dies die Punkte 3 und 4, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Ich begrüße Frau Staatssekretärin Kraus-Winkler und erteile Herrn Abgeord­neten Gerald Loacker als Erstredner das Wort. – Bitte.


11.31.02

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Frau Präsidentin! Frau Staats­sekre­tärin! Das Investitionskontrollgesetz wird novelliert, und zwar geht es darum, dass Investitionen aus dem Ausland in die Bereiche Arzneimittel, Impfstoffe und Medizinprodukte einem strengeren Kontrollverfahren unterworfen werden, es


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wird also ausländischen Unternehmen schwerer gemacht, in Österreich zu investieren.

Die Regierung hält es für gefährlich, wenn ausländische Unternehmen in ein österreichisches Unternehmen investieren, daher muss man die österreichischen Unternehmen vor Investitionen schützen. – Das machen die! Wie absurd, wie schlecht, wie protektionistisch, wie unlogisch kann Wirtschaftspolitik sein? – Da müssen Sie einmal diese Regierungsparteien fragen! (Beifall bei den NEOS.)

Man kann österreichische Produktionsstandorte nicht schützen, indem man Investitionen abhält. Die brauchen Geld, die brauchen Investitionen in unseren Standort! Das wollen die (in Richtung Regierungsbank weisend) verhindern. Tatsächlich ist es dem EU-Rechnungshof schon aufgefallen, dass die öster­reichi­sche Investitionskontrolle besonders scharf ist, besonders viele Meldungen und besonders viele Verfahren auslöst, nämlich in absoluten Zahlen ungefähr gleich viele wie Deutschland oder Spanien – völlig überzogen.

Die österreichische Regierung bemüht sich also, Investitionen aus dem Land draußen zu halten. Was das für einen Beitrag zur Wirtschaftspolitik liefern soll, das können Sie – weiß ich nicht – der KPdSU erklären oder so jemandem, aber mit Wirtschaftspolitik hat das nichts zu tun. Im Gegenteil! Das Problem ist ja nicht dann da, wenn jemand in Österreich investiert, das Problem ist ja dann da, wenn jemand nicht in Österreich investiert! Speziell junge Unternehmen brauchen Geld. Wenn sie die ersten drei Jahre gut überstanden haben und in eine Wachstumsphase kommen, dann brauchen sie Investitionen, dann brauchen sie vielleicht einen Geldgeber, der keine Bank ist, weil die Bank auch nicht die Möglichkeiten hat, alles zu finanzieren, was gut und sinnvoll ist. Und dann kommt diese Regierung und sagt: Nein, Ausländer, das müssen wir zuerst einmal in einem komplizierten Verfahren kontrollieren! – und dann investiert dieser Ausländer halt irgendwo anders.

Dann wird das Argument vorgetragen: Ja, aber wir müssen uns vor chinesischen und vor russischen Investitionen schützen! – Die Verfahren, um die es hier geht,


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betrifft zu 86 Prozent Unternehmen aus OECD-Ländern. Als es wirklich einmal gefährlich wurde, als eine russische Bank eine Kärntner Raika kaufen wollte, um dort ein bisschen professioneller Geldwäsche durchzuführen, hat die öster­reichi­sche Investitionskontrolle dieses Wirtschaftsministeriums den Deal durchge­wun­ken, und erst die Finanzmarktaufsicht hat den Deal gestoppt.

Dieses Gesetz ist also grottenschlecht, die Administration ist grottenschlecht, und Sie verlängern jetzt eine schlechte Maßnahme noch einmal um ein halbes Jahr. (Beifall bei den NEOS.)

11.34


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Peter Haubner. – Bitte.


11.34.10

Abgeordneter Peter Haubner (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Staatssekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren auf der Galerie! Ich möchte ganz kurz zum Wirtschaftstreuhand­berufs­gesetz und zum Bilanzbuchhaltungsgesetz sprechen; aus dem einfachen Grund, weil es da um die Unterstützung unserer Unternehmer geht. Das ist uns ein ganz großes Anliegen, denn wir unterstützen unsere Unternehmer und die Bevölke­rung in dieser besonders schweren Zeit. Gerade beim Thema Energiekostenzu­schüsse brauchen wir die Unterstützung der Wirtschaftstreuhänder und der Bilanzbuchhalter.

Wir sind bei den Energiekostenzuschüssen in vielen Punkten Vorreiter, auch wenn Sie es nicht gerne hören, aber bei uns fließen heuer noch die Mittel aus dem Energiekostenzuschuss eins, und das deutsche Modell ist immer noch in Ausarbeitung. (Abg. Matznetter: Nein! Vom Bundestag beschlossen!) Wenn ich höre, dass das deutsche Modell immer so gepriesen wird, dann kann ich nur sagen: Es wird sich weisen, ob dieses Modell so gut ist, bis jetzt kennen wir es nur aus der Theorie. Das österreichische Modell ist in der Praxis.


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Meine Damen und Herren, deshalb muss es oberste Priorität sein – da sind wir uns ja alle einig –, dass eine Wettbewerbsgleichheit zwischen den deutschen und den österreichischen Firmen besteht, und deshalb schauen wir, dass wir unser Energiekostenzuschussmodell eins jetzt im Energiekostenzuschuss­modell zwei weiterführen und natürlich auch noch einiges adaptieren, dass wir den EU-Krisenrahmen so weit wie möglich ausschöpfen und so für die Unternehmer eine wirklich adäquate Unterstützung finden. (Beifall bei der ÖVP.)

Dafür ist es notwendig, dass wir das Bundesgesetz, mit dem das Bilanzbuch­hal­tungsgesetz und das Wirtschaftstreuhandberufsgesetz geändert werden, heute beschließen, und zwar geht es darum, dass Bilanzbuchhalter, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer berechtigt sind, die Unternehmer in der Angelegenheit der Förderung, dieses Energiekostenzuschusses, zu unterstützen und zu beraten und Bestätigungen und Feststellungen ausstellen können. Diese Maßnahme beschließen wir heute hier. Ich denke, es ist ganz, ganz wichtig, dass unsere Unternehmer die notwendige Unterstützung bekommen, um die Energiekostenzuschüsse dann auch zu erhalten. – Danke vielmals. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

11.36


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Christoph Matznetter. – Bitte.


11.36.57

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Staats­sekretärin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Normalerweise hält man ja innerhalb der Opposition keine Widerrede, aber ich möchte ein paar Bemerkungen zu Kollegen Loacker machen (Abg. Loacker: Ich hab dich mit ... getriggert, oder?): Es ist mittlerweile circa ein bisschen mehr als zehn Jahre her, ich hatte damals die Ehre, gemeinsam mit dem tollen, leider schon verstorbenen, Sozialminister Rudi Hundstorfer als Spiegelressort und dem damaligen Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner, kurioserweise


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bei einem Staatsbesuch des damaligen Bundespräsidenten in Baku, auszuhandeln, dass wir eine Investitionskontrolle brauchen. Das war das Außenhandelsgesetz 2011.

Warum? – Damals ging es um die nachhaltige Energieversorgung Österreichs, und wenn dafür entscheidende Unternehmen übernommen werden, mit der Konsequenz, dass die Energieversorgung nicht mehr gesichert ist, haben wir ein Problem im Land. Es war ein vernünftiges und gutes Gesetz.

Zwischensatz an die ÖVP: Ich weiß aber auch nicht, warum man den fähigen Minister und späteren Vizekanzler Reinhold Mitterlehner durch Kurz und seine Partie wegputschen hat lassen, aber lassen wir dieses Thema. (Heiterkeit des Abg. Gödl. – Zwischenruf des Abg. Ofenauer.)

Zurückkommend zum Gesetz: Lieber Kollege Loacker, wenn es sich um eine Investition handelt, die nur dazu dient, das Kapital zu stärken und den Ausbau der österreichischen Betriebe herzustellen, dann gibt es ja kein Problem mit der Genehmigung, aber gerade in diesem Bereich gibt es ganz andere Methoden: Man kauft sich ein Unternehmen, nimmt sich das Know-how und produziert irgendwo anders auf der Welt. Das ist ja durchaus marktwirtschaftlich. Blöder­weise: Bei pharmazeutischen Produkten, bei Medizinprodukten besteht ein Risiko, dass dann das passiert, was viele Österreicherinnen und Österreicher schon heute in der Apotheke merken: Es gibt ihr Medikament nicht. Daher ist es in so einem Fall vernünftig, dass man zuerst prüft: Ist es nur eine Investition, oder ist es ein Aufkauf? (Zwischenruf der Abg. Doppelbauer.) Daher brauchen wir das Gesetz und wir werden zustimmen.

Was den zweiten Teil betrifft, komme ich auf den nächsten Redner, auf Peter Haubner, zurück: Ja, wir werden das unterstützen, und leider brauchen wir das, weil ihr als Regierungsfraktionen nicht in der Lage seid, vernünftige Maßnahmen zu setzen. Einen Energiekostenzuschuss für die Steigerung der Energiekosten bis September zu machen, wo diese Dinge jetzt erst schlagend werden, das muss man einmal zusammenbringen!


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Dass man dann noch einen Steuerberater und einen Bilanzbuchhalter braucht, muss man auch einmal zusammenbringen! (Abg. Kühberger: Schau einmal nach Deutschland! Was macht der Scholz?) Dann stellen Sie sich hierher und behaupten, die Deutschen hätten keine Regelung gemacht – der Bundestag hat es beschlos­sen, der Bundesrat beschließt es morgen. (Abg. Haubner: Gibt noch nichts!)

Die senken für die Industrie einfach die Gaspreise auf 7 Cent. So schaut es aus! Dafür brauchen wir keinen Steuerberater, sondern da senken wir die Preise. Ihr werdet es machen müssen. Ihr könnt jetzt nicht ein Jahr warten – schauen wir einmal, was in Deutschland sein wird (Abg. Haubner: Warten wir eh nicht!) –: Unsere Betriebe stehen im Wettbewerb.

Daher hat auch Herr Felbermayr nicht recht, dass er sagt: Na ja, bis die abwan­dern können. – Es geht nicht ums Abwandern. Die deutsche Industrie produziert hervorragende Produkte, so wie die österreichische. Die stehen im Wettbewerb, im Mitbewerb, und zwar nicht nur in Deutschland, sondern auf globalen Märk­ten.

Die Wirtschaftskammer hat zu Recht im letzten Wirtschaftsparlament beschlossen: Die Regierung muss eine Lösung vorlegen, die die gleiche Wirkung hat wie die deutsche. – Ihr seid sie bis heute schuldig, morgen ist der letzte Tag. Ab Jänner haben wir ein Wettbewerbsverhältnis, bei dem unsere Betriebe Sackhüpfen dürfen und die anderen laufen uns davon. (Zwischenruf des Abg. Lukas Hammer.) Schämt euch dafür, dass ihr so etwas macht! Ihr seid nicht in der Lage, richtige Maßnahmen zu setzen. Packt es doch zusammen! Machen wir Neuwahlen! Dann gibt es endlich einmal eine gescheite Wirtschaftspolitik im Land. – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Kühberger: Das ist der Hauptgrund! – Zwischenruf der Abg. Steinacker.)

11.41


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Erwin Angerer. – Bitte. (Abg. Krainer: Innerlich applaudiert sogar der Kollege Haubner! – Abg. Kassegger: Aber nur im Wirtschaftsparlament!)



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11.41.17

Abgeordneter Erwin Angerer (FPÖ): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Frau Staatssekretärin! Geschätzte Damen und Herren! Was das Investitionskontroll­gesetz betrifft, sehen wir das ähnlich wie die SPÖ: dass man in einer kritischen Phase, vor allem jetzt, Investitionen – ich sage jetzt nicht einmal Investitionen in Unternehmungen, so wie es Kollege Loacker dargestellt hat, sondern wirklich einen Aufkauf von außen – und eine Verlagerung von wesentlichen Produktions­standorten ins Ausland beobachten muss und notfalls auch eingreifen muss. Deshalb werden wir diesem Gesetzentwurf auch zustimmen.

Wir haben mittlerweile schon 12 500 Unternehmen, die in ausländischer Hand sind, das betrifft 33 Prozent der Beschäftigten in Österreich. Zwischen 2019 und 2021 ist dieser Anteil auch um knapp 7 Prozent gestiegen. Man sieht also, dass es da eine Notwendigkeit gibt.

Wir hätten ja diese Befristung, die auch hier aufgehoben wird, und diese Absenkung auf 10 Prozent schon damals beim ersten Beschluss kritisiert. Da hat die ÖVP aber zwei Jahre gebraucht, um zu sehen, dass es sinnvoll gewesen wäre, es gleich so zu machen, und will das jetzt nachholen. (Zwischenruf des Abg. Hörl.)

Der zweite Gesetzentwurf, der das Bilanzbuchhaltungsgesetz und das Wirt­schafts­treuhandberufsgesetz betrifft, dass Steuerberater und Wirtschaftsprüfer die Unternehmen beim Energiekostenzuschuss jetzt auch beraten dürfen, macht Sinn. Dass man die Regeln so kompliziert macht, dass man die braucht, macht weniger Sinn. Das ist der eine Punkt, dem werden wir aber auch zustimmen.

Das Zweite, was auch wieder ein Thema ist, ist das Thema des Genderns: dass sich die Kammer der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer in Zukunft auch in der weiblichen oder in einer alle Geschlechteridentitäten umfassenden Form benennen kann. Da kann ich nur fragen: Hätten wir keine wichtigeren Probleme? (Abg. Kühberger: Ihr heizt es an!)


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Den Höhepunkt liefert aktuell die Kärntner Landesregierung mit ÖVP-Beteili­gung, von der SPÖ absolut geführt, die gestern per Leitlinie eine geschlech­ter­gerechte Sprache im Amt beschlossen hat. (Ruf bei der SPÖ: Super ist das! – Weiterer Zwischenruf bei der SPÖ.)

Ihr könnt euch also von den Bauern verabschieden. Bauern gibt es in Zukunft nicht mehr, das sind landwirtschaftlich Beschäftigte. (Abg. Kühberger: Nach den Freiheitlichen gäbe es sie eh nicht mehr, die Bauern!) Der Bäcker ist eine Fachkraft für die Bäckerei. Der Autor ist eine literaturschaffende Person. Der Gast ist eine Besuchsperson. Das heißt, alle Besuchspersonen, die nächstes Jahr nach Kärnten kommen, sind im Urlaubsland Kärnten herzlich willkommen. Das sind dann unsere Besuchspersonen, nicht nur unsere Gäste. Und der Inhaber ist eine besitzende Person.

Das Binnen-I ist Geschichte in Kärnten, das gibt es nicht mehr, ist also verboten. (Abg. Schwarz: Du fühlst dich wirklich bedroht, ha?) Das ist die Amtssprache, die jetzt in Kärnten gesetzt und eingeführt ist. Mit dem müssen sich unsere Beamten in Kärnten jetzt beschäftigen – furchtbar, also furchtbar, was da passiert! (Beifall bei der FPÖ.)

Unsere Menschen wissen nicht mehr, wie sie sich das Leben leisten können. Wir könnten heute allen Familien helfen, vor allem Alleinerziehenden, wenn es um Frauen geht, die jetzt in derselben Situation sind oder dasselbe Problem haben – es geht ja nicht mehr um die Frauen, es geht um geschlechterneutral –: dass man vielleicht einen Gratiskindergarten einführt – einen echten Gratiskindergarten für Alleinerziehende, für Familien –, dass man vielleicht im Pflegebereich die Leute unterstützt, die zu Hause ihre Angehörigen pflegen, dass man endlich die Frauen gleich entlohnt wie Männer. Das sind Dinge, da wären wir dabei, aber bei so einem Schwachsinn kann man ja nicht mitmachen.

Frau Landesrätin Schaar hat in den letzten fünf Jahren in Kärnten ein paar Wald- und Wiesenfotos gemacht. (Zwischenruf des Abg. Matznetter.) Im Bereich der


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erneuerbaren Energien liegen Dutzende Projekte von Kleinkraftwerken, Wasser­kraftwerken in den Schubladen, die von den Behörden nicht behandelt werden, und wir belasten die Behörden noch mit so einem Genderschwachsinn. Das ist beschämend, was da in Kärnten passiert. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

11.45


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Elisabeth Götze. – Bitte.


11.45.27

Abgeordnete Dr. Elisabeth Götze (Grüne): Frau Vorsitzende! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen und liebe Zuseherinnen und Zuseher! Auch ich spreche über die Investitionskontrolle.

Um nur kurz zu erläutern, worum es geht: Viele von uns erinnern sich sicher noch an die Diskussion um die Übernahme oder den Einstieg eines chinesischen Investors in den Hamburger Hafen. Warum ist das relevant? – Es geht um die Sicherung kritischer Infrastruktur. Genau das ist das Thema der Investitions­kontrolle, über die wir heute hier diskutieren.

Wir haben seit zweieinhalb Jahren das Investitionskontrollgesetz und im Rahmen dessen regulieren wir. Wenn ausländische – also nicht europäische – Investoren bestimmende Anteile an heimischen Unternehmen in kritischen Bereichen kaufen, dann muss der Staat da zumindest einmal hinschauen und schauen: Ist das in Ordnung oder sind unsere Sicherheit, unsere Daseinsvorsorge, unsere kritische Infrastruktur in irgendeiner Weise gefährdet?

In Deutschland hat die Bundesregierung letztendlich zugestimmt. Der chine­si­sche Investor Cosco darf 24,9 Prozent erwerben.

Warum diskutieren wir das heute? – Weil wir einen Bereich haben, der zum Jahresende ausläuft, und zwar geht es da um die Forschung und Entwicklung in den Bereichen Arzneimittel, Impfstoffe, Medizinprodukte und persönliche


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Schutzausrüstung. Das ist einer der Bereiche, wo wir eine 10-Prozent-Schwelle eingezogen haben, also eine sehr niedrige Schwelle, kann man sagen, weil wir sagen: In diesen Bereichen müssen wir besonders genau hinschauen. Das ist eine besonders kritische sensible Infrastruktur, ebenso übrigens Verteidigungsgüter, die kritische Energieinfrastruktur, die digitale Infrastruktur – zum Beispiel 5G – und Wasser.

Es wundert mich nicht, dass Kollege Loacker nicht zustimmen wird. Übrigens möchte ich gleich eine Berichtigung anbringen: Er hat von einer Verlängerung von einem halben Jahr gesprochen. Wir verlängern diese Ziffer 6, von der ich gesprochen habe, um ein Jahr. (Abg. Loacker: Das macht es nicht besser! – Abg. Kühberger: Das ist schon richtig! – Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Loacker.) Also ein bisschen genauer zu recherchieren würde manchmal nicht schaden. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Die anderen Fraktionen stimmen aber zu. Darüber freue ich mich, weil wir gerade bei Corona gelernt haben, wie wichtig es ist, dass wir im Land und in Europa Arzneimittel zur Verfügung haben.

Da wir derzeit mit Lieferschwierigkeiten in verschiedenen Bereichen kämpfen, ist es wichtig, dass wir da genau hinschauen: Was passiert im Falle einer Übernahme durch einen ausländischen Investor? – Investitionen sind weiterhin möglich. Das ist klar geregelt. Es gibt klare Rahmenbedingungen und auch Fristen, innerhalb derer das Ministerium zu entscheiden hat. Damit ist das absolut rechtssicher für Investorinnen und Investoren.

Insofern bitte ich um Ihre Zustimmung, dass wir diese eine Ziffer auch verlän­gern. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

11.48


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Eva-Maria Himmelbauer. – Bitte.



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11.49.01

Abgeordnete Eva-Maria Himmelbauer, BSc (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf da gleich direkt anschließen. Wir haben zwei Initiativanträge, die beide durchaus einen Krisenbezug haben.

Zum ersten, zum Investitionskontrollgesetz, kann ich hier auch die Worte meiner Kollegin Götze nur bekräftigen. Es geht darum, bei kritischer Infrastruktur – bei Unternehmen, die einen Bezug zur öffentlichen Sicherheit, zur öffentlichen Ordnung haben, die ein Tätigkeitsfeld haben, wenn es um Krisen, um Daseins­vorsorge geht – ein Auge darauf zu haben, wie sich die Investitionslage – vor allem die ausländische Investitionslage – bei diesen ergibt.

Das heißt nicht, dass wir da irgendwie davon abhalten, auch zu investieren und ein Unternehmen weiterzuentwickeln, ganz im Gegenteil, aber es geht darum, auch ein Auge darauf zu haben, dass es, wenn es zu Investitionen kommt, zu keinen Nachteilen für die österreichische Bevölkerung kommt.

Konkret geht es uns heute um Bereiche, in denen Arzneimittel, Impfstoffe, medizinische Produkte oder Schutzausrüstung hergestellt werden. Da gibt es eine Schwelle von 10 Prozent; ab einer Investition von 10 Prozent muss dies an die zuständige Behörde gemeldet werden, damit ein sachgerechtes Prüfver­fah­ren stattfinden kann und gegebenenfalls auch entweder Auflagen erstellt werden oder die Investition abgelehnt werden kann.

Wir verlängern diese Maßnahme bis Ende 2023, hinzu kommt allerdings – und das wird auch in den Erläuterungen erwähnt –, dass wir spätestens Mitte 2023 eine Evaluierung durchführen werden, um die Sinnhaftigkeit dieser 10-Prozent-Schwelle und auch der Maßnahme zu hinterfragen und gegebenenfalls weitere Schritte zu setzen.

Der zweite Punkt betrifft die Ausstellung von Bestätigungen und Feststellungen im Zusammenhang mit dem Energiekostenzuschuss. Mein Kollege Peter


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Haubner hat hier auch schon einige Worte dazu gefunden. Was mich aber dazu bewegt, noch kurz auszuführen, ist, dass es uns allen natürlich darum geht, dass auch die österreichische Wirtschaft und unsere Unternehmerinnen und Unter­nehmer gut durch diese zusätzliche Krise, die multiplen Krisen kommen. Ich bin sehr dankbar dafür, dass auch Bundeskanzler Nehammer angekündigt hat, weitere Maßnahmen zu setzen, um die Unternehmerinnen und Unter­neh­mer zu unterstützen.

Wir stehen nicht an, auch die europäische Lage zu beobachten; und wir haben auch immer gesagt, wir beobachten genau, was die Deutschen da an Maß­nahmen setzen. Man muss aber auch dazusagen, dass in Deutschland die Situ­ation eine andere ist als in Österreich. Wieso gibt es bei uns keine Gaspreis­bremse? – Weil in Österreich nur noch 25 Prozent bei Wärme tatsächlich auf Gas angewiesen sind, und 75 Prozent ganz andere Energieformen nutzen. Das ist in Deutschland bei 50 Prozent natürlich eine andere Ausgangslage. (Abg. Krainer: Aber das ist keine logische Begründung! Das ist so was von gar nicht nach­vollziehbar!)

Wir wissen aber auch, dass in anderen Bereichen die Preise genauso gestiegen sind. Wir werden dafür Sorge tragen, dass unsere österreichische Wirtschaft nicht zu Nachteilen kommen wird (Abg. Cornelia Ecker: Na, da bin ich gespannt!), und wir werden noch vor Weihnachten ein Modell vorle­gen, um eben auch Planbarkeit und eine Zielsetzung für unsere Unternehmen zu haben (Abg. Krainer: Ob die Leute heizen können, ist Ihnen egal, aber die Industrie ...?!), damit sie wissen, wie sie in das Jahr 2023 starten können. (Beifall bei der ÖVP.)

11.52


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Petra Oberrauner. – Bitte.



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11.52.33

Abgeordnete Mag. Dr. Petra Oberrauner (SPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Frau Staatssekretärin! Geschätzte Zuschauer auf der Galerie! Geschätzte Zuschauer zu Hause! Ich möchte sagen, dass wir dem Investitionskontrollgesetz zustimmen werden, auch wenn wir noch unnötige Sicherheitslücken festgestellt haben. Es ist wichtig, dass man bei kritischer Infrastruktur, aber auch bei möglicher politischer Einflussnahme eine Stopptaste drücken kann – und deshalb ist diese 10-Prozent-Schwelle unserer Meinung ganz wichtig.

Wir wollen das auch ein bisschen flächendeckender ausrollen, damit wir einfach wissen: Was passiert in Österreich? Wie schaut der Wettbewerb zu unseren Firmen aus? Geht es um Abwanderung oder geht es wirklich auch um ein trojanisches Pferd? – Es kommt auch vor, dass man einfach den Konkurrenten aushebelt, indem man sich beteiligt und dann die Firma mit verschiedensten Anträgen und mit Möglichkeiten, die es innerhalb der Firma gibt, so lange quält, dass er nicht mehr zum Wirtschaften kommt. Die Vorlage ist in Ordnung, dem werden wir zustimmen und das ist sicher auch ein gutes Gesetz. (Beifall bei der SPÖ.)

Das Zweite, was ich wichtig finde, ist die wirtschaftliche Situation und die Wett­bewerbsfähigkeit in Österreich. Ich möchte auf Kollegen Haubner zu sprechen kommen, was den Energiekostenzuschuss betrifft: Natürlich ist es auch gut, wenn Steuerberater und Wirtschaftstreuhänder Zertifikate ausstellen können und die Beratung übernehmen, aber es gibt eine schmerzliche Erfahrung aus der Coronazeit: Da haben Firmen, die Förderungen in Anspruch nehmen wollten, zuerst einen Steuerberater fragen müssen, damit sie überhaupt gewusst haben, wie sie diesen Antrag ausfüllen, und am Ende des Tages haben sie zwei Drittel dieser Zuwendungen, die sie bekommen hätten sollen, dem Steuerberater gezahlt und sie selbst sind übrig geblieben. (Abg. Hörl: Ah geh, das war ein teurer Steuerberater!)


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Wir haben Beispiele dazu, und ich kann Ihnen nur sagen: Es ist nicht witzig. Ich finde es gut, dass diese seriöse Zunft, wenn ich so sagen darf, diese Möglichkeit bekommt, das steht ihr zu. Ich finde es aber auch wichtig, dass Ihre Förder­maß­nahmen so gestaltet sind, dass die Leute, die die Förderungen brauchen – und brauchen ist das Thema –, keinen Steuerberater brauchen, damit sie die über­haupt kriegen können, sondern dass das alltagstauglich wird, und das ist es nicht. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

Zum Gaspreisdeckel möchte ich Ihnen sagen, dass Sie, obwohl die Sozialpartner, die Wirtschaftsexperten, die Landeshauptleute alle sagen, Sie sollen den Gaspreisdeckel in Österreich einführen, der Meinung sind: Das ist nicht notwen­dig und wir warten auf die EU. – Wir haben keine Zeit, zu warten. Die Betriebe haben keine Zeit, die Menschen haben keine Zeit und Sie haben auch keine Zeit. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Hörl.)

Die Maßnahmen, auf die wir Wert legen, sind die Gaspreisbremse, Aussetzung der CO2-Steuer, Einfrieren der Mieten bis 2024 bei Richtwert- und Kate­go­rie­mieten, eine temporäre Spritpreisobergrenze und das Aussetzen der Mehr­wertsteuer bei Grundnahrungsmitteln und Sprit bis Februar 2023. Das sind die einzigen Lösungen, die die Bevölkerung, aber auch die Betriebe, wirklich überleben lassen.

Ich möchte auch noch zu meiner Vorrednerin sagen: Wenn es um Gas geht, geht es nicht nur um Wärme, sondern auch um wichtige industrielle Maßnahmen und Abfolgen, die im Prozess notwendig sind. Ich weise darauf hin, dass zum Beispiel die ganze Lebensmittelindustrie, die mit Milch zu tun hat und pasteurisieren muss, auf Gas angewiesen ist. Spätestens, wenn es keine Nah­rungsmittel mehr gibt, werden Sie merken, dass das nicht funktioniert. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

11.56


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Franz Hörl. – Bitte.



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11.56.16

Abgeordneter Franz Hörl (ÖVP): Werte Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Das Investitionskontrollgesetz, das wir nun noch einmal um ein Jahr verlängern, ist, glaube ich, schon eine ganz wichtige Sache. Das hat die Möglichkeit, aus dem Ausland Beteiligungen zu machen, deutlich verschärft; und auch indirekte Inves­titionen aus Ländern außerhalb der EU, des EWR und der Schweiz müssen ab einer bestimmten Größenordnung der Beteiligungen quasi genehmigungspflichtig sein.

Es ist nicht richtig, was Herr Loacker gesagt hat: dass es um Investitionen geht; es geht jedoch um Investitionen in Beteiligungen und in die Übernahme von Firmen und Übernahme von Beteiligungen. Herr Matznetter hat ausnahmsweise auch einmal recht, wenn er sagt, dass es natürlich durch die Beteiligung an Firmen auch möglich ist, dass man eine Firma hier kauft – am Standort, der zu teuer geworden ist – und dann die Produktion ins Ausland verlagert. Viele, viele Standorte auf der Welt, die billiger sind, sind ja leider Gottes außerhalb der Europäischen Union, dafür ist ja dieses Parlament auch einigermaßen verant­wort­lich. Gerade bei wichtigen Investitionen, wichtigen Firmen und in diesen Sparten, denke ich, ist es ganz, ganz wichtig.

Wir erleben das ja auch in einem anderen Bereich, beispielsweise in meinem Heimatbundesland Tirol, etwa bei der Firma Sandoz, bei der der Staat mit Fördermitteln den Ausbau, die Absicherung und die Konkurrenzfähigkeit der Penicillinerzeugung fördert. Das ist ein anderes Feld und hat damit nichts zu tun, aber da zeigt man ja auch deutlich (Abg. Loacker: Glaubst du, du kommst mit dem Gesetz ...? In welcher Welt lebst du?), dass es ganz, ganz wichtig ist, gerade solche Dinge hier in Europa zu halten und unter Kontrolle zu haben.

Frau Kollegin Götze hat das auch sehr gut beschrieben: Es geht einfach darum, dass man hinschaut. Es ist schon klar – und das sage ich als Wirtschaftsbündler –, dass das natürlich auch ein Eingriff in Eigentum und in die Beteiligungen von


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Firmen ist und natürlich auch nicht unbedingt dem europäischen (Zwischenruf des Abg. Loacker) – Herr Loacker! – und globalen oder meinem eigenen Gedankengut entspricht. (Zwischenruf der Abg. Götze.) Eines ist aber schon klar: Es hat sich doch auch gezeigt, dass gerade diese Krise dazu geführt hat, dass man da genauer hinschaut. Wenn man dann feststellt, dass es 14 Verfahren gegeben hat, bei fünf ein vertieftes Verfahren durchgeführt wurde und nur bei drei eine Gefährdung erkannt wurde, dann denke ich, dass die Behörde da sehr, sehr vorsichtig vor­geht.

Vielleicht noch ein Wort dazu, weil ich unterhalb eines Kraftwerkes, dem Durlaßboden-Stausee, wohne: Ich hätte schon ganz gerne gewusst, wer diesen Stausee betreibt. Der Verbund hat 51 Prozent. (Abg. Loacker: ... ins Ausland, oder was? Glaubst, er versetzt den Stausee ins Ausland?) Sie haben schon recht, der Verbund hat 51 Prozent. Ich hoffe, die Republik kommt nicht auf die dumme Idee, diese 51 Prozent noch einmal herzugeben, aber trotzdem wäre es für mich am Standort eines Kraftwerkes auch wichtig, zu wissen, wenn beispielsweise Anteile eines Landesenergieversorgers verkauft werden, dass der Staat dorthin schaut. Ich weiß schon, es sind 25 Prozent, mir wäre es aber beim Verbund und bei so strategischen Dingen lieber, wenn wir da auf 10 Prozent gehen würden und das auch ein bissel genauer beobachten, weil es ohnehin falsch war.

Gerade bei Unternehmungen wie Energieversorgern, der Abwasserversorgung und der Wasserversorgung bin ich der Meinung, das ist Aufgabe der öffentlichen Hand, und diese zu privatisieren, das ist auch in meinen Augen überschießend, weil ich aus einem Kraftwerkstandort komme. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

11.59


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Cornelia Ecker. – Bitte. (Abg. Matznetter: Da hat er ausnahmsweise recht, der Franz Hörl!)



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11.59.36

Abgeordnete Cornelia Ecker (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseher:innen! Für unsere heimischen Unternehmungen stellt die Teuerung eine große Belastung dar, für manche energieintensive Betriebe ist sie sogar existenzbedrohend, und oftmals können die Kosten nicht an die Endkunden weitergegeben werden. Wer möchte schon eine Semmel um 5 Euro kaufen?

Wir als SPÖ stehen seit Anfang der Krise da und bringen im Ausschuss und im Nationalrat sinnvolle Vorschläge ein. Es braucht in diesem Bereich keine Einmalzahlungen, die dann sofort im Tagesgeschäft verschwinden, sondern zielgerichtete Förderungen, die auch nachhaltig sind. (Beifall bei der SPÖ.)

Auch wenn gestern der Bundeskanzler keine guten Worte über unsere deut­schen Nachbarn verloren hat: Sie haben es richtig gemacht. Sie waren mutig, sie waren entschlossen und bringen den Betrieben echte Zuversicht. Daher fordere ich von dieser Stelle aus noch einmal eine Gas- und Strompreisbremse nach deutschem Vorbild. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Kollegin hat es bereits gesagt: Uns rennt die Zeit davon. – Wir haben schon die Verpflichtung, dass unsere Betriebe auch künftig konkurrenzfähig bleiben, geschätzte Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP. (Abg. Kühberger: ... Spritpreisdeckel, schaut nach Ungarn!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Bundeskanzler hat sich gestern gerühmt, wie schnell Österreich im Bereich des Energiekostenzuschusses war. – Ja, das stimmt, da war Österreich auch Vorreiter, das stimmt, nur: Es ist nicht immer das Beste, wenn man der Erste ist. Wollen wir nicht alle die Besten sein? Das sollte eigentlich unser Anspruch sein. Jede Politikerin und jeder Politiker hier im Haus sollte den Anspruch haben, das Beste für unser Land zu wollen.

Fakt ist, die Unternehmerinnen und Unternehmer müssen jetzt versuchen, das Beste aus den unzureichenden Fördermodellen zu machen. Daher unterstützen


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wir auch den Antrag der Regierungsparteien, dass Bilanzbuchhalter:innen, Steuerberater:innen und Wirtschaftsprüfer:innen die Möglichkeit erhalten sollen, die Unternehmen in Förderangelegenheiten nach dem Unternehmens-Energiekostenzuschussgesetz und den dazu erlassenen Förderrichtlinien zu beraten, zu vertreten sowie Bestätigungen und Feststellungen auszustellen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

12.02


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ist seitens der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Wie vereinbart verlege ich die Abstimmungen an den Schluss der Verhandlungen über die Vorlagen des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie und fahre in der Tagesordnung fort.

12.02.255. Punkt

Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über den Antrag 2979/A der Abgeordneten Tanja Graf, Ing. Martin Litschauer, Kolleg­innen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das E-Control-Gesetz geändert wird (1896 d.B.)

6. Punkt

Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über den Antrag 2999/A der Abgeordneten Tanja Graf, Ing. Martin Litschauer, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Erneu­erbaren-Ausbau-Gesetz geändert wird (1897 d.B.)

7. Punkt

Bericht und Antrag des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Bundesgesetz, mit dem die


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Organisation auf dem Gebiet der Elektrizitätswirtschaft neu geregelt wird (Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz 2010 – ElWOG 2010), geändert wird (1898 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen nun zu den Punkten 5 bis 7 der Tagesordnung, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Ich begrüße Herrn Bundesminister Johannes Rauch im Hohen Haus und erteile Herrn Abgeordneten Schroll das Wort. – Bitte.


12.03.29

Abgeordneter Alois Schroll (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Minister! Frau Staatssekretärin! Geschätztes Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Wichtige energiepolitische Themen werden heute einmal mehr hier im Hohen Haus diskutiert und beschlossen. Wer fehlt? – Österreichs zuständige Energieministerin Leonore Gewessler; wir haben das ja auch eingangs schon heiß diskutiert. (Zwischenruf des Abg. Loacker.) Mittlerweile haben wir uns daran gewöhnt: Wenn man schon nicht mit der Themenarbeit glänzt, dann glänzt man wenigstens mit Abwesenheit. Dazu möchte ich aber kein Wort mehr verlieren. (Beifall bei der SPÖ.)

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, bereits eine vierte Novelle des EAG steht im Raum. Heute soll das EAG wieder geändert werden, dabei sind noch nicht einmal alle Verordnungen des Gesetzes, das wir am 7. Juli des vorigen Jahres hier im Hohen Haus beschlossen haben, in Kraft. Bei dem Tempo, das vonseiten des Bundesministeriums eingeschlagen wird, wird einem schon angst und bang, vor allem wenn unsere Energieministerin immer davon spricht, dass gerade jetzt die Energiewende so wichtig wäre. Das Energieeffizienzgesetz fehlt seit 702 Tagen, das Klimagesetz fehlt seit 702 Tagen und, und, und – ich könnte die Liste noch lange fortführen.


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Einige Änderungen im EAG waren den Kolleg:innen von der Regierung wichtig: Viele administrative Änderungen, natürlich auch wieder einige für die Wirtschaft und für die Landwirtschaft, sollen dazu dienlich sein – so gut, so schlecht. Auf jeden Fall haben in der Zwischenzeit die Lobbyisten ihre Fühler ausgestreckt und entsprechend auf die Regierungsparteien eingewirkt.

Für mich, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, bieten weitere Novellen immer die Chance, Gesetze insofern abzuändern, dass sie sozial noch treffsicherer und den aktuellen Gegebenheiten angepasst werden. Die SPÖ und ich als Verhand­lungsleiter haben aufgrund der hohen Teuerung bei der Beschlussfassung des EAG im Jahr 2021 darauf bestanden, die Ökostrompauschale für heuer, für 2022, auszusetzen, und die Regierung ist damals unserer Forderung nachge­kom­men. Die Stromkundinnen und Stromkunden konnten sich somit heuer weit über 350 Millionen Euro sparen.

Die Inflation wird auch im kommenden Jahr auf einem Rekordhoch sein. Die Österreicherinnen und Österreicher werden massive Probleme haben und wer­den wirklich damit zu kämpfen haben, sich das Leben leisten zu können. Deshalb musste die Pauschale für das kommende Jahr abermals ausgesetzt werden. Es war auch mein Ziel, das in diese heutige EAG-Novelle hineinzubringen, und es ist, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, erfreulich, dass wir dieses Ziel bei die­sem Tagesordnungspunkt erreicht haben und die Ökostrompauschale für 2023 ausgesetzt wird.

Ein anderes Gesetz, das heute geändert werden soll, ist das E-Control-Gesetz. Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, das bringt es wirklich auf den Punkt, wenn man sich das genau durchliest und anschaut. Ich möchte kurz meine Ausfüh­rungen dazu bringen. Diese Infos betreffen sowohl die Marktdaten aus dem wett­bewerblichen und regulierten Strom- und Gasmarkt als auch unternehmens­interne Daten der Geschäftsgebarung der E-Control. Das heißt, die E-Control ist jetzt verpflichtet, dem BMK, dem Ministerium von Leonore Gewessler, Auskunft zu erteilen.


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Überdies soll – weil es ja angenehm ist, wenn man jetzt auch die Informationen gleich an das BMF weiterleitet –, so steht es im Antrag drinnen, zugleich ein weiterer Aufsichtsrat bestellt und fixiert werden. Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, als Begründung für diesen Schritt wird behauptet, dass dies aufgrund der hohen Ausgaben des BMF im Energiebereich nötig sei, man deshalb mehr Daten benötige – ein Schelm, wer Böses denkt. Aber das ist natürlich völliger Humbug, denn die wahren Absichten liegen einmal mehr klar auf dem Tisch: Es geht um ein politisch motiviertes Revanchefoul der ÖVP an Bundesministerin Gewessler.

Als wäre all das nicht schon absurd genug, bergen die vorgeschlagenen Änderungen auch noch die äußerst reale Gefahr, dass die Behörde nicht länger als unabhängig gesehen werden könnte und somit sämtliche Entschei­dungen anfechtbar wären. Außerdem weise ich auf die EU-rechtlichen Beden­ken hin.

Mit uns, mit der sozialdemokratischen Fraktion wird es diese Änderung des E-Control-Gesetzes also heute definitiv nicht geben, wir werden uns für die Zweidrittelmehrheit nicht hergeben. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

12.08


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Tanja Graf. – Bitte.


12.08.35

Abgeordnete Tanja Graf (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzter Minister! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Liebe Zuschauer! Meine geschätzten Damen und Herren, bevor ich jetzt in die Details dieser Tagesordnungspunkte eingehe, erlauben Sie mir, als Energiesprecherin der ÖVP eine Zwischenbilanz über das Jahr 2022 zu ziehen.

In unserem Land haben wirklich viele Menschen und viele Unternehmer in die Energiewende investiert und haben damit einen sehr wesentlichen Beitrag zur


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Unabhängigkeit von fossilen Energieträgern und zu mehr Nachhaltigkeit geleistet. Dafür möchte ich mich heute auch einmal bedanken: dass Sie diesen Beitrag geleistet haben! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Das heurige Jahr war und ist noch immer, speziell im Energiebereich, eine echte Herausforderung. Aus diesem Grund hat auch die Bundesregierung alles unternommen, um Haushalte und Betriebe zu unterstützen und die erhöhten Kosten, so gut es ging, abzufedern. Es ist uns natürlich auch klar, dass wir nicht alles abfedern können, wir können keine 100-Prozent-Garantie beziehungs­weise keine Vollkaskoversicherung abgeben.

Wir haben allerdings wichtige Entlastungspakete geschnürt, wie etwa den 500-Euro-Klimabonus oder das Unternehmens-Energiekostenzuschussgesetz. Es gibt den Energiescheck mit 150 Euro oder, jetzt erst, die Stromkostenbremse. (Abg. Kassegger: Das Königsprodukt Stromkostenbremse!)

Wir haben im Jahr 2022 auch die Erneuerbaren-Förderpauschale ausgesetzt, da hat sich jeder Haushalt bis zu 100 Euro erspart. Dazu haben aber auch die Österreicher und Österreicherinnen zwei wesentliche Beiträge geleistet. Erstens haben viele Österreicher, wie ich eingangs schon erwähnt habe, in diesem Jahr in die Energiewende investiert. Alleine heuer wurden 66 000 Fotovoltaikanlagen, das entspricht einer Energieleistung von knapp 1,4 Gigawatt Peak, über die EAG-Förderstelle genehmigt. Damit könnte man an einem Sommertag mit gerin­gem Verbrauch ein Drittel des österreichischen Bedarfs abdecken – das ist schon eine große Menge.

Zweitens haben sie im Jahr 2022 auch Energie eingespart. Der Stromverbrauch war zum Beispiel im Oktober – mit einem Minus von 7,7 Prozent – rückläufig, ebenso der Gasverbrauch – mit minus 26 Prozent. Wir liegen deutlich unter dem Fünfjahresdurchschnitt. Da mein Kollege Schroll das eine oder andere in seinen Reden immer wieder wiederholt und da er nach weiteren Gesetzen und nach mehr Bürokratie ruft, möchte ich ihm etwas sagen: Lieber Kollege Schroll, dieser


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Mix aus selbstverantwortlichem Handeln und unseren Unterstützungsmaß­nahmen zeigt seine Wirkung. Wir sind auf einem guten Weg. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wir haben Vertrauen in unsere Bevölkerung, Kollege Schroll. Wir unterstützen den Willen und die Bereitschaft unserer Bevölkerung, unserer Betriebe und unserer Energieversorger, um die Energiewende zu schaffen. Dabei unterstützen wir sie auch weiterhin. Wir brauchen derzeit keine zusätzlichen Gesetze, denn die Zahlen sprechen eigentlich für sich, daher auch mein Dank und meine Anerkennung für jede und jeden von Wien bis Vorarlberg, die ihren Beitrag leisten, um die Energiewende zu schaffen.

Wir werden auch weitere Entlastungsschritte setzen, Sie haben es heute schon gesagt, Herr Kollege Schroll. Wir werden die Erneuerbaren-Förderpauschale, die im EAG festgelegt ist, für das Jahr 2023 wieder aussetzen. Wir sprechen da von bis zu 100 Euro pro Haushalt und bei den Betrieben von einer Entlastung bis zu mehreren Tausend Euro.

Beim Fotovoltaikausbau wird es natürlich auch eine Erleichterung geben. Bis dato musste man bei einem Fördercall warten, bis der Fördercall zu Ende ist, um Info zu bekommen, ob man die Förderung bekommt oder nicht. Dem werden wir entgegentreten, man kann sozusagen gleich die Info bekommen, die Förderstelle wird die Information gleich weitergeben. Das ist ein weiterer Schritt zu mehr Effizienz und auch weniger Aufwand.

Weiters werden wir heute auch einen Antrag einbringen, in dem es um Netz­gebühren geht. Wir haben in den letzten Wochen sehr intensiv darüber gesprochen, dass die Netzgebühren eine Herausforderung sein werden. Wir werden dafür für die ersten sechs Monate des kommenden Jahres 260 Millio­nen Euro in die Hand nehmen. Das bedeutet eine Entlastung hinsicht­lich der erhöhten Netzgebühren von mehr als 60 Prozent für den Haushalt und für die Betriebe, um den Standort und die Wettbewerbsfähigkeit zu erhal­ten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)


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Meine Damen und Herren, nutzen wir – da richte ich die Bitte schon auch an die Opposition – gemeinsam die Chance der Energiewende für mehr Unabhän­gigkeit und für eine nachhaltige Zukunft! – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

12.13


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Axel Kassegger. – Bitte.


12.13.31

Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (FPÖ): Ja, es geht heute um drei vermeintlich kleine Änderungen in Gesetzen aus dem Energiebereich: das Energie-Control-Gesetz, das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz und das ElWOG. Ich möchte aber kurz etwas Grundsätzliches sagen, Kollege Schroll hat das auch schon gesagt.

Herr Gesundheitsminister, ich schätzte Ihre Kompetenz im Gesundheitsbereich, es ist aber etwas verwunderlich, dass die zuständige Energieministerin Leonore Gewessler zum wiederholten Male bei doch wesentlichen Punkten nicht anwesend, sondern irgendwo in Kanada, glaube ich, auf einer sicher ganz, ganz wichtigen Biodiversitykonferenz ist. Sie ist aber eben nicht hier im österreichi­schen Parlament, als zuständige Fachministerin. Ich finde es schade, was die Prioritätensetzung der Frau Bundesminister betrifft. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Schroll.)

Ich komme zum ersten geplanten Gesetz. Ich sage bewusst geplant, weil ich schon gehört habe, dass die Regierung jetzt offensichtlich doch draufgekommen ist, dass das Gesetz, nämlich das E-Control-Gesetz, keine gute Idee ist. Es soll offenbar ein Antrag gestellt werden, es wieder zurück an den Ausschuss zu verweisen. Kollege Schroll hat es auch schon gesagt, ich möchte mich dem anschließen: Wir werden diesem Gesetzentwurf auf keinen Fall zustimmen, denn – wir haben von der E-Control auch entsprechendes Feedback bekom-


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men – er ist aus mehreren Gründen bedenklich, verfassungsrechtlich bedenk­lich, EU-rechtlich bedenklich, und wenn ich sage bedenklich, dann ist er wahr­scheinlich so gar nicht zulässig.

Da geht es immerhin um die Unabhängigkeit dieser Behörde, der E-Control, und es geht darum, dass der Herr Finanzminister halt jetzt zusätzlich zu der an sich zuständigen Ministerin Gewessler – das ist ja in Ordnung – auch noch in die Bücher reinschauen will, sich Berichtspflichten herausnehmen plus Aufsichtsräte nominieren will et cetera. Also da werden wir auf jeden Fall dagegenstimmen, sollte dieser Gesetzentwurf zur Abstimmung kommen.

Die zweite Gesetzesänderung, die wir heute auf der Tagesordnung haben, ist eine Änderung das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz betreffend. Dieser werden wir zustimmen. Der wesentliche Inhalt neben Fristverlängerungen und Verwaltungs­vereinfachungen ist eben die Verlängerung der Befreiung von der Ökostrom­pauschale um ein weiteres Jahr. Wir wissen ja, dass sich das, was der Kunde – sei es jetzt der Haushalt oder das Unternehmen – sozusagen auf der Stromrech­nung hat, im Wesentlichen zu je einem Drittel aus dem Energiepreis – dem reinen Preis für den Strom, der ja in den letzten Monaten explodiert ist –, den Netzkosten – zu denen komme ich dann noch – und den Steuern und Abgaben – also im Wesentlichen der Mehrwertsteuer, wo wir schon seit Monaten fordern, bitte schön wenigstens die Mehrwertsteuer auf Energie auszusetzen, was nicht passiert ist – zusammensetzt. Es sind auch noch die Ökostrompauschale und ähnliche Gebühren und Abgaben dabei. Das ist eine kleine Entlastung, im Vergleich zu einer richtigen Entlastung, die etwa stattfinden würde, wenn man keine Mehrwertsteuer auf Energie erhebt; eine kleine Entlastung, aber immerhin eine Entlastung.

Dann komme ich zum letzten Gesetz, das ist das ElWOG. Sowohl beim Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz als auch beim ElWOG bedarf es – Gott sei Dank, sage ich – einer Zweidrittelmehrheit. Das heißt, die Regierung muss entweder mit der SPÖ oder mit der Freiheitlichen Partei, mit uns, verhandeln. Das sage ich jetzt nicht, weil ich beleidigt bin oder sonst etwas (Abg.


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Haubner: Na ja, wer weiß?), sondern das nehme ich einfach so zur Kenntnis, das sind demokratische Gegebenheiten. Mit einer 16-Prozent-Partei muss man nicht unbedingt reden. Ich hoffe, dass sich das nach der nächsten Wahl deutlich ändern wird (Beifall bei der FPÖ Abg. Höfinger: Na, so viel verliert ihr nicht!), und zwar, Herr Kollege, nach oben hin (erheitert) deutlich ändern wird.

So ist halt mit der SPÖ verhandelt worden, was das ElWOG und das Netz­verlustentgelt betrifft, wobei ich ganz ehrlich sagen muss, das ganze Procedere an sich enttäuscht mich doch etwas. Erstens ist das eine sogenannte – so nennen wir das im Fachjargon – Trägerrakete, das heißt, da ist ein mehr oder weniger leeres Blatt Papier eingebracht worden, damit dieses Gesetz überhaupt auf die Tagesordnung kommt. Dann wird bis zum letzten Augenblick verhandelt. Das meine ich jetzt nicht nur sprichwörtlich, sondern es wurde tatsächlich bis vor 5 Minuten verhandelt, hauptsächlich mit der SPÖ.

Dann kommen drei, vier dicke Paragrafen daher und wir sollen innerhalb von 3 Minuten entscheiden, ob wir dafür sind oder ob wir nicht dafür sind. Das hat keine Qualität. Alleine aus diesem Grund könnte man schon sagen: Da bin ich einmal grundsätzlich dagegen!

Ich bin aber auch inhaltlich dagegen, denn was passiert hier? – Netzverlust­entgelt: Netze machen Verluste. Wenn der Strom über eine Leitung geht, dann gibt es x Prozent Verluste durch Wärme. Diese Verluste müssen kompensiert werden, das sind ungefähr 6, 7 Prozent der Energie. Diese müssen jetzt von den Anbietern zugekauft werden.

Die große Frage ist, zu welchem Preis sie zugekauft werden – natürlich zu exorbitanten, verrückten Preisen auf Grundlage der Meritorder, als Folge dieser kompletten Verwerfungen. Das kostet, da gibt es Schätzungen der Arbeiter­kammer, 1 Milliarde Euro mehr – in der Begründung steht 800 Millionen Euro –, also zusätzliches Geld, riesige Kosten, weil Sie nicht in der Lage sind, das Grundproblem zu lösen. Die Arbeiterkammer – und diese ist keine freiheitliche Organisation – sagt sogar, es wäre viel einfacher zu lösen, wenn dieser Strom


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nicht zu Marktpreisen, sondern zu den Preisen zur Verfügung gestellt wird, den die Erzeuger an Gestehungskosten haben – und die sind deutlich niedriger.

Ich bin ein bisschen enttäuscht von der SPÖ, auch von dir, Alois (in Richtung Abg. Schroll). Ihr haltet euch nicht an die eigenen Empfehlungen, die Empfehlungen der Arbeiterkammer, die sehr, sehr vernünftig sind. Wir haben jetzt diesen 800-Millionen-Brocken und schieben schon wieder Geld im Kreis.

Die Frage ist jetzt: Zahlen diese 800 Millionen Euro die Endkunden über die Netzgebühren – das ist eben eine der Komponenten des Strompreises – oder hilft der Staat und zahlt 250 Millionen Euro oder wie viel auch immer – es ist in Wahrheit egal, wie viel, 200, 300, 400 – in Form von Zuschüssen? Wer ist der Staat? – Das sind ja wieder wir selber! Sie lösen das Problem also nicht, sondern drehen das Geld im Kreis! – Alois, du bist jetzt ganz happy, dass da statt 200 Millionen Euro jetzt 250 Millionen Euro drinstehen, aber du hast das Prob­lem nicht erkannt. Das Problem ist nämlich: Die 800 Millionen Euro bleiben ja trotzdem.

Aus diesem Grund werden wir auch inhaltlich gegen dieses Gesetz stimmen. Es kommt zu einer Kostenexplosion bei den Strompreisen, bei den Netzgebühren, und es wird auch nichts getan, was die Gebühren und Abgaben betrifft – außer diese Kleinigkeit, dass man die Ökostrompauschale, die ja wieder ein Zusatz­kostenposten ist, jetzt einmal für ein Jahr aussetzt. Das ist keine Energiepolitik im Sinne der Haushalte, im Sinne der Wirtschaft und im Sinne der Industrie; die Maßnahme ist fehlgeleitet, weil sie nicht in der Lage ist, die tatsächlichen Probleme zu lösen.

Alois, das Geld dreimal im Kreis zu schicken, vielleicht noch mit erheblichen Streuverlusten, ist keine Lösung! (Beifall bei der FPÖ.)

12.21


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Lukas Hammer. – Bitte.



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12.21.25

Abgeordneter Lukas Hammer (Grüne): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, das war ein herausforderndes Jahr in der Energiepolitik, aber auch für alle Haushalte und Unternehmen, die Energie bezogen haben.

Ich fange einmal mit dem Positiven an: Das Jahr war ein Jahr der Fotovoltaik. Wir haben heuer in Österreich das erste Mal die Gigawattschallmauer beim Fotovoltaikzubau durchbrochen. Es wurden heuer Anlagen mit mehr als 1 000 Megawatt Leistung zusätzlich gebaut und wir haben durch das Erneuer­baren-Ausbau-Gesetz Förderbedingungen bereitgestellt, durch die wir in der Lage sind – und das wird wahrscheinlich auch so passieren –, heuer Fotovoltaik­anlagen mit einer Leistung von insgesamt 2 300 Megawatt zu fördern. Nur zum Vergleich: Das AKW Temelín hat eine Leistung von 2 000 Megawatt. Das heißt, die Leistung der Fotovoltaikanlagen, die wir Ende dieses Jahres gefördert haben werden, ist größer als die Leistung des AKW Temelín, und das ist schon einmal eine sehr, sehr gute Nachricht. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich möchte Folgendes dazusagen: Man darf die Leistung natürlich nicht mit der erzeugten Energie verwechseln, aber das ist eh klar.

Die gute Nachricht für die Energiewende ist, dass wir auf Kurs in Richtung unseres Energieziels sind, und das lautet: 100 Prozent Erneuerbare im Strom bis zum Jahr 2030. (Abg. Kassegger: Das ihr nie erreichen werdet!) Früher wurde von der Energiewende nur geredet, wir setzen sie jetzt gerade um. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es war aber natürlich, wie ich anfangs erwähnt habe, ein sehr herausforderndes Jahr mit sehr, sehr hohen Preisen. Das heißt, wir haben dieses Jahr versucht, so weit wie möglich zu entlasten – Haushalte zu entlasten, Unternehmen zu entlas­ten –, und wir werden das auch nächstes Jahr fortsetzen.


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Ein Beschluss – das war schon im Wirtschaftsausschuss –, den wir heute fassen werden, sofern wir die Zustimmung bekommen, ist das Aussetzen der Erneuer­baren-Förderpauschale. Für einen mittleren Betrieb, zum Beispiel für eine Bäckerei, bedeutet das 17 000 Euro weniger nächstes Jahr. Für einen Haushalt sind es immerhin noch 36 Euro, die nicht zu zahlen sind. Die Ministerin hat auch den Förderbeitrag erlassen, das sind dann noch einmal insgesamt ungefähr 0,5 Milliarden Euro. Das ist eine wichtige Entlastungsmaßnahme in Zeiten von hohen Strompreisen, und die werden wir heute beschließen. (Beifall bei den Grünen, bei Abgeordneten der ÖVP sowie des Abg. Schroll.)

Was wir auch haben, ist eine Änderung des ElWOG. In weiterer Folge wird dazu auch noch ein Abänderungsantrag eingebracht. Ich möchte mich auch entschuldigen, vor allem bei den NEOS und bei der FPÖ: Wir haben einfach bis zum Schluss gearbeitet, so wie das ganze Jahr. Es war ein sehr arbeitsreiches Jahr und manchmal arbeitet man eben bis zum Schluss.

Worum geht es bei diesem ElWOG-Antrag? – Nur kurz: Das eine geht im Prinzip auf ein Thema zurück, das vonseiten der SPÖ aufgebracht wurde. In diesem Jahr ist es passiert, dass sich Energieversorgungsunternehmen aus dem Markt zurückgezogen haben, ohne dass sie pleitegegangen sind. Was dann teilweise passiert, ist, dass Hunderte, wenn nicht Tausende Kundinnen und Kunden plötzlich ohne Stromvertrag dastehen, wenn sie sich nicht um einen neuen bemühen. Wir machen jetzt eine Regelung für Kund:innen, die von Abschaltung bedroht sind, dass sie, bevor ein vertragsloser Zustand droht, automatisch einen neuen Lieferanten bekommen. Das ist ein wichtiger Schritt, damit Haushalte eben nicht ohne Versorger dastehen. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Kühberger.)

Die zweite Sache, an der wir bis zum Schluss gearbeitet haben, auch aufgrund der hohen Preissteigerungen – es wurde vorhin angesprochen –, ist die Netzver­lustenergie. Es wird einfach dazu führen – und dagegen können wir normaler­weise eigentlich nichts tun –, dass die Netzkosten für alle Unternehmen und Haushalte steigen werden. Was machen wir? – Wir nehmen im ersten Halbjahr


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des nächsten Jahres 260 Millionen Euro in die Hand, um diese zusätzlichen Kosten für Unternehmen und Haushalte abzufedern. Es werden circa 60 Prozent der entstehenden Mehrkosten abgefedert, und das ist eine sehr gute Nachricht.

Ich bedanke mich auch sehr für die konstruktiv, aber hart geführten Verhand­lungen, beim Koalitionspartner, aber vor allem auch bei dir, Alois Schroll von der SPÖ – vielen Dank, dass dieser Beschluss jetzt möglich ist. Es ist eine notwen­dige Entlastung für alle Unternehmen und Haushalte und ich bitte um breite Zustimmung. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

12.26


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Karin Doppelbauer. – Bitte.


12.26.12

Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Ich möchte auch mit dem geplanten Gesetz zur E-Control beginnen, das ja gerade von der Bundesregierung zurückgezogen wurde. Die Modernisierung der E-Control wäre ganz, ganz wichtig. Es ist eine ganz wichtige Kontrollbehörde in diesem Land, sie überwacht den Strommarkt, und ja, sie müsste tatsächlich modernisiert werden.

Viele wissen das vielleicht nicht: Was sind so deren Aufgaben? – Da geht es um die Neutralität von Netzbetreibern, um die Verhinderung von Preisabsprachen oder Monopolen, um Fairness beim Marktzugang – also um wirklich ganz, ganz wichtige Themen, die behandelt werden.

Es gibt in ganz vielen Bereichen wirklich Luft nach oben. Ich kann Ihnen zwei Beispiele nennen: Da gab es zum Beispiel die Energie Ried, wo große Missstände entdeckt worden sind, die jahrelang von der E-Control nicht bemerkt worden sind, wo tatsächlich in ganz, ganz großem Stil viel Steuergeld versickert ist. Da kann es sogar noch zu strafrechtlichen Maßnahmen kommen.


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Oder ein anderes Beispiel, wo die E-Control wichtig ist: Zum Höhepunkt der Gaskrise – Sie erinnern sich alle – hat es geheißen: Wie viel Gas haben wir denn jetzt in den österreichischen Speichern und wem gehört das Gas eigentlich? Und die E-Control durfte das nicht sagen! Sie hat zwar die Informationen, aber sie durfte nicht mitteilen, wem das Gas in den österreichischen Speichern gehört. Ganz im Ernst: Wenn wir NEOS nicht so darauf gedrängt hätten, wenn wir nicht die ganze Zeit drangeblieben wären, dass das aufgeklärt wird, dann wüssten die Bürgerinnen und Bürger heute nicht, dass nur die Hälfte des Gases, das in Österreich eingespeichert ist, auch den Österreichern gehört. (Beifall bei den NEOS.)

In diesem Zusammenhang die nächste Geschichte: Gestern war ja der Bun­deskanzler da und hat gesagt, wir seien inzwischen nur mehr zu 20 Prozent von russischem Gas abhängig. – Lassen Sie mich Ihnen versichern: Das ist knallfalsch und es entbehrt jeder wissenschaftlichen Grundlage.

Da sind wir schon beim Grundproblem bei diesen ganzen Themen: Es herrscht unglaublich viel Sagensagen, unglaublich viel Intransparenz, und deswegen wäre es ja so wichtig, dass die E-Control sozusagen gestärkt und auch unabhängiger gemacht wird.

Meine Damen und Herren, all das wäre aber mit dem geplanten Gesetz gar nicht passiert. Das war ja gar nicht die Idee, dass man das ändert. Die Idee, was geändert werden hätte sollen, ist, dass der Herr Finanzminister gesagt hat: Ich hätte dort aber auch gern jemanden im Aufsichtsrat! – Einen Job wollte er haben, einen Posten wollte er besetzen, auf den man wieder irgendjemanden setzt, einen parteinahen Günstling wahrscheinlich. Man sagt: Okay, setzen wir uns unsere eigenen Leute wieder in den Aufsichtsrat der E-Control, damit wir da auch ein bisschen mehr sagen können! – Das ist in Zeiten wie diesen natürlich absurd! (Beifall bei den NEOS.)


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Noch einmal: Vorstände und Aufsichtsräte sollen mit Profis besetzt werden, und diese sollen unabhängige, weisungsfreie Experten sein. Das wäre unser Ansinnen in so einem Zusammenhang.

Gestritten wird viel, das ist der eine Grund, warum dieses Gesetz heute nicht durchkommt: weil sich die Bundesregierung nicht einigen kann. Gestritten wird auch bei ganz vielen anderen Themen. Ich schätze Kollegin Graf sehr, aber wenn sie sagt, wir sind auf einem guten Weg und wir brauchen keine zusätzlichen Gesetze, dann bin ich wirklich ganz anderer Meinung.

Ich erkläre es Ihnen anhand von ein paar Beispielen: Das EAG wurde vorhin schon genannt, es gibt ja heute auch eine Novelle zum Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz. Im Ausschuss kam es da nur zu Diskussionen, mehr oder minder zu redaktionellen Änderungen, weil man sich vorher halt nicht einigen konnte, was da eigentlich drinnen stehen soll. Es gab keine Einigung, es wurde gestritten – Kollege Hammer hat es gerade gesagt – bis zur letzten Sekunde. (Abg. Lukas Hammer: Gearbeitet!) – Ich sage gestritten, denn Sie werden sich ja tatsächlich in dieser Bundesregierung über gar nichts mehr einig, wenn es um die so, so wichtige Energiepolitik geht – die Energiepolitik, die im Augenblick die wich­tigste Frage für den Standort Österreich ist, die wichtigste Frage, um die Deindustrialisierung zu stoppen. Und Sie schaffen es überhaupt nicht, ins Tun zu kommen.

Lassen Sie mich ein paar Beispiele bringen! UVP-Novelle: Da gab es schon eine Begutachtung, dann haben Sie sie wieder zurückgezogen, weil Sie gestritten haben – geht sich nicht aus. Energieeffizienzgesetz: Das brauchen die Unterneh­men, die wissen nicht, wie sie investieren sollen, sie brauchen Jahre dafür. Die Wirtschaftspartei ÖVP und die Umweltpartei Grünen schaffen es nicht, das aufs Tableau zu bringen. Das ist wirklich dramatisch und es ist unglaublich enttäu­schend! (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Schroll.)

Fehlender Netzausbau, all diese Dinge: Ich könnte noch eine halbe Stunde trefflich darüber referieren – leider, muss ich sagen. Die Regierung agiert so


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verschlafen, dass es wirklich naheliegt, zu sagen: Sie haben den Ernst der Lage einfach nicht verstanden. Sie haben wirklich nicht verstanden, wo es im Augenblick hingeht. Jetzt müssen Ihnen sogar schon 160 Unternehmen einen Brief schreiben. Die haben Ihnen einen Brief geschrieben, die flehen Sie tatsächlich an, endlich etwas auf gesetzlichem Wege zu tun, damit sie endlich investieren können, damit sie die Energiewende vorantreiben können – und wieder gibt es nichts, was heute dazu vorgelegt wird. (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Schroll.)

Ich kann Ihnen nur sagen: Lesen Sie sich diesen Brief durch! Ich kann hundert­prozentig unterschreiben, was die Wirtschaft darin fordert. Diese fordert Sie nämlich auf, endlich ins Tun zu kommen. Tun Sie etwas für die Wirtschaft, liebe ÖVP! Tun Sie etwas für die Umwelt, liebe Grünen! Dann wäre diesem Land wirklich geholfen. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Schroll.)

12.31


Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich Herr Bundesminister Johannes Rauch zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Minister.


12.31.42

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Abgeordnete! In Vertretung von Frau Bundesministerin Gewessler – und ich weiß, Sie beklagen ihre Abwesenheit; immerhin ist es so, dass ich als Sozialminister auch von diesen Themen betroffen bin – ein paar Ausführungen zu jedenfalls den Tagesord­nungspunkten 6 und 7: Mit dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz ist ja, das weiß ich noch aus meiner vorigen Tätigkeit als Energielandesrat, eine bundesgesetz­liche Rahmenbedingung für die Energiewende, für eine bestmögliche Umset­zung, geschaffen worden; das wissen wir. Es werden auch laufend Optimierungs­maßnahmen ausgearbeitet, und diese werden in den vorliegenden Abände­rungsanträgen auch aufgegriffen.


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Besonders wichtig in diesem Antrag ist das Aussetzen der Erneuerbaren-Förderpauschale für 2023. Das ist in Zeiten hoher Energiepreise eine besonders wertvolle Entlastung, sowohl für Privatpersonen wie auch für Unternehmen.

Von den weiteren Änderungen möchte ich zwei hervorheben: Die Inves­titionszuschüsse für Biomasseanlagen werden auch für die Erweiterung dieser Anlagen ermöglicht – da sind jede Menge in Planung. Die Förderabwicklung für Investitionszuschüsse für Fotovoltaikanlagen und Wasserkraftanlagen mit Reihung nach Antragszeitpunkt wird vereinfacht und beschleunigt. Außerdem wird die Datenbereitstellung verbessert, zum Beispiel enthält der Antrag eine Informationspflicht der Netzbetreiber bezüglich der Entfernung einer Biogas­anlage bis zum nächsten Gasanschlusspunkt. In diesem Sinne leistet dieser Antrag einen wichtigen Beitrag zur Optimierung.

Etwas technischer ist selbstverständlich der Tagesordnungspunkt 7, wo es ums ElWOG geht. Es ist evident, dass die derzeitigen Verwerfungen am Energie­markt, die wir alle mitbekommen, zu massiven Steigerungen der Netzverlust­kosten geführt haben, die sich im nächsten Jahr auch im Netzentgelt niederschlagen. Da sind entlang der Gegebenheiten nun einmal die Haushalte, die Unternehmen stärker betroffen als die Erzeuger. Das liegt an der Regelung, dass die Anschlussleistung von mehr als 5 Megawatt so im Gesetz gestaltet ist.

Die Festlegung der Stromnetzentgelte fällt in die ausschließliche Zustän­digkeit der unabhängigen und weisungsfreien Regulierungsbehörde E-Control. Das ist auch zu respektieren. Was die Bundesregierung bei diesem Thema, der Kostensteigerung in diesem Bereich, machen kann, ist, Entlastung zu gestalten. Das ist der Punkt, der jetzt umgesetzt wird, das wurde bereits von Abgeord­netem Hammer erwähnt. Dazu nimmt die Bundesregierung mehr als 200 Millio­nen Euro in die Hand. Damit werden 60 Prozent der Erhöhung der Netzver­lustkosten für die Haushalte abgefedert.


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Ich darf allen danken, die diesem Antrag zustimmen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

12.34


Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Abgeordneter Christoph Stark zu Wort. – Bitte.


12.35.03

Abgeordneter Christoph Stark (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Das Jahr neigt sich dem Ende zu und wir stehen mitten in einer noch nie da gewe­senen Energiekrise, der wir hier als Hohes Haus und auch als Bundes­regierung mit verschiedenen Maßnahmen begegnen.

Kollegin Doppelbauer, wenn Sie sagen, Sie könnten eine halbe Stunde lang darüber referieren, was nicht passiert ist: Liebe Damen und Herren, wir haben hier drei lange Plenartage, an denen wir stundenlang darüber diskutieren, was passiert und was das Parlament in dieser Krise alles tut. Auch diese Seite sollte man einmal betrachten! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Oberstes Ziel muss sein, gut durch diese Krise zu kommen. Ja, es ist noch einiges offen, aber wir arbeiten auch daran. Daher geht es heute um drei Punkte, auf die ich kurz eingehen darf.

Das ist zum einen die Unterstützung durch Dienstleisterinnen und Dienstleister. Unternehmen sollen auf ihrem Weg zu Förderungen von Steuerberater:innen, Wirtschaftstreuhänder:innen und Betriebsprüfer:innen unterstützt und begleitet werden. Damit wollen wir eine neue Regelung schaffen, um die Dinge für die Betroffenen zu erleichtern, anstatt Menschen und Unternehmen Steine in den Weg zu legen.

Punkt zwei: Das ElWOG wurde bereits erwähnt. Auch in diesem Bereich gibt es notwendige Änderungen. Zum einen treibt ja die Energiekrise seltsame Blüten, indem sogar Energieversorgungsunternehmen aufgrund der exorbitanten


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Markt­preise aus diesem Markt austreten. Die Folge ist, dass Haushalte plötzlich ohne Energieversorger dastehen. Diese Haushalte sollen in dieser ganz speziellen Situation von einer gesetzlichen Regelung geschützt werden. Auch in diesem Bereich wollen wir die Menschen nicht alleinlassen, sondern wir wollen sie in dieser durchaus schwierigen Lebenslage, die es nicht alle Tage gibt, unter­stüt­zen.

Der dritte Punkt betrifft die Netzverluste. Was ist ein Netzverlust? – Die Netze gehorchen physikalischen Gesetzmäßigkeiten, auf dem Weg des Stroms wird Energie in Form von Wärme verloren. Dieser Teil der Energie muss irgendwie ausgeglichen werden, weil er ja davor gekauft und erzeugt wurde. Das heißt, diese Netzverluste wurden auch bisher schon von den Kundinnen und Kunden der Netze getragen. (Zwischenruf des Abg. Angerer.) Durch die gestiegenen Kosten wollen wir aber diese Verluste ausgleichen. Das ist eine Maßnahme, die wahrscheinlich gar nicht so offenkundig und offensichtlich wird, weil sie einfach Kosten abfedert, die sonst entstanden wären.

In diesem Zusammenhang darf ich auch den folgenden Antrag einbringen, und zwar den Abänderungsantrag der Abgeordneten Tanja Graf, Lukas Hammer, Alois Schroll, Kolleginnen und Kollegen zum Bericht und Antrag des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz 2010 geändert wird, in 1898 der Beilagen.

Der Antrag liegt Ihnen vor. Im Wesentlichen geht es darum, die Menschen mit einer Kostenentlastung in der Höhe von rund 260 Millionen Euro für ein halbes Jahr zu unterstützen. Das entspricht in etwa Mehrkosten von 60 Prozent, die da abgefedert werden sollen.

Meine Damen und Herren, geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Die Menschen brauchen in dieser Krise Hilfe. Die Menschen brauchen die Unterstützung des


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Staates. Unser oberstes Ziel ist und bleibt, den Menschen dabei zu helfen und alles zu tun, um gut durch diese Krise zu kommen. (Beifall bei der ÖVP.)

12.38

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Tanja Graf, Lukas Hammer, Alois Schroll,

Kolleginnen und Kollegen

zum Bericht und Antrag des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Elektrizitätswirtschafts- und -orga­ni­sationsgesetz 2010 geändert wird (1898 d.B.) (TOP 7)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der oben zitierte Gesetzesantrag in der Fassung des Ausschussberichts 1898 d.B. wird wie folgt geändert:

1. Z 1 erhält die Ziffernbezeichnung Z 1a. Vor der Ziffer 1a wird folgende Z 1 eingefügt

„1. Im Inhaltsverzeichnis wird nach dem Eintrag zu § 77a folgender Eintrag eingefügt:

              „§ 77b.             Versorgung nach Marktaustritt eines Lieferanten““

2. Nach der neuen Z 1a werden folgende Z 1b und 1c eingefügt:

„1b. (Verfassungsbestimmung) Dem § 53 wird folgender Abs. 4 angefügt:

„(4) (Verfassungsbestimmung) Kosten für die Beschaffung von Netzverlustenergie für das erste Halbjahr 2023 werden im Ausmaß von 173 Euro pro MWh durch Bun­desmittel bedeckt. Die dafür benötigten Bundesmittel werden im Rahmen des Budget­vollzugs 2023 bereitgestellt. Der Bund hat die Mittel den Netzbetreibern bedarfs-


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gerecht zur Verfügung zu stellen. Wird die Netzverlustenergie für mehrere Netzbetrei­ber über eine gemeinsame Beschaffung zentral beschafft, können die Mittel auch direkt jenem Unternehmen, dem die gemeinsame Beschaffung obliegt, zur Verfügung gestellt werden. In den Verfahren zur Feststellung der Kostenbasis gemäß § 48 sind lediglich jene Kosten und Mengen festzustellen, die nicht aus Bundesmitteln bedeckt werden. Im Verfahren zur Bestimmung der Systemnutzungsentgelte gemäß § 49 sind die nach diesem Absatz bereitgestellten Bundesmittel ausschließlich bei der Festle­gung der Netzverlustentgelte für Entnehmer zu berücksichtigen.“

1c. Nach § 77a wird folgender § 77b samt Überschrift eingefügt:

„Versorgung nach Marktaustritt eines Lieferanten

§ 77b. (1) Kündigt ein Lieferant alle Verträge mit Verbrauchern im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 2 KSchG, hat der Lieferant die Kündigung der Vertragsverhältnisse und den Zeitpunkt der Vertragsbeendigung der Regulierungsbehörde und den Netzbetreibern, in deren Netz sich betroffene Zählpunkte befinden, mindestens acht Wochen vor Marktaustritt mitzuteilen. Mindestens vier Wochen vor Ende des Vertragsverhält­nis­ses hat der Lieferant jene Kunden, für die noch kein Verfahren gemäß § 76 eingeleitet wurde, schriftlich an das Ende des Vertragsverhältnisses zu erinnern und über die notwendigen Schritte für den Abschluss eines neuen Liefervertrages zu informieren.

(2) Kunden, die bis zum Ende des Vertragsverhältnisses keinen Vertrag mit einem neuen Lieferanten abgeschlossen haben, sind mit dem auf das Ende des Vertrags­ver­hältnisses folgenden Tag von jenem Lieferanten zu versorgen, der zum 31. Dezember des Vorjahres über die größte Anzahl an Kunden gemäß Abs. 1 im Netzbereich verfügte. Die Regulierungsbehörde hat den betroffenen Lieferanten über den Eintritt der Versorgung nach Marktaustritt zu informieren.  

(3) Jeder Netzbetreiber hat der Regulierungsbehörde zu melden, welcher Lieferant in seinem Netzgebiet zum Stichtag 31. Dezember über die größte Anzahl an Kunden gemäß Abs. 1 verfügt und wie hoch diese Anzahl ist. Die Meldung hat jeweils bis zum 15. Februar des Folgejahres bei der Regulierungsbehörde einzugehen. Bis zum


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Einlangen dieser Meldung gilt die Meldung des Vorjahres. Die Regulierungsbehörde hat den Lieferanten gemäß Abs. 2 je Netzbereich auf ihrer Internetseite zu veröffentlichen.

(4) Lieferanten gemäß Abs. 2 haben die ihnen zugeordneten Kunden zu angemes­senen Preisen zu versorgen, wobei sie nicht zu höheren Preisen versorgt werden dürfen als die Kunden, die zu den Haushaltstarifen des jeweiligen Lieferanten versorgt werden.

(5) Lieferanten gemäß Abs. 2 haben die ihnen zugeordneten Kunden unverzüglich über das Bestehen, die Dauer und die wesentlichen Inhalte des neuen Vertrags­ver­hältnisses sowie darüber, dass der Kunde jederzeit zu einem Lieferanten seiner Wahl wechseln kann, zu informieren.

(6) Wird über einen Zählpunkt eingespeist, übernimmt der neue Lieferant die eingespeiste Energie zu Marktpreisen abzüglich der aliquoten Aufwendungen für Ausgleichsenergie für die eingespeiste Energie.

(7) Die Versorgung der zugeordneten Kunden erfolgt zu den bei der Behörde ange­zeigten Allgemeinen Bedingungen. In den Allgemeinen Bedingungen enthaltene Bindungsfristen, Fristen und Termine für eine Kündigung des Vertrages gelten nicht.

(8) Netzbetreiber, in deren Netzgebiet Kunden gemäß Abs. 2 zugeordnet werden, haben dem Lieferanten gemäß Abs. 2 die Anzahl der betroffenen Zählpunkte sowie alle Daten, die für die Zwecke der Versorgung gemäß Abs. 2 notwendig sind, spä­testens zum Zeitpunkt des Vertragsendes elektronisch zu übermitteln.

(9) Die Versorgung gemäß Abs. 2 endet spätestens nach drei Monaten. Der zugeordnete Kunde kann den Vertrag jedenfalls unter Einhaltung einer zweiwöchigen Frist kündigen.

(10) Alle betroffenen Marktteilnehmer haben sich wechselseitig nach bestem Vermögen zu unterstützen, um die lückenlose Versorgung der betroffenen Kunden sicherzustellen.““


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3. Nach Z 2 werden folgende Z 3 bis 5 angefügt:

„3. (Verfassungsbestimmung) Dem § 109 Abs. 1 wird folgender Satz angefügt:

„§ 53 Abs. 4 tritt mit Ablauf des 31. Dezember 2023 außer Kraft.“

4. Dem § 109 wird folgender Abs. 8 angefügt:

„(8) § 77b tritt mit Ablauf des 31. Dezember 2024 außer Kraft.“

5. (Verfassungsbestimmung) In § 114 Abs. 2 wird nach der Wortfolge „§ 47,“ die Wortfolge „§ 53 Abs. 4, “ eingefügt.““

Begründung

Zu den §§ 53 Abs. 4 und 114 Abs. 2:

Aufgrund des massiven Anstiegs der Großhandelspreise am Strommarkt sind auch die Kosten für die Beschaffung von Netzverlustenergie signifikant angestiegen (siehe dazu die Ausführungen der E-Control im Begutachtungsentwurf zur Systemnutzungs­entgelte-Verordnung 2018 – Novelle 2023). Um die Auswirkungen dieses Preis­anstiegs abzufedern, sollen Bundesmittel bereitgestellt werden, die einen Teil der Beschaffungskosten abdecken.

Seit dem Jahr 2011 wird ein Großteil (ca. 98 %) der benötigten Netzverlustenergie gemeinsam für alle teilnehmenden Netzbetreiber von der Austrian Power Grid AG (APG) beschafft. Für die an der gemeinsamen Beschaffung teilnehmenden Netzbetreiber können die Budgetmittel auch direkt bei der APG zur Bedeckung der angefallenen Beschaffungskosten bereitgestellt werden.

Aufgrund der aktuellen Kostenwälzungssystematik sind 80 % der Netzverlustkosten durch die Entnehmer und die restlichen 20 % durch Einspeiser zu tragen. Dieser Systematik folgend fällt für Entnehmer im Jahr 2023 eine zusätzliche Kostenbe­las­tung in der Höhe von rund 850 Mio. Euro gegenüber dem Vorjahr an. Durch die in der Bestimmung vorgesehenen 173 Euro pro MWh ergibt sich bei Netzverlustmengen


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von rund 3 TWh für ein Jahr eine Kostenentlastung in der Höhe von rund 260 Mio. Euro für ein halbes Jahr, das entspricht etwas mehr als 60 % der Mehrkosten. 

Die Bedeckung der dafür benötigten Bundesmittel erfolgt auf Basis der Ermächtigung gem. Art. VI Abs. 6 BFG 2023 oder durch eine Änderung des Bundesfinanz- und Bundesfinanzrahmengesetzes.

Zu den §§ 77b und 109 Abs. 8:

Die enorm angestiegenen Großhandelspreise haben in den letzten Monaten auch am Endkundenmarkt Turbulenzen ausgelöst: Energieversorger und Lieferanten haben ihre Kunden abgestoßen und sind aus dem Markt ausgetreten. Lieferverträge mit Kunden wurden massenhaft gekündigt, was für die Betroffenen bedeutete, im Rah­men der Kündigungsfrist einen neuen Lieferanten suchen zu müssen.

Die Erfahrung zeigt, dass ein Teil der von solchen Vertragsbeendigungen betroffenen Kunden – das waren vor allem Haushaltskunden – nicht zeitgerecht aktiv wurde, in einen vertraglosen Zustand geriet und folglich von Abschaltungen bedroht war.

Mit der vorgeschlagenen Regelung werden Kunden (hier: Verbrauchern im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 2 KSchG), denen ein vertragsloser Zustand droht (dh konkret, dass ein Prozess gemäß § 76 sowie Wechselverordnung 2014 noch nicht eingeleitet wurde), automatisch einem neuen Lieferanten zugeordnet, der für einen zeitlich beschränkten Zeitraum die Versorgung übernehmen soll. Damit wird die lückenlose Versorgung von betroffenen Kunden sichergestellt.

Da die Regelung der turbulenten und derzeit schwer absehbaren Entwicklungen am Energiemarkt geschuldet ist, wird sie mit einer sunset clause versehen. Dies ermög­licht, sie zunächst in der Praxis zu erproben und gegebenenfalls verlängern bzw. anpassen zu können.

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Abänderungsantrag wurde in den Grundzügen erläutert, an die Abgeordneten verteilt und steht daher auch mit in Verhandlung.


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Herr Abgeordneter Erwin Angerer, Sie gelangen zu Wort. – Bitte.


12.38.52

Abgeordneter Erwin Angerer (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Minister! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren! Vielleicht ist es ein Symbol, dass heute der Gesundheitsminister beim Thema Energiepolitik dasitzt, wenn Frau Gewessler als zuständige Ministerin hier anwesend sein sollte, denn ich glaube, es bräuchte auch eine Heilung in der verfehlten Energiepolitik dieser Bun­desregierung.

Was haben wir da wieder vorliegen? – Es ist die Fortsetzung eines Desasters in der Energiepolitik. Es ist eine Fortsetzung von Symptombekämpfung, sie geht nicht an die Ursachen. Sie haben in diesem gesamten Kontext bis jetzt keine einzige Ursache behandelt. (Beifall bei der FPÖ.)

Es ist eine Fortsetzung von Steuergeldvernichtung. Lieber Herr Kollege Stark, als Sie vorhin davon geredet und die Netzverluste erklärt haben, wäre es interessant gewesen, zu erwähnen, wer diese Netzverluste bezahlt. Es zahlt nämlich immer der Kunde. Der Endkunde hat schon mit exorbitanten Strompreisen zu kämpfen, und jetzt werden aufgrund dieser Strompreise die Netzkosten auch noch höher.

Die Ursache dafür ist das Meritorderprinzip, und das greifen Sie nicht an. Das wäre das Thema, das Sie angreifen müssten und wo Sie eine Änderung machen sollten und auch könnten. Auch dazu haben wir Ihnen schon letzte Woche im Ausschuss einen Vorschlag gemacht und Ihnen aufgezeigt, dass es auch in diesem Fall eine österreichische Lösung geben könnte, anstatt dieses Problem immer nur auf die EU abzuschieben und zu sagen, ohne EU sei keine Lösung möglich. Es wäre sehr wohl eine österreichische Lösung möglich, aber dazu komme ich später noch.

Vielleicht zuerst zum Thema, dass man die E-Control, die in dieser Phase eine wichtige Kontrollfunktion ausübt – so wie die Bundeswettbewerbsbehörde, über


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die wir heute auch noch reden werden –, an die kurze Leine nehmen möchte. Was hat die ÖVP vor, wenn der Finanzminister Einsichtsrechte bekommen soll, einen Aufsichtsrat in der E-Control besetzen soll? Jetzt nehmen Sie das Gesetz Gott sei Dank zurück. Lassen Sie die E-Control so, wie sie ist, nicht beeinflusst von politischen und finanziellen Abhängigkeiten! Lassen Sie die E-Control als unabhängige Kontrollinstanz in Ruhe! Sie braucht es mehr denn je. (Beifall bei der FPÖ.)

Zweites Thema: Netzkosten. Die Netzkosten werden ab 1.1. für jeden Öster­reicher um circa 100 Euro im Jahr steigen. Heute ist die SPÖ wieder einmal im Liegen umgefallen. (Abg. Schroll: Nein, nein, wir stehen noch!) Die blonde Ener­gieexpertin der ÖVP hat es offensichtlich wieder geschafft, für 25 Euro - - (Zwi­schenrufe bei ÖVP und SPÖ.) Für 25 Euro hat die SPÖ die Hosen runter­gelassen und wird heute wieder die Zweidrittelmehrheit sichern. 75 Euro bezahlt immer noch ihr. Ihr Kunden draußen zahlt 75 Euro, und für 25 Euro fällt die SPÖ wieder um. (Abg. Kucharowits: Entschuldigen Sie sich sofort bei der Kollegin Graf! – Abg. Jeitler-Cincelli: Frau Präsidentin! Frau Präsidentin!)

Das alles wäre nicht notwendig, wenn ihr die Meritorder ändern würdet, und die Meritorder kann man auf nationaler Ebene ändern, indem man einfach hergeht und sagt, ich lege einen Strompreis für den österreichischen Strom fest, der in Österreich erzeugt wird, großteils aus erneuerbarer Energie, aus Wasserkraft, aus Biomasse, was auch immer. (Abg. Kucharowits: Entschuldigen Sie sich bei der Kollegin Graf!) Dann hat man einen österreichischen Preis, und den Preis für den Strom, der zusätzlich eingekauft wird, teilt man dann auf.

Da gibt es jetzt schon eine Organisation, die das bei den Netzverlusten macht; da sind wir wieder beim gleichen Thema. Das wäre überhaupt kein zusätzlicher Aufwand, sondern die könnte diesen zusätzlichen Strom einkaufen, und dann hätte man eine österreichische Lösung für ein Aussetzen der Meritorder. Und man bräuchte nicht 4 Milliarden Euro aus Steuergeldern querzusubventionieren, hin zu den Energiekonzernen. Gestern habt ihr ein Gesetz beschlossen, dass Übergewinne abgeschöpft werden. Dieses Geld gelangt dann wieder zurück in


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den Steuertopf, das Geld des Steuerzahlers wird im Kreis geschickt. Das wäre die von uns vorgeschlagene österreichische Lösung, aber darauf geht ihr nicht ein.

Was das Thema des Strompreises insgesamt betrifft, wäre die Strompreisbremse gar nicht notwendig, weil die sogenannte Grundversorgung im ElWOG fest­ge­schrieben ist. Dadurch ist jeder Energieerzeuger verpflichtet, dem Kunden Strom auf Basis des Grundversorgungstarifes zu liefern. Grundversorgungstarif heißt Durchschnittspreis aller Bestandskunden. In Kärnten haben wir das bei der Kelag durchgesetzt. Die sind mit dem Preis von vormals 70 Cent auf jetzt 13 Cent runtergegangen. Also die Differenz, Herr Professor, zwischen 10 und 40 Cent mal x ergibt 4 Milliarden Euro. Dieses Geld für die Strompreisbremse könnten wir uns sparen, könnten Sie dem Steuerzahler ersparen. Sie tun es nicht. Warum finanzieren Sie mit Steuergeld die Energiekonzerne?

Deshalb verlangen wir, dass die entsprechenden Grundversorgungstarife in Österreich durchgesetzt werden, und bringen dazu folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „gesetzeskonforme Grundversorgungstarife bei Energielieferanten in Österreich“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, die entsprechenden Maßnahmen zu setzen, um überprüfen zu lassen, ob die seitens der Strom- und Gashändler und sonstigen Lieferanten verlautbarten Tarife für die Grundversorgung der Höhe nach den Bestimmungen der §§ 77 EIWOG bzw. 124 GWG entsprechen.“

*****

Damit wäre die Strompreisbremse nicht notwendig und wir würden 4 Milliarden Euro Steuergeld sparen. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

12.44


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Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Erwin Angerer

und weiterer Abgeordneter

betreffend gesetzeskonforme Grundversorgungstarife bei Energielieferanten in Österreich

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 7: Bericht und Antrag des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Bundesgesetz, mit dem die Organisation auf dem Gebiet der Elektrizitätswirt­schaft neu geregelt wird (Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz 2010 – ElWOG 2010) geändert wird (1898 d.B.) in der 189. Sitzung des Nationalrats am 14. Dezember 2022

Die „Grundversorgung“ bei Energielieferanten ist im § 77 Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz (ElWOG) 2010 sowie den Bestimmungen in den jeweiligen Landesgesetzen für Strom bzw. im § 124 Gaswirtschaftsgesetz (GWG) 2011 für Gas geregelt.

Diese „Grundversorgung“ gibt es im Energiesektor für Strom und Gas, aber etwa nicht für Fernwärme. Und diese „Grundversorgung“ gilt für Haushalte und Kleinunter­nehmen (weniger als 50 Mitarbeiter, Jahresverbrauch kleiner als 100.000 kWh Strom bzw. Gas, Jahresbilanzsumme höchstens 10 Mio EUR). Anwendungstechnisch trifft das Gesetz aber eine wesentliche Unterscheidung zwischen Haushalten und Kleinunter­nehmen, da für -Haushaltskunden der Grundversorgungstarif nicht höher sein darf als jener Tarif, zu dem die größte Anzahl der Kunden versorgt wird und bei –Kleinunter­nehmen der Grundversorgungstarif nicht höher sein darf, als jener Tarif, der gegen­über vergleichbaren Kundengruppen Anwendung findet!

Die „Grundversorgung“ basiert auf einer EU-Gesetzgebung (Strombinnenmarkt­richt­linie bzw. Gasbinnenmarktrichtlinie), wobei die Strombinnenmarktrichtlinie explizit


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den Begriff „Grundversorgung“ verwendet (Artikel 27) und die Gasbinnenmarkt­richtlinie lediglich hervorhebt, dass die Mitgliedstaaten geeignete Maßnahmen zum Schutz der Endkunden ergreifen müssen (Artikel 3 Abs. 3).

Mit der „Grundversorgung“ determiniert der Gesetzgeber somit einen Kontrahie­rungszwang für die jeweiligen Strom- bzw. Gaslieferanten. Es kann sich somit jeder Haushalt bzw. Kleinunternehmer an einen beliebigen Versorger, der im zutref­fenden Versorgungsgebiet Endverbraucher beliefert, mit dem Ansuchen der „Grund­versor­gungsbelieferung“ wenden, und die betroffenen Lieferanten müssen dem auch nachkommen. Alle Energielieferanten bei Strom und Gas haben ihren Grundver­sorgungstarif in geeigneter Weise zu veröffentlichen. Die näheren Bestimmungen über die Belieferung zur Grundversorgung sind auch in den Allgemeinen Geschäfts-bedingungen jeweils anzuführen.

Auf der Internetseite der E-Control sind umfangreiche Informationen zur „Grundver­sorgung“ unter https://www.e-control.at/abschaltung verfügbar.

Nachfolgend die innerstaatlichen gesetzlichen Grundlagen für die „Grundversorgung“ bei Energielieferanten:

Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz (ElWOG) 2010:

§ 77. (Grundsatzbestimmung) (1) Stromhändler und sonstige Lieferanten, zu deren Tätigkeitsbereich die Versorgung von Haushaltskunden zählt, haben ihren Allge­meinen Tarif für die Grundversorgung von Haushaltskunden in geeigneter Weise (zB Internet) zu veröffentlichen. Sie sind verpflichtet, zu ihren geltenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen und zu diesem Tarif Verbraucher im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 2 KSchG und Kleinunternehmen, die sich ihnen gegenüber auf die Grundversorgung berufen, mit elektrischer Energie zu beliefern (Pflicht zur Grundversorgung). Die Ausführungsgesetze haben nähere Bestimmungen über die Verbraucher im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 2 KSchG für die Grundversorgung vorzusehen.

1.         (2) Der Allgemeine Tarif der Grundversorgung für Verbraucher im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 2 KSchG darf nicht höher sein als jener Tarif, zu dem die größte Anzahl


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ihrer Kunden, die Verbraucher im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 2 KSchG sind, versorgt werden. Der Allgemeine Tarif der Grundversorgung für Unternehmer im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 1 KSchG darf nicht höher sein als jener Tarif, der gegenüber vergleichbaren Kundengruppen Anwendung findet. Dem Verbraucher im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 2 KSchG der sich auf die Grundversorgung beruft, darf im Zusammenhang mit der Aufnahme der Belieferung keine Sicherheitsleistung oder Vorauszahlung abverlangt werden, welche die Höhe einer Teilbetragszahlung für einen Monat übersteigt.

2.         (3) Gerät der Verbraucher während sechs Monaten nicht in weiteren Zahlungsverzug, so ist ihm die Sicherheitsleistung rückzuerstatten und von einer Vorauszahlung abzusehen, solange nicht erneut ein Zahlungsverzug eintritt.

3.         (4) Bei Berufung von Verbrauchern im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 2 KSchG und Kleinunternehmen auf die Pflicht zur Grundversorgung sind Netzbetreiber, unbe­schadet bis zu diesem Zeitpunkt vorhandener Zahlungsrückstände, zur Netz­dienst­leistung verpflichtet. Verbrauchern darf im Zusammenhang mit dieser Netz­dienst­leistung keine Sicherheitsleistung oder Vorauszahlung abverlangt werden, welche die Höhe einer Teilbetragszahlung für einen Monat übersteigt. Abs. 3 gilt sinngemäß. Im Falle eines nach Berufung auf die Pflicht zur Grundversorgung erfolgenden erneuten Zahlungsverzuges, sind Netzbetreiber bis zur Bezahlung dieser ausstehenden Beträge zur physischen Trennung der Netzverbindung berechtigt, es sei denn der Kunde verpflichtet sich zur Vorausverrechnung mittels Prepaymentzahlung für künftige Netznutzung und Lieferung. § 82 Abs. 3 gilt im Falle des erneuten Zahlungsverzugs sinngemäß. Die Verpflichtung der Prepaymentzahlung besteht nicht für Kleinunter­nehmen mit einem Lastprofilzähler.

4.         (5) Eine im Rahmen der Grundversorgung eingerichtete Prepayment­funktion ist auf Kundenwunsch zu deaktivieren, wenn der Endverbraucher seine im Rahmen der Grundversorgung angefallenen Zahlungsrückstände beim Liefe­ranten und Netzbetreiber beglichen hat oder wenn ein sonstiges schuldbefreiendes Ereignis eingetreten ist.

Grundversorgung Gas im Gaswirtschaftsgesetz 2011


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§ 124.

(1) Erdgashändler und sonstige Versorger, zu deren Tätigkeitsbereich die Versorgung von Verbrauchern im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 2 KSchG zählt, haben ihren Allgemeinen Tarif für die Grundversorgung von Verbrauchern im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 2 KSchG in geeigneter Weise (zB Internet) zu veröffentlichen. Sie sind verpflichtet, zu ihren gel­tenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen und zu diesem Tarif Verbraucher im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 2 KSchG, und Kleinunternehmen, die sich ihnen gegenüber auf die Grundversorgung berufen, mit Erdgas zu beliefern (Pflicht zur Grundversorgung). Die Regulierungsbehörde ist ermächtigt, nähere Bestimmungen über die Zumutbar­keit einer Grundversorgung und über die Gestaltung der Tarife für Verbraucher im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 2 KSchG und Kleinunternehmen für die Grundversorgung durch Ver­ordnung festzulegen.

(2) Der Allgemeine Tarif der Grundversorgung für Verbraucher im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 2 KSchG darf nicht höher sein als jener Tarif, zu welchem die größte Anzahl ihrer Kunden, welche Verbraucher im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 2 KSchG sind, versorgt werden. Der Allgemeine Tarif der Grundversorgung für Kleinunternehmen darf nicht höher sein als jener Tarif, welcher gegenüber vergleichbaren Kundengruppen Anwen­dung findet. Dem Verbraucher im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 2 KSchG, der sich auf die Grundversorgung beruft, darf im Zusammenhang mit der Aufnahme der Belieferung keine Sicherheitsleistung oder Vorauszahlung abverlangt werden, welche die Höhe einer Teilbetragszahlung für einen Monat übersteigt.

(3) Gerät der Verbraucher während sechs Monaten nicht in weiteren Zahlungsverzug, so ist ihm die Sicherheitsleistung rückzuerstatten und von einer Vorauszahlung abzusehen, solange nicht erneut ein Zahlungsverzug eintritt.

(4) Bei Berufung von Verbrauchern im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 2 KSchG und Klein­unter­nehmen auf die Pflicht zur Grundversorgung sind Netzbetreiber, unbeschadet bis zu diesem Zeitpunkt vorhandener Zahlungsrückstände, zur Netzdienstleistung verpflichtet. Verbrauchern darf im Zusammenhang mit dieser Netzdienstleistung keine Sicherheitsleistung oder Vorauszahlung abverlangt werden, welche die Höhe


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einer Teilbetragszahlung für einen Monat übersteigt. Abs. 3 gilt sinngemäß. Im Falle eines nach Berufung auf die Pflicht zur Grundversorgung erfolgenden erneuten Zahlungsverzuges, sind Netzbetreiber bis zur Bezahlung dieser ausstehenden Beträge zur physischen Trennung der Netzverbindung berechtigt, es sei denn der Kunde verpflichtet sich zur Vorausverrechnung mittels Prepaymentzahlung für künftige Netznutzung und Lieferung. Der Netzbetreiber kann die Prepaymentzahlung ausschließlich aus sicherheitstechnischen Gründen ablehnen. § 127 Abs. 3 gilt im Falle des erneuten Zahlungsverzugs sinngemäß. Die Verpflichtung zur Prepayment­zahlung besteht nicht für Kleinunternehmen mit einem Lastprofilzähler.

(5) Eine im Rahmen der Grundversorgung eingerichtete Prepaymentfunktion ist auf Kundenwunsch zu deaktivieren, wenn der Endverbraucher seine im Rahmen der Grundversorgung angefallenen Zahlungsrückstände beim Versorger und Netzbetrei­ber beglichen hat oder wenn ein sonstiges schuldbefreiendes Ereignis eingetreten ist.

Von zentraler Bedeutung ist, dass die Tarife der Energiepreise, die die Strom- und Gashändler und sonstigen Lieferanten den Endkunden, dh. Haushalten und Kleinunternehmern, auch tatsächlich den Bestimmungen des § 77 Elektrizitäts-wirtschafts- und -organisationsgesetz (ElWOG) 2010 (ElWOG) bzw. § 124 Gaswirtschaftsgesetz (GWG) entsprechen. Deshalb muss die zuständige Bundes-ministerin dafür Sorge tragen, dass die zuständige Behörde überprüft, ob die sei­tens der Strom- und Gashändler und sonstigen Lieferanten verlautbarten Tarife für die Grundversorgung der Höhe nach den Bestimmungen des § 77 ElWOG  bzw, 124 GWG entsprechen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, die entsprechenden Maßnahmen zu setzen, um überprüfen zu lassen, ob die seitens der Strom- und Gashändler und sonstigen


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Lieferanten verlautbarten Tarife für die Grundversorgung der Höhe nach den Bestimmungen der §§ 77 ElWOG bzw. 124 GWG entsprechen.“

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher auch mit in Verhandlung.

Herr Abgeordneter Angerer, ich habe Ihnen keinen Ordnungsruf erteilt. Ich mache Sie aber darauf aufmerksam, dass wir im Hohen Haus doch einen respektvollen Umgang unter den Kolleginnen und Kollegen pflegen sollten. Und ganz ehrlich: Das, was Sie zur Abgeordneten Graf gesagt haben, könnte man schon als eine abwertende und frauenfeindliche Anrede bezeichnen. (Beifall bei ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS.) Deshalb ersuche ich Sie, das zurückzunehmen und so etwas nicht nochmals zu wiederholen.

Wir fahren jetzt in der Debatte fort. Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Martin Litschauer. – Bitte.


12.45.11

Abgeordneter Ing. Martin Litschauer (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ja, wo soll ich da anfangen, wenn Kollege Angerer hier mit solchen Aussagen durch den Plenarsaal reitet?

Kurz zur Erklärung: Eigentlich bin ich sehr froh, dass wir Minister Rauch hier sitzen haben. Er hat sich nämlich in seiner politischen Laufbahn schon sehr viel mit Umwelt und Energie beschäftigt und ist eine Bereicherung auf der Regie­rungsbank hier im Hohen Haus. Er kann auch sehr viel Expertise miteinbringen. Das hat er gerade bewiesen, und es wäre mir wirklich wichtig, wenn wir über die Fakten reden könnten. In der Rede von Kollegen Angerer war genau das nicht der Fall.

Ich würde Sie auffordern, wirklich zu den Fakten zurückzukehren und per­sönliche Beleidigungen einer Kollegin gegenüber zu unterlassen. Wir brauchen


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auch keine Kraftausdrücke oder sonstige Beschreibungen, die unter die Gürtellinie gehen. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.) Wenn Ihnen die Argumente ausgehen, kürzen Sie Ihre Redezeit! Reden wir lieber über die Fakten! Ihre 25 Euro haben Sie auch nicht erklären können. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Also zurück zu den Fakten. Ich war in den letzten Wochen viel unterwegs, habe auch mit Ökostromanbietern geredet und gefragt, wie das mit der Marktlage so ist und ob man da überhaupt noch Kunden aufnehmen kann. Das ist interessant. Sie sagen: Wir sind leider ausverkauft, Ökostrom in Öster­reich ist in sehr vielen Bereichen so ausverkauft, dass wir keine Kunden aufneh­men können! – Das zeigt uns, dass das ein richtiges Problem ist: Wenn sich Strom­anbieter vom Markt zurückziehen, sind plötzlich keine Stromanbieter mehr am Markt, die Kunden gerne aufnehmen. Das ist ein neues Phänomen, das gab es früher nicht.

Mit dem neuen Gesetz kümmern wir uns darum und sehen vor, dass, wenn Stromkund:innen keinen Anbieter finden, diese automatisch Anbietern zugeteilt werden, sodass eine Stromabschaltung von Haus aus verhindert werden kann.

Wir haben aber auch das System geändert, und wir passen auch das Erneuer­baren-Ausbau-Gesetz ständig an. Mit dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz wurde nämlich eine ganz große Systemänderung gemacht. Da steht als Ziel erstmalig in Österreich drinnen: 100 Prozent erneuerbarer Strom für Österreich.

Es ist schon klar, dass euch das nicht ganz gefällt, denn dieses Ziel zu verfolgen bedeutet, wir machen uns unabhängig vom Gas, wir machen uns unabhängig von Atomstromimporten und anderen, und genau das wird die Preise stabilisieren. Kollege Hammer hat es schon gesagt: Wir haben einen Rekordausbau bei der Fotovoltaik, wir haben einen Rekordausbau bei der Windenergie, und das ist notwendig. (Abg. Kassegger: Wie viel Prozent des Energiebedarfs deckt die Fotovol­taik ab, Herr Kollege?)


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Wir haben in Österreich auch ein sehr effizientes Stromnetz: Wir haben das zweiteffizienteste Stromnetz in Europa, hat uns die E-Control bescheinigt. Aber: Was haben uns deren Vertreter im Ausschuss noch gesagt? – Der Erneuerbaren-Ausbau wird das Stromnetz noch effizienter machen, damit werden sozusagen weniger Verluste produziert und auch die Stromkunden entlastet. Deswegen legen wir auch beim EAG den Turbo ein, damit der Ausbau der erneuerbaren Energien weitergeht. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Rauch: Keine Fakten, keine Tatsachen! – Abg. Kassegger: Märchen­erzähler! Das sind lauter Märchen, die Sie da erzählen!)

12.48


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Laurenz Pöttinger. – Bitte.


12.48.44

Abgeordneter Laurenz Pöttinger (ÖVP): Frau Präsidentin! Werte Herren Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Schon wie für 2022 werden wir auch für 2023 die Ökostrompauschale aussetzen. Damit entlasten wir Haushalte, End­kunden und auch Betriebe. Aufgrund der hohen Strompreise sind die Ver­braucher ohnehin sehr gefordert, und der Finanzierungsüberschuss erlaubt es, die Einhebung für ein weiteres Jahr auszusetzen. Die Mittel zur Bedeckung der Förderungen der erneuerbaren Energieformen sind laut Oemag ausreichend vorhanden.

Sehr geehrte Damen und Herren, darüber hinaus wird es zu einer Änderung im ElWOG kommen. Mit der Änderung des Elektrizitätswirtschafts- und -organisa­tionsgesetzes wird es zu einer Verpflichtung der Netzbetreiber kommen, die von einer Vertragskündigung betroffenen Endverbraucher mittels eingeschriebenem Brief explizit darauf hinzuweisen, rasch einen neuen Energieliefervertrag abzu­schließen und eine drohende Abschaltung abzuwenden.

Darüber hinaus soll es bei etwaiger Vertragslosigkeit eine Zuweisung durch die E-Control an einen Versorger geben, damit ein Zeitraum von bis zu drei Monaten


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den Übergang zu einem neuen Versorger sichert, um eine sichere und durchgängige Energieversorgung zu gewährleisten.

Um auch für das zweite Halbjahr eine Abfederung der erhöhten Netzkosten zu erreichen, bringe ich nun, aufbauend auf dem zuvor eingebrachten Abände­rungsantrag, folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Lukas Hammer, Tanja Graf, Alois Schroll, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Beschaffungskosten Netzverlustenergie“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie und der Bundesminister für Finanzen wird ersucht, unter Berücksichtigung des europäischen Rechts­rahmens bis 15. April 2023 eine systemische Lösung für das Problem steigender Netzverlustentgelte zu erarbeiten, die sicherstellt, dass die Mehrkosten für die Beschaffung der Netzverlustenergie auch im zweiten Halbjahr 2023 für Strom­kundinnen und Stromkunden deutlich verringert werden.“

*****

Ich bitte um Ihre Unterstützung. – Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

12.51

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Lukas Hammer, Tanja Graf, Alois Schroll

betreffend Beschaffungskosten Netzverlustenergie

eingebracht im Zuge der Debatte über den Bericht und Antrag des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem


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das Bundesgesetz, mit dem die Organisation auf dem Gebiet der Elektrizitätswirt­schaft neu geregelt wird (Elektrizitätswirtschafts- und organisationsgesetz 2010 – ElWOG 2010) geändert wird (1898 d.B.)

Begründung

Aufgrund des massiven Anstiegs der Großhandelspreise am Strommarkt sind auch die Kosten für die Beschaffung von Netzverlustenergie signifikant angestiegen (siehe dazu die Ausführungen der E-Control im Begutachtungsentwurf zur Systemnut­zungs­entgelte-Verordnung 2018 – Novelle 2023). Um die Auswirkungen dieses Preis­anstiegs abzufedern, soll unter Berücksichtigung des europarechtlichen Rahmens bis Mitte April 2023 eine systemische Lösung erarbeitet werden, die sicherstellt, dass die erhöhten Beschaffungskosten auch für das zweite Halbjahr 2023 abgefedert werden. Damit soll eine Belastung der Stromkundinnen und Stromkunden über Gebühr vermieden werden.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie und der Bundesminister für Finanzen wird ersucht, unter Berücksichtigung des europäischen Rechtsrahmens bis 15. April 2023 eine systemische Lösung für das Problem steigender Netzverlustentgelte zu erarbeiten, die sicherstellt, dass die Mehrkosten für die Beschaffung der Netzverlus­tenergie auch im zweiten Halbjahr 2023 für Stromkundinnen und Stromkunden deutlich verringert werden.“

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß einge­bracht und steht daher auch mit in Verhandlung.

Nächster Redner: Herr Abgeordneter Johann Höfinger. – Bitte.



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12.52.00

Abgeordneter Johann Höfinger (ÖVP): Geschätzte Frau Präsidentin! Herr Bun­desminister! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich jetzt bei diesem Themenblock auf den Erstredner zurückkommen, Kollegen Schroll von der SPÖ – der mir vielleicht kurz zuhören möge –, der diesen Redeblock begonnen hat und der in seinen Ausführungen, als er seine Rede begonnen hat, folgende Aussage getätigt hat:

Er hat gesagt, es gehe ja heute auch um das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz, das ja wieder einmal die Wirtschaft unterstütze. So weit, „so gut“, und – Originalzitat – „so schlecht“. – Herr Kollege Schroll, diese Aussage disqualifiziert sich von selbst. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wenn es um die Wirtschaft geht, wenn es um die Landwirtschaft geht, so gering­schätzig über diese Bereiche zu reden, über diese Menschen, die hart arbeiten, die hohes Risiko auf sich nehmen, die einen großen finanziellen Einsatz leisten, wenn es darum geht, auch die Energieversorgung in diesem Land zu sichern, dann verstehe ich diese Wirtschaftsfeindlichkeit nicht, die Sie hier ständig an den Tag legen. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Lukas Hammer.)

Wenn wir nämlich vom Umbau der Energieversorgung reden, dann müssen wir wissen, dass wir in Österreich einen großen Vorteil haben, weil wir viele verschiedene Formen erneuerbarer Energien haben, die wir umsetzen müssen.

Ja, viele private Haushalte haben Fotovoltaikanlagen errichtet und so weiter, und das hilft uns beim Umbau, wir wissen aber genau, dass wir auch mittlere Anlagen brauchen, dass wir auch große Anlagen brauchen, und da sind es Unter­nehmer und Landwirte, die ein hohes finanzielles Risiko eingehen, die großes unternehmerisches Risiko eingehen, wenn sie in eine solche Anlage investieren, denn auch eine Kleinanlage kostet immens viel Geld und es besteht noch immer die Gefahr, dass sich diese im Laufe der Zeit nicht rechnet – ich denke da an die Biogasbetreiber, die Pionierarbeit geleistet haben, wenn es darum gegan­gen ist, diese Energiequelle auch wirklich zu etablieren.


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Daher bedarf es unserer Unterstützung jener, die eine hervorragende Leistung erbringen, wenn es um den Umbau geht, und wir brauchen diesen Umbau. Es wurde mit vielen Argumenten heute schon vorgebracht: Es sinkt die Abhängig­keit, es bleibt die Wertschöpfung im Land und vieles, vieles mehr, und mit dem Ausbaugesetz betreffend erneuerbare Energie machen wir einen großen Schritt sowohl in die Kundenfreundlichkeit als auch in die Unterstützung der Unter­nehmen, die in diese Anlagen investieren.

Es wurde erwähnt: Die Ökostrompauschale wird weiter ausgesetzt, das kommt direkt den Kundinnen und Kunden zugute, aber auch, wenn jemand in eine neue Anlage investiert, bekommt er Unterstützung. Bei den Ökostromanlagen werden wir auch die Schwellenwerte herabsetzen, es wird die Berichtspflicht der Gas­an­lagenbetreiber verkürzt, aber auch die Wartefrist, wenn es um den Betrieb von Fotovoltaikanlagen geht: Diese wird generell, auch für die Agrarfotovoltaik­anlagen, auf 18 Monate verkürzt. Das alles soll helfen, den Umbau rascher erfol­gen zu lassen, damit wir wie gesagt auch in diesem Bereich rascher voran­kom­men.

Vielen herzlichen Dank all jenen, die mitgearbeitet haben, dass wir dieses Paket heute verabschieden können, vielen Dank auch an die anderen Fraktionen für die Zustimmung zu den einzelnen Sektoren.

Ich kann Sie nur einladen, dem gesamten Paket Ihre Unterstützung zu geben. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Abg. Michael Hammer: Bravo!)

12.55


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Damit ist diese Debatte geschlossen.

Wird seitens der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.


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Wie vereinbart verlege ich die Abstimmungen an den Schluss der Verhandlungen über die Vorlagen des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie, und wir fahren in der Tagesordnung fort.

12.55.528. Punkt

Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über den Tätig­keitsbericht der Bundeswettbewerbsbehörde für das Jahr 2021, vorgelegt vom Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft (III-803/1893 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen zum 8. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Ich begrüße zu diesem Tagesordnungspunkt auch Herrn Bundesminister Martin Kocher im Hohen Haus und erteile als erstem Debattenredner Herrn Abgeord­neten Andreas Kühberger das Wort. – Bitte.


12.56.28

Abgeordneter Andreas Kühberger (ÖVP): Frau Präsidentin! Meine geschätzten Herren Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Österreicherin­nen und Österreicher! Gemäß § 2 Abs. 4 des Wettbewerbsgesetzes ist die Bundeswettbewerbsbehörde verpflichtet, jährlich einen Tätigkeitsbericht vorzu­legen, und heute wird der Tätigkeitsbericht für das Jahr 2021 vorgelegt.

Zu den Aufgaben der Bundeswettbewerbsbehörde: Sie ist ganz wichtig, sie stellt quasi den fairen Wettbewerb hier in Österreich sicher, und wenn es irgend­welche Wettbewerbsverzerrungen gibt, schaut sie, dass diese beseitigt werden, aber sie kontrolliert natürlich auch, wenn sich Unternehmen zusammen­schließen, und wichtig sind auch Prävention und Information.

Meine Damen und Herren, wir haben ja heute viel gehört auch zu den Proble­men betreffend Energie und auch Kostensteigerung, und ich möchte da kurz etwas ansprechen. Wir leben hier ja in einer freien Marktwirtschaft und wir brauchen Regeln – diese werden quasi von der Bundeswettbewerbsbehörde überprüft –,


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damit der Wettbewerb funktioniert. Schauen wir aber in andere Länder, zum Beispiel nach Ungarn, die jetzt eigentlich die Planwirtschaft leben – ich denke da vor allem an den Spritpreisdeckel, den die Freiheitliche Partei, aber auch die SPÖ gefordert haben –, liebe Kolleginnen und Kollegen, schauen Sie bitte einmal, was dort passiert! (Ruf bei der SPÖ: Geh, gar nichts ist passiert!) Dort herrscht das Chaos! Tausende Autos stehen bei Tankstellen. Es gibt teilweise nur eine Abgabe von 2, 3 Litern, man fährt in Nachbarländer. (Ruf bei der SPÖ: Billig tanken können Sie!) – Ja, Herr Kollege Lercher, Sie sind nachher ohnehin dran. Sie nicken da. Ich bin schon gespannt: Hätten Sie diese Zustände bei uns auch haben wollen? Das glaube ich nicht, oder?

Aber jetzt komme ich zum Punkt, meine Damen und Herren: Wir haben sehr viele Maßnahmen umgesetzt, und gestern, wenn Sie sich erinnern, haben wir vor allem die Zufallsgewinnbesteuerung beschlossen, mit der wir dann auch viele Maßnahmen finanzieren können. Die Zufallsgewinnbesteuerung sei hier noch einmal kurz erklärt: Es ist ja so, dass wir in Österreich einige Krisengewinner haben – einige wenige –, die große Gewinne erzielen, und mit dieser können wir die jetzt abschöpfen und Maßnahmen finanzieren, die nachhaltig sind, die nachhaltig sind für die Versorgungssicherheit, aber auch für die Leistbarkeit.

Wir haben schon viele Maßnahmen umgesetzt: Ich denke da an den Energie­kostenzuschuss, an den Klima- und Teuerungsbonus, an die Pendlerpauschale – 50 Prozent Erhöhung –, an die Vervierfachung des Pendlerbonus, die Abschaf­fung der kalten Progression – ich könnte jetzt wahrscheinlich noch einige Zeit über die gesetzten Maßnahmen reden. Wir haben sehr viel getan, und das ist auch sehr wichtig, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Übrigens, liebe SPÖ: In Deutschland ist es auch nicht viel besser. Dort haben sie über 30 Milliarden Euro hineingebuttert, und zwei Tage war der Sprit ein bisschen billiger, und dann sind die Nachbarn auch wieder nach Oberösterreich zum Beispiel – das werden Sie draußen hören – tanken gefahren, weil es dort billiger war. Das ist verpufft, und dort gibt es einen roten Kanzler. (Präsident Hofer übernimmt den Vorsitz.)


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Bei uns ist das anders! Und warum komme ich jetzt auf das? – Weil genau die Bundeswettbewerbsbehörde im März dieses Jahres hier auch die Spritkosten überprüft hat. Meine Damen und Herren, ja, die sind sehr stark gestiegen. Das haben alle gespürt: die Konsumentinnen und Konsumenten, die Betriebe. Diese Branche ist also überprüft worden, und es ist keine Kartellierung festgestellt worden. Was man aber gesehen hat: Die Margen sind sehr stark gestiegen, vor allem für die Raffinerien und teilweise auch für die Tankstellen. Darum, glaube ich, ist diese Abschöpfung sehr wichtig.

Jetzt noch kurz zum Tätigkeitsbericht: Ja, der ist sehr umfangreich. Das Jahr 2021 war durch Corona gekennzeichnet, aber trotzdem hat es in dieser Zeit sehr viele Aktivitäten von der BWB gegeben, zum Beispiel 21 Hausdurch­suchungen, über 25 Millionen Euro an Geldbußen wurden verhängt, dann hat es 78 Whistleblowermeldungen gegeben. Daran sieht man, das ist auch sehr gut angenommen worden. 2018 ist das eingeführt worden, und 2021 gab es laut Bericht eigentlich einen Rekordwert. Von diesen 78 Meldungen werden 27 noch intensiv geprüft, sieben Ermittlungen wurden eingeleitet, zwei wurden schon an zuständige Behörden übermittelt.

Wie ich vorhin gesagt habe, hat es diese Überprüfungen von Zusammen­schlüssen natürlich auch gegeben. National waren es über 653 Überprüfungen und im EU-Zusammenspiel waren es 452.

Meine Damen und Herren, die Bundeswettbewerbsbehörde ist eigentlich international sehr gut aufgestellt – das sieht man auch im Bericht –, und auch die Finanzierung ist sehr positiv. Wir haben ja auch das Budget erhöht. Dieser Tätigkeitsbericht zeigt auch auf, wie wichtig diese Einrichtung für eine funktio­nierende Marktwirtschaft und vor allem für einen fairen Wettbewerb ist. Das, glaube ich, ist für die Menschen in unserem Österreich sehr wichtig. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

13.01



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Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Abgeordneter Maximilian Lercher. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.02.00

Abgeordneter Maximilian Lercher (SPÖ): Geschätzter Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ja, Kollege Kühberger, du hast recht: Die Bundeswettbewerbsbehörde ist eine unglaublich wichtige Einrichtung, weil sie gerade in der Krise zeigt, wo der Markt nicht funktioniert. (Zwischenruf des Abg. Stocker.) Die Frage ist nur: Was tut man damit? Was ist die politische Ableitung, wenn uns die Bundeswettbewerbs­be­hörde zeigt, dass es nicht funktioniert? – Da passiert nämlich nichts. Die ÖVP ist nicht bereit, dort in den Markt einzugreifen, wo er für die vielen versagt. Das ist das Problem. Das zeigt uns die Bundeswettbewerbsbehörde auf, und deswegen ist sie so unglaublich wichtig.

Ich sage Ihnen ganz ehrlich, Sie haben es auch angesprochen (Abg. Kühberger: Was ist mit Ungarn?), bei den Raffinerien war der Punkt, dass unglaubliche Margen verlangt wurden, aber die Politik hat nicht unterbunden, dass diese Margen auf Kosten der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler gemacht werden (Abg. Kühberger: Was ist mit Ungarn?) – und das ist nicht unser Verständnis von Markt. Dort muss Politik eingreifen, wo der Markt versagt, und der versagt heutzutage angesichts dieser Krise immer öfter. Die Bundeswettbewerbs­be­hörde ist genau deswegen zu stärken.

Ich komme zum Punkt, Herr Minister: Wenn wir dann lesen, dass die Bundes­wettbewerbsbehörde, die im Moment eine hervorragende Chefin hat, so glaube ich, jetzt mit einem Parteigünstling besetzt werden soll, dann ist das für die politische Kultur in Österreich alles andere als gut, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.) Dann sind Sie – die Sie das auch immer betonen – als unabhängiger Minister gefordert, da darauf zu achten, dass Qualität vor Parteibuch geht, Herr Minister. (Abg. Hanger – erhei­tert –: Das sagt ein Roter! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)


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Ich sage Ihnen ganz ehrlich – da können wir alle darüber diskutieren, meine sehr verehrten Damen und Herren der ÖVP –, auch wir haben in der Vergangenheit Fehler gemacht. Die Frage ist: Was lernt man aus Fehlern? – Ihr lernt nämlich nichts (Zwischenrufe bei der ÖVP), ihr redet gern von der politischen Kultur, aber ihr ändert nichts daran. (Abg. Hanger: Red einmal mit deinen Wiener Kollegen! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ihr redet gerne von der politischen Kultur hier in Österreich, aber wer hat denn die geschaffen? – Die ÖVP. (Rufe bei der ÖVP: Ja, ja!)

Ihr habt die strukturellen Probleme und redet nicht darüber. Eure Taktik ist, alle anderen auch mit Dreck zu bewerfen, damit nur ja etwas hängen bleibt. (Abg. Ottenschläger: Das macht schon ihr! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Aber so sind wir nicht! Der Punkt ist der: Wenn die ÖVP Demokratie erhalten will, wenn die ÖVP Wert auf Demokratie legt, dann müsst ihr euch ändern, damit die Menschen wieder mehr Vertrauen haben. (Abg. Ottenschläger: Also wer schmeißt da mit Dreck herum? – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Nehmt deswegen bitte Abstand von irgendwelchen parteipolitischen Besetzungen (Abg. Hanger: Red einmal mit deinen Kollegen!) und achtet darauf, dass diese Behörde, die so wichtig für unser Land ist, weiterhin funktionieren kann! – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Loacker. – Zwischenruf bei der ÖVP.)

13.05


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Erwin Angerer. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.05.05

Abgeordneter Erwin Angerer (FPÖ): Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren! Ja, es war authentisch, was Kollege Max Lercher jetzt so von sich gegeben hat, was das Parteibuch betrifft. Wir Kärntner können ein Lied davon singen, dass das rote Parteibuch in Kärnten über Jahrzehnte über allem gestanden ist. (Abg. Krainer: Das kann ja nicht sein, wir waren ja über Jahre nicht an der Regierung!) Wir sind auch wieder auf dem besten


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Weg in die rote Parteibuchwirtschaft im Kärntnerland – leider, leider! (Beifall bei der FPÖ.)

Aber jetzt zum Thema der Bundeswettbewerbsbehörde: Herr Minister, Sie beto­nen ja immer Ihre Nichtmitgliedschaft bei der ÖVP. Andere haben ihre Mit­gliedschaft zurückgegeben oder sind mittlerweile ausgeschlossen worden. Die Bundeswettbewerbsbehörde – und auch in dem Punkt stimme ich mit Max Lercher überein – ist eine ganz wichtige Behörde und ist vor allem in Zeiten wie diesen eine ganz wichtige Behörde. Wir müssen uns auch noch an das letzte Jahr erinnern – und damals haben wir es Gott sei Dank geschafft, das zu verhindern –, als Herr Kollege Wöginger mit der ÖVP die Bundeswettbewerbsbehörde an die kurze Leine nehmen und eine Berichtspflicht an das Wirtschaftsministerium einführen wollte, sodass die Wettbewerbsbehörde die Wirtschaftsministerin oder den Wirtschaftsminister vielleicht hätte informieren müssen, bevor irgend­wo Hausdurchsuchungen, die oft einmal leider notwendig sind, da man den Markt beobachtet und sich den Markt anschaut, stattfinden.

Es gibt ja genug Schlagzeilen über Branchen, wo die Wettbewerbsbehörde schon zugeschlagen hat, sage ich jetzt einmal. Ob es der Baubereich mit Kartell­absprachen war, ob es jetzt aktuell im Pelletsbereich ist, ob es bei Kraft­stoffen ist, ob es in der Lebensmittelbranche ist, ob es im Strommarkt ist: Die Wettbewerbsbehörde beobachtet das gerade Gott sei Dank sehr genau und schreitet auch ein, wenn es notwendig ist. Deshalb ist diese Unabhängigkeit und vor allem das Funktionieren dieser Wettbewerbsbehörde so wichtig.

Da sollte man – Herr Minister, jetzt der Appell an Sie – eben diesen Partei­buchwirtschaftskrieg, sage ich jetzt einmal, zwischen Grün und Schwarz beenden. Sie sind unabhängiger Minister, Sie sind bei keiner Partei, Sie sind niemandem verantwortlich, also nur sich selbst und dem österreichischen Volk. Beenden Sie also den Streit mit der Besetzung dieser Stelle! Frau Natalie Harsdorf-Borsch, die jetzt seit fast zwei Jahren dort im Einsatz ist und Herrn Thanner nachgefolgt ist, ist eine perfekte Besetzung, hat auch die perfekten Voraussetzungen, macht das schon seit zwei Jahren gut. Sie könnten diesen


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Streit beenden. In diesem Sinne: Machen Sie sich bitte für eine unabhängige Wettbewerbsbehörde stark, Herr Minister! – Danke. (Beifall bei der FPÖ. – Zwi­schenruf bei der ÖVP.)

13.07


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Dr.in Elisabeth Götze. – Bitte, Frau Abgeordnete.


13.07.56

Abgeordnete Dr. Elisabeth Götze (Grüne): Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Herren Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Wir sind uns einig, Wettbewerb ist wichtig für uns im Land, für die Konsumentinnen und Konsumenten, weil ein fairer Wettbewerb faire Preise garantiert. Auch für die Unternehmer ist ein fairer Wettbewerb wichtig, weil sonst die im Vorteil sind, die Absprachen treffen. Deswegen gibt es die Bundeswettbewerbsbehörde. Sie wurde übrigens vor 20 Jahren gegründet, also wir feiern 20 Jahre BWB.

Wir diskutieren heute deren Tätigkeitsbericht. Ich möchte kurz dazu sagen: Es wurden über 1 000 Fusionen, also Zusammenschlüsse von Unternehmern, geprüft. Es wurde im vergangenen Jahr auch eine Untersuchung zur Arznei­mittelversorgung gemacht. Das ist ein Riesenthema, gerade während der Coronapandemie. Wenig erfreulich ist, dass sich die Arzneimittelknappheit in Europa sehr verstärkt hat. Das ist also ein Grund, weshalb wir bei Arznei­mitteln sorgfältiger sein müssen. Das haben wir ja im vorherigen Tages­ordnungspunkt diskutiert, ich möchte daher jetzt nicht mehr darauf eingehen.

Die BWB gibt immer wieder Empfehlungen ab, beispielsweise fordert sie im Rahmen einer Branchenuntersuchung zur E-Ladeinfrastruktur, dass die Tarife transparent bei den Elektrotankstellen ausgewiesen werden. Das ist auch etwas, was kommen wird.


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Betreffend Baukartell: Das ist ein noch immer aktueller Fall. Er ist schon seit 2017 anhängig und zeigt, wie wirksam die BWB agiert. Sie hat massive Strafen wegen eines Baukartells in Österreich verhängt. Beispielsweise hat Porr 62 Millionen Euro Strafe zu zahlen gehabt, aber auch Strabag, Swietelsky und einige mehr sind in Diskussion beziehungsweise müssen Strafen zahlen. Übrigens, das Budget zahlt ins allgemeine Budget ein und kommt damit wieder der Bevölkerung zugute. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es gab auch weniger spektakuläre Untersuchungen wie zum Beispiel eine Preisbindung – oder ein Preiskartell, kann man sagen – bei Schultaschen. Wenn Sie sich beim Schultaschenkauf gewundert haben, warum diese so teuer waren, dann kann es auch daran gelegen sein. Ich habe kürzlich mit einem Cafetier gesprochen, der sich beklagt hat, dass Zucker so teuer geworden ist, und ich habe ihn darauf hingewiesen: Auch da gab es ein Kartell, das die BWB unter anderem untersucht und aufgedeckt hat.

Also: Sehr wertvolle Arbeit, aber trotzdem zu wenig Budget für die BWB, und ich freue mich sehr, dass es gelungen ist, das zu ändern. Zu wenig Budget heißt, das Regelbudget der BWB war sehr niedrig, sie konnte damit gerade ihre Perso­nalkosten decken. Der Rest, also Infrastruktur et cetera bis zu IT, musste immer wieder durch ein Zusatzbudget abgedeckt werden, das über Antrag vom Finanzminister genehmigt wurde. Antrag deswegen: Damit konnte die BWB einen Teil dieser Pönalen, die sie verhängt hat, wieder zurückbekommen. Das ist nicht sehr effizient, und daher freue ich mich, dass das Budget im kom­menden Jahr wirklich massiv aufgestockt wurde. Ich nenne die Zahl von 3,36 Millionen Euro – um 2,4 Millionen erhöht. Das ist wirklich substanziell, danke auch dafür! (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Ottenschläger.)

Zur Bestellung eines neuen Generaldirektors, einer neuen Generaldirektorin möchte ich nur kurz sagen: Es ist auch ein guter Zeitpunkt, Dr. Thanner Danke zu sagen, der – jetzt muss ich nachrechnen –, ich glaube, 14 oder 15 Jahre an


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der Spitze der BWB stand und großartige Arbeit geleistet hat. Das hat, glaube ich, auch dieser Tätigkeitsbericht gezeigt.

Seine interimistische Nachfolgerin ist Frau Dr.in Harsdorf-Borsch. Sie ist auch international anerkannt – sie hat für ihre großartige Arbeit auch Preise gewonnen –, und im Ausschuss hat Kollege Angerer gesagt: Es wäre doch gut, eine unpolitische Entscheidung zu treffen und einfach die interimistische Leiterin zur Generaldirektorin zu bestellen! – In diesem Fall stimme ich Ihnen sogar einmal zu. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.12


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Mag. Gerald Loacker. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.13.05

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrte Herren Minister! Ja, dieser Bericht der Bundeswettbewerbsbehörde wird heute auf Verlangen unserer Fraktion diskutiert, und es ist schon dargelegt worden: Die Wettbewerbsbehörde leistet einen wichtigen Beitrag zu einer funktionie­ren­den Marktwirtschaft, zu fairen Marktbedingungen für alle Marktteilnehmer. Eine funktionierende Behörde braucht aber auch eine klare Leitung, und diese Klarheit über die Leitung fehlt seit Langem.

Offensichtlich ist die Arbeit, die die BWB erbringt, eine gute, sonst würde man nicht das Budget erhöhen. Für die Arbeit der BWB ist seit eineinhalb Jahren Frau Harsdorf-Borsch als interimistische Leiterin verantwortlich, und sie hat sich auf die Stelle der Generaldirektorin beworben. Die Bestellungskommission wird allerdings von einem persönlichen Freund eines Kandidaten aus dem ÖVP-Lager präsidiert. Dieser persönliche Freund sagt, er könne Freundschaft und Geschäft auseinanderhalten, und sieht sich nicht befangen. Das ist ein eigenartiges Verständnis von Befangenheit. Die Personalvertretung hat – welch Zufall! – die Gattin des ÖVP-Kandidaten in die Bestellungskommission entsandt – das war


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dann sogar der ÖVP zu viel des Guten –, diese hat dann gesagt: Ich bin befan­gen!, und ist wieder ausgeschieden.

Jetzt hängen die Kandidaten da in diesem Verfahren, und der Herr Minister hat bei einem deutschen Experten ein Gutachten über die Bewerbungen in Auftrag gegeben. Das Gutachten, geschätzte Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, dürfen Sie bezahlen, aber Sie sehen es nicht. Wir sehen es auch nicht. Warum wird dieses Gutachten geheim gehalten? Ist vielleicht nicht das herausgekommen, was hätte herauskommen sollen? (Beifall bei den NEOS.) Ist vielleicht herausge­kommen, dass Frau Harsdorf-Borsch das ganz gut macht und mindestens so qualifiziert wie ihr Mitbewerber ist, der nämlich aus dem Vergaberecht und nicht aus dem Kartell- und Wettbewerbsrecht kommt?

Nun, jetzt sind vier von fünf Parteien der Meinung, es wäre eine klare Sache, dass Frau Harsdorf-Borsch das macht. Es gibt aber eine Partei, die die Partei­interessen in den Vordergrund stellt, um eine Kandidatin auszubooten, damit es einer von den eigenen wird. – Das ist Politik im ganz, ganz, ganz alten Stil (Beifall bei den NEOS) und ich habe große Sorge, dass die ÖVP aus den Chats und aus den Jobschiebereien der letzten Jahre nichts gelernt hat. (Beifall bei den NEOS. – Zwischenruf der Abg. Doppelbauer.)

13.15


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet hat sich nun Herr Bundes­minister Dr. Martin Kocher. – Bitte schön, Herr Bundesminister.


13.16.00

Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft Mag. Dr. Martin Kocher: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Hohes Haus! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Es freut mich sehr, dass alle Rednerinnen und Redner die Wichtigkeit der Bundeswettbewerbsbehörde betont haben. Ich halte sie gerade in Zeiten von Teuerung und geopolitischen Herausforderungen für eine ganz wichtige Institution in Österreich, die fairen Wettbewerb herstellt,


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Marktmacht auch zum Vorschein bringt, Fusionen kontrolliert und damit insge­samt die Wirtschaft stärker macht, vor allem aber natürlich auch Konsu­men­tinnen und Konsumenten vor Wettbewerbsmangel schützt. Ich glaube, es ist ganz wichtig, das dazuzusagen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ich möchte die Gelegenheit nutzen – das haben auch einige gemacht –, mich auch persönlich bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Wettbe­werbsbehörde zu bedanken. Sie haben keine einfache Aufgabe. Es gibt dort 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die zu 80 Prozent Akademike­rinnen und Akademiker sind, die ein relativ breites Aufgabenspektrum abzu­decken haben und natürlich auch mit Wettbewerbsbehörden in anderen Ländern kooperieren müssen.

Glücklicherweise, darüber bin ich auch sehr froh, werden sie im nächsten Jahr eine Aufstockung ihres Budgets um 2,4 Millionen Euro erfahren – im Regelbudget, es gibt auch noch das Budget aus den Strafen heraus – und damit ihre Aufgaben, die angesichts verschiedener Änderungen im Kartellrecht auch nicht weniger werden, gut erfüllen können. Es gab ein Kartell- und Wett­bewerbsrechts-Änderungsgesetz 2021, und es gibt auch auf europäischer Ebene immer wieder Änderungen, die wichtig sind, um eben am Puls der Zeit zu bleiben, was ich ja für sehr wichtig halte. 2021 wurde die explizite Berücksichti­gung der Nachhaltigkeit eingeführt und auch die völlige Unabhängigkeit der Vollziehung für die Bundeswettbewerbsbehörde gesichert – zwei Dinge, die sehr, sehr wichtig sind.

Auf europäischer Ebene gibt es im Rahmen des Wettbewerbsrates auch immer wieder Diskussionen über die Modernisierung des europäischen Wettbewerbs­rechts. Da geht es auch um die langfristige Sicherung der Wettbewerbs­fähigkeit Europas. Das wird in nächster Zeit angesichts der Entwicklungen noch viel wich­tiger sein.


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Ich appelliere nochmals an alle Parteien – ich habe das auch schon im Ausschuss gemacht –, angesichts der Besetzung der Leitung dieser Behörde von tages­politischen und parteipolitischen Diskussionen Abstand zu nehmen. Die Wettbe­werbsbehörde ist eine zu wichtige Behörde, um das auf diese Ebene zu ziehen. Ich werde mich weiter für eine gute Besetzung einsetzen und weiter alles tun, dass die Wettbewerbsbehörde ihren Aufgaben nachkommen kann. Sie tut das voll funktionsfähig. Es gibt so viele Berichte wie schon lange nicht mehr, einige wurden ja genannt – Marktprüfungen –, und ich glaube, es ist in unser aller Inter­esse, dass die Bundeswettbewerbsbehörde ungestört und gut arbeiten kann. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

13.19


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wie vereinbart verlege ich die Abstimmungen an den Schluss der Abstimmungen über die Vorlagen des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie.

13.19.22Abstimmung über die Tagesordnungspunkte 3 bis 8


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir kommen nun zu den verlegten Abstimmungen über die Tagesordnungspunkte 3 bis 8, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.

Wünschen die Klubs eine Unterbrechung? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Graf, Hammer, Kolleginnen und Kollegen, den Antrag 2979/A der Abgeordneten Litschauer, Graf, Kolleginnen und Kollegen – TOP 5 – an den Ausschuss für Wirtschaft, Industrie und Energie rückzuverweisen.


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Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Antrag zustimmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen. Damit entfällt jetzt die Abstimmung über die Vorlage selbst.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 3: Entwurf betreffend Investitionskontrollgesetz, samt Titel und Eingang in 1894 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung ange­nom­men.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 4: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bilanzbuchhaltungsgesetz und das Wirt­schaftstreuhandberufsgesetz geändert werden, samt Titel und Eingang in 1895 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist einstimmig. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung ange­nom­men.

Da der Rückverweisungsantrag zu TOP 5 vorhin angenommen wurde, entfällt die Abstimmung dazu.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll189. Sitzung, 189. Sitzung des Nationalrats vom 14. Dezember 2022 / Seite 190

Wir gelangen nun zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 6: Entwurf betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz geändert wird, samt Titel und Eingang in 1897 der Beilagen.

Da der vorliegende Gesetzentwurf Verfassungsbestimmungen enthält, stelle ich zunächst im Sinne des § 82 Abs. 2 Z 1 der Geschäftsordnung die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der verfassungsmäßig vorgesehenen Anzahl der Abgeordneten fest.

Ich bitte nunmehr jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf zustimmen, um ein bejahendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Auch das ist einstimmig. Der Gesetzentwurf ist somit angenommen. Ich stelle ausdrück­­lich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 7: Entwurf betref­fend Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz, in 1898 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Tanja Graf, Lukas Hammer, Alois Schroll, Kolleginnen und Kollegen einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde daher zunächst über die vom erwähnten Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Da sowohl der vorliegende Gesetzentwurf als auch der erwähnte Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag Verfassungsbestimmungen enthalten, stelle ich zunächst im Sinne des § 82 Abs. 2 Z 1 der Geschäftsordnung die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der verfassungsmäßig vorgesehenen Anzahl der Abgeordneten fest.


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Die Abgeordneten Tanja Graf, Lukas Hammer, Alois Schroll, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag betreffend Einfügung einer neuen Ziffer 1 und Umnummerierung der bisherigen Ziffer 1 sowie Einfügung der Ziffern 1b, 1c und 3 bis 5 eingebracht.

Wer hiefür ist, den ersuche ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mehrheitlich angenommen. Ich stelle ausdrücklich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abge­stimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes.

Wer dafür ist, den ersuche ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mehrheitlich angenommen. Auch da stelle ich ausdrücklich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen. Ausdrücklich stelle ich wiederum die verfassungs­mäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „gesetzes­konforme Grundversorgungstarife bei Energielieferanten in Österreich“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Lukas Hammer, Tanja Graf, Alois Schroll, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Beschaffungskosten Netzverlustenergie“.


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Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit, der Antrag ist angenommen. (283/E)

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 8: Antrag des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie, den Tätigkeitsbericht der Bundeswettbewerbsbehörde für das Jahr 2021, vorgelegt vom Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft, III-803 der Beilagen, zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für dessen Kenntnisnahme eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

13.25.309. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 2997/A der Abgeordneten August Wöginger, Mag. Markus Koza, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Nachtschwerarbeitsgesetz und Art. V des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 473/1992 geändert werden (1821 d.B.)

10. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 2717/A der Abgeordneten August Wöginger, Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundespflegegeldgesetz geändert wird (1824 d.B.)

11. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 2424/A(E) der Abgeordneten Mag. Christian Drobits, Kolleginnen und Kollegen betreffend Pflege und Betreuung ist Schwer(st)arbeit (1830 d.B.)

12. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 1792/A(E) der Abgeordneten Fiona Fiedler, BEd, Kolleginnen und Kollegen betreffend


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Automatische Fotoimplementierung bei Beantragung eines Behindertenpasses aus nationalen Datenbanken (1831 d.B.)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen nun zu den Punkten 9 bis 12 der Tagesordnung, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Josef Muchitsch. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.26.50

Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir diskutieren nun die Tagesordnungspunkte 9 bis 12 mit den Themen Pflege, Schwerarbeit und Sonderbetreuungszeit.

Ich möchte zum Bereich Pflege Stellung nehmen. Die Regierung hat am 12. Mai 2022 die größte Pflegereform der vergangenen Jahrzehnte verkündet. Das (ein Schriftstück in die Höhe haltend) war damals, am 12. Mai, die Medieninformation. Ziel war es, mit dieser angekündigten Reform eine Aufwertung und Anerken­nung der Beschäftigten in den Pflege- und Gesundheitsberufen zu erwirken. Durch höhere Gehälter sollten endlich auch mehr Menschen ermutigt werden, diesen fordernden Beruf zu ergreifen. Andererseits gab es auch das Ziel, eine Anerkennung der Leistung der pflegenden Angehörigen, ohne die unser Pflege­system schon längst zusammengebrochen wäre, zum Ausdruck zu bringen.

Der Gesundheitsminister stellte damals einen durchschnittlichen Bonus in der Höhe eines Monatsgehalts in Aussicht, mit der Ergänzung: Es soll einen spür­baren Nettoeffekt haben. Insgesamt 1 Milliarde Euro wurde für diese Pflegere­form angekündigt. Nicht nur, dass diese Maßnahme für lediglich zwei Jahre gesichert ist – niemand weiß, was danach passiert, was auch ein Etiketten­schwindel ist –, diese 1 Milliarde Euro kommt nicht bei den in der Pflege tätigen Menschen an. Ich werde Ihnen sagen, warum diese Milliarde nicht ankommt.


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Sieben Monate später steht nun fest, was die Beschäftigten und Angehörigen des Pflegebereichs dieser Regierung tatsächlich wert sind. Beginnen wir mit den Beschäftigten in den Pflege- und Gesundheitsberufen: 2 000 Euro brutto, von denen den Empfängern die Arbeitgeberabgaben abgezogen werden. Wir haben sehr viele kritische Mails bekommen – Sie von den Regierungsparteien sicher auch (Abg. Loacker: Da sind vielleicht die Abgaben zu hoch!) – mit Lohnzetteln, Gehaltszetteln, die die Menschen uns schicken, die zeigen, was jetzt tatsächlich netto herauskommt. Zwischen 720 Euro und 1 200 Euro netto bleiben übrig. Von den 520 Millionen Euro, die Sie angekündigt haben, fließt also fast die Hälfte in Form von Steuern und Abgaben wieder an den Staat und an die Sozial­versicherungsträger zurück.

Das ist keine Pflegemilliarde. Das ist einfach eine Verhöhnung all jener Menschen, denen Sie in Aussicht gestellt haben, ein höheres Einkommen zu erhalten. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Leute draußen verstehen nicht, warum ein Vorstandsvorsitzender 2 000 Euro netto an Teuerungsbonus bekommt und die Menschen in der Pflege lediglich 700 bis 1 200 Euro netto verdienen.

Das zweite Schlimme ist: Nicht alle Berufsgruppen im Pflege- und Gesundheits­bereich erhalten diesen Bonus. Herr Bundesminister, haben Sie da bewusst Berufsgruppen ausgeklammert oder haben Sie sie einfach vergessen? War es gewollt, sie da nicht hineinzutun? Was antworten Sie den Beschäftigten im Pflege- und Betreuungsbereich, welche den Bonus nicht erhalten?

Da gibt es Kolleginnen und Kollegen, die nebeneinander im gleichen Raum, am gleichen Ort zur gleichen Zeit arbeiten: Die OP-Schwester bekommt einen Pflegebonus, der OP-Assistent bekommt diesen nicht, obwohl sie nebeneinander arbeiten. – Das passt nicht zusammen, das verstehen die Menschen nicht. Deshalb werden wir, die SPÖ, heute einen Antrag einbringen, in dem wir 2 000 Euro brutto für netto für das Pflegepersonal fordern. – Punkt eins. (Beifall bei der SPÖ.)


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Weiters fordern wir darin die Aufnahme aller Berufsgruppen im Gesundheits- und Betreuungsbereich in den Bezieher:innenkreis – also den Bonus für alle Beschäftigten, die sich diesen Bonus verdient haben.

Und wissen Sie, was auch ein bisschen wehtut? – Wichtige Vorschläge der SPÖ werden von Ihnen nicht angenommen, sie werden von Ihnen abgelehnt. Arbeiten in der Pflege ist Schwerarbeit. Warum lehnen Sie unseren Antrag ab? Arbeiten in der Pflege ist Schwerarbeit! Die Grünen sagen: Das schaffen die Leute sowieso nicht! – Eine super Werbung für diesen Beruf! – Die NEOS sagen: Das schaffen dann zu viele Leute! Da bleiben sie vielleicht im Job und gehen dann früher in Pension! – Und die ÖVP schweigt zu diesem Thema.

Was auch wehtut: Auch bei der Anhebung des Kilometergeldes gerade für die Beschäftigten in den mobilen Diensten, die mit ihren Privat-Pkw von Haus zu Haus fahren und Menschen pflegen, haben Sie gestern dagegengestimmt. Das tut eigentlich weh.

Nun zum Angehörigenbonus: Wie schaut dieser Bonus für pflegende Angehörige aus? – Nicht alle 800 000 pflegenden Angehörigen werden von diesem Bonus erfasst, sondern nur ein Viertel. 75 Prozent der pflegenden Angehörigen bekom­men diesen Angehörigenbonus nicht. Warum? – Er gilt nur für pflegende Angehörige im gemeinsamen Haushalt; er gilt erst ab Pflegestufe 4, obwohl wir immer gesagt haben, er soll mindestens ab Pflegestufe 3 gelten; man muss mindestens ein Jahr Pflege nachweisen; und das Einkommen der pflegenden Angehörigen darf 1 500 Euro netto nicht übersteigen.

Wie schaut diese Anerkennung konkret aus? – Die Angehörigen, die diese Kriterien dann noch erreichen, erhalten sage und schreibe 1 500 Euro im Jahr, 125 Euro im Monat, 4 Euro pro Tag für die Pflege ihres Angehörigen ab der Pflegestufe 4. Das ist eine Verhöhnung, das ist keine Anerkennung, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das kann nicht das Ziel sein. (Beifall bei der SPÖ.)


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Zusammenfassend: Egal ob bei den Pflegeberufen oder auch bei den pfle­genden Angehörigen: Nicht alle bekommen etwas, und diejenigen, die etwas bekommen, bekommen eindeutig zu wenig. Das ist keine Wertschätzung, meine sehr geehrten Damen und Herren. Das ist weder eine Anerkennung noch eine Abgeltung der Leistung, die sie tagtäglich erbringen, sondern das sind Almosen. Das, was Sie hier tun, ist kein Mittel, um den Pflegenotstand in Öster­reich zu beseitigen. Das, was Sie hier machen, ist keine Pflegereform, das ist ein Pflegepfusch. (Beifall bei der SPÖ.)

13.33


Präsident Ing. Norbert Hofer: Ich darf nachholen, Herrn Bundesminister Johannes Rauch bei uns im Parlament zu begrüßen. (Abg. Michael Hammer: Er ist zwar schon ein Neichtl da!) – War er schon vorher länger da? (Heiterkeit des Abg. Michael Hammer.) – Das habe ich übersehen, weil ich neu am Vorsitz bin.

Ich bitte nun Bedrana Ribo ans Rednerpult. – Bitte, Frau Abgeordnete.


13.33.30

Abgeordnete Bedrana Ribo, MA (Grüne): Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Liebe Kolleg:innen! Liebe Zuseher:innen auf der Galerie und natürlich auch zu Hause vor den Bildschirmen! Heute beschließen wir – ich hoffe, mit einer großen Mehrheit, vielleicht sogar einstimmig – drei weitere große Bausteine der Pflegereform. Es sind drei Maßnahmen, die Wertschätzung aus­drücken, die finanzielle Entlastung, aber auch psychische Entlastung für die Menschen in der Pflege bringen.

Die erste Maßnahme ist die Entlastungswoche, die sogenannte sechste Urlaubs­woche für alle ab dem 43. Lebensjahr. Die Wahrheit, die traurige Wahrheit ist, dass knapp zwei Drittel der Menschen, die in der Pflege tätig sind, angeben, dass es sehr unwahrscheinlich ist, dass sie bis zur Pensionierung in diesem Beruf bleiben möchten oder bleiben können. Das ist ein Alarmsignal, dem müssen wir entgegenwirken, und das tun wir. In Zukunft gilt für alle Pflegekräfte – egal in


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welchem Bundesland, egal unter welchem Kollektivvertrag, egal in welchem Betrieb, egal wie lange im Betrieb, egal ob Quereinsteiger:in oder nicht –: Ab dem 43. Lebensjahr gibt es sechs Wochen Urlaub im Jahr. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Die zweite Maßnahme betrifft die Nachtgutstunden. In Zukunft sollen alle Menschen in Einrichtungen der stationären Langzeitpflege Nachtgutstunden bekommen. Bis jetzt war das in einigen Ländern nicht der Fall – das wird jetzt korrigiert, das wird jetzt richtiggestellt.

Allein diese zwei Maßnahmen, das heißt die sechste Urlaubswoche und die Nachtgutstunden, bringen Entlastung für die Menschen in der Pflege, aber auch Planungssicherheit für die Betriebe der Pflege. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Gödl.)

Die nächste Maßnahme: der Angehörigenbonus. Ab dem Jahr 2023, ab Mitte 2023 bekommen Menschen, die nahe Angehörige mit Pflegestufe 4 und höher pflegen, pro Jahr 1 500 Euro. Voraussetzung ist, dass diese Menschen selbst nicht mehr als 1 500 Euro pro Monat verdienen.

Ich weiß selbst aus eigener Erfahrung, dass es nicht sehr einfach ist, in der Familie oder im nahen Umfeld jemanden zu pflegen. Pflegende Angehörige, das hat auch Kollege Muchitsch gesagt, sind eine wichtige Säule in unserer Gesellschaft, in der Pflegelandschaft, und ohne die pflegenden Angehörigen würde das System in Österreich zusammenbrechen. Gerade deshalb ist es wichtig, dass wir ihnen gegenüber Wertschätzung ausdrücken. Es ist leider bis jetzt so gewesen, dass die Arbeit der pflegenden Angehörigen nicht nur auf politischer Ebene, sondern auch in der Gesellschaft nicht immer so wahrgenom­men wird, wie sie es eigentlich verdient. Mit diesem Angehöri­genbonus wird das geändert. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich werde später dazu auch einen Abänderungsantrag einbringen.


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Ich muss aber natürlich auch auf die Ausführungen meines Vorredners Kollegen Muchitsch eingehen, die mich ein bisschen verärgern, muss ich ganz ehrlich sagen, besonders eben aufgrund der Art und Weise, wie die Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ mit der Pflegereform umgehen (Ruf bei der SPÖ: Was für eine Reform?), obwohl sie sehr lange die Möglichkeit hatten, in diesem Bereich selber tätig zu werden, das aber einfach nicht gemacht haben.

Viele rote Sozialminister – zwei sitzen noch in diesem Haus – haben es in der Hand gehabt und haben nicht wirklich viel weitergebracht. Und jetzt, seit 2020, haben wir einen grünen Gesundheitsminister (Abg. Wurm: Der dritte! Der dritte!): Wir haben die Pflegemilliarde, wir haben 20 konkrete Reformmaßnahmen auf dem Tisch (Abg. Wurm: Der dritte, Frau Kollegin! – Abg. Loacker: Der eine hätte lieber gleich Bücher schreiben sollen!), und was macht die SPÖ? – Die SPÖ ist offenbar ratlos: Wie soll sie damit umgehen, dass Grüne nun endlich mutige Sozialpolitik machen, die sie verschlafen hat? (Beifall bei den Grünen.) Das muss ich hier einfach ganz ehrlich sagen.

Die SPÖ fordert die Aufnahme der Pflege in die Schwerstarbeit. Das klingt beim ersten Hören gut und nur logisch. Es ist natürlich unumstritten, dass die Pflege eine schwere Arbeit ist, aber: Was ist mit der Arbeit in der Reinigung? Was ist mit der Arbeit im Handel? Was ist mit der Arbeit in der Elementarpädagogik? Ist diese Arbeit der SPÖ nicht schwer genug?

Es ist keine große Überraschung, wenn ich hier behaupte, dass in diesen jetzt genannten Branchen hauptsächlich Frauen tätig sind – und wir wissen alle, Frauen bekommen Kinder, wir wissen auch alle, Frauen betreuen diese Kinder zu Hause (Zwischenrufe bei der FPÖ) und Frauen sind diejenigen, die sich dann auch zu Hause um die Angehörigen kümmern. (Abg. Wurm – erheitert –: Retro! Retro!) – Das ist so! – Die Voraussetzung für eine Schwerstarbeitspension sind 45 Erwerbsjahre, und Frauen kommen sehr, sehr selten auf 45 Erwerbsjahre. Das sind die Fakten, aber das ist der SPÖ egal.


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Es gibt auch noch einen weiteren Punkt, der der SPÖ ebenfalls egal ist, nämlich: Sie fordern, dass die Ausbildungszeiten angerechnet werden. – Das können wir nicht nur bei der Pflege machen, das wäre verfassungswidrig! Das wisst ihr auch, aber auch das ist euch egal. (Beifall bei den Grünen.)

Wir Grüne stehen für mutige und ehrliche Sozialpolitik, die bei den Menschen ankommt – jeden Tag, heute ganz besonders –, und ich bitte euch: Unterstützt uns darin und hört auf mit diesen unseriösen Debatten! – Das muss ich ganz ehrlich sagen! (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Wöginger.)

Ich bringe jetzt noch den Abänderungsantrag der Abgeordneten Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler, Bedrana Ribo, MA, Kolleginnen und Kollegen zum Gesetz­entwurf im Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales 1824 der Beilagen über den Antrag 2717/A betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes­pflegegeldgesetz geändert wird, ein.

Der Antrag liegt allen schriftlich vor, ich bitte um breite Annahme.

Ganz kurz – ich sehe, das Lämpchen leuchtet – muss ich aber eines noch sagen: Ich kann den sogenannten Pflegebonus nicht unkommentiert lassen. Wir haben uns ganz bewusst dafür entschieden, diese Zuschüsse als Teil des Gehalts anzusehen, und Gehalt ist eben steuer- und pensionspflichtig, das ist nun einmal so. (Abg. Wurm: Warum wurde der Pflegebonus erfunden? Warum?) Wir wollten einfach längerfristige Lösungen für die Pflege schaffen. Gerade die SPÖ und die Gewerkschaften, die in den letzten Wochen und Monaten nichts anderes gemacht haben, als eben diese Einmalzahlungen zu kritisieren, sich über sie zu empören, wollen jetzt auf einmal in der Pflege Einmalzahlungen. Ich verstehe es nicht. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Noch einmal: Das wurde heute auch nicht erwähnt, aber wenn die SPÖ sagt, es sei zu wenig, okay, dann habe ich einen Vorschlag für euch: In Österreich gibt es neun Bundesländer, in fünf davon sitzt ihr in der Regierung, in fünf davon habt ihr es in der Hand. Zahlt den Leuten mehr, schaut, wie es in Niederösterreich


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geht! (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Wöginger.) Seid noch besser als Niederösterreich, zahlt noch mehr! Ich bin die Erste, die sich hierherstellt und klatscht. Macht es bitte, aber hört mit dieser Scheinempörung auf! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Frau Abgeordnete, bitte gehen Sie noch nicht fort, bleiben Sie noch kurz da. Der Antrag gilt noch nicht als eingebracht. Sie müssen ihn in den Eckpunkten erläutern.


Abgeordnete Bedrana Ribo, MA (fortsetzend): Das ist der Angehörigenbonus, den ich in meiner Rede sehr klar ausgeführt habe. (Ruf bei der FPÖ: Verlesen!)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nein, nicht verlesen, er wird gerade verteilt, aber wenn Sie zwei, drei Eckpunkte nur kurz erwähnen, dann gilt er als eingebracht. – Bitte.


Abgeordnete Bedrana Ribo, MA (fortsetzend): Es geht um den Angehörigen­bonus, damit in Zukunft auch Pensionist:innen Teil davon sind, und der Ange­hörigenbonus gilt ab 2023 (Abg. Wöginger: Juli!) – Juli. – Danke.

13.41

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler, Bedrana Ribo MA,

Kolleginnen und Kollegen

zum Gesetzentwurf im Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales 1824 der Beilagen über den Antrag 2717/A betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundespflegegeldgesetz geändert wird

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzentwurf wird wie folgt geändert:


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1. In Z 3 wird in § 21h Abs. 2 die Z 3 geändert und lautet:

              „3.        das monatliche Netto-Jahresdurchschnittseinkommen des nahen Angehörigen oder der nahen Angehörigen im Kalenderjahr, welches der Antragstellung vorangeht, einen Betrag von 1.500 Euro pro Monat nicht übersteigt. Für die Ermittlung der Höhe dieses Einkommens ist der § 264 Abs. 5 ASVG sinngemäß anzuwenden und vom Jahresbruttoeinkommen die einbehaltenen SV-Beiträge, Kammerumlage, Wohnbauförderung und die insgesamt einbehaltene Lohnsteuer oder die Einkommensteuer in Abzug zu bringen. Als monatliches Netto-Jahresdurchschnittseinkommen gilt ein Zwölftel des so ermittelten Betrages. Der Nachweis ist durch den letzten rechtskräftigen Einkommensteuerbescheid, durch Lohnzettel oder eine Einnahmen-Ausgaben-Rechnung zu erbringen.“

2. In Z 3 entfällt in § 21h der Absatz 3.

3. In Z 3 erhalten in § 21h die Absätze 4 bis 12 die Bezeichnung Absatz 3 bis 11.

4. In Z 3 wird in § 21h der neue Absatz 6 Z 2 lit. h geändert und lautet:

              „h.        Netto-Jahresdurchschnittseinkommen und monatliche Nettoeinkommen; Bruttoeinkommen und einbehaltene SV-Beiträge, Kammerumlage, Wohnbauförderung sowie die insgesamt einbehaltene Lohnsteuer oder die Einkommensteuer,“

5. In Z 3 wird in § 21h der neue Absatz 9 geändert und lautet:

„(9) Ein Wegfall der Voraussetzungen gemäß Abs. 1 und 2 ist dem zuständigen Entscheidungsträger binnen 4 Wochen zu melden und führt zu einer Entziehung des Angehörigenbonus durch den zuständigen Entscheidungsträger. Wird nach der Gewährung in weiterer Folge die Einkommensgrenze gemäß Abs. 2 Z 3 in einem vorangegangenen Kalenderjahr überschritten, ist der Angehörigenbonus, mit dem auf die Feststellung folgenden Monat zu entziehen.“

6. In Z 4 wird dem § 48g nach dem Abs. 7 folgender Absatz 8 angefügt:


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„(8) Organisatorische und personelle Maßnahmen sowie Durchführungsmaßnahmen, die für die Vollziehung dieses Bundesgesetzes in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xx/2022 erforderlich sind, können von dem der Kundmachung des Bun­desgesetzes BGBl. I Nr. xx/2022 folgenden Tag an gesetzt werden“

7. In Z 5 wird der § 48h samt Überschrift geändert und lautet:

„Mitwirkung der Abgabenbehörden des Bundes

§ 48h. (1) Die Abgabenbehörden des Bundes haben nach Maßgabe des Abs. 5 den Entscheidungsträgern nach § 21h Abs. 4 auf Anfrage folgende Daten getrennt nach Dienstgebern zu übermitteln:

              1.         die Bruttobezüge (§ 25 EStG 1988), die insgesamt für lohn­steuer­pflichtige Einkommen einbehaltenen SV-Beiträge, die einbehaltene Kammerumlage, die einbehaltene Wohnbauförderung und die insgesamt einbehaltene Lohnsteuer des pflegenden nahen Angehörigen oder der pflegenden nahen Angehörigen im Kalen­derjahr welches der Antragstellung auf den Angehörigenbonus vorangeht und für die folgenden Kalenderjahre, in denen Anspruch auf den Angehörigenbonus besteht.

              2.         die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, selbständiger Arbeit und aus Gewerbebetrieb (§§ 21, 22 und 23 EStG 1988) sowie die Einkommensteuer des pflegenden nahen Angehörigen oder der pflegenden nahen Angehörigen für das letzte Kalenderjahr, für das ein Einkommensteuerbescheid vorliegt und für die folgenden Kalenderjahre, in denen Anspruch auf den Angehörigenbonus besteht.

(2) Die nach Abs. 1 übermittelten Daten dürfen nur zur Feststellung des Bestandes eines Angehörigenbonus nach § 21h dieses Bundesgesetzes verwendet werden.

(3) Die Abgabenbehörden des Bundes haben nach Maßgabe des Abs. 5 den Entscheidungsträgern nach § 21g Abs. 2 und § 21h Abs. 4 auf Anfrage die letztgültigen Kontodaten des pflegenden Angehörigen, soweit diese vorliegen, zu übermitteln.


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(4) Die nach Abs. 3 übermittelten Daten dürfen nur zum Zweck der Abwicklung und Auszahlung des Angehörigenbonus nach § 21g und § 21h dieses Bundesgesetzes verwendet werden.

(5) Das Verfahren der Übermittlung und der Zeitpunkt der erstmaligen Übermittlung sind vom Bundesminister für Finanzen im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz nach Maßgabe der technischen und organisatorischen Möglichkeiten durch Verordnung zu bestimmen. Die ent­sprechende Verordnung ist bis spätestens 31. Dezember 2023 zu erlassen.“

8. In Z 6 wird in § 49 Abs. 34 der Ausdruck „§ 48g Abs. 7“ durch den Ausdruck „§ 48g Abs. 7 und 8“ ersetzt.

Begründung

Zu Z 1 bis 8:

Mit den vorgeschlagenen Änderungen sollen Anpassungen vorgenommen werden, durch die eine verwaltungsökonomische Vollziehung ermöglicht wird.

Durch die Anpassung der Berechnungsregelungen hinsichtlich des Netto Jahresdurch­schnittseinkommens soll nicht auf bestimmte Prozentsätze zurückgegriffen werden, da diese Methode zu großen Schwankungen führt und schwer nachvollziehbar ist. Durch die nunmehr vorgeschlagene Änderung soll ein Gleichklang zwischen unselbst­ständigen und selbstständigen Erwerbstätigen sowie mit Pensionist:innen hinsichtlich des zu berücksichtigenden Einkommens hergestellt werden.

Ausgangspunkt für die Berechnung soll die sinngemäße Anwendung des § 264 Abs. 5 ASVG bilden. Um das Netto Jahresdurchschnittseinkommen zu ermitteln, sollen von den Jahresbruttoeinkommen die einbehaltenen SV-Beiträge, Kammerumlage, Wohn­bauförderung und die insgesamt einbehaltene Lohnsteuer oder die Einkommen­ssteuer in Abzug gebracht und davon ein Zwölftel ermittelt werden. Die Basis dafür soll der letzte rechtskräftige Einkommensteuerbescheid, Lohnzettel oder allenfalls eine Einnahmen-Ausgaben-Rechnung darstellen.


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Neben den datenschutzrechtlichen Anpassungen soll auch die Mitwirkungspflicht der Abgabebehörden des Bundes erweitert werden. Nunmehr sollen auch die insgesamt für lohnsteuerpflichtige Einkünfte einbehaltene SV-Beiträge, Kammerumlage, Wohnbauförderung sowie die insgesamt einbehaltene Lohnsteuer oder die Einkom­mensteuer an den zuständigen Entscheidungsträger übermittelt werden.

Als „Bruttobezüge (§ 25 EStG 1988)“ sind darunter die unter der Kennzahl 210 am Lohnzettel angeführten Beträge (Datenfeld „B210“ laut Organisationsbeschreibung „Datenaustausch mit Dienstgebern“ des DVSV), als „die insgesamt für lohnsteuer­pflichtige Einkommen einbehaltenen SV-Beiträge, die einbehaltene Kammerumlage und die einbehaltene Wohnbauförderung“ und als „die insgesamt einbehaltene Lohnsteuer“ die unter diesen Bezeichnungen am Lohnzettel angeführten Beträge (Datenfelder „BIEB“ und „BIEL“ laut Organisationsbeschreibung „Datenaustausch mit Dienstgebern“ des DVSV) zu verstehen.

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Antrag ist in Verteilung, er ist ordnungsgemäß eingebracht und somit in Verhandlung. (Abg. Wurm: Da muss ein freiheitlicher Präsident ...!)

Zu Wort gelangt nun Henrike Brandstötter zu einer tatsächlichen Berichtigung. Sie kennen die entsprechenden Bestimmungen der Geschäftsordnung. – Bitte schön.


13.42.00

Abgeordnete Henrike Brandstötter (NEOS): Kollegin Ribo meinte, dass alle Frauen Kinder bekommen, zu Hause bleiben und dann Carearbeit leisten. (Abg. Disoski: Geh bitte!) Ich berichtige tatsächlich: Nicht alle Frauen können oder wollen Kinder bekommen, bleiben dann zu Hause und leisten Carearbeit. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Disoski: Du weißt genau, wie es gemeint war!)

13.42



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Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Mag. Christian Ragger. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.42.23

Abgeordneter Mag. Christian Ragger (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Wir kommen zurück zur Pflegedebatte, die, glaube ich, das Essenzielle bei diesen Tagesordnungspunkten sein sollte. Daher muss ich eine positive Note vorausschicken. Der Herr Minister ist Vorarlberger, dort gab es ja auch eine gute Soziallandesrätin, Greti Schmid, die damals sehr voraus­schauend agiert hat, indem sie bereits damals mit dem Vorarlberger Modell geschaut hat, dass sie junge Familien, junge Menschen in die Pflege integriert. Das war einerseits mit dem Freiwilligenbonus und den Regelungen für pflegende Angehörige und andererseits – was sie wirklich ausgezeichnet gelöst hat – dadurch möglich, dass sie das erste Mal ein Modell von der Schweiz übernommen hat, nämlich jenes der Pflegelehre, das die Attraktivierung der Pflege dort gefördert hat.

Gust hat es bis heute nicht umgesetzt, weil er nicht in der Lage war, das mit den Grünen oder auch mit uns auf Schiene zu bringen. (Abg. Kucher: Weil es ein Topfen ist!) Dennoch wird auch die SPÖ irgendwann kapieren, dass die Pflege­lehre etwas Sinnvolles und Vernünftiges sein wird. (Abg. Kucher: Na, das hat was, das hat was!) Um das nicht in eine vertiefende Diskussion zu bringen, möchte ich darauf hinweisen, dass es für uns wichtig ist, wie man die Pflege in Österreich aufbaut. Das Essenzielle wird sein, wie man 950 000 Menschen, die zu 80 Pro­zent zu Hause betreut werden, mit qualitativ hochwertig ausgebildeten Perso­nen versorgt. Das muss unser aller Interesse sein. Wir stimmen wahr­scheinlich darin überein, dass das auch in diesem Haus außer Streit steht.

Jetzt muss man dazu sagen: Wie geht man dieses Thema an? Wenn man weiß, dass heute 80 Prozent der pflegebedürftigen Personen – die nahe Angehörige, Familienangehörige sind, in einer 24-Stunden-Betreuung oder auch in sonstigen alternativen Versorgungseinrichtungen sind – zu Hause gepflegt werden, dann


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muss man diese Attraktivität auch leben, dann muss man diese Attraktivität unterstützen und sie dementsprechend bezahlen.

Wenn Sie heute einen Pflegebonus als die große Erneuerung verkaufen wollen, Frau Kollegin Ribo, dann ist das vielleicht ein positiver Ansatz und gut gemeint (Abg. Ribo: Das ist eine von vielen Maßnahmen!), aber wenn Sie diesen Pflege­bonus mit 1 500 Euro durch 12 Monate dividieren, dann sind das 125 Euro für eine Versorgung zu Hause. (Abg. Ribo: Es gibt auch ein Pflegegeld in Österreich!) Das sei einem Pflegeheim gegenübergestellt: Wenn man heute jemanden in ein Pflegeheim steckt, dann kostet das zwischen 3 500 bis 5 000 Euro. (Abg. Ribo: In Österreich gibt es ein Pflegegeld!) Welche Verhältnismäßigkeit besteht denn da – dass nämlich die Pflege in einem Haus, in einem Pflegeheim in Österreich gratis ist, während zu Hause die gesamte Familie, das gesamte Umfeld auftreten muss, damit diese Versorgung sichergestellt werden kann? – Das ist der Unterschied.

Da geht es noch einen Schritt weiter, auch im Bereich der Behinderten, der Men­schen mit Beeinträchtigung, nämlich auch dort zu sehen, wie man diese Menschen versorgt. Ich habe mir das bei Familien angeschaut, die zu Hause ihre Kinder betreut haben – Menschen, die beeinträchtigt sind, die multifunk­tionale Störungen, multifunktionale Beeinträchtigungen gehabt haben. Diese werden vom Land oder auch vom Bund nicht unterstützt. Das sind unsere Aufgabengebiete im Zusammenhang mit diesem Tagesordnungspunkt, die wir lösen müssen, auch wenn wir Bundespflegegeld ernst nehmen und einen Bonus zuerkennen wollen.

Es ist also wichtig, dass diese Leute auch ordnungsgemäß bezahlt werden. Daher werde ich heute noch einmal diesen Entschließungsantrag einbringen. Ich bin zu 100 Prozent bei Beppo Muchitsch: Es muss so sein, dass nicht nur die Lehre im Bereich der Pflegeberufe, die Versorgung und die Pflege der Angehörigen nicht nur attraktiviert werden, sondern dass in den Pflegeberufen auch ordnungs­ge­mäß gezahlt wird. Bezahlung heißt letztendlich – jeder einfache Bürger draußen hat das verstanden –: 2 000 Euro Bonus heißt 2 000 Euro netto, cash auf die Kralle. Das hat jeder verstanden, aber wenn Sie in Ihrer Regierung schon so gut


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sind, dann machen Sie es doch doppelt! Zahlen Sie 2 000 Euro netto cash aus und lassen Sie es auch als 13. und 14. Gehalt oder als sonstigen Lohnbestandteil einfließen.

Es steht Ihnen als Regierung ja frei, das ebenfalls zu beschließen. Das wäre eine Attraktivierung, das wäre eine vorausschauende Maßnahme für die Entwicklung der zu Versorgenden, aber auch derjenigen, die diese Pflege tagtäglich am Menschen durchzuführen haben. Das ist ein Ansatz. Da kann man darüber sprechen, ob es ein Pflegepfusch oder eine große Erneuerung ist: Wenn das umgesetzt würde, hätte man Attraktivität in diesem Land und für die Angehöri­gen.

Daher kann ich es nur noch einmal wiederholen: Ich darf den Entschließungsantrag verlesen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Pflegeprämie muss auch in Kärnten und allen anderen Bundesländern 2.000 Euro netto betragen!“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesund­heit, Pflege und Konsumentenschutz und der Bundesminister für Finanzen, wird aufgefordert eine Regierungsvorlage dem Nationalrat zuzuleiten, die folgende arbeits- und sozialpolitische Forderungen im Bereich der Pflege unmittelbar umsetzt:

- Eine Novelle des Entgelterhöhungs-Zweckzuschussgesetz – EEZG, damit eine steuer- und abgabenfreie Auszahlung der 2.000 Euro an Pflegeprämie für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Pflege im Dezember 2022 erfolgen kann

- Die gesetzliche Verankerung der Abgaben- und Steuerfreiheit für Pflegeprä­mien für 2023 und die Folgejahre


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- Diese Abgaben- und Steuerfreiheit hat für alle Bundesländer zu gelten, und sich auch auf Zusatzprämien der Länder bzw. Gemeinden und Pflegeheimträger zu erstrecken.“

*****

Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

13.47

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Mag. Christian Ragger

betreffend Pflegeprämie muss auch in Kärnten und allen anderen Bundesländern 2.000 Euro netto betragen!

eingebracht im Zuge der Verhandlung über die Debatte zu TOP 10.) Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 2717/A der Abgeordneten August Wöginger, Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundespflegegeldgesetz geändert wird (1824 d.B.) in der 189. Sitzung des Nationalrats, am 14. Dezember 2022

Zur Pflegeprämie bzw. zum Pflegebonus ist im Bundesland Kärnten, regiert von einer rot-schwarzen Koalition des Stillstandes und des fortgesetzten Sozialabbaus für die eigene Bevölkerung, eine heftige Diskussion entbrannt, über die der ORF Kärnten wie folgt berichtet hat:1

Pflegeprämie wird doch versteuert

Mehr als 10.000 Personen sind in Kärnten im Pflegebereich tätig, sie sollen nun 1.200 Euro Netto als Prämie des Bundes erhalten. Die Gewerkschaftsvertreter sagten am Dienstag, sie würden sich durch die Landesregierung gut vertreten fühlen, aber nicht durch den Bund. Dieser habe ursprünglich 2.000 Euro in Aussicht gestellt, und zwar Brutto für Netto.


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Silvia Igumnov ist die Sprecherin der Gewerkschaft für die Pflegeberufe. Sie erinnert daran, dass diese Prämie erkämpft wurde: „Wir haben ja am 12. Mai, am Tag der Pflege, Demonstrationen in ganz Österreich gehabt. An diesem Tag hat der Gesund­heitsminister (Johannes Rauch, Grüne; Anm.) den Kolleginnen versprochen, einen Monatsgehalt zu bekommen. Und das was jetzt am Tisch liegt – ich kann nur sagen, was wir so gehört haben – das ist bei Weitem nicht das, was versprochen worden ist und das ist sehr schade.“

„Haben das Land am Laufen gehalten“

Hier müsse der Bund Geld zur Verfügung stellen, sagte Igumnov: „Denn hier geht es um Wertschätzung für Menschen, die in dieser sehr, sehr schwierigen Zeit ihr Bestes gegeben haben, für die man geklatscht hat und die einfach das Land am Laufen gehalten haben.“

Über neue Kampfmaßnahmen will die Gewerkschaft heute noch nicht sprechen. Es werde verhandelt, möglichweise könne auch noch ein größerer Personenkreis von der Pflegeprämie profitieren. Die Gewerkschaft hofft hier auf gute Nachrichten für Beschäftigte im Bereich der Behindertenbetreuung.

Land schießt 18 Millionen Euro vor

Das Land Kärnten wird für den Bonus dem Bund 18 Millionen Euro vorstrecken. Im Laufe des ersten Quartals 2023 sollen die Länder die Summe vom Bund refundiert bekommen. Sozialreferentin Beate Prettner (SPÖ) sagte nach der Regierungssitzung, es werden in Kärnten rund 11.200 Pflegemitarbeiter die Zuzahlung erhalten. Es handelt sich, bundesweit abgestimmt, um Angehörige des gehobenen Dienstes der Gesundheits- und Krankenpflege; Angehörige der Pflegefachassistenz; Angehörige der Pflegeassistenz; Diplom-Sozialbetreuer; Fach-Sozialbetreuer; Heimhelfer. Teilzeit­personal bekommt die Prämie aliquot ausgezahlt.

Laut Prettner hätten die Referenten dafür gekämpft, dass der Pflegebonus steuerfrei gestellt wird. Leider erfolglos, die vom Bund finanzierte Pflegezulage von 2.000 Euro für das Jahr 2022 wird voll besteuert. (…)


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Die FPÖ hat diesen Schildbürgerstreich als einzige Oppositionspartei angeprangert:2

FPÖ – Angerer/Ragger: „Pflegeprämie muss auch in Kärnten 2.000 Euro netto betragen!“

Land Kärnten will Pflegekräften 800 Euro weniger auszahlen

Pflegekräfte in ganz Österreich sollten im Dezember 2.000 Euro als „Entgelterhö­hungszweckzuschuss“ erhalten. In Kärnten sind es aber nach Abzügen nur noch 1.200 Euro. Der freiheitliche Nationalratsabgeordnete Christian Ragger reagierte empört. „Die personell ausgedünnten Pflegekräfte leisten in ganz Österreich Unglaubliches, um den Pflegekollaps zu verhindern und unsere Liebsten rund um die Uhr zu versorgen. Sie verdienen damit unsere ganze Anerkennung. Jede Pflegerin und jeder Pfleger muss die 2.000 Euro auf die Hand erhalten, alles andere wäre eine Farce und Augenauswischerei!“, sagte Ragger zur Pflegeprämie, die nun nicht - wie versprochen - halten soll.

„Die 2.000 Euro müssen ‚brutto für netto‘ an die Menschen ausgezahlt werden. Es geht nicht an, dass nun das Land sich die vom Bund zur Verfügung zum Teil einbehält. Da hat der grüne Gesundheitsminister Rauch seine Hausaufgaben nicht gemacht, wenn er sich vorher nicht von den Ländern die Zusicherung einholt, den Beitrag zur Gänze auszubezahlen“, erklärte FPÖ-Landesparteiobmann NAbg. Erwin Angerer. Das betreffende Gesetz hält Ragger für einen „Murks“. „Das verpfuschte Entgelterhö­hungs-Zweckzuschussgesetz gibt unzureichende Bestimmungen her, wie das Land mit Prämienauszahlung letztendlich umgehen soll. Wäre es zudem als Teuerungsausgleich angelegt gewesen, würden dazu keine Abgaben anfallen. Es handeln nun also die Bundesländer selbstständig, und Kärnten muss da mitziehen, um das für die Menschen in Ordnung zu bringen“, forderte Ragger.

„Das kann nun also dadurch erfolgen, dass Länder wie Kärnten beim Bund, also beim Finanzministerium und bei der Sozialversicherung beziehungsweise beim Sozial­minister, eine abgabenfreie Auszahlung erwirken oder eben die Länder mittels einer Landesprämie auf 2.000 Euro aufstocken. Was es aber in keinem Fall geben kann, ist,


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dass Pflegekräfte, die in ganz Österreich harte Arbeit leisten, unterschiedliche Prämien bekommen. Die Kärntner Landesregierung muss also umgehend handeln“, betonte Angerer, der auf teuerungsbezogene Mehreinnahmen von 222 Millionen Euro verwies, die man zuvor den Menschen aus der Tasche gezogen hatte.

Der unterfertigte Abgeordnete stellt daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz und der Bundesminister für Finanzen, wird aufgefordert eine Regierungsvorlage dem Nationalrat zuzuleiten, die folgende arbeits- und sozialpolitische Forderungen im Bereich der Pflege unmittelbar umsetzt:

• Eine Novelle des Entgelterhöhungs-Zweckzuschussgesetz – EEZG, damit eine steuer- und abgabenfreie Auszahlung der 2.000 Euro an Pflegeprämie für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Pflege im Dezember 2022 erfolgen kann

• Die gesetzliche Verankerung der Abgaben- und Steuerfreiheit für Pflegeprämien für 2023 und die Folgejahre

• Diese Abgaben- und Steuerfreiheit hat für alle Bundesländer zu gelten, und sich auch auf Zusatzprämien der Länder bzw. Gemeinden und Pflegeheimträger zu erstrecken.“

1 https://kaernten.orf.at/stories/3183273/

2 https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20221122_OTS0111/fpoe-angererragger-pflegepraemie-muss-auch-in-kaernten-2000-euro-netto-betragen

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht somit auch in Verhandlung.


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Zu Wort gelangt Klubobmann August Wöginger. – Bitte, Herr Klubobmann.


13.47.59

Abgeordneter August Wöginger (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es war schon entlarvend, Kollege Muchitsch, dass du keinen Satz zu den Vorlagen, die jetzt behandelt werden, gesagt hast. Du bist Obmann des Ausschusses für Arbeit und Soziales, ziehst hier eine Show über bereits beschlossene Maßnahmen ab und sagst als Ausschuss­obmann kein Wort, kein einziges Wort zu den Punkten, die hier auf der Tagesordnung stehen. (Abg. Muchitsch: Kommt noch! Die kommen noch!) Das kenne ich – muss ich ganz ehrlich sagen, wir haben heute schon viel über Seriosität im Parlament geredet – von dir so nicht.

Wir beschließen hier wichtige Punkte, und jetzt kann man unterschiedlicher Meinung sein, ob das ausreichend ist, ob es genug ist, ob man sagt, das könnte durchaus anders ausgestaltet sein – das ist ja legitim, keine Frage. Wir setzen aber jene Punkte um, die wir am 12. Mai dieses Jahres gemeinsam präsentiert haben, es sind 20 Punkte an der Zahl. Was in der Legistik noch fehlt, das setzen wir mit diesen drei Punkten um. – Ich möchte sie auch kurz erläutern.

Das eine ist – das haben wir als Volkspartei schon in der Wahlkampfaus­einan­dersetzung 2019 gesagt –, dass wir ein Zeichen der Wertschätzung bezüglich der pflegenden Angehörigen setzen wollen – ein Zeichen der Wertschätzung! Wir haben nicht gesagt, dass wir einen Verstaatlichtenkurs fahren, wie das Landeshauptmann Doskozil im Burgenland macht, dass wir alle zwangsanstellen, sondern wir haben gesagt, wir setzen ein Zeichen der Anerkennung und der Wertschätzung mit 1 500 Euro für pflegende Angehörige, die einen unfassbar wertvollen Dienst innerhalb unserer Gesellschaft leisten. Das setzen wir heute um (Beifall bei ÖVP und Grünen), ab der Pflegestufe 4, ja, das stimmt, weil wir einmal damit beginnen. Das ist ja auch erweiterbar.

Eines sage ich dir aber schon, Kollege Muchitsch: Wir haben lange miteinander regiert. Wir haben nur Minireförmchen in der Pflege gemacht. (Abg. Ribo: Ja!)


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Derartige Würfe hat es nie gegeben. Das ist schon etwas, das ist ja für die pflegenden Angehörigen.

Eines sage ich auch dazu: Wir haben ja auch ein Bundespflegegeld, das jetzt auch jährlich valorisiert wird, und ab der Stufe 4 haben wir 712,70 Euro pro Monat. Das ist für Sachleistungen, aber natürlich auch für die pflegenden Angehörigen, meine Damen und Herren. Das muss man schon einmal dazusagen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Es wird ja so getan, als ob es keine anderen zusätzlichen Leistungen gäbe. Es ist ein Zeichen der Wertschätzung für die pflegenden Angehörigen ab der Pflegestufe 4 und vor allem für jene, die es auch am meisten brauchen. Daher gibt es auch die Einkommensgrenze.

Das Zweite, das wir machen, ist eine zusätzliche Entlastungswoche, wie es im öffentlichen Dienst ist, ab dem 43. Lebensjahr für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die in den Pflegeberufen tätig sind. Und da ist es nicht so, dass man, wie es in vielen Kollektivverträgen geregelt ist, eine Betriebszugehörigkeitsdauer haben muss. Nein, auch wenn man mit 42 Jahren in diesen Beruf wechselt, was vor allem auch gar nicht so wenige Frauen machen, bekommt man ab dem 43. Lebensjahr diese zusätzliche sechste Urlaubswoche. Die Sozialdemokraten verlieren darüber kein einziges Wort. Es ist erstaunlich, meine Damen und Herren, es ist wirklich erstaunlich. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Der dritte Punkt ist, dass wir 2 Stunden an Zeitguthaben bei den Nachtdiensten für alle Pflegeeinrichtungen sicherstellen. Viele haben das vor allem in den größeren Einrichtungen schon umgesetzt gehabt, aber in den kleineren hat es da dort und da noch Mängel gegeben. Das wird jetzt gesetzlich abgesichert. (Zwischenruf des Abg. Wurm.)

Das sind die drei Punkte, die wir heute hier auf der Tagesordnung haben, worüber Kollege Muchitsch kein einziges Wort verloren hat. Die anderen Punkte


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haben wir großteils gesetzlich verabschiedet. Ich möchte noch drei heraus­greifen, und dann komme ich noch zu dem, was der ÖGB in dem Bereich gerade aufführt, dass wir da einen Gehaltsbestandteil und nicht eine Einmalzahlung auf den Weg mitgegeben haben.

Der Ausbildungsbonus mit 600 Euro für alle Berufe im Bereich der Pflege - - (Abg. Erasim: Schämen Sie sich, so über die Gewerkschaften zu reden! ...! Schämen Sie sich!) Ich bin ein Gewerkschafter mit Leib und Seele, aber ich bin ein Gewerkschafter, der die Wahrheit sagt und der zu dem steht, was er hier im Sinne der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter macht und umsetzt. Ich bin kein Propagandagewerkschafter. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Der Ausbildungsbonus mit 600 Euro pro Monat ist ein Meilenstein. Wir haben in den Bundesländern Situationen gehabt, dass er dort von 200, 300 Euro bis 500, 600 Euro gegangen ist. Jetzt zahlt der Bund zwei Drittel, also 400 Euro. Wer bei Herrn Professor Taschner das Rechnen gelernt hat: 400 Euro zahlt der Bund, den Rest, das restliche Drittel zahlen die Länder. Das ist ein Meilenstein in der Ausbildung, und vor allem junge Menschen freuen sich wirklich darüber.

Ab dem 1. Jänner – das haben wir noch vorgezogen, weil da auch die Diskussion war – wird das Pflegestipendium mit 1 400 Euro pro Monat umgesetzt. 1 400 Euro pro Monat! Ja, ist das nichts mehr? Hat das keinen Wert mehr? Manchmal habe ich den Eindruck, wir reden hier über Summen, und alles ist zu wenig und alles ist schlecht. (Abg. Muchitsch: 4 Euro am Tag, das ist zu wenig!) Es gibt fast kein anderes Land, das derartige Maßnahmen für Fachkräfte in der Pflege – notwendigerweise – beschlossen hat, aber wir machen es. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Bei der Pflegelehre bin ich mit Kollegen Ragger schon viele Jahre einer Meinung. Die wollen wir seit Jahren umsetzen, und jetzt ist es so weit, dass diese Pilotprojekte in allen neun Bundesländern starten können. Vorreiter ist Vorarl­berg, der Herr Sozialminister kennt dieses Land besonders gut. Wir kommen zu diesen Modellen, die eigentlich aus der Schweiz zu uns gekommen sind und in


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Vorarlberg bereits erprobt wurden, denen aber leider immer noch die gesetzliche Grundlage gefehlt hat. Wir schaffen den Lehrberuf für die Pflege, weil es wichtig ist.

Ich habe mir das selber in der Schweiz im Kanton Bern einmal angeschaut, weil es wichtig ist. Ich habe mit 16-jährigen Burschen geredet, und die wollen auch direkt am Menschen arbeiten. Natürlich muss man hier mit dem Curriculum sorgsam sein, wie viel den jungen Menschen zumutbar ist. Ich kann aber auch nicht sagen: Du wirst Mechaniker und darfst nie zum Auto! – So ist es auch da. Man muss schon auch diesen jungen Menschen den Pflegeberuf näherbringen können, und Gott sei Dank haben wir viele junge Menschen, die sich auch in diesen Sozial- und Betreuungsberufen engagieren. Daher setzen wir diese Pflegelehre auch um. Es ist wichtig für unser gesamtes System im Bereich der Pflegeberufe, dass wir das machen. (Beifall bei der ÖVP.)

Jetzt noch zum letzten Punkt, über den die ganze Zeit ein mediales Theater betrieben wird – ich weiß natürlich auch warum, weil man Unfrieden stiftet und die Menschen damit auseinandertreibt –: Das ist kein Bonus. Wir haben nie gesagt, dass es eine Einmalzahlung ist, wir haben nie gesagt, dass es eine steuerfreie Einmalzahlung ist. Wir wollten von Anfang an – und so ist es auch konzipiert –, dass es ein Gehaltsbestandteil ist. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

Die SPÖ, die bei jeder Kollektivvertragsverhandlung immer hergeht und sagt: Nein, keine Einmalzahlungen! Wir wollen, dass es sockelwirksam ist, wir wollen die prozentuelle Erhöhung, wir wollen, dass sich das auf die Pension und auf alle Versicherungsleistungen niederschlägt!, genau diese SPÖ geht jetzt her und sagt: Einmalzahlung, die steuerbefreit ist! – Man versteht die Welt nicht mehr! Das ist ein Gehaltsbestandteil, der für zwei Jahre gegeben ist.

Wir haben immer gesagt, dass es uns um die Gesamtsumme geht, 570 Millionen Euro, und im Endausbau werden es rund 4 500 Euro brutto-brutto sein. Was bedeutet das netto? – Nichts anderes haben der Minister und ich gesagt,


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nämlich dass es von diesen gemeinsamen 570 Millionen Euro bei einer Vollzeit­beschäftigung in etwa ein Nettogehalt zwischen 800 und 900 Euro pro Jahr sein wird. Jetzt frage ich noch einmal: Sind 1 800 Euro netto über diese beiden Jahre gemeinsam kein Geld mehr? (Ruf bei der SPÖ: Jetzt wird es aber peinlich!) Ist das nichts mehr? – Ich verstehe es nicht. Ich verstehe es wirklich nicht!

Da wäre es wirklich angebracht gewesen, liebe Kolleginnen und Kollegen gerade von der Sozialdemokratie, dass man einmal gesagt hätte: Okay, wir hätten vielleicht um ein paar Hunderter mehr gefordert, aber es ist ein Gehaltsbestand­teil! – Ja, er muss im Finanzausgleich weiter verhandelt werden. Ja, wir haben gesagt, wir werden diese Maßnahme nicht zurückführen. Das wird aber wahrscheinlich jemand anderer oder wir werden das gemeinsam im Finanzaus­gleich mit den Ländern und mit den Gemeinden zu entscheiden haben. Es ist aber ein Gehaltsbestandteil. Es heißt, dass dieser für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sockelwirksam bleiben soll und keine Einmalzahlung ist. Bitte hören Sie auf, die Menschen in diesem Ausmaß zu verunsichern!

Es ist ein tolles Pflegepaket, und ich bedanke mich dafür, dass wir es gemeinsam auch im Sinne der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zur Umsetzung bringen können. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwischenruf des Abg. Keck.)

13.57


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Mag. Christian Drobits zu Wort gemeldet. – Sie kennen die Bestimmungen der Geschäftsordnung. Bitte, Herr Abgeordneter.


13.57.28

Abgeordneter Mag. Christian Drobits (SPÖ): Kollege Klubobmann August Wöginger hat soeben behauptet, im Burgenland würden Zwangsanstellungen von pflegenden Angehörigen durchgeführt. – Das ist natürlich unrichtig, Herr Klubobmann, und Sie wissen das.


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Ich berichtige tatsächlich: Im Burgenland liegt ein Angebot auf freiwilliger Basis an pflegende Angehörige vor, das zu Versicherungszeiten führt und Ausbildung ermöglicht. (Abg. Michael Hammer: Vorher müssen sie der SPÖ beitreten! Zuerst müssen sie der Partei beitreten beim Dosko! Das Burgenland darfst du nicht angreifen, das kommunistische Land!) Schämen Sie sich, Herr Klubobmann! (Beifall bei der SPÖ.)

13.58


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Fiona Fiedler. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


13.58.08

Abgeordnete Fiona Fiedler, BEd (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! (Die Begrüßung auch in Gebärdensprache ausführend:) Liebe gehörlose Menschen! Mit den heutigen Beschlüssen haben wir dann fast alle angekündigten Teile der Pflegereform durch.

Der Angehörigenbonus von 1 500 Euro im Jahr klingt für viele Menschen besonders verlockend, allerdings im Ausgleich dafür, dass Menschen ihre Familienangehörigen pflegen müssen – das deshalb, weil wir für mobile Pflege keine ausreichenden Systeme haben, weil wir bei der Entwicklung der 24-Stunden-Betreuung nicht ausreichend weiterkommen und weil professionelle Pflegesysteme für viele Menschen einfach zu teuer sind. Mit 1 500 Euro in einem kranken System werden wir diesen Missstand nicht ändern können.

Ebenso wenig werden die 2 Stunden Zeitausgleich für Nachtdienste weiter­helfen, wenn Sie 12-Stunden-Nachtdienste insgesamt nicht attraktiver machen können. Es braucht ordentliche Personalreserven, und dafür brauchen wir eine echte Aufwertung, in der Sie Weiterbildungen ermöglichen und belohnen, in der wir ein Zusammenspiel von Gesundheitsberufen schaffen und in der wir nicht eine Reform wie heuer beschließen, die nur aus Überbrückungshilfen besteht.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll189. Sitzung, 189. Sitzung des Nationalrats vom 14. Dezember 2022 / Seite 218

Morgen geht das Plenarjahr 2022 zu Ende, und Sie werden bei einigen Beschlüs­sen sagen: Das war unsere Pflegereform. Wenn Sie aber mit Menschen in der Pflege – in der mobilen Pflege, in den Krankenhäusern, in den Alters­heimen –, aber auch mit Betreuer:innen von Menschen mit Behinderungen sprechen, werden Sie herausfinden, dass das nicht reicht.

Damit wir also bei den Überbrückungshilfen und dem Angehörigenbonus einen ordentlichen Überblick bekommen, wo wie viel Geld im Pflegesystem ist, bringe ich noch folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Fiona Fiedler, BEd, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Kostenanalyse Pflege“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesund­heit, Pflege und Konsumentenschutz, wird aufgefordert, zum Zwecke der besseren Finanzierungsplanung eine umfassende Kostenanalyse der Pflege in Österreich zu erstellen und dem Nationalrat vorzulegen.“

*****

Obwohl es uns viel Kritik bringt: Die SPÖ-Forderung nach einer Anerkennung von Pflege als Schwerstarbeit wird dafür nicht ausreichen. Damit ändern sich Pensionsregelungen, aber das war es. Wir brauchen Änderungen für die Menschen, die jetzt im Beruf stehen, damit sie den Beruf für Patienten und Pflegebedürftige ausüben können, ohne dabei selbst auszubrennen.

Einen positiven Abschluss möchte ich dennoch finden. In der letzten Sitzung des Sozialausschusses ist es uns wieder einmal gelungen, einen Antrag einstimmig durchzubringen, allerdings hat sich ein Rechtschreibfehler eingeschlichen, den ich als Lehrerin so nicht stehen lassen kann. Deshalb bringe ich dazu einen Abänderungsantrag ein, der diese kleine Korrektur veranlasst.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll189. Sitzung, 189. Sitzung des Nationalrats vom 14. Dezember 2022 / Seite 219

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Fiona Fiedler, BEd, Kolleginnen und Kollegen

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Entschließungsantrag wird wie folgt geändert:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesund­heit, Pflege und Konsumentenschutz, wird aufgefordert, die Möglichkeit zu schaffen, die Verfügbarkeit eines, in einer (wie oben beschriebenen) Datenbank, vorhandenen Fotos automatisch zu überprüfen und erst bei Nichtvorhan­densein eines solchen Fotos vom Antragsteller/der Antragstellerin das Hoch­laden eines neuen Passfotos zu verlangen.“

*****

Unser Antrag mag jetzt nicht wie die Errungenschaft klingen, Sie können sich aber vielleicht vorstellen, wie umständlich und auch beschwerlich der Weg zum Fotografen für Menschen mit Behinderung ist, um das passende Foto für eben diesen Behindertenpass zu erhalten – ein zusätzlicher Weg auf einer langen bürokratischen Reise.

Was wären die großen Erfolge ohne die kleinen?, haben Sie, Herr Minister, mir nach diesem Antrag gesagt. Es freut mich sehr, dass es uns gelungen ist, diesen kleinen Erfolg zu verbuchen – aber warum bedarf es immer noch einzelner kleiner Anträge, um die Situation von Menschen mit Behinderung in unserer Gesellschaft zu verbessern?

Gestern erst wurde uns von Kollegen Marchetti erklärt, warum es nicht möglich ist, einfach einen Rechtsanspruch für Kinder mit Behinderung auf ein elftes und zwölftes Schuljahr zu gewähren: wegen der Länder. Warum ist es Kindern ohne Behinderung einfach so möglich, elf, zwölf oder sogar 13 Schuljahre zu absol­vieren? Es tut mir wirklich leid, ich verstehe es nicht! (Beifall bei den NEOS, bei Abgeordneten von SPÖ und FPÖ sowie der Abg. Ribo.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll189. Sitzung, 189. Sitzung des Nationalrats vom 14. Dezember 2022 / Seite 220

Würde sich die ÖVP nicht so vehement dagegen wehren, auch Menschen mit Behinderungen als wertvollen Teil unserer Gesellschaft zu sehen, hätten wir diese Gesetze schon längst. (Abg. Kirchbaumer: Das stimmt ja nicht!) Kommen Sie Ihrer Verpflichtung endlich nach: Sie haben 2008 die UNBehindertenrechtskonvention ratifiziert! Wir werden mit kleinen Anträgen, aber auch mit großen immer wieder in die gleiche Kerbe schlagen. Inklusion ist nicht karitativ, sie ist immer noch ein Menschenrecht. – (Den Dank auch in Gebärdensprache ausführend:) Danke. (Beifall bei den NEOS sowie der Abg. Oberrauner.)

14.03

Die Anträge haben folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Fiona Fiedler, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Kostenanalyse Pflege

eingebracht im Zuge der Debatte in der 189. Sitzung des Nationalrats über den Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 2717/A der Abgeordneten August Wöginger, Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundespflegegeldgesetz geändert wird (1824 d.B.) – TOP 10

Der Pflegenotstand ist in aller Munde; es wird über Kosten und zu niedrige Gehälter diskutiert, über Attraktivierung des Berufs und Bonuszahlungen. Wie viel unser Pflegesystem kostet weiß aber kaum jemand. Rechnungshofüberprüfungen geben zwar einzelne Einblicke (1), welcher Abdeckungsgrad an Versorgung damit gegeben wird ist allerdings unklar. Ebenso unklar ist, welche privaten Kosten noch dazu kommen, welche Pflegeleistungen mangels geeignetem Entlassungsumfeld in Krankenhäuser verlagert werden und welchen Anteil Bundes- und Landesleistungen darstellen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll189. Sitzung, 189. Sitzung des Nationalrats vom 14. Dezember 2022 / Seite 221

Der Pflegebedarf ist eine unbestrittene Wahrheit, immerhin war das schon 2011 klar (2). Die Entwicklung der Altersstruktur ist ein klarer Beweis für den steigenden Bedarf, zwischen 2025 und 2050 wird eine Verdreifachung der Kosten erwartet (3). Allerdings sind auch diese Prognosen nur mit dem vorhandenen Ausbaugrad gerechnet, ebenso berücksichtigt werden müsste aber auch, dass die Zahl der pflegenden Angehörigen wohl ebenfalls abnehmen wird (4). Zusätzlich müsste in den Berechnungen auch berücksichtigt werden, wie viele Pensionsbezüge zur Kosten­deckung direkt an Pflegeheime weitergeleitet wird und welche Summen der Mindestsicherung zur Abdeckung der Heimkosten genutzt wird. Da derartige Trans­ferleistungen bei einer Kostenanalyse aber genauso berücksichtigt werden müssten, wie das dafür dezidierte Budget (also beispielsweise das Pflegegeld), wäre es von Vorteil für die Budgetplanung, wenn es eine umfassende Kostenanalyse erstellt würde, auf deren Basis auch eine zukunftssichere Finanzierung erstellt werden kann.

Der heutige Beschluss des Angehörigenbonus und die zugehörige Debatte im Aus­schuss haben aber gezeigt, dass es bei den politischen Beschlüssen über die Finanzierung des Pflegesystems immer noch oft großen Bedarf nach Transparenz gibt. Weder wurde klar mit kommuniziert, wie viele Personen sich für welche Auszahlung des Angehörigenbonus qualifizieren, noch wurde klargestellt, wie die Einführung dieses Bonus sich budgetär beim Pflegegeld auswirkt. Damit derartige Entscheidungen künftig mit ausreichender Faktenbasis und Abschätzung ihrer Tragweite getroffen werden können, ist eine Kostenanalyse, wie die hiermit vorge­schlagene, unumgänglich.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, wird aufgefordert, zum Zwecke der besseren Finanzierungsplanung eine umfassende Kostenanalyse der Pflege in Österreich zu erstellen und dem Nationalrat vorzulegen."


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll189. Sitzung, 189. Sitzung des Nationalrats vom 14. Dezember 2022 / Seite 222

1 https://www.rechnungshof.gv.at/rh/home/home/004.682_Pflege_Oesterreich.pdf

2 https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20110926_OTS0107/pflege-hundstorfer-steigender-pflegebedarf-ist-herausforderung-der-zukunft

3 https://www.wifo.ac.at/news/pflegekosten_steigen_bis_2050_rasant

4 https://www.ig-pflege.at/hintergrund/datenundfakten.php

*****

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Fiona Fiedler, Kolleginnen und Kollegen

zum Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 1792/A(E) der Abgeordneten Fiona Fiedler, BEd, Kolleginnen und Kollegen betreffend Automatische Fotoimplementierung bei Beantragung eines Behindertenpass aus nationalen Datenbanken (1831 d.B.) - TOP 12

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Entschließungsantrag wird wie folgt geändert:

"Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, wird aufgefordert, die Möglichkeit zu schaffen, die Verfügbarkeit eines, in einer (wie oben beschriebenen) Datenbank, vorhandenen Fotos automatisch zu überprüfen und erst bei Nichtvorhandensein eines solchen Fotos vom Antragsteller/der Antragstellerin das Hochladen eines neuen Passfotos zu verlangen."

Begründung

Redaktionelle Korrektur.

*****



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll189. Sitzung, 189. Sitzung des Nationalrats vom 14. Dezember 2022 / Seite 223

Präsident Ing. Norbert Hofer: Beide Anträge, der Abänderungsantrag und der Entschließungsantrag, sind ordnungsgemäß eingebracht und stehen somit auch mit in Verhandlung.

Zu einer Stellungnahme hat sich Herr Bundesminister Johannes Rauch zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesminister.


14.03.21

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren Abgeordnete! Zuseherinnen und Zuseher! Zunächst zu zwei Punkten, die ja zur Abstimmung stehen, und dann natürlich auch ein Beitrag zur generellen Debatte zur Pflege, das kann und will ich hier und heute nicht auslassen:

Was wir heute abstimmen oder was Sie abstimmen, ist im Prinzip die Folge eines Entschließungsantrages vom 7. Juli 2022, als der Nationalrat zum Thema Angehörigenbonus beschlossen hat, dass die Bundesregierung aufgefordert wird, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zur Beschlussfassung zu übermitteln, mit der eine Möglichkeit geschaffen wird, nahen Angehörigen, beispielsweise Pensionistinnen, Pensionisten, neben zahlreichen anderen pflegenden und betreuenden Angehörigen, eben einen Angehörigenbonus zu gewähren. Das tun wir jetzt, und zwar in folgender Form.

Die Voraussetzungen sind: Es muss ein naher Angehöriger sein, der eine pflegebedürftige Person mit der Pflegestufe 4 – ich kenne die Kritik daran, ja – im gemeinsamen Haushalt überwiegend seit mindestens einem Jahr pflegt und der die Einkommensgrenze von 1 500 Euro nicht überschreitet. Dieser Bonus gebührt ab dem Jahr 2023 in der Höhe von 750 Euro und in der Folge dann jährlich in der Höhe von 1 500 Euro. Die Vollziehung wird durch die PVA sichergestellt. Dafür sind die technischen Voraussetzungen zu schaffen. Der Bonus tritt mit 1.7.2023 für beide Gruppen in Kraft. Die Aufwendungen dafür betragen im Jahr 2023 40 Millionen Euro und ab dem Jahr 2024 84 Millionen Euro pro Jahr. – Das ist der eine Teil.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll189. Sitzung, 189. Sitzung des Nationalrats vom 14. Dezember 2022 / Seite 224

Der zweite Teil betrifft die Entlastungswoche und die Nachtgutstunden. Alle im Gesundheitsbereich und in der Krankenpflege Beschäftigten haben – das halte ich für einen wesentlichen Fortschritt – ab einem Alter von 43 Jahren Anspruch auf eine sogenannte Entlastungswoche, de facto eine sechste Urlaubswoche. Das ist eine tatsächliche Entlastung für das Pflegepersonal in diesem besonders schwierigen Beruf. (Beifall bei Abgeordneten von Grünen und ÖVP.)

Wir stellen sicher, dass Nachtgutstunden – auch das ist wichtig – nicht auf die Entlastungswoche angerechnet werden, wie es bisher in vielen Kollektiv­verträgen bei einer bestehenden sechsten Urlaubswoche der Fall war. Zusätzlich stellen wir durch eine Änderung des Bundesgesetzes über Schutzmaßnahmen für das Krankenpflegepersonal sicher, dass Lücken bei den Zeitgutschriften geschlossen werden. Es erhalten auch alle Beschäftigten in Pflegeberufen unabhängig vom Dienstgeber 2 Stunden Zeitgutschrift pro Nachtdienst.

Das sind zwei wesentliche Bestandteile dessen, was wir im Sommer, vor dem Sommer als Pflegereform, Pflegemilliarde angekündigt haben, und mit der parlamentarischen Beschlussfassung wird dieser Baustein beschlossen. Ich halte fest: Es ist damit dem Auftrag des Parlaments, das zeitgerecht vorzulegen, nachgekommen worden.

Jetzt insgesamt zur Debatte und anknüpfend an Klubobmann Wöginger, bei dem ich mich noch einmal für die Umsetzung dieses Paketes bedanken darf: Ohne dich wäre das nicht gelungen!

Zur Einordnung: Es gibt ja bei mir im Ministerium eine Galerie, und in dieser Galerie sind die Bildnisse der jeweiligen Ministerinnen, Minister, die vor mir in diesem Amt tätig waren, auf einem schönen Board aufgelistet und aufgereiht – übrigens ist der Platz gleich aus, es gibt nur einen Platz für mich, und dann ist es irgendwie aus, dann muss man das Board verlängern –, und darunter finden sich zahlreiche Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten. Der Punkt ist aber schon der, Kollege Muchitsch – das können Sie auch gerne im heutigen „Standard“ nachlesen (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP) –: Ich bin ja


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gerne bereit, die Kritik entgegenzunehmen. Ich bin nicht derjenige, der sich hierherstellt und sagt: Nein, es ist eh alles super und wir sind am Ende angelangt – nein, das tue ich nicht –, aber Sie hatten jahrzehntelang Zeit als Verantwortungsträger in Regierungen in der Pflege Reformen in der Substanz, die wir jetzt vorlegen, zustande zu bringen. Sie haben es nicht hergebracht. Sie haben es nicht hergebracht! (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Muchitsch.)

Sie können es gerne nachlesen. (Abg. Krainer: Normalerweise sind Sie sachlich, das ist polemisch und unsachlich und an der Wahrheit vorbei! Das ist ein bisschen peinlich, Herr Minister!) Der Titel lautet nämlich heute: „Die SPÖ-Kritik an der Pflegepolitik blendet eigene Versäumnisse aus“. (Abg. Krainer: Normalerweise haben Sie ein bisschen ein Format, aber das ist sehr formatlos, was Sie hier abzeichnen! – Zwischenruf der Abg. Disoski.) Sie blenden die eigenen Versäum­nisse aus. (Neuerliche Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Ja, ich kann Ihre Aufgeregtheit nachvollziehen. Es ist immer unangenehm, damit konfrontiert zu werden. Wenn man nämlich mit Steinen wirft, dann sollte man nicht im Glashaus sitzen. Das ist ein altes Sprichwort. (Beifall bei Grünen und ÖVP. Zwischenruf des Abg. Muchitsch.)

Ich sage Ihnen eines: Wir haben mit dieser Pflegereform einen Schritt gesetzt. (Abg. Michael Hammer – in Richtung SPÖ –: Schickt den Stöger raus! Der soll sagen, was er gemacht hat!) Wir nehmen 1 Milliarde Euro für zwei Jahre in die Hand und kommen jetzt, im Dezember, das erste Mal in die Auszahlung. Ich sage Ihnen, wie sich das abspielt: Zuständig für die Umsetzung sind die Bundesländer. Ich habe unendlich viel Zeit darauf verwendet, sicherzustellen, dass im Dezember diese Auszahlung stattfindet, bundesweit einheitlich und in einer Höhe, die adäquat und vom Bodensee bis zum Neusiedler See gleich ist mit 2 000 Euro.

Das geschieht heuer in Form eines Bonus, ja, weil es noch nicht gelungen ist, so wie es angedacht war, das bereits im heurigen Jahr in den Kollektivverträgen zu verankern. Das ist die Zielsetzung. Dazu gibt es einen Beschluss der Konferenz


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der Landesrätinnen und Landesräte, das im nächsten Jahr als normale Gehalts­bestandteile in den Verträgen zu verankern. Nichts anderes war vorgesehen, das kommt ja nicht von ungefähr: Das muss Gehaltsbestandteil sein, das muss regelmäßig ausbezahlt werden und das muss auf Dauer bleiben, und genau das ist der Punkt, um den es geht! Wir werden im Zuge der Finanzausgleichs­verhandlungen sicherstellen – die Länder haben es angekündigt, das haben die Länder schon gesagt –: Niemand in den Ländern wird diesen Zuschuss, diese Gehaltserhöhung rückgängig machen. Das bleibt auf Dauer, muss Gehaltsbestand­teil sein und ist damit selbstverständlich sozialversicherungspflichtig und steuerpflichtig. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Damit Sie den Zugang verstehen, warum wir das so angelegt haben und dass das Bestandteil meiner und unserer Politik ist: In einem zweiten Bereich, im Bereich der Menschen mit Behinderung, kommt jetzt die persönliche Assistenz für Menschen mit Behinderung, und zwar in Form von Anstellungsverhältnissen. Das sind ganz normale Beschäftigungsverhältnisse, keine Nebenbeschäftigungen und keine Praktika, keine Dienstverhältnisse, die entlang irgendwelcher nicht sozialversicherungsrechtlicher und steuerrechtlicher Gegebenheiten stattfinden. Nein! Es sind Anstellungsverhältnisse, weil wir wollen – das ist die Zielsetzung –, dass Menschen, die in diesen Berufen tätig sind, ordentlich bezahlt sind und sozialversicherungsrechtlich und pensionsrechtlich abgesichert sind. Das ist im Bereich der Behinderten der Zugang und auch im Bereich der Pflege der Zugang.

Letzter Punkt, wenn es darum geht, darzustellen, wo die Notwendigkeiten in der Pflege insgesamt sind: Natürlich sind wir da nicht am Ende, das ist mir vollkom­men klar. Wir werden mehr Geld brauchen, auch was insgesamt die Pflege­auf­wen­dungen angeht, und was wir vor allem brauchen, ist Personal. Wir haben, was die Ausbildung angeht, in diesem Pflegepaket – ist erwähnt worden – den Ausbildungszuschuss, das Pflegestipendium verankert, mit der Zielsetzung, mehr


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Menschen in die Pflegeberufe zu bekommen. Und der Effekt ist da: Die Nach­frage ist da! Die Nachfrage für die Ausbildung in der Pflege steigt. Wir werden damit auch einen wesentlichen Effekt am Arbeitsmarkt erzielen.

Im Gesamten ist das Reformpaket, das wir präsentiert haben, wofür heute ein Baustein beschlossen wird, ein erster Schritt dazu, das, was wir in Österreich haben, nämlich eine gute, sichere und angemessene Pflege für alle, auch auf Dauer und auch in Zukunft sicherzustellen. Um nichts anderes geht es. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

14.11


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Alois Stöger. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


14.12.00

Abgeordneter Alois Stöger, diplômé (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Herr Bundesminister Rauch hat gerade behauptet, die SPÖ habe keine qualitativen Reformen, wie sie jetzt diese Regierung eingebracht hat, gemacht. (Zwischenruf der Abg. Ribo.)

Ich berichtige tatsächlich: Die SPÖ hat den Pflegeregress abgeschafft, den Pflegefonds eingeführt, die Pflegekarenz eingeführt, die Pflegeteilzeit eingeführt, die Familienhospizkarenz eingeführt und das alles nachhaltig finanziert. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ribo: Und die Arbeitslose auf 55 gesenkt! – Abg. Krainer: Jetzt schaut der Minister blöd aus der Wäsch’! – Abg. Kucher: Die Qualitätserweiterung kommt nicht einmal vor!)

14.12


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Mag. Ernst Gödl. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.



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14.12.51

Abgeordneter Mag. Ernst Gödl (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine geschätzten Damen und Herren! Hohes Haus! In puncto Pflege hoffe ich, Herr Bundesminister, dass dieser Platz in Ihrem Ministerium – nämlich der, wo das Bild hängt – noch lange frei bleibt, weil Sie, Herr Bundes­minister, und unser Klubobmann August Wöginger die Protagonisten dieser größten Pflegereform der letzten Jahrzehnte sind. Lieber Gust und lieber Herr Bundesminister, ein herzliches Danke für euren Einsatz, denn mit euch ist wirklich etwas weitergegangen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Als vor ziemlich genau 30 Jahren meine Großmutter verstorben ist, war sie schon in den dreieinhalb Jahren davor ein schwerer Pflegefall, nämlich bett­lägerig und großteils gelähmt. Es war selbstverständlich, dass wir sie innerhalb der Familie Tag und Nacht gepflegt haben. Das war wie gesagt 1991, 1992. Kurz darauf gab es den ersten großen Meilenstein. Herr Kollege Stöger, ich möchte das überhaupt nicht kleinreden, ich glaube, das soll auch Ausdruck einer ehrlichen Debatte sein. Es gab ein paar Meilensteine in der Entwicklung der Pflege, das anerkenne ich vollkommen. (Abg. Stöger: Danke!)

Die Einführung des Pflegegeldes im Jahr 1993 damals unter Rot-Schwarz war so ein Meilenstein. Man hat sich darauf verständigt, dass man Pflegebedürftige prinzipiell mit Geldleistungen unterstützen möchte, damit sie mit diesem Geld selbstbestimmt notwendige Leistungen zukaufen können oder eben auch die pflegenden Angehörigen bedienen können. Das war ein Meilenstein.

Es gab in der Folge – und auch das sei ehrlich gesagt – weitere wichtige Ent­wicklungen. Du hast es gerade vorhin in deiner etwas unkorrekten tatsächlichen Berichtigung angeführt, aber es stimmt. (Abg. Krainer: Was soll daran unkorrekt gewesen sein?) Die Einführung der Pflegekarenz, der Pflegeteilzeit, diese Ansprüche dann (Abg. Krainer: Der Präsident hat sie als korrekt empfunden!) – ich


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glaube, 2006, 2007 war das, wenn ich das richtig einordnen kann –, auch das waren wichtige Weiterentwicklungen, keine Frage.

Nun waren wir wieder gefordert, weil sich vieles verändert hat. Es hat sich vieles verändert in der Gesellschaft, in der familiären Zusammensetzung unserer Gesellschaft, in der Entwicklung auch des Alters – viele Menschen werden viel älter, weshalb auch der Pflegebedarf steigt. Ja, es gibt neue große Herausfor­derungen.

Erst dieser Bundesregierung ist es aber gelungen, wirklich extrem gute und wichtige Reformschritte zu setzen. Ich kann einfach nicht verstehen, liebe SPÖ, dass Sie nicht anerkennen, dass wir jetzt in Summe in dieser Legislaturperiode 1 Milliarde Euro in die Hand nehmen, um dieses Pflegesystem zu stärken, zu verbessern. Das ist eine große Leistung dieser Bundesregierung, und ich möchte auch bitten, das anzuerkennen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wir haben 20 Maßnahmen präsentiert. Die sogenannte teuerste Maßnahme mit insgesamt 570 Millionen Euro ist jener Pflegebonus, der zum Gehaltsbestandteil wird. Ich möchte das gar nicht noch einmal ausführen, unser Klubobmann und auch meine Kollegin Bedrana Ribo haben das wirklich genau erklärt. Ja, das ist immer als Gehaltsbestandteil versprochen worden.

Das, was wir am 12. Mai dieses Jahres, am Tag der Pflege, versprochen haben umzusetzen, das setzen wir jetzt Punkt für Punkt um. Wir haben drei große Bereiche zu stärken: die pflegenden Angehörigen, das Pflegepersonal und auch die Ausbildung. Das setzen wir jetzt Punkt für Punkt um. Es wurde bereits alles oder fast alles angeführt.

Ich erwähne noch einmal das Pflegestipendium, das mit 1. Jänner 2023 in Kraft tritt: 1 400 Euro monatlich als Unterstützung für jene, die in die Ausbildung gehen. Oder: Ausbildungsbonus. Auch dafür nimmt die Bundesregierung in den nächsten Jahren über 200 Millionen Euro in die Hand. Das ist ja nicht nichts,


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meine Damen und Herren von der SPÖ! Ich verstehe nicht, warum Sie es nicht lassen können, bei Themen, betreffend die Sie ein schlechtes Gewissen haben, weil Sie selber nichts zustande gebracht haben, hier herauszugehen und alles wirklich in Grund und Boden schlechtzureden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Nein, meine Damen und Herren, wir als Regierung haben das versprochen, wir haben es angekündigt – und wir setzen jetzt die größte Pflegereform der letzten Jahre und Jahrzehnte um! Heute stehen wieder drei ganz wichtige Beschlüsse an, und es wäre schön und es wäre gut, wenn alle, die in diesem Hause tätig sind, die nämlich für die gesetzlichen Regelungen verantwortlich sind, diesen auch zustimmen würden, nämlich im Sinne einer Verbesserung der Pflege für alle Betroffenen: für die zu Pflegenden, für die pflegenden Angehörigen und auch für jene, die in der Pflege arbeiten. Da bitte ich wirklich um Anerkennung und vor allem um Ihre Zustimmung! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

14.17


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Dietmar Keck. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.17.44

Abgeordneter Dietmar Keck (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Lieber Gust Wöginger, ja, ihr habt das als Gehaltsbestandteil versprochen – haben wir ja gerade wieder gehört –, aber, und das müsst ihr bitte auch dazusagen, das geht nur zwei Jahre, 2022 und 2023. (Abg. Wöginger: Ja!) Ab 2024 habt ihr keine Absicherung der Finanzen dafür, und damit ist dieser Gehaltsbestandteil ein befristeter und kein kompletter. Als Gehaltsbestandteil verstehe ich etwas, was ich mein Leben lang habe, wenn ich arbeite, Gust. (Beifall bei der SPÖ.)

Also das muss man wirklich dazusagen, wenn man bei den Fakten bleibt – und bleiben wir jetzt einmal bei den Fakten! Kollegin Ribo, du sagst, die Schwerarbeit betreffend können Frauen das nicht in Anspruch nehmen. – Es ist ganz einfach! Seit 15 Jahren oder länger fordere ich in diesem Haus: Nehmen wir dieselben


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Ansprüche, die wir für die Nachtschwerarbeit haben, für die Schwerarbeit. Was bedeutet das? – In den letzten 30 Jahren vor dem Stichtag 15 Jahre Nacht­schwerarbeit. (Abg. Ribo: Wieso habt ihr es nicht gemacht?) – Na weil die ÖVP nicht mitgegangen ist. Probiert ihr es! Ihr redet jetzt so groß, probiert es einfach, dann werdet ihr sehen, dass die ÖVP das nicht macht! Punkt, aus, fertig! Haben wir nicht geschafft, auch andere nicht, als die in der Regierung waren. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Ribo: Ihr habt den Bundeskanzler gestellt!) Man muss schauen, dass andere Regierungskoalitionen zustande kommen, dann kann man das umsetzen. Stimmen Sie bei unserem Neuwahlantrag mit, dann kommen andere Regierungskoalitionen zustande, dann kann man das umsetzen.

Aber jetzt zum Bundespflegegeldgesetz, das auch geändert wird: Dazu muss man sagen, es wird eingeführt, dass 1 500 Euro in monatlichen Teilbeträgen an pflegende Angehörige ausbezahlt werden. Wie schaut denn das aus? – Also es darf nur ein naher Angehöriger sein, der das bekommt, sprich: Ein Onkel, ein Neffe, eine Tante, ein Schwager und so weiter sind davon natürlich nicht betroffen, weil die ja laut Gesetz keine nahen Angehörigen sind. Dann muss es eine pflegebedürftige Person mit Pflegestufe 4 sein. Die Pflegestufe 4 setzt voraus, dass mindestens 160, maximal 180 Stunden Pflege im Monat notwendig sind.

Und was sagt dieses Pflegegeldgesetz dann noch aus? Wie schaut das aus? – Das heißt, die Zeiten zur An- und Auskleidung sind mit zweimal 20 Minuten festgelegt, Reinigung bei inkontinenten Patienten viermal 10 Minuten, Entlee­rung und Reinigung des Leibstuhls viermal 5 Minuten und, und, und, und. Man kommt auf 471 Minuten, hochgerechnet auf 7,1 Stunden – aber man hat nur maximal 6 Stunden. Wenn man das Mittel zwischen 160 und 180 heranzieht, nämlich 170 Stunden, bleiben noch 6 Stunden pro Tag für die Pflege der Person übrig.

Und was heißt das dann im Mittel? – Wenn ich 1 500 Euro – und Herr Professor Taschner, den ich sehr schätze, kann da jetzt mit mir mitrechnen – durch zwölf Monate dividiere, sind das 125 Euro im Monat. Wenn man dann die 125 Euro


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noch durch 30 Tage dividiert, sind das am Tag 4,16 Euro, und die 4,16 Euro durch 6 Stunden dividiert, die man täglich braucht, wenn man die Anforderungen dessen, was im Gesetz drinnen steht, erfüllen will, sind dann pro Stunde 69 Cent. Wir zahlen also 69 Cent aus, und es gibt dabei auch noch Erschwernisse.

Man muss in einem gemeinsamen Haushalt leben. Was bedeutet denn das? Ein gemeinsamer Haushalt ist gesetzlich definiert, und das bedeutet, dass der Lebensmittelpunkt in der gemeinsamen Wohnung sein muss. Gust, du wohnst am Land. Wie schaut es denn am Land aus? – Da baut der Sohn beim Haus der Eltern dazu. Die Hausnummer der Eltern ist 2, die Hausnummer des Sohnes ist 2a. Das ist dann kein gemeinsamer Haushalt mehr. Keine Chance, der kriegt das nicht mehr. Und wenn sie auch im selben Haus wohnen, aber getrennte Woh­nungen haben, dann ist der Lebensmittelpunkt auch nicht in der gemeinsamen Wohnung, dann kriegt man es auch nicht.

Das sind alles Dinge, auf die wir hinweisen, bei denen wir sagen, dass man da etwas tun muss, denn das sind alles Einschränkungen. Drei Viertel derer, denen man das geben will, kriegen es nicht, weil man diese Vorgaben gemacht hat. Da appelliere ich an das soziale Gewissen. (In Richtung Abg. Wöginger:) Wir zwei kennen uns lange genug, setzen wir uns zusammen! Ändern wir das, damit es wirklich alle kriegen, so wie wir das miteinander vorhaben. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Wöginger: Das Pflegegeld musst du auch rechnen, Didi!) – Ja eh, wenn ich das dazurechne, sind es 4 Euro in der Stunde.

14.21


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


14.21.35

Abgeordnete Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, ich muss es noch einmal sagen: 1 Milliarde Euro für die Pflege, das ist nicht nichts, bitte! 1 Mil­liarde Euro, das ist, wie bereits ausgeführt, ein Reformpaket mit 20 Maßnahmen,


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lange gefordert und von dieser Regierung Schritt für Schritt umgesetzt. 1 Mil­liarde Euro für eine wichtige erste Etappe. Der Herr Sozialminister hat es gesagt und auch unser Klubobmann Gust Wöginger, denen ich sehr danke, dass wir daran natürlich weiterarbeiten. Ich danke aber auch unserem Finanzminister Magnus Brunner, der erkannt hat, dass dieses Thema Priorität hat, und die Finanzierung sicherstellt. Auch das ist großartig und ist einmal festzustellen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich fasse es noch einmal zusammen: Der Bund unterstützt die Länder. Der Herr Sozialminister ist darauf eingegangen, dass er dafür sorgen wird, dass da auch die Umsetzungen durch die Gemeinden, die Trägerorganisationen erfolgen, die übrigens alle positiv zu dieser Reform stehen, das möchte ich auch noch einmal festhalten, und natürlich die Men­schen, die Pflegekräfte. Wir starten eine Ausbildungsoffensive mit dem Aufbau neuer Pflegeschulen, mit Ausbildungsstipendien von 1 400 Euro, mit Gehaltsauf­besserungen, und der Bonus soll in Zukunft natürlich Teil des Gehalts sein.

Und wir führen – und das kann man auch nicht oft genug sagen – mit der Entlastungswoche ab dem 43. Lebensjahr eine zusätzliche Urlaubswoche ein. Auch für Umsteiger:innen, auch für Wiedereinsteiger:innen gilt das. Zu den 2 Stunden Guthaben für Nachtdienste in Pflegeheimen habe ich, Herr Kollege Muchitsch, sehr, sehr viele positive Feedbacks bekommen.

Ja, wir müssen weiter daran arbeiten. Es sagt ja niemand, dass damit jetzt die Pflegereform abgeschlossen ist. Wir brauchen weiterhin alle Unterstützung für unsere Pflegekräfte, aber natürlich auch für die pflegenden Angehörigen, die auch sehr oft an ihre Grenzen stoßen, gar keine Frage, die 80 Prozent der Arbeit in den Familien leisten. Daher ist auch dieser Familienpflegebonus eine wichtige Wertschätzung, eine wichtige Anerkennung ihrer Arbeit. Auch da kann man sagen, es ist ein erster Schritt.

Ich bin froh, dass wir jetzt auch die Pensionistinnen und Pensionisten dabei haben, aber auch da werden wir natürlich weiterdiskutieren. Ich will jetzt gar


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nicht auf alle Details eingehen, aber man kann immer noch etwas verbessern. Wir werden uns jedenfalls weiter auch dafür einsetzen.

Wir müssen alles tun, um die Pflege daheim zu stärken, denn das ist menschlich, das wünschen sich unsere Seniorinnen und Senioren. Sie wollen so lange wie möglich selbstbestimmt in ihrer eigenen vertrauten Umgebung leben, und daher haben wir vonseiten der Politik alle Maßnahmen zu setzen, damit das möglich ist. Daher: Serviceleistungen ausbauen, auch die 24-Stunden-Hilfen noch besser fördern, die Qualität sichern, den weiteren Ausbau von Tagesstätten gewähr­leis­ten, mehr Kurzzeitpflegeangebote, kostenfreie Pflegekurse, die jetzt auch forciert werden, kostenfreie Gesprächstermine und Beratungen, die im Rahmen dieser Pflegereform auch forciert werden.

Ich möchte mich aber auch bei den vielen Selbsthilfegruppen bedanken, die groß­artige Arbeit leisten und gerade auch die Familien und Betroffenen sehr, sehr stark unterstützen.

Meine Damen und Herren! Um die Qualität der Pflege zu sichern, brauchen wir alle Settings. Wir brauchen die Pflege daheim, wir brauchen die stationäre Pflege und wir brauchen die mobilen Dienste. Wir brauchen aber vor allem auch mehr Prävention, und die sichern wir jetzt auch durch die Einführung der Community­nurses. Wir werden uns weiterhin dafür einsetzen, dass wir im Bereich der Pflege Verbesserungen erreichen, gar keine Frage.

An dieser Stelle möchte ich mich mit großem Respekt bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die in der Pflege arbeiten, bedanken, vor allem auch bei jenen, die jetzt in den Weihnachtsfeiertagen für ältere Menschen, für Menschen, die Pflege brauchen, da sein werden, während viele von uns im Urlaub sind. Ihnen gehört wirklich unser großer Respekt und ein großes Danke. Arbeiten wir doch auch hier im Interesse der älteren Menschen zusammen, sodass ein Leben in Würde und bei guter Lebensqualität im Alter gesichert ist! – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

14.25



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Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Peter Wurm. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.26.00

Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Werte Zuseher! Ja, das war jetzt ein spannendes Match zwischen Schwarz und Rot – oder eher eine Propagandashow, muss man sagen. Ich versuche, das jetzt vielleicht noch einmal nüchtern darzulegen, worum es da geht und wovon man da spricht, bevor eine Legendenbildung eintritt.

Zu diesem sogenannten Pflegebonus von 2 000 Euro darf ich noch einmal daran erinnern – ich weiß, Sie verdrängen die Geschichte gerne –, wie der entstanden ist: Warum gibt es den überhaupt? – Der ist entstanden, weil in der Coronazeit vier Parteien im Haus – ohne uns Freiheitliche – genau im Pfle­gebereich und in der Krankenversorgung das Personal schikaniert und überlastet haben. Das ist der Grund, warum der Pflegebonus entstanden ist. Dann hat es nämlich geheißen, Klatschen (der Redner klatscht in die Hände) alleine ist uns zu wenig, wir wollen auch Geld. Deshalb diskutieren wir den Pflegebonus.

Das Versprechen war ganz eindeutig: 2 000 Euro, natürlich netto bar auf die Hand, und das Versprechen war auch ganz eindeutig, Kollege Wöginger, dass das alle bekommen sollen, die während der Coronazeit unter diesen Zuständen gelitten haben. Jetzt bekommen sie es brutto und nicht netto, und es ist deutlich weniger, teilweise sogar die Hälfte. Und jetzt bekommt es auch nur die Hälfte des Personals, die im Pflege- und Krankenhausbereich tätig war. Das als Erfolg zu verkaufen, Herr Minister oder auch Sie von der ÖVP, das finde ich schon ein starkes Stück. Also bleiben wir bitte schön bei den Fakten und der Realität!

Zu den anderen Dingen, die wir heute diskutieren und möglicherweise auch beschließen werden: Bitte, das sind wichtige Schritte im Pflegebereich, kleine Schritte im Pflegebereich, durchaus sinnvolle Schritte im Pflegebereich, und die


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sind auch nur deshalb entstanden, sage ich einmal ganz deutlich, weil die Opposition da auch wirklich Druck gemacht hat.

Noch einmal – es wurde bereits erklärt –: Die Nachtschwerarbeitsregelung macht Sinn, die Regelung zum Pflegenachtdienst macht Sinn, selbstverständlich macht auch die sechste Urlaubswoche ab einem Lebensalter von 43 Jahren Sinn – das ist überhaupt kein Thema. Ich möchte nur darauf hinweisen, dass Sie auch die Möglichkeit geschaffen haben, sich diese sechste Woche auszahlen zu lassen, und das wird in diesem Bereich vermutlich sehr oft zum Tragen kommen, weil wir ja, wie wir wissen, dort zu wenig Personal haben.

Betreffend den Pflegebonus für Angehörige – auch das noch einmal, es wurde bereits ausgeführt – kann man sagen, dass das ein erster kleiner Schritt ist, man darf aber schon darauf hinweisen – und das ist halt das Problem mit dieser Regierung aus Grünen und ÖVP –, dass er viele sachliche, inhaltliche Mängel hat. Wenn ihr da „ein gemeinsamer Haushalt“ hineinschreibt, dann ist das halt einfach etwas, das in der Praxis nicht funktioniert, weil der Neffe in der Regel nicht im gemeinsamen Haushalt mit der zu pflegenden Person wohnt, oder auch die Schwester, Schwiegertochter, wer auch immer nicht. Warum ihr das genau so formuliert habt, dafür gibt es zwei Denkmodelle: Entweder ist es Unfähigkeit oder böse Absicht. Es kann mir ja jemand von Grün oder Schwarz sagen, was da zutrifft: böse Absicht oder Unfähigkeit. Warum für diese Maßnahme ein gemein­samer Haushalt Bedingung sein soll, könnt ihr nicht erklären.

Auch die Einkommensgrenze von 1 500 Euro finde ich nicht in Ordnung. Was macht man da, wenn jemand, und das ist oft der Fall, 1 550 Euro verdient? Ja, das passiert halt oft, und da ist man aber kein Schwerverdiener, wenn man das hat. (Abg. Gödl: Das ist bei jeder Grenze so!) Und die Grenze mit Pflegestufe 4 ist, so glaube ich, in der Praxis zu hoch angesetzt.

Gnädigerweise lassen wir das jedoch als kleinen, aber fehlerhaften – wirklich fehlerhaften – Ansatz der Regierung, in diesem Bereich etwas zu tun, gelten.


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Was gibt es dann noch? – Das von den NEOS, von Frau Kollegin Fiedler eingebrachte Anliegen, dass das Passbild mehr oder weniger automatisch in den Behindertenausweis übernommen wird, ist klarerweise eine sinnvolle Geschichte. Es sind ja lauter normale, kleine sinnvolle Dinge enthalten – aber sich jetzt mit einer Brandrede als ÖVP und Grüne hierherzustellen und zu sagen: Wir haben jetzt etwas geschafft?! – Bleiben wir bitte schön einfach bei den Fakten und bei den Tatsachen!

Ihr von der SPÖ habt gesagt, dass ihr aus Fehlern lernt – Kollege Lercher zumin­dest –, aber ich darf euch schon auf eines hinweisen: Ihr habt meiner Meinung nach nach wie vor einen großen Fehler in Wien sitzen, das ist Gesundheits­stadt­rat Hacker, der von seiner irren Politik, was Corona betrifft, ja gar nicht abgeht und nach wie vor die Leute in Wien quält. (Abg. Erasim: Ist „irre Politik“ kein Ordnungsruf?)

Das Ergebnis, geschätzte Sozialdemokraten, ist, dass das Krankenhaussystem in Wien zusammengebrochen ist. (Abg. Erasim: Ist „irre Politik“ kein Ordnungsruf?)

Wenn ihr das als Erfolg verkaufen wollt – ich anerkenne viele gute Ansätze der Sozialdemokratie, aber ihr habt noch viele Hausaufgaben zu machen. Macht eure Hausaufgaben, dann könnt ihr mit uns auch durchaus zusammenarbeiten! Und Richtung ÖVP: Bleibt bitte schön bei den Fakten, es sind kleine Schritte, sinn­volle Schritte, aber alles andere als ein großer Wurf im Bereich Pflege. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

14.31


Präsident Ing. Norbert Hofer: Frau Abgeordnete, weil Sie mich gefragt haben, ob Ihre Politik ein Ordnungsruf wäre (Abg. Erasim: Irre Politik!) – ich weiß nicht, ob es Ihre Politik oder irre Politik war, aber selbst wenn es Letzteres gewesen wäre: Ich erteile immer dann einen Ordnungsruf, wenn jemand persönlich beleidigt wird. Wenn der Abgeordnete gesagt hätte, die Person XY sei irre, dann wäre es ein Ordnungsruf gewesen. (Abg. Erasim: Die irre Politik des Herrn Hacker!) – Die Politik, es war die Politik! Ich weiß nicht, ob nicht sogar nur Ihre Politik gesagt


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wurde, aber wenn jemand persönlich beleidigt wird, dann erteile ich einen Ordnungsruf.

Zu Wort gemeldet ist nun Abgeordnete Bedrana Ribo. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


14.32.20

Abgeordnete Bedrana Ribo, MA (Grüne): Herr Präsident! Geschätzter Minister! Liebe Kolleg:innen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ich möchte kurz auf Tagesordnungspunkt 12 eingehen. Worum geht es da? – Es geht um den Antrag der Kollegin Fiedler von den NEOS betreffend mögliche Erleichterungen für Menschen, die beim Sozialministeriumservice online einen Behindertenpass beantragen.

Derzeit ist es ja so, dass bei jedem Antrag auf Ausstellung eines Behinderten­passes ein Foto angehängt werden muss. Oft kommt es vor, dass entweder kein Foto oder unabsichtlicherweise ein mangelhaftes Foto dabei ist, dann wird das wieder zurückgeschickt und das muss neu beantragt werden. Das ist also im Großen und Ganzen mit viel Verwaltungsaufwand und Bürokratie ver­bun­den – auf der einen Seite für die Verwaltung, aber natürlich auf der anderen Seite auch für die Betroffenen –, denn das bedeutet Mailverkehr, Briefverkehr, mehrere Wege, alles Mögliche, und das soll verhindert, das soll erleichtert werden.

Die Kollegin schlägt vor, dass eben ähnlich wie bei der E-Card in einem ersten Schritt überprüft werden könnte, ob bereits ein österreichischer Reisepass oder Personalausweis vorhanden ist, und dass man dann einfach von dort das Foto nimmt. Das würde allen Seiten vieles erleichtern. Wir Grüne finden die Idee natürlich gut und gescheit – danke für den Antrag, Kollegin Fiedler, den wir sehr gerne unterstützen.

Ein kleiner Hinweis: Im Jahr beantragen circa 35 000 Menschen den Behin­dertenpass, das heißt, das wird schon zu einigen Erleichterungen führen. Alles,


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das eben wie gesagt auf der einen Seite für die Verwaltung, aber auf der anderen Seite vor allem für die Betroffenen, in diesem Fall für Menschen mit Behin­derungen, weniger Arbeit bedeutet, wird unterstützt. Noch einmal danke, Kolle­gin Fiedler. (Beifall bei Grünen und NEOS.)

Ganz kurz noch zu der anderen Sache betreffend die Pflege, weil das jetzt unter einem diskutiert wird: Ich habe jetzt mehrmals von der SPÖ gehört, sie hätte ja so viel machen wollen, aber irgendwie wollte immer die ÖVP nicht. Ich möchte ganz kurz erinnern: Pflegemilliarde – also Pflegereform –, Valori­sierung der Sozial- und Familienleistungen, Frühstarter:innenbonus – alles unter grüner Regierungsbeteiligung und alles zusammen mit der ÖVP, also wenn man will, geht es doch! – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.34


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Mag. Christian Drobits. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.35.15

Abgeordneter Mag. Christian Drobits (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Wenn man heute die Regierungsparteien so hört, glaubt man gar nicht, dass dieses Pflegereförmchen so dargestellt wird. (Abg. Disoski: Geh bitte! – Abg. Ribo: 1 Milliarde!)

Dieses Pflegereförmchen, dieses Pflänzchen wird jetzt von allen Seiten verteidigt, eine Flucht nach vorne. Sogar der Bundesminister rückt aus, verteidigt dieses Pflegereförmchen und meint, dass das der große Wurf wäre. (Abg. Ribo: 1 Milliarde! – Abg. Disoski: Das Reförmchen, das ihr nie geschafft habt!)

Das ist nicht der große Wurf – das ist ein kleiner Wurf, denn hören Sie zu, was die Menschen draußen erzählen, wenn es um Pflege und Betreuung geht! Hören Sie zu, was die Pflegebeschäftigten erzählen! Es herrscht überall Jammer,


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es ist überall, auch bei den pflegenden Angehörigen, nicht angekommen, was Sie tun. Ihre Politik kommt nicht an – Sie versprechen viel, aber halten nichts. Das ist Ihre Politik, die Sie aktuell im Pflegebereich betreiben!

Ich möchte das kurz skizzieren: August Wöginger ist gerade nicht im Saal, aber wenn er von Verstaatlichung im Burgenland spricht, wenn er von Zwangs­anstellungen spricht, nehme ich ihn gerne an die Hand und nehme ihn mit ins Burgenland! Er soll sich anschauen, wie das Anstellungsmodell funktioniert, denn ich kenne nichts Besseres, das die ÖVP da machen würde.

Ich weiß auch nicht, wie es bei der Gemeinnützigkeit ist: Bei der ÖVP dürfte immer noch der Tenor sein, dass mit der Pflege schon auch Geschäft gemacht werden darf, denn es ist bis dato nicht umgesetzt worden, dass die Gemein­nützigkeit ins Gesetz hineinkommt. Das sind die Rahmenbedingungen, das spüren die Menschen in Österreich, und das merken sie auch.

Kollegin Ribo, Sie mögen vielleicht so eine selbst ernannte weibliche Robin Hood der Pflege sein. (Abg. Ribo: Was heißt „selbst ernannt“?) Ich möchte Ihnen sagen: Wenn Sie das sein wollen, dann müssen Sie aber auch entsprechend handeln und der Schwerarbeitspension für Pflege- und Betreuungspersonen zustimmen und diese nicht ablehnen. Was Sie gemacht haben, dass Sie sagen, viele Frauen erfüllten nicht die Voraussetzungen oder gehören nicht dazu, dass sie in die Schwerarbeitspension fallen: Das ist genau das, was draußen ankommt! (Abg. Ribo: Das sind Fakten! Fakten!)

Sie sind der Garant dafür, dass viele Frauen verzweifelt sind und nicht mehr wissen, ob sie in diesem Beruf weiterarbeiten können und wollen.

Sie behaupten auch, dass die Pflege- und Betreuungsarbeit keine besonders belastende Arbeit wäre (Abg. Ribo: Das stimmt nicht!), weil Sie ja damit auch unserem Antrag nicht zustimmen. Ich sage Ihnen offen und ehrlich: Das spüren die Menschen!


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Ich möchte jetzt auch noch zur Nachtschwerarbeit kommen, weil diese angesprochen wurde: Herr Kollege Gödl, Sie bedanken sich bei Herrn Wöginger und auch beim Herrn Bundesminister – ich habe aber noch keinen Dank dafür gehört, dass diese Nachtgutstunden heute gemeinsam beschlossen werden, weil die Nachtgutstunden, die Zeitguthaben für die Pflege- und Betreuungskräfte, unsere Initiative sind! Nein, das wollen Sie nicht tun. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Ich habe mich sogar ... bedankt! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Sie wollen sich mit fremden Federn schmücken, Sie wollen Ihr Pflegereförmchen verkaufen, und Sie denken dabei nur an sich selbst. Das ist momentan der Weg, den wir wahrnehmen. (Abg. Weidinger: Wir sind ja keine Sozis!)

Wir haben diese Nachtgutstunden angestoßen, wir wollten diese Lücke schließen, und wir werden auch die Schwerarbeitspension für Pflege- und Betreuungsfachkräfte durchbringen. (Zwischenruf der Abg. Ribo.)

Wir werden darum kämpfen, und eigentlich müsste normalerweise auch der ÖAAB Interesse daran haben, diesen Weg zu beschreiten, damit von der Schwerarbeitsverordnung neben den Polizisten, Justizwachebeamten und vielen anderen Berufen endlich auch die Betreuungs- und Pflegekräfte umfasst sind. Dazu werden wir auch kommen.

Wir haben aber eineinhalb Jahre gebraucht, bis wir die Nachtgutstunden hinein­gebracht haben: Kollege Wöginger hat gesagt, er müsse in Oberösterreich eine kleine Tour machen – die hat eineinhalb Jahre gedauert, hoffentlich dauert das bei der Schwerarbeitspension nicht so lange. Ich würde mich freuen, wenn es schneller geht.

Zum Pflegebonus: Ich meine, das ist ein Tohuwabohu, und, Herr Bundesminister, bei aller Wertschätzung für Ihre Person, aber das ist eine Spaltung. Das ist eine Differenzierung und sogar eine Diskriminierung, und ich glaube, das ist nicht richtig, was da passiert.


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Ich bringe deshalb auch einen Entschließungsantrag ein, der folgenden Inhalt hat:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Anerkennung für die Leistung der Gesundheitsberufe durch Auszahlung eines beitrags- und steuerfreien Entgeltbonus zum Ausdruck bringen“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesund­heit, Pflege und Konsumentenschutz und der Bundesminister für Finanzen werden aufgefordert, den Entgelterhöhungszuschuss für das Pflegepersonal für das Jahr 2022 – so wie es für den Teuerungsbonus vorgesehen ist, steuer- und beitragsfrei zur Auszahlung zu bringen und den Bezieher*innenkreis auf alle Gesundheitsberufsgruppen zu erweitern, die für den Behandlungsprozess erforderlich sind.“

*****

Liebe Kolleginnen und Kollegen, arbeiten wir endlich für jene Menschen in Österreich, die im Pflege- und Betreuungsbereich tätig oder auch pflegende Angehörige sind, zusammen! Tun wir nicht das, was Sie machen: Sie kupfern unsere Ideen ab, und die Grünen behaupten, die SPÖ hätte keine Arbeit im Pflegebereich geleistet – das ist unrichtig und das berichtige ich tatsächlich. – Danke schön für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Krisper.)

14.39

*****

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Philip Kucher, Josef Muchitsch


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Genossinnen und Genossen

betreffend Anerkennung für die Leistung der Gesundheitsberufe durch Auszahlung eines beitrags- und steuerfreien Entgeltbonus zum Ausdruck bringen

eingebracht im Zuge der Debatte zum Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 2717/A der Abgeordneten August Wöginger, Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundespflegegeldgesetz geändert wird (1824 d.B.) – TOP 10

Die Regierung hat am 12. Mai des heurigen Jahres die angeblich „größte Pflegereform der vergangenen Jahrzehnte“ verkündet und hat 20 Maßnahmen angekündigt, die noch heuer umgesetzt werden sollten.

Wie so oft blieb es bei vielen dieser Maßnahmen bei der Ankündigung.

Insbesondere eine Maßnahme, die eigentlich für die Aufwertung und Anerkennung der Pflegeberufe gedacht war, ist bis heute nicht umgesetzt. Es handelt sich dabei um den Entgelterhöhungszuschuss, der den Angehörigen der Pflegeberufe mehr Ein­kommen sichern sollte. Nicht nur, dass dieser auf zwei Jahre befristet ist und niemand weiß, wie es nach diesen zwei Jahren weitergehen soll, ist der Zuschuss für 2022 noch gar nicht zur Auszahlung gekommen.

Bei der Präsentation der Pflegereform Mitte Mai stellte Gesundheitsminister Johan­nes Rauch (Grüne) einen durchschnittlichen Bonus in Höhe eines Monat­sgehaltes in Aussicht. Es solle sich um einen "spürbareren Nettoeffekt" handeln, sagte er damals.

Jetzt soll diese Gehaltserhöhung als Einmalzahlung von 2.000 Euro brutto (inklusive Arbeitgeberanteil) Ende Dezember zur Auszahlung gelangen, allerdings voll versteuert und beitragspflichtig. Damit bleibt den Betroffen maximal 60 Prozent davon, also 1.200 Euro.

Es gäbe aber die Möglichkeit, diesen Bonus zu 100 Prozent den Betroffenen zukom­men zu lassen. Dazu müsste die Regierung nur ihr eigens für den Zweck der Teuerungsabgeltung beschlossenes Gesetz anwenden, wonach Arbeitsgeber ihren


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Mitarbeiter*innen einen Bonus bis zur Höhe von 3.000 Euro steuer- und beitragsfrei auszahlen können. Warum geschieht das gerade bei dem in den letzten drei Jahren so stark belasteten Pflegepersonal nicht?

Die Regierung hat aber auch bei dieser Maßnahme wieder einmal nicht verstanden, dass die Versorgung der Menschen im Gesundheitssystem nur durch einen Behandlungsprozess, an dem alle Gesundheitsberufe und alle zuarbeitenden Tätigen (Verwaltung, Reinigung, Küche etc.) beteiligt sind. Insbesondere bei den Gesund­heitsberufen zeigt die Praxis, dass eine Abgrenzung von Tätigkeiten nicht möglich ist und die Berufsgruppen eng zusammenarbeiten. Nur dadurch ist eine erfolgreiche Behandlung gewährleistet. Eine Abgrenzung iS des Entgelterhöhungs-Zweckzuschuss­gesetzes ist somit nicht gerechtfertigt.

Alle im Gesundheitssystem tätigen Berufsgruppen sind am Behandlungs- und Betreu­ungsprozess beteiligt, alle Berufsgruppen leiden unter Personalmangel, alle waren durch Corona von höherer Arbeitslast betroffen.

Was ebenfalls bei allen Berufsgruppen gleich vorkommt ist, dass sich die Tätigkeits­bereiche überschneiden, zB:

• Arbeit am und für den Menschen

• Kommunikations- und Beziehungsarbeit

• Erfolg für Patient:innen nur durch Zusammenarbeit möglich

• Verabreichung von Arzneimitteln

• Versorgung in Notfällen

An Hand einiger Beispiele sei das erläutert:

• OP-Assistenz und OP-Pflege zeichnen für überschneidende Aufgaben verant­wortlich, wie etwa Lagerung oder Patientenidentifikation


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• Physiotherapie und Pflege haben die Mobilisation oder die Wiedererlangung von Beweglichkeit gemeinsam

• Die Gemeinsamkeiten von Ergotherapie und Pflege finden sich in der Wieder­erlangung und Förderung von Aktivitäten des täglichen Lebens

• Der Biomedizinische Analytik und der Pflege sind die Bestimmung von Labor­parametern gemein

• Radiologietechnologie und Pflege vereint die Anwendung radiologisch-technischer Methoden

• Die Diabetesberatung ist die Gemeinsamkeit von Diätologie und Pflege

• Auch Hebammen üben pflegerische Tätigkeiten aus (gem. § 2 Abs 1 Z 9 und 10 Hebammengesetz)

Die Liste könnte noch fortgeführt werden, aber am bezeichnendsten ist die Regelung, die die Regierung selbst erlassen hat: Seit der Pandemie gibt es die Ausnahme­rege­lung, dass zur Unterstützung bei der Basisversorgung auch berufsfremde Personen eingesetzt werden können. So dürfen also z.B. MTD-Berufe, Hebammen, MAB-Berufe für pflegerische Tätigkeiten eingesetzt werden.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachfolgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz und der Bundesminister für Finanzen werden aufge­fordert, den Entgelterhöhungszuschuss für das Pflegepersonal für das Jahr 2022 – so wie es für den Teuerungsbonus vorgesehen ist, steuer- und beitragsfrei zur Auszah­lung zu bringen und den Bezieher*innenkreis auf alle Gesundheitsberufsgruppen zu erweitern, die für den Behandlungsprozess erforderlich sind.“

*****



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Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt nun Herr Mag. Gerhard Kaniak. – Bitte schön, Herr Abge­ord­neter.


14.40.09

Abgeordneter Mag. Gerhard Kaniak (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wenn man den Rednern der Regierungsparteien hier zuhört, dann könnte man fast den Eindruck gewinnen, dass nun mit den Beschlüssen, die heute gefasst werden sollen, das jahrzehntelange Problem in der Pflege behoben wird. Ja, die Situation in der Pflege, sowohl im stationären Bereich als auch in der Pflege zu Hause oder in den Altenheimen, war angespannt, aber sie war vor Corona bei Weitem nicht so dramatisch, wie sie das im Moment ist.

Ganz maßgeblich daran beteiligt, Herr Bundesminister, dass die Situation für Pflegekräfte mittlerweile untragbar geworden ist und dass sehr, sehr viele diesem Beruf den Rücken gekehrt, sich anders orientiert haben und dort nicht mehr tätig sind, waren Ihre zwei Vorgänger und diese Bundesregierung. Denn was ist alles passiert? Denken Sie zurück: Nach dem anfänglichen Schock und dem ersten Applaus, den die Pflegekräfte bekommen haben, ist genau gar nicht passiert! Die Pflegekräfte sind weiter schikaniert worden: mit Testzwang, mit Masken, mit Ganzkörperverhüllung, mit Impfzwang – die Impfung war noch bis zum letzten Herbst in den Pflegeschulen ein Aufnahmekriterium und Auflage bei Neuanstellungen von Pflegekräften und von Ärzten bei den Spitalsträgern. Das heißt, es ist kein neues Personal nachgekommen, ja Sie haben sogar auf die nächsten Jahre hinaus eine zusätzliche Pflegelücke mitproduziert!

Dass da die Perspektive für Menschen, die in diesem Beruf tätig sind und die ihre gesamte Energie opfern, um pflegebedürftigen Menschen zu helfen, fehlt, dass diese Energie irgendwann einmal endet, ist kein Wunder; wenn man nicht


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mehr sieht, wie man diese Arbeit bewältigen kann, und wenn man keine Unter­stützung bekommt, sondern ganz im Gegenteil immer mehr Menschen aus diesem Bereich verschwinden, abgesondert werden – übermäßig lange – oder in Parallelstrukturen abgeworben werden, die Sie selber aufgebaut haben: die Test- und die Impfstraßen, wohin zum Beispiel Diplompflegekräfte aus den Spitälern und aus den Altenheimen gegangen sind, weil die Bezahlung dort so attraktiv war – viel attraktiver, als das an ihren ursprünglichen Dienstorten der Fall war!

Die wenigen, die übrig geblieben sind, haben sich mit einem Arbeitspensum und Arbeitsumständen konfrontiert gesehen, die untragbar waren und es vielerorts heute noch sind. Was ist nun die Konsequenz? – Wir haben nicht nur in den Spitälern geschlossene Abteilungen, weil zu wenige Pflegekräfte da sind, es sind in den Alten- und Pflegeheimen ganze Stockwerke gesperrt; es gibt neue Heime, die fertig gebaut sind und gar nicht eröffnen können. Das kann ich Ihnen alles direkt aus meinem Umfeld erzählen, wo ich selber auch Alten- und Pflegeheime betreue. Und da helfen diese Maßnahmen, die Sie hier heute beschließen wollen, leider Gottes sehr, sehr wenig!

Teilweise sind sie sogar kontraproduktiv (Zwischenruf der Abg. Scheucher-Pichler), denn wenn Sie jetzt ad hoc die sechste Urlaubswoche und die zusätzlichen Freistunden für die Nachtstunden einführen, dann treffen diese Maßnahmen bereits jetzt auf Dienstpläne, die gar nicht mehr zu befüllen sind, weil das nötige Personal für die Betreuung der Menschen gar nicht mehr da ist.

Nötig gewesen wäre, dass Sie vor zwei Jahren auf uns gehört hätten, als wir gefordert haben, dass wir im Finanzierungsbereich den Ländern unter die Arme greifen; dass offensiv neue Mitarbeiter angeworben werden; dass offensiv Überstunden ausbezahlt werden, damit die Belastungssituation der Einzelnen nicht zu groß wird; dass offensiv in der Ausbildung mehr und nicht weniger Leute aufgenommen und keine künstlichen Hürden für die Ausbildung im Pfle­geberuf geschaffen werden.


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Ein Thema haben Sie heute gar nicht angesprochen, weder die Herren und Damen von der ÖVP noch die von den Grünen: Was ist denn mit der Kompe­tenz­ausweitung für die Pflegekräfte? Das ist doch die Anerkennung und die Aufwertung des Pflegeberufes, die wir hier brauchen! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Davon habe ich noch nichts gesehen. Das hätte nicht einmal etwas gekostet, und das hätten Sie auch sofort machen können. Stattdessen haben wir hier Zeit­geschenke und ein Spiel auf Zeit, befristete Gehaltserhöhungen, die dann auch noch sozialversicherungs- und steuerpflichtig sind. Sehr geehrter Herr Bun­des­minister, ich befürchte, mit diesen Maßnahmen alleine werden wir die notwen­dige Trendwende nicht einleiten können. Es mag ein richtiger erster Schritt sein, aber ich persönlich erwarte mir noch viele, viele weitere. (Beifall bei der FPÖ.)

14.44


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Nurten Yılmaz. Rapid wird sich heute auch freuen. – Bitte schön, Frau Abgeordnete. (Rhythmisches, schneller und lauter werdendes Klatschen, anfangs bei der SPÖ, dann bei allen Fraktionen, für die sich zum Redner:innenpult begebende Abg. Yılmaz.)


14.45.05

Abgeordnete Nurten Yılmaz (SPÖ): Herr Präsident, Herr Gemeinderat! Herr Bundesminister! Herr Bundesminister! Ja, ich war jetzt beeindruckt, ich wollte schon fast rausschreien: Pyrotechnik ist kein Verbrechen! Ich sehe das aber auch so. (Heiterkeit und Beifall bei SPÖ, Grünen und NEOS sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)

Werte Kolleginnen und Kollegen, zu diesem Tagesordnungspunkt Nachtschwe­rarbeitsgesetz passt meine Abschiedsrede eigentlich, weil ich weiß: Der Job – egal, was wir hier oft sagen und uns manchmal gegenseitig ungewollt oder gewollt vorwerfen – ist keine leichte Hacken, das, was wir da tun. Ich möchte,


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dass Sie sich selbst wertschätzen und dieses Selbstbewusstsein auch hinaus­tragen. Sie, wir sind gewählt. Die beiden Herren (auf die Bundesminister Kocher und Rauch deutend) sind bestellt. (Heiterkeit bei der SPÖ. – Beifall bei SPÖ, FPÖ, Grünen und NEOS sowie bei Abgeordneten der ÖVP.) Bitte geben Sie das nicht aus der Hand! Wir sind die Gewählten – leben Sie das auch!

Werte Kolleginnen und Kollegen, ich habe immer gesagt: Mit 65 Jahren ist Schluss. Ein Mandat ist nur Macht auf Zeit, geborgte Macht. Es ist Zeit, die Fackel weiterzugeben und die Schlüssel abzugeben. Ich möchte zu Beginn gleich einmal allen Mitarbeiter:innen im Parlament Danke sagen: den Reinigungs­kräften, den Sicherheitsdiensten, dem Internationalen Dienst für die Betreuung in der parlamentarischen Freundschaftsgruppe, den Polizistinnen und Polizisten und den Sicherheitsbediensteten, die für unsere Sicherheit sorgen, ob es draußen 36 Grad plus hat oder minus 10 Grad. Sie sind immer da. – Vielen herzlichen Dank. (Allgemeiner Beifall.)

Ich danke auch den Haustechnikern und allen Mitarbeiterinnen und Mitarbei­tern, die den Parlamentsbetrieb möglich machen und vor allem in Sachen Sicherheit alles geben. Wenn ich meine Utensilien, meine Laptops und Handys irgendwo verlegt habe, vergessen und verloren habe, wurden sie mir immer nachgetragen (Heiterkeit bei der SPÖ), und das war immer sehr beruhigend.

Beim Bedanken nicht zu vergessen sind natürlich die Kameramänner des ORF: Sie haben es immer wieder geschafft, wirklich wertvolle Aufnahmen von uns einzufangen, die dann bei „Willkommen Österreich“ landen. (Allgemeiner Beifall und Heiterkeit.) Wenn man bei „Willkommen Österreich“ landet, ist das eh schon viel wert, aber ich habe jetzt gehört: Im neuen Parlament gibt es die Herr­schaften nicht mehr, gibt es keine Kameras, keine Kameramänner. Das tut mir leid, das tut mir echt leid! (Beifall bei SPÖ, Grünen und NEOS.)

Selbstverständlich möchte ich mich bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern meines SPÖ-Klubs bedanken und bei meinen parlamentarischen Mitar­bei­ter:innen, und vor allem möchte ich meinen Wähler:innen danken, die mir 2013,


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2017 und 2019 ihr Vertrauen geschenkt haben. Ihr habt mir die Kraft und den Rückhalt gegeben. Eure Anliegen, eure Interessen, euer Mut und mitunter auch euer Zorn waren mein Auftrag!

Ich hoffe, dass ich als Sozialdemokratin, Sozialistin, Feministin unser Land gerechter machen konnte. Mir war es immer ein Anliegen, das Miteinander und den Zusammenhalt zu stärken, und, wenn jemand im Leben stolpert, nicht wegzuschauen, sondern die Hände zu reichen; und zwar allen, die hier sind und mit uns leben. (Allgemeiner Beifall.)

Ob mir das gelungen ist, müssen wohl andere entscheiden. Nicht nur während Corona wurde klar, dass ohne unsere migrantischen Arbeiter:innen nichts geht. Die wirklichen Leistungsträger:innen Österreichs haben viele Herkünfte.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es geht um Freiheit, Gleichheit und Demo­kratie, besonders für Frauen und Mädchen. (Beifall bei SPÖ, Grünen und NEOS sowie bei Abgeordneten der ÖVP.) Es geht um höhere Löhne, leistbare Mieten, eine klimagerechte Zukunft und ein gutes Bildungs- und Ausbildungssystem. Mit nationalistischem, rassistischem Spaltungsgerede kommt man in unserem Österreich nicht mehr durch und schon gar nicht mehr weiter. (Beifall bei SPÖ, Grünen und NEOS.)

Unser Land, besonders die Jungen, sind viel weiter, als es uns die medialen politischen Debatten über Integration und Migration manchmal glauben lassen.

Zum Abschluss möchte ich doch ein paar Punkte nennen, die mir in der sogenannten Integrationspolitik wichtig sind: Wir brauchen, werte Kolleginnen und Kollegen, hier im Parlament endlich einen eigenen Ausschuss für die Themen Integration und Teilhabe – auch um die Debatte zu versachlichen. (Beifall bei der SPÖ.)

Mittlerweile beträgt das Integrationsbudget – für 2023 – 107 Millionen Euro. Es kann nicht sein, dass von dem erwähnten Budget 90 Millionen Euro einfach in einer Blackbox namens Österreichischer Integrationsfonds verschwinden. Die


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Bürger, die Öffentlichkeit und wir haben das Recht zu wissen, was mit dem Geld passiert.

Wir brauchen jährlich aber auch 1 Milliarde Euro für unsere Kindergärten und viel mehr für unsere Ganztagsschulen. Es muss endlich sichergestellt werden, dass jedes Kind die Bildungsziele erreichen kann – und zwar unabhängig vom Geldbörsel der Eltern, von seinem Vornamen oder Geburtsort. (Beifall bei SPÖ, Grünen und NEOS.)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir sind hier im Haus zu Recht sehr schnell mit Fünfparteienanträgen gegen andere Diktaturen und Ungerechtig­keiten. Das darf aber nicht dazu führen, dass wir die autoritären Tendenzen und Gefahren hierzulande außer Acht lassen. Stärken Sie freie Medien! Stärken wir Betriebsrät:innen! Stärken Sie die freie Justiz! Schaffen Sie die Bedingungen, dass unsere Kinder und Jugendlichen zu selbstbewussten Demokrat:innen heran­wachsen! Soziale Teilhabe, soziale Sicherheit, ökonomische Selbstbestim­mung, politische Gleichheit, Demokratie – all das gehört zusammen. Bleiben Sie selbst­bewusst und widerständig!

Die Regierung ist nicht gewählt; gewählt sind Sie! Frei nach Ostbahn-Kurti: Losst’s eich nix gfoin! – Danke. (Lang anhaltender, stehend dargebrachter allge­meiner Beifall. – Abg. Yılmaz nimmt auf dem Weg zu ihrem Sitzplatz Glückwünsche und Geschenke entgegen.)

14.53


Präsident Ing. Norbert Hofer: Frau Abgeordnete, ich darf Ihnen sehr herzlich gratulieren und wünsche Ihnen alles Gute! Besuchen Sie uns hin und wieder! Alles Gute! (Allgemeiner Beifall.)

Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wird seitens der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Nein, das ist nicht der Fall.


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Wie vereinbart verlege ich die Abstimmungen an den Schluss der Verhandlungen über die Vorlagen des Ausschusses für Arbeit und Soziales und fahre in der Erledigung der Tagesordnung fort.

14.54.2313. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 2965/A der Abgeordneten Bettina Zopf, Mag. Markus Koza, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsmarktservicegesetz geändert wird (1819 d.B.)

14. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 2987/A(E) der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Arbeitslosenversicherungssystem und AMS-Schulungen dürfen nicht zum Ausländer-Arbeitsamt verkommen – Stopp der weiteren unqualifizierten Zuwan­derung in den österreichischen Arbeitsmarkt und den Sozialstaat (1820 d.B.)

15. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 3021/A der Abgeordneten Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller, Mag. Markus Koza, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeits­vertragsrechts-Anpassungsgesetz geändert wird (1822 d.B.)

16. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 2986/A(E) der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Zuwanderungsstopp in den österreichischen Sozialstaat jetzt – „Unser Geld für unsere Leute“ (1832 d.B.)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen nun zu den Punkten 13 bis 16 der Tagesordnung, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.


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Es wurde auf eine mündliche Berichterstattung verzichtet.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Peter Wurm. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Matznetter: Viel Zeit hat er nicht mehr!)


14.55.46

Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ): Herr Präsident! Herr Minister Kocher! Wir haben jetzt noch ein paar Minuten zu diesem Themenschwerpunkt, danach beschäftigen wir uns wieder mit dem Themenschwerpunkt Arbeit. Im Grunde genommen geht es um den Arbeitsmarkt, um die Situation im AMS – Schulungs­teilnehmer, Fachkräftemangel –, darum, wie wir sie lösen und was die der­zeitige Regierung in diesem Bereich macht.

Wir haben einen Antrag eingebracht, um quasi zu verhindern, dass sowohl der Sozialstaat als auch das Arbeitsmarktservice, das AMS, mehr oder weniger zu einem Ausländerbeschäftigungsdienst werden. Die Zahlen, die ich mithabe, auch aus einer aktuellen Anfragebeantwortung des Herrn Minister, sind sehr drama­tisch.

Ganz aktuell: Im Jahr 2022 sind von allen Schulungsteilnehmern beim AMS, die parallel auch noch Mindestsicherung oder Notstand beziehen, noch genau 18 Prozent österreichische Staatsbürger. 82 Prozent haben nicht die österreichi­sche Staatsbürgerschaft. Das heißt, diese Summen, die wir dafür aufbringen, dienen nicht den österreichischen Steuerzahlern und nicht den österreichischen Staatsbürgern.

Wenn ich mir weiter anschaue, wie es jetzt im Bereich der Arbeitslosigkeit ausschaut: Zurzeit befinden sich in etwa 330 000 Personen in Arbeitslosigkeit oder Schulung. Zwei Drittel davon sind österreichische Staatsbürger, ein Drittel davon sind nicht österreichische Staatsbürger.

Ebenso dramatisch ist die Zahl von rund 70 000 Personen, die beim AMS Schu­lungen machen. Da sind es bereits 53 Prozent nicht österreichische Staats­bürger, die diese Schulungen in Anspruch nehmen und die den Steuerzahler


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dementsprechend belasten – nur mehr 47 Prozent sind österreichische Staatsbürger.

In dem Fall muss man, glaube ich, einfach einmal sagen, dass das, was wir die letzten Jahre – um nicht zu sagen Jahrzehnte – prognostiziert haben, leider Gottes eingetroffen ist. Das heißt, die Milliarden Euro, die die Betreuung der Arbeitslosen inklusive Schulungen kostet, wie Kollege Loacker in seinem nächsten Redebeitrag feststellen wird, fließen leider Gottes zu einem Großteil nicht mehr den österreichischen Staatsbürgern zu. Das kann nicht im Sinne des Erfinders sein.

Wenn man auf diese nackten Zahlen – die finden Sie in der AMS-Statistik, die finden Sie in Anfragebeantwortungen des Ministers – hinweist, dann ist es, glaube ich, legitim, das zu diskutieren, vor allem in Zeiten wie diesen, wie wir alle wissen – das ist das Hauptthema, das sollte man bei diesem Dreitagesplenum ja nie außer Acht lassen –: Das Geld, das hier für kleine und große Dingen verteilt wird, hat der Staat nicht, jeder Euro ist mit Schulden belegt.

Die Regierung – oder der Minister – sagt immer: Wir wenden 200 Millionen Euro auf, wir wenden 1,5 Milliarden Euro auf! – Die Regierung hat das Geld nicht. Der österreichische Staat hat es nicht. Wir verschulden uns im kommen­den Jahr mit Minimum 17 Milliarden Euro. Das muss man immer dazusagen. (Präsident Sobotka übernimmt den Vorsitz.)

Wenn man diese Dinge diskutiert, ist die Frage: Will man das in dieser Form so fortschreiben, so weiterführen oder will man da Änderungen machen? Wir als Freiheitliche stehen ganz klar auf dem Standpunkt: Da bedarf es Änderungen! Wir wollen, dass das AMS diese Zahlungen für österreichische Staatsbürger – ich sage bewusst auch in Richtung Grüne: mit und ohne Migrationshintergrund – zur Verfügung stellt. Österreichische Staatsbürger sollten Anspruch darauf haben, dass sie beim AMS gut versorgt werden und dass sie auch Schulungen bekom­men. Es macht aber keinen Sinn, wenn ich Zehntausende Drittstaatsangehörige durch dieses System schleife, das den Staat und uns alle, die Steuerzahler, nur


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Geld kostet, uns aber nicht hilft, diesen Fachkräftemangel, den es gibt, auch nur annähernd zu beheben. – Das war einmal ganz kurz mein Statement.

Wir haben nun die nächsten 2 Stunden Zeit – und ich werde mich noch einmal zu Wort melden –, um den Arbeitsmarkt an sich zu diskutieren und alle Verfehlungen der Vergangenheit - -

15.00


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter, ich muss Sie unter­brechen, es ist nun 15 Uhr. Ich würde Sie bitten. (Abg. Wurm: Passt, habe ich vermutet, Herr Präsident!) Sie dürfen Ihre Rede dann fortsetzen. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Wurm: Ich komme wieder! – Abg. Amesbauer: Das war ... super ...!) – Ich muss mich entschuldigen, aber die Geschäftsordnung gibt vor, dass ich Sie nicht fertig formulieren lassen darf.

Ich unterbreche nun die Verhandlungen über die Punkte 13 bis 16 der Tages­ordnung, damit die verlangte Behandlung einer Dringlichen Anfrage gemäß der Geschäftsordnung um 15 Uhr stattfinden kann.

15.01.06Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft betreffend „der Stillstand in der Regierung, darf nicht zum Stillstand der Wirtschaft werden: Arbeitsmarkt­reform jetzt!“ (13233/J)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen nun zur dringlichen Behand­lung der schriftlichen Anfrage 13233/J.

Da diese inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich die Verlesung durch den Schriftführer.

Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:


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Begründung

Der Stillstand in der Regierung, darf nicht zum Stillstand der Wirtschaft werden: Arbeitsmarktreform jetzt!

Gestartet als "das Beste aus beiden Welten" ist diese Koalition aus ÖVP und Grünen schnell zum  "Welten entfernt vom Besten" geworden. Kein Antikorruptionsgesetz, kein Klimaschutzgesetz, keine strukturellen Reformen und Entlastungen. ÖVP und Grüne haben viel versprochen, aber nicht geliefert. Ihre Regierung scheitert dabei weder an der inhaltlichen Expertise noch an der Anzahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Über beides verfügen ihre Ministerien und Kabinette nämlich ausreichend. Es scheitert schlichtweg am politischen Willen. Während die beiden Regierungsparteien eine Reform nach der anderen verschieben, leidet der Standort Österreich, der Stillstand in der Regierung, darf jedoch nicht zum Stillstand der Wirtschaft werden.

Neben vielen anderen versprochenen aber verschobenen Reformen hat diese Regie­rung im Regierungsprogramm folgendes Ziel angegeben: „Weiterentwicklung des Arbeitslosengeldes mit Anreizen, damit arbeitslose Menschen wieder schneller ins Erwerbsleben zurückkehren können“. Die größte Herausforderung in den nächsten Jahren und Jahrzehnten wird der akute und demographisch bedingte Arbeits­kräftemangel sein. So werden allein in den nächsten Jahren 1,3 Millionen 55-64-jährige in Pension gehen, während gleichzeitig nur 0,9 Millionen 15-24-jährige auf den Arbeitsmarkt nachrücken werden (1). Lösungen, wie dieser Arbeitskräfteschwund kompensiert werden soll, werden von der Regierung bisher nicht angeboten. Auch Bemühungen, die Digitalisierung des AMS stärker voranzutreiben und die Arbeits­lo­senvermittlung effizienter und effektiver zu gestalten, wurden und werden von Teilen der Regierung und Teilen der Sozialpartnerschaft laufend torpediert. Auch bei der Reform der Rot-Weiß-Rot-Karte, um die Fachkräftezuwanderung zu erleichtern, blieb schlussendlich der große Wurf aus. Zuletzt scheiterte dann auch noch der groß angelegte Reformprozess zur Neugestaltung des Arbeitslosengeldes, da die Vorstel­lungen der ungleichen Koalitionspartner erneut weit auseinander lagen. Fakt ist: diese Koalition ist völlig am Ende und wird ganz offensichtlich keine dringend notwendigen


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Reformen umsetzen, um wesentliche Probleme - unter anderem am Arbeitsmarkt - zu lösen. Der Stillstand in dieser Regierung führt langsam aber doch zum Stillstand der Wirtschaft. Darunter leidet der Standort und Unternehmerinnen und Unternehmer in ganz Österreich.

Dabei bräuchte es genau jetzt endlich große Arbeitsmarktreformen, ohne die Wohlstand nicht aufrecht erhalten und der Sozialstaat nicht finanziert werden kann (2). Denn das AMS meldet sowohl bei den unbesetzten Lehrstellen (9.175) als auch bei den unbesetzten Stellen Rekordwerte (113.180) (3). Wobei man bei den offenen Stellen sogar von knapp 300.000 ausgehen muss, da dem AMS laut AMS-Chef Johan­nes Kopf nur 40 Prozent aller unbesetzten Stellen gemeldet werden.

Arbeitslosenversicherungsreform gescheitert

Die Regierung wollte die erste große Arbeitsmarktreform seit Jahrzehnten umsetzen, doch ÖVP und Grüne waren ideologisch zu weit auseinander, schrieb die Tages­zeitung "Die Presse" (4). Denn trotz eines akuten, demographisch bedingten Arbeits­kräftemangels konnten sich die Koalitionspartner auf keine Reform einigen, die es ermöglicht hätte, den Pool an Arbeitslosen schneller zu den vielen unbesetzten Stellen


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zu vermitteln. Dabei wurde am Beginn des Reformprozesses (März 2022) im Rahmen einer parlamentarischen Reform-Enquete noch Aufbruchsstimmung versprüht und zwischen den Koalitionsparteien partnerschaftlich versucht, Unstimmigkeiten (5) bezüglich der ALV-Reformideen nicht in den Vordergrund zu spielen. Deshalb konnte damals niemand den Eindruck gewinnen, dass der Reformprozess am Ende zur Gänze scheitern würde. Denn eigentlich hat es in diesem Reformprozess mehrere inter­essante Stoßrichtungen gegeben: zeitlich degressive Ausgestaltung der Netto­ersatz­rate, Einschränkung der Zuverdienstmöglichkeiten, Beschäftigung von Älteren und die Verkürzung der Vermittlungsdauer. Zumindest auf einzelne Vorhaben hätten sich die Koalitionspartner dabei einigen können. Dass sich die Koalitionspartner jedoch nicht einmal auf einzelne Punkte verständigen konnten, zeigt, wie am Ende diese Koalition ist.

Und das in einer Situation, in der Unternehmen händeringend nach Arbeitskräften suchen und der demographische Wandel die Wirtschaft schwächt. Damit aber leider nicht genug, denn die gescheiterte Arbeitsmarktreform wird sich schon bald negativ auf andere Bereiche übertragen; wie zum Beispiel im Pensionsbereich. Davor haben erst kürzlich der Präsident des Fiskalrates Christoph Badelt (30.11.2022, ZIB2) und der ehemalige Vorsitzende der Alterssicherungskommission Walter Pöltner (6) gewarnt und Reformschritte wie zum Beispiel die Anhebung des faktischen und gesetzlichen Pensionsantrittsalters eingemahnt. Diese Maßnahme würde nicht nur die Pen­sions­zuschüsse eindämmen, sondern auch den Arbeitskräftemangel reduzieren. Aber die Regierung unternimmt leider wie immer nichts.

Aber die permanenten wechselseitigen Koalitionsblockaden dürfen nicht dazu führen, dass wichtige Vorhaben wie etwa die Arbeitslosenversicherungsreform auf die lange Bank geschoben werden. Es geht schließlich um den Erhaltung des Wohlstandes in Österreich. Ein Wohlstand, der bereits jetzt erodiert, denn die aktuellen WIFO-Prognosen sind ein vernichtendes Urteil für die Arbeitsmarktpolitik der Regierung. So soll die Zahl der Arbeitslosen in den nächsten Jahren steigen (2022: 267.000; 2023: 282.000; 2024: 286.000; Quelle: WIFO, Budget 2023), trotz Arbeitskräftemangel


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und einer steigenden Anzahl an offenen Stellen. Die Reformschritte zur Arbeitslosen­versicherung müssen also schleunigst umgesetzt werden, um schnellere Vermitt­lungen zu ermöglichen und die Anreize für eine kürzere Arbeitslosenverweildauer zu schaffen. Nur an die nächste Wahl zu denken, ist schlichtweg zu wenig.

Umsetzung des degressiven Arbeitslosengeldes gescheitert

Mit großem Tamtam wurde im März die Reform des Arbeitslosengeldes ankündigt (7), nur leider ist die Reform vor kurzem genauso pompös gescheitert, wie sie angekündigt wurde. Denn ÖVP und Grüne wurden sich wieder einmal nicht einig. Dabei wäre es eine wesentliche Weiterentwicklung des Arbeitslosengeldes gewesen, wenn das Arbeitslosengeld im zeitlichen Verlauf degressiv ausgestaltet worden wäre. Dies hätte nämlich den Anreiz geschaffen, schneller wieder einen Job aufzunehmen. Die daraus resultierende Verkürzung der Vermittlungs- bzw. Arbeitslosenverweildauer wäre in Zeiten des akuten Arbeits- und Fachkräftemangels ein wichtiger Faktor, um die vielen vakanten Stellen zu besetzen und den Wohlstand zu sichern. Davon abgesehen hätten die Arbeitslosen insofern profitiert, weil ihnen in der Anfangsphase der Arbeits­losigkeit eine höhere ALG-Ersatzrate zugestanden worden wäre. Vor allem die Gruppe der Arbeitslosen,  die sich schnell einen neuen Job sucht und weniger als drei Monate Arbeitslosengeld bezieht, hätte massiv vom degressiven Arbeitslosengeld profitiert. Laut AMIS-Datenbank des BMAW betrifft das mehr als die Hälfte der Arbeitslosen. Gleichzeitig wäre durch die Mindestsicherung weiterhin sichergestellt, dass Lang­zeit­arbeitslose monatlich nicht unter 1000 Euro Nettoeinkommen fallen. Wobei dieser Gruppe darüber hinaus sämtliche Inflations-, Wohn-, Energie- und Familienhilfen/-zuschüsse und AMS-Schulungen zugestanden werden. Die Sozialabbaurhetorik, die von manchen bezüglich des degressiven Arbeitslosengeldes propagiert wird, ist daher nicht richtig und zu kurz gedacht. Ganz im Gegenteil, denn das AMS hätte durch die kürzere Vermittlungsdauer sogar mehr Budget für Langzeitarbeitslose gewonnen. So berechnete das Arbeitsministerium im Zuge der Budgetanfragebeantwortungen, dass eine Verkürzung der durchschnittlichen Arbeitslosendauer um ein Monat beim AMS 828 Mio. Euro Budgetmittel freispielen würde: "Unter der Annahme einer durch-


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schnittlichen Verweildauer vor Abgang (Arbeitsaufnahme) im Jahr 2021 für Arbeit­slose, Schulungsteilnehmer und Lehrstellensuchende von 119 Tagen und unter der Annahme von ca. 600.000 jährlichen Abgängen in Arbeit und unter der Annahme einer Verkürzung der Vermittlungsdauer um 30 Tage ergibt sich ein geschätzter Entlastungseffekt iHv. rund € 828 Mio. (inklusive Sozialversicherungsbeiträge bei Arbeitslosigkeit)." (Budgetanfragebeantwortung zur UG20 Arbeit - Budget 2023)

Bessere Anreizgestaltung bei Zuverdienstgrenzen gescheitert

Bedauerlich ist zudem, dass die Neugestaltung der Zuverdienstgrenzen während der Arbeitslosigkeit (bis zu 486 Euro je Monat, Geringfügigkeitsgrenze) nicht angegangen wurde (8). Denn flexibel ausgestalte Zuverdienstgrenzen (Einschleifregelungen) hätten die Erwerbsanreize massiv erhöhen und die Arbeitslosenverweildauer deutlich senken können. So berichtete Arbeitsminister Kocher zuletzt im Budgetausschuss über die Anreize und Fehlanreize bei Geringfügigkeitsjobs bzw. Zuverdienstgrenzen bei gleich­zeitigem Bezug einer Leistung aus der Arbeitslosenversicherung: "Eine neuere Studie des AMS Kärnten habe gezeigt, dass bei Arbeitslosen, die kürzer arbeitslos sind, eine geringfügige Beschäftigung die Dauer der Arbeitslosigkeit tendenziell verlängere, während bei Menschen, die schon sehr lange arbeitslos sind, eine geringfügige Beschäftigung eher dazu führe, dass sie wieder einen Job bekommen, schilderte er" (9).

Vor allem bei Langzeitarbeitslosen hätte man mittels flexiblen Zuverdienstgrenzen (Einschleifregelung) enorme Beschäftigungseffekte erzielen können, da die Menschen bei einer Jobaufnahme die Mindestsicherung nicht zur Gänze verlieren würden und den Wiedereinstieg ins Erwerbsleben somit eher wagen würden. NEOS weist bereits seit Jahren auf die potentiellen Beschäftigungseffekte von flexiblen Zuverdienst­grenzen für Langzeitarbeitslose hin ("Liberales Bürgergeld") (10), wobei zuletzt ein vergleichbares Zuverdienst-Konzept im Rahmen der deutschen Bürgergeldreform umgesetzt wurde (11). Damit hätte diese Gruppe für einen gewissen Zeitraum die Notstandshilfe/Mindestsicherung weiterhin beziehen können, auch wenn die Geringfügigkeitsgrenze überschritten worden wäre, was die Chancen für den Wechsel in einen Vollzeitjob deutlich erhöht hätte. Aufgrund der gescheiterten Reform wurde


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aber leider eine weitere Chance vertan, die Langzeitarbeitslosigkeit ohne Mehr­auf­wand zu reduzieren. Es wird in Österreich leider zu oft unterschätzt, welche enorme Wirkung eine intelligente Ausgestaltung von Anreizen auf die Reduktion der Langzeitarbeitslosigkeit haben kann. Stattdessen werden hohe Millionensummen in wenig effektive Arbeitsmarktprogramme geschüttet. So antwortete der Arbeits­minister in den Budgetanfragebeantwortungen zur "UG20 Arbeit", dass das Pro­gramm Sprungbrett zwar 339 Mio. Euro verschlungen hat, jedoch 2023 nur 50 Mio. Euro an Budgetentlastung bringt. Erfolgreiche Arbeitsmarktpolitik sieht anders aus.

Regierungsprogramm: "Weiterentwicklung des Arbeitslosengeldes mit Anreizen, damit arbeitslose Menschen wieder schneller ins Erwerbsleben zurückkehren können."(12)

Beschäftigungsanreize für mehr Erwerbstätigkeit bei Älteren und Babyboomern gescheitert

Faktisch jede Studie der OECD und der EU-Kommission über die Arbeitsmarktlage weist auf die niedrige, österreichische Beschäftigungsquote im Alter hin. Dennoch wird auch beim aktuell akuten, demographisch bedingten Arbeitskräftemangel nichts unternommen, um ältere Beschäftigte länger im Erwerbsleben zu halten. Dabei müsste sich die Regierung bei akutem Arbeitskräftemangel dafür einsetzen, längere Wochen­arbeitszeiten, Überstunden und vor allem spätere Pensionsantritte zu fördern. Es sind jedoch keine konkreten Maßnahmen seitens der Bundesregierung bekannt, die darauf abzielen, die Babyboomer länger in Beschäftigung zu halten. Dabei berechnete das Sozialministerium im Rahmen der Budgetanfragebeantwortungen, dass ein um ein Jahr späterer Pensionsantritt nicht nur die Pensionen um 7-8% erhöhen würde, sondern auch das Budget jährlich um min. 2,8 Mrd. Euro entlasten würde (13). Aber trotz dieser enormen, positiven Effekte auf die Beschäftigung, die Pensionshöhe und das Budget, setzte sich die Regierung im Budget 2023 nur ein völlig unambitioniertes Ziel. Denn laut den Budget-Wirkungs­zielen plant die Regierung das faktische Pensionsantrittsalter bis 2030 nur auf 62 Jahre zu erhöhen. Das entspricht eine Steigerung von bloß einem Jahr, während in Schweden oder der Schweiz jetzt schon bis 65 bis 66 Jahre gearbeitet wird. Da die Regierung offenbar nicht bereit ist, das faktische Pensionsantrittsalter


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stärker zu erhöhen, würde man sich zumindest erwarten, dass die Beschäftigungs­anreize für Pensionist:innen ausgebaut werden. Aber auch bei dieser Baustelle passiert nichts. Zuletzt wurde im Sozialausschuss nicht einmal der NEOS-Antrag angenommen, erwerbstätige Pensionist:innen von den Dienstnehmer-Pensions­beiträgen zu befreien, um zumindest das Arbeitskräftepotential unter den Pensio­nist:innen besser zu nutzen. Dabei stoßen speziell bei Pensionist:innen die Pen­sionsbeiträge regelmäßig auf Unverständnis und halten Pensionist:innen von einer Erwerbstätigkeit ab.

Großer Wurf bei der RWR-Karten-Reform gescheitert

Zwar hat die Regierung vor dem Sommer eine Reform der Rot-Weiß-Rot-Karte vor­gelegt, um die Fachkräftezuwanderung zu erleichtern, doch man kann hier bestenfalls von einem Reförmchen reden. Denn während der österreichische Arbeitsmarkt in den nächsten Jahren jährlich knapp 40.000 ausländische Fachkräfte braucht, um den demographisch bedingten Arbeitskräfteschwund zu kompensieren, beläuft sich der Bestand an RWR-Karten-Arbeitskräften gerade mal auf 5000 Beschäftigte. Ein Tropfen auf den heißen Stein. Relativ deutlich zeigt sich das bei der für Österreich so wich­tigen Branche "Tourismus & Gastronomie". Hier ist die Zahl an unbesetzten Stellen zuletzt auf den Rekordwert von 15.323 gestiegen, während gleichzeitig nur 2.705 Tourismus-Stellen mit Saisoniers und RWR-Karten-Fachkräften besetzt wurden (14). Es ist deshalb unverständlich, weshalb sich die Regierung hier vor den Gegnern der Fachkräftezuwanderung (FPÖ, SPÖ, Arbeiterkammer und ÖGB) ein­schüchtern lässt und von größeren Reformen abhalten lässt. Zudem vermindern ewig lange Verfahren für Fachkräfte aus Drittstaaten zur Erlangung der RWR-Karte und veraltete Rahmen­bedingungen die Chancen für innovative Unternehmen, hoch­qualifiziertes Personal zu bekommen. Auch Mitarbeiterbeteiligungen haben sich zum Beispiel gerade im Start-up-Bereich als probates Mittel erwiesen, um die besten Köpfe zu gewinnen, zu halten und zu Bestleistungen zu motivieren. Branchenvertreter gehen davon aus, dass allein im IT-Bereich 24.000 Fachkräfte fehlen, was wiederum laut UBIT-Verband der Wirt­schaftskammer einen jährlichen Wertschöpfungsverlust von rund 3,8 Milliarden Euro nach sich zieht. Flexible und modernere Gesellschafts­strukturen wären hierfür ein


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wichtiges Instrument. Trotz zahlreicher Versprechen von Seiten der Bundesregierung wurde aber noch immer keine moderne Form der Mitar­beiterbeteiligung vorgelegt.

Quelle: BMAW (RWR-Karten, Saisoniers), AMIS-Datenbank (Offene Stellen)

Stärkere Arbeitsmarktintegration von Ukrainer:innen und Asylwerber:innen gescheitert

Die größte gesellschaftliche und soziale Herausforderung wird die erfolgreiche Arbeitsmarktintegration von anerkannten Flüchtlingen sein. Die Herausforderung wird vor allem darin bestehen, diese Flüchtlinge mit teils niedrigen (Aus-)Bildungs­abschlüssen in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Diese Ausweitung des Arbeits­kräftepotenzials muss keine Belastung für den Arbeitsmarkt darstellen, wenn frühzeitig Initiativen gesetzt werden und eine durchdachte Strategie durch die Regierung initiiert wird. Das, was allerdings bisher in diesem Bereich gemacht bzw. angekündigt wurde, reicht nicht aus. Nicht einmal die verhältnismäßig leicht integrierbaren Flüchtlinge aus der Ukraine konnten schnell in den Arbeitsmarkt integriert werden. Solange (Aus-)Bildung, Anerkennungen von Schul- bzw. Berufsausbildungsabschlüssen und Möglichkeiten der Arbeitsaufnahme erst nach


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Erledigung des Asylverfahrens eine Rolle spielen, wird es langfristig für diese Menschen schwer, sich am Arbeitsmarkt - aber auch in der Gesellschaft - zu integrieren und ein eigenständiges Leben zu führen. Die Bundesregierung vergibt hier Chancen, den Arbeitsmarkt zu bereichern und die Integration massiv voranzutreiben. Eine weitere Problematik stellt auch die Möglichkeit dar, dass Asylwerber:innen während eines laufenden Verfahrens eine Lehrausbildung beginnen dürfen. Es ist nicht problematisch, dass sie das dürfen, sondern vielmehr, dass sie aufgrund eines negativen Asylbescheides diese Lehre nicht abschließen dürfen. Dies führt natürlich zu einem negativen Anreiz für die Unternehmen, Asylwerber:innen einen Ausbil­dungsplatz zur Verfügung zu stellen, da nicht klar ist, ob sich die Investitionen in diese Lehrstelle überhaupt auszahlen, falls die Lehre aufgrund eines negativen Asylbe­scheides abgebrochen werden muss. Aus diesem Grund wird auch die Ausweitung der Lehrberufe für Asylwerber:innen keine entsprechend positive Wirkung haben. Grundsätzlich muss auch klar sein, dass Asylwerber:innen, die sich während des Verfahrens selber erhalten können und eine entsprechende Arbeitsmarktintegration schaffen, auch die Möglichkeit haben müssen, ihren Aufenthaltsstatus als Asyl­werber:in in eine Aufenthaltserlaubnis aufgrund einer Erwerbstätigkeit umzuwandeln. Gerade die restriktiven Regelungen der Rot-Weiß-Rot-Karte verhindern eine solche unkomplizierte Möglichkeit zur Arbeitsmarktintegration. Relativ düster wird es hier bei der Arbeitsmarktintegration der verhältnismäßig relativ leicht integrierbaren Ukrainer:innen. Denn von etwa 80.000 geflüchteten Ukrainer:innen sind derzeit nur knapp 5000 am Arbeitsmarkt untergebracht.

Zumutbarkeitsbestimmungen: Stärkere bundesländerübergreifende Arbeitskräfte­vermittlung nicht gelungen

Ein wesentlicher Hebel die Rekordzahl an unbesetzten Stellen zu besetzen, ist die Mobilität der Beschäftigten und die entsprechenden AMS-Vermittlungskriterien. In Österreich gibt es traditionell regionale Unterschiede zwischen Stellenangeboten und Nachfrage, wobei im Osten die Zahl der Arbeitssuchenden dominiert, während im Westen tendenziell die offenen Stellen überwiegen. Dementsprechend oft hat die


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ÖVP, vor allem der ÖVP-Wirtschaftsbund, gefordert, die regionalen AMS-Vermitt­lungskriterien entsprechend anzupassen, um regionenübergreifend leichter Stellen besetzen zu können. Im Regierungsprogramm wurde sogar angekündigt, die Zumut­barkeitsbestimmungen zu reformieren. Passiert ist jedoch bisher nichts. Dabei ist speziell bei jüngeren, kinderlosen Arbeitslosen eine Anpassung der Zumutbarkeits­bestimmungen sinnvoll. Denn nicht nur die Unternehmen, die offene Stellen nicht besetzen können, leiden unter den restriktiven AMS-Vermittlungsbestimmungen, sondern auch die Arbeitslosen selbst. Denn zum Einen wiegt die verlorene und feh­lende Erwerbspraxis, vor allem bei jüngeren Arbeitslosen, und zum Anderen verlieren die Menschen wichtige Beitragsjahre für die spätere Pension, was unwei­gerlich zu Altersarmut führt. Anstatt hier weiterhin zuzusehen, muss die Regierung endlich ein Paket schnüren, die Zumutbarkeitsbestimmungen zu lockern und Arbeitskräfte­mobilität stärker zu fördern.

Regierungsprogramm: "Zumutbarkeitsbestimmungen reformieren" (12)

Verwaltungsreform und Digitalisierung des AMS gescheitert

Relativ ernüchternd ist zudem die AMS-Verwaltung bezüglich Digitalisierung, obwohl im Regierungsprogramm die "Weiterentwicklung des AMS-Algorithmus" niederge­schrieben ist. Denn die österreichische Arbeitsmarktpolitik ist unter anderem durch zögerliche Digitalisierung der Verwaltungs- und Vermittlungsprozesse gekenn­zeich­net, sprich: technologische Neuerungen werden grundsätzlich nur langsam umge­setzt. Ein aktuelles Beispiel ist die Aufregung über den Ausbau der digitalen Unter­stützung im AMS (z. B. "AMS-Algorithmus"), die rational nicht mehr erklärbar ist. Und das, obwohl keine Beispiele vorliegen, bei denen eine stärkere Digitalisierung in der Verwaltung nicht zu einer Entlastung von Verwaltungsmitarbeiter:innen und Bürger:in­nen geführt hat. Gleichzeitig fordern jene Interessenvertreter:innen und Parteien, die am schärfsten gegen die AMS-Digitalisierung opponieren, regelmäßig mehr Personal für das AMS. Das klingt zunächst nachvollziehbar, hat aber bei einem Blick auf die Entwicklung der entsprechenden AMS-Kennzahlen (Personal und Langzeitarbeitslose) in den letzten Jahren wenig gebracht. So wurde der AMS-Per­sonalstock seit 2008 von 4.468 VZÄ um 28 Prozent auf knapp 5.700 erhöht,


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trotzdem ist Zahl der Langzeitarbeitslosen (>1 Jahr arbeitslos) von 5.746 (2008) auf 80.070 (2021) explodiert (15). Wobei dieser starke Anstieg nur zu einem Teil auf die COVID-Pandemie zurückzuführen ist, denn schon im letzten Jahr vor der Pandemie (2019) war die Zahl der Langzeitarbeitslosen 8-mal höher als 2008. Paradoxerweise ist neben dem starken Anstieg bei den Langzeitarbeitslosen auch die Zahl der beim AMS gemeldeten offen Stellen seit 2008 von 37.498 deutlich auf knapp 113.000 gestiegen, wobei die Zahl der tatsächlich offenen Stellen wohl sogar knapp 300.000 liegt - laut Johannes Kopf/AMS werden nur rund 40 Prozent der offenen Stellen beim AMS gemeldet. Diese Entwicklungen lassen zusätzlich Zweifel aufkommen, ob die herkömmlichen Maßnahmen, nämlich AMS-Personalaufstockungen, für eine erfolg­reichere Arbeitslosenvermittlung ausreichend sind. Viel eher ist anzunehmen, dass das AMS ohne einer stärkeren Digitalisierung der Verwaltungsprozesse längerfristig einer schnellen und effektiven Arbeitsplatzvermittlung nicht mehr entsprechend nachkommen wird können.

Regierungsprogramm: "Evaluierung, Adaptierung und Weiterentwicklung des AMS-Algorithmus" (12)


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Signifikante Senkung der Lohnnebenkosten gescheitert

Ein wichtiger Anreiz, um Beschäftigung zu fördern ist natürlich auch eine niedrige Abgabenlast (16). Allerdings landet Österreich bei den entsprechenden internationalen Vergleichen (OECD (17), und EU-Kommission (18)) immer unter den drei Ländern mit der höchsten Abgabenlast. Zuletzt glaubte nicht einmal mehr die ÖVP-nahe Wirt­schafts­kammer an die Entlastungswirkung der Steuerreform(en). Denn laut der aktuellsten WKÖ-Prognose zur Abgabenquote (November 2022, (19)) soll die Abgabenquote von derzeit 42,9 Prozent auf bis 2024 auf 43,1 Prozent steigen. Damit aber nicht genug. Denn würde man die Abgabenquote nur für die vier Millionen Beschäftigten berech­nen, würde die Abgabenquote sogar auf bis zu 60 Prozent steigen. Mit solchen enormen Quoten setzt die Regierung nicht nur für inländische Arbeitskräfte den negativen Anreiz, möglich keiner Vollzeitbeschäftigung nachzugehen, sondern schreckt natürlich auch ausländische Fachkräfte ab, die in der Folge ihre Arbeitskraft lieber in weniger abgabenintensiven Ländern wie der Schweiz, USA oder Kanada anbieten. Von den Ankündigungen der Regierung, die Lohnnebenkosten (z. B.: "Kogler kündigt Senkung der Lohnnebenkosten an", 15.08.2021, Kurier (20)) zu senken, ist schlussendlich nur eine Senkung von 0,2 Prozent (AUVA: -0,1 Prozent, IESG: -0,1 Prozent) umgesetzt worden. Die Senkung der FLAF-Beiträge um 0,2 Prozent war lediglich ein Marketinggag. Denn bisher ist nicht bekannt, dass diese Senkung in einem Kollektivvertrag vereinbart wurde. Dabei wäre das Senkungspotential bei den Lohnnebenkosten enorm. Denn ein Drittel der Lohnnebenkosten (ca. 10 Prozent­punkte) stellen keine Versicherungsleistungen dar, sondern fließen in die öffentlichen Budgets des Bundes, der Länder, der Gemeinden oder der Kammern (FLAF, Wohn­bauförderung, Kommunalsteuer, WK-Umlage 2, AK-Beitrag). Diese Abgaben stellen daher zu hohe Lohnnebenkosten dar, die den Lohnverhandlungsspielraum eingrenzen und somit höhere Brutto- bzw. Nettolöhne verhindern. Schlussendlich wurde auch die Kalte Progression nur zu 2/3 abgeschafft, wodurch auch weiterhin die Abgabenquote steigen wird, was sich bereits in den aktuellen Abgabenquoten-Prognosen der WKÖ widerspiegelt.


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Davon, wie viel administrativen Aufwand der bunte Strauß an unterschiedlichen Lohnnebenkosten für die Arbeitgeber bedeutet, redet in Österreich sowieso niemand. Es spielt politisch keine Rolle, wenn der Staat seine bürokratische Arbeit und seine Aufgabe der Abgabenbemessung und Abgabeneinhebung an die Unternehmen delegiert. Dass am Ende der Kunde solchen betrieblichen Zusatzaufwand bezahlt und die österreichischen Unternehmen im internationalen Wettbewerb einen Nachteil aufgebürdet bekommen, ignorieren die zuständigen Minister seit vielen Jahren.

Modernisierung des Arbeitsrechts gescheitert

Der technische Fortschritt ändert unser Leben nahezu täglich. Insbesondere die fortschreitende Digitalisierung bietet ein immenses wirtschaftliches Potenzial, das genutzt werden muss und auch im täglichen Leben Vorteile bringt. Um diese Poten­ziale optimal ausschöpfen zu können, müssen allerdings die rechtlichen Rahmen­bedingungen, die den Alltag regeln, weiterentwickelt werden. Die Digitalisierung hat vor allem auch Auswirkungen auf unser Arbeitsumfeld, auf Arbeitsabläufe - darauf, wie wir arbeiten. Das Arbeitszeitgesetz, mit dem die tägliche Arbeit von Arbeit­neh­mer:innen geregelt werden soll, stammt aus der Zeit von Stechkarten und Rechenschiebern. Manuelle Tätigkeiten dominierten damals die Arbeitswelt. Grund­sätzlich und mit wenigen, kompliziert geregelten Ausnahmen geht das Arbeits­zeitgesetz von der Pflicht aus, Arbeitszeiten genau aufzuzeichnen. Das Arbeitsruhe­gesetz ergänzt dieses Regelpaket und normiert neben vielen anderen Dingen die Feiertags- und Wochenendruhe. Moderne und flexible Arbeitsgestaltung wird durch die rechtlichen Grundlagen konterkariert bzw. enorm eingeschränkt. Ein modernes Arbeitsrecht müsste auch einen Rahmen für flexiblen Ressourceneinsatz im Sinne von Vertrauensarbeitszeit, aber auch Jahresarbeitszeitmodelle und Zeitkonten erlauben. Gerade durch den internationalen Wettbewerb und den technischen Fortschritt sollte Österreich auf solche Entwicklungen reagieren und Rahmenbedingungen im Arbeits­recht setzen, die uns zu Gewinnern einer solchen Digitalisierung machen – eine Entwicklung, die von der Regierung bzw. allen voran von der Sozialpartnerschaft ver­schlafen wird.

Bundesregierung unterläuft mit Schengen-Veto die Arbeitnehmerfreizügigkeit


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Der jüngste feindliche Akt der schwarz-grünen Bundesregierung gegen den Arbeitsmarkt war die Blockade des Schengenbeitritts von Rumänien und Bulgarien (21, 22). Die Blockade ergibt nicht nur wenig Sinn und sorgt für enormen Unmut, da die Asylmigration in erster Linie über den Westbalkan erfolgt. Am Westbalkan hat die Bundesregierung jedoch der Schengenerweiterung zugestimmt. Damit ist für ganz Europa ersichtlich, dass Österreich nicht aus objektiven Gründen handelt, sondern lediglich Wahlkampfhilfe für die wahlkämpfende ÖVP Niederösterreich betreibt. Im Endeffekt trifft die Bundesregierung mit dem Schengen-Veto in erster Linie Wochen­end-pendelnde Arbeitskräfte (oft mit Kindern) aus Bulgarien und Rumänien, die in Mitteleuropa arbeiten wie etwa 24h-Betreuungskräfte. Nach der Indexierung der Familienbeihilfe (mittlerweile vom EuGH gekippt), die nächste sehr fragwürdige Aktion einer österreichischen Bundesregierung.

Quellen:

(1) https://diesubstanz.at/gesellschaft/nicht-alle-sind-ersetzbar/

(2) https://kurier.at/meinung/gastkommentar/warum-wir-die-arbeitsmarktreform-dringend-brauchen/402241896

(3) https://www.dnet.at/amis/Datenbank/DB_Index.aspx

(4) https://www.diepresse.com/6223042/woran-die-arbeitsmarktreform-zerbrach?from=rss

(5) https://kurier.at/politik/inland/die-groessten-streitpunkte-bei-kochers-arbeitsmarktreform/401904376

(6) https://www.nachrichten.at/politik/innenpolitik/zuschuss-zu-den-pensionen-steigt-bis-2027-stark-an;art385,3744570

(7) https://www.kleinezeitung.at/wirtschaft/6108587/Nach-Enquete_Reform-des-Arbeitslosengelds_Austausch-ohne


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(8) https://www.agenda-austria.at/publikationen/arbeitssuchengeld/reformvorschlag/

(9) https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20221108_OTS0188/budget-regierung-erwartet-2023-nur-geringfuegigen-anstieg-der-arbeitslosigkeit10) https://www.derstandard.at/story/2000093035231/neos-fuer-liberales-buergergeld-mit-arbeitsanreiz

(10) https://www.derstandard.at/story/2000093035231/neos-fuer-liberales-buergergeld-mit-arbeitsanreiz

(11) https://www.mdr.de/brisant/buergergeld-120.html

(12) https://www.bundeskanzleramt.gv.at/bundeskanzleramt/die-bundesregierung/regierungsdokumente.html

(13) https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/AB/AB_11881/index.shtml

(14) https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/AB/AB_12322/index.shtml

(15) https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/AB/AB_10495/index.shtml

(16) https://www.agenda-austria.at/publikationen/fehler-im-system-warum-sich-arbeit-oft-nicht-lohnt/

(17) https://oesterreich.orf.at/stories/3157755/

(18) https://www.sn.at/wirtschaft/oesterreich/oesterreich-unter-eu-laendern-mit-den-hoechsten-arbeitskosten-119101411

(19) https://wko.at/statistik/eu/europa-abgabenquoten.pdf

(20) https://kurier.at/politik/inland/kogler-kuendigt-senkung-der-lohnnebenkosten-an-finanziert-mit-co2-steuer/401473126

(21) https://www.diepresse.com/6225767/eine-blockade-mit-folgen


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(22) https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/wirtschaft/oesterreich/2171221-Schengen-Veto-fuer-Rumaenien-schadet-Oesterreichs-Wirtschaft.html

Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Abgeordneten folgende

Dringliche Anfrage

1.         Bis wann legen Sie dem Nationalrat die im März versprochene Regierungs­vorlage zur umfassenden Reform der Arbeitslosenversicherungsreform vor?

2.         Falls die versprochene Regierungsvorlage nicht vorgelegt wird, ist es korrekt, dass sich der grüne Koalitionspartner bei den Verhandlungen gegen das degressive Arbeitslosengeld aussprach (Quelle: Die Presse)? Wenn nein, war es der schwarze Koalitionspartner?

3.         Falls die versprochene Regierungsvorlage nicht vorgelegt wird, ist es korrekt, dass sich der grüne Koalitionspartner bei den Verhandlungen gegen die Neuge­staltung der Zuverdienstgrenzen (am Beginn der Arbeitslosigkeit Einschränkungen) aussprach (Quelle: Die Presse)? Wenn nein, war es der schwarze Koalitions­partner?

4.         Wie sehr würde ein degressives Arbeitslosengeld die durchschnittliche Arbeitslosenverweildauer reduzieren und um wie viel würde eine um durchschnittlich ein Monat kürzere Vermittlungsdauer das Budget entlasten?

5.         Wie hoch ist die aktuelle durchschnittliche AMS-Vermittlungsdauer?

6.          Wie viele offene Stellen sind dem AMS derzeit gemeldet?

7.         Wie viele faktisch offene Stellen ergibt das, wenn Sie berücksichtigen, dass dem AMS laut Johannes Kopf nur 40 Prozent der offenen Stellen gemeldet werden?

8.         Wie viele Arbeitskräfte verlassen in den nächsten 10 Jahren voraussichtlich den Arbeitsmarkt?


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9.         Wie viele Arbeitskräfte rücken in den nächsten 10 Jahren voraussichtlich am Arbeitsmarkt nach?

10.       Wie hoch ist die Zahl der Rot-Weiß-Rot-Karten-Inhaber:innen aktuell? Von welcher Steigerung im kommenden Jahr gehen Sie bei der Anzahl der Rot-Weiß-Rot-Karten aus?

11.       Welche weiteren Reformschritte planen Sie bei der Rot-Weiß-Rot-Karte, um die Fachkräftezuwanderung zu erleichtern?

12.       Wie hoch ist die Zahl der Asylwerber:innen in Beschäftigung aktuell? Von welcher Steigerung im kommenden Jahr gehen Sie bei erwerbstätigen Asylwerber:innen aus?

13.       Welche Reformschritte planen Sie, um die Asylwerberbeschäftigung zu erleichtern?

14.       Wie hoch ist die Zahl vertriebener Ukrainer:innen in Beschäftigung aktuell? Von welcher Steigerung im kommenden Jahr gehen Sie bei erwerbstätigen (vertriebenen) Ukrainer:innen aus?

15.       Welche Reformschritte planen Sie, um die Beschäftigung von vertriebenen Ukrainer:innen zu erleichtern?

16.       Wie hoch ist die Zahl von erwerbstätigen Pensionist:innen über dem Regel­pensionsantrittsalter aktuell? Von welcher Steigerung im kommenden Jahr gehen Sie bei erwerbstätigen Pensionist.innen über dem Regelpensionsantritts­alter aus?

17.       Wie hoch ist die Beschäftigungsquote zwischen 60 und 64 Jahren aktuell? Von welcher Steigerung im kommenden Jahr gehen Sie bei der Beschäftigungsquote zwischen 60 und 64 Jahren aus?

18.       Welche Reformschritte setzen Sie, um die Beschäftigungsquote zwischen 60 und 64 Jahren zu erhöhen?


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19.       Welche Schritte haben Sie gesetzt bzw. setzen Sie, um das österreichische Schengen-Veto gegen Bulgarien und Rumänien zu beenden?

20.       Wie sehr wird das österreichische Schengen-Veto den österreichischen Arbeitsmarkt und das BIP negativ beeinflussen?

21.       Aktuell gibt es einen Mangel an Brennholz: Wie viele offene Stellen gibt es derzeit in der Forstwirtschaft und in der Holzverarbeitung?

22.       Aktuelle gibt es zu wenig Arbeitskräfteangebot im Tourismus, wobei Öster­reich hochgradig von ausländischen Arbeitskräften abhängt. Wie hoch ist die aktuelle Zahl an offenen Stellen im Tourismus? Wie hoch ist der Saisonierbedarf? Wie hoch ist das Saisonierkontingent im Tourismus?

23.       Wie hat sich die Gesamtzahl der Beschäftigten im öffentlichen Sektor (Bund, Länder, Gemeinden, Sozialversicherung, Kammern usw.) seit 2011 entwickelt?

24.       Wie hoch waren zuletzt die AMS-Aufwände für die Bildungskarenz und die geblockte Variante der Altersteilzeit? Wie hoch ist deren Anteil gemessen an den ALV-Beiträgen?

25.       Im Zuge der ALV-Reformgespräche wurde auch eine zweiwöchige Wartefrist für das Arbeitslosengeld angedacht. Wie viele Ausgaben hätte diese Sanktion dem AMS und den ALV-Beitragszahlern pro Jahr erspart, wenn sie 2022 gegolten hätte?

26.       Wie stark würden sich der AK-Beitragssatz und die AK-Beitragseinnahmen reduzieren, wenn die AK-Beitragseinnahmen seit 2010 jährlich nur um die Inflation steigen hätten dürfen?

27.       Wie stark würden sich der KU2-Beitragssatz und die KU2-Beitragseinnahmen reduzieren, wenn die KU2-Beitragseinnahmen seit 2010 jährlich nur um die Inflation steigen hätten dürfen?


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In formeller Hinsicht wird verlangt, diese Anfrage im Sinne des § 93 Abs 1 GOG-NR zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu behandeln und dem Erstanfragesteller Gelegenheit zur mündlichen Begründung zu geben.

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf Frau Klubobfrau Meinl-Reisinger als Fragestellerin zur Begründung der Anfrage, die gemäß § 93 Abs. 5 der Geschäftsordnung 20 Minuten nicht überschreiten darf – Sie wissen das –, nun das Wort erteilen. – Frau Abgeordnete, Sie gelangen zu Wort. Bitte.


15.01.30

Abgeordnete Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschau­erinnen und Zuschauer! Ich weiß nicht, wer von Ihnen gestern am Abend die „ZIB 2“ geschaut hat. Wir hatten gestern einen langen Tag hier, und ich bin dann nach Hause gegangen und habe die „ZIB 2“ geschaut. Neben sehr unrühmlichen und wirklich fürchterlichen Bildern aus einer Geflügelfarm mit AMA-Gütesiegel in der Steiermark war gestern der Physiker Florian Aigner zu Gast.

Warum erzähle ich Ihnen das? – Weil es nach einem langen Tag im Parlament unglaublich gut getan hat, diesen Wissenschaftler zu sehen, der über die Kernfusion und die Zukunft der Energiegewinnung aus Kernfusion gesprochen hat. Er hat das mit so einer Leidenschaft, Lust und Freude gemacht. Das hat Seltenheitswert, wenn man die „ZIB 2“ aufdreht.

Ich möchte auch an die Lust und die Freude anschließen, die wir, glaube ich, alle hier vor wenigen Minuten verspürt haben, als Nurten Yılmaz – an dieser Stelle: danke für deine Arbeit, liebe Nurten! – hier ihre Abschiedsrede gehalten hat; man hat diese Lust am Gestalten verspürt.

Warum leite ich so ein? – Weil wir hier Stunden um Stunden verbringen und mehr tun, als nur das Politikgeschehen zu beobachten, insbesondere auch betreffend das, was von der Regierung kommt. Nach inzwischen einem Jahr


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Bundesregierung unter Kanzler Nehammer – da wurde auch mit sehr viel Aufbruchsstimmung gestartet –, muss man sagen, dass von dieser Gestaltungs­lust nichts mehr zu spüren ist. Es ist eher ein Regierungsfrust, den wir hier in den letzten Monaten gespürt haben.

Es ist nun auch ein Jahr vergangen, in dem Karl Nehammer – als ÖVP-Chef, aber auch als Kanzler – hätte sagen können: Räumt auf mit dem, was passiert ist! – Er hätte Reformen anstoßen können, die Österreich transparenter und die Politik verlässlicher und sauberer machen, er hätte die Korruption stärker und schärfer unter Strafe stellen können. – Das alles ist nicht passiert. Das alles soll aber nun nicht der zentrale Gegenstand meiner Rede sein.

In dem Jahr ist auch sonst viel passiert, nicht zuletzt am 24. Februar 2022 mit dem Einmarsch russischer Truppen und dem Beginn des Angriffskriegs von Wladimir Putin in der Ukraine, auf europäischen Boden, als wir alle schmerzlich gespürt haben, dass Sicherheit eine sehr fragile Angelegenheit ist, auch in einem vereinten Europa. Wir als neutraler Staat haben schmerzlich gespürt, was es bedeutet, dass uns falsche politische Entscheidungen der Vergangenheit in eine dermaßen große Abhängigkeit von russischem Gas gebracht haben.

Die Inflation ist auf dem höchsten Wert seit 1952, und ich möchte an der Stelle schon auch sagen: Ich habe großes Verständnis dafür, dass die Zeiten für eine österreichische Bundesregierung schon einmal leichter waren, keine Frage. Es war die Pandemie, dann kamen der Krieg, die Energiekrise und nun sozusagen die Inflationskrise. Trotzdem oder gerade deswegen, weil wir von Krise zu Krise eilen, muss man sich allerdings doch die Frage stellen, ob Krise alleine der Arbeitsmodus für eine Bundesregierung in diesen Zeiten sein kann. Das denke ich wirklich nicht. Müsste es nicht vielmehr so sein, dass gerade zurzeit die Weichenstellungen passieren müssen, die sicherstellen, dass wir als Land, als Österreich, als Demokratie, aber auch, was die Menschen in unserem Land betrifft, wirtschaftlich gestärkt aus dieser Krise hervorgehen?


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Man hat den Eindruck, dass sämtliche Reformvorhaben, die zum Teil auch ange­kündigt wurden – und ich komme darauf zu sprechen –, in den letzten Monaten einem Koalitionsgerangel, einer Koalitionsgegnerschaft statt ‑partnerschaft zum Opfer gefallen sind. Das Beste aus zwei Welten kann ich wirklich nicht mehr sehen, ich sehe eigentlich nur noch zwei Welten entfernt vom Besten.

Wir erleben wirtschaftspolitisch einen Stillstand, wir erleben meines Erachtens auch sozialpolitisch einen Stillstand. Was wir allerdings sehen, ist eine unglaub­liche Ausgabenpolitik: Sie geben das Geld der aktuellen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, aber auch jenes der nächsten Generation mit beiden Händen freudvoll und lustvoll, wie es scheint, aus. Das ist auch die einzige Antwort, die Sie haben.

Wir haben vorhin über das Thema Pflege diskutiert. Eine Pflegereform ist nötig, Reformen sind in dem Bereich nötig. Die Antwort darauf ist vor allem einmal: 1 Milliarde Euro mehr Geld. Es ist sicherlich nicht schlecht, in dem Bereich mehr auszugeben, aber allein Geld auszugeben, ist zu wenig.

Ich erinnere an die Diskussion, die wir gestern hatten, zu diesem vernichtenden Urteil von Expertinnen und Experten zu den Deutschintegrationsklassen. Das war ja sozusagen ein Leuchtturmprojekt der türkis-blauen Regierung. (Zwi­schen­ruf bei der ÖVP.) Dieses Expertenpapier kommt zu einem vernichtenden Urteil: Man sollte diese Sprachförderklassen besser heute als morgen abschaffen. (Abg. Taschner: Nein, ist nicht vernichtend!) – Stattdessen, das haben wir gestern gehört, wird nun einfach mehr Geld in die Hand genommen, um zusätzlichen Förderbedarf abzudecken. (Abg. Taschner: Sie zu verbessern!) Sehen Sie, aber das ist das Thema: Wann immer ein Problem auftaucht, bewerfen Sie es mit Geld. (Beifall bei den NEOS.)

Das ist nicht Ihr Geld! Das ist das Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, und es ist vor allem auch das Geld der nächsten Generation, das Sie da ausgeben, aber es ist ja nichts Neues. „Koste es, was es wolle“ war das große Versprechen von ÖVP und Grünen in Zeiten der Pandemie. Ich kann mich


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erinnern, da gab es ein Interview mit dem damaligen Finanzminister Gernot Blümel – das sagt ja auch sehr viel über das Verständnis von Regierungsarbeit in der ÖVP aus – im „Trend“, das betitelt war: Euch wird gegeben werden. – Na, danke schön! Wir nehmen euch Steuerzahlern das Geld also aus der Tasche und geben euch das großzügig zurück?!

Etwas Ähnliches erlebe ich heute, kurz vor Weihnachten, wieder: 0,5 Milliarden Euro zusätzliche als Energiekostenzuschuss an Haushalte. Das verteilen Sie auch noch an die Bundesländer – ein Schelm, wer dabei denkt, dass da vielleicht die niederösterreichische Landtagswahl im Jänner eine Rolle spielt –, damit die Landeshauptleute es ausgeben können. (Beifall bei den NEOS. – Zwischenruf bei der ÖVP.)

Das Geld anderer Leute auszugeben, darin sind Sie wirklich gut. Das Problem ist, dass das alles erwirtschaftet werden muss – durch Innovation, durch Unterneh­mertum, durch Wirtschaftsleistung, durch Arbeitsleistung. Wir sind aber in einer Situation, in der wir uns ernsthaft die Frage stellen müssen: Wie schaut denn eigentlich der Wohlstand der Zukunft aus und woher soll der denn kommen? Die Geschichte der Globalisierung wird derzeit neu geschrieben, aber ohne Öster­reich. Österreich nimmt nicht an dieser Geschichtsschreibung teil.

Wir haben uns übrigens auch die Hilfen angeschaut, die während der Covid-Pandemie geflossen sind. Interessenvertreter sagen ja immer wieder gerne – das sind meistens nicht Interessenvertreter der Wirtschaft, sondern Interessenver­treter der ÖVP Lichtenfelsgasse –, Österreich wäre ja ganz toll durch die Pande­mie gekommen, wir seien da quasi an der Spitze. – An der Spitze sind wir schon, und zwar bei den Ausgaben, aber ansonsten sind wir sehr schlecht durch die Pandemie gekommen.

In Österreich waren es allein 2020 pro Person 1 475 Euro, die an Steuergeld ausgegeben wurde. 325 Euro waren es im EU-Durchschnitt, und in der Schweiz flossen 82 Euro pro Person an Hilfen in der Covid-Zeit. Sie wollen uns dann aber erzählen, dass wir besser durch die Pandemie gekommen sind, da Sie


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einfach das Geld der Steuerzahler mit beiden Händen ausgegeben haben?! Ich kann das nicht nachvollziehen. (Beifall bei den NEOS.)

Der ehemalige SPÖ-Finanzminister Hannes Androsch – und ich meine, der SPÖ kann man wirklich nicht unterstellen, dass sie aus Freunden einer rigiden Sparpolitik bestünde – konstatiert Ihnen eine „Konfettiparade von Helikopter­geld“ im Hinblick auf das, was Sie gerade machen. Ich finde, er hat völlig recht. Er kritisiert übrigens im gleichen Atemzug, dass Sie auf Innovation, auf Forschung und Entwicklung, auf Bildung und auch auf die Maßnahmen, die gegenwärtig notwendig sind, um die Energiewende voranzutreiben, vergessen.

Wissen Sie, was ich mich frage: Woran scheitern den all diese Reformen? – Man könnte sagen, es scheitert sozusagen an einer ideologischen Pattstellung, die es zwischen den beiden Parteien in der Regierung gibt. Ich glaube das aber gar nicht einmal so sehr. Ich glaube, es scheitert daran, dass beide gleichermaßen Angst haben – nur vor unterschiedlichen Dingen.

Die Grünen haben einen unendlichen Staatsglauben und haben Angst vor der freien Wirtschaft, und die ÖVP hat ebenso einen unendlichen Staatsglauben und hat Angst vor der Wählerin und dem Wähler. Aus diesem Grund bewegen sie sich lieber gar nicht und führen ihre Showpolitik fort (Ruf bei den Grünen: Sehr einfaches Weltbild!), die Politik des politischen Stillstands. Ein paar Reförmchen, die quasi als Feigenblätter dienen, können nicht über diesen Schandfleck des politischen Stillstands hinwegtäuschen. (Zwischenruf bei den Grünen.)

Wo ist denn also jetzt die Lust an der Gestaltung? Wo ist ein schärferes Korrup­tionsstrafrecht? Wo ist ein Informationsfreiheitsgesetz? Wo sind schärfere oder strengere Bestimmungen zu Postenvergaben? (Neuerlicher Zwischenruf bei den Grünen.) Warum räumen wir nicht lustvoll auf mit all diesen Dingen und sagen auch den Menschen in Österreich: Wir haben es verstanden, wir müssen ein anderes Bild abgeben in der Politik!


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Wo sind denn andere Gesetzesvorhaben wie zum Beispiel das Erneuerbare-Wärme-Gesetz? Oder an die Grünen in der Bundesregierung: Seit 700 Tagen warten wir auf ein Klimaschutzgesetz, die Reform der Umweltverträglichkeits­prüfungsverfahren wurde abgesagt. – Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen: In einer Zeit, in der wir die Energiewende so bitter bräuchten, weil sie uns Freiheitsenergien, Unabhängigkeit und damit auch die Sicherung, die wirtschaftspolitische Sicherung des Wohlstands der Zukunft brächte, sagen Sie eine Reform der bürokratischen Verfahren ab, weil Sie sich nicht einigen können.

Das ist ein Irrflug, ein wirtschaftspolitischer Irrflug! Es ist auch ein sozialpoli­ti­scher Irrflug, wenn man heute die Medien liest und sieht, was Ökonomen sagen, nämlich dass es nicht reichen wird, heuer allein Steuergeld auszugeben, dass es nächstes Jahr zu Reallohnverlusten kommen wird, aber Ihr Pulver dann schon verschossen sein wird.

Und jetzt komme ich zu dem eigentlichen Thema, zur gescheiterten Arbeits­marktreform, Herr Minister Kocher. Ich muss jetzt ausholen: Oft sagen ja ÖVP und Grüne, das können wir jetzt nicht angehen, das steht nicht im Regierungs­programm. Das finde ich immer recht beachtlich, weil eigentlich ist, seitdem die Tinte im Regierungsprogramm getrocknet ist, einiges passiert: die Pandemie, der Krieg, die veränderte sicherheitspolitische Lage, eine völlig veränderte Situation der Globalisierung, eine veränderte Situation der Energiepreise und auch Ener­gie­versorgungssicherheit. Sie aber sagen halt, das steht nicht im Regierungs­programm. Gut.

Im Regierungsprogramm steht: „Weiterentwicklung des Arbeitslosengeldes mit Anreizen, damit arbeitslose Menschen wieder schneller ins Erwerbsleben zurück­kehren können.“ – Im September 2021 haben Sie dann den Startschuss für eine Reform der Arbeitslosenversicherung gegeben. Sie, Herr Minister, haben damals gesagt: Es kann nicht sein, dass bei hohen Arbeitslosenzahlen viele Unterneh­men kein Personal finden. Fehlende Arbeitskräfte dürfen nicht zum Bremsklotz für den wirtschaftlichen Aufschwung werden. – 15 Monate später ist diese Reform abgesagt, einfach abgesagt, für gescheitert erklärt. Das Argument ist,


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dass sich die Regierung simpel nicht einig geworden ist – und das ist ein Bremsklotz für die wirtschaftliche Entwicklung.

Sie waren in den vergangenen Monaten bestimmt unterwegs und haben mit Unternehmerinnen und Unternehmern gesprochen – und zwar egal aus welchem Bereich, ob das jetzt Tourismus oder Industrie war, ein kleiner Gewerbebetrieb oder ein Dienstleister; ganz egal – und von denen gehört, dass Arbeitskräfte­mangel das entscheidende Thema ist. Jetzt frage ich mich schon: Wenn wir wissen, dass das ein Bremsklotz der wirtschaftlichen Entwicklung ist, wieso um Gottes Himmels Willen scheitern Sie dann in einer Zeit, in der es notwendig wäre, Anreize zu setzen, damit Menschen wieder rascher Arbeit aufnehmen können, ausgerechnet mit so einem wichtigen arbeitsmarkt- und damit auch wirtschaftspolitischen Ansatz?

Das ist wirtschaftspolitisch einfach schwachsinnig! Es ist aber auch sozialpoli­tisch völlig falsch: Wenn man sich die österreichische Arbeitslosenstatistik anschaut, so sieht man, dass wir wieder einmal dort Spitze sind, wo es aber gar nicht so toll ist, nämlich beim Anteil der Langzeitarbeitslosen unter den Arbeits­losen – dieser Anteil ist nirgendwo so hoch wie in Österreich –, das heißt, bei Menschen, bei denen sich Arbeitslosigkeit manifestiert hat. Und wir wissen, wie schwierig es ist, aus einer langen Arbeitslosigkeit heraus wieder ein selbstbe­stimmtes Leben führen zu können, in dem man wirklich frei und selbstbestimmt agieren kann.

Vor zehn Jahren lag die Anzahl von Personen in Langzeitarbeitslosigkeit bei etwas über 4 500 Personen, und jetzt sind wir bei weit über 80 000 Personen, das ist fast eine Verzwanzigfachung der Zahl der Langzeitarbeitslosen in unse­rem Land. Es ist einfach ein Armutszeugnis, wenn Sie sagen, Sie können sich bei entscheidenden Punkten einfach nicht einigen.

Ich möchte noch einen kleinen Sidestep zu einem weiteren wirtschaftspoliti­schen Irrflug machen, das ist natürlich das Veto zum Schengenbeitritt Rumäniens


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und Bulgariens: Also das ist ja wirklich ein Knieschuss der Sonderklasse, wirt­schaftspolitisch ein Wahnsinn gewesen, gerade Partnerländer innerhalb Europas so zu verprellen, die wichtig für unseren Wirtschaftsstandort sind, die wichtig für viele Wirtschaftsunternehmen in Österreich sind. Gleichzeitig versperren Sie sich auch den Weg, um sich in Immigrationsfragen starke Partner suchen zu können, um wirklich zu gemeinsamen Lösungen zu kommen, wenn die EU sich nicht einigen kann. Da könnte zumindest eine Achse der Willigen vorangehen. Ich weiß nicht, welche Emotionalität oder Angst Sie da wieder geritten hat, aber auch das ist wirtschaftspolitischer Schwachsinn.

Was sind die Reformen, die jetzt angegangen werden müssten?

Natürlich diese Reform des Arbeitslosengeldes: Die Vorschläge liegen am Tisch. Natürlich sollte es so sein, dass am Anfang ein höherer Betrag ausbezahlt wird, weil wir auch wissen, dass viele Menschen gleich in den ersten 30 Tagen wieder Arbeit aufnehmen, aber dann sollte es selbstverständlich ein degressives Modell geben, wie es übrigens mittlerweile in so gut wie allen Ländern verankert ist, weil das einen ganz starken Anreiz bietet, auch rasch wieder Arbeit aufzuneh­men, damit sich eben die Arbeitslosigkeit nicht manifestiert.

Eine Reform der Rot-Weiß-Rot-Karte: Sie haben eine Reform gemacht, aber es ist ein Reförmchen, denn es ist immer noch ein bürokratisches Monster – Gerald Loacker wird sicherlich darauf zu sprechen kommen. Es müsste natürlich drin­gend vonseiten der Bundesregierung die Zuwanderung von qualifizierten Fachkräften erleichtert werden, aber es müsste natürlich auch die Arbeitsmarkt­integration für die Menschen erleichtert werden, die nun einmal hier sind, weil sie Asylwerber sind oder einen Asylstatus haben, allen voran natürlich für die Ukrainerinnen und Ukrainer. Auch da gibt es eine Debatte. AMS-Chef Johannes Kopf hat, finde ich, völlig richtig darauf hingewiesen, dass das auch ein Arbeits­kräftepotenzial wäre. Viele würden auch gerne Arbeit aufnehmen, aber es scheitert sozusagen auch da am Willen der Bundesregierung.


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Ich erinnere aber auch daran, dass es in Österreich Lehrlinge gibt, die wir auf Kosten von Unternehmen ausgebildet haben, dann aber abschieben, gut integrierte Lehrlinge. Da endlich einen Weg zu wählen, beispielsweise eines Spurwechsels, dass man auch die Möglichkeit hat, vom Status eines Asylwerbers auch auf einen Rot-Weiß-Rot-Karte-Titel zu wechseln, wäre eine große Erleichterung gerade auch für Betriebe, die Zeit und Geld und auch Herz in die Ausbildung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern investiert haben. (Beifall bei den NEOS.)

Eine Modernisierung des Arbeitsrechts: natürlich, weil wir schon lange nicht mehr den Realitäten eines immer flexibleren Arbeitsmarktes mit einem immer höher werdenden Anteil an Wissensarbeit gerecht werden. Das wäre ein ganz wichtiger Schritt in Richtung Zukunft.

Im Engeren noch sozusagen beim Arbeitslosengeld oder bei der Arbeitsmarkt­politik: Selbstverständlich betrifft das auch eine Anpassung der Zumutbar­keitsbestimmungen und damit eine stärker bundesländerübergreifende Arbeits­kräftevermittlung, weil wir ja wissen, dass es da durchaus Unterschiede in den Bundesländern gibt und die Dinge vom Osten zum Westen ganz unter­schiedlich sind.

Last, but not least möchte ich noch ein Thema aufgreifen, das wir NEOS jetzt seit Monaten trommeln, und das ist eine Senkung der Lohnnebenkosten. Wissen Sie, selbst mit der teilweisen Abschaffung der kalten Progression – die ich auch nicht kleinreden möchte, wir haben wirklich viele Monate Woche für Woche dafür gekämpft, dass die kalte Progression abgeschafft wird (Zwischenruf bei den Grünen); sie wird jetzt teilweise abgeschafft – steigt die Steuerquote, das heißt, die Steuer- und Abgabenlast bleibt weiter hoch.

Das Kernproblem dabei ist einfach, dass Mitarbeiter gerade in solchen Krisen­zeiten den Betrieben zu viel kosten und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern netto zu wenig bleibt. Da sollte man ansetzen, und wir haben die Studie am Tisch gelegt, eine Studie der Ökonomen, die ausweist, wo Potenziale bei den


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Lohnnebenkosten sind, wo es aber auch möglich wäre, Kosten zu übernehmen, weil sie nicht direkt arbeitnehmerbezogene Leistungen sind, sondern beispiels­weise eigentlich auch durchaus aus dem Budget finanziert werden könnten. Das wäre ein Entlastungsbeitrag von 9 Milliarden Euro. Im Vergleich zu dem großen Paket von 50 Milliarden Euro, das Sie jetzt zur Bewältigung der Krise ausgeben, ist das ja ein geringer Anteil. Mit diesen 9 Milliarden Euro wäre es möglich gewesen, schon diesen Herbst flächendeckend netto 5 Prozent mehr Löhne für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in ganz Österreich ohne weitere Kosten für Arbeitgeber zur Verfügung zu stellen. (Beifall bei den NEOS.)

Das wären die richtigen Schritte, die jetzt gemacht werden müssten, wirtschafts­politisch sinnvoll, stattdessen bleiben Sie in einem wirtschaftspolitischen Irrflug, machen hier eine geradezu sozialistische Politik des Geldausgebens mit beiden Händen, Geld, das weder Sie noch die Steuerzahler haben noch die nächste Generation haben wird. Ich verstehe nicht, warum dieser Stillstandsfrust die Politik so in den Klauen hält, anstatt dass wir hier wieder gemeinsam sagen können: Gehen wir es an in Richtung Zukunft, damit es wieder besser wird, damit die Menschen an eine gute Zukunft glauben und sich etwas aufbauen können! Gestaltungslust statt Stillstandsfrust! – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

15.20


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Kocher. Ich darf ihn und auch die Frau Bundesministerin herzlich begrüßen. – Bitte, Herr Bundesminister.


15.20.41

Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft Mag. Dr. Martin Kocher: Herr Präsident! Werte Abgeordnete! Hohes Haus! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Ich bin für diese Dringliche Anfrage sehr dankbar, weil sie mir Gelegenheit gibt, ein paar Dinge gut einzuordnen, und ich im Gegensatz zu dem


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zuletzt Gesagten eigentlich keinen Stillstand in der Arbeitsmarktpolitik erkennen kann. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ich gehe ganz kurz auf das ein, was passiert ist. Ich habe vor knapp zwei Jahren das Arbeitsressort übernehmen dürfen. Das war im Jänner 2021, die Arbeits­losigkeit betraf österreichweit 530 000 Personen. Zwei Jahre später betrifft die Arbeitslosigkeit 330 000 Personen, also 200 000 Personen weniger, die sich in Arbeitslosigkeit befinden. Natürlich hat das mit dem generellen Aufschwung der Konjunktur zu tun, mit den Covid-Hilfen, aber ich glaube auch – und das werden dann Studien in Zukunft zeigen –, dass die Maßnahmen, die wir im Bereich der Langzeitarbeitslosigkeit, die fast halbiert wurde, im Bereich der Qualifizierung gesetzt haben, ihren Beitrag dazu geleistet haben, dass wir die schwere Krise am Arbeitsmarkt durch Covid, die so schnell vergessen wird, auch einigermaßen gut überwunden haben. Jetzt haben wir ein anderes Problem, nämlich Arbeitskräfte- und Fachkräftemangel. Da stimmen wir bei der Einschätzung überein: Das ist die große Herausforderung, nicht mehr die Arbeitslosigkeit, die noch vor eineinhalb Jahren die ganz große Herausforderung am Arbeitsmarkt war.

Auch da gibt es natürlich Entwicklungen, die man berücksichtigen muss. Wir haben im Vergleich zu November 2019 130 000 Menschen mehr in Beschäfti­gung als damals. Das heißt, Potenziale werden gehoben, in allen Bereichen. Da geht es um Teilzeitbeschäftigte, die mehr arbeiten, da geht es um Ältere, die länger arbeiten, und viele andere Bereiche, in denen viel passiert ist. Der Ver­gleich mit 2019, als die Arbeitsmarktlage gut war, ist, glaube ich, legitim und zeigt, dass in den letzten beiden Jahren kein Stillstand am Arbeitsmarkt geherrscht hat. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Gödl: Eben! So ist es! So ist es!)

Natürlich hätte ich mich sehr gefreut – das will ich auch nicht verhehlen, es war ein wichtiges Projekt –, wenn es zu einer großen Arbeitslosenversicherungs­reform als Teil der ständigen Weiterentwicklung des Arbeitsmarktes gekommen wäre. Ich glaube, wir hätten in vielen Bereichen gute Argumente gehabt. Es war


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immer ein Gesamtpaket, es war natürlich auch immer klar, dass es unterschied­liche Zugänge gibt, aber die Mehrheit der Arbeitsuchenden hätte von einer solchen Reform, wie wir sie diskutiert haben, profitiert. Ich bin auch froh, dass die NEOS bei einigen Aspekten diese Einschätzung teilen. Es gibt aber viele Dinge, die auch gemacht werden können, ohne diesen großen Reformschritt zu tun.

Ich möchte auf ein paar Dinge eingehen, die ich für wichtig halte: Erstens ist es klar, dass wir über eine Einschränkung des Zuverdiensts gewisse Potenziale am Arbeitsmarkt heben können; das zeigen auch einige Studien. Zweitens ist relativ klar, dass ein degressiver Verlauf gewisse Anreizeffekte mit sich bringen würde, und drittens hätte eine kurze Karenzzeit zu Beginn der Arbeitslosigkeit aller Voraussicht nach dazu geführt, dass das sogenannte Zwischenparken in der Arbeitslosigkeit reduziert werden würde, natürlich bei gleichzeitiger Inpflicht­nahme der Arbeitgeber, die dieses Instrument manchmal nutzen.

Es gibt – das, glaube ich, muss man auch sagen – ein System der Arbeitslosen­versicherung in Österreich, mit allen Schwächen und Stärken, das aber in den letzten Jahrzehnten gut funktioniert hat. Das ist wichtig, festzustellen. Eine Reform ist aus meiner Sicht also wichtig und war ein Anliegen, dafür gibt es auch gute Gründe, aber das System funktioniert grundsätzlich. Zweitens gibt es auch ohne eine große Reform einige Schrauben, an denen wir im Ressort drehen können, weil es eine Richtlinien- und Leitlinienkompetenz gibt, und natürlich wird es weiter kleinere Schritte, keine ganz große Reform, gemeinsam in der Bundesregierung geben, um am Arbeitsmarkt die Schritte zu setzen, die es braucht, damit der Arbeits- und Fachkräftemangel reduziert wird.

In der Dringlichen Anfrage geht es auch um den Bereich des AMS und der Vermittlung und vor allem um die Digitalisierung. Bei dieser Gelegenheit möchte ich darauf hinweisen, dass da wirklich viel passiert ist. Es gab eine Analyse des IT-Systems, der gesamten IT-Infrastruktur des AMS, die mittlerweile abgeschlos­sen ist. Es gibt einen klaren Plan bis 2025, was dort passieren wird.


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Ich nenne nur einige Beispiele, weil es wirklich interessant ist: In der Vermittlung geht es vor allem um mehr Service und Kundenorientierung für Unternehmen und für die Arbeitsuchenden. Es wird das Kompetenzmatching nach langer Vor­be­reitung jetzt eingeführt, es wird schon erprobt. Es gibt eine laufende Verbes­serung der großen Plattform allejobs.at mit spezifischen Textelementen, die jetzt noch besser eingebaut werden können. Es gibt eine Erneuerung des AMS-Kontos für die Arbeitsuchenden und die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber und eine Reihe von anderen Fortschritten. Das halte ich für sehr, sehr wichtig. Ziel ist dabei immer, die Arbeitsuchenden so rasch wie möglich in Beschäftigung zu bringen und so treffsicher wie möglich zu vermitteln.

Was die Rot-Weiß-Rot-Karte betrifft – auch ein Teil der Anfrage –, möchte ich klar sagen, dass meine Einschätzung eine etwas andere ist. Das Ziel war immer, Bürokratie abzubauen, die Wirksamkeit breiter zu machen und die Verfahren zu beschleunigen. Wir haben am 1. Oktober diese Reform in Kraft gesetzt, es ist, glaube ich, nicht seriös, jetzt zu sagen, dass man schon abschätzen kann, wie sie wirkt. Es gibt erste Zahlen, die ermutigend sind, die Bewilligungen auf Basis von Mangelberufen haben sich in den Monaten Oktober und November im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt, aber ich glaube, wenn wir seriös sind, warten wir noch ein paar Monate ab und schauen dann, wie die Wirkung der Rot-Weiß-Rot-Karte ist.

Es ist mir wichtig, darauf hinzuweisen, dass diese Reform, die wir jetzt umgesetzt haben, in fast allen Fällen genau das macht, was in Deutschland mit einem Einwanderungsgesetz und den Maßnahmen, die dort beschlossen werden sollen, noch geplant wird.

Entscheidend ist auch, darauf hinzuweisen, dass in vielen Bereichen wirklich versucht wird, weniger bürokratisch vorzugehen. Da geht es – ich könnte jetzt länger vorlesen – um die Frage der jeweiligen formalen Bildungs- und Ausbil­dungsabschlüsse und darum, wie sie nachgewiesen werden müssen. Das ist jetzt nicht mehr ganz so streng geregelt wie früher. Es geht um Punktevergabe, es geht um viele andere Dinge – wie Stammsaisonniers – bei der Rot-Weiß-Rot-


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Karte. Ich mache das jetzt nicht aus Zeitgründen, aber ich glaube, dass es auf jeden Fall eine massive Verbesserung zum Status quo ante darstellt und ein großer Reformschritt war.

Ja, ich gebe auch zu – ich glaube, es ist wichtig, das auch ganz offen zu sagen –, dass die getroffenen Maßnahmen zum Teil noch nicht so bekannt sind, wie sie sein sollten, und dass natürlich der Teufel im Detail der Umsetzung steckt. Die Umsetzung wird, und das muss auch so sein, immer von zwei Behör­den durchgeführt. Beim AMS gibt es ganz klare Vorgaben, was die Zeitdauer der Genehmigungen, der Ersatzkraftverfahren betrifft, gemeinsam mit den jeweiligen Sozialpartnerausschüssen. Natürlich weiß ich auch, dass sich viele Ausländerbehörden bemühen, die Prüfungen rasch und unbürokratisch vorzu­nehmen.

Ich bin in gutem Austausch mit dem Innenministerium, aber auch mit allen in den Bundesländern, die verantwortlich sind. Gemeinsam schaffen wir es, dass die Rot-Weiß-Rot-Karte kein bürokratisches Monster ist, wie sie genannt wurde, sondern der ideale Zugang für qualifizierte Zuwanderung nach Österreich für Menschen, die wir in vielen Bereichen – im Pflegebereich, im Tourismus, in der Industrie – brauchen und die in Österreich den Wohlstand vermehren. Wir haben auch, weil es in der Anfrage angesprochen wird, die Saisonkontingente – ein Spezialfall des qualifizierten Zuzugs – erhöht, da steht 2 000, es sind knapp 3 000 mit einer Flexibilitätsregelung. Wir tun in diesem Bereich bei Weitem mehr als viele Bundesregierungen vor uns.

Zum Thema Lohnnebenkosten: Das ist mir ein sehr wichtiges Thema, weil ich als Wirtschaftsforscher im Sinne der Anfrage glaube, dass die Schere zwischen Netto und Brutto in Österreich besonders groß ist und dass ein Senken von Lohnnebenkosten sowohl beschäftigungsfördernde Effekte hat, als auch die Löhne erhöhen kann, wenn es klug gemacht ist. Was haben wir 2022, 2023 gemacht? – Wir haben die Lohnnebenkosten um 0,4 Prozentpunkte gesenkt. Das ist ein Entlastungsvolumen von etwa 600 Millionen Euro pro Jahr


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Wenn es um weitere Senkungen geht, dann, glaube ich, muss es einfach eine offene Debatte über Gegenfinanzierung geben. Jetzt ist es natürlich das Privileg, zu fordern, dass da etwas passiert (Abg. Meinl-Reisinger: Es war ja auch keine offene Debatte über Gegenfinanzierung beim Helikoptergeld! Ich meine, Sie geben Helikoptergeld aus und haben überhaupt keine Gegenfinanzierung außer Schulden!), aber ich glaube, es geht um die Finanzierung von Sozialsystemen und von vielen anderen Bereichen. (Abg. Wöginger: Da stimmt ihr aber in Wien auch zu beim Helikoptergeld! Ihr habt doch die 200 Euro ...! Abg. Meinl-Reisinger: Na, ich meine, da ist auf einmal die Gegenfinanzierung das Thema? Ist ja lächerlich! – Ruf bei der FPÖ: Wer ist jetzt schlechter?) – Die Gegenfinanzierung halte ich grundsätzlich für wichtig, ja, Helikoptergeld ist eine andere Diskussion, für die der Arbeitsminister in dem Fall jetzt nicht zuständig ist (Abg. Meinl-Reisinger: Sind Sie Mitglied der Bundesregierung?), denn im Arbeitsmarktbereich gibt es kein Helikoptergeld. (Abg. Meinl-Reisinger streicht mit der rechten Hand mehrmals schnell über die geöffnete linke Hand und wendet sich dabei in alle Richtungen.)

Ich komme zum Abschluss dieses informellen Teils der Beantwortung der Dringlichen Anfrage. Ich möchte nicht stehen lassen, dass wir im Kampf gegen den Arbeitskräftemangel und bei der Fachkräfterekrutierung untätig sind. Ich könnte jetzt noch lange über Maßnahmen im Bereich der Lehre sprechen – glücklicherweise gibt es auch mehr Lehrlinge als vor der Pandemie –, es gibt Maßnahmen bei den Älteren in der Beschäftigung; das mache ich jetzt nicht. Ich möchte mich bei dieser Gelegenheit noch einmal – ich mache es öfters, weil es wichtig ist – bei allen bedanken, die sich an dieser guten Entwicklung am Arbeitsmarkt beteiligen: gerade bei jenen im AMS, die die Umsetzung dieser Reformschritte tragen, aber – wenn es um die Rot-Weiß-Rot-Karte geht – auch bei jenen in meinem Ressort. Wir werden in der Bundesregierung gemeinsam weiter für Verbesserungen am Arbeitsmarkt arbeiten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Damit komme ich zur formellen Beantwortung der Fragen.


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Zu den Fragen 1 bis 3:

Über die genannten Punkte konnte keine Einigung erzielt werden, daher kann keine Regierungsvorlage vorgelegt werden.

Zur Frage 4:

Das BMAW hat eine Abschätzung möglicher Verhaltenseffekte verschiedener Modelle beauftragt. Die tatsächliche Wirkung des konkreten Modells ist wesentlich von den gewählten Parametern abhängig. Für eine Übersicht über den wissenschaftlichen Erkenntnisstand ist auf die online verfügbare Studie des Wifo zu verweisen.

Unter der Annahme einer durchschnittlichen Verweildauer vor Abgang im Jahr 2021 für arbeitslose Schulungsteilnehmerinnen und ‑teilnehmer und Lehrstellensuchende von 119 Tagen und unter der Annahme von circa 600 000 jährlichen Abgängen in die Arbeit und unter der Annahme einer Verkürzung der Vermittlungsdauer um 30 Tage ergibt sich ein geschätzter Entlastungseffekt in Höhe von rund 828 Millionen Euro.

Zur Frage 5:

Die durchschnittliche Nettovermittlungsdauer, das heißt der Abschluss eines relevanten Geschäftsfalls nach Arbeitsaufnahme, beträgt für das aktuelle Jahr, 2022, laut Datenstand Ende November rund 181 Tage.

Zur Frage 6:

Dem AMS sind derzeit 113 180 offene Stellen gemeldet – Datenstand Ende November 2022.

Zur Frage 7:

Die Durchführung von einfachen Prozentrechnungen ist nicht Gegenstand des parlamentarischen Interpellationsrechts.


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Zur Frage 8:

Im Jahresdurchschnitt waren 2021 rund 516 000 Frauen und rund 587 000 Män­ner ab 50 Jahren, davon 334 000 ab 55 Jahren, unselbstständig beschäftigt. Aus dieser Gruppe wird voraussichtlich ein Teil den Arbeitsmarkt in Richtung Pension verlassen.

Zur Frage 9:

Die Zahl der Menschen im Erwerbsalter in den nächsten zehn Jahren kann anhand der Bevölkerungsprognose laut Bundesanstalt Statistik Österreich näherungsweise prognostiziert werden. Diese Prognosen beziehen auch Aspekte wie Zuwanderung mit ein und werden jährlich angepasst.

Derzeit gibt es rund 881 000 Personen zwischen fünf und 14 Jahren in Öster­reich, die in den kommenden zehn Jahren das Erwerbsalter erreichen können.

Zur Frage 10:

Aktuell sind 8 638 positive Gutachten für Rot-Weiß-Rot-Karten aufrecht. Im Laufe dieses Jahres hat das AMS bis Ende November bereits 5 523 positive Gutachten für Rot-Weiß-Rot-Karten und Blaue Karten ausgestellt. Im Vergleich dazu: 2018 waren es 4 148, 2021 waren es 3 881. Mit vollem Wirksamwerden der Reform ist davon auszugehen, dass im nächsten Jahr und in den Folgejahren noch deutlich mehr Fach- und Schlüsselkräfte über die Rot-Weiß-Rot-Karte zugelassen werden.

Zur Frage 11:

Mit der seit Oktober umgesetzten Reform der Rot-Weiß-Rot-Karte wurden wesentliche Maßnahmen gesetzt, um die Anwerbung und Zuwanderung qualifizierter Arbeitskräfte deutlich zu erleichtern. Die Fachkräfteverordnung für 2023 listet 100 bundesweite und zusätzlich 59 regionale Mangelberufe auf, für die Rot-Weiß-Rot-Karten ohne Arbeitsmarktprüfung erteilt werden


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können. Es gilt jetzt, diese Maßnahmen wirken zu lassen und die Umsetzung in der Praxis weiterhin bestmöglich zu begleiten.

Zur Frage 12:

Aktuell sind 776 Asylwerberinnen und Asylwerber bewilligt beschäftigt. Von einer starken Steigerung im kommenden Jahr ist nicht auszugehen. Vielmehr wird versucht, die über 34 000 beim AMS vorgemerkten Asylberechtigten und subsidiär Schutzberechtigten, die unbeschränkten Arbeitsmarktzugang haben, vorrangig auf offene Stellen zu vermitteln.

Zur Frage 13:

Nach Aufhebung der Erlässe aus dem Jahr 2004 und 2018 durch den VfGH können Asylwerberinnen, Asylwerber, die seit drei Monaten im Asylverfahren zugelassen sind, Beschäftigungsbewilligungen in allen Branchen und für alle Tätigkeiten erhalten, wenn die Stellen nicht mit vorrangig vermittelbaren Ersatzarbeitskräften besetzt werden können und der sozialpartnerschaftliche Beirat die Bewilligung einhellig befürwortet. Diese Regelung entspricht auch den Vorgaben der EU-Richtlinie für Asylwerber, sodass keine Veränderung beim Arbeitsmarktzugang für Asylwerberinnen, Asylwerber geplant ist.

Zur den Fragen 14 bis 15:

Das AMS hat seit Beginn des Krieges 17 687 Beschäftigungsbewilligungen für vertriebene Ukrainerinnen und Ukrainer erteilt. Aktuell sind 7 428 in Beschäftigung. Weitere 7 535 Vertriebene sind beim AMS vorgemerkt. Viele Vertriebene haben noch immer die Hoffnung, bald in die Ukraine zurückkehren zu können, und zögern daher noch, am österreichischen Arbeitsmarkt dauerhaft Fuß zu fassen.

Mit Fortdauer des Krieges ist dennoch mit einer Steigerung der Zahl der erwerbstätigen Ukrainerinnen und Ukrainer zu rechnen. Die Beschäftigungs-


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bewilligungen ermöglichen eine Kontrolle der Lohn- und Arbeitsbedin­gungen und werden auch weiterhin möglichst unbürokratisch, ohne Arbeitsmarktprüfung, erteilt.

Zur Frage 16:

Laut Beschäftigtenstatistik des Dachverbandes der Sozialversicherungsträger waren im November 2022 rund 21 000 Frauen ab 62 Jahren und rund 11 000 Männer ab 65 Jahren unselbstständig beschäftigt. Eine leichte Steigerung erscheint denkbar.

Zur Frage 17:

Die aktuellste Beschäftigungsquote, Oktober 2022, für männliche und weibliche Personen von 60 bis 64 Jahren beträgt 31,5 Prozent.

Zur Frage 18:

Älteren Personen zwischen 60 und 64 Jahren steht grundsätzlich das gesamte Dienstleistungsangebot – Information, Beratung, Qualifizierung, Förderung – des Arbeitsmarktservice zur Verfügung. Arbeitsuchende über 50 Jahren stellen in allen Förderbereichen eine zentrale Zielgruppe dar: in der Coronajoboffensive, es gibt reservierte Mittel für die Zielgruppe der Älteren, in sozialen Unterneh­men, auch in der Kreislaufwirtschaft, bei der Eingliederungsbeihilfe, es gibt einen betrieblichen Lohnkostenzuschuss, und beim Programm Sprungbrett für Lang­zeitarbeitslose, das über 50-Jährige gut erreicht.

Es gibt weitere Angebote des BMAW: Fit2work, eine Beratung für Personen mit gesundheitlichen Problemlagen. Ein wichtiges Instrument ist weiters die 2017 geschaffene Möglichkeit der Wiedereingliederungsteilzeit, die Arbeitneh­merin­nen und Arbeitnehmer den stufenweisen Wiedereinstieg nach einer länger andauernden Arbeitsunfähigkeit ermöglicht. Die Demografieberatung ist ein Beratungsangebot für österreichische Unternehmen zur Schaffung von altersgerechten, alternsgerechten Arbeitswelten in Zeiten des demografischen


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Wandels im Rahmen des Europäischen Sozialfonds. In der nächsten ESF-Programmperiode wird ein Schwerpunkt im Bereich Digitalisierung gesetzt.

Im Rahmen der vom Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft federführend umgesetzten Nationalen Strategie Gesundheit im Betrieb gibt es für Betriebe und Beschäftigte aufeinander abgestimmte Unterstützungsleistungen für das betriebliche Gesundheitsmanagement.

Darüber hinaus beauftragt das BMAW laufend Grundlagenforschung, um die Beschäftigungsquote zwischen 60 und 64 Jahren zu erhöhen, insbesondere zum Thema Lebens- und Erwerbssituation Älterer, um daraus Handlungsempfeh­lungen für die weitere Gestaltung der entsprechenden Rahmenbedingungen abzuleiten.

Zur Frage 19:

Diese Frage betrifft keine Zuständigkeit meines Ressorts und stellt damit keinen dem Interpellationsrecht unterliegenden Gegenstand der Vollziehung des BMAW dar.

Zur Frage 20:

Die Frage ist spekulativ, daher liegen leider keine Daten für eine gesicherte Beantwortung vor.

Zur Frage 21:

Mit Ende November 2022 gibt es 73 offene Stellen in der Forstwirtschaft und im Bereich des Holzeinschlags – nach Önace-2-Steller-Kriterien.

Zur Frage 22:

Mit Ende November 2022 gab es 10 603 offene Stellen in Beherbergung und Gastronomie, das ist der Önace-1-Steller, derzeit beträgt das Tourismus­kontingent knapp 3 000 Plätze. Es wurde zuletzt im Sommer aufgestockt. Für


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das kommende Jahr ist von einem ähnlichen Bedarf an Saisoniers aus Dritt­staaten wie heuer auszugehen.

Zur Frage 23:

Gemäß der entsprechenden Önace-Klassifizierung ist die Entwicklung wie folgt: 2011: Stand Beschäftigter: 529 970; 2012: Stand Beschäftigter: 540 810; 2013: 544 392; 2014: 546 159; 2015: 552 822; 2016: 558 636; 2017: 567 608; 2018: 578 251; 2019: 581 799; 2020: 583 155 und 2021: 587 998.

Zur Frage 24:

Im Jahr 2021 beliefen sich die Auszahlungen für Bildungskarenz inklusive der Sozialversicherungsbeiträge auf 284,443 Millionen Euro und für geblockte Altersteilzeit auf 95,889 Millionen Euro. Das sind gemessen an den eingenom­menen ALV-Beiträgen des Jahres 2021 3,8 Prozent für die Bildungskarenz und 1,3 Prozent für die geblockte Altersteilzeit.

Zur Frage 25:

Eine zweiwöchige Karenzfrist hätte einen Einsparungseffekt von bis zu 120 Mil­lionen Euro ergeben. Es handelt sich dabei um keine Sanktion.

Zur Frage 26:

Diese Frage lässt sich so nicht beantworten.

Gemäß § 61 Abs. 2 Arbeiterkammergesetz 1992 wird die Höhe der Umlage für die einzelnen Arbeiterkammern von der Hauptversammlung der Bundesarbeits­kammer beschlossen. Sie darf höchstens 0,5 Prozent der für die gesetzliche Krankenversicherung geltenden allgemeinen Beitragsgrundlage betragen, wobei die Höchstbeitragsgrundlage nach § 45 Abs. 1 lit. a ASVG nicht überschritten werden darf. Diese Obergrenze von 0,5 Prozent wird derzeit voll ausgeschöpft.

Die Einnahmen der Arbeiterkammern aus der Arbeiterkammerumlage sind daher nicht an die Inflation gekoppelt, sondern hängen von der konkreten Lohn-


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beziehungsweise Gehaltseinstufung der umlagepflichtigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und deren Lohn- und Gehaltsentwicklung auf Basis der jährlichen Lohn- und Gehaltsabschlüsse beziehungsweise der individuellen Karriereverläufe sowie von der Zahl der umlagepflichtigen Kammerzugehörigen insgesamt ab.

Die Einnahmen aus Kammerumlagen des Jahres 2010 mit der Entwicklung der Inflationsrate hochzurechnen wäre daher grob verzerrend und fehlerhaft, weil dies weder die Veränderung der Zahl der umlagepflichtigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer noch deren individuelle Lohn- und Gehaltseinstufung noch ihre berufliche Entwicklung berücksichtigen würde.

Zur Frage 27:

Diese Frage lässt sich ebenso nicht so einfach beantworten.

Die Umlage der Landeskammern gemäß § 122 Abs. 8 Wirtschaftskammergesetz, Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag, für 2023 beträgt zwischen 0,2 und 0,27 Pro­zent. Der Hebesatz der für die Bundeskammer einzuhebenden Umlage gemäß § 122 Abs. 9 Wirtschaftskammergesetz beträgt 0,14 von Hundert der im § 122 Abs. 8 WKG angeführten Beitragsgrundlage – Beschluss des erweiterten Präsidiums der Wirtschaftskammer Österreich vom 11.10.2018. Festzuhalten ist, dass damit die im Wirtschaftskammergesetz festgelegten Höchstsätze nicht voll ausgeschöpft werden.

Die Kammerumlage 2 ist von der Summe der in seinem Unternehmen anfallen­den Arbeitslöhne zu berechnen. Die Bemessungsgrundlage ist die Beitrags­grundlage nach § 41 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967.

Die Einnahmen der Wirtschaftskammer sind daher nicht an die Inflation gekop­pelt, sondern hängen von der konkreten Lohn- beziehungsweise Gehalts­einstufung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und deren Lohn- und Gehaltsentwicklung auf Basis der jährlichen Lohn- und Gehaltsabschlüsse


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beziehungsweise der individuellen Karriereverläufe sowie von der Zahl der umlagepflichtigen Unternehmen insgesamt ab.

Die Einnahmen aus Kammerumlagen des Jahres 2010 mit der Entwicklung der Inflationsrate hochzurechnen wäre daher grob verzerrend und fehlerhaft, weil dies weder die Veränderung der Zahl der umlagepflichtigen Unternehmen noch die individuellen Lohn- und Gehaltsentwicklungen abbilden würde. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

15.43


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Loacker. – Bitte sehr.


15.43.11

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrte Mit­glieder der Bundesregierung! Die letzten beiden Antworten waren gesponsert von den großen österreichischen Kammern. Die bedanken sich recht herzlich und stellen vielleicht dem Ministerium auch wieder einmal Mitarbeiter zur Verfügung, das könnte ja sein. (Ruf bei der ÖVP: Na geh!)

Wenn wir jetzt hohe Lohnabschlüsse, 7 Prozent, 8 Prozent und mehr, haben, dann knallen jedenfalls die Sektkorken in der Wirtschaftskammer, weil dementsprechend natürlich auch die Kammerumlage 2 schön mitsteigt. Und da sind wir direkt bei den Lohnnebenkosten und dem, was an dicker, fetter Last auf den österreichischen Löhnen und Gehältern liegt, was die Unternehmen im Vergleich mit ihren internationalen Mitbewerbern stemmen müssen. Jetzt kann man natürlich sagen: Ja, das ist ein Zehntelprozent, wir haben eh um 0,4 Prozent reduziert!, und so weiter. Das ist genau das Problem bei den Lohnnebenkosten: Kleinvieh macht auch Mist, und wir müssen uns ganz genau anschauen, wo dieses Geld verschwindet.

Beispielsweise kostet die geblockte Altersteilzeit – wir haben es vorgetragen – einen dreistelligen Millionenbetrag im Jahr, und wir haben eine Bildungskarenz,


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die auch einen dreistelligen Millionenbetrag im Jahr kostet. Mit der Bildungs­karenz kaufen wir junge, gut ausgebildete Erwerbstätige aus dem Arbeitsmarkt heraus, damit sie ein Jahr lang nichts tun, und das in Zeiten des Arbeitskräfte­mangels. (Beifall bei den NEOS.)

Das Geld, mit dem wir das machen, sind Lohnnebenkosten. Wenn die zwei Maßnahmen – geblockte Altersteilzeit, das heißt ein Frühpensionierungs­pro­gramm für Betriebe, und Bildungskarenz – miteinander 5 Prozent der Arbeits­losenversicherungsbeiträge ausmachen, dann könnte man das einsparen und die Beiträge um diese 5 Prozent senken, um nur ein Beispiel zu nennen. Man könnte halt auch einmal bei den Kammern etwas genauer schauen, wo sich diese nicht an die Grundsätze der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit halten, und auch dort die Lohnnebenkosten senken. Das ist mühsame Klein­arbeit.

Wenn es darum geht, die Vermittlungsdauer beim AMS zu senken, also die Menschen einen Monat früher wieder in Arbeit zu bringen, würde uns dieser eine Monat über 800 Millionen Euro im Jahr bringen. Das ist wiederum ein erklecklicher Betrag, um den man die Lohnnebenkosten senken könnte. Damit könnte man den Unternehmen Luft für größere Lohnerhöhungen in diesen schwierigen Zeiten verschaffen, damit auch die Mitarbeiter, die arbeiten, tat­sächlich etwas von ihrer Leistung haben. (Beifall bei den NEOS.)

Wir haben auch gesehen – Beate Meinl-Reisinger hat es ausgeführt –, die Lang­zeitarbeitslosigkeit ist in den letzten Jahren massiv gestiegen. Jetzt gibt es in Österreich eine Arbeitslosenversicherung, die viel teurer als beispielsweise jene in Deutschland ist. Es laufen teure Programme, die dafür sorgen sollen, dass Beschäftigte, die es schwer haben, wieder gut in die Arbeit hineinfinden, aber die Langzeitarbeitslosigkeit hat sich beinahe verzwanzigfacht. Warum ist das so und warum ist Österreich da im internationalen Vergleich schlechter als andere Län­der? – Wir sind das einzige Land in der EU, in dem die Leistung aus der Arbeits­losenversicherung zeitlich nicht begrenzt ist. In allen anderen Ländern gibt es eine Zeit lang Arbeitslosengeld, dann ist es aus damit, und der Betreffende kommt


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in die Sozialhilfe, weil halt die Arbeitsmarktvermittlung nach zwei Jahren nicht erfolgreich war und die jeweilige Arbeitsmarktverwaltung ihren Job erledigt hat, wenn auch nicht erfolgreich.

Bei uns kann man die Leistung aus der Arbeitslosenversicherung zeitlich ohne Grenze beziehen: 10 Jahre, 15 Jahre, 20 Jahre – ja, solche Fälle gibt es. Das ist nicht die Welt, aber solche Fälle gibt es. Das Signal an die Menschen, die in Arbeitslosigkeit kommen, ist ein fatales. Daher wäre die Umsetzung eines degressiven Arbeitslosengeldes, das also im Zeitverlauf sinkt, so eine wichtige Reform gewesen. Auch das ist heute internationaler Standard. Dieses lineare Arbeitslosengeld, wie wir es in Österreich haben, entspricht nicht mehr den Erfordernissen der Zeit. Es wäre gut, das Arbeitslosengeld am Beginn ein bisschen zu erhöhen, damit jemand, der in Arbeitslosigkeit kommt, gut aufge­fangen wird, aber auch das Signal zu setzen, dass das Arbeitslosengeld im Zeitverlauf sinkt, um zu signalisieren: Lieber Freund, liebe Freundin, das ist keine Dauereinrichtung, such dir schnell etwas Neues!

Warum ist dieses Signal so wichtig? – Je länger jemand arbeitslos ist, desto schwieriger bekommt man ihn wieder in Arbeit. Es ist deswegen wichtig, rasch wieder in Arbeit zu kommen, und das kann man nicht alles den Mitarbeitern des AMS aufbürden – damit werden die gar nicht fertig –, da muss man auch die Menschen bei ihrer Eigenmotivation ein Stück weit packen und entsprechende Signale setzen. Der Herr Minister ist ja Verhaltensökonom und kann das noch besser erklären als ich, er weiß es ja, er hat sich nur leider gegen den grünen Koalitionspartner nicht durchgesetzt, der, geschätzte Zuschauerinnen und Zuschauer, was wollte? – In Zeiten des Arbeitskräftemangels einfach noch mehr Geld draufklopfen. Nicht eine Reform, sondern das, was die Regierung sonst immer macht: throw money at the problem, wäre das Rezept der Grünen gewesen: einfach zu Beginn mehr Arbeitslosengeld und später gleich viel. Was das bringen soll, kann kein Mensch erklären. (Beifall bei den NEOS.)

Das muss man sich jetzt einmal am gelebten Beispiel anschauen: Wenn jemand 2 500 Euro brutto verdient hat und die betreffende Person arbeitslos wird und


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sich geringfügig etwas dazuverdient – nächstes Jahr ist die Geringfügigkeits­grenze bei 500 Euro –, dann bekommt diese Person um 140 Euro weniger, als wenn sie Vollzeit arbeiten würde. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Da darf man natürlich niemandem böse sein, wenn er sich denkt: Dann arbeite ich doch lieber geringfügig als Vollzeit und habe 140 Euro im Monat weniger, denn schon bei einer 35-Stunden-Woche statt einer 38,5-Stunden-Woche bekommt er weniger, als wenn er geringfügig arbeitet und das Arbeitslosengeld bezieht. Von der 30-Stunden-Woche rede ich da gar nicht. (Beifall bei den NEOS.) Und die Grünen hätten noch mehr Arbeitslosengeld draufgegeben – also da geht Ihnen dann keiner mehr arbeiten.

Die Unternehmen suchen Arbeitskräfte. Jetzt kann man sagen, wenn ein Lie­ferdienst aktuell für das Lager 100 Mitarbeiter sucht und die 1 850 Euro brutto verdienen würden - - (Neuerlicher Zwischenruf bei der SPÖ.) – Jetzt wird auf­geschrien: Ja, dann sollen sie halt mehr zahlen!, aber das Problem ist doch ein ganz anderes: Wieso mute ich den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern zu, dass die Sozialleistungen für Leute finanzieren müssen, für die es tatsächlich einen Job gäbe? Nur weil sich einer vielleicht sagt: Na, für 1 850 Euro mache ich das nicht!, bei einem Job – als Lagermitarbeiter im Lieferdienst –, für den man keine Ausbildung braucht? 1 850 Euro sind zwar nicht viel, aber es ist ein Gehalt, das besser ist, als wenn man vom Arbeitslosengeld und von der Notstandshilfe lebt, und das ist anzuerkennen. (Beifall bei den NEOS.)

Dann noch zur Frage, wie viele Mitarbeiter aus Drittstaaten in Österreich arbeiten dürfen: Das Ausstellen der Rot-Weiß-Rot-Karte wird nie schnell gehen, solange zwei Behörden in dem Zusammenhang tätig sind, das wird immer mehrere Wochen Bearbeitungszeit in Anspruch nehmen. Jetzt gibt es ja auch eine dritte Einheit der Bundesverwaltung, die sich darum kümmert, näm­lich die ABA. Wenn ich als Unternehmen eine Rot-Weiß-Rot-Karte beim AMS und bei der Bezirkshauptmannschaft erlangen möchte, dann kann ich mir von der ABA helfen lassen. Das ist das wuchernde Wachstum der öffentlichen Hand:


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Zwei Behörden sind kompliziert, man schafft also eine dritte, die einem mit den zwei schon bestehenden hilft. (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Leichtfried.)

Dann wundern wir uns, wenn es einen Arbeitskräftemangel gibt – der Herr Minister hat ja vorgetragen, in den letzten zehn Jahren seien 60 000 Menschen mehr in den öffentlichen Bereich arbeiten gegangen –, aber der öffentliche Bereich kauft der freien Wirtschaft die Arbeitskräfte weg, die fehlen da! Das AMS macht das ja auch: Wir haben heute die niedrigste Arbeitslosigkeit seit 14 Jahren, und vor 14 Jahren hat das AMS bei derselben Arbeitslosigkeit gemütliche 1 300 Mitarbeiter weniger gehabt als heute. Das ist das Problem. (Zwischenruf des Abg. Angerer.)

Das haben wir auch im Budget, ich habe das mit Kollegen Kogler diskutiert. Vizekanzler Kogler hat zu mir gesagt: Sie sind der Einzige, der sich nicht freut, dass wir mehr Planstellen haben. – Ja, weil wir die einzige Partei sind, die darauf schaut, dass mit dem Geld der Steuerzahler anständig umgegangen wird. (Beifall bei den NEOS. – Zwischenruf des Abg. Ottenschläger.)

15.51


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gelangt Herr Klubobmann Wöginger. –Bitte sehr.


15.52.01

Abgeordneter August Wöginger (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Bundesministerin! Es ist eigentlich gut, dass wir diese Dringliche Anfrage diskutieren können, weil das auch die Möglichkeit gibt, wirklich Bilanz zu ziehen. Ich werde später dazu kommen, möchte aber zuerst auch ein paar Daten und Fakten wiedergeben.

Wie schaut denn der Arbeitsmarkt in Österreich nach einer dreijährigen Phase der Krisenbewältigung mit Pandemie, jetzt der hohen Inflation, Teuerung, Kriegssituation in Europa aus? – Es ist ja wahrlich nicht die einfachste Zeit, die wir als Bundesregierung hier zu bewerkstelligen haben (Abg. Leichtfried: Du bist


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nicht die Bundesregierung, du bist im Nationalrat!), und dennoch hat sich der Arbeitsmarkt in diesen drei Jahren sehr gut entwickelt.

Der Herr Bundesminister hat es ausgeführt: Wir haben um 130 000 Menschen mehr in Beschäftigung seit 2019 und wir haben die niedrigste Arbeitslosenquote seit 2007. Also, Herr Kollege Loacker, so schlecht kann das alles, was wir gemacht haben, nicht gewesen sein, denn sonst hätten wir nicht diese Kennzahlen. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.)

Na ja, schauen wir es uns an! – Die Schweiz ist bedient, Frau Kollegin Meinl-Reisinger – Schweiz! Vor ein paar Tagen in der „Presse“: „Pleitewelle rollt“. „Über 6 100 Schweizer Firmen gingen bis November pleite, Hunderte dürften heuer noch folgen.“ (Abg. Meinl-Reisinger: In Österreich ja auch! ... ist ja nur aufge­scho­ben!) – Das ist das Erste.

Das heißt: Was war schon unser Zugang? – Zu helfen, dass diese Pleitewellen nicht kommen (Beifall bei der ÖVP – neuerlicher Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger), denn das bedeutet Standortsicherheit, das bedeutet Arbeitsplatz­sicherheit, das bedeutet Wohlstand in diesem Lande. (Abg. Meinl-Reisinger: Ja, aber die kommen ja gerade!) Und die Prognosen für das heurige Jahr sagen aus: Wachstum in Österreich: 4,8 Prozent, in der Schweiz laut Prognosen: 2 Prozent. (Abg. Meinl-Reisinger: Ja, aber bei uns ist sie auch eingebrochen wie nur mit Lock­down über Lockdown! – Zwischenruf der Abg. Seidl.)

Jetzt möchte ich einmal wissen: Was ist denn besser, was ist denn gescheiter? (Abg. Meinl-Reisinger: Ja, was war mit den Lockdowns, der Einbruch?) In der Krise zu helfen und zu investieren oder das nicht zu tun?

Und was mich überhaupt wundert, Frau Kollegin Meinl-Reisinger, ist: Warum kritisieren Sie das alles? Sie sagen: Gießkannenprinzip (Abg. Meinl-Reisinger: Ja!), Sie gehen her und sagen: Helikoptergeld – also das muss man eh einmal erklären: sozusagen, dass alle etwas kriegen –, aber in Wien ist das alles wurscht. (Abg. Meinl-Reisinger: Das ist überhaupt nicht wurscht, aber ihr regiert ...!)


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In Wien, wo die NEOS mitregieren, ist das alles egal. Es gibt dort einen Vizebür­germeister Wiederkehr – der weiß, glaube ich, gar nicht, dass er überhaupt Vizebürgermeister ist (Heiterkeit bei der ÖVP), weil er ja das i-Tüpferl auf diesem roten Koloss ist –, aber dort gibt es vom Schnitzelgutschein bis zum Energie­bonus – und dann wird von Helikoptergeld geredet. Also stellen Sie sich bitte nicht hier heraus und werfen Sie der Regierung Maßnahmen vor, die Sie zur Quadratur in Wien mitunterstützen! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe der Abgeordneten Meinl-Reisinger und Matznetter.)

Ja, wir haben uns zusammengesetzt – ich komme dann noch zur Bilanz, weil ich die heute schon noch zelebrieren werde – betreffend das Arbeitslosengeld. (Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.) Das Arbeitslosengeld ist eine Versiche­rungsleistung, die in Österreich aus meiner Sicht insgesamt gut funktioniert, aber man muss das System weiterentwickeln. Ja, wir wollten hier einen Reformansatz, der übrigens gar nicht im Regierungsprogramm steht, das möchte ich auch einmal dazusagen. Wir in dieser Bundesregierung machen ja auch ständig Dinge, die gar nicht im Regierungsprogramm stehen, denn wenn wir sagen: Wir wollen etwas miteinander machen!, dann machen wir das auch – im Gegensatz zu anderen, früheren Regierungen. (Heiterkeit bei der ÖVP.) Da haben wir nicht einmal das zusammengebracht, was im Regierungsprogramm gestanden ist. (Beifall bei ÖVP und Grünen.) Also daher ist es ja positiv, dass man auch über derartige Dinge nachdenkt.

Und weil jetzt eine Maßnahme nicht kommt, heißt das ja nicht, dass wir in diesen Bereichen nicht doch auch weiter diskutieren und schauen: Wo können wir Anreize setzen? Wo können wir schauen, dass man auch zusätzliche Menschen in die Arbeitswelt bringt? – Das möchte ich nämlich schon auch dazusagen betreffend die Langzeitarbeitslosen – das sind die, die länger als zwölf Monate als arbeitslos vorgemerkt sind –: Deren Zahl geht auch um 7,6 Prozent zurück. Wir haben generell stark rückläufige Zahlen: In allen Branchen, in allen Altersgruppen haben wir – Gott sei Dank!, muss man sagen – stark rückläufige Zahlen im Bereich der Arbeitslosigkeit.


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Ja, unser Verständnis wäre es da, weitere Anreize zu setzen. Ich nenne ein Beispiel, weil es auch wirklich, wie ich glaube, ungerecht ist, was wir hier im System haben, und ich werde mich bemühen, das auch weiterhin mit unseren Freundinnen und Freunden des Koalitionspartners zu diskutieren.

Nehmen wir einmal folgendes Beispiel: Es gibt derzeit in etwa ein durch­schnitt­liches Arbeitslosengeld von rund 1 000 Euro. Das ist das durchschnittliche Arbeitslosengeld einer Einzelperson. Die Geringfügigkeitsgrenze wird nächstes Jahr, das hat Kollege Loacker richtig ausgeführt, über 500 Euro betragen – wir haben das auch einmal bei unserem Arbeitsmarktgipfel gemeinsam diskutiert. Damit kommen wir auf 1 500 Euro, das ist der derzeitige Mindestlohn – die KV-Verhandlungen haben das jetzt in den letzten Monaten kräftig gehoben –, aber das ist steuerbefreit. Die 1 500 Euro sind steuerbefreit.

Das, was wir hier in Ansätzen zu diskutieren versuchen, ist: Wenn jemand arbei­ten geht und einen Mindestlohn von 1 500 Euro verdient, dann ist er in diesem Bereich steuer- und abgabenpflichtig, aber eine Person, die Arbeits­losen­geld bezieht und geringfügig dazuverdienen kann – und das ist derzeit unein­geschränkt möglich, auch bis hin zur Notstandshilfe –, nicht. Ich habe großen Respekt vor Menschen, die in schwierigen Situationen sind – das möchte ich dazusagen –, aber das sollten wir uns vielleicht anschauen. Das sollten wir uns vielleicht anschauen, weil das irgendwie auch eine Frage der Gerechtigkeit ist, ob jemand sagt: Okay, ich gehe arbeiten und verdiene 1 500 Euro brutto, zahle damit aber auch Steuern in das System hinein!, oder jemand (Abg. Haubner: Nimmt heraus!) hat einen Teil des Arbeitslosengeldes und geht mit rund 500 Euro geringfügig arbeiten und hat dann aber diese Abgaben nicht zu leisten. – Das ist der Punkt, den wir eigentlich da auch diskutieren wollen.

Wir wollen da nicht in das System hineinschneiden, denn wir halten es grund­sätzlich für gut aufgebaut. Es soll weiterentwickelt werden und es soll Anreize zum Arbeiten geben – zum Arbeiten! Und bei jenen, die Leistung erbringen, muss man das auch im System abbilden. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.)


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Die Rot-Weiß-Rot-Karte ist schon ein gesetzlich wirklich gelungenes Projekt, aber – der Herr Minister hat es ausgeführt – da brauchen wir auch die Behörden dazu. Das AMS und auch jene Behörden, die sich mit Ausländern beschäftigen, auch die Einwanderungsbehörden, haben da eine Verantwortung – auch die MA 35 in Wien, und auch die untersteht Vizebürgermeister Wiederkehr. (Zwi­schenruf der Abg. Meinl-Reisinger.) Also auch in den Bundesländern brauchen wir Unterstützung, weil es da oft im Vollzug hapert. Da hapert es oft daran, wie es dann vor Ort wirklich ausschaut. Da sind auch die Sozialpartner gemeinsam gefordert.

Es ist nicht ganz einfach, sodass das von heute auf morgen geht, aber die gesetzlichen Grundlagen sind geschaffen. Jetzt geht es darum, dass das auch im Vollzug funktioniert. Da brauchen wir die Unterstützung auch der Behörden vor Ort, aber die Maßnahme ist gut, und die Rot-Weiß-Rot-Karte ist legistisch umgesetzt – und das ist auch in Ordnung so. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Jetzt noch ein paar Worte zu Wien. Ich meine, ich könnte jetzt noch viel über Wien sagen, aber dann spricht man wieder von Wienbashing. – Ich halte Wien für eine wunderbare Stadt, eine Millionenmetropole. Da ist nicht alles so wie bei mir daheim im Innviertel, am Land – das gebe ich schon zu –, aber wenn man bei der Fernwärme in Wien die Gebühren um 92 Prozent erhöht, und in Linz geht es mit 15 Prozent – also da rede ich gar nicht vom Innviertel und von meiner 800-Einwohner-Gemeinde –, dann ist da etwas nicht richtig! Aber das ist die alte Kreisky-Manier: Zuerst aus dem linken Hosensack herausziehen und dann das Geld wieder in den rechten hineinschieben.

Das ist falsch! Das ist falsch und ist - - (Abg. Meinl-Reisinger: Ja, aber das macht ihr die ganze Zeit!) – Wir haben eine Gebührenbremse, Frau Kollegin Meinl-Reisinger! (Beifall bei der ÖVP.) Wir heben diese Gebühren nicht in dieser Art und Weise an. (Abg. Meinl-Reisinger: Die Steuerquote höher! ... Milliarden!)


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Wissen Sie Folgendes? Seit Sie in Wien mitregieren, gibt es für die Bürgerinnen und Bürger – Wasser, Müll, Parken, Fernwärme, Strom, Gas – eine Gesamt­belastung von 2 Milliarden Euro; pro Haushalt sind das 3 000 Euro! Und Sie reden hier von senken und entlasten? – Also fangen Sie einmal dort an, wo Sie regieren, und das wäre in Wien. Da gehörte das eigentlich einmal umgesetzt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenruf des Abg. Kollross.)

Jetzt noch zur Bilanz: Das muss ich hier einfügen, weil da der Satz drinnen steht, dass es in Österreich durch diese Bundesregierung Stillstand gibt. (Abg. Matznetter: ... in Oberösterreich anschauen, Herr Kollege!) Wir haben schwierige Zeiten und wir machen auch nicht alles richtig, keine Frage, so selbstkritisch muss man in dieser Zeit der Pandemie, der Teuerung, der Inflation und in einer Kriegssituation sein. Da machen natürlich auch die Regierenden Fehler (Zwischenruf des Abg. Matznetter), das ist kein Thema. Wir machen aber eine redliche Politik.

Was tun wir noch? (Zwischenruf der Abg. Erasim.) – Wir sind intensiv dabei, viele Projekte abzuarbeiten. Alleine in diesen 30 Tagen haben wir über 50 Be­schlüsse – 50 Beschlüsse! –, von der Dienstrechts-Novelle über die Pflegereform Teil zwei bis hin zur Zuverdienstgrenze beim einkommensabhängigen Kinderbetreu­ungs­geld und der Grundvergütung für Grundwehr- und Zivildiener. (Abg. Leichtfried: Für was habt ihr denn eine Redezeit, hörst?!) 300 Gesetze haben wir alleine im heurigen Jahr auf den Weg gebracht. Ich nenne nur ein paar Highlights, die auch bei der Begründung dieser Dringlichen Anfrage angesprochen wurden:

Die kalte Progression ist abgeschafft. Jetzt sagen die NEOS immer: teilweise. Nächstes Jahr ist sie ganz abgeschafft. Für nächstes Jahr ist sie ganz abgeschafft (Abg. Scherak: Du kriegst sie nur nicht ganz zurück, das stimmt!), weil wir den gesamten Inflationswert auf die Stufen verteilen und die untersten beiden Stufen den doppelten Satz bekommen. (Zwischenrufe der Abgeordneten Meinl-Reisinger und Doppelbauer.) Die kalte Progression ist zur Gänze abgeschafft (Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger), und es ist legitim, meine Damen und


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Herren, dass man jährlich einen Bericht legt. (Zwischenruf der Abg. Doppelbauer.) Zwei Drittel gehen direkt auf die Steuerstufen, und man behält sich auch vor, ob man im Sozialbereich, im Familienbereich auch andere Schwerpunkte setzen will, wie auch den Familienbonus, den wir jetzt auch um 500 Euro pro Kind erhöht haben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wir haben die kalte Progression gemeinsam abgeschafft, und das ist die größte Bruttoreallohnerhöhung der letzten Jahre. Da können Sie auch Prof. Felbermayr fragen, der das mit seiner Expertise bestätigt.

Natürlich haben wir die Menschen und die Wirtschaft mit unseren Maßnahmen entlastet, nämlich sowohl durch die ökosoziale Steuerreform (Abg. Meinl-Reisinger: Das ist ein Verzicht auf eine weitere Belastung!) als auch – in Bezug auf die Wirtschaft – durch die Senkung der KöSt um 2 Prozentpunkte und auch die 0,4 Prozentpunkte - -


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf Sie um das Schlusswort bitten. (Abg. Erasim: Danke, danke!)


Abgeordneter August Wöginger (fortsetzend): Jawohl, Herr Präsident. Da könnten wir noch tagelang reden. (Zwischenrufe der Abgeordneten Einwallner und Matznetter.)

Die Senkung der Lohnnebenkosten möchte ich hier aber nicht kleingeredet lassen: Wir arbeiten für die Menschen, wir arbeiten für das Land. Diese Regierung arbeitet Tag und Nacht für die Menschen, damit wir auch in eine gute Zukunft gehen können. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

16.02


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Nächster Redner ist Abgeordneter Muchitsch. – Bitte.



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16.02.39

Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Ich darf jetzt nach August Wöginger Stellung beziehen. (Abg. Leichtfried: Der hat eh genug Zeit verbraucht!) Ich finde es nicht in Ordnung, hier ein Bashing zu veranstalten, nämlich einerseits seitens Kollegen Loacker betreffend Arbeitssuchende, die keine Chance mehr haben, und andererseits das Wienbashing von dir, August Wöginger. (Beifall bei der SPÖ. – Widerspruch bei der ÖVP. – Ruf bei den Grünen: Das sind Fakten!)

Wenn du wirklich einmal alle Zahlen von vergleichbaren Städten beziehungs­weise von all den Gebühren der anderen Landeshauptstädte in Österreich gegenüberstellst, dann erkennst du, dass Wien spitze ist. (Abg. Ottenschläger: Sie machen jeden Tag ein Regierungsbashing!) Deshalb brauchen wir Wien jetzt nicht schlechtzureden. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Nun aber zum Thema Arbeitsmarktreform: Ich beginne mit den Fakten. Die Fakten sind: Mehr als ein Jahr lang haben die Regierung und Sie, Herr Bundes­minister, eine Arbeitsmarktreform angekündigt. Herr Bundesminister, ich muss Ihnen zugestehen, der Start war ein guter. Sie haben viele Institutionen ange­hört. Sie sind durch ganz Österreich gefahren. Sie haben alle Fraktionen eingebunden, um eine Arbeitsmarktreform umzusetzen. Als wir dann die Gespräche in den Fraktionen dank Ihrer Einladung geführt haben, haben wir natürlich gesehen, wie die Fraktionen zu den verschiedenen Themen stehen. Auch da war aber überwiegend große Einigkeit dahin gehend, wo wir etwas tun wollen, da. Sand ins Getriebe ist dann gekommen, als die Oppositionsparteien nicht mehr eingeladen waren und als es ums Eingemachte gegangen ist, denn letztendlich müssen sich Grüne und ÖVP auf eine Reform einigen.

Diese Dringliche Anfrage ist aber eine gute Möglichkeit, um klar aufzuzeigen, wo hier die Standpunkte waren beziehungsweise wie wir als SPÖ zu verschiedenen Themen betreffend Arbeitsmarktreform stehen.


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Zur Zuwanderung von Arbeitskräften nach Österreich: Ich weiß nicht, ob es so gut ist, dass man kommuniziert, die Mangelberufsliste 2023 sei die umfang­reichste in der Geschichte Österreichs. Wir haben in Bezug auf die Fachkräfte für den Wirtschaftsaufschwung immer Zuwanderung gebraucht, ja (Zwischenruf des Abg. Hörl), aber ich weiß nicht, ob es jetzt so gescheit ist, in Drittstaaten nach Arbeitskräften zu angeln, die dann bereit sind, in Österreich für weniger Geld zu arbeiten, weil das Lohn- und Sozialdumping erhöhen würde. Ich weiß nicht, ob das so gescheit ist. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Hörl.)

Jetzt ganz ehrlich: Wir feiern nächstes Jahr, 2023, 30 Jahre Dienstnehmer­frei­zü­gigkeit in einem gemeinsamen Europa. Wenn es uns als Österreich bei einer Dienstnehmerfreizügigkeit nicht gelingt, Fachkräfte aus der Europäischen Union nach Österreich zu bekommen, dann hapert es wahrscheinlich an den Arbeits­bedingungen. Da sind wir alle miteinander gefordert. (Beifall bei der SPÖ. – Zwi­schenrufe bei der ÖVP.)

Was wir auch noch mehr ausschöpfen würden, Herr Bundesminister, sind Maßnahmen für ein Mehr an Höherqualifizierung, Maßnahmen für ein Mehr an Ausbildung. Wenn ich daran denke, dass gerade 6 240 Jugendliche in der überbetrieblichen Ausbildung sind und diese 6 240 Jugendlichen in der über­betrieblichen Ausbildung einen Stundenlohn von 1,50 Euro, also 372 Euro pro Monat, bekommen, dann muss ich sagen, das ist zu wenig für diese jungen Leute. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn wir schon sagen, wir wollen die Jungen alle gleichstellen, Herr Bundes­minister, dann müssen wir da etwas tun. Die Österreichische Gewerk­schaftsjugend hat diese Kampagne gestartet: das Ende der Löhne zweiter Klasse und von Lehrlingen zweiter Klasse. Wir brauchen mehr Fairness für die Auszubildenden der überbetrieblichen Lehrausbildung. (Beifall bei der SPÖ.)

Zum Thema Integration: Je schneller es uns gelingt, jene Menschen in Österreich am Arbeitsmarkt zu integrieren, die sich jetzt schon in Österreich aufhalten, anstatt das auszuweiten und noch einmal mehr Werbung für neue Arbeitskräfte


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aus Drittländern zu machen, desto besser ist es. Bitte hören Sie nicht auf, in Bezug auf Langzeitarbeitslosigkeit weitere Maßnahmen zu setzen! Da ist etwas gelungen. Ich werde meine Wette mit Ende des Jahres vielleicht verlieren, wenn das so läuft, aber dazu stehe ich. Diese Flasche Wein trinken wir gerne gemein­sam. (Heiterkeit des Bundesministers Kocher.) Wir dürfen aber nicht aufhören, weil natürlich auch diese Zahl von 68 000 noch immer viel zu hoch ist.

Wir brauchen auch mehr Kinderbetreuungsangebote im ländlichen Raum. Vor allem, das ist ganz wichtig, brauchen wir als Wirtschaftsstandort Österreich auch wirklich Maßnahmen, die die Inflationen senken. Die SPÖ hat gestern Vor­schläge eingebracht, die die Inflation um 3 Prozentpunkte senken würde. Da Präsident der Industriellenvereinigung Knill heute Nachmittag aussendet, die Industrie stehe vor einer Rezession, sage ich: Wir brauchen dieses deutsche Modell einer Energiebremse, das heißt Gas- und Strompreisbremse! (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.) Wenn wir das tun, dann sichern wir auch den Wirt­schaftsstandort Österreich. Da, Herr Bundesminister, brauchen wir auch den Zugang, zu fragen: Wie machen wir uns international wettbewerbsfähig?

Letzter Punkt: Arbeitslosenzeiten. Arbeitslosenzeiten, Herr Abgeordneter Loacker, sind keine schönen Zeiten. Jeder, der einmal arbeitslos war und drei Monate zu Hause war, vier Monate zu Hause war, nichts dazuverdienen konnte, weiß, wie das ist. Wenn hier schon gesagt wird: Die Arbeitslosen können eh etwas dazuverdienen, daher ist das viel zu hoch!, sage ich Ihnen: 10 Prozent der Arbeitssuchenden haben jetzt gerade eine Regelung für einen Zuverdienst. Das sind doch nicht alle. Ältere Menschen sind sogar gezwungen, irgendetwas dazuzuverdienen.

Bitte unterscheiden wir zwischen den Arbeitssuchenden! 40 Prozent aller Frauen schaffen es nicht, vom Job in ihre Alterspension zu kommen. Da stimmt etwas nicht am Arbeitsmarkt. Ältere Arbeitssuchende schaffen es nicht mehr, in einen Job zu kommen. Dort ist der Hund begraben und dort braucht es Maß­nahmen.


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Ich war wirklich guter Hoffnung, dass es uns gelingt, das Arbeitslosengeld auf 70 Prozent des Nettoeinkommens zu erhöhen. Ich war wirklich guter Hoffnung, dass das gelingt, natürlich mit der Entscheidung, wo die Grenze ist, wenn es dann degressiv abfällt. Es darf nur nie unter die Armutsgrenze fallen (Zwischenruf des Abg. Hörl), denn das wäre eines Landes wie Österreich nicht würdig. Aus diesem Grund geben wir nicht auf.

Ich möchte im Zuge dieser Debatte seitens der SPÖ einen Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Arbeitsmarktreform jetzt umsetzen“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft wird aufgefordert, unverzüglich dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zur Beschlussfassung zu übermitteln, mit der folgenden Maßnahme umgesetzt werden:

- Erhöhung des Arbeitslosengeldes auf 70 Prozent des letzten Einkommens

- Berechnungszeitraum des Arbeitslosengeldes näher an den Zeitpunkt der Geltendmachung rücken

- Jährliche Valorisierung des Arbeitslosengeldes bzw. der Notstandshilfe

- Verdreifachung des Familienzuschlages.“

*****

Es geht um die Erhöhung von 1 Euro auf 3 Euro pro Tag Familienzuschlag. (Abg. Hörl: ... degressiv!)

Das wäre unser Antrag, und ich ersuche um Zustimmung.


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Herr Bundesminister, ich ersuche Sie auch im Namen der Betroffenen, in Bezug auf eine Arbeitsmarktreform, die den Betroffenen entsprechend hilft und nicht schadet, weiterzutun. (Beifall bei der SPÖ.)

16.10

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Muchitsch,

Genossinnen und Genossen

betreffend Arbeitsmarktreform jetzt umsetzen

eingebracht im Zuge der Debatte zur Dringlichen Anfrage der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betreffend der Stillstand in der Regierung, darf nicht zum Stillstand der Wirtschaft werden: Arbeitsmarktreform jetzt!

„Keine Reform der Arbeitslosenversicherung - Verhandlungen gescheitert“, so titelte eine APA-Aussendung (APA0134 3 WI 0273 II) am Freitag, 2. November und es wurde damit endlich ausgesprochen, was schon länger Zeit erkennbar war: auch in diesem wichtigen Reformvorhaben ist die Regierung am Ende.

Mehr als ein Jahr lang haben die Regierung und ÖVP-Arbeitsminister Kocher eine Arbeitsmarktreform angekündigt. Jetzt zeigt sich, dass das wie so oft bei Türkis-Grün nur eine weitere leere Ankündigung war. Deutlicher können sich die Handlungs­unfähigkeit und das Versagen von Türkis-Grün gar nicht zeigen. Die Regierung ist gescheitert, sie bringt nichts mehr weiter.

Das Versagen der Bundesregierung in der Arbeitsmarktpolitik schließt sich nahtlos an eine lange Reihe des Versagens an. Komplettversagen in der Asyl- und Migrations­politik, das Versagen im Kampf gegen die Teuerung und die Energiekrise und das Regierungs-Versagen bei der Energiewende.


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Dabei wäre gerade eine Arbeitsmarktreform so wichtig für die weitere Entwicklung unseres Landes. Fachkräftemangel in den diversesten Berufen, angefangen bei den fehlenden Pflegekräften, müssen endlich angegangen werden, Projekte im Kampf gegen Langzeitbeschäftigungslosigkeit fehlen zur Gänze und natürlich die finanzielle Absicherung im Fall der Arbeitslosigkeit ist unzureichend. Gerade in Zeiten der immensen Teuerung werden Arbeitslose von der türkis-grünen Regierung im Stich gelassen.

Die Anhebung des Arbeitslosengeldes auf 70 Prozent des letzten Einkommens, die jährliche Valorisierung von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe und die Ver­dreifachung des Familienzuschlages sind dringst erforderliche Maßnahmen um das Abrutschen in Armut im Falle von Arbeitslosigkeit für die Betroffenen und ihre Familien zu verhindern.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft wird aufgefordert, unverzüglich dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zur Beschlussfassung zu übermitteln, mit der folgenden Maßnahme umgesetzt werden:

•          Erhöhung des Arbeitslosengeldes auf 70 Prozent des letzten Einkommens

•          Berechnungszeitraum des Arbeitslosengeldes näher an den Zeitpunkt der Geltendmachung rücken

•          Jährliche Valorisierung des Arbeitslosengeldes bzw. der Notstandshilfe

•          Verdreifachung des Familienzuschlages.“

*****



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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Entschließungsantrag ist ord­nungs­gemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht somit mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Wurm. – Bitte.


16.10.14

Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Werte Zuseher! Der Titel dieser Dringlichen Anfrage der NEOS lautet: Wirtschaft stärken, Arbeitsmarkt reformieren, und ich bin jetzt aus den Ausführungen von Frau Kollegin Meinl-Reisinger nicht ganz schlau geworden. Kollege Loacker hat es ein bissel detaillierter erklärt, aber ich glaube, die Linie der NEOS in diesem Bereich ist noch nicht ganz klar. (Abg. Meinl-Reisinger: Ja, wissen Sie, Frauen – das ist so!) Seid ihr jetzt wirtschaftsorientiert oder doch linksliberal, mit einer offenen Zuwanderung? Das sollte man vielleicht noch klären, das ist mir nicht ganz klar. (Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.)

Gestern und heute ist aber zwei-, dreimal, glaube ich, in Ihren Reihen die Aussage gekommen: aus Fehlern lernen, aus Fehlern der Vergangenheit lernen, und ich glaube, am Arbeitsmarkt sieht man recht deutlich, dass wir aus Fehlern lernen und auch einmal so ehrlich sein sollten, zu sagen: Okay, welche Idee war zwar gut gemeint, hat aber schlichtweg nicht gut funktioniert?

Dass der Arbeitsmarkt ein Problem hat, ist, glaube ich, ganz klar. Ich sage es noch einmal – von Wirtschaftsseite wissen wir das –: Händeringend werden Fachkräfte (Abg. Hörl: Arbeitskräfte auch!), auch normale Arbeitskräfte gesucht.

Für die andere Seite – Kollege Wöginger ist ja von seinen Reden her schon voll im Wahlkampfdauermodus – darf ich noch einmal die Zahlen, was die Arbeits­losigkeit betrifft, klarstellen: Wir haben aktuell, mit November, 330 000 Personen in Arbeitslosigkeit oder Schulung, rund 50 000 in Kurzarbeit, 200 000 in der Mindestsicherung beziehungsweise im Notstand. – So, das sind die Zahlen. Und, Kollege Wöginger, wir sind aktuell in der Europäischen Union


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betreffend Arbeitslosigkeit auf Platz 13 von 27. Also ich bin jetzt schon relativ lang dabei, aber ich kann mich an einen solch schlechten Platz innerhalb der Europäischen Union nicht erinnern. Platz 13! Zwölf europäische Länder haben eine geringere Arbeitslosigkeit!

Bei der Jugendarbeitslosigkeit sind wir auf Platz sieben. Die Kollegen, die länger dabei sind, werden es wissen: Da waren wir in Europa immer entweder auf Platz eins, zwei oder drei. Jetzt sind wir auf Platz sieben. Also das als Erfolg dieser Regierung darstellen zu können, Herr Kollege Minister Kocher, das würde ich einmal sehr, sehr stark anzweifeln.

Dann kommen wir auch noch einmal zum ganzen AMS-Bereich, zu den Schu­lungen und so weiter. Das ist halt etwas, was man einmal anerkennen muss: Leider Gottes besteht nicht nur ein Drittel der Arbeitslosen, also dieser 330 000 Personen, aus nicht österreichischen Staatsbürgern, sondern auch mehr als die Hälfte der 70 000 in Schulung Befindlichen sind nicht österreichische Staats­bürger. Also bitte verabschieden wir uns davon, dass die Zuwanderung, wie Sie alle vor Jahren und Jahrzehnten angekündigt haben, uns das Problem lösen wird! Sie hat das Problem vergrößert! (Beifall bei der FPÖ.)

Ganz einfach: Sie könnten mehr, doppelt so viel, in die Ausbildung von Öster­reichern, die arbeitslos sind, investieren, sowohl von der Zeit als auch vom Geld her. Und das kann kein Erfolg, auch nicht der Sozialdemokratie, sein. Die Zahlen sind ganz nüchtern referiert.

Noch einmal: Man muss sich einfach die Zahlen anschauen und sagen: Okay, da war etwas falsch! – Ich rede noch gar nicht von den aktuellen Entwicklungen, die wir heuer erleben, mit über 100 000 illegalen Zuwanderern. Diese landen alle entweder in der Arbeitslosigkeit, Mindestsicherung, Kriminalität oder wo auch immer. Das ist der falsche Weg, und da sollten vor allem Sie aus den Fehlern lernen. Wir haben sie Ihnen prognostiziert.


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Ich darf auch einen anderen Fehler aufzeigen, auch Richtung NEOS: Damals war die Aussage, die Europäische Union werde uns das Problem lösen. Wir kriegen dann für den Tourismus im Winter die Köche aus Portugal und hin und her, alles kein Problem! – Das ist schlichtweg nicht passiert. Es ist nicht gelungen, den Arbeitsmarkt in Europa irgendwie zusammenzubringen. Wir haben im Winter im Tourismus nicht den Koch aus Griechenland. (Zwischenruf der Abg. Zopf.) Das ist nicht gelungen, auch nicht bei den Facharbeitern, bei den Bauarbeitern. Da hat die EU, die Europäische Union, völlig versagt. Das Einzige, was gelungen ist – und da gebe ich Kollegen Muchitsch recht –: Wir haben Tür und Tor für Lohn- und Sozialdumping geöffnet.

Wir Freiheitliche haben auch das schon vor Jahren genau so prognostiziert. Wir haben – wieder einmal, muss man leider Gottes sagen – recht behalten. Sie, die vier anderen Parteien, gehen diesen Weg aber weiter, und da muss man einmal nackt und ganz kontrolliert hinschauen und fragen: Okay, wie schaut es aus? Wollen wir diesen Weg weitergehen? Denken wir darüber nach: Wie können wir die Situation in Österreich verbessern (Zwischenruf des Abg. Hörl), für die österreichischen Firmen und für die österreichischen Arbeitnehmer?! Das muss die Zielsetzung von uns allen sein!

Auch noch einmal etwas Grundsätzliches, was wir Freiheitliche seit Jahren immer wieder sagen: Arbeit muss sich lohnen! (Ruf bei der ÖVP: Genau!) Arbeit­nehmer müssen anständig bezahlt werden. Deswegen freuen wir uns über die Lohnerhöhungen, die es aktuell gibt. Diese sind zumindest ein Sprung nach vorne, absolut richtig. Arbeit muss sich lohnen!

Ich würde auch einmal vorschlagen – und auch das richtet sich an die NEOS, weil ihr immer so gegen die Pensionisten seid –: Man sollte eigentlich die Helden der Arbeit in Österreich mit einem Orden ehren, aber nicht nur mit einem Orden, sondern vielleicht auch mit Sonderbonuszahlungen, Sonderleistungen, und zwar jene Österreicherinnen und Österreicher, die 45 Arbeitsjahre in Österreich zusammenbringen. Die sollten einen Orden bekommen.


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Das, Kollege Loacker, wäre der Anspruch, den wir haben sollten, denn diese Leute werden immer weniger. (Zwischenruf des Abg. Loacker.) Die bräuchten wir, weil die 100 000, die im heurigen Jahr gekommen sind, das aller Vermutung nach – ich vermute es einmal, gell, man kann mich ja dann in 50 Jahren korrigieren – nicht zusammenbringen werden. Auch das muss man einmal klar sagen, ansprechen und einer Lösung zuführen.

Natürlich war – und da kann ich die letzten zehn, 15 Jahre zurückgehen – der Wunsch und der Drang nach Akademisierung, wie wir sie hatten, auch falsch. Natürlich war das falsch! Ich kann mich erinnern: Vor zehn Jahren hieß es jedes Mal: Die Akademikerquote ist immer noch zu niedrig in Europa, wir müssen aufholen, aufholen, aufholen! – Jetzt haben wir keine Lehrlinge. Jetzt haben wir keine Maler, keine Tischler, Kfz-Mechaniker, Dachdecker – die fehlen. Wir haben es aber oder ihr habt es ja auch darauf angelegt. Es war nur der akademi­sche Ausbildungsgrad, und wie hoch die Quote in Österreich ist, wichtig.

Ich sage es auch noch einmal: Für diesen Bereich haben Kollege Angerer und ich eine Lehrabschlussprämie eingebracht. Jene Lehrlinge in Österreich, die den Lehrabschluss erfolgreich absolvieren, sollen 10 000 Euro bekommen, 5 000 in bar und 5 000 in Ausbildungsgutscheinen. – Das habt ihr abgelehnt – einen ganz sinnvollen Vorschlag, der uns helfen würde, diesen Fachkräftemangel im eigenen Land nachhaltig zu beenden.

Aktion 60 plus – ich sage auch das noch einmal –: auch von euch abgelehnt, obwohl ihr intern immer sagt, es wäre eine super Idee, dass alle Pensionisten, die in der Regelpension sind und sich fit fühlen, gesund fühlen, die entsprechendes Know-how haben, auf freiwilliger Basis weiterarbeiten, einen Tag pro Woche oder drei Tage, wie sie wollen, aber vom Finanzamt, der Sozialversicherung und sonstigen Dingen nicht gequält werden. – Habt ihr abgelehnt! Warum macht ihr das? Wir vergeuden Fachkräfte, Arbeitskräfte, motivierte Leute in Österreich, die das nicht mehr machen, die einfach sehen: Okay, es bringt nichts, wenn ich mit 63, 65 oder 67 noch arbeiten gehe. Denkt da einmal um, schaut euch die


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Zahlen an und lasst uns Dinge sinnvoll verändern! Diese Blockadehaltung bringt uns nicht weiter.

Die Rot-Weiß-Rot-Card – auch das noch einmal – war eine supernette Idee. Ich kann mich auch erinnern, ich bin ja schon lange genug dabei: Das war die Idee, dass wir den indischen Programmierer nach Österreich bekommen. Das wurde sogar im Ausschuss diskutiert. Für den indischen Programmierer haben wir das erfunden. Wer ist gekommen? – Nicht einmal der indische Schuhmacher. Der indische Bettler ist gekommen, aktuell, nicht aber der indische Programmierer!

Also, Rot-Weiß-Rot-Karte: nette Idee, gescheitert, wird das Problem auch nicht lösen.

Summa summarum – man könnte das jetzt noch lange ausbreiten – möchte ich nur darauf hinweisen, diese Traumtänzereien und linken Utopien, die sich in der Realität zum Schaden von uns allen, nämlich von Arbeitnehmern und Wirtschaft, als Luftblase erwiesen haben, bitte endlich abzulegen.

Wir Politiker, gerade hier in diesem Haus – Kollegin Yılmaz hat es ja gerade gesagt –, sind die, die gewählt sind. Wir sollten wieder Hausverstand, Sachkennt­nis, Zahlen, Daten, Fakten in den Mittelpunkt von Entscheidungen rücken und nicht ideologische Traumtänzereien. Dann haben wir auch eine Chance, der Wirtschaft zu helfen und den Arbeitsmarkt zu reformieren. Alles andere wird eher in einer Sackgasse enden.

Und diese Regierung aus ÖVP und Grün ist in einer Sackgasse. Jede Woche, die ihr weitermacht, ist ein Schaden für Österreich. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

16.19


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Koza. – Bitte sehr.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll189. Sitzung, 189. Sitzung des Nationalrats vom 14. Dezember 2022 / Seite 318

16.20.06

Abgeordneter Mag. Markus Koza (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Zusehe­rinnen und Zuseher! Der österreichische Arbeitsmarkt erweist sich ja entgegen allen Unkenrufen auch in dieser Krise als außerordentlich robust, und er hat sich auch nach der Coronakrise deutlich rascher und besser erholt, als von der Wirtschaftsforschung prognostiziert worden ist.

Ich erinnere mich noch, es hat geheißen, frühestens im Jahr 2025, 2026 werden wir die Arbeitslosenzahlen erreichen, die wir vor der Coronakrise gehabt haben. – Schmeck’s, es ist dezidiert nicht so. Wir haben, Stand November 2022, die niedrigste Novemberarbeitslosigkeit seit der Jahrtausendwende. Es gibt insgesamt 330 000 Arbeitslose, also Arbeitslose und Menschen in Schulungen.

Es gibt in den letzten Monaten Rekordzahlen. Wir dürfen uns darüber freuen, dass die Arbeitslosenzahlen drastisch zurückgehen. Die Gründe dafür sind vielfältig, teilweise wurden sie ja bereits erwähnt: Einerseits gibt es den demo­grafischen Wandel – natürlich, es gehen mehr Menschen in Pension und wenige Junge treten in den Arbeitsmarkt ein – und andererseits die wirtschaft­liche Erholung nach Corona, aber wir haben auch eine entsprechende Arbeitsmarkt­politik gemacht. Wir haben genau dann, als es notwendig war, also zum richtigen Zeitpunkt, die richtigen Maßnahmen gesetzt. Wir haben Hunderte Millionen Euro in Bildung, in Qualifizierung, in die Eingliederung von Menschen, die beson­ders stark von Arbeitslosigkeit betroffen sind, und in den Arbeitsmarkt investiert. Und ja, das hat sich ausgezahlt, und darüber freuen wir uns auch. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! So erfreulich die Situation am Arbeits­markt auch ist, wir haben natürlich trotzdem noch enorme Heraus­for­de­rungen zu bewältigen. Es gibt auf der einen Seite den Fachkräftemangel oder einen Arbeitskräftemangel insgesamt – das macht sich bemerkbar. Auf der anderen Seite stehen wir vor einem großen Transformationsprozess unserer


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Wirtschaft, der Industrie, der Gesellschaft insgesamt in Richtung CO2-Neu­tralität. Das heißt, es werden sich viele Berufsbilder ändern müssen, es werden neue Berufe entstehen, es werden alte Berufe verschwinden. Diesen Prozess, diesen Übergang in der Arbeitswelt, in der Wirtschaft müssen wir so sozial gerecht wie möglich gestalten – eine große Herausforderung!

Zuletzt – immer ein ganz wesentlicher Punkt für uns Grüne –: Es geht auch darum, in unserem guten Arbeitslosenversicherungssystem die Arbeitslosenve­rsicherungsleistungen, wie das Arbeitslosengeld, die Notstandshilfe, so zu gestalten, dass sie besser gegen Armut absichern. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das waren immer die Leitlinien, an denen wir uns orientiert haben, wenn es um Arbeitsmarktpolitik gegangen ist, und orientieren. Das war immer bekannt, das ist nichts Neues Eine Arbeits­marktreform müsste unserer Meinung nach unter diesen Zeichen stehen.

Wir haben sehr lange verhandelt, sehr intensiv verhandelt und haben uns erfreu­licherweise auch in vielen Punkten gefunden, in anderen Punkten bedauer­licherweise leider nicht. Daher ist es auch nicht zu dieser großen Reform gekom­men. Wir werden aber weiter an einzelnen Stellschrauben drehen, im Sinne der Betroffenen, im Sinne der Notwendigkeit des ökologischen Umbaus und auch im Sinne der Unternehmen, die die Fachkräfte dringend brauchen. (Beifall bei den Grünen.)

Weil Kollege Loacker zuerst so flapsig gemeint hat: Na ja, die Grünen, was woll­ten die schon, die wollten halt das Arbeitslosengeld erhöhen, mehr Geld reinstecken, und warum sollte denn das so sein, warum wollen die Grünen denn das machen?, Folgendes: Kollege Loacker, es gibt ganz einfache Gründe dafür, dass wir das machen wollen: weil es leider Leistungen aus der Arbeitslosen­ver­sicherung gibt, die nicht armutsfest sind. Wenn nach sechs Monaten Arbeits­losigkeit ein Drittel dieser Menschen, die arbeitslos sind, armutsgefährdet ist und nach einem Jahr 57 Prozent armutsgefährdet sind, ja, dann müssen wir etwas


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tun, dann besteht unserer Meinung nach Handlungsbedarf. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Meinl-Reisinger: Ja, aber arbeiten gehen!)

Das ist auch immer das große Problem, wenn wir über die Zuverdienstmög­lich­keiten, die Zuverdienstgrenzen und was auch immer diskutieren: Erstens wissen wir nicht einmal, wie hoch das Einkommen von den Menschen ist, die daneben geringfügig beschäftigt sind. Arbeiten sie für fast 500 Euro oder verdienen sie nur 150 Euro?

Bitte, lassen wir die Kirche im Dorf: Es sind 10 Prozent der arbeitssuchenden Menschen daneben geringfügig beschäftigt. Wenn das das große, zentrale Arbeitsmarktproblem in Österreich ist, dann können wir uns in Wirklichkeit glücklich schätzen.

Wir dürfen eines auch nicht vergessen: Für sehr viele Arbeitslose, gerade für Menschen, die länger in Arbeitslosigkeit sind, ist das ein Standbein ins Erwerbs­leben. Das sind oft Menschen, die gesundheitlich beeinträchtigt sind, die schon lange vom Job weg sind, die armutsgefährdet sind, und für die ist das eine Chance, aus dieser Armutsgefährdung rauszukommen. (Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir stehen sicher nicht dafür zur Verfügung, Menschen, die bereits armutsgefährdet sind, noch ärmer zu machen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Weil immer wieder auch die sogenannte Wartefrist zu Beginn der Arbeitslosig­keit erwähnt wird – Kollege Loacker hat dazu auch eine Anfrage gestellt und es wird auch immer wieder darüber diskutiert –: Ja, was ist denn da das Problem? Meine sehr geehrten Damen und Herren, das Arbeitslosengeld, die Arbeits­losen­versicherung wurde genau dafür erfunden, dass Menschen, die in Arbeits­losigkeit geraten, einen Einkommensschutz bekommen (Abg. Scherak: Und dass sie möglichst rasch wieder arbeiten ...!), und je kürzer Menschen in Arbeitslosigkeit sind, desto besser ist es.


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Warum man ausgerechnet Menschen, die unverschuldet gekündigt werden und dann in Arbeitslosigkeit geraten, in den ersten zwei Wochen kein Arbeits­losengeld ausbezahlen sollte, das muss mir einmal jemand erklären. Dass dann insbesondere diejenigen, die eigentlich nur relativ kurz arbeitslos sind, nämlich 30 bis 40 Prozent der Leute – die sind sechs bis maximal acht Wochen arbeitslos –, auch noch Verluste im Bereich des Arbeitslosengeldes hinnehmen sollen, damit man vorne eine Wartefrist hat – ich sage lieber Sperre dazu –, sehe ich dezidiert nicht ein! Das ist nicht die Anreizwirkung von einem Arbeits­losengeld, wie ich sie mir erwarte. (Beifall bei den Grünen.)

Ja, wir brauchen in einigen Punkten dringend Reformen, aber manchmal ist es besser, es bleibt so, wie es aktuell ist, wenn man sich nicht einigt, und man dreht dort an einzelnen Schrauben, wo es sinnvoll ist, wo es nachhaltig ist und wo es wirklich auch unmittelbar für die Menschen, die betroffen sind, etwas bringt. – Danke sehr. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Muchitsch.)

16.26


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Krisper. – Bitte sehr.


16.26.46

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Wäre es für den Wirtschaftsstandort Österreich gut oder schlecht, wenn Asylwerberinnen und Asylwerber und ukrainische Flüchtlinge unbüro­kratischen Zugang zum Arbeitsmarkt hätten? Darüber kann man nachdenken, sachlich Für und Wider abwägen – oder man ist die FPÖ und mittlerweile auch die ÖVP, dann kann man gar nicht mehr frei nachdenken, denn man ist schon völlig in seinem Populismus festgefahren, der jegliche Vernunft ersticken lässt.

Zu den Asylwerbern: In diesem Bereich gestalten die Regierungen seit vielen Jahren den Zugang zum Arbeitsmarkt höchst restriktiv, werfen dann den Asylwerber:innen vor, dass sie nicht arbeiten und Unterstützung brauchen, und


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wenn sie arbeiten, dass sie Österreichern und Österreicherinnen den Arbeits­platz wegnehmen.

Richtig und vernünftig wäre ein effektiver Zugang zum Arbeitsmarkt, das wäre für die Wirtschaft und für die Integration gut. Das AMS muss ja in jedem Fall prüfen, ob eh nicht ein Österreicher und auch kein EWR-Bürger für den Job in Frage kommt.

Aber was macht die Regierung, sogar unter Türkis-Grün? Nachdem der Verfas­sungsgerichtshof nach 17 Jahren die Einschränkung des Zugangs zum Arbeitsmarkt gekippt hat – man durfte nur als Erntehelfer und Saisonarbeiter arbeiten –, gibt es weiterhin bürokratische Hürden, die es Asylwerbern nur schwer ermöglichen, wirklich zu arbeiten. Man zermürbt Menschen, man nimmt ihnen die Chance, sich selbst zu erhalten – aus Populismus.

Was Sie in Ihrem Populismus vielleicht vergessen – vielleicht motiviert Sie das zum Umdenken –: Über diesen Unsinn ärgern sich auch Österreicher, nämlich die Arbeitgeber, die sonst niemanden haben, verstehen das überhaupt nicht. Und besonders ärgern sie sich, wenn sie Asylwerber in einem Mangelberuf, in dem es ganz klar niemanden gibt, der das sonst machen würde, ausbilden und diese dann nach der Ausbildung oder nach ein paar Arbeitsmonaten abgescho­ben werden.

Das muss nicht sein. Denken wir an Deutschland! Dort werden Asylwerber ausgebildet, und auch dann, wenn sie einen negativen Bescheid erhalten, dürfen sie noch zwei Jahre lang dort im Betrieb arbeiten. Wo bleibt die Idee der Initiative Ausbildung statt Abschiebung von Rudi Anschober? Wo sind die Grü­nen, wenn man sie einmal braucht? Das sind viele Fälle. Es sind Zehntau­sende Fachkräfte, die in Mangelberufen fehlen, und damit Zehntausende – auch österreichische – Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen, die unter Ihrem Populismus leiden.


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Dann hatten wir Hoffnung, dass es jetzt mit der ÖVP besser wird, wenn die ukrainischen Frauen und Kinder kommen. Da war es ja für die ÖVP nicht wie bei den Taliban nötig, Putin länger an seinen Taten zu messen. Aber da blieb es bei Worten, denn seit fast zehn Monaten verspricht die Bundesregierung rasche und adäquate Hilfe für die Ukrainer:innen, die zu uns geflohen sind, großteils Frauen, die hier sind und arbeiten wollen.

Ich muss Ihnen widersprechen, Herr Arbeitsminister, wenn Sie meinen, viele wollen das nicht, weil sie hoffen, zurückzukehren. Viele wollen es gerade deswegen, weil sie gerade jetzt Angst haben, dass die Aufenthaltserlaubnis hier wegen ihres Vertriebenenstatus vielleicht nicht verlängert wird – man hat immer die Sorge –, und weil sie sich natürlich selber erhalten wollen. Ich habe noch mit keiner Frau gesprochen, die gesagt hat, sie möchte abwarten. Ich höre nur welche und spreche nur mit welchen, die für sich und ihre Kinder hier selbst im Erwerbsleben das Geld erwirtschaften wollen.

Das wäre eine Win-win-win-Situation: gut für die Frauen und Kinder, gut für die Wirtschaft, gut für die Integration und auch für das Budget – sogar viermal win. Denn gerade die Ukrainerinnen sind hoch qualifiziert – 70 bis 80 Prozent laut UNHCR –, und laut AMS sind 25 000 auf dem Arbeitsmarkt integrierbar. Ihre 7 000 von heute sind da eine traurige Zahl.

Warum ist diese Zahl so niedrig? – Weil den Frauen mehrere Knüppel, einer nach dem anderen, vor die Füße geknallt werden. Es beginnt bei wochenlangem Warten auf die Blaue Karte. Dann kommt das Warten auf die Grundversorgung. Dann kommt das Warten auf die Beschäftigungsbewilligung. Wir hören von Unternehmern, die bis zur Beschäftigungsbewilligung mehr als vier Wochen ausharren müssen. (Abg. Hanger: Ich habe sie in drei Tagen bekommen!) – Schön für Sie. Vielleicht haben Sie gute Kontakte. – Erachten Sie es als zumutbar für Unternehmer? (Zwischenruf bei den NEOS. – Abg. Hanger: Wieso? Ich habe zwei Ukrainer angestellt!)


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Dann gibt es noch eine absurde Zuverdienstgrenze von 110 Euro. Da wurde jetzt nach Monaten etwas bewegt, aber was es jetzt gibt, ist darüber hinaus ein absurdes, hoch kompliziertes Schlüsselsystem, wie man etwas dazuverdienen kann, das nicht praktikabel ist.

Arbeitskräfte, Talente von diesen Frauen werden da nicht gesehen. Sie werden demotiviert, in Richtung Grundversorgung geschoben: eine Inaktivitätsfalle – ein Missstand, der die Wirtschaft schwächt, integrationspolitisch eine Katastrophe ist und uns allen schadet.

Jetzt wird es noch absurder: Es verursacht noch zusätzliche Kosten. Warum? – Weil sich dann die Politik auf Bundeslandebene helfen muss, so wie beim Pflegenotstand. Die ÖVP in Niederösterreich beginnt, in Vietnam Frauen und Männern Deutsch beizubringen, sie dann zu uns zu fliegen und hier als Pflegekräfte ausbilden zu lassen. Das kostet weitere Millionen, weil wir nicht fähig sind, die Kompetenz von Menschen, die hier bei uns sind, zu heben. Das ist nur mehr absurd. (Beifall bei den NEOS.)

Hören Sie auf mit diesem Irrsinn! Sorgen Sie dafür, dass – was wir NEOS schon ewig fordern – die Menschen entsprechend ihren Talenten arbeiten können, dass es hier zu einer Anerkennung von Bildungsabschlüssen kommt, dass unbürokratische Schritte gesetzt werden und bürokratische, wie eine Beschäfti­gungsbewilligung, der Geschichte angehören, denn, Herr Arbeitsminister, es stimmt laut UNHCR nicht und ist für die Praxis nämlich nicht relevant, dass auf­grund des Risikos von Lohndumping der Bedarf nach einer Beschäftigungs­bewilligung besteht. Wir schließen uns dieser Meinung an. So könnten die Betroffenen entsprechend ihrer Qualifikation bei uns arbeiten. Von ihren Fähig­keiten profitieren würden auch wir.

ÖVP, springt einmal von eurem Populismuszug! Bringt etwas zum Laufen oder lasst einfach die guten Leute in den Ministerien ungestört arbeiten! Bis dahin sind Türkis und Grün verantwortlich für die Missachtung von Talenten in diesem


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Land und für das Vernachlässigen von Potenzialen, auch zum Schaden unserer Wirtschaft. (Beifall bei den NEOS.)

16.33


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Egger. Bei ihm steht das Wort. – Bitte sehr.


16.33.33

Abgeordneter Mag. (FH) Kurt Egger (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher hier im Saal und auch via Livestream! Diese Dringliche Anfrage gibt mir zuallererst einmal die Möglichkeit, mich bei 550 000 österreichischen Unternehmerinnen und Unternehmern für ihren Einsatz auch in schwierigen Zeiten zu bedanken sowie dafür, dass sie fast vier Millionen Menschen in diesem Land Arbeit geben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Scherak: Es würden noch viel mehr arbeiten ...!)

Als ich diese Dringliche Anfrage gelesen habe, hatte ich die leise Hoffnung, dass wir heute zu einer sachlichen Diskussion über ein sehr wichtiges Thema kommen – die Anfrage spricht ziemlich punktgenau jene Themen an, die wir diskutieren müssen –, es hat dann aber nicht lange gedauert, bis meine Hoffnung, dass wir zu einer sachlichen Diskussion kommen, wieder geschwun­den ist, nämlich bis zu dem Zeitpunkt, als Klubobfrau Meinl-Reisinger zu reden begonnen hat und natürlich mit einem allgemeinen Regierungsbashing losgelegt hat, um alles schlechtzureden, was sich ihr nur irgendwie in den Weg stellt (Abg. Meinl-Reisinger schüttelt den Kopf), und dabei faktenbefreit Dinge von sich gegeben hat, die jeder Grundlage entbehren (Abg. Meinl-Reisinger: Ach so? Wo denn?), nämlich dass die Unterstützungsleistungen, die die Regierung in den letzten zweieinhalb Jahren beschlossen hat, den Unternehmerinnen und Unternehmern und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nicht helfen, denn das sei Helikoptergeld und wir schütten alles aus.


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Wir haben höchste Beschäftigungszahlen, niedrige Insolvenzzahlen, aber all das hat nicht geholfen?! – Sie sind am komplett falschen Weg mit Ihrer Argu­mentation. Sie haben gesagt, Sie reden mit den Betrieben. Ja, kann sein, dass Sie mit welchen reden, aber nicht mit vielen. Das Lustige an der Diskussion ist ja, dass wir sofort in Stereotypen unterwegs sind: Die Freiheitlichen nützen eine Diskussion über den Arbeitsmarkt zu Ausländerbashing, Kollege Loacker nützt sie für Beamtenbashing (Abg. Meinl-Reisinger hält einen Zeitungsartikel in die Höhe) und Kollege Muchitsch für Unternehmerbashing, denn da kann man Lohn- und Sozialdumping anbringen. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Meinl-Reisinger: Das ist sogar Ihren Leuten zu ...! – Zwischenruf des Abg. Deimek.)

Eigentlich ist das eine sehr ernste Diskussion, die aber natürlich sofort zuorden­bar ist und an den Zahlen vorbeigeht. Minister Kocher hat schon ausgeführt, die Beschäftigungszahlen sind im letzten Jahr um 1,7 Prozent gestiegen, die Arbeits­losenzahlen um 11 Prozent gesunken. Wir haben aktuell die Situation, dass über 230 000 offene Stellen vorhanden sind und wir circa 260 000 Arbeit­suchende haben.

Da sind wir beim Thema: Wir müssen einiges auf die Reihe bringen. Ja, es ist jetzt die große Reform nicht gelungen – da gibt es unterschiedliche Stand­punkte –, aber wir müssen weiter draufbleiben, um Punkte umzusetzen, sei es das längere Arbeiten, seien es vielleicht die 20 Überstunden, die wir ent­sprechend steuerbegünstigen können, oder andere Maßnahmen. Ich glaube, wir sind da gemeinsam gefordert, um weiterhin den Wirtschaftsaufschwung unterstützen zu können – denn das Problem ist da, da bin ich bei Ihnen –, aber nicht mit diesen Stereotypen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Scherak: Gut, dass der Kollege Egger so differenziert argumentiert! – Heiterkeit der Abgeordneten Meinl-Reisinger und Krisper.)

16.37


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Erasim. – Bitte sehr, bei Ihnen steht das Wort.



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16.37.45

Abgeordnete Melanie Erasim, MSc (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher auf der Galerie! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher zu Hause! Liebe Kolleginnen und Kollegen von den NEOS, ich habe mir Ihre Dringliche Anfrage wirklich sehr, sehr gut durchgelesen und möchte auch an dieser Stelle noch erwähnen, dass wir seitens der sozialdemokratischen Parlamentsfraktion bei vielen Vorschlägen für die von Ihnen in diesem Antrag geforderte Arbeitsmarktreform nicht derselben Meinung sind. Kollege Muchitsch hat schon sehr eindrucksvoll geschildert, wo unsere Meinungen sehr divergieren, Herr Kollege Loacker, und hat das auch sehr deutlich zum Ausdruck gebracht.

Wo wir aber – ich möchte ja zu dieser Dringlichen Anfrage sehr konstruktiv Stellung nehmen – zu 100 Prozent konform gehen, ist in der Problemanalyse, nämlich der Identifizierung des Problems in Form der nicht vorhandenen Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik dieser Regierung.

Geschätzter Herr Kollege Loacker! Ich möchte Ihnen kurz vor Augen führen, wie man die österreichischen Unternehmerinnen und Unternehmer unterstützen kann, ohne ein AMS-Bashing, ohne ein AK-Bashing, ohne ein Wienbashing – jetzt an die ÖVP gerichtet –, ohne ein Pensionistenbashing und ohne ein Arbeit­nehmerinnen- und Arbeitnehmerbashing zu betreiben.

Ich finde es schon sehr schade, dass Sie, geschätzte ÖVP, nicht einmal auf das, was die geschätzte Landeshauptfrau aus Niederösterreich fordert, hinwirken, dass Sie nicht auf das hören, was sie in der Landeshauptleutekonferenz gemeinsam mit Bürgermeister Ludwig fordert, nämlich den Energie- und Gas­preisdeckel.

Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher, ich sage Ihnen nur eines: Ich glaube nicht, dass die ÖVP-Parlamentsfraktion auf die mächtigste Person innerhalb der ÖVP nicht hört – nein, nein, vielmehr orte ich hier ein doppelbödiges Spiel, bei


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dem auf jeder Ebene gerade das gefordert wird, was opportun ist, was gut ankommt.

Jetzt sage ich Ihnen, was bei mir nicht gut ankommt, nämlich gar nicht gut ankommt: Das ist die Verhöhnung und die Täuschung der niederösterreichischen Wählerinnen und Wähler (Beifall bei der SPÖ), denen vorgetäuscht wird, dass man sich hier im Haus für etwas einsetzt, denen mit der Karotte vor der Nase herumgefuchtelt wird, aber es erfolgen hier nie wirkliche Bemühungen.

Die Menschen in Niederösterreich haben sich etwas Besseres verdient. Am 29. Jänner besteht die Möglichkeit, das Kreuz an der richtigen Stelle zu machen und für einen Gaspreisdeckel, für eine Übergewinnabschöpfung und für ehrliche, nachhaltige Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik zu stimmen. (Ruf bei der ÖVP: Das ist Landtagswahlkampf!)

Und nun separat noch zu Ihrer hoch geschätzten Wirtschaftspolitik: Fragen Sie, Herr Kollege Egger, die Unternehmer:innen, wie gerne sie Bittsteller sind! Fragen Sie die Betriebe, ob sie sich Selbstständigkeit so vorgestellt haben, dass sie Stunden für die Bewältigung von Bürokratiemonstern wie der Cofag oder dem Energiekostenzuschuss verwenden müssen! Jetzt müssen schon Steuerbera­tungskosten bezahlt werden, weil da solche Bürokratiemonster aufgebauscht werden, dass es allein gar nicht mehr stemmbar und abwickelbar ist. (Abg. Zopf: Da seids ja eh ihr schuld!) Und Richtlinien, Frau Kollegin (Abg. Zopf: Ja sicher!), kommen erst dann hinaus, wenn Anmeldefristen enden – und dann muss man nachnominieren und Sonstiges. Fragen Sie auch, Herr Minister, die Unterneh­merinnen und Unternehmer (Abg. Zopf: ... von euch wieder kritisieren lassen!), ob sie lieber 12 Cent für die Kilowattstunde zahlen, so wie es in Deutschland morgen beschlossen wird, oder 60 Cent wie hier in Österreich. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Zopf: Blödsinn!)

Fragen Sie – Sie sind ja als Wirtschaftsforscher, Wirtschaftsexperte in dieses Amt bestellt worden – Ihre Kolleginnen und Kollegen, wie sie angesichts der morgigen Beschlussfassung im Deutschen Bundestag die Situation hinsichtlich


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Wettbewerbsfähigkeit des österreichischen Wirtschafts- und Industriestandortes bewerten! Fragen Sie, wie planungssicher und nachhaltig sie die Maßnahmen sehen! (Zwischenruf des Abg. Hörl.)

Sie haben die Systeme so gestaltet, dass Menschen Bittsteller sind. Die Menschen haben sich aber Politikerinnen und Politiker verdient, die das System so gestalten, dass sie vom System ohne Almosen leben können. (Beifall bei der SPÖ.)

Eines ist fix, geschätzte Kolleginnen und Kollegen – und da werden wir alle einer Meinung sein –: Österreich wird nicht Fußballweltmeister werden. Was wir aber bald schaffen, ist Weltmeister in Einmalzahlungen, was die Rekordinflation nicht einmal um 1 Prozentpunkt senkt. Das ist nichts, worauf man stolz sein kann. Das ist beschämend, und beschämend ist ebenso, dass einerseits große Konzerne, Energiekonzerne wie die OMV, nicht mehr wissen, wohin mit den Milliarden an Übergewinnen, über Sonderausschüttungen nachdenken müssen, während Eltern nicht wissen, wie sie die Kinderzimmer ihrer Jüngsten heizen sollen. (Abg. Ribo: Es gibt Übergewinnsteuer!)

Dafür, geschätzte Damen und Herren, stehen wir (Zwischenruf des Abg. Hörl): für einen Gas- und Energiepreisdeckel, für eine Übergewinnabschöpfung und für eine ehrliche Politik, die den Betrieben hilft, ohne die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, ohne das AMS und ohne die Arbeiterkammer diffamieren zu müssen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

16.43


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Angerer. – Bitte sehr.


16.43.52

Abgeordneter Erwin Angerer (FPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Geschätzte Damen und Herren! Hohes Haus! Herr Minister, die NEOS haben eine Dringliche Anfrage mit dem Titel „Stillstand in der Regierung darf nicht zum Stillstand der


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Wirtschaft werden“ eingebracht, und Sie haben in Ihrer Stellungnahme einge­lei­tet: Ich kann keinen Stillstand erkennen. – Da muss ich Ihnen recht geben, Herr Minister, es ist für mich - - (Beifall des Abg. Hörl.) – Du kannst gerne klatschen, also du klatschst für die Menschen da draußen, weil es - - (Neuerlicher Beifall sowie Bravoruf des Abg. Hörl.)

Ja, Franz Hörl, du kannst gerne klatschen (Heiterkeit des Abg. Hörl), denn es ist für mich echt ein Wunder, dass die Menschen trotz alledem noch immer bereit sind, dieses Land am Laufen zu halten, und das, obwohl hinter mir der Vorsitzende des ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschusses sitzt und die ÖVP die Korruption seit Monaten, seit Jahren nicht los wird; obwohl wir eine grüne Inflation haben – die die Menschen heute teuer bezahlen –, mit einem bedingungslosen Ausstieg aus der fossilen Energie und der Träumerei, dass wir mit Windrädern und Foto­voltaik die Wirtschaft und die Welt retten werden; obwohl 100 000 Menschen illegal in unser Land kommen und direkt im Sozialsystem landen; obwohl die Bundesregierung mit der Geldgießkanne durch das Land geht und Almosen und Unterstützungen verteilt, und zwar nicht das Geld dieser Bundesregierung und nicht das Geld aus dem Sparschwein des Herrn Ministers oder von sonst jemandem, sondern Steuergeld, das wieder alle, die brav zur Arbeit gehen, die die Wirtschaft noch am Leben erhalten, verdienen müssen. – Das ist der Punkt.

Jenen Menschen muss ich heute einmal Danke sagen, und das solltet ihr auch einmal tun. Ihr solltet euch bei den Menschen da draußen einmal dafür bedanken, dass sie diese Bundesregierung noch ertragen (Beifall bei Abgeord­neten der FPÖ) und dass sie noch jeden Tag zu ihrer Arbeit gehen, ein Ehrenamt übernehmen, ihre Wirtschaftsbetriebe aufrechterhalten und für dieses Land arbeiten.

Wenn ich mir anschaue, Herr Minister oder liebe Herren von der ÖVP, von der Regierung, was ihr noch macht: Ihr macht eine PR-Show, seit Jahren – zuerst bei der Coronapolitik, jetzt bei der Wirtschaftspolitik. Ihr kommt raus, macht eine PR-Show, macht eine Pressekonferenz und versprecht dem Pflegepersonal


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2 000 Euro. Was kommt am Ende heraus? – 2 000 Euro brutto, nicht netto. Und dann wird das noch verteidigt: Ja, wir wollten damit eine langfristige Lohn­erhöhung, eine Absicherung der Pension bewirken, wir wollten das ja nicht ein­fach nur netto als Bonus auszahlen! – Die haben aber alle erwartet, dass sie das als Bonus kriegen.

Jetzt müssen wir uns einmal anschauen, was das für das Pensionskonto heißt. Was bedeuten diese 2 000 Euro für das Pensionskonto? – Wenn man sich das ausrechnet, sieht man, das bedeutet für das Pensionskonto bei einem Mitar­beiter rund 1,78 Prozent – das sind 3,56 Euro, aber nicht pro Monat, Herr Minis­ter, sondern pro Jahr. Wenn man das jetzt dividiert, dann kommen am Schluss 25 Cent heraus – 25 Cent pro Monat! Das heißt, 25 Cent landen jetzt bei den Pflegekräften – das sind die, die in der Coronapandemie, in der Phase, in der Sie die Lockdowns gemacht haben, unser Pflegesystem aufrechterhalten haben – pro Monat am Pensionskonto. Das ist der Dank dafür!

Die haben sich diese 2 000 Euro verdient, und deshalb haben wir auch schon mehrfach Anträge eingebracht, dass dieser Betrag netto ausgezahlt wird. Das haben sich die Leute verdient und das sollte auch so passieren.

Was im Bereich der möglichen – ich nenne es einmal so – Strukturreformen zu tun wäre, aber alles nicht passiert, Herr Minister: Wir haben einen Antrag eingebracht – Peter Wurm hat es heute schon erwähnt –, dass man die Lehrab­schlussprämie einführt, dass man die Lehre aufwertet, damit wir wieder Facharbeiter kriegen. Ich würde einmal sagen: Bei den Lohnverhandlungen, die jetzt stattfinden, wird zwischen 6 oder 7 oder 8 oder 10 Prozent gefeilscht. – Sie hätten die Kollektivverträge um 20 Prozent erhöhen und gleichzeitig aber die Lohnnebenkosten senken können. Das wäre eine Reform gewesen! Da wäre etwas herausgekommen, sowohl für die Wirtschaft als auch für die Leute draußen, die noch bereit sind, zu arbeiten.

Diejenigen, die heute den Job machen, kriegen weniger als oder gleich viel wie diejenigen, die das Sozialsystem ausnutzen und zu Hause bleiben. Deswegen


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frage ich mich, warum die Leute überhaupt noch die Motivation haben, zur Arbeit zu gehen.

Das wären Möglichkeiten, das wären Maßnahmen, die Sie setzen könnten, was Sie aber alle nicht getan haben.

Auflagen, Vorschriften reduzieren – eine langjährige Forderung, und Sie kommen dann heute mit einer Lohnnebenkostenreduktion von 0,4 Prozent, 600 Millionen Euro. Herr Minister, das ist ein Tropfen auf den heißen Stein, das ist der Rede nicht wert.

Zuführung von älteren Personen: Darüber diskutieren wir jetzt seit über einem halben Jahr. Aktion 60 plus: Ein Antrag von uns, der seit über einem halben Jahr im Plenum liegt, wird x-mal abgelehnt, steht heute eh noch auf der Tages­ordnung, weil Sie ihn im Ausschuss wieder abgelehnt haben. Dabei geht es darum, dass ältere Personen, die noch bereit sind, am Arbeitsmarkt eine zumindest geringfügige Leistung zu übernehmen, zu arbeiten und Geld dazuzuverdienen, dann wieder vom Finanzminister bestraft werden, was wir ändern wollen. Änderung der Gewerbeordnung, eine langjährige Forderung von uns: Das Einzige, was Sie zustande gebracht haben, war die Änderung auf ein Scheck­kartenformat statt eines Leinenpapiers; diese Karte darf dann in Zukunft verwendet werden.

Also diese Regierung arbeitet nicht, wie es Herr Wöginger heute gesagt hat, für die Bevölkerung, sondern gegen sie. (Beifall bei der FPÖ.)

16.49


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Götze. – Bitte sehr.


16.49.35

Abgeordnete Dr. Elisabeth Götze (Grüne): Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Herren und Damen Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe


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Zuseherinnen und Zuseher! Ich möchte auf den Text der Dringlichen Anfrage der NEOS eingehen: Da ist von Stillstand die Rede.

Ich möchte das doch ein bisschen hinterfragen, weil Stillstand in diesem Kontext sehr negativ dargestellt wird. Ich möchte aber auch darauf verweisen, dass man Stillstand durchaus auch als etwas Positives sehen kann, zum Beispiel kommt im medizinischen Kontext eine Blutung zum Stillstand. Auch wenn wir jetzt zu Weihnachten von der stillsten Zeit des Jahres sprechen, bedeutet das Stillstand im Sinne von ich komme zur Ruhe, sammle Kraft und orientiere mich neu. (Abg. Krisper: So haben wir es nicht gemeint! – Abg. Loacker: Haltungsnote im Schön­reden ...! – Abg. Hoyos-Trauttmansdorff: Aber die Regierung sammelt schon sehr lang ...!) Worauf ich hinaus möchte, ist, wir sind in einer wirtschaftlichen, ökologischen und gesellschaftlichen Phase, in der wir uns neu orientieren, und das tun wir mit voller Kraft. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Meinl-Reisinger: Aber was machen Sie denn?)

Gerade heute hat der WWF mit 160 Unternehmen dazu aufgerufen, dass noch mehr passieren muss, um der Klimakrise entgegenzuwirken, der Umwelt­zerstörung entgegenzuwirken. Dafür tun wir vieles, beispielsweise – ich nenne jetzt ein paar Punkte – in Bezug auf Investitionen, die wir ökologisieren, Forschung und Aus- und Weiterbildung.

Was passiert bei den Investitionen? – Wir haben mit der Investitionsprämie bereits ein Riesenprogramm gehabt, wo wir rund 7 Milliarden Euro an Zuschüssen ausschütten und damit 70 Milliarden Euro an Investitionen auslösen. Rund die Hälfte davon ist in den wichtigen Bereichen Ökologisierung und Digitalisierung. Da ist in den Unternehmen ganz viel im Umbau. (Beifall bei den Grünen.)

Das war ein einmaliges Programm, aber im Rahmen der ökosozialen Steuer­reform wird der Investitionsfreibetrag nun im Steuersystem festgeschrieben. Demnach werden für Investitionen 10 Prozent Investitionsfreibetrag ermöglicht, wenn es aber ökologische Investitionen sind, sind es 15 Prozent.


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Wir schaffen also Anreize, dass die Unternehmen ökologisieren. (Beifall bei den Grünen.)

Darüber hinaus gibt es auch direkte Zuschüsse. Ich nenne beispielsweise das sehr beliebte und begehrte Programm Umweltförderungen im Inland, bei dem Unternehmen für verschiedenste Bereiche, auch für Energieeffizienzmaß­nahmen Zuschüsse bekommen können.

Unser ganz großes Projekt – ich schaue jetzt Kollegen Schwarz an, der das mitverantwortet hat – ist die Transformation, der Transformationsfonds. Allein für den Transformationsfonds sind es heuer 400 Millionen Euro, fortge­schrieben auf die nächsten zehn Jahre (Abg. Meinl-Reisinger: Ich habe nur Förde­rungen gehört!), also bis 2030. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Meinl-Reisinger: Viel Geld!)

Das sind also wirklich Riesenbrocken, die für diesen Umbau der Industrie investiert werden, der Betriebe, die das tun wollen, tun können und tun sollen.

Die Gemeindemilliarde haben wir heute nicht diskutiert, aber im letzten Plenum. Da haben wir die Hälfte der Investitionen speziell für den Ausbau der erneuer­baren Energie und für Energieeffizienzmaßnahmen reserviert. Das bedeutet 500 Millionen Euro für die Gemeinden in diesem Bereich, um sie in ihrem Um­feld auszugeben.

Darüber hinaus die Forschung: Es gibt eine massive Ausgabensteigerung im Bereich des BMK, des Klimaschutzministeriums, für die Forschung grüner und digitaler Zukunftstechnologien, für die Transformation. Auch im Bereich Forschung passiert also unglaublich viel. (Beifall bei den Grünen.)

Mein Kollege Markus Koza hat schon Just Transition angeführt. Das klingt ein bisschen sperrig, aber da geht es darum, dass wir die Menschen mitnehmen, in Aus- und Weiterbildung für Green Jobs investieren; in bestehende Jobs, also beispielsweise Dachdeckerinnen, Dachdecker oder auch Elektrotechniker, damit sie die neuen grünen Technologien kennenlernen und vermehrt anwenden


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können, aber es sind auch neue Lehrberufe, die geschaffen werden. Mit all diesen Maßnahmen werden Österreichs Betriebe unterstützt, um die Herausforderungen der Zukunft meistern zu können.

Noch einmal zurück: Von Stillstand ist also überhaupt keine Rede, es ist eine Zeitenwende, eine Wende, die hier stattfindet. Die Unternehmen unterstützen wir dabei und wir sind auf einem Weg. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

16.55


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Seidl. – Bitte sehr.


16.55.27

Abgeordnete Mag. Julia Seidl (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Frau Ministerin! Ich möchte zu meinem eigenen Thema zurückkommen, und zwar zur Branche Tourismus und Gastronomie.

Wir haben Ende letzter Woche die Beantwortung einer Anfrage zurückbe­kommen, die wir unter dem Titel „Arbeitskräftemangel im Tourismus“ gestellt haben. Wenig überraschend sind die Zahlen sehr erschreckend: Es sind im Tourismus und Gastronomie im Jahresdurchschnitt 2022, also heuer, 15 323 of­fene Stellen. Die Teilzeitquote steigt und steigt und steigt, wie wir aus einer anderen Anfragebeantwortung wissen. Dieses Gemisch, diese Gemengelage aus vielen offenen Stellen, zu wenigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und einer steigenden Teilzeitquote, ist nicht etwas, das wir erst seit gestern kennen, sondern das können wir beobachten.

Was macht die Regierung? – Unserer Meinung nach nicht genug. Es sind Gott sei Dank die Kontingente für Saisonniers heuer auf knapp 3 000 erhöht worden, davon sind 2 700 Personen mittlerweile über Saisonnierkontingente beschäftigt.


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Das heißt, die Quote ist fast ausgeschöpft, aber die Wintersaison hat noch nicht einmal begonnen.

Interessant bei der Beantwortung unserer Anfrage ist auch, dass die Rot-Weiß-Rot-Karten-Anträge zu 60 Prozent abgewiesen wurden. Das bedeutet, lediglich 40 Prozent sind genehmigt worden, was wiederum bedeutet, dass der büro­kratische Aufwand für sehr viele Anträge, die abgelehnt werden, sehr hoch ist und deswegen Anträge, die eigentlich gute Chancen und gutes Potenzial hätten, zu lange dauern.

Eine Sache ist mir noch wichtig, denn Kollegin Erasim hat mir vorhin zum Thema Image der Branche quasi einen Elfmeter aufgelegt – wir hätten heute angeblich AK-Bashing betrieben –: Die Arbeiterkammer Oberösterreich hat Ende Sep­tember eine Studie unter folgendem Titel herausgebracht: Die Branche ist selber schuld. Studie bestätigt: Arbeitskräftemangel in der Gastronomie und im Tourismus ist selbst verschuldet. – Studie! – 32 befragte Mitarbeiter:innen, teilweise nicht einmal mehr in diesem Beruf tätig. (Heiterkeit und Beifall bei den NEOS. – Abg. Erasim: Aber warum nicht mehr in diesem Beruf tätig?)

Entschuldigen Sie bitte, aber es macht schon einen Unterschied, abgesehen davon, dass ich es sehr bedenklich finde, dass sich eine Universität für solch eine Studie hergibt. Was sagt das über unseren Wissenschaftsstandort? Ich meine, 32 Befragte, die nicht mehr in der Branche sind, erzählen, dass es ihnen in der Branche nicht gefallen hat? Ernsthaft? Das ist doch ein Witz! (Beifall bei den NEOS.)

Und dann stellen Sie sich hierher und sagen, wir sind diejenigen, die die Arbeiterkammer bashen. Ich meine, das macht die Arbeiterkammer schon ganz schön selber.

In diesem Zusammenhang möchte ich auch erwähnen, dass dieses jahrzehnte­lange Tourismusbashing wirklich auch dazu führt, dass Betriebe, die im Touris­mus ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gut ausbilden, gute Arbeitsplätze


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schaffen, langjährige Mitarbeiter:innen haben, aktuell kein Mitarbeiter:innen­problem haben (Abg. Erasim: Glaube ich nicht!), nicht vor den Vorhang geholt werden, sondern es heißt: Hau den Lukas, der Tourismus ist immer an allem schuld und steht für schlechte Arbeitsbedingungen!

Verstehen Sie mich bitte richtig: Im Tourismus gibt es viele schwarze Schafe – die gibt es in jeder Branche –, aber im Tourismus kommen sie deswegen oft zum Vorschein, weil es ein Dienstleistungsbetrieb ist und dort sehr viele Mitarbei­ter:innen beschäftigt sind.

Ich möchte auch, dass wir gute Betriebe vor den Vorhang holen. (Abg. Erasim: Da bin ich auch dafür!) Das würde ihnen helfen, dass sie mehr Mitarbeiter:innen finden, aber lediglich 40 Prozent der Betriebe sagen, das AMS wird mir dabei helfen. Das ist auch eine Aussage, wie Betriebe die Qualität des AMS ein­schät­zen, denn sonst würden sie ja mehr offene Stellen beim AMS anmelden und darauf vertrauen, dass sie Mitarbeiter:innen bekommen. So ist es leider nicht.

Da haben wir wirklich eine Aufgabe zu erledigen. Solche Studien der Arbeiter­kammer sind nicht dienlich, um dem Lehrlingsmangel oder den sinkenden Schüler:innenzahlen in den Tourismusschulen entgegenzuwirken. Alle glauben, im Tourismus gibt es nur schlechte Jobs – das stimmt einfach nicht. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Hoyos-Trauttmansdorff: Wir müssen nur aufpassen, dass der Hörl nicht zu uns kommt! – Heiterkeit bei den NEOS und bei Abgeordneten von ÖVP und FPÖ.)

16.59


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Zopf. – Bitte.


17.00.06

Abgeordnete Bettina Zopf (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher zu Hause und auf der Galerie! Die Zahlen sprechen für uns. Im Bezirk Gmunden haben wir


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eine Arbeitslosenquote von 2,8 Prozent; das ist der Stand vom November 2022. Das ist gegenüber dem Vorjahr ein Minus von 23 Prozent. Das sind 379 Arbeits­lose weniger als im Vorjahr, und das sind die Zahlen nur für den Bezirk Gmun­den. Alle Maßnahmen, die der Arbeitsminister gesetzt hat, greifen. Unsere Politik greift und wirkt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischen­ruf der Abg. Erasim.)

Es ist heute schon einmal erwähnt worden, dass wir uns bei den Arbeitnehme­rinnen und Arbeitnehmern bedanken sollen. Das tue ich hiermit. (Abg. Einwallner: Habt ihr euch das aufgeschrieben, dass ihr das einmal tun sollt?) Ich danke all jenen, die tagtäglich aufstehen und arbeiten gehen.

Arbeit muss sich lohnen – das ist unser Motto, das ist ein Motto der ÖVP, und dem kommen wir auch praktisch nach. Wir haben die Einkommensteuersätze gesenkt und die kalte Progression abgeschafft. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen. – Abg. Meinl-Reisinger: Die Steuerquote steigt trotzdem!) Das wiederum kostet die Unternehmer nicht mehr Geld, wir lassen mehr Geld bei den Menschen draußen. Das steigert die Kaufkraft, aber nicht die Preise. (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)

Ich würde jeden Arbeitnehmer bitten, dass er nächstes Jahr einen Lohnzettel aus den Vorjahren zur Hand nimmt und dann mit einem aus dem Jahr 2023 vergleicht, um zu sehen, wie viel er netto mehr hat als in den Vorjahren. Unsere Politik greift und das lassen wir uns nicht schlechtreden! (Abg. Erasim: ...! Was sagen Sie zu einer Inflation von 11 Prozent? Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Zu den NEOS: Kritik ist wichtig. Einige Punkte davon teilen wir, aber Wasser predigen und dann, wenn Sie selber in der Regierung sitzen, Wein trinken, das ist wohl nicht der Weisheit letzter Schluss. Sie sehen es ja in Wien, dass es, wenn Sie wirklich an der Macht sind, gar nicht so einfach ist, die eigenen Dinge umzusetzen. (Abg. Meinl-Reisinger: Aber das sind Sozialisten! Ihr seid die ÖVP! Wo


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ist dann der Unterschied noch zwischen euch? Na Entschuldigung, ihr seid mittler­weile ...! Das ist ein Witz! Zwischenruf des Abg. Scherak.)

Wir haben einen Koalitionspartner mit extrem hoher sozialer Kompetenz und wir müssen uns gemeinsam für Dinge entscheiden, und das tun wir. Wir setzen Dinge um. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. Abg. Meinl-Reisinger: Leistung muss sich wieder lohnen!)

Frau Kollegin Erasim, es ist spannend: Sie waren bei den ÖBB und dann bei der Schieneninfrastruktur-Dienstleistungsgesellschaft – da sind Sie Beamtin, glaube ich, oder auch nicht –, und dann der Wirtschaft zu erklären, wie sie etwas machen soll, das finde ich anmaßend. (Abg. Einwallner: Sind Sie selbstständig? Abg. Erasim: Die Zweipersonenunternehmen haben Sie da vergessen!) Ich als Arbeitnehmervertreterin würde mich nie so weit aus dem Fenster lehnen und so etwas tun. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. Abg. Erasim: Was hat denn der Kollege Egger gearbeitet außer Wirtschaftskammerfunktionär? Was hat denn der Kollege Egger gearbeitet? Abg. Einwallner: Sind Sie selbst­stän­dig? Abg. Erasim: ... und sitzen auf einem hohen Thron!)

Die ÖVP, Frau Kollegin Meinl-Reisinger, fürchtet sich nicht vor den Wählern. Wir sind die Leute, die bei den Wählerinnen und Wählern, bei den Menschen draußen sind. Also alle Abgeordnete, die hier herinnen sitzen, alle, sind draußen bei den Leuten unterwegs. (Abg. Scherak: Alle oder nur eure?) Wir hören uns an, welche Sorgen und welche Probleme die Bevölkerung hat, und dann suchen wir nach Lösungen. (Abg. Einwallner: Ihr findet nur keine Lösungen, das ist das Problem!) Dass die Opposition nach Fehlern sucht, ist legitim, aber wir sind die, die nach Lösungen suchen (Abg. Einwallner: Aber ihr findet keine Lösungen!) und die Dinge umsetzen. Das tun wir (Zwischenruf der Abg. Erasim), und das machen wir richtig und gut. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Schwarz.)

Danke, Herr Arbeitsminister, Ihre Arbeit greift. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Schwarz.)

17.04



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll189. Sitzung, 189. Sitzung des Nationalrats vom 14. Dezember 2022 / Seite 340

Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Frau Abgeordnete Verena Nussbaum zu Wort. – Bitte, Frau Abgeordnete.


17.04.20

Abgeordnete Mag. Verena Nussbaum (SPÖ): Frau Präsidentin! Werter Minister! Frau Ministerin! Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Wir reden heute bei dieser Dringlichen Anfrage über generelle Themen, die den Arbeitsmarkt betreffen. Ich möchte aber mein Hauptaugenmerk auf die berufstätigen Frauen legen.

Während der Coronapandemie sind schon extrem viele berufstätige Frauen vom Arbeitsmarkt einfach verschwunden, aber auch die Teuerung, da vor allem die zu hohen Treibstoffkosten, und auch die prekäre Lage bei der Kinderbetreuung drängen immer mehr Frauen aus dem Arbeitsmarkt. Die Wirtschaft spricht von Fachkräftemangel, und da frage ich mich schon: Was macht die Bundesregie­rung? Herr Minister, was machen Sie, welche Maßnahmen setzen Sie, um die Frauen wieder vermehrt in den Arbeitsmarkt zurückzuholen?

Was aber auch sehr wesentlich ist: Wir wissen, die Höhe des Arbeitslosengeldes, aber auch der Pensionen hängt immer davon ab, wie viel man vorher in das System eingezahlt hat. Es wird in der Dringlichen Anfrage auch ein „modernes Arbeitsrecht“ angesprochen. Ein modernes Arbeitsrecht beinhaltet für uns aber auch Einkommenstransparenz (Beifall bei der SPÖ), denn noch immer verdienen Frauen im Schnitt um 17 Prozent weniger als Männer, und damit haben wir das große Pensionsloch von 41 Prozent. Mit Einkommenstransparenz könnten wir diese Einkommensschere endlich schließen.

Arbeiterkammer und Gewerkschaftsbund, Industriellenvereinigung und Wirtschaftskammer fordern seit Langem den flächendeckenden Ausbau von ganztägigen Kinderbetreuungsplätzen. Was macht die Bundesregierung, um dieses Problem zu lösen? (Ruf bei der ÖVP: Sehr viel!) Wir wissen, nur mit einer flächendeckenden ganztägigen Kinderbetreuung kann es Frauen ermöglicht


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werden, nicht ewig in dieser Teilzeitfalle hängenzubleiben, sondern auch Arbeitsverhältnisse in Vollzeit anzunehmen. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist wichtig, dass Frauen ein eigenständiges und selbstbestimmtes Leben führen können, aber der Ausbau von Kinderbetreuungsplätzen allein wird nicht die Lösung sein. Wir müssen damit anfangen, gesellschaftlich umzudenken. Wir müssen unbezahlte Arbeit in unserer Gesellschaft gerechter verteilen, damit die Frauen entlastet werden. Welche Maßnahmen, frage ich mich, setzt dafür die Bundesregierung?

Dann spukt immer wieder der Ruf herum, das Pensionsantrittsalter zu erhöhen. Ich möchte da auf das Pensionsantrittsalter von Frauen, das 1992 beschlossen worden ist, diese schrittweise Angleichung an das Regelpensionsalter der Männer, das mit 2024 schlagend wird, hinweisen: Bei diesem Beschluss im Jahr 1992 ist man davon ausgegangen – und diese schrittweise Angleichung ist 2033 abgeschlossen –, dass dann Männer und Frauen am Arbeitsmarkt völlig gleichgestellt sein werden. Davon sind wir aber leider laut der Berechnungen 100 Jahre entfernt. (Beifall bei der SPÖ.)

Leider besteht aber auch jetzt das Problem, dass Männer und Frauen nicht mehr bis zu ihrem regulären Antritt der Alterspension berufstätig sein können, da sie aus gesundheitlichen Gründen ihre Arbeit aufgeben müssen. Sie bleiben aber im System hängen, da sie auch nicht in eine vorzeitige Pension wegen Berufsunfähigkeit oder Invalidität gehen können.

Wichtig wäre aus unserer Sicht, die Arbeitsbedingungen so zu gestalten, dass Frauen und Männer direkt aus der Erwerbstätigkeit in die Pension wechseln können. Eine Anhebung des Pensionsantrittsalters lehnen wir strikt ab. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich habe jetzt einige Problemfelder aufgezeigt, und man sieht, es gibt sehr viel, das einer Lösung bedarf. Wir haben heute schon mehrmals gehört, dass die groß angekündigte Arbeitsmarktreform leider gescheitert ist. Es reicht aber nicht, jetzt


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in eine Schockstarre zu verfallen, Herr Bundesminister: Zurück an den Start, zurück an den Verhandlungstisch, es gibt sehr viel zu tun! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

17.08


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Meri Disoski. – Bitte.


17.09.04

Abgeordnete Mag. Meri Disoski (Grüne): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher, auch hier auf der Galerie! Frau Klubobfrau, Sie haben in Ihrer Dring­lichen Anfrage sowohl im Schriftlichen als auch hier in der mündlichen Vor­bringung sehr wortreich ausgeführt, dass Sie dieser Bundesregierung Stillstand unterstellen. – So weit, so gut, das ist nichts Neues, das tun Sie mittlerweile litaneiartig.

Wie sieht nun aber dieser Stillstand aus, den Sie dieser Bundesregierung hier mittlerweile in Dauerschleife unterstellen: Abschaffung der kalten Progression, automatische Inflationsanpassungen wichtiger Familien- und Sozialleistungen, ökosoziale Steuerreform, Pflegereform, Zufallsgewinnabgabe für Energie­konzerne, persönliche Assistenz für Menschen mit Behinderungen, Plastikpfand, elektronischer Mutter-Kind-Pass, Klimaticket, kostenlose HPV-Impfung bis zum 21. Lebensjahr, ein neues Parteienfinanzierungsgesetz, Verlängerung der Kronzeug:innenregelung, hürdenfreie Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und vieles mehr. – Und das bezeichnen Sie allen Ernstes als Stillstand? Wirklich? (Beifall bei den Grünen.)

Ich bezeichne das als das Umsetzen wichtiger struktureller Reformen, die jahre- und jahrzehntelang von großkoalitionären Stillstandsregierungen versprochen worden sind und jetzt endlich umgesetzt werden. (Beifall bei den Grünen.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll189. Sitzung, 189. Sitzung des Nationalrats vom 14. Dezember 2022 / Seite 343

Frau Klubobfrau, Sie schreiben in Ihren Ausführungen, in der Begründung der Dringlichen Anfrage, „ein“ – ich zitiere – „vernichtendes Urteil für die Arbeitsmarktpolitik der Regierung“ herbei. Ich frage Sie: Wie kommen Sie denn bitte zu diesem Befund? Wie kommen Sie zu diesem Befund? Wenn wir uns die aktuellen AMS-Zahlen vom November 2022 anschauen, dann sehen wir nämlich: Wir haben aktuell die niedrigste Erwerbsarbeitslosenquote in diesem Jahr­tausend – die niedrigste Quote in diesem Jahrtausend. (Abg. Meinl-Reisinger: Aber offene Stellen sind auch Teil der Arbeitsmarktpolitik! Auch wenn man das ausblen­det!) Im Vergleich zum Vorjahr ist die Erwerbsarbeitslosenzahl um 11 Prozent gesunken – gesunken, um 11 Prozent. Kollegin Nussbaum hat gerade das Thema Frauen angesprochen (Abg. Meinl-Reisinger: Auch offene Stellen sind Teil der Arbeitsmarktpolitik, Frau Kollegin!), und ich sage es ganz präzise: um 13,6 Prozent bei Frauen, um 8,7 Prozent bei Männern. – Das ist Ihrer Meinung nach „ein vernichtendes Urteil für die Arbeitsmarktpolitik“? (Beifall bei den Grünen.)

Schauen wir uns die Verweildauer an, also die Anzahl jener Tage, in denen Erwerbs­arbeitslose eine neue Arbeitsstelle finden. Im Juli 2021 hat diese Verweildauer durchschnittlich 187 Tage betragen, und im Juli 2022 sind es 140 Tage, also um 47 Tage weniger. – Das ist Ihrer Meinung nach „ein vernichtendes Urteil“? Für mich ist das Ausdruck einer erfolgreichen Arbeitsmarktpolitik dieser Bundes­regierung in einer Zeit, die durch viele Krisen geprägt ist: Coronakrise, der Angriffskrieg von Russland und auch diese fossil-getriebene Inflation und die Energiekrise. Es ist wirklich sehenswert, was hier gelungen ist. (Beifall bei den Grünen.)

Wie ist das gelungen? Was haben wir also arbeitsmarktpolitisch gemacht? – Wir haben auf Expert:innen gehört und eine Grundregel der Arbeitsmarktpolitik befolgt, und diese Grundregel lautet: In der Krise sollst du schulen. Das haben wir gemacht. 700 Millionen Euro haben wir für die Coronajoboffensive zur Verfügung gestellt und so haben wir 114 000 Menschen in unserem Land Weiterbildung ermöglicht, Umqualifizierungen ermöglicht und ihnen ermöglicht, dass sie einen neuen Job finden. 114 000 Menschen! (Beifall bei den Grünen.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll189. Sitzung, 189. Sitzung des Nationalrats vom 14. Dezember 2022 / Seite 344

Frau Klubobfrau, Sie haben in Ihrer Rede explizit auch Langzeitarbeitslose thematisiert, und ich sage Ihnen etwas: Mit dem Programm Sprungbrett ist es uns gelungen, die Zahl der Langzeitarbeitslosen praktisch zu halbieren. Wir haben insbesondere für Menschen, die zum Beispiel aufgrund ihres Alters, aufgrund gesundheitlicher Probleme oder aufgrund einer Behinderung in den letzten Jahren am Arbeitsmarkt eher weniger Chancen hatten, Einstiegshilfen geschaffen, neue Jobs kreiert und damit auch besonders jenen Menschen, die armuts- und ausgrenzungsgefährdet sind, neue Perspektiven auf ein Einkommen gegeben.

Wir finden das gut, unser Koalitionspartner, die ÖVP, findet das gut, deswegen machen wir das. Man könnte jetzt auch meinen, dass das hier im Hohen Haus alle Parteien gut finden, Langzeiterwerbsarbeitslosigkeit zu bekämpfen. Aber nicht so die NEOS! In Ihrer Dringlichen Anfrage schreiben Sie – das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen –, das Programm Sprungbrett habe 339 Millionen Euro „verschlungen“. – Verschlungen? Die Zahl der Lang­zeit­arbeitslosen wurde halbiert, Menschen haben neue Zukunftsperspektiven und Jobs bekommen – und Sie schreiben von verschlungenem Geld? Wie zynisch kann man bitte sein? (Beifall bei den Grünen.)

Was machen die NEOS noch in ihrer Dringlichen Anfrage? – Sie setzen sich für eine Senkung der Lohnnebenkosten ein. Sie führen aus: „[...] ein Drittel der Lohnnebenkosten stellen keine Versicherungsleistungen dar, sondern fließen in die öffentlichen Budgets des Bundes, der Länder, der Gemeinden [...]“. Das stimmt. Was Sie aber nicht dazusagen und nicht ausführen, ist, was mit diesen Geldern passiert.

Was passiert denn genau mit diesen Geldern? – Ein Teil davon fließt in den Flaf, den Familienlastenausgleichsfonds. (Abg. Meinl-Reisinger: Finanziert es anders, aber nicht über die Lohnkosten! Die Menschen müssen ja verdienen!) Da muss man wissen, dass aus diesem Flaf wichtige Leistungen zur Familienpolitik finanziert werden, zum Beispiel die Familienbeihilfe oder auch das Kindergeld. (Abg. Meinl-Reisinger: Aber doch nicht aus den Kosten für Arbeit! Finanziert es aus dem Budget


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von mir aus!) Ein Teil davon fließt in die Wohnbauförderung, damit leistbare Wohnungen gebaut werden können. (Abg. Meinl-Reisinger: Aber nicht aus den Kosten für Arbeit!) Und ein weiterer Teil fließt in die Kommunalsteuer. Zur Erinnerung: Die Kinderbetreuung fällt größtenteils in die Zuständigkeit der Kommunen, zum Beispiel der Kindergartenbau oder auch die Erhaltung, und auch die Gehälter der Elementarpädagog:innen werden zum Teil aus diesen Kommunalbudgets finanziert.

Ich lese also in der Dringlichen Anfrage, dass NEOS Lohnnebenkosten senken möchte, aber was ich vermisse, ist ein Vorschlag für die Gegenfinanzierung. Wie finanzieren wir Familienbeihilfe, Kindergeld, den Bau von leistbaren Wohnungen (Abg. Meinl-Reisinger: Wie finanziert ihr das jetzt?) oder den Ausbau von Kinder­betreuungsplätzen, wenn da eine wichtige Einnahmequelle wegfällt? Wie machen wir das? (Abg. Meinl-Reisinger: Sicherlich nicht über höhere Steuern, wie es Ihr Wunsch ist!) Ich lese das hier nicht, das vermisse ich.

Vermögensteuern, Kollegin – darüber können wir sehr gerne reden. (Beifall und Bravorufe bei den Grünen. – Abg. Meinl-Reisinger: Das ist unfassbar! Das ist ja ein linkslinkes Bild!)

17.14


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Michael Bernhard. – Bitte.


17.14.56

Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Man weiß ja gar nicht, wo man nach so einer Rede anfangen will. Frau Kollegin Disoski, Sie haben Generalsekretär Kurt Egger vom Wirtschaftsbund noch den Rang abgelaufen, was eine Rede ohne jede Substanz betrifft. Ich möchte jetzt aber trotzdem sozusagen bei einer gewis­sen Struktur bleiben, bei den Punkten, die uns wichtig sind, denn das, was die Grünen da geliefert haben, zeigt nur eines: dass jede Wirtschaftskompetenz voll­kommen verloren gegangen ist – falls sie jemals da war.


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Lieber aber zum Wirtschaftsbund und zu Kurt Egger, der ja vorhin hier heraußen gestanden ist: Er ist immerhin Generalsekretär jener Organisation, die schon seit Jahrzehnten dafür sorgt, dass die Unternehmerinnen und Unternehmer weniger im Börsl haben, als sie eigentlich haben sollten. Und der stellt sich hierher und sagt, wenn er uns und dieser Debatte zu unserer Dringlichen Anfrage zuhört, dann schwindet bei ihm die Hoffnung!

Was allerdings bei mir passiert ist, als ich ihm zugehört habe: Die Hoffnung ist noch viel schneller geschwunden, denn es war leider kein Inhalt. Er hat sich als Generalsekretär des Wirtschaftsbundes hierhergestellt und hat nicht gesagt, wie er auf die Frage des Arbeitsmarkts reagieren will, wie er auf die Frage der wirtschaftlichen Situation von Betrieben reagieren will, wie er auf die aktuellen Schwierigkeiten reagieren will. Er hat seine Zeit nur dafür aufgewendet, nicht über Inhalte zu reden. Das ist vielleicht auch der Grund dafür, warum diese Organisation weder in der Wirtschaftskammer noch im Parlament auch nur einen Funken zum Unternehmertum in Österreich beiträgt, nicht das Geringste. (Beifall bei den NEOS.)

Wenn wir über Inhalte reden, dann können wir einmal damit anfangen, was er als Einziges inhaltlich gesagt hat. Er hat gesagt: Wir sind gut unterwegs, wir haben jetzt eine höhere Beschäftigung als vor der Pandemie. Da ist es halt wichtig, dass man sich die Zahlen etwas genauer anschaut. Kollege Loacker hat schon öfter darauf hingewiesen, ich nehme an, der Herr Bundesminister weiß das: Es sind mehr Köpfe, die beschäftigt sind, die aber weniger Stunden arbeiten. Es gibt weniger Produktivität als vor der Pandemie. Die Menschen verdienen demnach aber auch weniger Geld, weil sie weniger Stunden arbeiten – in einer Zeit, in der die Kosten stark steigen. Das heißt, die Menschen haben weniger im Börsl, weil es Jobs sind, die sie nicht gut ernähren können, und darüber muss man in Wirklichkeit auch reden. (Beifall bei den NEOS.)

Was gestiegen ist und was immer weiter steigt unter Anleitung des Wirtschafts­bunds, ist die Abgabenquote. Die steigt verlässlich. Das ist das Einzige, das wirklich verlässlich steigt. (Abg. Ottenschläger: Was verlässlich steigt, sind die


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Gebühren in Wien!) – Kollege Ottenschläger ruft hier herein. Er kann sich gerne dazu berufen fühlen und sich später hierher ans Rednerpult stellen. Er hat mir gerade beigepflichtet und gesagt: Der hat vollkommen recht, der Wirtschafts­bund ist daran schuld, dass die Lohnnebenkosten weiter steigen. (Abg. Ottenschläger – erheitert –: Ich habe gesagt, verlässlich steigen die Gebühren in Wien, jedes Jahr!)

Was ich eigentlich sagen wollte: Es gibt gravierende Probleme, über die bisher zu wenig gesprochen worden ist. Bei einer Abgabenquote, die steigt, bei Lohn­nebenkosten, die nicht sinken, gibt es nur zwei in unserem Land, die sich wirklich freuen: Der eine ist der Finanzminister – der hat zumindest höhere Ausgaben –, die andere ist die Wirtschaftskammer, weil da die Einnahmen umso mehr sprudeln, sie aber gar keine höheren Ausgaben hat. (Beifall bei den NEOS.) Die sitzen jetzt schon auf 1,6 Milliarden Euro, wissen nicht, wohin mit dem Geld, reduzieren aber weder die Kammerumlage 2, die für den Mittelstand wichtig ist, noch die Kammerumlage 1, noch die Grundumlage, die die Fachgruppen selbst bestimmen könnten, in denen der Wirtschaftsbund meistens die Mehrheit stellt. Die Kammer freut sich im Moment über die Krise, weil die Einnahmen nur so sprudeln und weil sie den Unternehmer:innen weiter Geld aus dem Börsl ziehen kann.

Die, die im Moment übrig bleiben – das ist ganz wesentlich und das war auch der Grund, warum wir als NEOS heute über die Situation am Arbeitsmarkt reden wollten –, das sind zwei Gruppen: Das sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf der einen Seite und die Unternehmerinnen und Unternehmer auf der anderen Seite, weil wir in der jetzigen Situation, aus der Pandemie kommend, viele Betriebe haben, die nicht überfördert worden sind, die jetzt mit höheren Energiekosten konfrontiert sind, die jetzt mit steigenden Gehältern und Löhnen konfrontiert sind und die anders als die Kammer und der Finanzminister nicht automatisch sprudelnde Einnahmen haben, wenn die Inflation steigt, die nämlich überlegen müssen: Wie schaffe ich das mit den Produktionskosten? Wie schaffe ich das bei den Dienstleistungen? Diese Betriebe haben es schwer, über die hat


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aber der Generalsekretär des Wirtschaftsbunds nicht geredet. Wie es den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern geht, in diesem Jahr, in dem die Kollektivvertragsverhandlungen vielleicht einmal quasi gut abgeschlossen sind, im Folgejahr, in zwei oder in drei Jahren, dazu gab es auch keinen Beitrag.

Wir wollen, und das ist ganz zentral, die Lohnnebenkosten aus zweierlei Grün­den senken. Wir wollen sie senken, damit die Betriebe gut durch die Krise kommen. Das bedeutet, wir wollen die Lohnnebenkosten um ein Sechstel senken. Ja, wir wollen die Wohnbauförderung aus den Nebenkosten für die Betriebe rausnehmen. Wir wollen das auch beim Flaf machen, wir wollen das auch bei der Kammerumlage 2 machen, weil wir davon überzeugt sind: Wenn man Wohnbau fördern will, dann ist das eine Frage des allgemeinen Budgets und keine Lohnnebenkostenposition für Betriebe.

Was Sie vergessen haben, liebe Kolleg:innen von den Grünen, ist, dass nur die Hälfte dieser Förderung wirklich in den Wohnbau fließt und die andere Hälfte bei den Landeshauptleuten irgendwo versickert. (Beifall bei den NEOS.)

Jeder Unternehmer und jede Unternehmerin weiß: Man hat zwei große Zah­lungen im Monat, die fix sind: am Ende des Monats die Gehälter und in der Mitte des Monats die Zahlung an das Finanzamt und die Sozialversicherung. Man zahlt das Gehalt für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wahnsinnig gerne, weil man nur als Team gemeinsam nach vorne kommt.

Das zentrale Element ist: Die Zahlung Mitte des Monats an das Finanzamt und die Sozialversicherung tut wirklich weh, und die tut deswegen wirklich weh, weil sie im Vordergrund nicht einer Versicherung der Mitarbeiterinnen und Mitar­beiter und nicht einem gut funktionierenden Staat dient. Sie tut deswegen wirklich weh, weil sie den Zirkus, den Sie hier veranstalten, finanziert. Wir finan­zieren mit dieser Zahlung Mitte des Monats genau das, was Sie hier veranstalten: das Helikoptergeld, all die Bonuszahlungen, die Förderungen, die vollkommen am Ziel vorbeischießen, und das ist es, was wirklich wehtut.


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Wenn Sie reformieren wollen, dann fangen Sie einmal – und das geht auch in Richtung des Kollegen Ottenschläger, der vorhin so heftig hereingerufen hat – neben der Lohnnebenkostensenkung auch mit echten Reformen an, machen Sie echte Politik, anstatt die Leute nur mit Geld zu überschütten! (Präsidentin Bures gibt das Glockenzeichen.) – Ich bin gleich fertig, Frau Präsidentin.

Letzter Satz: Es geht um Reformen, nach denen es den Menschen besser geht, den Betrieben besser geht und der Staat eine Zukunft hat, denn das fehlt heute. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

17.21


Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Herr Abgeordneter Rudolf Silvan zu Wort. – Bitte.


17.21.34

Abgeordneter Rudolf Silvan (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren zu Hause und hier auf der Galerie! Sehr geehrter Herr Minister! Frau Ministerin! Ich möchte noch zu den Ausführungen einiger meiner Vorredner Stellung nehmen. Herr Kollege Wurm von der FPÖ hat gesagt – er ist jetzt gerade nicht da –, er würde gerne den vier Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern einen Orden verleihen, weil sie eine tolle Leistung erbringen. Das unterstreiche ich, nur ist das vonseiten der FPÖ wenig glaubwürdig. Ich darf die Kolleg:innen der FPÖ daran erinnern, dass Sie es waren, die den Held:innen der Arbeit den 12-Stunden-Tag und die 60-Stunden-Woche beschert haben (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ), und dass Sie diejenigen waren, die den evangelischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern den Feiertag am Karfreitag gestohlen haben. Ich wollte das hier nur sagen, weil es wenig glaubwürdig ist, dass Herr Wurm diesen Arbeitnehmer:innen jetzt einen Orden verleihen will.

Kollegin Zopf hat gemeint, das Motto der ÖVP ist: Arbeit muss sich lohnen. Ich darf dich erinnern, liebe Kollegin Zopf, dass 2020 ihr es wart, die den Menschen, die 45 Jahre durchgearbeitet haben, keinen einzigen Monat arbeitslos und


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62 Jahre alt waren, den Präsenzdienst nicht angerechnet und die Pensionen gekürzt habt. Deshalb ist euer Motto also auch nicht sehr glaubwürdig. (Beifall bei der SPÖ.)

Zu Kollegin Seidl von den NEOS, weil das auch gerade dazu passt: Wir haben das Problem im Gastgewerbe sehr wohl! 15 Prozent aller Rechtsfälle der Arbeiter­kammer betreffen das Gastgewerbe, obwohl nur 3 Prozent der gesamten Beschäftigten im Gastgewerbe arbeiten. (Zwischenruf der Abg. Seidl.) 15 Prozent! Da liegt also einiges im Argen, das können Sie nicht abstreiten. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Seidl.)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! In der Dringlichen Anfrage der NEOS fehlt mir ein Thema, das aus unserer Sicht auch zum Arbeitskräftemangel beiträgt, nämlich das Fehlen einer flächendeckenden Gratisnachmittagsbetreuung für Kindergar­tenkinder und Schulkinder. Dieses Fehlen hindert Tausende Frauen daran, einen Vollzeitjob anzunehmen, weil es in Österreich leider immer noch so ist, dass vor allem Frauen die Kindererziehung leisten. Bei vielen Frauen führt das dazu, dass sie gar keinen Job anstreben können, vor allem dann, wenn sie im ländlichen Raum wohnen. Das ist sowohl für die Wirtschaft als auch für die betroffenen Frauen eine Lose-lose-Situation.

Wir alle wissen, dass es eine zwischen Christian Kern und Reinhold Mitterlehner ausverhandelte Einigung gegeben hat, 1,2 Milliarden Euro für die Gratis­nach­mittagsbetreuung für Kinder als Anschubfinanzierung einzusetzen. Wir wissen aber auch, wer dieses Vorhaben torpediert hat: Es war Sebastian Kurz mit seinem Fanklub. Die ÖVP verhindert nach wie vor eine Erleichterung für die betroffenen Familien. Sie verhindert damit auch, dass die Wirtschaft Fachkräfte und Arbeitskräfte rekrutieren kann. (Beifall bei der SPÖ.)

Die SPÖ Niederösterreich hat am 17. November 2022 einen Resolutionsantrag zur Gratisnachmittagsbetreuung eingebracht, und die ÖVP Niederösterreich hat diesen natürlich abgeschmettert. Statt die Mangelberufsliste aufzumachen und darauf zu hoffen, dass Billigarbeitskräfte aus Drittstaaten angelockt werden


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können, sollte man doch das Arbeitskräftepotenzial zu Hause nützen. Wenn man Arbeitskräfte braucht, muss man die Bedingungen schaffen, dass die auch die Möglichkeit haben, sich in der Wirtschaft als Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh­mer oder auch als Unternehmer:innen engagieren zu können.

Den bisherigen Tiefpunkt in der Diskussion um die Gratisnachmittagsbetreuung für Kindergartenkinder und für Schulkinder hat die ÖVP Niederösterreich geliefert, die behauptet hat, die Sozialdemokratie will den Familien die Kinder wegnehmen. Wir wollen, dass die Frauen die Möglichkeit zu einem selbstbe­stimmten Leben haben, dass Beruf und Kindererziehung und Familie unter einen Hut gebracht werden können und dass die Frauen am Arbeitsmarkt nicht länger benachteiligt werden. Nichts anderes wollen wir! (Beifall bei der SPÖ.)

Was wir in Österreich eigentlich brauchen, um dieses Fachkräftepotenzial der Frauen auch nützen zu können, ist in Wirklichkeit das Kinderprogramm der SPÖ Niederösterreich, das wir vorgestellt haben, und zwar flächendeckend: ganz­jährig, ganztägig und gratis. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

17.26


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Nico Marchetti. – Bitte.


17.26.13

Abgeordneter Nico Marchetti (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Ich würde gerne einmal auf den Begriff Wienbashing zu sprechen kommen und ihn als das enttarnen, was er ist, und zwar eine Strategie der SPÖ Wien, um jede sachliche, demokratische Kritik am Land Wien pauschal zu delegitimieren. Das ist es! (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwischenrufe der Abgeordneten Heinisch-Hosek und Matznetter.)

Kollege Muchitsch stellt sich hier ans Rednerpult, beklagt sich über dieses Wienbashing und sagt mir, dass Wien in jedem Ranking immer so toll ist, hat aber kein einziges genannt. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Matznetter.) Es gibt


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tatsächlich viele Statistiken, in denen Wien Spitzenreiter ist, deswegen würde ich das gerne nachholen und da ein bisschen nachhelfen.

Zum Beispiel die Arbeitslosenquote: Wien ist Spitzenreiter mit 9,9 Prozent, Durchschnitt in Österreich ist 6,2 Prozent. Mindestsicherungsbezieher: Wien ist absoluter Spitzenreiter. Von 199 173 Mindestsicherungsbeziehern in Österreich sind 135 648 aus Wien. 70 Prozent aller Mindestsicherungsbezieher sind in Wien. Absoluter Spitzenwert! Arbeitslose Asylberechtigte: 75 Prozent davon in Wien. (Abg. Scherak: Sag einmal, bist du eigentlich zu den Freiheitlichen gewechselt?) Ludwig fordert aber gleichzeitig, dass man auch Asylwerber arbeiten lässt. Also irgendwie passt da etwas nicht. Einsamer Spitzenreiter: Wien! Inseraten­aus­gaben: Alle Bundesländer gemeinsam: 38 Millionen Euro, davon Wien: 24 Millio­nen Euro – 63 Prozent, absoluter Spitzenwert für die Bundeshauptstadt Wien.

Auch wenn es zum Beispiel um Volksschulkinder geht, die nicht Deutsch können: So sind das 10 484 gewesen, die nach zwei Jahren Kindergarten nicht Deutsch können – Wien als Spitzenreiter. 60 Prozent davon sind sogar in Österreich geboren, 30 Prozent haben die Staatsbürgerschaft. Das gibt es auch nur in Wien! (Abg. Scherak: In Oberösterreich gibt es keinen Kindergarten!)

Also ja, die Bundeshauptstadt Wien ist Spitzenreiter, großartig in ganz vielen Bereichen, und man kann sich auch auf sie verlassen. Jedes Problem, das wir in Wien haben, haben wir in Wien verlässlich doppelt und dreifach. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich verstehe ja auch, warum die SPÖ da so wehleidig ist. Man kann ja auf vieles stolz sein in Wien, nur das liegt halt alles in der Vergangenheit. In der Gegenwart und in der Zukunft sehe ich nichts. Wien wird ein sozialdemokratisches Museum und hat keine Antworten auf die Fragen dieser Zeit.

Auch an die NEOS, die sich ja um den Standort Österreich sorgen: Wenn Sie sich wirklich um den Standort Österreich sorgen, dann machen Sie etwas in Wien! Da haben wir die größten Probleme für den Standort Österreich. Machen Sie da


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etwas, Sie haben da Verantwortung! Das bringt wahrscheinlich mehr als so eine wenig sinnvolle Anfrage im Parlament. (Beifall bei der ÖVP.)

Ja, Kollegin Meinl-Reisinger, Sie sind in Wien in der Stadtregierung, und Herr Wiederkehr, Transparenzstadtrat, ist irgendwie schon so transparent, dass man ihn anscheinend gar nicht mehr sieht; ich kriege nichts mit. Das wäre einmal wirklich eine Möglichkeit, bei der ihr etwas für den Standort tun könntet. – Danke. (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP.)

17.29 17.29.43


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Können wir gleich zur Abstimmung kommen? – Gut, dann gehe ich so vor.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Arbeitsmarktreform jetzt umsetzen“.

Wer diesem Entschließungsantrag zustimmt, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

17.30.18Fortsetzung der Tagesordnung


Präsidentin Doris Bures: Ich nehme nun die Verhandlungen über die Tages­ord­nungspunkte 13 bis 16 wieder auf.

Am Wort ist Herr Abgeordneter Peter Wurm, zumindest habe ich ihn so auf der Liste. (Abg. Koza: Der war schon fertig! – Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Herr Abge­ordneter Wurm war mit seiner Rede fertig, gut.

Dann ist der nächste Redner Herr Abgeordneter Markus Koza. – Bitte.


17.30.46

Abgeordneter Mag. Markus Koza (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Frau Ministerin! In diesem Themenblock


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beschließen wir heute unter anderem die Verlängerung der Antragsfrist für den sogenannten Langzeitkurzarbeitsbonus, und zwar bis zum 30. Juni 2023.

Vielleicht noch einmal zur Erinnerung, was denn dieser Langzeitkurzarbeitsbonus ist: Die Kurzarbeit sicherte in der Coronakrise zwar die Jobs von Hunderttau­senden Arbeitnehmer:innen, die Betroffenen mussten allerdings auch Einkom­mens­verluste hinnehmen, und je länger Arbeitnehmer:innen in Kurzarbeit waren, desto höher waren natürlich die Einkommensverluste.

Mit dem Langzeitkurzarbeitsbonus, einer Einmalzahlung in Höhe von 500 Euro, sollen jene Arbeitnehmer:innen, die im Dezember 2021 in Kurzarbeit und zuvor während der Covid-19-Pandemie mindestens zehn Monate in Kurzarbeit beschäftigt waren, eine teilweise Abgeltung dieses finanziellen Verlusts erhalten. Damit auch möglichst alle Berechtigten den Bonus erhalten können und nicht um ihre Ansprüche umfallen, weil manche Betriebe es noch nicht geschafft haben, die Kurzarbeit abzurechnen, wird die Antragsfrist eben um weitere sechs Monate verlängert. Ich bitte hier um breite Zustimmung.

Ebenfalls in diesen Tagesordnungspunkten enthalten sind Anträge der Freiheit­lichen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich auf einen Antrag eingehen, der von der FPÖ eingebracht, aber bereits im Sozialausschuss abgelehnt wurde, und das, wie ich meine, aus sehr gutem Grund, denn dieser Antrag ist nicht nur rassistisch, sondern in seinem Rassismus auch geradezu unendlich absurd! Meine sehr geehrten Damen und Herren, in diesem Antrag fordert die FPÖ tatsächlich von Asylberechtigten, die in diesem Land arbeiten, eine Strafsteuer von 10 Prozent des Einkommens. Das heißt also, Menschen, die hier arbeiten dürfen, Menschen, die hier arbeiten wollen, Menschen, die hier arbeiten und ohnehin dringend gebraucht werden – nämlich insbesondere auch in den systemrelevanten Berufen –, sollen dafür auch noch bestraft werden. Gleichzeitig dürfen sie sich dann aber, falls sie nicht arbeiten, mangelnde Integra­tionswilligkeit und Zuwanderung in unser Sozialsystem vorwerfen lassen.


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Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist die FPÖ, wie wir sie kennen: Integration erschweren und verunmöglichen, wo immer es geht, jede Maß­nahme, die der Integration dient, insbesondere der Arbeitsmarktintegration, torpedieren und dann gleichzeitig diesen Betroffenen Integrationsunwilligkeit unterstellen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, diese Politik ist bösartig und zynisch und diese Politik hat eine klare Absage verdient! – Danke. (Beifall und Bravorufe bei den Grünen.)

17.33


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Gerald Loacker. – Bitte.


17.34.03

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Kollege Koza hat schon ausgeführt, dass es diesen Lang­zeitkurzarbeitsbonus gibt – das Wort ist schon eine tolle Erfindung. Wenn Sie also in den Jahren 2020 und 2021 lange in Kurzarbeit waren, dann haben Sie das ganze Jahr 2022 Zeit gehabt, diesen Bonus zu beantragen. Jetzt hat jedoch die Regierung das Gefühl, sie wirft den Leuten das Geld nach, aber die wollen es gar nicht – könnte auch sein, dass sie es nicht brauchen.

Diese Leute, die jetzt ein Jahr Zeit hatten, den Bonus aber nicht beantragt haben, bekommen jetzt noch einmal ein halbes Jahr Zeit. Ich meine, wie drin­gend wollen Sie das Steuergeld eigentlich hinausblasen? Wie wichtig ist Ihnen das? – Ich komme nicht mehr mit, denn normalerweise, wenn man arbeitsrecht­liche Ansprüche aus einem Arbeitsverhältnis hat, hat man sechs Monate Zeit, diese beim Arbeitgeber einzuklagen, aber jetzt braucht man offensichtlich 18 Monate, um den Anspruch auf einen Bonus geltend zu machen.

Dann ist es ja auch noch so, dass man in das Gesetz extra hineingeschrieben hat, dass die Arbeiterkammer die Daten dieser Leute bekommt, die so lange in Kurzarbeit waren. Die Arbeiterkammer, die angeblich alles so supertoll macht, kann somit diese auch informieren, dass sie diesen Bonus beantragen


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können: Offensichtlich hat entweder die AK ihren Job nicht gemacht oder die Leute haben wirklich zu Hause entschieden: Nein, mir geht es gut, ich nehme das Steuergeld nicht in Anspruch, weil ich es nicht brauche! – Dann muss man es ihnen aber nicht nachtragen.

Ich sehe es schon kommen: Wenn das bis in einem halben Jahr noch immer nur ganz wenige beantragt haben, wird man sich eine Gutscheinlösung einfallen lassen, und dann kann die Gewesslerin denen einen Klimabonuslangzeit­arbeits­losig­keitsbonus schicken. Super! (Beifall bei den NEOS. – Abg. Voglauer: He! So etwas sagt man nicht! Frau Bundesministerin Gewessler!)

17.35


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Josef Muchitsch. – Bitte.


17.35.53

Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Sehr geschätzte Damen und Herren! Ganz kurz nur zwei Sätze zum Abge­ordneten Nico Marchetti: Ich habe gegoogelt, er ist ja aus Wien, und ich verstehe seine Rede. Wenn ich als ÖVP in Wien so ein schwaches Ergebnis hätte, dann würde ich auch mit allen Mitteln kämpfen und so ein Bashing betreiben. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Loacker.)

Wissen Sie, was schlimm ist? – Auf die Schwächsten hinzuhauen und hervor­zuheben, wer dort die Mindestsicherungsbezieher sind und so weiter, das halte ich für wirklich unsozial. Merken Sie sich auch eines: Je mehr Bashing Sie Rich­tung Wien betreiben, umso stärker wird Michi Ludwig mit seiner SPÖ werden! Merken Sie sich das! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Gerstl.)

Nun aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, komme ich zu den vier Tagesordnungspunkten dieser Debatte. August Wöginger ist jetzt leider nicht da, aber ich werde zu allen vier Tagesordnungspunkten kurz Stellung beziehen.


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Bei Tagesordnungspunkt 13 geht es um die Verlängerung der Beantragung des Langzeitkurzarbeitsbonus um weitere sechs Monate. Ich bedanke mich an dieser Stelle bei allen Beteiligten der Sozialpartnerschaft, die daran mitgewirkt haben, uns mittels dieses Instruments der Kurzarbeit durch diese Krise zu führen. Ich bedanke mich auch beim Herrn Bundesminister für die vielen Gespräche und diese Lösungsorientiertheit, das hat uns im Hinblick auf die Beschäftigung und auch im Hinblick auf den Fortbestand von Unternehmen wirklich geholfen. Vielen Dank dafür an alle Beteiligten, das gehört auch einmal angesprochen! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Zum Tagesordnungspunkt 14, das ist der Antrag der FPÖ betreffend ein Maß­nahmenpaket gegen die sektorale Arbeitslosigkeit: Jetzt kann man das sehen, wie man will, aber Fakt ist, dass dieser Antrag Nonsens ist, weil er rechtswidrig ist. Eine Zugangsbeschränkung auf dem Arbeitsmarkt ist nicht möglich – schon gar nicht für EU-Bürger, denn in der Europäischen Union gibt es eine Dienst­nehmerfreizügigkeit. (Zwischenruf der Abg. Seidl.) Ob da alles perfekt läuft, das sei dahingestellt, aber diesen Antrag lehnen wir aus den genannten Gründen ab.

Betreffend Tagesordnungspunkt 15 wird meine Kollegin Wimmer noch aus­führlich Stellung beziehen, es geht um eine weitere Verlängerung der Sonderbe­treuungszeit, alles gut. Herr Bundesminister, Sie wissen aber, dass wir da gerne eine andere Lösung angestrebt hätten, nämlich eine Lösung in Form eines Dauerrechts.

Beim Tagesordnungspunkt 16, dem FPÖ-Antrag betreffend eine Novellierung des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes, schließe ich mich der Meinung von Herrn Abgeordneten Koza an: Dieser Antrag ist diskriminierend, er ist menschen­rechts­verletzend und er widerspricht jeder Rechtsstaatlichkeit. Er wird daher von uns ebenfalls abgelehnt. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Schallmeiner und Weratschnig.)


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Werte Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP, ich hoffe, ich habe damit als Vorsitzender des Ausschusses für Arbeit und Soziales zu allen Tagesord­nungspunkten Stellung bezogen, so wie das gewünscht wurde. Ich hoffe natür­lich auch, dass wir in Zukunft bei all diesen Problemen doch besser zusam­menarbeiten können. Gerade zur Weihnachtszeit sollte man die Zeit nutzen, diese besinnliche Zeit, eine Zeit des Nachdenkens: Denken wir alle mit­einander nach, vielleicht bringt es etwas für das kommende Jahr! – Vielen Dank für die Zusammenarbeit. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

17.39


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Hannes Amesbauer. – Bitte.


17.39.25

Abgeordneter Mag. Hannes Amesbauer, BA (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Ich komme jetzt zum Entschließungsantrag der Freiheitlichen Partei, über den sich Kollege Koza so künstlich echauffiert hat: Immer, wenn sich Grüne über Anträge besonders aufregen, weiß man, dass das gute Anträge sind! (Beifall bei der FPÖ.)

Meine Damen und Herren, der Antrag der Abgeordneten Amesbauer, Wurm, Angerer und weiterer Abgeordneter nennt sich „Zuwanderungsstopp – Maßnahmen zur Eindämmung der neuen Völkerwanderung“, und ich werde Ihnen jetzt die vier Punkte dieses Antrages kurz erläutern.

Punkt eins: „Asylstopp-Jetzt: Aussetzen der Asylanträge auf österreichischem Boden; Österreich hat genug geleistet. [...] Die Bundesregierung kann und muss eine ,Notverordnung für eine Asyl-Obergrenze‘ – die ,Verordnung zur Auf­rechterhaltung der öffentlichen Ordnung und des Schutzes der inneren Sicher­heit während der Durchführung von Grenzkontrollen‘ [...] im Asylgesetz erlassen. Das Ziel“ der Asylanträge „muss NULL sein.“ – Das ist auch Sozial­po­litik, das ist freiheitliche Sozialpolitik: die Sozialleistungen und das Steuergeld für die eigenen Staatsbürger aufzuwenden.


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Nächster Punkt: „Wiedereinführung von Ausreisezentren“, eine wichtige und höchst erfolgreiche Maßnahme von Innenminister Herbert Kickl, und das wollen wir wiedereinführen (Zwischenruf der Abg. Ernst-Dziedzic), das wollen wir inten­sivieren, am besten gleich direkt an den Staatsgrenzen.

Dritter Punkt: „Nur mehr Sachleistungen statt Geldleistungen für Asylwerber und Asylberechtigte. [...] Gleichzeitig soll für arbeitsfähige Asylwerber in der Grundversorgung eine Verpflichtung zur unentgeltlichen Arbeit in ihrem Umfeld bzw. in der Infrastruktur [...] eingeführt werden.“ – Das ist ja das Mindeste, was man verlangen kann: dass die Asylwerber aus aller Herren Länder, die sich ja in unserer sozialen Hängematte und in der Grundversorgung breitmachen und es sich dort gemütlich machen und keinen Cent zu unserem Sozialsystem beitragen, zumindest die eigene Asylunterkunft reinigen!

Vierter Punkt: „Keine Integration von Asylwerbern in den Arbeitsmarkt“, besonders wichtig, weil das ja die Grünen wollen, weil das Teile der SPÖ wollen und die Gefahr droht, dass die ÖVP, obwohl sie ja jetzt dagegen argumentiert, auch bei diesem Punkt wieder einknickt. „Erwerbstätige aus dem Kreis der Asylberechtigten und subsidiär“ Schutzberechtigte „müssen zusätzlich zu den regulären Steuern eine Sondersteuer von zehn Prozent ihres Einkommens entrichten“ (Zwischenruf des Abg. Koza) – und ich weiß nicht, warum Herr Kollege Koza sich da so empört. Sie hätten das fertiglesen sollen: „Die Sondersteuer entfällt, sobald die Kosten des Asylverfahrens und die Grundversorgungskosten abgedeckt sind.“

Also das ist keine Strafsteuer, wie Sie das genannt haben, das ist nur ein Beitrag, um die Kosten für jene Leistungen, die man bis zum Eintritt in den Arbeitsmarkt vom Staat umsonst, ohne einen Cent beizutragen, erhalten hat, zurückzuzahlen. Also das kann man ja wohl unterstützen; und ich glaube auch, dass die Mehrheit der Österreicher diesem Punkt auch durchaus zustimmt. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich bringe nun den Entschließungsantrag ein:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll189. Sitzung, 189. Sitzung des Nationalrats vom 14. Dezember 2022 / Seite 360

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Zuwanderungsstopp – Maßnahmen zur Eindämmung der neuen Völkerwanderung“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend eine Regierungsvorlage zur Deatraktivierung der unkontrollierten Zuwanderung zuzuleiten, die Maßnahmen im Sinne der Antragsbegründung (Punkte 1. – 4.) beinhaltet“.

*****

Meine Damen und Herren! Asylpolitik ist einerseits der Schutz der Staatsgrenzen und die Forcierung von Rückführungen und andererseits – und das ist besonders wichtig – auch eine Sozialpolitik, die Österreich als Zielland unattraktiv macht. (Beifall bei der FPÖ.)

17.43

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Hannes Amesbauer, Peter Wurm, Erwin Angerer

und weiterer Abgeordneter

betreffend Zuwanderungsstopp – Maßnahmen zur Eindämmung der neuen Völkerwanderung

eingebracht im Zuge der Debatte über den Tagesordnungspunkt 16, Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 2986/A(E) der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Zuwanderungsstopp in den österreichischen Sozialstaat jetzt – "Unser Geld für unsere Leute" (1832 d.B.), in der 189. Sitzung des Nationalrates, XXVII. GP, am 14. Dezember 2022


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll189. Sitzung, 189. Sitzung des Nationalrats vom 14. Dezember 2022 / Seite 361

Die neue Völkerwanderung ist ein Scheitern auf allen Ebenen: EU-weit, natio­nal­staatlich und regional – wie in Kindberg. Österreich ist dank Nehammer, Kogler und Co. Spitzenreiter, wenn es um die Belastung der eigenen Bevölkerung durch die Massenzuwanderung geht. 103.600 Asylanträge wurden bereits in diesem Jahr in Österreich gestellt. In Deutschland waren es 176.289 Asylanträge – bei der rund zehnfachen Bevölkerung!

Österreich stellt zwei Prozent der EU-Gesamtbevölkerung, hat aber 13,2 Prozent der Asylanträge. Das ist mehr als eine Schieflage, das ist ein asylpolitischer Totalschaden, weil Österreich ausschließlich von sicheren Ländern umgeben ist. Großzügige Sozialleistungen, der Klimabonus nach sechs Monaten Aufenthalt in Österreich und Mindestsicherung sind Faktoren, damit Menschen zu uns kommen. Das ist das Ergebnis nicht des Versagens der ÖVP und die Folge von falsch verstandener Tole­ranz.

Asylstopp und Schaffung von Ausreisezentren, Sachleistungen statt Geldleistungen und keine Integration von Asylwerbern in den Arbeitsmarkt. Nur so kann der Anreiz als Wirtschaftsmigrant nach Österreich kommen zu wollen abgestellt werden. Daher wird nachfolgendes Maßnahmepaket gefordert:

1.         Asylstopp-Jetzt: Aussetzen der Asylanträge auf österreichischem Boden; Österreich hat genug geleistet. Die von Ex-Innenministerin Mikl-Leitner 2016 formulierte Obergrenze von 37.500 ist längst erreicht. Die Bundesregierung kann und muss eine „Notverordnung für eine Asyl-Obergrenze“ – die „Verordnung zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und des Schutzes der inneren Sicherheit während der Durchführung von Grenzkontrollen“ gemäß § 36 ff Asylgesetz erlassen. Das Ziel muss NULL sein.

2.         Wiedereinführung von Ausreisezentren.

3.         Nur mehr Sachleistungen statt Geldleistungen für Asylwerber und Asylbe­rechtigte. Asylwerber sollen grundsätzlich in der Grundversorgung ausschließlich


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll189. Sitzung, 189. Sitzung des Nationalrats vom 14. Dezember 2022 / Seite 362

Sachleistungen und keine Geldleistungen bekommen, bis ihr Verfahren abge­schlos­sen und ihr Aufenthalt zu Ende ist. Gleichzeitig soll für arbeitsfähige Asylwerber in der Grundversorgung eine Verpflichtung zur unentgeltlichen Arbeit in ihrem Umfeld bzw. in der Infrastruktur (zB Asyl-Unterkunft reinigen) eingeführt werden. Asylberechtigte haben keinen Anspruch auf Sozialleistungen außer auf Grundversorgung.

4.         Keine Integration von Asylwerbern in den Arbeitsmarkt. Die Grundversorgung von Asylberechtigten bzw. subsidiär Schutzberechtigten endet, wenn diese in den ersten Arbeitsmarkt eintreten, was allerdings nur nach einer positiven sektoralen Arbeitsmarktprüfung erfolgen kann. Erwerbstätige aus dem Kreis der Asylberechtig­ten und subsidiär Schutzsuchenden müssen zusätzlich zu den regulären Steuern eine Sondersteuer von zehn Prozent ihres Einkommens entrichten. Die Sondersteuer entfällt, sobald die Kosten des Asylverfahrens und die Grundversorgungskosten abgedeckt sind.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend eine Regie­rungsvorlage zur Deatraktivierung der unkontrollierten Zuwanderung zuzuleiten, die Maßnahmen im Sinne der Antragsbegründung (Punkte 1. – 4.) beinhaltet“.

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht daher auch mit in Verhandlung.

Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Bettina Zopf. – Bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll189. Sitzung, 189. Sitzung des Nationalrats vom 14. Dezember 2022 / Seite 363

17.43.22

Abgeordnete Bettina Zopf (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher auf der Galerie – sehr zahlreich – und auch zu Hause vor den Fernsehbildschirmen! Wir behandeln jetzt unseren gemeinsamen Antrag, Herr Kollege Koza hat ihn eh schon erklärt: Es geht um die Verlängerung der Antragsfrist für den Langzeit­kurz­arbeitsbonus.

Wir verlängern die Antragsfrist bis 30. Juni 2023. Jetzt geht es einmal darum: Wer ist betroffen? – Alle, die im Dezember 2021 in Kurzarbeit waren und alle, die mindestens zehn Monate in Kurzarbeit waren, zwischen 1. März 2020 und 30. November 2021. Die Einkommensgrenze liegt bei maximal 2 775 Euro brutto, das sind dann netto 1 900 Euro. Das beweist, dass wir auch da zielgerecht unterstützen und das Geld nicht mithilfe des Würfels oder mit der Gießkanne verteilen, sondern dass wir schauen, dass das Geld bei denen ankommt, die es auch wirklich brauchen. Dieser Bonus beträgt 500 Euro.

Mit 31. Dezember 2021 waren österreichweit 176 529 Personen in Kurzarbeit, die meisten davon aus Gastronomie und Hotellerie. Sie sind insofern besonders betroffen, weil sie ja, wenn sie in Kurzarbeit sind, auch kein Trinkgeld bekommen und somit auch darauf verzichten müssen. Es gibt viele, die diesen Bonus noch nicht beantragt haben. Als Arbeitnehmervertreterin ist es mir wichtig, dass jene, die auf etwas Anspruch haben, es auch bekommen, und genau das ist der Grund, warum wir die Antragsfrist verlängern.

Ich bedanke mich auch bei der SPÖ für die Unterstützung. Das ist wiederum ein Beweis, dass wir auch viel über die Regierungsgrenzen hinaus zusammen­arbeiten, denn es geht uns nicht um Populismus, sondern um gute, anständige Politik. Natürlich haben wir auch Verständnis für Andersdenkende (Heiterkeit der Abg. Brandstötter), und dass die NEOS lieber nichts verteilen würden, das lässt sich vielleicht auch das eine oder andere Mal argumentieren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

17.45



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll189. Sitzung, 189. Sitzung des Nationalrats vom 14. Dezember 2022 / Seite 364

Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Barbara Neßler. – Bitte.


17.46.04

Abgeordnete Barbara Neßler (Grüne): Geschätzter Herr Minister! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Liebe Zuseher und Zuseherinnen! Zuerst zur Sonderbetreu­ungszeit, denn die derzeitige Regelung der Sonderbetreuungszeit für coronapo­si­tive Kinder würde mit Jahresende enden, und mit dem heutigen Antrag sorgen wir für eine weitere Verlängerung. Warum ist das wichtig? – Ganz einfach: weil die Infektionszahlen nach wie vor hoch sind, weil es bei einer Coronainfektion immer noch bestehende Kontaktbeschränkungen gibt und weil die Kinder natür­lich betreut werden müssen. Die Regelung gilt bis Juli 2023.

Zu einem anderen Thema noch, zum Antrag der Kollegin Belakowitsch, die möchte, dass Asylwerbenden der Eintritt in den Arbeitsmarkt grundsätzlich verwehrt werden soll: Liebe FPÖ, das ist nicht nur aus menschlicher Perspektive dane­ben – was mich jetzt ehrlich gesagt wenig überrascht, für ein bisschen Stimmenfang sind Sie bekanntlich zu jeder diskriminierenden Grauslichkeit bereit –, aber dieser Antrag ist schlichtweg wirtschaftsfeindlich! Wir suchen in Österreich ja händeringend nach Arbeitskräften, gerade im Tourismus, und es gibt Gasthäuser und Hotels, die nicht aufsperren können, weil sie keine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen finden! Wir haben hier in Österreich Menschen, die arbeiten wollen und keinen effektiven Zugang zum Arbeitsmarkt haben, und daher ist Ihr Vorschlag sowohl aus humanitärer sowie aus ökonomischer Perspektive absolut kontraproduktiv. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Hofinger.)

Wir sollten diesen Menschen eine Perspektive durch den Zugang zu Arbeit geben. Das fördert die Integration und den Spracherwerb, und gepaart mit dem bestehenden Mitarbeiter- und Mitarbeiterinnenmangel ergibt das eine Win-win-Situation für die Betriebe und für die Menschen. Es ist also aus mensch­licher sowie aus wirtschaftlicher Sicht einfach sinnvoll.


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Das will die FPÖ aber natürlich nicht wahrhaben, damit sie weiter ihr ras­sis­tisches Klavier bespielen kann, auch wenn das zum Schaden der Wirtschaft ist. Während wir mehr oder weniger pragmatisch darüber diskutieren, wie wir den Arbeitsmarktzugang effizienter gestalten können, wollen Sie diesen komplett sperren. Ganz ehrlich: Eine Verweigerung aus rassistischem Kalkül können wir uns in Österreich gerade im Bereich Tourismus schlichtweg nicht mehr leisten. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Hofinger.)

17.48


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Petra Wimmer. – Bitte.


17.49.02

Abgeordnete Petra Wimmer (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Minister! Hohes Haus! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Mit TOP 15 beschließen wir heute eine Verlängerung der Sonderbetreuungszeit, und das bereits zum achten Mal – zum achten Mal deshalb, und zwar sogar noch rechtzeitig, weil sie sonst mit Jahresende ausgelaufen wäre. Einige der bisherigen Verlängerungen haben wir auch schon rückwirkend beschließen müssen, weil die Regierungsparteien das übersehen haben oder der Druck der Opposition dann doch zu Reaktionen geführt hat.

Die Wichtigkeit der Sonderbetreuungszeit ist unbestritten. Sie ist sehr wichtig für die Eltern, um flexibel darauf reagieren zu können, wenn ihre Kinder im Zusammenhang mit Corona zu Hause bleiben müssen. Also da sind wir alle der Meinung, dass die Sonderbetreuungszeit sehr wichtig ist. Sie zum achten Mal zu verlängern, halten wir nicht für so sinnvoll, denn das bedeutet, dass ab Herbst 2023 wieder keine Regelung da ist, und das heißt wieder Unsicherheit für die Eltern. Da stellt sich schon die Frage, warum die Sonderbetreuungszeit nicht endlich in ein Dauerrecht übergeht, anstatt sie jedes halbe Jahr wieder zu verlän­gern. (Beifall bei der SPÖ.)


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Das wäre im Sinne der Familien, der Frauen, die meist einspringen müssen, wenn ein Kind plötzlich erkrankt: Es würde den Familien Sicherheit geben. Zu wissen, dass man ein Recht auf Sonderbetreuungszeit hat, entspannt und nimmt einige Sorgen weg. Ein kleines Stück Sicherheit in diesen unsicheren Zeiten wäre den Familien zu vergönnen. Einen Antrag dazu gibt es bereits im Ausschuss. Die Son­der­betreuungszeit in ein Dauerrecht umzusetzen wäre leicht möglich, anstatt sie dann im Jahr 2023 zum neunten Mal zu verlängern.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich möchte auch die Gelegenheit nutzen, um darauf hinzuweisen, dass es bisher keine Bewegung der Regierungsparteien bei einer besonders belasteten und gefährdeten Gruppe von Kindern gibt, das sind die Hochrisikokinder. Diese Kinder haben schwere Vorerkrankungen: Lungen­erkrankungen, Behinderungen, Autoimmunerkrankungen, wirklich schwierige Krankheiten. Die Sorge um die Gesundheit ihrer Kinder treibt die Eltern um. Sie wissen nicht, ob sie sie in den Kindergarten geben können oder nicht. Sie sind einfach am Limit und werden von der Regierung und von der Politik alleinge­las­sen.

Es gibt auch dazu einen Antrag im Ausschuss, der bisher immer wieder vertagt worden ist. Ich ersuche Sie im Namen der Eltern dieser Hochrisikokinder dringend, sehr geehrte Regierungsparteien, endlich aktiv zu werden, dieses Anliegen aufzugreifen und sie zu unterstützen. (Beifall bei der SPÖ.)

17.51


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Rebecca Kirchbaumer. – Bitte.


17.51.57

Abgeordnete Rebecca Kirchbaumer (ÖVP): Frau Präsidentin! Werte Bundes­minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher hier bei uns auf der Galerie und auch zu Hause vor den Bildschirmen oder via Livestream! Die Sonderbetreuungszeit – das sagt schon das Wort – ist eine


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gesonderte, eine besondere Betreuungszeit für Eltern, die an Corona erkrankte Kinder zu Hause haben.

Es ist natürlich wichtig und es ist auch richtig, dass wir die wieder verlängern. Es stimmt: Wir haben sie in der letzten Zeit mehrmals verlängern müssen. Wie aber das Wort schon sagt: Es ist eine Sonderbetreuungszeit, und das sollte auch weiterhin so bleiben. Es gibt ja auch den Pflegeurlaub, der genommen werden kann. Der ist ja rechtskräftig und bleibt auch aufrecht. Ich glaube schon, dass wir die Hoffnung haben, dass wir diese Pandemie irgendwann – ich hoffe, in naher Zukunft – endgültig überstanden haben werden.

Wichtig für die Wirtschaft ist auch, dass diese Kosten übernommen werden, wobei ich da schon dazusagen möchte: Es ist für die Wirtschaft schwierig, wenn Mitarbeiterinnen oder auch Mitarbeiter kurzfristig ausfallen. Es bedeutet ja nicht, dass nur Frauen zu Hause bleiben und eine Betreuungspflicht überneh­men, sondern auch Männer bleiben zu Hause und wollen oder müssen ihre Kinder betreuen. Besonders in dieser Zeit, in der wir einen massiven Mitarbeiter­mangel haben, ist es eine umso größere Herausforderung, diese Ausfälle mit anderen Mitarbeiter:innen abfedern zu können. Das bedeutet, dass diese Über­stunden machen müssen.

Meine Damen und Herren, ich möchte heute auch die Gelegenheit nutzen, um etwas loszuwerden – über dieses Jahr. Wir haben zwei Jahre Pandemie hinter uns, wir haben einen Krieg, der nach wie vor vor Ort und nicht weit von uns entfernt ist, und wir stehen vor massiven Herausforderungen, einerseits doch noch die Pandemie zu bekämpfen und andererseits gibt es noch diesen Krieg und diese Teuerung.

Was mir nicht gefällt, ist, dass man für alles, was auf dieser Welt geschieht, ständig die Regierung verantwortlich macht, immer das Haar in der Suppe sucht und sagt: Es ist grundsätzlich alles schlecht, es gibt nichts Positives (Abg. Matznetter: Das ist eine Perücke in der Suppe, Frau Kollegin!), sie sollen einfach gehen.


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Meine Damen und Herren, wir haben 75 Jahre im Wohlstand, im Überfluss gelebt. Wir haben keinen Krieg gehabt, Gott sei Dank, wir haben auch keine Pandemie zu bekämpfen gehabt. (Abg. Matznetter: Warum machen Sie es dann kaputt?)

Das, was diese Regierung jetzt gemacht hat, hat keine Regierung vorher machen müssen. (Abg. Matznetter: Sie konnte es auch nicht machen!) Das richte ich jetzt auch an die SPÖ: Ihr wart jahrzehntelang in der Regierungsverantwortung und habt nichts weitergebracht, aber auch gar nichts, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Matznetter: Aha! Wo kommt denn der Wohlstand her? Von der ÖVP nicht! – Zwischenruf des Abg. Silvan.)

Es steht Weihnachten vor der Tür. Vielleicht besinnen wir uns alle einmal auf die Werte der Menschen (Abg. Kollross: Ja, besinnt euch!), darauf, dass wir hier stehen und für die Menschen in Österreich arbeiten und nicht nur, um Stimmen zu fangen, wie das die FPÖ und besonders die SPÖ machen. (Abg. Matznetter: Lassen Sie es sein! – Zwischenruf des Abg. Silvan.)

In diesem Sinne wünsche ich allen ein besinnliches, schönes Weihnachtfest und einen guten Rutsch ins neue Jahr. Vielleicht können wir für 2023 den Vorsatz fassen: Mehr miteinander als ständig gegeneinander! – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Silvan: Ihr macht es ja nicht!)

17.55


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Ist seitens der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Wie vereinbart verlege ich die Abstimmungen an den Schluss der Verhandlungen über die Vorlagen des Ausschusses für Arbeit und Soziales und fahre in der Tagesordnung fort.


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17.56.0017. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 3013/A der Abgeordneten August Wöginger, Mag. Markus Koza, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kriegsopferversorgungsgesetz 1957, das Opferfürsorgegesetz, das Impfschadengesetz, das Verbrechensopfergesetz und das Heimopferrentengesetz geändert werden (1825 d.B.)

18. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 2966/A der Abgeordneten August Wöginger, Dipl.-Ing. Olga Voglauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bauern-Sozialversiche­rungsgesetz geändert wird (1826 d.B.)

19. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 3012/A der Abgeordneten August Wöginger, Mag. Markus Koza, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (1827 d.B.)

20. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 2937/A(E) der Abgeordneten Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Aktion 60 plus für den österreichischen Arbeitsmarkt (1828 d.B.)

21. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 2985/A(E) der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Echte Pensionsanpassung statt sozialpolitischem Falschspielertrick (1829 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen nun zu den Punkten 17 bis 21, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.


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Auf eine mündliche Berichterstattung wurde bereits verzichtet.

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Verena Nussbaum. – Bitte.


17.56.31

Abgeordnete Mag. Verena Nussbaum (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Bei diesen Tagesordnungspunkten geht es um Änderungen im Kriegsopferversor­gungsgesetz, im Opferfürsorgegesetz, im Impfschadengesetz, im Verbrechens­opfergesetz sowie um Heimopferrenten.

Für diese Gruppen werden als Ausgleich für die Teuerung eine Einmalzahlung für 2022 sowie eine Direktzahlung und ein Teuerungsausgleich für 2023 beschlos­sen. Kommt uns das irgendwie bekannt vor? – Ja, denn bei diesen Änderungen handelt es sich um ein Nachziehen der ASVG-Regelungen. Man hat diesen Personenkreis einfach vergessen. Darum muss das jetzt nachgeholt werden.

Es werden aber auch diesmal wieder Maßnahmen wie Einmalzahlungen beschlossen, die den Menschen nicht langfristig helfen und die nicht nachhaltig sind. Es ist aus meiner Sicht auch nicht das erste Mal, dass Menschen mit Behinderungen einfach vergessen werden. Es kommt immer wieder vor, dass diese Gruppe zuerst nicht gesehen wird.

Ich bekomme immer wieder – in letzter Zeit extrem vermehrt – Zuschriften von Menschen, die eine Behinderung haben. Sie schreiben mir, dass sie sich das Leben einfach nicht mehr leisten können und dass sie tagtäglich darüber nach­denken müssen, ob sie sich überhaupt noch etwas zu essen kaufen können.

Den Menschen reicht das Geld zum Leben einfach nicht mehr. Die Sozialmärkte werden gestürmt und müssen auch schon mit weniger Lebensmitteln auskom­men, weil auch von den Supermärkten nicht mehr so viel geliefert werden kann. Die Preise aber steigen weiter.


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Mit diesen Einmalzahlungen wird sich an dieser Situation leider nichts ändern, denn durch diese Einmalzahlungen ist bis jetzt noch kein einziges Produkt günstiger geworden oder sind irgendwelche Preise gesunken. Aus unserer Sicht macht die Bundesregierung ihre Hausaufgaben nicht. (Beifall bei der SPÖ.)

Das zeigt sich auch dadurch, dass wir seit über einem halben Jahr keine Lösung für die hohen Gaspreise haben. Dieses Problem wird sich nicht von selbst lösen – ganz im Gegenteil. Deutschland hat das schon gesehen und hat gehandelt. Österreich muss jetzt nachziehen. Wir brauchen da eine Lösung, damit sich die Menschen in Österreich auch noch nächstes Jahr das Heizen leisten können. Wenn die Preise weiterhin so hoch bleiben, rollt eine gewaltige Welle der Armut auf uns zu.

Es bleibt keine Zeit mehr, abzuwarten. Wir müssen jetzt handeln. Die Zahl der Privatkonkurse steigt rasant an. Wir als SPÖ haben unsere Vorschläge bereits auf den Tisch gelegt. Jetzt gilt es, aktiv zu werden, zu handeln und dafür Sorge zu tragen, dass sich die Menschen in Österreich das Leben auch noch leisten können. (Beifall bei der SPÖ.)

17.59


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Markus Koza. – Bitte.


17.59.47

Abgeordneter Mag. Markus Koza (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Gleich anschließend an Kollegin Nussbaum: Ja, Kollegin Nussbaum, das stimmt.

Neben strukturellen Änderungen wie etwa der Abschaffung der kalten Pro­gression und der Valorisierung der Sozialleistungen und längerfristig wirkenden Maßnahmen wie beispielsweise der Strompreisbremse, die seit 1. Dezember wirkt – das heißt Maßnahmen, die bei Weitem keine Einmaleffekte, sondern


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dauerhafte oder länger wirkende Effekte haben –, haben wir auch Einmalzah­lungen beschlossen – wie beispielsweise auch sehr viele Bundesländer, darunter auch das Bundesland Wien.

Es ist vollkommen richtig, dass diese Einmalzahlungen beschlossen worden sind, weil sie relativ rasch direkt helfen und unterstützen. Teile dieser Einmal­zahlungen waren unter anderem zweimal ein Teuerungsausgleich von jeweils 150 Euro und 300 Euro für Bezieher:innen einer Ausgleichszulage sowie die außerordentliche Einmalzahlung von bis zu 500 Euro für Pensionistinnen und Pensionisten mit kleinen und mittleren Pensionen. Im Rahmen der Pensions­erhöhung haben wir weiters für das Jahr 2023 auch eine weitere Direktzahlung beschlossen, die im März ausbezahlt werden soll.

Jetzt gibt es allerdings auch eine Gruppe von Menschen, die diese Teue­rungs­ausgleichsmaßnahmen nicht erhalten hat. Das sind beispielsweise Menschen, die Renten nach dem Kriegsopferversorgungsgesetz, dem Opferfürsorgegesetz, dem Impfschadengesetz und dem Verbrechensopfergesetz erhalten, aber nicht gleichzeitig eine Leistung beispielsweise aus der Mindestsicherung oder aus der Sozialhilfe beziehungsweise aus dem Pensionssystem, durch die sie die ent­sprechenden Antiteuerungsboni bekommen hätten.

Genau um diese Gruppe geht es, eine sehr kleine Gruppe von circa 250 Men­schen, die bislang nichts bekommen hat. Mit dem heutigen Gesetzes­beschluss erhalten sie nicht nur die Antiteuerungsmaßnahmen vom Vorjahr, sondern werden auch in die Direktzahlungen für 2023 einbezogen – eine wichtige Maßnahme und vor allem auch das Schließen einer Lücke, die nicht beabsichtigt war, aber die wir jetzt in diesem Sinne bewältigen, weil wir keine unbeabsichtigten sozialen Härten verursachen wollen.

Eine zweite Beschlussfassung machen wir heute auch noch. Die halte ich für nicht minderwichtig, weil sie die Überlebenden der Schoah betrifft. Diese erhalten – auch wenn sie im Ausland leben und nicht die österreichische Staatsbürgerschaft haben – Renten nach dem Opferfürsorgegesetz. Nur war es


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bislang so, dass Spesen und Gebühren aus den Überweisungen von den Betroffenen selber zu tragen waren und von der Rente abgezogen worden sind.

Mit den heutigen Beschlüssen werden diese Kosten für die Überweisung künftig von der Republik Österreich übernommen – eine Maßnahme, die unserer Meinung nach längst überfällig ist und heute auch endlich beschlossen wird. Ich bitte im Sinne der Betroffenen um möglichst breite Zustimmung. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

18.02


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Erwin Angerer. – Bitte.


18.02.56

Abgeordneter Erwin Angerer (FPÖ): Noch einmal ein Thema, das wir heute ja schon mehrfach diskutiert haben: Herr Minister Rauch, ich habe bis jetzt noch keine Begründung gehört, warum der Antrag abgelehnt worden ist. Es geht um die Aktion 60 plus, unseren Antrag, der im Ausschuss für Arbeit und Soziales liegt, dass man Pensionisten – vor allem Pensionisten, die in der vorzeitigen Alterspension oder eben in der sogenannten Korridorpension sind – den Zugang zum Arbeitsmarkt etwas erleichtert, weil es heute so ist, dass man, wenn man über die Geringfügigkeitsgrenze hinauskommt, dann eben entsprechend Steuer zahlen muss und weniger herausbekommt, als wenn man nicht arbeitet. Die Menschen braucht man aber am Arbeitsmarkt. (Abg. Loacker: Sie hätten ihre Pension ja nicht ...!)

Lieber Gerald Loacker, dann wird man sich eine Lösung überlegen müssen, denn die Forderung der Wirtschaft ist da, und Menschen wie diese Betroffenen würden auch gerne arbeiten. Nur sagen sie natürlich: Warum soll ich arbeiten gehen, wenn ich danach gleich viel habe, wie wenn ich nicht arbeiten gehe? – Das sollte man unserer Meinung nach beheben und sich etwas überlegen und nicht einfach den Kopf schütteln und sagen: Das ist halt so.


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Ich würde mich also freuen, wenn es eine Begründung gibt und wenn man diesen Antrag endlich einmal ernst nimmt. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

18.04


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Ernst Gödl. – Bitte.


18.04.28

Abgeordneter Mag. Ernst Gödl (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Bun­desminister! Meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen hier im Hohen Haus und alle, die zu Hause noch zuhören! Man kann es ganz kurz machen, denn mein Kollege Markus Koza hat ja den Inhalt eines Antrages schon im Wesentlichen erklärt.

Ich glaube, am heutigen Tag kann man sehr gut sehen, dass uns sowohl im Großen wie auch im Kleinen die Sozialpolitik ein wirklich ernstes Anliegen ist. Wir haben heute schon Meilensteine in der Pflegereform beschlossen. Jetzt sind wir bei vermeintlich sehr kleinen Anliegen, weil es – wie eben bei diesem Komplex mit den Opferrenten – nur kleine Gruppen von Betroffenen gibt. Wir wollen aber, dass sie, wenn sie geringe Renten haben, auch in den Genuss von Teuerungsausgleichszahlungen kommen. Damit wir das gesetzlich ermöglichen, ändern wir heute diesen Punkt bei den Opferrenten.

Ich möchte aber noch auf einen Punkt hinweisen, der jetzt auch in diesem Block dabei ist, und zwar auf das Bauern-Sozialversicherungsgesetz. Für das kom­mende Jahr steht ja eine Hauptfeststellung bei den Einheitswerten an. Damit die Auswirkungen in sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht bei dieser Haupt­feststellung nicht sofort wirksam werden, weil das unliebsame Überraschungen geben könnte – zum Beispiel dass jemand nachträglich aus der Versicherung oder von Leistungen ausgeschlossen wird –, stellen wir sicher, dass die Wirk­sam­keit eben erst 2024 in Kraft treten wird.


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Wir stellen auch sicher, dass man, sollte man die Grenze der Versicherung, nämlich 1 500 Euro, unterschreiten, als Betroffener trotzdem eine Opt-in-Möglichkeit hat, um eben versichert zu bleiben.

Ich glaube, das sind jetzt vermeintlich kleine Anliegen, aber für die, die betroffen sind, hat es eben oft große Auswirkungen. Ich glaube, man kann damit zeigen, dass uns die sozialrechtlichen Anliegen im Großen wie im Kleinen wirklich ein ernstes Anliegen sind.

Ich möchte noch ganz kurz auf meine Vorrednerin Frau Verena Nussbaum replizieren – sie kommt ja aus dem gleichen Wahlkreis –, die hier jetzt wiederum das Thema mit diesen Einmalzahlungen aufgezogen hat.

Ich möchte es für alle, die jetzt hier zuhören, einfach an diesem Beispiel demons­trieren: Bei dem Pflegebonus, der heute besprochen wurde, und bei dem Gehaltsaufschlag, den wir seitens der Bundesregierung gewähren, wurde seitens der Sozialdemokratie gefordert, dass es eine Einmalzahlung sein soll und nicht ein Gehaltszuschuss. Bei diesem Punkt wiederum kritisieren Sie die Einmal­zah­lung.

Jetzt möchte ich Sie fragen: Was sagen Sie zum Beispiel zu Ihrer Stadtpar­teichefin Frau Kampus in Graz, die auch Landesrätin in der Steiermark ist? Sie gewährt zum Beispiel Einmalzahlungen in Form von Heizkostenzuschüssen.

Sie werden ja doch nicht ernsthaft meinen, dass das keine gerechtfertigten Einmalunterstützungen für die Menschen sind, die es dringend brauchen. Nein, wir brauchen Einmalzahlungen in dieser Phase, genauso wie wir in vielen anderen Bereichen auch Valorisierungen vorgenommen haben, wie zum Beispiel beim Pflegegeld, wie zum Beispiel bei vielen Sozialleistungen.

Daher ist es schon verwerflich, liebe Frau Kollegin, wenn Sie hier immer genau das Gegenteil von dem einfordern, was die Regierung beschließt, so wie es für Sie passt, nur damit Sie aus Prinzip dagegen sind. (Zwischenruf bei der SPÖ.)


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Das finde ich sehr schade, weil ich glaube, dass wir gemeinsam das Ziel haben sollten, in dieser wirklich nicht einfachen Situation für jene Menschen, die wenig verdienen, auch die richtigen Antworten zu finden. Richtige Antworten in dieser Zeit sind auch einmalige Zahlungen, um die Teuerung abfedern zu können.

Da hätte ich von der Sozialdemokratie schon erwartet, dass sie da mehr Fein­gefühl an den Tag legt. Wir seitens der Regierungsparteien jedenfalls kümmern uns um alle. Wir möchten niemanden zurücklassen. Das ist unser Versprechen, und das werden wir auch einhalten. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Voglauer.)

18.08


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Gerald Loacker. – Bitte.


18.08.48

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Wir „kümmern uns um alle“, hat Ernst Gödl gesagt. Es gibt immer eine Gruppe, um die sich die ÖVP besonders kümmert und die immer ein kleines Geschenk bekommt: In jeder Sozialversicherungsnovelle ist ein Geschenk für die Bauern verpackt, so auch diesmal. (Beifall bei der ÖVP.)

Jetzt klatscht die Bauernpartie, aber das geht dann auf Kosten des Rests der Bevölkerung. (Abg. Haubner: Hey, hey, hey! Aufpassen mit der Wortwahl! – Zwi­schenruf der Abg. Kirchbaumer. Ja, Rebecca, wahrscheinlich hast du geklatscht, weil die Bauern zu dir tanken kommen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Der Umstand ist der: Wenn durch eine Einheitswertfeststellung rückwirkend festgestellt wird, dass der Bauer geringfügig und nicht vollversichert wäre, dann ist jetzt durch dieses Gesetz sichergestellt, dass er vollversichert bleibt – so weit, so gut. Wenn sich aber rückwirkend herausstellt, der war eigentlich vollver­sichert und ist als geringfügig gelaufen, dann bleibt er geringfügig. Das gibt es


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bei allen anderen Berufsgruppen nicht. Wenn man bei einem Selbstständigen draufkommt, dass er doch mehr verdient hat, dann ist er vollversichert, auch wenn er vorher als geringfügig gelaufen ist.

Wenn eine Putzfrau zwei Arbeitsverhältnisse hat (Abg. Gödl: Das stimmt ja eh ...!), eine halbe Stunde zu lang putzt und über die Geringfügigkeitsgrenze kommt, dann ist auch sie rückwirkend vollversichert. Das gilt für alle, für die Arbeiter, für die Angestellten, für die Selbstständigen – aber nein, für die Bauern gibt es wieder eine Ausnahme! Wir wollen gleiches Recht für alle haben – egal welche Berufsgruppe, ohne Privilegien. Das versteht die ÖVP nicht.

Nun kann man natürlich sagen: Ja, die armen Bauern brauchen das! (Abg. Gödl: Ein Kleinbauernbashing, ein Kleinbauernbashing!) – Da muss man sich aber auch einmal fragen, warum die Bauern nach 36 Jahren ÖVP-Landwirtschafts­politik wirklich so arm sind, dass sie immer eure Hilfe brauchen und immer Sondergesetze brauchen. Das wäre einmal eine Sache, die ich mir an eurer Stelle überlegen würde. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Strasser: Das ist jetzt ein Wider­spruch!)

18.10


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Clemens Stammler. – Bitte. (Zwischenruf bei der ÖVP.)


18.11.00

Abgeordneter Clemens Stammler (Grüne): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Kollege Loacker hat im Prinzip die Änderung des Sozialversicherungsgesetzes in vielen Dingen ganz gut erklärt, wenn auch dieser alte Klassenkampf, der eigentlich normalerweise der SPÖ gehört, nun auch schon von den NEOS gestohlen wird.

Die Hauptfeststellung 2023 gilt ab dem 1.1.2023, die Bescheide werden aller­dings erst im Laufe des Jahres ausgestellt (Heiterkeit des Abg. Loacker) – und deshalb gibt es Bäuerinnen und Bauern, die rückwirkend aus der Beitragspflicht


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und somit auch aus der Leistungspflicht fallen. Die Änderung des Sozialversicherungsgesetzes besagt, dass diese Bäuerinnen und Bauern bis 31.12.2024 weiterversichert und leistungsbezugsberechtigt sind.

Wie kommt es aber überhaupt dazu, dass Bäuer:innen, die bisher in der vollen Leistungspflicht waren, auf einmal rausfallen? Wir gehen davon aus, dass in der Einheitswerthauptfeststellung 2023 manche aus der Beitragspflicht fallen, weil sich ihre Ertragslage verändert hat. Es gibt natürlich viele individuelle Gründe wie Pachtrücknahmen oder dergleichen, aber der Hauptgrund ist das Einführen des Temperatur-/Niederschlagsindex. Da wir bisher immer auf Dekaden zurückgegriffen haben, die 30 Jahre gedauert haben, und sich in den 30 Jahren das Wetter und das Klima nur sehr geringfügig verändert haben, sind wir nun draufgekommen: Nein, das funktioniert nicht mehr. Es schafft ganz einfach Unschärfen.

Der Temperatur-/Klimaindex, der in Zusammenarbeit mit der ZAMG und dem Finanzministerium ausgearbeitet worden ist, war für mich erschreckend. Wir wissen, das Pariser Klimaziel soll vermeiden, dass die Temperatur im Vergleich zum Beginn der Industrialisierung über 1,5 Grad steigt. In Österreich bezie­hungsweise im Alpenraum beträgt dieser Temperaturanstieg bereits um die 2 Grad.

Ich habe vorhin von den 30-jährigen Dekaden gesprochen. Von 1961 bis 1990 gab es im Schnitt 1,6 Hitzetage pro Jahr und von 1991 bis 2020 4,5 Hitzetage; es gibt einen 3,5-fachen Anstieg der Hitzeperioden. Es gibt ein Niederschlags­defizit im Frühjahr und einen massiven Anstieg der Starkregenereignisse. Das drückt auf die Ertragslage vieler Betriebe. Diese Gesetzesänderung ist für mich ein etwas trauriger Vorbote dafür, dass wir umso mehr Gesetzesänderungen bezüglich Klimawandelanpassung brauchen werden, je weniger Klimagesetze wir hier beschließen – auch, aber nicht nur im Sozialbereich. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

18.14



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll189. Sitzung, 189. Sitzung des Nationalrats vom 14. Dezember 2022 / Seite 379

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Alois Stöger. – Bitte.


18.14.44

Abgeordneter Alois Stöger, diplômé (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundes­minister! Liebe Damen und Herren, die uns zuhören: Hört nicht zu, weil das, was ihr gleich hören werdet, euch eigentlich zerreißen wird, weil das ein Akt von Ungerechtigkeit ist, der hier im Parlament umgesetzt werden soll!

Es ist äußerst ungerecht, dass jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer einmal im Monat eine Hauptfeststellung hat (Abg. Zopf: Einmal im Monat?), wie hoch sein oder ihr Beitrag zur Sozialversicherung ist. Wenn man um einen Euro mehr oder weniger verdient, eine Überstunde mehr oder weniger macht, dann ändert sich bei jeder Arbeitnehmerin und bei jedem Arbeitnehmer die Haupt­feststellung – das heißt anders: der Lohn –, und dann wird von diesem Betrag die Sozialversicherung berechnet. (Zwischenruf des Abg. Stammler.)

Ich bin ja schon länger in der Politik, und ich kann mich noch erinnern: Es hat da einen Finanzminister gegeben, der hat Pröll geheißen, und da wollte man auch einmal so eine Hauptfeststellung machen, weil man das ja anpassen muss. Ihr wisst eh, Einheitswerte sind schöne Zahlen, die nirgends mit den Verkehrs­wer­ten zusammenpassen. (Abg. Sieber: ... der Ertragswert?) Das kennen wir, das ist das, wo ganz irrwitzige Beträge herauskommen, die mit der Realität wenig zu tun haben, und aufgrund dieser niedrigen Beträge werden bei den Bauern die Sozialversicherungsbeiträge bezahlt.

Was man da jetzt wieder macht, ist eigentlich nur schamlos. (Abg. Sieber: Was?) Das ist schamlos, was man da tut; ich sage es noch einmal: schamlos im Verhält­nis zu allen anderen Gruppen. Man kann es im Internet nachlesen, in Wikipedia steht drin: Diese Anpassung der Einheitswerte hat man über Jahre verschoben; mittlerweile hat man so und so nur mehr vor, dass man sie alle neun Jahre macht. Der Arbeitnehmer hat sie in jedem Monat – und diese Ungerechtigkeit machen wir nicht mit.


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Apropos: Wozu führt das? – Das führt dazu, dass zum Beispiel die Eigen­deckungsrate in der Landwirtschaft bei den Pensionen nur bei 85 Prozent liegt. (Abg. Höfinger: Das ist ja ein völliger Schwachsinn! – Zwischenruf des Abg. Sieber.) Nur: Das liegt auch daran (Abg. Höfinger: Fachlich so falsch, das ist ... ehe­maliger Sozialminister ...!), und ich will es ganz deutlich sagen: Da wird massive Umverteilungspolitik, Klientelpolitik gemacht. – Das geht gar nicht.

Zu den Pensionisten: Ich meine, mich wundert es ja schon, dass ihr vergessen habt, auf die Behinderteneinrichtungen hinzuweisen, ebenso auf die Kriegsopfer und auf die Menschen, die Versorgungsleistungen benötigen. Deren Pensionen habt ihr nicht gleich angehoben – die Anhebung war sehr gering, und da hat man auf diese Gruppe vergessen. Das muss man heute auch wieder dazusagen: Das passt nicht. (Zwischenruf des Abg. Haubner.)

Ich glaube, dass es vor dem Hintergrund der Teuerung besser gewesen wäre, ihr hättet den Pensionistinnen und Pensionisten mehr gegeben, die hätten es drin­gender gebraucht. – Recht herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

18.18


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Bettina Zopf. – Bitte.


18.18.14

Abgeordnete Bettina Zopf (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher auf der Galerie und zu Hause! Die Garten-Trophy ist eine Veranstaltung, an der ich als Bezirksbäuerin habe teilnehmen dürfen. Die Ehegatten Luise und Hubert Ebner sind in Obertraun, haben ein kleines, entzückendes Haus mit einem super Garten. Sie bewirtschaften den so, dass es wirklich traumhaft ist. Sie sind dafür ausgezeichnet worden, für ein Lebenswerk. Sie haben zu mir gesagt: Bettina, pass gut auf unser Landl auf! – Ich sage es euch: Ich werde mich bemühen. Als Bezirksbäuerin weiß ich, wie viel unsere Bäuerinnen und Bauern draußen leisten. (Beifall bei der ÖVP.)


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Diese Leute, die keine Arbeitszeitbeschränkung haben, die jeden Samstag und Sonntag aufstehen, in der Früh in den Stall gehen, am Abend in den Stall gehen, die für uns wertvolle, hochwertige Lebensmittel produzieren, sind uns jeden Cent wert – und dafür werde ich mich auch einsetzen, solange ich hier in diesem Hohen Haus bin. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Herr Kollege Loacker, ich habe ja schon angekündigt, dass wir einmal hinaus sollten. Ich würde Sie und natürlich auch Herrn Kollegen Stöger gerne dazu einladen (Abg. Hörl: Das nutzt nix!): Fahrt einmal auf einen landwirtschaftlichen Betrieb mit und tut einmal wirklich hackeln und nicht nur daherreden! (Beifall bei der ÖVP. – Rufe bei der SPÖ: Geh bitte! – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Sich hierherzustellen und zu reden, das ist leicht, aber draußen zu arbeiten, das schaut anders aus. (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich weiß es, weil ich 365 Tage im Jahr dafür Sorge trage (Abg. Stöger: Hackel mal! ...!), dass meine Tiere etwas zu fressen haben. (Zwischenruf des Abg. Keck. – Abg. Stöger: Machen wir eh, machen wir!) Und, Herr Kollege Stöger, ich sage es Ihnen gleich: Sie waren Sozialminister. Was reden Sie hier heraußen? (Zwischenruf des Abg. Stöger. – Ruf bei der SPÖ: Themenverfehlung!) Haben Sie überhaupt eine Ahnung, worum es da geht? Das glaube ich nicht! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Den Grund und Boden, den man bekommt – das ist genauso wie bei einem Wirtschaftsbetrieb, den ich übernehme (Abg. Zanger: Die, die wirklich gehackelt haben, die habt ihr eh schon alle umgebracht!) –, kann man nicht essen. Das muss man zuerst bewirtschaften und daraus erst etwas erwirtschaften (Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ), damit man überhaupt ein Einkommen hat, meine sehr geehr­ten Damen und Herren! Man kann ja nicht essen, nur weil man Grund und Boden hat. Von dem hat man ja außer Arbeit nichts. (Anhaltende Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich kann nur darauf hinweisen, dass es, wenn wir unsere Bäuerinnen und Bauern immer nur schlechtreden (Ruf bei der


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SPÖ: Das macht ihr! – Abg. Schroll: Wer redet denn schlecht ...?!), für uns als Bevölkerung existenziell bedrohend ist. Jeden Cent, den wir in die Bäuerinnen und Bauern investieren, investieren wir eigentlich in uns Konsumenten, weil wir uns dadurch auch die Lebensmittel leisten können. Das ist eine indirekte Konsumentenförderung und nicht eine Bauernförderung. (Beifall bei der ÖVP. – Ruf bei der SPÖ: Themenverfehlung! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Zum Abschluss – die bayerische Landwirtschaftsministerin (Zwischenruf des Abg. Schroll), Michaela Kaniber, eine Vertreterin der Landwirtschaft mit Leib und Seele, hat es auf den Punkt gebracht –: Landwirtschaft ist ein Geschenk des Himmels, aber hier auf Erden ist es tagtäglich harte Arbeit. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Stöger: Danke! – Ruf bei der SPÖ: Themenverfehlung! – Weitere Zwi­schenrufe bei der SPÖ.)

18.21


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Ist seitens der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Ich frage nun, ob wir gleich zu den Abstimmungen kommen können. – Danke, dann gehe ich auch so vor.

18.22.24Abstimmung über die Tagesordnungspunkte 9 bis 21


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen nun zur Abstimmung über Tagesord­nungspunkt 9: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Nacht­schwerarbeitsgesetz und Art. V des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 473/1992 geändert werden, in 1821 der Beilagen.

Hiezu liegt ein Verlangen auf getrennte Abstimmung des Abgeordneten Josef Muchitsch vor.


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Ich werde daher zunächst über die vom erwähnten Verlangen auf getrennte Abstimmung betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Wir kommen zur getrennten Abstimmung über Artikel 1 und Art. 2 Z 1 und 2 in der Fassung des Ausschussberichtes.

Wer sich dafür ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes.

Wer stimmt dem zu? – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung mit Mehrheit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 10: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundespflegegeldgesetz geändert wird, in 1824 der Beilagen.

Hierzu haben die Abgeordneten Elisabeth Scheucher-Pichler, Bedrana Ribo, Kolleginnen und Kollegen einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde daher zunächst über die vom erwähnten Zusatzantrag betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Abgeordnete Scheucher-Pichler, Ribo, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag betreffend die Ziffern 3 bis 6 eingebracht.


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Wer sich dafür ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen. – Das mit Mehrheit angenommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes.

Wer spricht sich dafür aus? – Auch das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Pflegeprämie muss auch in Kärnten und allen anderen Bundesländern 2.000 Euro netto betragen!“

Wer ist für diesen Entschließungsantrag? – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Fiona Fiedler, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Kostenanalyse Pflege“.

Wer spricht sich für diesen Entschließungsantrag aus? – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Anerkennung für die Leistung der Gesundheitsberufe durch Auszahlung eines beitrags- und steuer­freien Entgeltbonus zum Ausdruck bringen“.

Wer ist für diesen Entschließungsantrag? – Das hat keine Mehrheit gefunden, abgelehnt.

Abstimmung über Tagesordnungspunkt 11: Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 1830 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.


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Wer ist für diese Kenntnisnahme? – Der Bericht ist mit Mehrheit zur Kenntnis genommen.

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 12, die dem Aus­schuss­bericht 1831 der Beilagen angeschlossene Entschließung betreffend „Auto­matische Fotoimplementierung bei Beantragung eines Behindertenpass aus nationalen Datenbanken“.

Hiezu haben die Abgeordneten Fiona Fiedler, Kolleginnen und Kollegen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde daher zunächst über den erwähnten Abänderungsantrag und im Falle seiner Ablehnung über die dem Ausschussbericht 1831 der Beilagen ange­schlossene Entschließung abstimmen lassen.

Wer sich für den Abänderungsantrag der Frau Abgeordneten Fiona Fiedler ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen. (284/E)

Damit kommen wir zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 13: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsmarktservicegesetz geändert wird, samt Titel und Eingang in 1819 der Beilagen.

Wer sich für diesen Gesetzentwurf ausspricht, den bitte ich um ein entsprechen­des Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung mit Mehrheit angenommen.

Abstimmung über Tagesordnungspunkt 14: Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 1820 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer ist für diese Kenntnisnahme? – Der Bericht ist mit Mehrheit zur Kenntnis genommen.


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Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 15: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz geän­dert wird, samt Titel und Eingang in 1822 der Beilagen.

Wer sich für diesen Gesetzentwurf ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung mit Mehrheit angenommen.

Damit kommen wir zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 16: Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 1832 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer ist für diese Kenntnisnahme? – Der Bericht ist mit Mehrheit zur Kenntnis genommen.

Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Hannes Amesbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Zuwanderungsstopp – Maßnahmen zur Eindämmung der neuen Völkerwanderung“:

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Damit kommen wir nun zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 17: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kriegsopferversorgungsgesetz, das Opferfürsorgegesetz, das Impfschadengesetz sowie weitere Gesetze geändert werden, samt Titel und Eingang in 1825 der Beilagen.

Wer spricht sich dafür aus? – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung mit Mehrheit angenommen.


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Damit kommen wir zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 18: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bauern-Sozialversicherungsgesetz geändert wird, samt Titel und Eingang in 1826 der Beilagen.

Wer ist für diesen Gesetzentwurf? – Das ist die Mehrheit.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung angenommen.

Abstimmung über Tagesordnungspunkt 19: Entwurf betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird, samt Titel und Eingang in 1827 der Beilagen.

Wer spricht sich dafür aus? – Das ist mit Mehrheit so angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 20: Antrag des Aus­schusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 1828 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer sich für diese Kenntnisnahme ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen. – Der Bericht ist mit Mehrheit zur Kenntnis genommen.

Damit kommen wir zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 21: Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 1829 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer für diese Kenntnisnahme ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Der Bericht ist mit Mehrheit so zur Kenntnis genommen.


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18.30.4322. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 2960/A der Abgeord­neten Dr. Josef Smolle, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Einrichtung eines Covid-19-Lagers und über die Verfügung über Bundesvermögen bei Abgabe aus diesem Lager geändert wird (1885 d.B.)

23. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 3020/A der Abgeord­neten Dr. Josef Smolle, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungs­gesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialver­sicherungsgesetz, das Allgemeine Pensionsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das COVID-19-Zweckzuschussgesetz, das Bun­desgesetz, mit dem zur Abdeckung des Bedarfes zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie Ermächtigungen zur Verfügung über Bundesvermögen erteilt werden, das Gehaltsgesetz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948 und das Gesundheitstelematikgesetz 2012 geändert werden (1886 d.B.)

24. Punkt

Bericht und Antrag des Gesundheitsausschusses über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz geändert wird (1887 d.B.)

25. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 2961/A der Abgeord­neten Dr. Josef Smolle, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (1890 d.B.)



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Präsidentin Doris Bures: Damit fahren wir in der Tagesordnung fort und kom­men zu den Punkten 22 bis 25, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Herr Abgeordneter Dietmar Keck, Sie gelangen zu Wort. – Bitte.


18.32.12

Abgeordneter Dietmar Keck (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! In Tagesordnungspunkt 22 geht es um ein Bundesgesetz über die Einrichtung eines Covid-19-Lagers. Das COVID-19-Lagergesetz wird bis 30.6.2023 ver­längert und die Kostentragung über den Covid-19-Krisenbewältigungsfonds wird auch für das Jahr 2023 festgelegt. Das sind grundsätzlich sinnvolle Maß­nahmen mit all den anderen Sachen, die in der Gesetzesänderung stehen, daher werden wir dieser zustimmen.

Tagesordnungspunkt 23 beinhaltet zum Beispiel die Verlängerung von Covid-19-Regelungen bis 30.6.2023 und auch die Freistellung aufgrund eines Covid-19-Risikoattests. Da wäre es sinnvoll gewesen, wenn wir endlich eine Dauerlösung hätten oder diese Maßnahmen ins Dauerrecht übernehmen würden, denn sie jedes halbe Jahr per Gesetzesbeschluss zu verlängern, das erachten wir nicht für sinnvoll. Sollte die Krise irgendwann einmal vorbei sein und sollte es Covid irgendwann nicht mehr geben, könnte man das Gesetz ja wieder ändern. Daher werden wir Tagesordnungspunkt 23 nicht zustimmen.

Tagesordnungspunkt 24 wird unsere Zustimmung auch erhalten, weil aufgrund des herrschenden Personalmangels dieser Antrag zu unterstützen ist.

In Tagesordnungspunkt 25 geht es um das E-Rezept, um die Erweiterung der Anwendung des E-Rezepts. Das ist ein Vorteil für die Patientin, für den Patienten, daher werden wir auch bei diesem Tagesordnungspunkt zustimmen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Schallmeiner.)

18.33



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Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Ralph Schallmeiner. – Bitte.


18.33.52

Abgeordneter Ralph Schallmeiner (Grüne): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren zu Hause beziehungsweise hier auf der Galerie! Was jetzt von meinem Vorredner ein bissel kurz schon angeführt wurde, umfasst dann doch etwas mehr, nämlich etwas mehr auch in der Praxis, weil es ja hierbei im Großen und Ganzen um aktuelle Regelungen zum Thema Covid-19 geht. Das eine betrifft eben die Frage der Lagerhaltung für die Covid-19-Impfungen beziehungs­weise -Medikamente, das andere betrifft die diversen gesundheitspolitischen Maßnahmen beziehungsweise auch die Frage der Mittel in der Verteilung in Bezug auf die Covid-19-Bekämpfung.

Es gibt ja momentan durchaus viele Hinweise darauf, dass uns die Pandemie im kommenden Jahr nicht mehr als Pandemie begleiten wird, sondern dass wir endgültig in die endemische Phase übergehen. Die WHO spricht heute auch davon, dass voraussichtlich 2023 dieser pandemische Zustand endlich ein Ende finden wird. Ich gehe persönlich in der Zwischenzeit auch davon aus – zumindest nach dem, was uns Wissenschafterinnen und Wissenschafter, Exper­tinnen und Experten weltweit momentan an Studien, an Daten, an Fakten liefern –, dass sich das Virus dahin gehend verändert hat, dass wir mit unserem Gesundheitssystem in Zukunft auch ganz gut mit diesem Virus auskommen können.

Nichtsdestotrotz ist es momentan noch gescheit, entsprechend Vorsicht walten zu lassen. Es gibt einfach zwei Zugänge: entweder alles kippen und über den Haufen werfen oder eben doch noch mit etwas Vorsicht in das kommende Jahr zu gehen. Wir wählen den vorsichtigen Weg. Wir sagen, schauen wir uns das Ganze noch einmal bis 30.6. an. Im besten Fall brauchen wir die wenigsten dieser Bestimmungen dann wirklich in der Praxis oder – noch besser – dann


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vielleicht gar keine mehr, aber bis 30.6. sollten wir zumindest vorbauen, denn vorbauen ist auf jeden Fall gescheiter, als dann nachzuweinen.

Welche Maßnahmen betrifft das im Konkreten? – Das eine ist eben die Frage der Freistellung auf Basis von Risikoattesten, das andere ist das Impfen im niedergelassenen Bereich, insbesondere was Covid anlangt, dann eben die Abgabe von Antigentests in den Apotheken, Testen von asymptomatischen Personen im niedergelassenen Bereich, wenn es sich dabei um Risikopatien­tin­nen und -patienten handelt. Dann haben wir noch die Abgabe von Covid-Medikamenten durch Apotheken, Zweckzuschüsse für Covid-Maßnahmen in den Ländern, die davon betroffen sind, und dann auch noch die zentrale Beschaffung von Covid-19-Medikamenten und -Heilmitteln.

Auch wichtig, Kollege Keck hat es auch angesprochen: Wir novellieren das GTelG, sprich das Gesundheitstelematikgesetz, und da nehmen wir im ASVG im E-Rezept auch noch die Privatrezepte auf. Aufpassen: Privatrezepte sind nichts, was ein Privatarzt oder eine Wahlärztin ausgestellt hat, sondern da geht es eben um nicht von der Sozialversicherung übernommene, aber verschrei­bungs­pflichtige Medikamente, die bis jetzt ganz klassisch ausschließlich über das Papierrezept abgewickelt werden mussten. Die werden durch diese Novellierung auch ins E-Rezept mitaufgenommen. Es ist einfach eine Erleichterung und eine Aufwertung des E-Rezepts.

Wir glauben, das ist in Summe ein guter Maßnahmenmix, der sich auf der einen Seite durch Vorsicht auszeichnet, aber andererseits eben auch sinnvolle neue Maßnahmen inkludiert.

Auf den Hinweis, Dinge ins Dauerrecht zu übernehmen, kann ich nur damit antworten, was heute in der Früh auch Kollege Bürstmayr gesagt hat: Ja, natürlich werden wir uns die Dinge anschauen (Zwischenruf des Abg. Einwallner), die sinnvoll sind, und dort, wo es sinnvoll ist, diese auch ins Dauerrecht über­nehmen. Jetzt aber verlängern wir einmal, jetzt schauen wir uns einmal die ganze Sache an und sehen zu, dass wir im nächsten Jahr aus der Pandemie, aus dem


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Pandemiemanagement herauskommen. Dann können wir in diesem Zusam­menhang evaluieren, können uns anschauen, was sinnvoll ist, was auch machbar ist, was uns auch insgesamt im Gesundheitswesen weiterbringt, und das können wir dann auch entsprechend verlängern.

Ich bitte um Zustimmung. – Danke. (Beifall bei Abgeordneten von Grünen und ÖVP.)

18.37


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Gerhard Kaniak. – Bitte.


18.37.51

Abgeordneter Mag. Gerhard Kaniak (FPÖ): Frau Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mit etwas Positivem anfangen, Herr Bundesminister. Die beiden Beschlüsse, das Gesund­heitstelematikgesetz dahin gehend zu verändern, dass die Apotheken auch in den nächsten sechs Monaten noch Zugriff auf die Elga-Verordnungen haben und daraus den Bedarf für die Patienten decken können – auch wenn das E-Rezept momentan nicht funktioniert oder da technische Probleme bestehen –, ist als positiv zu begrüßen. Auch die Übergangsregelungen, was die Suchtgiftrezepte anlangt, die im E-Rezept noch nicht abgebildet werden können, ist eine Not­wendigkeit.

Beides hat mit Corona an sich nichts zu tun. Warum das als Covid-abhängige Maßnahme verkauft wird, verstehe ich nicht. Es ist einfach faktisch so, dass die technische Abwicklung anders noch nicht funktioniert und dass diese Über­brückungslösungen tatsächlich für den Praxisalltag notwendig sind. Deshalb bin ich auch froh darüber, dass wir hier im Ausschuss Einstimmigkeit bei der Abstimmung gehabt haben, dass das in diesen Unterpunkten verlängert werden soll.


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Auch die Ausschussentschließung, dass die Apotheken eine E-Rezept-Notfall­karte bekommen sollen, und zwar für den Fall, dass ein Patient in Zukunft ohne seine E-Card in die Apotheke kommt und das E-Rezept sonst nicht ausgelesen werden könnte, halte ich für sehr sinnvoll, um nicht zu sagen für zwingend notwendig. Ich habe allein am Montag schon wieder mehrere Anrufe und Fälle von Kunden in der Apotheke gehabt, wo genau das das Problem war: dass ein Patient nicht weiß, ob auf seiner E-Card überhaupt schon eine Verordnung drauf ist oder nicht, und wenn die E-Card dann nicht da ist, kann die Apotheke keine Auskunft erteilen und kann auch nicht versorgen, wenn es nicht diese Not­fallkarte für Apotheken gibt.

In diesem Sinn möchte ich vielleicht noch anmerken, dass wir auch, was den Notfallparagrafen zur Arzneimittelversorgung anlangt, noch immer Rege­lungsbedarf haben, der ebenfalls im Sinne einer Notfallregelung, vielleicht auch parallel mit den erweiterten Zugriffsmöglichkeiten für das E-Rezept, mitgeregelt werden könnte.

Bei den anderen Gesetzen, die verlängert werden, sehe ich das deutlich kritischer, denn wir haben eben durch diese Verlängerung eine Prolongierung der Parallelmaßnahmen oder des Krisenmodus. Da sind zwar einige Maß­nahmen dabei, die wir in der Vergangenheit unterstützt haben, weil sie in einer akuten Pandemie durchaus sinnvoll sein können. Da wir aber mittlerweile mindestens zwei Coronawellen gehabt haben, die von selber gebrochen sind, und wir uns definitiv in einem endemischen Zustand befinden, wäre es höchste Zeit, dass wir das gesamte Gesundheitsmanagement das Coronavirus betreffend in das Regelsystem überführen und Corona wie jede andere Infektionskrankheit mit unserem System und den bestehenden Regularien abdecken.

Genau das passiert nicht, wir prolongieren diesen Ausnahmezustand, diesen Notstand im Endeffekt mit Sondergesetzen, Sonderregelungen und Sonder­kostenersatz. Dass das nicht gescheit ist, darüber haben wir heute schon einmal


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diskutiert, als es um das Thema des Pflegekräfte- und Ärztemangels im öffent­lichen Gesundheitssystem gegangen ist, wo die Parallelstrukturen, die zur Krisenbekämpfung geschaffen wurden, im Regelsystem dann auch zu massiven Defiziten und in Summe zu Mehrkosten geführt haben.

Das führt mich zur Verlängerung des COVID-19-Lagergesetzes, was aus meiner Sicht tatsächlich der größte Fehlgriff ist, der da passiert. Sie müssen sich Folgendes vorstellen, meine Damen und Herren: Der Bund kauft direkt Arznei­mittel ein, lagert diese und verteilt sie. So weit, so schlecht, weil wir eigentlich ein sehr gut funktionierendes Arzneimittelvertriebssystem in Öster­reich haben, eines der besten Europas, wage ich zu behaupten, das diese Aufgabe problemlos hätte bewältigen können, hätte man es nur lassen. Bezie­hungsweise wurde auf diese Strukturen ja auch in der Logistik zurück­gegriffen, aber nicht in der Beschaffung und in der Erstlagerung.

Jetzt haben wir im heurigen Jahr Covid-Arzneimittel und Covid-Impfstoffe um 650 Millionen Euro gekauft, vollkommen am Bedarf vorbei, beziehungsweise waren sie, als wir sie gebraucht hätten, noch nicht auslieferbar, obwohl sie schon in Österreich lagernd waren. Bei den monoklonalen Antikörperpräparaten haben wir jetzt das Problem, dass die bei den aktuell zirkulierenden Varianten nicht einmal mehr wirken. Das heißt, wir haben Zehntausende, wenn nicht Hundert­tausende Coronainfektionen gehabt, wo wir diese Medikamente frühzeitig an Risikogruppen hätten abgeben sollen, vor allem im vergangenen Frühling. Geschehen ist das aufgrund dieser Parallelstrukturen nicht rechtzeitig und in viel zu geringem Ausmaß. Und jetzt wird von der Bundesregierung beziehungsweise den Regierungsfraktionen ein Gesetz beschlossen, mit dem dieses Lagergesetz nicht nur um sechs Monate verlängert wird, sondern in das gleichzeitig eine Bestimmung mitaufgenommen wird, wonach diese ganzen überbevorrateten Bestände im Endeffekt verschenkt werden können: Präparate im Wert von 650 Millionen Euro! Ein Teil ist zur Anwendung gekommen, aber sicherlich deut­lich mehr als die Hälfte dieser Präparate sind noch auf Lager und werden jetzt nicht nur an staatliche Organisationen und Gesundheitseinrichtungen aktiv


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abgegeben, nein, sie dürfen quasi überallhin verschenkt werden, an NGOs und Sonstige. Hauptsache, weg damit.

Das zeigt, wie ineffizient diese Beschaffungsstruktur war. Das, was man geglaubt hat, sich mit einer zentralen Beschaffung über die EU zu sparen, verpul­vern wir in Österreich aufgrund einer völligen Misswirtschaft im Lagermana­gement wahrscheinlich doppelt und dreifach. Deshalb die vehemente Kritik von mir an dieser Verlängerung.

Sehr geehrter Herr Bundesminister, hätten wir das Ganze – bedarfsorientierte Bestellungen über den pharmazeutischen Großhandel und die Hersteller direkt mit Abrufkontingenten – gleich ins Regelsystem übergeführt, hätten wir diese Überbevorratung gar nicht gehabt. Das wäre uns unter dem Strich um ein Vielfaches billiger gekommen, und das Geld, sehr geehrter Herr Bundes­minister, bräuchten wir in anderen Bereichen ganz dringend.

Wir haben schon darüber gesprochen: Gerade auch auf der Ebene des Arznei­mittelvertriebs, bei den pharmazeutischen Großhändlern, aber auch bei den öffentlichen Apotheken bestünde zum Beispiel Bedarf, für notwendige Anti­bio­tika und andere systemrelevante und lebenswichtige Medikamente nationale Kontingente in den bestehenden Vertriebsstrukturen zu schaffen und das auch entsprechend zu honorieren. Im Bereich der Handelsspannen und des Kos­tenersatzes, in dem ja alles gesetzlich geregelt ist, trifft die Teuerung alle System­leister natürlich auch doppelt und dreifach hart: durch die gestiegenen Per­sonalkosten ab Jänner, die hohen Energiekosten, die hohen Treibstoffkosten in der Auslieferung. Auch da besteht dringender gesetzlicher Regelungsbedarf.

Die Sozialversicherung alleine wird das wahrscheinlich nicht schultern können. Da wäre eine Finanzunterstützung vonseiten des Bundes vielleicht auch hilfreich gewesen und da wäre ein guter Teil dieser 650 Millionen Euro für Präparate, die jetzt auf Halde liegen und vielleicht entsorgt oder verschenkt werden, besser investiert gewesen. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

18.44



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Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Michael Hammer. – Bitte.


18.44.33

Abgeordneter Mag. Michael Hammer (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ja, Kollege Kaniak hat jetzt die zwei Reden von Kollegen Schallmeiner und mir getrennt, ansonsten hätte ich es mir relativ einfach machen können. Kollege Schallmeiner hat im Wesentlichen alles aufgezählt, was wir mit diesen Regelungen beschließen, und darauf hingewiesen, welche Vorkehrungen wir treffen. Ich kann dem nur vollinhaltlich beipflichten.

Kollege Kaniak, du hast ja auch angesprochen, dass wir in einen endemischen Zustand übergehen. Ich glaube, das ist ja gerade das Professionelle, das die Bundesregierung macht, nämlich dass man nicht jetzt irgendwo noch großartige Maßnahmen für den öffentlichen Bereich trifft, aber im Hintergrund ent­sprechende Regelungen verlängert, um im Bedarfsfall diese Möglichkeiten auch entsprechend nutzen zu können. Das ist einfach eine wichtige Geschichte, und ich glaube, dagegen kann man eigentlich nichts haben, wenn man da vorsichtig bleibt und sich entsprechend vorbereitet.

Wir beschließen auch einige Regelungen im Bereich des GuKG und des Gesund­heitstelematikgesetzes; auch diese haben sich bewährt und sollten wir noch verlängern. Ich pflichte auch dem bei, was gesagt worden ist: Alles, was sich bewährt, kann man natürlich in ein Dauerrecht überführen, man muss sich nur anschauen, welche Notwendigkeiten dann bestehen, denn man sollte die Rechtsmaterie auch nicht künstlich überfrachten, indem man alles ins Dauer­recht überführt. Wenn es sich aber bewährt, kann man auch darüber diskutieren. (Beifall bei der ÖVP.)

18.46


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Fiona Fiedler. – Bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll189. Sitzung, 189. Sitzung des Nationalrats vom 14. Dezember 2022 / Seite 397

18.46.09

Abgeordnete Fiona Fiedler, BEd (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! (Die Begrüßung auch in Gebärdensprache ausführend:) Liebe gehörlose Menschen! Die Pandemie wird wieder verlängert und wieder sind dafür neue Gesetzes­anpas­sungen nötig – und das kostet uns wieder Millionen. Ich weiß nicht, ob es Ihnen bewusst ist, aber das bedeutet weiterhin Freistellung von Beamten, weiterhin Tests, weiterhin Zuschüsse für die Länder und damit weiterhin beispielsweise Teststraßen.

Jetzt kann man über die Pandemie und die bisherige Teststrategie sagen und denken, was man will, aber wir haben alleine bis zum Sommer knapp 4 Milliarden Euro für Tests ausgegeben. Wissen Sie, was man mit 4 Milliarden Euro alles machen kann? – Wahrscheinlich zwei Pflegereformen, bundesweite Pilotpro­jekte für persönliche Assistenz, Lohn statt Taschengeld umsetzen. Ich wäre da so kreativ, es gäbe die verschiedensten Möglichkeiten, ich sage es Ihnen! Aber weit gefehlt, es wird die Übergangsfrist für das Pflegepersonal noch einmal verlängert. Das betroffene Personal aus dem Ausland muss auch noch dankbar sein, dass es während der Anerkennungsverfahren weiterhin in einem schlechteren Job arbeiten darf, als es eigentlich könnte.

Man soll aber nicht undankbar sein, konzentrieren wir uns auf die positiven Aspekte! Die Pandemie hat uns das E-Rezept gebracht, und das ist gut so, weil sich die Menschen damit Wege ersparen und die Digitalisierung endlich voranschreitet. Dass wir diese Möglichkeit jetzt auch für Medikamente schaffen, die nicht von der Krankenkasse gezahlt werden, klingt wie eine Winzigkeit, aber es ersparen sich dadurch Tausende Frauen den Besuch beim Arzt, um sich beispielsweise ein neues Rezept für die Pille zu holen.

Für die Zukunft brauchen wir aber noch viel mehr Fortschritt. Wir brauchen Abstimmungen zwischen den Gesetzen und eben nichts mit Übergangsfristen und Querverweisen und verschiedenen Zuständigkeiten. Es wird aber genau in


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diesem Bereich Zeit, die Pandemie endlich zu beenden und langfristig abge­stimmte Gesetze zu machen. Hören wir bitte mit dem Fleckerlteppich auf und arbeiten wir gemeinsam an der Verbesserung unseres Gesundheitssystems! – (Den Dank auch in Gebärdensprache ausführend:) Danke. (Beifall bei den NEOS.)

18.48


Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich Herr Bundesminister Johannes Rauch zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Minister.


18.48.26

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren Abgeordnete! Ich bin ja nun wirklich nicht bekannt dafür, Coronamaßnahmen unnotwendi­gerweise zu verlängern oder zu verschärfen – ganz im Gegenteil. Das hat auch dazu geführt, dass die Impfpflicht abgeschafft worden ist, gegen Widerstände, die es gegeben hat, dass die verpflichtende Quarantäneregelung im Sommer abgeschafft worden ist, gegen massive Widerstände. Da bin ich heftig geprügelt worden, und viele haben gesagt, das wird in einer Katastrophe enden. Das hat auch dazu geführt, dass wir die Maskenpflicht im Herbst nicht wiedereingeführt haben, obwohl die Stimmen dagegen in großem Ausmaß vorhanden waren.

Das heißt, ich bin seit Längerem bestrebt, auch im internationalen Vergleich, den Übergang von der Pandemie in einen Regelzustand zustande zu bekommen. Was wir hier und heute machen, ist schlicht und einfach eine Vorsichtsmaßnahme, um im ersten Halbjahr, über den Winter noch die Möglichkeit zu haben, zu reagie­ren.

Wir haben im Übrigen mit dem heutigen Tag – oder passiert das erst mit dem morgigen?; ich weiß es nicht mehr genau – eine weitere Beschränkung abgeschafft, nämlich die 3G-Regelung in Alten- und Pflegeheimen und in Krankenhäusern – ein weiterer Schritt in Richtung Normalität.


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Es ist mit den Gesundheitslandesräten gestern vereinbart worden, in der ersten Sitzung, die im Jänner mit ihnen stattfinden wird, die Gestaltung des Überganges von der Pandemie in einen Normalzustand als Haupttagesordnungspunkt zu haben. Das hat eine ganze Reihe von Implikationen auch auf der rechtlichen Ebene, für die wir die Voraussetzungen schaffen müssen. Wir arbeiten beglei­tend dazu an einem Pandemieplan, das hat der Rechnungshof eingemahnt, das hat es in diesem Land nicht gegeben – wir arbeiten daran. Wir beginnen nächstes Jahr mit den Arbeiten für ein neues Epidemiegesetz, nämlich um die Voraussetzungen zu schaffen, für eine nächste Pandemie allenfalls ein Epidemiegesetz zu haben, das den Anforderungen auch gerecht wird.

Das heißt, insgesamt ist es das Bestreben, ehestmöglich den Übergang von der Pandemie in den Normalzustand zu gestalten. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

18.50


Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Frau Abgeordnete Martina Diesner-Wais zu Wort. – Bitte.


18.50.43

Abgeordnete Martina Diesner-Wais (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren im Nationalrat! Liebe Zuseher! Der Herr Minister hat es schon angesprochen, wir sind auf dem Weg, von der Pandemie wieder in den Normalzustand zu gelangen. Gewisse Vorsichts­maßnah­men über den Winter sind gut, deshalb verlängern wir einige Maßnah­men bis zum 30. Juni 2023, wie zum Beispiel die Gratis-Covid-Impfungen im niedergelas­senen Bereich: Die müssen ja nicht in Anspruch genommen werden, aber wenn sie gebraucht werden, ist es gut, dass sie noch gibt, genauso wie die Gratis­wohnzimmertests.

Wenn wir den Pflegebereich hernehmen: Da haben wir ja schon vor Covid eine Personalknappheit gehabt, das hat sich natürlich noch verstärkt. Wenn da eine Ausnahmebestimmung ermöglicht, dass Menschen, die in der Basisversorgung


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tätig sind, die Ausbildung noch nicht ganz abgeschlossen haben müssen, und wir diese Bestimmung verlängern, dann ist das, glaube ich, für das Gesamtsystem etwas Sinnvolles.

Wenn wir betreffend Gesundheitstelematikgesetz, das auch schon ange­sprochen worden ist, eine Verlängerung beschließen, wodurch man das E-Rezept für das nächste halbe Jahr weiterhin mit der Sozialversicherungsnummer in Apotheken abholen kann, ist das besonders wichtig für die Menschen, die in Pflegeheimen sind oder die zu Hause durch mobile Pflege gepflegt werden. Sie profitieren davon, und natürlich auch die Apotheken, die sich ein Lesegerät angeschafft haben, das aber noch nicht ausgeliefert wurde. Ich denke, das sind gute Maßnah­men.

Ich möchte aber auch noch zum Antrag 2961 sprechen, in dem es darum geht, dass das E-Rezept, das ja von allen positiv erwähnt wurde, nun weiterentwickelt wird. Jetzt können auch nicht erstattungsfähige Produkte oder Medikamente wie Hustensäfte oder andere Dinge über das E-Rezept verordnet werden, und dies wird auch für Wahlärzte und -ärztinnen ermöglicht.

Das sind gute Maßnahmen, die den Patienten Erleichterungen bringen. Ich bitte daher in diesem Sinne um Zustimmung für diese Gesetzesvorlagen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

18.53


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Christian Drobits. – Bitte.


18.53.21

Abgeordneter Mag. Christian Drobits (SPÖ): Geschätzte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Es ist von meinen Vorredner:innen schon viel gesagt worden. Jetzt könnte ich Wiederholungen machen, ich möchte aber auf die Aussage des Herrn Bundesministers – die Covid-Pandemie ist gekommen, um zu bleiben – eingehen.


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Es ist jetzt ein Status erreicht, in dem man schon auf einen Normalbetrieb zurückgehen sollte, es gibt diesbezüglich Gespräche mit den Bundesländern. Ich denke aber, dass man trotzdem die Vorsichtsmaßnahmen, die jetzt in diesen Gesetzesstellen vorgesehen sind, weiterhin walten lassen sollte. Deshalb wird meine Fraktion bei den Punkten 22, 24, 25 auch zustimmen.

Ich sehe das Covid-19-Lagergesetz durchaus auch positiv. Wir brauchen eine Rechtsgrundlage für die Bewirtschaftung des Bundeslagers, die über das Jahr 2022 hinausgeht. Die Verlängerung bis Sommer 2023 ist sinnvoll, dann muss man weiterschauen, wie es ist. Es gehört natürlich eine Planungs­sicherheit her, da man nicht weiß, wie die Pandemie verläuft, aber, Herr Bundes­minister, irgendwann einmal ist es notwendig, dass man Dauerrecht schafft, um sinnvolle und notwendige Regelungen auf Dauer abzusichern.

Wichtig ist im Covid-19-Lagergesetz auch, dass die unentgeltliche Weitergabe oder Abgabe von Gütern infolge des Ablaufs der Zeit an Einrichtungen wie Krankenanstalten und Pflegeeinrichtungen möglich ist. Ich denke, das ist ein Punkt, bei dem die Verlängerung jedenfalls gerechtfertigt ist. Ich bin auch der Meinung, dass der Bundesvorrat von Schutzausrüstungen und medizinischen Produkten durchaus gewährleistet werden soll.

Zu einem zweiten Punkt möchte ich Stellung nehmen, nämlich zum GuKG und der Möglichkeit, dass aufgrund der knappen Personalsituation im Bereich der Basisversorgung Pflegepersonal auch ohne entsprechende Ausbildung Basis­maßnahmen durchführen darf. Ich verweise darauf – wir haben es heute schon beschlossen –, dass die Zeitguthaben aufgrund der Nachtdienste kommen müssen, denn das ist eine Schutzmaßnahme.

Ich glaube auch, da die Personalknappheit sehr groß ist – ich habe jetzt ver­nommen, dass in Oberösterreich in Pflegeeinrichtungen Stockwerke geschlossen werden müssen, weil kein Personal da ist –, dass wir wirklich sehr wohl danach trachten sollten, dass die Schutzmaßnahmen auch in diesem Bereich vorliegen. Deshalb bin ich auch dafür, dass wegen Personalknappheit und als


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Schutzmaßnahme für alle anderen innerhalb einer gewissen Frist – und zwar ist das bis 30.6.2023 – die Möglichkeit besteht, auch ohne entsprechende Aus­bildungen tätig zu sein.

Ja, es ist gesagt worden: Wir brauchen Planungssicherheit. Ich würde bitten, dass wir das Dauerrecht für sinnvolle und notwendige Maßnahmen schaffen. Beim Punkt 23 können wir leider nicht zustimmen, weil wir da bereits in der Vergangenheit einige Punkte angekreidet haben. Wir werden die Ablehnung in diesem Punkt auch weiterhin beibehalten. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

18.56


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Gerald Hauser. – Bitte. (Abg. Leichtfried: Wo ist das Taferl?)


18.56.29

Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Minister! Hohes Haus! Geschätzte Zuhörer! Worüber sprechen wir? – Es gibt einen Antrag von ÖVP und Grünen über die Einrichtung eines Covid-19-Lagers. Gegen unsere Stimmen, gegen die Stimmen der Freiheitlichen Partei wird dieses Gesetz beschlossen.

Das Gesetz sieht unter anderem bereits im § 3 Abs. 2 Folgendes vor, ich zitiere: „Eine unentgeltliche Abgabe von nicht mehr benötigten Gütern aus dem Covid-19-Lager ist auch an andere Einrichtungen möglich [...]“. – Das heißt, es wird die Einrichtung eines Lagers beschlossen, gleichzeitig sagt man: Das, was man nicht mehr braucht, das, was man zu viel hat, verschenkt man gleich.

So, ein kleiner Schwenk zu den Covid-19-Impfungen, das betrifft ja auch die Covid-19-Impfungen: Herr Minister, wir haben derzeit 20 Millionen Dosen Impfstoff auf Lager, 27 Millionen Dosen Impfstoff haben wir bereits verschenkt, und trotzdem, obwohl wir noch 20 Millionen Dosen Impfstoff auf Lager haben, sind 300 Millionen Euro im Budget für das Jahr 2023 für die weitere


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Beschaffung von Covid-19-Impfstoff reserviert. Herr Minister, wieso passiert so etwas? Das wollten wir wissen. Das ist ja eigentlich unlogisch, wenn man noch genug Impfstoff hat, weiteren Impfstoff im Wert von 300 Millionen Euro anzu­schaffen, um dann den Impfstoff, den man nicht braucht, weiterzuschenken – mit dem Gesetz, das heute beschlossen wird. Es geht da um extrem viel Geld, Geld, das wir dringend – dringend, bitte! – für soziale Einrichtungen benötigen.

Gestern hatten wir hier eine Debatte darüber, dass sozioökonomisch benach­teiligte Kinder nicht an Sportveranstaltungen teilnehmen können, weil die Eltern das Geld aufgrund der explodierenden Preise nicht mehr haben. Da geht es um wirklich wenig Geld in Relation zu diesen Beschaffungsvorgängen. Herr Minister, wir als Freiheitliche Partei haben Anträge gestellt, wir brauchen einen Kassasturz und Transparenz bei der Covid-19-Imfpstoffbeschaffung.

Ich zitiere aus unserem Entschließungsantrag, Kollege Kaniak und Freunde haben diesen Entschließungsantrag gestellt. Worum geht es da? – „Die österreichische Bundesregierung, insbesondere der zuständige Bundesminister [...] wird aufgefordert, sich [...] bei der Europäischen Kommission dafür einzusetzen, dass alle einschlägigen Vertragsinhalte über die Covid-19-Impfstoffbeschaffung inklusive der bereits geleisteten und noch zu leistenden Zahlungen an die Hersteller gegenüber den nationalen Parlamenten und der Öffentlichkeit umgehend offengelegt werden.“

Das heißt, wir wollen maximale Transparenz, denn Sie, Herr Minister, haben uns auch bestätigt, dass Österreich fixe Abnahmeverpflichtungen betreffend Covid-19-Impfstoff gegenüber der Europäischen Union abgeschlossen hat. Jetzt brauchen wir im Jahr 2023 diese 300 Millionen Euro, um diesen Covid-Impfstoff zu beziehen, obwohl wir noch 20 Millionen Impfdosen auf Lager haben. Herr Minister, es gibt da keine Transparenz, und Sie sind nicht bereit, Licht ins Dunkel zu bringen. Das Gegenteil ist der Fall: Dieser Antrag von uns wurde in den Ausschüssen vertagt. (Präsident Hofer übernimmt den Vorsitz.)


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Jetzt kommt meine entscheidende Frage, Herr Minister: Wieso sind Sie gegen Transparenz? – Ich sage Ihnen die Antwort (der Redner stellt eine Tafel mit der Überschrift „EU-Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Von der Leyen“ auf das Redner:innenpult): weil die Europäische Staatsanwaltschaft gegen die Kommis­sionspräsidentin Von der Leyen ermittelt. Wieso? – Laut Medienberichten hat Von der Leyen 1,8 Milliarden Impfstoffdosen um circa 35 Milliarden Euro eigenhändig und selbstständig bei Pfizer geordert. Dieses Geschäft, über das wir und auch das Europäische Parlament im Dunkeln gelassen werden, ist wie zustande gekommen? – Aufgrund eines persönlichen Kontaktes zwischen Von der Leyen und dem Pfizer-Chef Albert Bourla – das war entscheidend dafür.

Es hat eine Korrespondenz, eine SMS- und Whatsapp-Korrespondenz gegeben. Diese privaten Textnachrichten zwischen Von der Leyen und dem Pfizer-Chef sind scheinbar nicht mehr auffindbar, und der Pfizer-Chef weigert sich, vor dem Covid-Ausschuss des Europäischen Parlamentes auszusagen.

Herr Minister, es ist ja ungeheuerlich – ungeheuerlich! –, dass eine Person, auch wenn es die Kommissionspräsidentin ist, um 35 Milliarden Euro persönlich Impfstoffe bei Pfizer ordert und sich Österreich gegenüber der Europäischen Union verpflichtet hat, diese Impfstoffe zu beziehen, obwohl wir noch 20 Millionen Impfstoffdosen auf Lager haben. Da findet Geldvernichtung auf höchstem Niveau auf Kosten der österreichischen Steuerzahler statt: Geld wird mit beiden Händen aus dem Fenster hinausgeschmissen, und für erforderliche, notwendige Sachen und Unterstützungen haben wir deswegen kein Geld. – Für mich ist das ein wahrer Skandal! (Beifall bei der FPÖ.)

19.02


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wird seitens der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.


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Wie vereinbart verlege ich die Abstimmungen an den Schluss der Verhandlungen über die Vorlagen des Gesundheitsausschusses und fahre in der Erledigung der Tagesordnung fort.

19.02.2426. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 2962/A der Abgeord­neten Dr. Josef Smolle, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Zahnärztegesetz und das Zahn­ärztekammergesetz geändert werden (Fachzahnarzt-Kieferorthopädie-Gesetz – FZA-KFO-G) (1888 d.B.)

27. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 3014/A der Abge­ord­neten Dr. Josef Smolle, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ärztegesetz 1998 geändert wird (1889 d.B.)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen nun zu den Punkten 26 und 27 der Tagesordnung, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt Rudolf Silvan. – Bitte, Herr Abgeordneter.


19.03.03

Abgeordneter Rudolf Silvan (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Das Fachzahnarzt-Kieferorthopädie-Gesetz ist jetzt endlich in ein Gesetz gegossen worden. Das unterstützen wir natürlich, aber was wir nicht unterstützen, ist dieser Abänderungsantrag bezie­hungsweise das Ärztegesetz.

Dazu ist Folgendes zu sagen: Wir haben einige Stunden vor der Ausschuss­sitzung einen 39 Seiten langen Abänderungsantrag bekommen, und – aufgrund


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eines VfGH-Urteils – ein solch wichtiges Gesetz ohne Begutachtung durch den Ausschuss durchzupeitschen – in dem Zustand, in dem sich das Gesundheits­system jetzt befindet – halte ich für mehr als fahrlässig, Herr Bundesminister. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Kaniak.)

Und weil wir gerade beim Thema sind: Transparency International bestätigt für das österreichische Gesundheitssystem eine fortschreitende Privatisierung. Der Prikraf – der Privatkrankenanstalten-Finanzierungsfonds, ein sperriges Wort – ist immer noch nicht transparent. Er wird gespeist aus Sozialversicherungs­bei­trä­gen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern.

Vom Landesrechnungshof Salzburg ist jetzt Folgendes neu aufgetaucht, das betrifft die Spitäler Zell am See und Mittersill: Da werden Patienten auf Kosten der öffentlichen Hand in die Privatklinik Ritzensee gebracht und dort operiert, um dieses Privatspital zu finanzieren. Ich weiß nicht, ob Sie den Bericht des Salzburger Rechnungshofes kennen. Dieser schreibt darüber hinaus, dass auch festgestellt wurde, dass Ärzte, die während der Arbeitszeit dort operieren, ein Gehalt vom Spital erhalten und zusätzlich noch Honorarnoten schreiben – also doppelt verdienen.

Kollegin Kirchbaumer von der ÖVP – sie ist jetzt nicht im Saal – hat sich vorhin aufgeregt, weil wir immer die Regierungsparteien so kritisieren, aber solche Vorgangsweisen kann man nur kritisieren, und da werden wir nicht still sein. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

19.05


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Ralph Schallmeiner. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


19.05.16

Abgeordneter Ralph Schallmeiner (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren zu Hause vor den Bildschirmen und hier im Haus! Wir diskutieren hier


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eigentlich zwei Gesetzesbeschlüsse, die auch ein bisschen aufzeigen, wie kleinteilig das österreichische Gesundheitswesen ist, beziehungsweise die auch aufzeigen, welche Eigeninteressen da manche Player – Stakeholder, wie man auf Neudeutsch auch sagt – in diesem Gesundheitswesen haben.

Erstens wollen wir heute erneut den Facharzt für Kieferorthopädie beschließen – erneut, nicht, wie Kollege Silvan gerade gesagt hat, dass das endlich in ein Gesetz gegossen worden ist, sondern wir beschließen diese Regelung betreffend Facharzt für Kieferorthopädie heute erneut.

Warum erneut? – Wir erinnern uns: Zuerst haben wir uns hier im Haus mittels Entschließung einstimmig dazu verpflichtet, diesen Facharzt einzuführen. Dann haben wir im Gesundheitsausschuss einstimmig einen entsprechenden Entwurf aus dem Haus des Herrn Ministers beschlossen. Dann haben wir hier im Plenum des Nationalrates einstimmig einen entsprechenden Beschluss gefasst. Dann hat der Bundesrat den entsprechenden Beschluss noch einstimmig bestätigt – und was ist dann passiert? – Dann war es, drei Tage bevor die Ein­spruchsfrist der Bundesländer betreffend diese Gesetzesmaterie vorbei war, plötzlich so, dass drei Bundesländer einen Einspruch angemeldet haben – zwei davon sogar ohne jegliche Begründung. Das ist der Grund, warum wir das heute hier nochmals neu beschließen müssen. – Ich glaube, so ehrlich und so trans­parent sollten wir schon auch sein und sagen, warum wir das eben heute hier machen.

Dabei ist es nicht um das Inhaltliche gegangen, sondern da ist es einzig und allein darum gegangen, dass ein Bundesland offensichtlich momentan eine Auseinan­dersetzung mit der Ärztekammer hat – aber auf die Ärztekammer komme ich dann eh noch gesondert zu sprechen.

Aber es ist gut: Wir werden das heute hoffentlich wieder einstimmig beschließen, und ich gehe davon aus, dass dieses Mal dann auch alle Bundesländer mit an Bord sind und wir eben endlich auch hier in der Frage dieses Facharztes in


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Europa ankommen, weil fast alle anderen europäischen Länder diese Facharzt­ausbildung bereits haben, nur Österreich hat sie bis dato noch nicht.

Der zweite Beschluss betrifft das Ärztegesetz. Kollege Silvan hat es vorhin richtigerweise gesagt: Der entsprechende Abänderungsantrag ist etwas mehr als 24 Stunden vor der Sitzung des Gesundheitsausschusses übermittelt worden. Der Abänderungsantrag hat in etwa 40 Seiten – das sind 26 Seiten Erläu­terungen und 14 Seiten Gesetzestext, Gesetzesmaterie. Ich habe natürlich ver­standen, dass man dem im Ausschuss selber so nicht zustimmen wollte.

Warum ist das Ganze so umfangreich? – Na ja, weil eben diese Novellierung sehr kleinteilig und sehr detailliert ist, weil es da darum geht, wie in Zukunft die Ausbildungsstätten und die Ausbildungsordnung in den einzelnen Bundes­län­dern wieder möglichst einheitlich organisiert werden, denn wenn wir das nicht so detailliert gemacht hätten, wäre es passiert, dass ab 1. Jänner die Ausbildung im Extremfall in neun verschiedenen Bundesländern in neunmal verschiedener Art und Weise umgesetzt worden wäre. Ich glaube, das ist nicht unbedingt die gescheiteste Variante. Wir sehen momentan beispielsweise ja auch an Deutsch­land, was übertriebener Föderalismus im Gesundheitswesen bewirken kann.

Zum anderen – so ehrlich müssen wir auch sein – war der Detailreichtum in dieser Novellierung auch deshalb notwendig, weil die Player, die da mitspielen, nicht unbedingt diejenigen sind, die – wie soll man sagen? – die entgegen­kommendsten im Gesundheitswesen sind. Das eine sind die Bundesländer, die sehr, sehr stark von Eigeninteressen getrieben sind, das andere ist die Ärzte­kammer, die ja auch in den letzten Tagen wieder mehrfach auf sich auf­merksam gemacht und gezeigt hat, dass ihre Eigeninteressen über allem anderen stehen. Also wer die Kampagne mitbekommen hat – eine Kampagne, die alle anderen Gesundheitsberufe desavouiert, angefangen von den Pflegekräften, Pflege­fach­kräften über die MTD-Berufe bis hin zu den Apothekerinnen und Apothekern –, der weiß auch, dass dort offensichtlich die Eigeninteressen so derart hoch stehen, dass es gescheit ist, wenn der Gesetzgeber da die Vorgaben dann auch sehr genau, sehr detailliert macht.


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In Summe: Ich verstehe nicht, warum man heute hier nicht zustimmen kann – wie schon gesagt, im Gesundheitsausschuss habe ich das noch irgendwie nachvollziehen können, aber warum man heute hier nicht zustimmen möchte oder zustimmen kann, verstehe ich nicht –, weil in der Sache dieses Gesetz genau das ist, was wir eigentlich alle miteinander haben wollen: Wir setzen gemeinsame, einheitliche Standards für die österreichische Medizinerinnen-, Medizinerausbildung, wir setzen Qualitätsstandards, und wir schauen auch, dass die Kompetenzen für die Medizinerinnen und Mediziner dementsprechend klar, detailliert im Gesetz ihren Niederschlag finden.

Also von daher verstehe ich nicht, warum ihr da nicht zustimmen wollt, bei allen anderen hoffe ich ja doch, dass sie mit an Bord sind und dass wir diese beiden Gesetze hier jetzt positiv behandeln werden. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

19.09


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Mag. Gerhard Kaniak. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


19.09.58

Abgeordneter Mag. Gerhard Kaniak (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Damen und Herren Zuhörer und Zuseher! Ich kann leider Gottes die Hoffnung des Abgeordneten Schallmeiner nicht erfüllen: Wir werden die Novelle des Ärztegesetzes nicht mittragen. Ich möchte aber mit dem Positiven anfangen: Wir haben bereits wie erwähnt drei einstimmige Beschlüsse hier im Hohen Haus gehabt, nämlich für das Fachzahnarzt-Kieferorthopädie-Gesetz. Wir werden dieses Gesetz heute hier hoffentlich dann zum vierten Mal einstimmig und damit die Schaffung dieses neuen Facharztes samt Quali­tätssicherung und Ausbildung final beschließen. Hoffentlich wird er dann auch tatsächlich in der Praxis umgesetzt.

Ja, im Gesundheitsbereich sind sehr viele, sehr detaillierte Regelungen notwendig. Das soll uns aber nicht davon abhalten, dass wir da auch weiter


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vorankommen und dass wir auch in gemeinsamer Absprache unter den Fraktionen im Gesundheitsausschuss da tatsächlich auch konstruktiv etwas weiterbringen.

Genau dasselbe hätte ich mir für die Novelle des Ärztegesetzes, in dem es ja schwerpunktmäßig um die Ärzteausbildung geht, gewünscht. Ich verstehe zwar die Zwänge, denen Sie, Herr Bundesminister, unterworfen waren, ich verstehe auch, dass Handlungsbedarf geherrscht hat, dass wir aber eine derartig umfang­reiche Änderung so kurzfristig bekommen haben und vor allem dass da keine Begutachtung stattgefunden hat, bleibt für uns ein Kritikpunkt, der nicht aus der Welt zu schaffen ist. Bei allen Bemühungen, da bestmöglich auch im Detail zu regeln, um einen Wildwuchs zwischen den verschiedenen Bundesländern zu verhindern, wird, befürchte ich, trotzdem genau das passieren.

Der Spielraum für die Bundesländer in der verschiedenen Auslegung, Inter­pretation ist aus unserer Sicht nach wie vor zu groß, sodass wir im Endeffekt anstatt einer bundesweit einheitlichen Regelung für die Ärzteausbildung hier einen Wildwuchs über neun verschiedene Bundesländer haben werden, was einfach für die Qualitätssicherung nicht dienlich ist, was auch für den Wechsel von Ärzten zwischen den Bundesländern nicht dienlich ist.

Es gäbe im Ausbildungsbereich so viele andere Dinge, bei denen auch noch Handlungsbedarf bestünde und die im Sinne einer größeren Lösung hätten mit angegangen werden können. Ich weiß schon, sehr viele Dinge und kleine Schritte führen auch irgendwann einmal zum Ziel, man hätte aber zum Beispiel den Ausbildungsschlüssel für Fachärzte auch gleich einmal anheben oder auch gleich mit festlegen können, dass wir dieses Ausbildungsdefizit, das es da gibt, dass wir nämlich überhaupt zu wenige Ärzte haben, die ausbilden können, beziehungsweise zu wenige Ausbildungsstellen haben, beheben. Zumindest in manchen Fachrichtungen wäre da ein Abgehen vom Eins-zu-eins-Schlüssel auf jeden Fall möglich gewesen.


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Es wäre auch möglich gewesen, dass man da vielleicht generell auch noch mitregelt, was wir auch im Bereich der Allgemeinmedizin ja schon diskutieren, nämlich eine Ausweitung der Lehrpraxis. All das sind Punkte, die ich mir noch gewünscht hätte, die aber leider Gottes noch fehlen. Deshalb fehlt auch unsere Zustimmung zu dieser Novelle. (Beifall bei der FPÖ.)

19.12


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Dr. Werner Saxinger. – Bitte schön, Herr Abgeordneter. (Ruf bei der FPÖ: Da können Sie ja gar nichts dagegen sagen!)


19.13.00

Abgeordneter Dr. Werner Saxinger, MSc (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren! Ich starte vorerst mit einer guten Nachricht für alle Perso­nen, die im Grenzbereich zu Deutschland wohnen – Oberösterreich, Salzburg, Tirol, Vorarlberg –: Es geht nämlich um eine grenzüberschreitende notärztliche Ver­sor­gung. Diese wird ab 1.1.2023 erleichtert und vereinfacht. Das gilt vor allem für Ärzte aus dem Ausland für organisierte Notarztdienste und für Not- und Bereitschaftsdienste. Das ist eine sinnvolle Sache zum Wohle der Bevölke­rung in den Grenzregionen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ein weiterer Punkt, den wir heute beschließen, bereitet mir persönlich weniger Freude, das ist nämlich die Bewilligung der Ausbildungsstellen. Dieses Bewilli­gungsverfahren liegt ab 1.1.2023 nun in den Händen der Länder und nicht mehr bei der Ärztekammer. Gestatten Sie mir, das kurz zu erläutern!

Wie war es bisher und wie kam es zu dieser Änderung? – Bisher gab es in der Ärztekammer eine sogenannte Ausbildungskommission. Ich selbst war viele Jahre Mitglied in dieser Kommission. Diese Kommission ist monatlich zusam­mengetreten und hat nach strengen Qualitätskriterien geprüft, ob eine gute


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Ausbildung in einer entsprechenden Abteilung vorhanden ist. Da hat man ver­schiedene Kriterien angeschaut: Sind genügend Fachärzte da, um eine Ausbildung zu garantieren und Jungärzte auszubilden? Gibt es genügend Patien­tinnen und Patienten, genügend Operationen, Behandlungen? Das war streng, sicher, hat funktioniert und eine Topausbildung garantiert.

Was hat sich nun geändert? – Der VfGH hat in einem Erkenntnis festgestellt, dass dieses Bewilligungsverfahren ohne Zustimmung der Länder nicht mehr zulässig ist. Es hätte jetzt die Zustimmung aller Bundesländer benötigt, dass dieses bewährte Verfahren weiterhin gültig wäre. Aber – welche Über­ra­schung! –: Vor allem Wien hat ein Veto eingelegt. Was hat das zur Folge? – Wie schon gesagt: Ab 1.1.2023 geht die Verantwortung für diese Bewilligung der ärztlichen Ausbildungsstellen nun auf die Bundesländer über.

Ich persönlich halte das für sehr problematisch, da bei den Behörden weder ausreichend fachliche noch personelle Expertise und Kompetenz vorhanden sind. Einige konstruktive Bundesländer, ich denke an Oberösterreich, überlegen schon und haben auch große Sorge, wie man die Expertise der Ärztekammer weiterhin nützen könnte. Es geht nämlich um nichts anderes als um eine Top­ausbildung, Topqualität für die ärztliche Ausbildung. Das ist sehr wichtig und muss unbedingt aufrechterhalten werden.

Zu dieser Ärztegesetznovelle, die wir beschließen, gibt es auch einige Begleit­regeln. Positiv zu erwähnen ist zum Beispiel, dass in Zukunft die Möglichkeit einer Ausbildung in Lehrpraxen und Lehrambulatorien gegeben ist. Das könnte auch mithelfen, eine Versorgung in sogenannten Mangelfächern etwas zu erleichtern. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

Was gibt es noch positiv Berichtenswertes zu dieser Ärztegesetznovelle? – Bei der Durchführung von Impfungen heben wir die Sonderfachbeschränkung auf. Das heißt, jeder zu einer selbstständigen Berufsausübung berechtigte Arzt darf jetzt impfen. Ein Kinderarzt darf jetzt zum Beispiel auch die Eltern impfen, wenn sie da sind, oder eine Gynäkologin, ein Gynäkologe kann auch den Partner einer


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Schwangeren impfen. Das heißt, da die ärztliche Empfehlung ja der relevanteste Einflussfaktor für die Inanspruchnahme von Impfungen ist, steigern wir durch diese Niederschwelligkeit die Durchimpfungsrate. Kurz gefasst: Jeder Arzt darf in Zukunft impfen.

Was ist noch erwähnenswert? – Den Facharzt für Kieferorthopädie hat Kollege Schallmeiner schon erwähnt. Wir nehmen einen neuen Anlauf: Wir haben das schon im Juni beschlossen, es ist allerdings am Einspruch mancher Bundesländer gescheitert. Es wurde etwas modifiziert, und wir hoffen nun auf ein Inkrafttreten ein Jahr später.

Mit der heute vorliegenden Ärztegesetznovelle gibt es also einige positive Weiterentwicklungen: Notarztdienstregelung für Grenzbereiche – ganz wichtig –; jeder zur Berufsausübung berechtigte Arzt darf impfen – ganz wichtig –; Anerkennung von Lehrpraxen und -ambulatorien für die Ausbildung – auch sehr wichtig – und der Facharzt für Kieferorthopädie. Sie sehen, wir tun etwas zum Gesundheitswohl der Bevölkerung. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

19.17


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Philip Kucher. – Bitte, Herr Abgeordneter.


19.17.15

Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich wollte in der Vorweihnachtszeit das Jahr bewusst etwas milder Revue passieren lassen. Die Rede des Kollegen Saxinger stellt mich jetzt vor die schwere Aufgabe, dass ich ihm doch ein bisschen widersprechen und die ÖVP-Landesgesundheitsreferentinnen und -refe­renten fast verteidigen und in Schutz nehmen muss. Ich glaube, dass die durchaus ganz nahe an den Menschen sind, dass die tagtäglich erleben, was im Gesundheitssystem funktioniert und was nicht funktioniert.


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Ich darf darum bitten – und das wäre das Ersuchen –, dass wir miteinander versuchen, die Versorgung der Bevölkerung zu verbessern. Wir sind in der paradoxen Situation, dass zahlreiche Spitzenpolitikerinnen und ‑politiker der ÖVP inzwischen sozialdemokratische Positionen übernehmen (Heiterkeit des Abg. Zarits), weil sie im eigenen ÖVP-Parlamentsklub kein Gehör finden. (Abg. Sieber: Welche Positionen wären denn das?) Wenn wir über die Weihnachtszeit in uns gehen und überlegen, wie man sie verbessern kann, würde das, glaube ich, auch der österreichischen Bevölkerung durchaus dienen.

Ich möchte nur an Johanna Mikl-Leitner erinnern, die in der Frage der Medizin­studienplätze ganz klar die Positionen der Sozialdemokratie übernommen hat und die in der eigenen Parlamentsfraktion der ÖVP kein Gehör findet. (Ruf bei der ÖVP: Die fasziniert dich, die Frau, die ...!) Landeshauptmann Drexler in der Steiermark hat zunehmend sozialdemokratische Positionen übernommen. Mit den Anträgen, die wir dann einbringen, scheitert er dann leider an der Blocka­depolitik von Teilen der ÖVP – von Teilen der ÖVP! (Abg. Sieber: Doskozil nimmt ÖVP-Positionen ein! Doskozil hast du vergessen!)

Das ist der zentrale Punkt, den ich schon ansprechen möchte. Ich glaube, über alle Parteigrenzen hinweg haben wir alle den Ernst der Lage erkannt, nämlich dass es so in Österreich nicht weitergehen kann. Wir haben heute auch mit Kollegen Hammer von den Grünen diskutiert. Es gibt nicht nur in der Ökologie sogenannte Kipppunkte, sondern wir stehen auch im Bereich der Gesundheits- und der Pflegeversorgung vor einer Situation, in der wir uns Zögern, Zaudern und Nichtstun einfach nicht leisten können. Sosehr es quer durch alle Parteien unterschiedliche Punkte und Zugänge gibt, ist das Einzige, was nicht funktioniert, einfach gar nichts zu tun. (Zwischenruf des Abg. Obernosterer.)

Es gibt Teile – ich sage es noch einmal: Teile – des ÖVP-Parlamentsklubs, die einfach sagen: Es muss alles so bleiben, wie es vor 40 Jahren war; es darf sich nichts einen Millimeter ändern und wir machen weiterhin alte Standespolitik! – So kommen wir in Österreich nicht weiter (Beifall bei der SPÖ – Zwischenrufe bei der ÖVP), weder im Bereich der Pflege noch im Bereich des Ärztemangels noch


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im Bereich der Zweiklassenmedizin noch im Bereich der Leistungsharmo­ni­sierung, sodass alle Menschen in Österreich wirklich die gleich gute Versorgung bekommen.

Es gibt sehr viele Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP in den Ländern, die sich wirklich erhoffen, dass wir in Österreich da weiterkommen. Es ist leider wirklich die Parlamentsfraktion der ÖVP, es sind Teile dieser Parlamentsfraktion, die da eine Stahlbetonmauer bilden und jegliche Erneuerung verhindern.

Und der letzte Punkt: zur Frage, wie wir miteinander umgehen, zwei Punkte: In der Akutsituation von Corona hat es zahlreiche Beschlüsse gegeben, die alle Parteien einstimmig hier in diesem Hohen Haus mitgetragen haben. Aber, Herr Bundesminister, ich bitte Sie – wir werden irgendwann aus diesem Krisenmodus herauskommen müssen –: Es kann doch nicht sein, dass eine 40-seitige Novelle des Ärztegesetzes dem Gesundheitsausschuss ohne Begutachtung hingehaut wird, und dann sagt man: 40 Seiten, beschließt sie oder nicht! Man sagt, wir brauchen keine Begutachtung – aber wir sind nicht ständig in einer Akutsitu­a­tion, Herr Bundesminister! Das ist etwas, was wir nicht ins neue Jahr mitnehmen sollten. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Hörl.)

Noch ein Punkt – Kollege Hörl, wir könnten durchaus auch miteinander disku­tieren und streiten (neuerlicher Zwischenruf des Abg. Hörl) –: Es gibt Hunderte Anträge – Hunderte Anträge! – im Gesundheitsausschuss, quer durch alle Oppositionsparteien, die nicht einmal diskutiert und behandelt werden, sondern die einfach nur vertagt werden. (Weiterer Zwischenruf des Abg. Hörl.) Wenn alles so Weltklasse wäre, Herr Kollege Hörl, wenn die Gesundheitsversorgung Weltklasse wäre und wir gar nichts ändern müssten, wie es die ÖVP glaubt, dann könnten wir diese Anträge weiterhin vertagen und in der Schublade liegen lassen. Aber auf der einen Seite zu sagen, es passiere eh alles, und auf der anderen Seite geht dann gar nichts weiter und es wird alles vertagt, was die Opposition einbringt, das kann nicht funktionieren. Dann bringt bessere Vorschläge! Ich bin froh, wenn die ÖVP munter wird und sagt: Wir machen


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etwas anderes!, aber ihr bringt keine Vorschläge ein und ihr vertagt alles, was die Opposition hier ins Hohe Haus bringen möchte.

Das ist, glaube ich, kein Umgang, wie wir ihn miteinander pflegen sollten. Des­wegen noch einmal die Bitte: Lösen wir diese Themenfelder miteinander! Versuchen wir gemeinsam, Lösungen für die Patientinnen und Patienten in Österreich zu finden! Vertagen und Drüberfahren kann kein Zugang sein. Lieber Herr Kollege Hörl, vielleicht kannst du in der Weihnachtszeit ein bisschen in dich gehen und versuchen, die eigenen Kolleginnen und Kollegen der ÖVP auf Linie zu bringen. Johanna Mikl-Leitner ist längst ein Fan der sozialdemokratischen Gesundheitspolitik (Heiterkeit bei der ÖVP), sie scheitert leider an der Beton­frak­tion hier im Hohen Haus. (Abg. Steinacker: Bitte keine Unterstellungen an die niederösterreichische Landeshauptfrau! – Abg. Ottenschläger: Da musst du ja selber lachen!)

Deswegen bitte ich wirklich: Geht in der Weihnachtszeit in euch, und versuchen wir miteinander, die Gesundheitspolitik im neuen Jahr endlich aktiv zu gestalten! (Beifall bei der SPÖ.)

19.21


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Fiona Fiedler. – Bitte, Frau Abgeordnete.


19.22.04

Abgeordnete Fiona Fiedler, BEd (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! (Die Begrüßung auch in Gebärdensprache ausführend:) Liebe gehörlose Menschen! Stellen Sie sich einfach vor, ich halte die Rede vom Juni noch einmal! Damals haben wir nämlich das Zahnärztegesetz und das Fachzahnarzt-Kieferorthopädie-Gesetz bereits beschlossen. Im Vergleich zu anderen Ländern sind wir damit Nachzügler. Weil die aktuelle Regierung aber meistens sehr lax mit Begutach­tungen, Stellungnahmen und ordnungsgemäßen parlamentarischen Prozessen umgeht und weil die SPÖ offenbar nicht mit ihren Landeshauptleuten redet,


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haben wir damals ein Gesetz beschlossen, das aufgrund dreier Bundesländer nie in Kraft getreten ist.

Mit dem heutigen Beschluss sollte alles repariert sein, doch eine Lehre sollten wir trotzdem daraus ziehen: Begutachtungsprozesse und Beteiligungsprozesse im parlamentarischen Verfahren sind wichtig, und wir alle sollten nicht darauf vertrauen, dass eine Kompetenzänderung einfach so akzeptiert wird und jeder seinen Job macht.

Mit genau solchen Kompetenzänderungen sind wir auch gleich beim zweiten Gesetz: Im Ärztegesetz werden mit der heutigen Änderung weitreichende Aufsichten und Reportingwege für Ausbildungen eingeführt. Im Idealfall bekommen wir dadurch auch endlich eine kleine zusätzliche Datenlage. An den Debatten über den Ärztemangel sehen wir, dass es zu wenig Steuerung gibt. Wenn wir uns auch ansehen, in welche Fachrichtungen Jungmediziner gehen, können wir hoffentlich ein bisschen gegensteuern.

Auch die Einführung einer Ausbildungskommission begrüßen wir. Immerhin gibt es beim Ministerium so eine Kommission und wir hoffen, dass diese jetzt einfach offiziell gemacht wird – wie dies auch der Rechnungshof gefordert hat.

Sosehr wir diese Aspekte brauchen und begrüßen, es ist immer das Gleiche: eine wahnsinnig große, weitreichende Änderung, aber keiner weiß, wer wo informiert wurde, wer welche Aspekte begrüßt oder nicht, und auch, wie die Ärzteschaft selbst dazu steht. Wir dürfen einfach nicht akzeptieren, dass 34 Seiten Gesetz beschlossen werden, ohne dass sie jemals in Begutachtung waren! (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wir begrüßen diese Vorschläge als Schritt in die richtige Richtung, aber wenn wir als Parlamentspartei diese Arbeitsweise mittragen, machen wir dieses Haus lächerlich. – Danke. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

19.21



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Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wird seitens der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Wie vereinbart verlege ich die Abstimmungen an den Schluss der Abstimmungen über die Vorlagen des Gesundheitsausschusses.

19.24.52Abstimmung über die Tagesordnungspunkte 22 bis 27


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir kommen nun zu den verlegten Abstimmungen über die Tagesordnungspunkte 22 bis 27, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.

Wünschen die Klubs eine Unterbrechung? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 22: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Einrichtung eines Covid-19-Lagers und über die Verfügung über Bundesvermögen bei Abgabe aus diesem Lager geändert wird, samt Titel und Eingang in 1885 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen gleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 23: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz


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sowie weitere Gesetze geändert werden, samt Titel und Eingang in 1886 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 24: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz geändert wird, samt Titel und Eingang in 1887 der Beilagen.

Wer für diesen Gesetzentwurf ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 25: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird, samt Titel und Eingang in 1890 der Beilagen.

Wer für diesen Gesetzentwurf ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustim­mung. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen zur dritten Lesung.


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Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 26: Entwurf betreffend Fachzahnarzt-Kieferorthopädie-Gesetz, samt Titel und Eingang in 1888 der Beilagen.

Wer für diesen Gesetzentwurf ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustim­mung. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist einstimmig. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Jetzt kommen wir zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 27: Entwurf betreffend Ärztegesetz-Novelle 2022 samt Titel und Eingang in 1889 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

19.28.2028. Punkt

Bericht des Ausschusses für Konsumentenschutz über die Regierungsvorlage (1752 d.B.): Bundesgesetz über eine Fachstelle zur Wahrnehmung der Interessen von Verbraucherinnen und Verbrauchern sowie von Menschen mit


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Behinderungen in der Normung (Fachstelle-Normungsbeteiligung-Gesetz – FNBG) (1870 d.B.)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir kommen zum 28. Punkt der Tagesordnung.

Es wurde auf eine mündliche Berichterstattung verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Mag.a Ulrike Fischer. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


19.28.48

Abgeordnete Mag. Ulrike Fischer (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Werte Zuseher und Zuseherinnen! Wir reden heute über eine Fachstelle zur Normung. Normen brauchen wir immer. Normen brauchen wir, wenn wir uns im Straßenverkehr bewegen, Normen brauchen wir, wenn wir ein Spielzeug für unsere Kinder kaufen, wenn wir ein Fahrrad richten lassen oder wenn wir sichergehen wollen, dass zum Beispiel ein Kleinkinderspielzeug nicht gefährlich oder giftig ist. Ohne gute Normen ist ein guter Verbraucherschutz nicht möglich. Wir sind jetzt so weit, dass mit 1. Jänner diese Regierungsvorlage in Kraft tritt. Das bedeutet, wir erreichen im Bereich der Behinderten, im Bereich der Konsumenten und Konsumentinnen einen Meilenstein. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Stellen Sie sich vor, Sie sind sehbehindert und Sie wollen eine Homepage bedienen und müssen im Nachhinein jemanden bitten, dass er diese Homepage für Sie barrierefrei macht, damit Sie sie lesen können – das funktioniert in den meisten Fällen schlecht! Wichtig ist daher, dass wir Behinderte im Vorhinein mitdenken. Dafür gibt es jetzt eine eigene Fachstelle. Diese Fachstelle hat endlich ausreichend Zeit, dass Vertreterinnen und Vertreter extra darauf schauen, dass für Behinderte und für Konsumenten und Konsumentinnen die entsprechenden Normen vorgesehen werden.

Denken wir das geschichtlich: Österreich hat eine relativ lange Tradition der Normung. Bereits (Abg. Wurm: 1990!) 1990 wurde der Verbraucherrat insofern


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eingerichtet, als Konsumenten und Konsumentinnen mitgedacht wurden. Aber das war ein langsamer Beginn, denn ohne entsprechende Ressourcen ist das nicht möglich. Wenn wir jetzt aber diese Fachstelle einrichten, dann wird sie nicht nur weisungsfrei sein, sondern sie wird auch ausreichend Mitarbeiter, Mitarbeiterinnen haben, dass wir in allen Bereichen Konsumenten und Konsu­mentinnen entsprechend mitdenken können.

Man darf sich das so vorstellen: Man fährt Ski und hat einen No-Name-Skihelm – ist ja auch passiert –, und die Skihelme haben nicht so funktioniert, wie es hätte sein sollen. Daher ist es wichtig, dass bei den Normen nicht nur die Wirtschaft gehört wird, sondern auch wir als Verbraucher und Verbraucherinnen, denn im Nachhinein etwas zu richten ist oft nicht möglich. Es muss im Vorhinein gedacht werden. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Weidinger.)

Dem Grundgedanken des Design-for-All folgend sollen Produkte grundsätzlich für alle Nutzer:innen ohne zusätzliche Anpassungen verwendbar sein. Dies sagt auch die UN-Behindertenkonvention. Das ist eine wesentliche Voraussetzung für Inklusion, dass wir Menschen mit Behinderung nicht behindern, sondern dass wir im Vorhinein bestimmte Maßnahmen setzen, damit wir uns alle barrierefrei bewegen können. (Beifall bei den Grünen.)

Wenn man sich das Zusammenspiel anschaut, dann sieht man, es wird im End­ausbau vier oder fünf Mitarbeiter, Mitarbeiterinnen geben. Ich als Sprecherin für Konsumentenschutz freue mich ganz besonders, dass dieses Gesetz bereits mit 1. Jänner in Kraft tritt. Wer es sich anschauen möchte (ein Schriftstück in die Höhe haltend): Die Regierungsvorlage ist umfassend und bedenkt sämtliche Mög­lichkeiten, damit die Stelle gut funktionieren wird, und ist da quasi als Anhang ja heute mit dabei. Ich möchte nur den ersten Satz zur Verlesung bringen – wir beschließen heute ja hoffentlich ein Bundesgesetz, was positiv ist –: „Bundes­ge­setz über eine Fachstelle zur Wahrnehmung der Interessen von Verbrauche­rinnen und Verbrauchern sowie von Menschen mit Behinderungen in der Normung (Fachstelle-Normungsbeteiligung-Gesetz – FNBG)“. Die Aufgaben der Fachstelle, um nur ein paar Punkte herauszugreifen: „Zusammenarbeit mit dem


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Österreichischen Behindertenrat“, „Pflege von Kontakten“ mit Verbraucher­schutzorganisationen.

Meiner Meinung nach ist ganz wichtig, dass Empfehlungen und Stellungnahmen abgegeben und nationale und europäische Kooperationen durchgeführt werden. Wir müssen ja auch immer wieder über den Tellerrand schauen. Und – auch ganz wichtig –: Diese Stelle wird weisungsfrei im Sinne der Konsumenten und Konsu­mentinnen arbeiten. Dafür möchte ich mich bedanken. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.34


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächste Rednerin ist Elisabeth Feichtinger. – Bitte, Frau Abgeordnete.


19.34.22

Abgeordnete Elisabeth Feichtinger, BEd BEd (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Normen, liebe Kolleginnen und Kollegen, bestimmen unser tägliches Leben immer stärker, von der Tastatur bis hin zu den Hygieneartikeln und dem Skihelm. Durch Standards wird ein Mindestmaß an Sicherheit und Gebrauchstauglichkeit gewährleistet. Standards sorgen für einen geordneten Ablauf, stehen für Qualität und vor allem geben sie den Konsumentinnen und Konsumenten Vertrauen. So kann sich der Konsument beim Kauf eines Skihelms sicher sein, dass dieser Helm, wenn er genormt ist, dem aktuellen Stand der Technik entspricht und somit seinen Kopf sicher schützt.

Die Wahrheit ist, der Großteil der derzeit relevanten Normen wird von EU-Institutionen erarbeitet, allerdings sind diese nicht das Spiegelbild der Gesell­schaft, meine Kolleginnen und Kollegen! Unternehmen sind überpro­portional vertreten, und andere, Gruppen wie Verbraucherorganisationen und Menschen mit Beeinträchtigung, werden dort kaum vertreten, weil sie die erforderlichen Ressourcen nicht haben und unterrepräsentiert sind.


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Rund 18 Prozent der österreichischen Bevölkerung, das entspricht 1,34 Mil­lionen Menschen, sind somit nicht angemessen vertreten. Dennoch ist es erfreulich, dass sich die Regierung zumindest in diesem Bereich mit dem Thema im Ausschuss für Konsumentenschutz auseinandersetzt und es für wichtig empfindet.

Es freut mich auch, dass wir als SPÖ – im Gegensatz zum Konsumentenschutz­ausschuss, in dem viele unserer Anträge immer wieder vertagt oder zum Teil auch abgelehnt werden – hier ein klares Zeichen setzen und hoffentlich gemein­sam mit allen anderen Fraktionen diesen wichtigen Beschluss fassen. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir würden uns wünschen, dass künftig unsere Anträge auch von den Regie­rungsfraktionen angenommen werden.

Es ist wichtig und richtig, dass diese Fachstelle nun eingerichtet wird, und vor allem auch, dass Menschen mit Beeinträchtigung mitgedacht werden. (Beifall bei der SPÖ.)

19.36


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Peter Wurm. – Bitte, Herr Abgeordneter.


19.36.25

Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Werte Zuseher! Um ein bisschen Aufklärung zu betreiben: Das ist natürlich kein Meilenstein in der Konsumentenschutzpolitik Österreichs. Wir haben seit 1990 den sogenannten Normungsrat, also seit über 30 Jahren. Angesiedelt war das dann über 30 Jahre lang beim ASI, Austrian Standards International, beim Büro im VKI. Das heißt, es wurde auch über den VKI organisiert; der VKI ist für uns der Konsumentenschutz in Österreich. Das wird dem VKI jetzt mehr oder weniger weggenommen und direkt beim Minister angesiedelt. Das ist in meinen


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Augen weder ein Meilenstein noch eine Verbesserung. Es wurde also jetzt schon – unter Anführungszeichen – auf die Normen geachtet.

Ich komme jetzt zu einem Punkt, um den es eigentlich geht, den man einmal diskutieren sollte, weil natürlich alle gerne den Mantel des Schweigens drüber­breiten: Wir sprechen über Brüssel, wir sprechen über Korruption, wir sprechen über Geldsäcke, und zwar große Geldsäcke, Bargeldsäcke – es ist ja ein Treppenwitz der Geschichte, dass ausgerechnet in Brüssel, wo man das Bargeld abschaffen möchte, dann in Wohnungen kisten- und säckeweise Bargeld herumliegt. Das ist auch im Konsumentenschutz die Realität. Wir haben in Brüssel nicht umsonst 20 000 Lobbyisten – 20 000! –, die von Großkonzernen beauftragt sind und seit Jahren und Jahrzehnten nichts anderes machen, als Gesetzgebungen und auch Normen zu kaufen, mit zu beeinflussen. Das ist die Realität.

Wo ich immer einen Anfall kriege – deswegen bin ich ein bisschen emotional –, ist, wenn man das dann quasi der Bevölkerung als Verbesserung oder als Konsumentenschutz verkauft. Diese Dinge dienen in der Regel – nicht immer, aber in der Regel – dazu, die Macht und die Marktposition von vor allem großen Konzernen auszubauen, zu verstärken, Monopole, Oligopole aufzubauen, und dienen im seltensten Fall dem Konsumentenschutz. Das sollte man bei all diesen Dingen auch einmal klar sagen.

Jetzt ist in Brüssel etwas aufgepoppt. Das ist ja nicht irgendwer gewesen, bitte, sondern die Vizepräsidentin des EU-Parlaments, die jetzt einmal ertappt worden ist. Was im Dunkeln liegt, können wir uns ungefähr ausmalen. Dieses Sittenbild muss man bei all der Europaeuphorie, EU-Euphorie immer mit im Blickfeld haben. (Zwischenruf des Abg. Lukas Hammer.)

Es hat seine guten Gründe, warum Sie in Wien ganz wenig echte Lobbyisten finden, und selbst diese ÖVP-Skandale, die wir da jetzt aufgedeckt haben oder die ans Tageslicht gekommen sind, sind ja in Wahrheit kleine Dinge im Vergleich zu dem, was sich in Brüssel abspielt.


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Deshalb noch einmal mein Hinweis auch an Sie als Parlamentarier: Schauen Sie bei allen Dingen, über die Sie in dem Rahmen abstimmen, über die Sie mit­bestimmen, hinter die Kulissen, auch bei den Gesetzesvorlagen – das sind in der Regel EU-Richtlinien, EU-Verordnungen! Schauen Sie sich, wenn es um Konsumentenschutz und Bürgerrechte geht, bitte auch die Details an und lassen Sie sich nicht von blumigen Überschriften blenden; blumige Überschriften, damit wir alle glauben sollen, es geht uns so super, alles ist so nett! So ist es leider nicht, und ich glaube, es ist notwendig, diese Wahrheit – auch zu späterer Stunde bei einem halb leeren Plenum – einmal zur Sprache zu bringen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Hauser: Sehr gut, Peter! Sehr gut! Gute Rede!)

19.40


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Mag. Peter Weidinger. – Bitte, Herr Abgeordneter.


19.40.11

Abgeordneter Mag. Peter Weidinger (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundes­minis­ter! Hohes Haus! Unsere Heimat ist Europa. Europa ist auch der Ort, der uns allen als gemeinsames Haus Heimat bietet, dass wir in Frieden, in Sicherheit und in Wohlstand miteinander leben. (Heiterkeit und Zwischenruf bei der FPÖ.)

Es ist jetzt notwendig, auf das einzugehen, was Kollege Wurm gesagt hat, weil es leider anscheinend für die Freiheitlichen das Geschäftsmodell ist, immer wieder Feinde zu suchen, immer wieder Feindbilder zu beschwören, um dann eine Geißel zu skizzieren, um Ängste zu schüren (Abg. Ries: Was hat das mit Ängsten zu tun?) und die Menschen hinter sich zu versammeln. Dieser Politik müssen wir eine klare Absage erteilen, denn das baut nicht Vertrauen auf, das schafft auch keine Zukunft und das gibt nicht den Mut, den wir und den die Menschen in diesem Land brauchen und verdient haben.

Deswegen, geschätzte Damen und Herren, lassen Sie mich auf diesen Punkt von diesem Antrag zu sprechen kommen. Da geht es darum, dass wir eigentlich einen gesellschaftlichen Wunsch von uns allen erfüllen, nämlich dass wir in einer


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integrativen Gesellschaft leben, in der es egal ist, wie ein Mensch auf die Welt kommt, wenn er bei uns in der Heimat, in Österreich zu Hause ist, dass wir einen Beitrag dazu leisten, dass er hier ein sinnvolles, gutes Leben führen kann. Daher schaffen wir ein Gremium, bei dem Menschen, bei dem Konsumentinnen und Konsumenten auch ein Mitspracherecht bei der Ausgestaltung von Normen haben, bei der Art und Weise, wie wir unsere Gesellschaft bauen.

Das spiegelt auch wider, wie wir hier in Österreich und in Europa zusam­men­arbeiten, nämlich partnerschaftlich und nicht indem wir die Wirtschaft gegen Konsumenteninteressen ausspielen, sondern indem wir das gemeinsam denken und das in einem Rahmen machen, in dem sich die Partner auf Augenhöhe begegnen.

Das ist der Kern dieser Regelung, und ich habe mich sehr über die Ausführungen von Frau Abgeordneter Feichtinger gefreut, die das hier ja auch zum Ausdruck gebracht hat, denn es ist notwendig und gut, dass wir zusammenarbeiten und dass wir bei den großen Dingen auch zusammenstehen.

Was aber sind diese großen Dinge? – Da geht es etwa darum, dass wir aufhören, davon zu sprechen, dass der Konsument ein Opfer ist. Das ist nämlich oftmals der Fall bei den Diskussionen, die wir im Konsumentenschutzausschuss führen. Da wird dann immer David gegen Goliath beschworen. (Abg. Wurm: Was ist es sonst, Peter? Was ist es sonst als David gegen Goliath?) Da wird dann vom armen, kleinen Konsumenten und von den großen, bösen Kräften, die ihn – oder sie – manipulieren wollen, gesprochen. Das halte ich für einen Unfug, denn Europa, unser Rechtsstaat, die demokratische Verfasstheit unserer Verfassung geben ja den Menschen den größten Grad an individueller Freiheit – und das gilt es zu verteidigen, denn dieses System steht ja in der Welt auf der Bewährungsprobe (Abg. Wurm: Das haben die Chinesen auch!), nicht erst seit Corona, nicht nur weil die Chinesen ein komplett anderes System haben. Und, Herr Wurm, da unter­scheiden wir uns: Ich halte China nicht für positiv, wie Sie das gesagt haben. (Abg. Wurm – erheitert –: Ich habe gesagt: Das haben die Chinesen auch!) Ich wünsche mir niemals, dass wir so autokratische Systeme wie in China haben.


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Wir müssen eher mit den Bürgern gemeinsam darüber reden, wie wir die Energiewende schaffen. Warum? – Weil die Energiewende, wenn wir sie klug angehen, dafür sorgt, dass wir die Kaufkraft der Konsumentinnen, der Konsumenten, der Bürger stärken. Warum tun wir das? – Weil wir nicht die Abhängigkeiten eintauschen wollen – die Abhängigkeit von der Versorgung aus Russland mit der Abhängigkeit von anderen Erdteilen in anderen Bereichen –, sondern weil wir wollen, dass die Menschen selber zu Produzenten werden, nämlich weil sie ihre Energie selbst produzieren. Wer seine Energie selbst produziert, der zahlt dann eine geringere Rechnung für die Energie, weil er sie ja selber macht. Das heißt, da wird Geld gespart. So stärken wir die Haushalte.

Dazu lade ich aber auch alle Abgeordneten im Konsumentenschutzausschuss und hier im Plenum ein, dass wir da gemeinsam an einem neuen Zugang arbeiten, dass wir nicht mehr in Kategorien von Opfern und Tätern denken, sondern gemeinschaftlich Wege finden, wie wir gemeinsam die Men­schen und unsere Gesellschaft ermächtigen, dass wir unabhängiger und freier werden.

Die gute Nachricht ist: Es liegt in unseren Händen. Es liegt an unserer Haltung. Die wirtschaftlichen Zahlen geben uns recht. Es wurde heute schon vieles dazu ausgeführt, dass wir die Situation haben, dass wir uns mehr Menschen in Arbeit wünschen würden, weil die Wirtschaft bei uns in Österreich gut läuft – ein gutes Zeugnis für die Politik, die diese Regierung begleitend gemacht hat. Im Mittelpunkt sind immer die Österreicherinnen und Österreicher, die mit ihrem Engagement dafür Sorge tragen, dass das Werkl läuft, aber wir brauchen in dieser Stunde, in der unser System besonderen Herausforderungen gegenübersteht, einen neuen Geist der Zusammenarbeit.

Die ausgestreckte Hand von Kollegin Feichtinger nehme ich gerne an. In diesem Sinne: Nutzen wir den heutigen Tag, genau 67 Jahre nach dem Beitritt Öster­reichs zu den Vereinten Nationen am 14. Dezember 1955, um diesen gemein­schaftlichen Schritt zu machen, um die Normen in Österreich ein Stückchen zu verbessern! In diesem Sinne wünsche ich Ihnen, meine Damen und Herren,


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heute noch einen wunderschönen Abend, und: Beschließen wir diesen Tagesordnungspunkt mit einem einstimmigen Beschluss! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

19.45


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer Stellungnahme gelangt jetzt Herr Bundesminister Johannes Rauch zu Wort. – Bitte, Herr Bundesminister.


19.45.16

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Herr Präsident! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren Abgeordnete! Herr Abgeordneter Wurm, ich möchte schon feststellen: Es ist natürlich eine Verbesserung gegenüber dem, was wir bisher hatten, denn die Fachstelle, die eingerichtet wird, wird aus vier oder fünf Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bestehen. Das ist eine deutliche Aufstockung gegenüber dem alten Büro des Verbraucherrates. Der vorliegende Entwurf nimmt vor allem auch Menschen mit Behinderung mit ins Normungsverfahren. Das, finde ich, ist notwendig.

Das Tätigkeitsprofil ist klar geregelt. Es geht um Zusammenarbeit mit dem Aus­schuss für Verbraucherangelegenheiten und dem Behindertenrat. Es geht darum, Expertinnen und Experten in nationale und internationale Normungs­gremien zu entsenden. Es geht um Grundlagenforschung und Ähnliches mehr. Es wird damit auch eine effiziente Vertretung der Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher und der Menschen mit Behinderungen im Normungsprozess ermöglicht.

Mein Dank gilt allen Beteiligten, die mitgearbeitet haben, insbesondere auch den Mitarbeiter:innen im Ministerium, die es geschafft haben, innerhalb eines Jahres vom Bericht an das Parlament zu einem fertigen Gesetz zu kommen, und damit diese Beschlussfassung hier ermöglicht haben. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.46



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Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wie vereinbart verlege ich die Abstimmungen an den Schluss der Verhandlungen über die Vorlagen des Ausschusses für Konsumentenschutz und fahre in der Erledigung der Tagesordnung fort.

19.46.5529. Punkt

Bericht des Ausschusses für Konsumentenschutz über den Antrag 3016/A(E) der Abgeordneten Mag. Ulrike Fischer, Mag. Peter Weidinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Förderkonzept zur Sicherstellung einer langfristigen Finanzierung von Verbraucherschutzorganisationen insbesondere des VKI“ (1871 d.B.)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen zum 29. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt Mag. Christian Drobits. – Bitte, Herr Abgeordneter.


19.47.36

Abgeordneter Mag. Christian Drobits (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Nun ein Punkt, der die letzten Monate und Jahre schon öfters aufgetreten ist: das VKI-Gesetz beziehungsweise der VKI. Die Konsumentenschutzpolitik ist gerade in Zeiten der Teuerung, in Zeiten der hohen Inflation und in Zeiten, in denen auch die Banken hohe Spesen und auch Zinsen verlangen, ein wichtiger Bereich. Das Flaggschiff des Konsu­mentenschutzes und der Konsumentenschutzpolitik ist zweifelsohne der Verein für Konsumenteninformation, wenn es um Rechtsinformation, Beratung, Rechtsdurchsetzung geht. (Abg. Krainer: An zweiter Stelle nach der Arbeiter­kam­mer!) – Die Arbeiterkammer ist natürlich auch eine Stelle, die neben der Verbraucherschutzorganisation des VKI entsprechende Wirkung hat. Die


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Arbeiterkammer ist auch jene Gruppe, die neben dem VKI natürlich auch im Konsumentenschutz tätig wird.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, heute liegt ein Antrag vor, der eigentlich ein Gesetz sein könnte, und zwar deshalb, weil wir schon seit Jahren das VKI-Gesetz oder die -Gesetzesnovelle wollen. Im Budgetvoranschlag, Detailbudget Konsumentenschutz, steht als Rechtsgrundlage drinnen: „Bundesgesetz über die Finanzierung des Vereins für Konsumenteninformation“. – Das heißt, der Herr Finanzminister geht für dieses Budgetjahr weiterhin von einem VKI-Gesetz aus.

Es war auch üblich, dass die letzten Jahre im Budgetbegleitgesetz diese Rege­lung getroffen wurde. Nur: Wir wissen seit der Budgetsitzung, und der Herr Bundesminister hat es angesprochen, dass wir keine gesetzliche Grundlage haben, sondern nur laufende Zuschüsse, die dem VKI zur Finanzierung zugeführt werden. Das bedeutet, wir haben nicht die parlamentarische Kontrolle, die wir brauchen. Wir haben die Möglichkeit der parlamentarischen Anfragen über laufende Zuschüsse. Das ist aber ein wesentlicher Unterschied zu dem, was wir vorher hatten.

Und wenn die Regierung im Regierungsprogramm drinstehen hatte: dauerhafte Finanzierung nach Evaluierung der Finanzierung des VKI, dann fehlt jetzt etwas. Jetzt steht nämlich nur mehr „mittel- und langfristige“ Finanzierung drinnen, von einer dauerhaften Finanzierung spricht niemand mehr. Es steht auch nicht mehr drinnen, wie lange diese Evaluierung vorgesehen ist – die dauert nämlich schon drei Jahre. Drei Jahre zu evaluieren, das bedeutet, dass irgendetwas nicht stimmen kann. Diese Vermutung haben bereits viele, und deshalb gibt es auch diesen Irrtum und dieses Unbehagen über dieses Thema.

Der Antrag, den wir vorliegen haben und dem wir als sozialdemokratische Frak­tion nicht zustimmen können und werden, zeichnet sich nämlich durch ein wirklich lückenhaftes Vorgehen aus. Ich habe es dem Herrn Bundesminister im Ausschuss gesagt. Ich habe gesagt, ich habe solch einen schlechten Antrag noch nicht gesehen. Wenn man sich die Beschlussformel anschaut: Es fehlt im


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ersten Satz ein Wort, denn „zu entwickeln“ steht noch drinnen, aber was zu entwickeln ist, fehlt. Wenn man weiterliest: In der Beschlussformel fehlt dann auch, was konkret die Entscheidungsgrundlage ist, und im Endeffekt steht wie gesagt „mittel- und langfristige“ Finanzierung.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, so kann man keine gemeinsame Vorge­hensweise ins Treffen führen, wenn es um eine Finanzierung des VKIs, des Flaggschiffs der Konsumentenschutzpolitik, geht. Von unserer Seite gibt es da keine Zustimmung.

Herr Bundesminister, abschließend: Ich glaube das, was Sie gesagt haben – dass Sie selbst bereit sind, für die Finanzierung des VKIs zu sorgen –, nur hätten Sie es leichter gehabt, wenn Sie das Gesetz hätten. Wir hätten es Ihnen ver­schafft. Wir wollen dieses Gesetz. Vielleicht schaffen wir es noch in den nächsten Monaten während dieser Legislaturperiode, diese Forderung, die wir seit Mona­ten und Jahren haben, gemeinsam umzusetzen. Diesem Antrag können wir leider nicht zustimmen. – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ.)

19.51


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Abgeordneter Hermann Weratschnig. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


19.51.43

Abgeordneter Hermann Weratschnig, MBA MSc (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Abgeordnete! Werte Abgeordnete von SPÖ und FPÖ, ich glaube, eines ist ganz deutlich und klar: Fürchtet euch nicht, die Finanzierung des VKI ist gesichert! (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Der vorliegende Entschließungsantrag dient genau der Umsetzung des Regierungsprogrammes, nämlich der darin vereinbarten langfristigen Finanzierung von Verbraucherschutzorganisationen, insbesondere des VKI.


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Klarer und deutlicher kann es nicht sein, werte Abgeordnete. Die Vor­arbeiten wurden bereits geleistet, mit der Evaluierung wurde die KPMG Austria GmbH betraut. Die Ergebnisse lassen keine Gründe erkennen, welche die Förderwürdigkeit des VKI infrage stellen. Die Unsicherheit wird ständig von den Freiheitlichen und von den Sozialdemokraten gestreut.

Die einzige Unsicherheit, die es in der Geschichte des VKI der letzten Jahre gegeben hat, war 2018 unter Ministerin Hartinger-Klein, als die Basis­finanzie­rung nur 2,5 Millionen Euro ausmachte. Mit einer Basisabgeltung von 4,2 Mil­lionen Euro 2022 kommen wir inklusive Förderverträge auf 4,8 Mil­lionen Euro. Bitte da keine weiteren Unsicherheiten streuen und sich die Fakten und Zahlen anschauen!

Unmissverständlich ist, glaube ich, auch die Zielsetzung: die Sicherung der Verbraucherschutzagenden, die Chancen von Digitalisierung und Auto­matisierung nützen. Ich glaube, dass wir mit dem VKI auf der internationalen Landkarte des Verbraucherschutzes mithalten können.

Ich möchte schon nochmals aus dem vorliegenden Antrag heraus zitieren. Na, das ist jetzt ein Streit um des Kaisers Bart, ob langfristig dauerhaft bedeutet oder ob mit dauerhaft nicht langfristig gemeint ist. Bitte, da steht eindeutig: „Mög­lichkeiten zur Sicherstellung einer langfristigen Finanzierung des Vereins für Konsumenteninformation aufzuzeigen, um damit eine tragfähige Entscheidungs­grundlage für die mittel- und langfristige finanzielle Absicherung der Aufgaben des VKI im Bereich der Verbraucherschutzagenden zu erhalten.“

In diesem Sinne: Wir tun hier das, was notwendig ist, den VKI auch abzusichern. Am Schluss lade ich alle ein: Lesen Sie den „Konsument“ (eine Ausgabe der genannten Zeitschrift in die Höhe haltend), das österreichische Testmagazin; hier die Ausgabe Dezember! Informieren Sie sich! Es ist ein gutes Organ, ein gutes Magazin. Ich gratuliere allen, die im VKI arbeiten und täglich eine gute Leistung erbringen und gute Arbeit machen. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

19.54



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Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Christian Ries. – Bitte schön.


19.54.57

Abgeordneter Christian Ries (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Damen und Herren! Kollege Weratschnig, ja, ich bin schon seit vielen Jahren begeisterter Abonnent dieses Konsumentenmagazins (Abg. Weratschnig: Das ist gut!), und um das auf Dauer erhalten zu können, haben wir heute einen Ent­schließungsantrag vorgelegt, der da lautet:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Ein Bundesgesetz betreffend ein VKI-Finanzierungsgesetz 2023“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesund­heit, Pflege und Konsumentenschutz, wird ersucht, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage über ein Bundesgesetz über die Finanzierung bestimmter Aufgaben des Vereins für Konsumenteninformation durch den Bund (VKI-Finanzierungsgesetz 2023) mit nachfolgendem Inhalt zuzuleiten“.

*****

(Beifall bei der FPÖ.)

Dieser Inhalt sollte unserer Meinung nach sein: Wir haben anhand valider Daten im Antrag 4,5 Millionen Euro für Information, Beratung und Tests vorgesehen, 1,5 Millionen Euro für Rechtsdurchsetzung und Fortbildung. Es ist bei unserem Antrag auch vorgesehen, dass diese Sätze jährlich valorisiert gehören und dieses Gesetz ab dem 1.1.2024 in Dauerrecht übergehen soll. In begründeten Fällen kann diese Finanzierung noch überschritten werden, etwa – ich erinnere an die


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Pandemiezeit – für die Einrichtung einer Reisehotline, wie es vom VKI durch­geführt wurde, oder für die Vertretung bei übertriebenen Erhöhungen von Energiekosten, die wir im nächsten Jahr zu erwarten haben.

Wir haben das gemacht, weil wir meinen, dass es endlich an der Zeit ist, für das Flaggschiff – ich würde es auch so nennen – des Verbraucherschutzes in Österreich, eben diesen VKI, eine dauerhafte Finanzierung vorzusehen, damit der VKI nicht auf ein Goodwill des Ministers angewiesen ist.

Was aber ist bisher passiert? – Es fand im Ausschuss keine ernsthafte Diskussion zu unserem Vorschlag statt. Er wurde vertagt und ein Alibiantrag wie dieser, den Sie vorgelegt haben, präsentiert. Es wurde von Ihnen sogar eine Art Multifunk­tionstool ausgepackt, eine Art regierungsdienliches Schweizer Messer, nämlich der Vorwurf des Populismus an unsere Adresse. Dieser Vorwurf ist für Sie ein praktisches Dingsda, das Sie immer einsetzen, wenn Sie nicht wissen, wie es weitergehen soll, wenn Sie nicht mehr wissen, wie Sie die Vertagungen begrün­den sollen. Das haben wir schon mehrmals erlebt, etwa beim Antrag zu Preis­monitoring und Inflationsstopp im Mai 2020, beim Antrag gegen überhöhte Inkassogebühren im Juli 2020 oder auch beim SPÖ-Antrag zu fairen Kredit­ver­gaben auch an Senioren.

Da reagieren Sie immer gleich: erstens durch Abwerten des Antragsgegen­standes. Ich erinnere an Kollegin Tanda – ich weiß nicht, ob sie jetzt im Raum ist –, die zu den Seniorendiskriminierungen von Banken gesagt hat, das stimme alles gar nicht, das sei gar nicht notwendig. Ungefähr zwei Wochen später sind die Regierungsfraktionen aufmarschiert und haben angeregt, dass man einen Gesetzentwurf auf den Weg bringen soll.

Das Nächste ist Vertagen. Dann kommt der Verweis aufs Regierungsprogramm, anschließend wieder Vertagen und dann der Populismusvorwurf, danach erneutes Vertagen oder das Vorlegen eines eigenen Antrages. Das da ist ein solcher Antrag, bei dem man schaut, was man alles schreiben kann, ohne viel zu sagen, sozusagen ein Musterbeispiel der Filibusterei in Antragsform.


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Sie sind hergegangen und haben uns mehr oder weniger einen Auszug aus einem zwei Jahre alten Regierungsprogramm übermittelt, also nichts, was tatsächlich eine Innovation darstellt. Wichtig ist, dass das Wort Konzept darin vorkommt, denn dann kann man vortäuschen, man hätte eines, und wichtig ist, dass Evalu­ierung drinsteht, damit man gleich weiß: Es dauert jetzt länger. (Beifall bei der FPÖ.)

Werte Damen und Herren, wir verstehen nicht, warum jetzt nicht eine dauer­hafte Finanzierung des VKI beschlossen werden kann. Der VKI wurde überprüft, seine Seriosität steht völlig außer Frage und die Finanzierungssumme ist durchaus überschaubar. Alle erforderlichen Fakten liegen auf dem Tisch, also machen wir reinen Tisch und beschließen wir jetzt eine Finanzierung des VKI! – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

19.59

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Peter Wurm, Walter Rauch, Christian Ries, Peter Schmiedlechner

und weiterer Abgeordneter

betreffend Ein Bundesgesetz betreffend ein VKI-Finanzierungsgesetz 2023

eingebracht im Zuge der Debatte zu Top 29) Bericht des Ausschusses für Konsu­mentenschutz über den Antrag 3016/A(E) der Abgeordneten Mag. Ulrike Fischer, Mag. Peter Weidinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend die "Förderkonzept zur Sicherstellung einer langfristigen Finanzierung von Ver­braucherschutzorganisationen insbesondere des VKI" (1871 d.B.) in der 189. Sitzung des Nationalrats am 14. Dezember 2022

Der Gesetzesentwurf soll gewährleisteten, dass der VKI als wichtigste Institution des österreichischen Verbraucherschutzes und der Vertretung der Verbraucherinteressen organisatorisch, personell und finanziell langfristig abgesichert wird. Die gegenüber


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den Regierungsvorschlägen erhöhten Mittel um 500.000 Euro sind den zusätzlichen Aufgaben in der Bewältigung der verbraucherschutzpolitischen Herausforderungen im Zusammenhang mit den Corona-Maßnahmen, der Sanktionspolitik und der Inflationsentwicklung geschuldet.

Mit dem Antrag 3016/A(E) der Abgeordneten Mag. Ulrike Fischer, Mag. Peter Weidinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend "Förderkonzept zur Sicherstellung einer langfristigen Finanzierung von Verbraucherschutzorganisationen insbesondere des VKI" (1871 d.B.) leiten die Regierungsfraktionen offensichtlich die Abschaffung des Bundesbeitrags zur Co-Finanzierung des Vereins für Konsumenteninformation (VKI) ein. Obwohl bereits seit dem Jänner 2020 der VKI und seine Zukunftssicherung „evaluiert“ wurde, will man jetzt in eine neue „Endlosschleife“ der Evaluierung ein­treten, um am Ende den Bundesbeitrag zur Co-Finanzierung des VKI zu kappen. ÖVP-Konzernlobbyisten, deren Werkzeug der ÖVP-Konsumentenschutzsprecher „Mag“. Peter Weidinger ist, ist das fortgesetzt aktive Vorgehen des VKI gegen den unlauteren Wettbewerb und verbraucherfeindlichen Praktiken zumeist internationaler Konzerne ein Dorn im Auge.

Eine weitere ideologische Beitrags- und Bestimmungstäterin findet man in der grünen Konsumentenschutzsprecherin Mag. Ulrike Fischer, die sich mutmaßlich aus höchst privaten und damit subjektiven Gründen an ihrem ehemaligen Arbeitgeber VKI und Ihren Ex-Kolleginnen und Kollegen rächen will, und die größte Verbraucherschutz­organisation Österreichs um Kompetenzen und finanzielle Ressourcen bringen möchte.

Folgender Plan wurde, wie aus teilnehmender Beobachtung bzw. Wissen aus den Reihen der Mitarbeiterschaft der Konsumentenschutzsektion im BMSGPK an die Öffentlichkeit gesickert ist, in Kreisen der Regierungsfraktionen und mit Wissen und Willen des zuständigen Konsumentenschutzministers Johannes Rauch und seines ÖVP-Sektionschefs Dr. Ulrich Müller hinter den Kulissen und parallel zur Bud­get­erstellung der UG 21 Soziales und Konsumentenschutz für das Jahr 2023 ausge­heckt:


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•          Die bisher höchst erfolgreiche „Rechtsdurchsetzung“ durch den VKI gegenüber Wirtschaftsunternehmen soll mittelfristig als Kompetenz und im Auftrag des BMSGPK abgeschafft werden.

•          Demgegenüber sollen die Schlichtungsstelle für Verbrauchergeschäfte, die Internetombudsstelle und andere Ombudsstellen aufgewertet werden.

•          Wenn überhaupt, soll der VKI nur mehr für einen noch festzulegenden Bereich der Konsumenteninformation neben Internet-Ombudsstelle, der Schlichtung für Verbrauchergeschäfte oder dem Dachverband der Schuldenberatungsstellen in der „Verbraucherbildung und -information“ tätig sein.

•          Die „Rechtsgestaltung“ soll in einer Dreieckskompetenz zwischen Bundes­ministerium für Justiz, Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft und dem Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz aufge­teilt und verfestigt werden, etwa im Konsumentenschutzrecht und im Wettbe­werbsrecht, wo konzernfreundliche und „internationale“ Rücksichtnahmen auf gewisse Interessen umgesetzt werden sollen.

•          Schlussendlich will man den VKI der Arbeiterkammer „zurücklassen“, und dieser ökonomisch, personell und organisatorisch ausschließlich zuordnen, während Parallelstrukturen zur insgesamten Schwächung eines starken Verbraucherschutzes gebildet werden sollen.

Daher stellen die unterzeichnenden Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, wird ersucht, dem Nationalrat eine Regie­rungs­vorlage über ein Bundesgesetz über die Finanzierung bestimmter Aufgaben des Vereins für Konsumenteninformation durch den Bund (VKI-Finanzierungsgesetz 2023) mit nachfolgendem Inhalt zuzuleiten:


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Bundesgesetz über die Finanzierung des Vereins für Konsumenteninformation im Jahr 2023 (VKI Finanzierungsgesetz 2023 – VKI FinanzG 2023)

§ 1. (1) Der Bund hat dem Verein für Konsumenteninformation (VKI) für den laufen­den Betrieb und für die Erfüllung des Vereinszwecks im Jahr 2023 maximal folgende Beträge zur Verfügung zu stellen:

1.         4,50 Mio. € für Verbraucherinformation, Rechtsberatung, Vergleichstests, Marktuntersuchungen und wissenschaftliche Tätigkeiten;

2.         1,00 Mio. € für Rechtsdurchsetzung und Rechtsfortbildung.

3.         Die Beträge in § 1 Abs 1 Z 1 und 2 werden ab dem 1.1.2024 nach dem Verbraucherpreisindex valorisiert. Die Finanzierung gemäß § 1 Abs 1 Z 1 und 2 geht ab dem 1.1.2024 in eine Regelfinanzierung über.

(2) Quartalsweise Vorschusszahlungen sind zulässig.

(3) Der Bund kann dem VKI zusätzliche Mittel zur Verfügung stellen, wenn

1.         sie der Finanzierung von Maßnahmen zum Schutz der Interessen der Verbraucher dienen, die aufgrund außergewöhnlicher Umstände notwendig werden, und

2.         ein erhebliches öffentliches Interesse an diesen Maßnahmen besteht.“

(4) Über die Mittel gemäß Abs. 1 und 3 sind Verträge zu schließen, die auch geeignete Regelungen für den Nachweis und die Kontrolle der zweckentsprechenden und sparsamen Verwendung der Mittel enthalten. Die Verträge haben die Erfüllung des Vereinszwecks zu ermöglichen, dürfen nicht in Widerspruch zu den Statuten des Vereins stehen und dürfen keinen Einfluss auf die Auswahl der Gegenstände der Vereinstätigkeit nehmen.

(5) Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz hat dem Ausschuss für Konsumentenschutz des Nationalrats jährlich jeweils bis zum 31.


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August einen Bericht über die Verwendung der Mittel durch den VKI und die gemäß Abs. 4 durchgeführte Kontrolle vorzulegen.

§ 2. Mit der Vollziehung ist der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betraut, hinsichtlich § 1 Abs. 4 im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen.

§ 3. Dieses Bundesgesetz tritt mit 1. Jänner 2023 in Kraft.“

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht somit auch in Verhandlung.

Zu Wort gelangt Ing. Mag. Alexandra Tanda. – Bitte sehr, Frau Abgeordnete.


20.00.01

Abgeordnete Ing. Mag. (FH) Alexandra Tanda (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, Zuhörerinnen und Zuhö­rer! Aus dieser Debatte über den Antrag zur Finanzierung des VKI geht eines ganz klar hervor: Der Schutz der Konsumenten ist in Österreich ein hohes Gut und wichtig.

Was ist eigentlich der Sinn? Wir reden jetzt viel über Geld, aber was ist wirklich der Sinn einer Konsumentenschutzorganisation? – Primär ist der Sinn, Ver­brauchergesetze zu gestalten und Verbrauchergesetze dann auch durchzu­setzen. Meiner Meinung nach ist aber das Wichtigste, den Verbraucher, die Ver­braucherin zu schulen und darüber zu informieren, welche Rechte er, welche Rechte sie hat. Wir haben heute schon ein Exemplar der Zeitschrift „Konsument“ gesehen. Viele kennen diese natürlich, besonders in Tirol ist diese Zeitschrift sehr bekannt, denn sie wird allen Arbeiterkammermitgliedern kostenlos in den Haushalt geschickt, das Abo finanziert.

Die vielen Beratungsstellen sind auch stark frequentiert worden, insbesondere in der Zeit der Krise. Ich möchte mich besonders bei allen Mitarbeiterinnen und


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Mitarbeitern bedanken, die den Österreicherinnen und Österreichern, Men­schen, die Probleme hatten, geholfen haben und in diesen Beratungsstellen den betroffenen Personen zur Verfügung gestanden sind. Wirklich ein herzliches Danke, denn in solchen Situationen Beratung zu geben ist nie sehr einfach. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Damit die Regierung nun diesem gesetzlichen Auftrag gerecht werden kann, schließt das Sozialministerium Förderverträge mit unterschiedlichen Organi­sationen ab, zum Beispiel mit der Internetombudsstelle, mit dem Dachverband der Schuldnerberatungen. Neben der Arbeiterkammer ist eben die wichtigste zentrale Verbraucherorganisation der Verein für Konsumenteninformation. Damit dieser seine Arbeit machen kann, braucht er Geld. Das ist unbestritten, Herr Drobits, er braucht Geld. Die Behauptung der SPÖ und der FPÖ, dass die Regierung diese nicht ausreichend finanziert, stimmt aber nicht. Die Regierung hat diese Finanzierung immer sichergestellt. Es ist einfach schlichtweg falsch. Man muss sich eigentlich nur die Zahlen anschauen, die ich dann später noch einmal wiederholen werde.

Die Förderzahlen belegen, dass die Finanzierung jedes Jahr sichergestellt war und ist, außer unter der Ägide von Ex-Ministerin Hartinger-Klein. Wir erinnern uns, 2018 ist gar nichts passiert. Da ist alles so geblieben, wie es war, und der VKI wurde quasi ausgehungert. Dass jetzt die FPÖ mit dem geschätzten Kollegen Peter Wurm so laut schreit, ist an Ironie kaum zu überbieten. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwischenruf bei der FPÖ.)

Dazu kann man eigentlich nur sagen: Klappern gehört zum Handwerk, wenn man sonst nichts kann! Danach konnte sich der VKI nämlich über eine jährliche Steigerung von Fördermitteln freuen, wie wir schon gehört haben, von – ohne die Förderverträge – exakt 2,5 Millionen Euro auf 4,2 Millionen Euro.

Die langfristige Finanzierung des VKI wird natürlich umgesetzt. Herr Bundes­minister Rauch hat das bereits im letzten Ausschuss bestätigt, und es werden gerade Finanzierungsmöglichkeiten erarbeitet. Das Bundesministerium hat ja


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diese Evaluierung, wie man eine nachhaltige, langfristige Sicherung des Kon­sumentenschutzes am besten sicherstellen kann, bei anderen europäischen Organisationen für Konsumentenschutz durchgeführt. Mit dem vorliegenden Antrag wird nun der Bundesminister ersucht, auf Basis dieser Ergebnisse, die schon vorliegen, einen Bericht über ein Förderkonzept von Verbraucherschutzorganisationen vorzulegen.

Herr Kollege Drobits, weil Sie gemeint haben, was mittel- und langfristig heißt: Das liest man in jeder betriebswirtschaftlichen Literatur. (Abg. Drobits: Bei euch steht dauerhaft im Regierungsprogramm  drinnen! Mittel- und langfristig ist nicht dauerhaft! Dauerhaft steht im Regierungsprogramm!) Mittelfristig bedeutet drei bis fünf Jahre, langfristig bedeutet fünf bis zehn Jahre. Das kann man also überall nachlesen, was die Worte mittel- und langfristig bedeuten.

Damit ist es eigentlich eh klar. Wir wollen dieses Thema wirklich gemeinsam angehen, und ich hoffe sehr, dass man vielleicht doch noch seine Meinung ändert und wir alle gemeinsam über dieses Thema diskutieren können. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Krainer: Wir halten uns hier ans Regierungsprogramm, da steht dauerhaft! Das solltet ihr einmal lesen!)

20.04


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Petra Wimmer. – Bitte, Frau Abgeordnete.


20.04.58

Abgeordnete Petra Wimmer (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Herr Bundesminister! Heute haben wir mit dem Antrag zur Sicher­stellung der langfristigen Finanzierung des VKI einen Antrag auf der Tagesord­nung, der eigentlich schon längst beschlossen sein könnte und – noch wichtiger – schon umgesetzt sein könnte.


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Aus unserer Sicht ist der Antrag eine weitere Verzögerungstaktik, denn er beinhaltet keine neuen und gar keine konkreten Punkte. Aus dem Ent­schließungstext kann man nicht herauslesen, was denn genau entwickelt oder evaluiert werden soll. Danach soll dann dem Ausschuss ein Bericht über die verschiedenen Möglichkeiten der Sicherstellung einer Finanzierung vorgelegt werden. Sehr geehrte Damen und Herren, was ist der zentrale Auftrag, der vom Nationalrat an die Bundesregierung geht? Die Formulierung lässt vermuten, dass wir noch länger auf eine schnelle und klare Regelung werden warten müssen. Das langjährige Anliegen der langfristigen und dauerhaften Finanzierung des VKI wird so erneut auf die lange Bank geschoben.

Dieses Vorgehen ist allerdings nichts Neues, wenn man sich ansieht, wie viele Anträge der Opposition im Ausschuss vertagt und in die Zukunft verschoben werden. Nicht nur der VKI wartet auf eine langfristige Finanzierung, auch die Landesorganisationen der Schuldnerberatungen, die Schuldnerberatungsstellen in den Bundesländern fürchten um eine ausreichende Finanzierung.

Wir sind uns alle einig – und das wird auch immer wieder hier im Hohen Haus betont –, welche wichtige Aufgabe die Schuldnerberatungen bei der Finanz­bildung und bei der direkten Schuldnerberatung leisten. Einfacher wird die Situation für die Schuldnerberatungen nicht. Aufgrund der Teuerungen sind die Beratungszahlen schon gestiegen, eine erhöhte Nachfrage ist überall zu ver­zeichnen. Dem vermehrten Beratungsaufwand stehen aber auch vermehrte Kosten entgegen. 10 Prozent mehr Personalkosten, hohe Inflation und steigende Energiekosten machen auch vor den Schuldnerberatungen nicht halt, belasten zusätzlich und sind eine große Herausforderung. Eine solide Finanzierung der Schuldnerberatungsstellen in den Bundesländern war aber den Regierungs­parteien im Ausschuss nicht wichtig genug, denn unser diesbezüglicher Antrag wurde vertagt und die Zuständigkeit auf die Länder geschoben.

Sehr geehrte Regierungsparteien, es reicht einfach nicht, den VKI hier zu loben, die gute Arbeit der Schuldnerberatungsstellen zu loben. Sie sind aufgefordert, die Finanzierung für die Zukunft sicherzustellen. Mit Ihrem Antrag machen Sie


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das nicht, Sie zeigen diese Absicht nicht. Darum werden wir auch nicht zustim­men können. (Beifall bei der SPÖ.)

20.07


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächste Rednerin ist MMag.a Katharina Werner. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


20.07.47

Abgeordnete MMag. Katharina Werner, Bakk. (NEOS): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Werte Damen und Herren! Ich habe eine gute und auch eine schlechte Nachricht. Zuerst einmal die schlechte: Vor einem Monat haben wir schon über die Finanzierung des VKI gesprochen. Es gibt noch immer kein Gesetz, und die Finanzierung ist noch immer von Ministers Gnaden. Der vorlie­gende Antrag ändert daran auch nichts. Wie vor einem Monat ist dieses Schei­tern im Kleinen ein Bild für das Scheitern im Großen. Dieser Antrag ist auch kein weiter Wurf. Es ist immer eigenartig, wenn sich die Regierung selbst auffordert, irgendetwas zu tun, obwohl sie es eigentlich tun könnte.

Jetzt aber die gute Nachricht: Der Antrag eröffnet ein Möglichkeitsfenster. Der Minister soll dem Ausschuss in einem Bericht verschiedene Möglichkeiten, das heißt zumindest zwei, zur Sicherstellung einer langfristigen Finanzierung des VKI aufzeigen. Zumindest zwei sage ich, weil ich mir natürlich schon ein bisschen mehr erhoffe.

Als Opposition hat man jetzt auch wieder zwei Möglichkeiten: Entweder man macht auf Frontalopposition, wie es eben SPÖ oder FPÖ machen, und lässt dieses Möglichkeitsfenster verstreichen, denn es geht eigentlich nicht nur um die Finanzierung des VKI, sondern auch darum, sich über die strukturelle Aufstellung des VKI zu unterhalten. Oder man verhält sich eben verantwortungsbewusst und in unserer Art und Weise kritisch, aber konstruktiv. Das tun wir jetzt und daher werden wir dem Ganzen auch zustimmen. (Ruf bei der ÖVP: Bravo!)


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Abschließend möchte ich den Herrn Minister aber schon noch in die Pflicht nehmen und ihn auffordern, sich so wie im Ausschuss hier vor dem Nationalrat und auch vor der Öffentlichkeit zu committen und eine Frist bekannt zu geben, bis wann dem Ausschuss ein Bericht vorgelegt wird. Ich glaube, es geht genau darum, dass wir hier ein Commitment machen und Verantwortung übernehmen, denn nur so werden wir das Vertrauen in die Politik, das wir verloren haben, wieder zurückbekommen. – Danke schön. (Beifall bei den NEOS.)

20.09


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Mag.a Ulrike Fischer. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


20.10.09

Abgeordnete Mag. Ulrike Fischer (Grüne): Schauen wir einmal, ob das hier hält! (Die Rednerin stellt die Ausgabe des Magazins „Konsument“ von April 2022, auf dessen Titelseite ein Extrawurstkranz mit einem Etikett mit der Aufschrift „Extra-Ausgabe!“ abgebildet ist, auf das Redner:innenpult.) Es hält. – Der Konsument, die Konsumentin ist mir nicht wurscht (auf das erwähnte Magazin weisend), der VKI natürlich sowieso nicht. Der VKI ist wichtig und die wichtigste Verbraucher­schutzorganisation. Ich setze mich dafür nicht erst seit heute, sondern seit vielen Jahren ein, damit wir für Konsumenten, Konsumentinnen einen guten Ver­braucherschutz machen können.

Wenn ich mir den heute eingebrachten Entschließungsantrag der Freiheitlichen anschaue, dann sieht man, dass der nicht populistisch, sondern einfach nur letztklassig ist. Bitte lest euch den durch und schaut euch den genau an – das ist kein guter Antrag! Wenn man sich aber den Antrag von Peter Weidinger und mir anschaut, dann ist darin sehr wohl zu lesen, wie eine mittelfristige, wie eine langfristige Finanzierung stattfinden kann.

Eines ist heute natürlich schon klar – die Evaluierung hat stattgefunden –: Es braucht eine langfristige Finanzierung, aber diese kann nur stattfinden, wenn wir das, was bei der Evaluierung herausgekommen ist, mitdenken. Bisher gab es die


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für ein Jahr geltenden Gesetze, die haben einen guten Dienst geleistet, aber jetzt zu sagen, die VKI-Finanzierung sei nicht gesichert, ist schlichtweg ein Blödsinn. Wir haben heuer, aber auch schon in den letzten Jahren mehr an Finanzie­rungs­mitteln für den VKI eingesetzt als jemals zuvor.

Wenn man sich die Bilanz von dem, was der VKI gemacht hat, anschaut, dann sieht man, dass es möglich war, 24 000 Erst- und Expertenberatungen durch­zuführen. Man kann das Heft „Konsument“, man sieht es hier (auf das erwähnte Magazin weisend), in jeder Trafik kaufen; es gibt 47 500 Print-Abos und 9 400 Online-Abos. Es kam zu 253 Klagen, und es gab 15 Sammelaktionen für über 260 000 Verbraucher und Verbraucherinnen sowie 30 Sammelklagen.

Wenn man jetzt hier ins Plenum schaut, dann muss ich sagen: Zuerst gab es eine große Aufregung, und jetzt ist das anscheinend schon gegessen und allen wurscht. Mir ist es nicht wurscht, ich bleibe weiterhin dran, dass der VKI eine gute Finanzierung kriegt. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

20.12


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wie vereinbart verlege ich die Abstimmungen an den Schluss der Verhandlungen über die Vorlagen des Ausschusses für Konsumentenschutz und fahre in der Erledigung der Tagesordnung fort.

20.13.0730. Punkt

Bericht des Ausschusses für Konsumentenschutz über den Antrag 2900/A(E) der Abgeordneten Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Durch­führung einer Haltbarkeitsanalyse und Einsatz für eine Anpassung der euro­päischen Regelungen betreffend die Verkaufsfrist von Eiern“ bis zum 31. März 2023 (1872 d.B.)



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Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir kommen zum 30. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Klaus Köchl. – Bitte, Herr Abgeordneter.


20.13.43

Abgeordneter Klaus Köchl (SPÖ): Geschätzter Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es geht bei diesem Tagesordnungs­punkt um Eier und um eine europäische Regelung. Wir haben das schon bei der letzten Nationalratssitzung länger besprochen, und soweit mir bekannt ist, hat die EU das Ganze abgeschlossen. Es gibt jetzt eine Regelung dafür, dass die Haltbarkeitsverlängerung von 21 auf 28 Tage beschlossen ist, und wir müssen ganz einfach nur mehr warten, bis unsere Regierung das umgesetzt hat. Die Freiheitliche Partei hat dazu einen Fristsetzungsantrag bis 31. März eingebracht, und ja, ich hoffe, dass Sie es bis dahin zusammenbringen, denn zu Ostern wäre das schon eine feine Geschichte. So richtig frische Eier bringt der Osterhase (Abg. Weidinger: Lei-lei!), und das, glaube ich, wäre das, was wir brauchen könn­ten.

Zwei Dinge muss ich dazu aber schon sagen: Zum einen gehört für mich dieses Thema in den Landwirtschaftsausschuss. (Abg. Kühberger: Stimmt ja nicht! Der redet einen Blödsinn!) Dort gehört einmal geregelt, warum man, wenn in Öster­reich grundsätzlich genügend Eier produziert werden, den österreichischen Markt trotzdem mit ausländischen Eiern und vor allem mit Flüssigeiern über­flutet. (Abg. Kühberger: Du redest einen Blödsinn!) Ich glaube, da gehört der eigene Markt geschützt, sodass auch der kleine Bauer die Eier richtig an den Mann bringen kann und nicht nur die Industrie. Wenn man bedenkt, dass der Bauer ständig kontrolliert wird, dann frage ich mich wirklich – und dazu frage ich Sie, ich kenne mich da nicht aus, Herr Minister –: Würden Sie mir bitte hinsichtlich der Haltbarkeit erklären, wie lange diese Flüssigeier, die nach Österreich kom­men, im Einsatz sind? Sind das 21 Tage oder sind das 28 Tage? (Abg. Kühberger: Du kennst dich nicht aus!) Wie ist das wirklich? Wie kontrollieren Sie das?


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Ich glaube, es wäre schon gescheiter, unsere eigenen Produkte dafür zu verwenden, denn das wäre sinnvoller und würde unseren Bauern einfach guttun. (Abg. Kühberger: Zwei Sätze brauchst nur lesen, dann kennst dich aus!) Das wollte ich in aller Kürze sagen.

Ich denke, dass die FPÖ diesen Punkt noch einmal auf die Tagesordnung gesetzt hat, damit man auch wirklich einmal überprüfen kann, warum ihr das nicht in den Landwirtschaftsausschuss gebt, warum ihr das nicht zumindest in den Gesund­heitsausschuss gebt, denn wenn ihr das für die Konsumenten macht, dann ist das der falsche Weg, weil der Konsument so die Sicherheit hat, dass es der 21. Tag ist, und so ist es erst der 28. Tag. Also für den Konsumenten selber ist das kein großer Vorteil, dass diese Frist verlängert worden ist. – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Heiterkeit bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Kühberger: Du hast keine Ahnung! Ruf bei der ÖVP: Das ist ja ein Wahnsinn!)

20.16


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Clemens Stammler. – Bitte, Herr Abgeordneter.


20.16.25

Abgeordneter Clemens Stammler (Grüne): Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Zur Genese dieses Speiseeierantrages (Heiterkeit bei Abgeordneten von Grünen, ÖVP und SPÖ): Die Koalitionsparteien haben am 2. Juni im Konsumentenschutzausschuss einen Antrag eingebracht, der am 15. Juni ins Plenum gekommen ist. Der Antrag hat grundsätzlich einmal ausgesagt beziehungsweise gefordert, dass sich der Bundesminister auf EU-Ebene dafür einsetzen soll, dass die Verkaufsfrist von 21 Tagen auf das Mindesthaltbarkeitsdatum von 28 Tagen ausgedehnt wird. Der Bundesminister ist dem nachgekommen. Brüssel war schnell und es ist auf EU-Ebene mit 8. Dezember in Kraft getreten – das, was am 6. Dezember, also zwei Tage vorher, im Konsumentenschutzausschuss die FPÖ beantragt hat, mit einem


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Antrag, den sie von unserem Antrag vom 2. Juni abgeschrieben hat, mit einer Fristsetzung für Ende März.

Das Interessante dabei ist: Das haben wir im Ausschuss schon gewusst. (Heiterkeit der Abgeordneten Rössler und Voglauer.) Ich weiß, es ist kompliziert und für manche zu kompliziert, denn im Ausschuss ist bereits gesagt worden, dass das, was die FPÖ für Ende März beantragt, bereits in zwei Tagen in Kraft tritt. Das ist erwähnt worden. (Zwischenruf des Abg. Zanger.) Interessanterweise hat trotzdem die gesamte Opposition für diesen Antrag gestimmt. (Beifall bei Abgeordneten von Grünen und ÖVP. Zwischenruf des Abg. Hörl.)

Da frage ich mich schon: Als Regierungspartei bekommen wir den Vorwurf, dass wir Anträge in den Ausschüssen prinzipiell vertagen, egal ob gut oder schlecht (Abg. Kassegger: Sicher!), aber anscheinend stimmt die Opposition Oppositions­anträgen zu, egal ob gut oder schlecht (Zwischenruf des Abg. Zanger), veraltet oder eigentlich zu spät. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Nichtsdestotrotz bin ich eigentlich über diese EU-weite Regelung froh. Es ist zwar nur ein kleiner Schritt, um Lebensmittelverschwendung entgegenzutreten, aber es ist ein Schritt.

Grundsätzlich noch: Wir sind alle Konsumentinnen und Konsumenten. Ein Mindesthaltbarkeitsdatum ist ein Mindesthaltbarkeitsdatum und sagt aus, wie lange das Produkt mindestens hält. Es ist kein Absolut-tödlich-ab-Datum. Das heißt – ich habe es schon einmal erwähnt –: Vertrauen Sie auf Ihre Sensorik, schauen Sie sich das Produkt an, genießen Sie es und verschwenden Sie nicht alles, was nicht mehr in diesen Rahmen und unter dieses Datum fällt. – Danke. (Beifall und Bravorufe bei Grünen und ÖVP.)

20.19


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Peter Schmiedlechner. – Bitte, Herr Abgeordneter.



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20.19.48

Abgeordneter Peter Schmiedlechner (FPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Sehr geehrter Zuseher! Wie meine Vorredner schon gesagt haben, geht es bei diesem Antrag heute um die Verlängerung der Haltbarkeitsdauer von Eiern von 21 Tagen auf 28 Tage. Ich persönlich muss ehrlich sagen, ja, das ist durchaus eine gute Sache. Das spielt auch in den Bereich Lebensmittelverschwendung hinein, und ich denke, dass man wirklich darauf schauen muss, dass man weniger Lebens­mittel verschwendet.

Was man aber zusätzlich bei dieser ganzen Geschichte bedenken muss, ist, was man damit auch unterstützt oder welchen Vorgehensweisen man damit prak­tisch auch Tür und Tor öffnet. Fakt ist, dass durch diese Verlängerung der Halt­barkeitsfrist eben gewährt wird, dass Eier teilweise quer durch Europa gekarrt werden können und dass man dann eben auch Billigimporte nach Österreich hereinbringt. (Allgemeine Heiterkeit.) – Es freut mich, dass sich zu dieser späten Stunde alle noch so amüsieren.

Ich möchte auch darauf eingehen, dass man die österreichische Landwirtschaft vor diesen Billigimporten schützen sollte, dass man einfach auch darauf achten sollte, woher die Lebensmittel kommen. Seit einiger Zeit, seit langer Zeit eigent­lich überfällig ist eine Herkunftskennzeichnung von Lebensmitteln. Herr Minister, die Konsumenten fordern diese Herkunftskennzeichnung, die Bauern fordern diese Herkunftskennzeichnung, leider kommt da von Ihrer Seite außer leeren Versprechungen, leeren Ankündigungen überhaupt nichts. Die Abgeordneten Bauernbundvertreter ziehen durchs Land und versprechen Dinge, die sie dann in Wirklichkeit nicht einhalten. Wenn man sich das Regierungsprogramm anschaut, dann sieht man, dass es die Herkunftskennzeichnung verpflichtend schon seit 2021 geben müsste. Bis jetzt ist nichts passiert, Herr Minister!

Am 30.4.2022 titelte die „Kronen Zeitung“ online begeistert: „Mehr Rot-weiß-rot auf dem Teller! Künftig wissen wir, von welchen Bauern wir Milch, Eier und Fleisch kaufen.“ Die „Krone“ verkauft das als großen „Erfolg“. Bundeskanzler


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Nehammer und die unrühmliche Landwirtschaftsministerin Köstinger, die ja bereits zurückgetreten ist, verpflichten sich in diesem Artikel gegenüber den Österreicherinnen und Österreichern, insbesondere den Leserinnen und Lesern der „Kronen Zeitung“, unmissverständlich zur Einführung einer Her­kunftskennzeichnung.

Also wo ist jetzt die Umsetzung eures Versprechens mit Anfang 2023? (Abg. Kühberger: Das ist schon in Begutachtung, Herr Kollege!) Will man es nicht? Keine Ahnung! Von Anfang 2023 kann ja ohnehin keine Rede sein, das kann sich nicht ausgehen, da bis jetzt keine notwendige Verordnung vorliegt und somit auch an die EU nichts zur Notifikation geschickt worden ist. Also wird es wohl mit 2023 auch nichts werden.

Jetzt entscheiden Sie, Herr Minister, beziehungsweise die Abgeordneten: Täu­schen wir die Menschen weiterhin oder stimmen wir dem Antrag der Frei­heitlichen zu? Es wäre höchste Zeit, dass wir vom Reden ins Handeln kommen. Deswegen bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Schluss mit den leeren Versprechen: für eine lückenlose Herkunftskennzeich­nung von Lebensmitteln“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dringend die notwendigen Schritte zur Einführung einer umfassenden Herkunftskennzeichnung zu setzen und umgehend die notwendigen Verordnungen zur Notifikation zu übermitteln.“

*****

Ich bitte um breite Zustimmung. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

20.24

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:


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Entschließungsantrag

der Abgeordneten Peter Schmiedlechner

und weiterer Abgeordneter

betreffend Schluss mit den leeren Versprechen: für eine lückenlose Herkunftskennzeichnung von Lebensmitteln

eingebracht im Zuge der Verhandlung über die Debatte zu TOP 30.) Bericht des Ausschusses für Konsumentenschutz über den Antrag 2900/A(E) der Abgeordneten Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen betreffend "Durchführung einer Haltbar­keitsanalyse und Einsatz für eine Anpassung der europäischen Regelungen betreffend die Verkaufsfrist von Eiern" bis zum 31. März 2023 (1872 d.B.) in der 189. Sitzung des Nationalrats, am 14. Dezember 2022

Am 30.04.2022 berichtete die „Kronen-Zeitung“ online begeistert:1

Mehr Rot-weiß-rot auf dem Teller! Künftig wissen wir, von welchen Bauern wir Milch, Eier und Fleisch kaufen. „Krone“-Erfolg.

Bundeskanzler Karl Nehammer und Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger verpflichten sich im Artikel gegenüber den Österreicherinnen und Österreichern, insbesondere den Lesern der „Kronen-Zeitung“, unmissverständlich zur Einführung einer Herkunftskennzeichnung zu Beginn des Jahres 2023:

„Hersteller und Unternehmen müssen auf der Verpackung von verarbeiteten, verpackten Lebensmitteln die Herkunft angeben. Das gilt etwa für Wurstwaren, Käse oder Mayonnaisen", bringen Ministerin Elisabeth Köstinger und Kanzler Karl Nehammer auf den Punkt, was im Regierungsprogramm vereinbart war und jetzt gesetzlich verpflichtend umgesetzt wird. Und sie drücken dabei aufs Tempo!

Tatsächlich wäre es auch höchst an der Zeit aufs Tempo zu drücken. Die verpflichtende Herkunftskennzeichnung soll schon mit 2023 in Kraft treten. Und das auf allen Ebenen!“, heißt es dazu im Artikel weiter.


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Auch in einer Presseaussendung des Ministeriums verkündete man unzweideutig:2

Nach Notifikation durch die Europäischen Kommission soll die verpflichtende Herkunftskennzeichnung ab 2023 in Kraft treten.

Eine umfassende Herkunftskennzeichnung sollte es laut Regierungsprogramm aber eigentlich schon längst geben! Dort haben ÖVP und Grüne „eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung der Primärzutaten Milch, Fleisch und Eier in der Gemein­schaftsverpflegung (öffentlich und privat) und in verarbeiteten Lebensmitteln ab 2021“ vereinbart.3

Bald zwei Jahre später fehlen noch immer die versprochenen Verordnungen für die Herkunftskennzeichnung in der Gemeinschaftsverpflegung und bei verarbeiteten Produkten. Das Versprechen, mit 2023 die verpflichtete Herkunftskennzeichnung in Kraft zu setzen, wird gebrochen. Will man im Verlauf des nächsten Jahres tatsächlich eine Herkunftskennzeichnung einführen, müsste man ehestmöglich die notwendigen Verordnungen der EU zur Notifikation übermitteln. Bei einem abgeschlossenen Begutachtungsverfahren wäre das umgehend möglich.

Die FPÖ fordert seit Jahren, unter anderem in einem Entschließungsantrag aus dem Jänner 2020,4 eine lückenlose Herkunftskennzeichnung von Lebensmitteln, die unter anderem folgende Punkte umfasst:

•          Strenge Auslegung der EU-Primärzutatenverordnung

•          Herkunftskennzeichnung jener Produkte, die nur wenig verarbeitet sind (insbesondere für den tierischen Bereich)

•          Herkunftskennzeichnung von Fleisch, Eiern und Milch in Großküchen

•          Ferner muss es eine bessere Unterstützung für freiwillige Kennzeichnungssysteme geben

•          Ferner muss es eine bessere Unterstützung für freiwillige Kennzeichnungssysteme geben.


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Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachfolgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dringend die notwendigen Schritte zur Einführung einer umfassenden Herkunftskennzeichnung zu setzen und umgehend die notwendigen Verordnungen zur Notifikation zu übermitteln.“

1 https://www.krone.at/2694594

2 https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20220504_OTS0148/koestinger-herkunftskennzeichnung-bei-lebensmitteln-geht-mit-ministerrats-beschluss-in-zielgerade

3 http://www.bundeskanzleramt.gv.at/dam/jcr:7b9e6755-2115-440c-b2ec-cbf64a931aa8/RegProgramm-lang.pdf

4 https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/A/A_00202/index.shtml

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht somit auch mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Andreas Kühberger. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


20.24.33

Abgeordneter Andreas Kühberger (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte es jetzt noch einmal erklären, besonders für die Kinder zu Hause vor den Bildschirmen (Abg. Kassegger: Die Kinder sind schon im Bett!) und für Herrn Kollegen Köchl.

Herr Kollege Köchl, du hast dir da jetzt selber ein Ei gelegt (allgemeine Heiterkeit), aber auf gut Deutsch: Es sind jetzt sieben Tage länger Zeit, die Ware in den


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Handel zu bringen. Ich erkläre das jetzt wirklich – und das soll jetzt der letzte Lacher gewesen sein, weil das ein ernstes Thema ist, meine Damen und Herren! (Allgemeine Heiterkeit. – Abg. Zanger: ... oder das Ei?) – Nein, aber als Bauer weiß ich, wie schwer es ist, Lebensmittel zu produzieren, egal, Herr Kollege Zanger, ob pflanzlicher oder tierischer Herkunft. Pflanzliche zum Beispiel müssen angebaut, geerntet werden. (Heiterkeit bei Abgeordneten der FPÖ.) – Ist das zum Lachen? Ich finde das traurig, lieber Herr Kollege von der FPÖ, Herr Zanger.

Ich fange noch einmal an: Das ist eine schwere Arbeit (Abg. Zanger: ... weiß ich eh!), und ein Drittel der Lebensmittel in Österreich landen im wahrsten Sinne des Wortes auf dem Misthaufen, und das ist unser Problem. Ich kann Herrn Köchl schon sagen: Das sind 510 000 Tonnen, die im Laufe des Jahres wegge­schmis­sen werden, und das geht den Österreicherinnen und Österreichern im Geld­börsel ab. Wenn man das ausrechnet, dann sind das pro Haushalt im Jahr 800 Euro, die weggeschmissen werden, und das muss auch jemand zahlen.

Warum passiert das? Gehen wir einmal auf die Situation ein! Wieso werden überhaupt noch genießbare Lebensmittel weggeschmissen? – Weil vielleicht die Wertschöpfungskette nicht so abgesprochen ist, weil zum Beispiel im Handel am Abend das Regal auch noch voll sein muss mit Semmeln wie in der Früh, weil angeblich der Konsument lieber zugreift, weil es Aktionen gibt oder vielleicht große Packungen? Meine Damen und Herren, das ist ein Riesenproblem, das da in Wahrheit entstanden ist. Eine Forderung von uns, vom Bauernbund, und auch von der Geflügelzucht in Österreich ist, dass es Änderungen auch bezüglich der Eier gibt. Warum? – Weil auch bei den Eiern zigtausend Tonnen weggeschmis­sen worden sind.

In Richtung Kollegen Köchl und Freiheitliche Partei muss ich das jetzt wirklich richtigstellen: Die EU hat im September eine Richtlinie herausgebracht, die seit 8. Dezember gilt. Und du, lieber Kollege, wolltest als Opposition gemeinsam mit der FPÖ beschließen, dass sie erst nächstes Jahr umgesetzt wird, dass sie erst dann gilt. Tatsache ist aber, dass sie schon EU-weit gilt, und das ist auch


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gut so. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Abg. Deimek: Ich glaube, du solltest mal in ein Geschäft gehen, damit du weißt, wie es wirklich ist!)

Warum ist das gut? – Weil die Lebensmittelverschwendung Ressourcen belastet, das heißt die Umwelt, wir verbrauchen Wasser, wir verbrauchen Energie. Somit ist diese Regelung gut für die Umwelt, aber auch gut für den Konsumenten, denken wir nur an die 800 Euro. Und die Versorgungssicherheit, meine Damen und Herren, ist auch wichtig. Wir haben lange dafür gearbeitet, dass wir diese in Österreich jetzt zu nahezu 100 Prozent sicherstellen können.

Die österreichische Geflügelwirtschaft leistet sehr gute Arbeit. Wir in Österreich waren die Ersten, die die Käfighaltung abgeschafft haben. Wir in Österreich haben EU-weit vor allem bei den Legehennen die größten Tierwohlstandards. Wir, die Bäuerinnen und Bauern in der Geflügelzucht in Österreich, füttern die Hennen seit 2010 zu 100 Prozent genfrei. Wir sorgen für eine gentechnikfreie Eierproduktion, wir füttern die Hühner mit Donau-Soja.

Meine Damen und Herren! Zum Schluss noch einmal kurz zur Versorgungs­sicherheit, weil es mir gerade einfällt: Schauen Sie einmal in die Zeitungen, was sich da in Großbritannien, in England gerade abspielt! Dort ist das wirklich ein Problem. Die brauchen im Jahr 14,5 Milliarden Eier, aber momentan sind sie im Einkauf rationiert. Man bekommt einmal in der Woche ein, zwei Packungen. Die müssen importieren. Daher ist es auch wichtig, dass wir die Eier nicht weg­schmeißen.

Noch einmal zur Erklärung betreffend das Mindesthaltbarkeitsdatum, das ja bei Weitem kein Verfallsdatum ist; man kann Lebensmittel nach Ablauf des Haltbarkeitsdatums auch noch konsumieren: Bisher war es so, dass der Bauer 21 Tage nach dem Legen Zeit gehabt hat, die Eier in den Handel zu bringen, und mit dieser EU-Richtlinie erhöhen wir diesen Zeitrahmen jetzt auf 28 Tage – und das ist auch gut so.


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Also: Schauen wir, dass wir österreichische Eier kaufen und essen! In diesem Sinne: Danke fürs ernste Zuhören. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

20.28


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Mag.a Ulrike Fischer. – Bitte, Frau Abgeordnete.


20.28.58

Abgeordnete Mag. Ulrike Fischer (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich erinnere mich, als wir im Ausschuss erstmals über den Eierantrag diskutiert haben. Damals war das wirklich nur so eine kleine Geschichte, halt so ein kleines Ei, und jetzt haben wir es geschafft, dass die Europäische Kommission erkannt hat, wie wichtig Eier sind. (Allgemeine Heiterkeit.) Dass Eier länger halten (Heiterkeit der Rednerin), ist uns allen klar, ja, aber jetzt haben wir da auch eine Regelung geschaffen. (Allgemeine Heiterkeit. – Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Lachen ist ja hin und wieder erfrischend, aber es geht natürlich auch um etwas anderes. Ich habe hier den Nachhaltigkeitsbericht über die SDGs (einen Bericht mit dem Titel „Uninetz-Optionenbericht – Maßnahmenübersicht“ in die Höhe haltend) mitgebracht. Dieser Maßnahmenbericht sieht im Hinblick auf das Nachhaltigkeitsziel, Nummer zwölf, vor, dass Lebensmittel nicht nur nicht verschwendet werden sollen, sondern es gibt auch konkrete Maßnahmen, wie wir diese Lebensmittelverschwendung eindämmen können.

Was da heute von der SPÖ gekommen ist, kann ich überhaupt nicht nachvoll­ziehen. Wir müssen bei jedem einzelnen Lebensmittel ansetzen, denn Lebensmittel sind wertvoll, sie gehören geteilt, sie gehören wertgeschätzt, sie gehören verwendet, sie gehören richtig gelagert – und sie gehören nicht weggeworfen, überhaupt nicht. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)


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Von Lebensmittelverschwendung hat niemand etwas, auch die SPÖ nicht, also lassen wir das. Sagen wir nicht, Eier sind unwichtig – nein, Eier gehören auch dazu! (Heiterkeit bei Grünen, ÖVP und FPÖ.)

Wir tun jetzt etwas: Eier dürfen länger im Handel sein (Abg. Michael Hammer: Dürfen länger fortgehen!), nämlich 28 statt 21 Tage. Noch schöner wäre es, wenn wir die Eier noch länger behalten könnten (Heiterkeit bei Grünen, ÖVP und FPÖ), aber daran arbeiten wir noch. (Zwischenruf des Abg. Zanger.)

Bis dahin: Freuen wir uns, dass wir an der Reduktion der Lebensmittelver­schwen­dung insofern arbeiten, als wir Maßnahmen setzen, um die Lebens­mittel­verschwendung bis 2030 um die Hälfte zu reduzieren! Dabei hilft auch der Aktionsplan gegen die Lebensmittelverschwendung. (Abg. Zanger: Das war jetzt nicht das Gelbe vom Ei!)

An dieser Stelle auch ein Dank an Minister Rauch und Ministerin Gewessler, die sich tagtäglich dafür einsetzen, dass wir Maßnahmen gegen die Lebensmittel­verschwendung und auch gegen die Eierverschwendung setzen. Dafür stehe ich. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie der Abg. Doppelbauer.)

20.31


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wie vereinbart verlege ich die Abstimmungen an den Schluss der Abstimmungen über die Vorlagen des Ausschusses für Konsumentenschutz.

20.32.10Abstimmung über die Tagesordnungspunkte 28 bis 30


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir kommen nun zu den verlegten Abstimmungen über die Tagesordnungspunkte 28 bis 30, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme. (Abg. Weidinger begibt sich zum Sitzplatz der Abg. Fischer und


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umarmt sie. – Abg. Zanger: Wird das die Hochzeit des Jahres? – Ruf bei der ÖVP: Nur, wenn du Trauzeuge bist!)

Wünschen die Klubs eine kurze Cool-down-Phase? (Allgemeine Heiterkeit.) – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 28: Entwurf betreffend Fachstelle-Normungsbeteiligung-Gesetz, samt Titel und Eingang in 1752 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung die Zustimmung erteilen, um ein Zeichen. – Das ist einstimmig. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 29, die dem Ausschussbericht 1871 der Beilagen angeschlossene Entschließung betreffend „Förderkonzept zur Sicherstellung einer langfristigen Finanzierung von Verbraucherschutzorganisationen insbesondere des VKI“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mehrheitlich angenommen. (285/E)

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Ein Bundesgesetz betreffend ein VKl-Finanzierungsgesetz 2023“.

Wer für diesen Entschließungsantrag ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, der Antrag ist abgelehnt.


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Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 30: Antrag des Ausschusses für Konsumentenschutz, seinen Bericht 1872 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Schluss mit den leeren Versprechen: für eine lückenlose Herkunftskenn­zeichnung von Lebensmitteln“.

Wer für diesen Entschließungsantrag ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. (Ruf bei der ÖVP – in Richtung FPÖ –: Eindeutige Zustimmung!) – Das ist die Minderheit, der Antrag ist abgelehnt.

20.34.1831. Punkt

Bericht des Umweltausschusses über den Antrag 2978/A(E) der Abgeordneten Dr. Astrid Rössler, Johannes Schmuckenschlager, Julia Elisabeth Herr, Walter Rauch, Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend Importverbot von Haiprodukten (1873 d.B.)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen nun zum 31. Punkt der Tagesord­nung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Lukas Hammer. – Bitte, Herr Abgeordneter.


20.34.48

Abgeordneter Lukas Hammer (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! (Der Redner trägt einen blauen Anstecker in Form eines Hais auf seinem Revers.) Man könnte sich die Frage stellen,


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warum wir im Umweltausschuss des österreichischen Parlaments über Meeresschutz und Haischutz diskutieren, denn wir haben keinen Zugang zum Meer. Die Antwort ist: Wir entscheiden mit, wie es den Ozeanen geht – mit dem, was wir konsumieren, mit dem, was wir importieren, und auch damit, wie wir uns in internationalen europäischen Verhandlungen verhalten.

Wir sind auch von den Ozeanen abhängig, denn die Meere liefern uns Nahrung, Ressourcen, Rohstoffe und Sauerstoff – jeder zweite Atemzug, den wir zu uns nehmen, kommt aus dem Meer. Noch nehmen Meere Sauerstoff und CO2-Emissionen auf, sie spielen eine entscheidende Rolle im Kampf gegen die Klima­krise.

Über eine Milliarde Menschen sind direkt oder indirekt von Fischerei als Einkom­mens- und Nahrungsquelle abhängig – aber die Meere sind durch multiple, von Menschen verursachte Krisen bedroht: Rücksichtlose Überfischung, Tiefseeboh­rungen, Tankerunfälle und eine unglaubliche Verschmutzung, vor allem durch Plastik und Mikroplastik, setzen den Meeren zu. Nicht zuletzt bedroht die Klima­katastrophe mit einer Übersäuerung und auch einer Erwärmung der Meere alle Meereslebewesen, unter anderem eben auch die Haie.

Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass Haie das Gleichgewicht in den Ozeanen erhalten, durch Überfischung und Zerstörung ihrer Lebensräume sind aktuell jedoch fast alle Haiarten vom Aussterben bedroht. In den letzten 50 Jahren sind die Haibestände um über 70 Prozent geschrumpft, jedes Jahr werden über 100 Millionen Haie getötet. Geht das so weiter, wird es bald keine Haie mehr geben, und stirbt der Hai, stirbt das Meer.

Wir haben uns deshalb für einen in Europa sehr einzigartigen Schritt entschieden und uns auf ein generelles Importverbot für kommerzielle Haiprodukte geeinigt: Fleisch oder Teile von Haien dürfen, wenn wir das umsetzen, nicht mehr nach Österreich eingeführt werden. (Beifall bei den Grünen, bei Abgeordneten der ÖVP sowie der Abg. Herr.)


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Darüber hinaus wollen wir, dass sich die Bundesregierung auf EU-Ebene für eine umfassende Herkunfts- und Fischereikennzeichnung einsetzt, damit auch klar ist, was wo drinnen ist. Wir wollen, dass man es zum Beispiel weiß, wenn in Produk­ten Hai enthalten ist, dass das nicht einfach als Fisch gekennzeichnet wird.

Als Vorsitzender des Umweltausschusses freut es mich ganz besonders, dass wir das heute gemeinsam beschließen werden und dieser Antrag von allen Parteien mitgetragen wird. Ich bedanke mich auch ganz herzlich für die Zusammenarbeit in diesem Punkt. Ich hoffe, dass dieser Beschluss auch ein Vorbild für andere Länder in Europa sein wird und wir damit einen Startschuss für den Haischutz in Europa geben.

Ich möchte mich sehr herzlich bei der Organisation Sharkproject bedanken, insbesondere bei Gabi und Herbert Futterknecht, die heute auch hier sind. (Abg. Bernhard winkt in Richtung zweier Besucher:innen auf der Galerie.)

Mit ihrer Aufklärungsarbeit, die NGOs wie Sharkproject machen, leisten sie einen enormen Beitrag dazu, das Image der Haie zu korrigieren: Weg von diesem Image als blutrünstige Bestie, das wir aus Filmen kennen, hin zu einem schüt­zenswerten Tier und unverzichtbaren Teil der Ökosysteme unserer Ozeane, das eben unseren Schutz verdient. Für diesen Schutz setzen wir heute einen wich­tigen, guten Schritt, und ich bedanke mich noch einmal für die Zusam­men­arbeit und hoffe auf breite Zustimmung. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.39


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Julia Elisabeth Herr. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


20.39.09

Abgeordnete Julia Elisabeth Herr (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Ich beginne heute meine Rede mit ein paar Fakten, die es in sich haben. Geschätzt die Hälfte des gesamten globalen CO2-Ausstoßes


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wird von unseren Ozeanen wieder aufgenommen und gespeichert. Die Wich­tigkeit unserer Meere kann also gar nicht in irgendeiner Art und Weise überbewertet werden – und trotzdem gehen wir mit den Meeren um, als wäre das egal, und fischen die Meere leer, was die Ozeane natürlich aus ihrem Gleichgewicht bringt.

60 Prozent der gesamten Fischbestände sind maximal befischt – da geht nicht noch mehr –, und 35 Prozent sind bereits überfischt.

Das heißt, die Bestände, die es gibt, schrumpfen Tag für Tag, und immer mehr Fischarten sterben aus. Damit man sich das vorstellen kann: Diese Zahl, diese 35 Prozent, ist eine Verdreifachung in nur wenigen Jahrzehnten! Das zeigt, wie brutal und schnell wir unsere Meere leerfischen. Vor allem auch Haie zählen zu den bedrohten Arten, die für das ökologische Gleichgewicht ganz besonders wichtig sind.

Das bedeutet, während Haie seit Jahrtausenden auf diesem Planeten leben (Abg. Matznetter: 300 Millionen Jahre!) und sogar die Dinosaurier überlebt haben, drohen sie jetzt von Menschen ausgerottet zu werden. Das können wir nicht zulassen. Deshalb beschließen wir heute – ja, das ist ein Fünfparteienantrag, das freut uns sehr – die Prüfung eines nationalen Importverbots von jeglichen Haifischprodukten. (Beifall bei SPÖ und Grünen.) – Danke für den Applaus, aber ich will gleich betonen: Wir prüfen ein Importverbot nur. Das ist deswegen zu betonen, weil es noch keine Umsetzung ist, was wir heute beschließen. Die muss aber so rasch wie möglich erfolgen, Herr Minister! (Beifall bei der SPÖ.)

Jedes Jahr sterben 100 Millionen Haie unter anderem für die heimische Kos­metikindustrie, ein Million-Dollar-Business, wie man so schön sagt. Viele wissen auch gar nicht, dass die Sonnencreme, die wir verwenden, oder der Lippenstift, die Foundation oder die Bodylotion, die wir alle hin und wieder verwenden, möglicherweise aus Haifischprodukten bestehen; dass das Kollagen in unserer Hautcreme aus Haifischknorpel bestehen kann oder beispielsweise die


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feuchtigkeitsspendenden Elemente in unserer Hautcreme aus Haileber stam­men. Ehrlicherweise: Wer in diesem Raum hat es gewusst?

Der Punkt ist: Es gäbe auch Alternativprodukte, die man verwenden könnte, statt Haifische zu jagen – aber die wären halt teurer. In unserem kapitalistischen Wirtschaftssystem führt das leider dazu, dass man immer möglichst gerne billig produziert und dafür lieber in Kauf nimmt, dass man ganze Tierarten aus­rottet, um weiterhin Gewinne einfahren zu können, statt dass man eben teurer produziert. Mit diesem Business muss Schluss sein! (Beifall bei der SPÖ.)

Was wir hier außerdem nicht vergessen dürfen: Mit dieser aus dem Ruder gelau­fenen industriellen Fischerei muss generell Schluss sein! Die hat längst nichts mehr damit zu tun, was wir uns vielleicht irgendwie romantisch unter Fischfang vorstellen, mit einzelnen Booten (Abg. Haubner: Der weiße Hai!), wo der Fischer dann den Fisch ins Boot zieht. Das ist eine hochtechnologisch gerüstete Flotte, die da unterwegs ist, die die Meere durchkämmt und sie mit Helikoptereinsatz und Satellitenunterstützung leerfischt. Auch die Tiefsee ist durch diese langen und tiefen Netze, die heutzutage verwendet werden, in keiner Weise mehr sicher davor. Heuschreckenartig ziehen diese industrialisierten Fischerboote durch die Meere, und wenn einmal ein Gebiet leergefischt ist, zieht man zum nächsten weiter. Das muss unterbunden werden!

Es braucht mehr Kontrollen, aber es braucht auch insgesamt mehr Schutzgebiete für unsere Meere. Nur 1,2 Prozent der internationalen Gewässer stehen unter Schutz – 1,2 Prozent, das ist ja lächerlich! Wir brauchen eine Ausweitung dieser Meeresschutzgebiete, denn wir zerstören das Gleichgewicht unserer Ozeane, und da müssen wir bedenken, dass quasi jeder zweite Atemzug, den wir machen, aus dem Meer kommt. So viel Sauerstoff wird eben durch unsere Ozeane ermöglicht. Das heißt: Schützen wir unsere Ozeane, schützen wir auch uns! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Das Lämpchen hier leuchtet schon rot, aber ein paar Sätze muss ich trotzdem noch hinzufügen. Es ist sehr schön, dass wir heute einen Fünfparteienantrag zu


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diesem Projekt ermöglichen. Auch ich darf mich bei der NGO bedanken, die uns alle, glaube ich, gut dabei unterstützt hat, aber ich wünschte mir, dass wir hier nicht nur so einig sind, wenn es um die Artenvielfalt in den Ozeanen geht, viele Kilometer entfernt, sondern auch dann, wenn es um die Artenvielfalt in Österreich geht. Die industrialisierte Landwirtschaft mit den Pestiziden und den vielen Giftstoffen oder sonstigen Spritzmitteln zerstört auch hier die Arten­vielfalt. (Zwischenrufe der Abgeordneten Prammer und Weratschnig.) Da braucht es auch endlich eine Einigkeit in diesem Haus unter allen fünf Parteien, dass das unterbunden werden muss. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Weratschnig.)

20.44


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


20.44.24

Abgeordneter Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Die geneigten Zuseherinnen und Zuseher mögen sich fragen, was denn das österreichische Parlament der Hai angeht beziehungsweise warum uns das in Österreich überhaupt interessiert. Wir haben ähnliche Diskussionen beim Eisbären gehabt, als es um den Klimaschutz ging, sozusagen der Eisbär verliert den Lebensraum. Dann hat man festgestellt, dass das ein bisschen weit weg von unserer Bevölkerung ist. Beim Hai ist es tatsächlich anders, denn wenn die Statistik stimmt, so ist Österreich beim Import von frischen Haifilets an fünfter Stelle, man glaubt es ja gar nicht; wenn die Statistik stimmt. Aber gehen wir einmal davon aus. Also betrifft es uns sehr wohl, weil offensichtlich viel Haifleisch in Österreich konsumiert wird; dazu später.

Wir haben von den Vorrednerinnen und Vorrednern von der Bedeutung des Hais und der CO2-Bindung durch die Meere gehört. Der Hai, finde ich, ist ein faszinierendes Wesen. Er wird ja landläufig, wie es der Kollege erwähnt hat, als


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Killer bezeichnet. In Wahrheit ist der Hai deswegen faszinierend, weil er viel älter als die Dinosaurier ist. 100 Millionen Jahre vor den Dinosauriern hat es schon Haie gegeben, vor rund 300 bis 400 Millionen Jahren. Das heißt, Haie haben alle Änderungen im Laufe der Erdgeschichte überstanden.

Es wäre natürlich ewig schade, wenn sie jetzt verlorengingen, weil die Haie eine zentrale Bedeutung im Meeresökosystem haben. Sie spielen dort eine wichtige Rolle, weil sie eben nicht Menschenfresser sind, sondern alte, kranke Fische beseitigen, Überpopulationen eindämmen und so ein ökologisches Gleichge­wicht erzeugen, Kadaver im Meer verwerten und in Wahrheit dafür sorgen, dass Krankheiten im Meer nicht verbreitet werden und das Ökosystem funktioniert.

Daher haben Haie eine enorme Bedeutung für die Ökologie. Gleichzeitig gehö­ren sie aber zu den gefährdetsten Meerestieren. Sie erholen sich nur langsam, haben langsame Wachstumsraten, wenig Nachwuchs; und so sind manche Populationen bis zu 95 Prozent in ihrem Bestand gefährdet. Es gibt sage und schreibe 1 200 Hai- und Rochenarten und davon ist über ein Drittel gefährdet.

Zu Österreich noch einmal: Wie gesagt, wir sind an fünfter Stelle, was den Import von frischen Haifilets anlangt. Rund 200 Tonnen Haifleisch, gefrorene Haiprodukte, Haiflossen wurden zwischen 2012 und 2019 nach Österreich importiert. Haifleisch ist oft billiger Fleischersatz, wird manchmal auch falsch als Schwertfisch deklariert und kommt so auf den Speiseteller, wobei die Menschen wahrscheinlich gar nicht wissen, dass sie Hai essen, weil das Produkt nicht entsprechend gekennzeichnet ist. Zusätzlich besteht dadurch, dass Haie Kadaver verwerten und Ähnliches, beim Haifleischkonsum eventuell ein Gesundheits­risiko, weil der Quecksilbergehalt relativ hoch ist.

Der Punkt ist, dass es wichtig ist, diesen Allparteienantrag zu unterstützen, weil wir gemeinsam vorgehen wollen, um eben kommerzielle Haiprodukte zu verbieten, auf gesundheitliche Schäden hinzuweisen und eine klare Herkunfts­deklaration vorzuschreiben. Gerade jetzt ist es wichtig, da in Kanada die Weltnaturkonferenz läuft und weil die Vereinten Nationen beim Schutz der


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Biodiversität in Wahrheit nicht sehr erfolgreich waren. Von Mal zu Mal steckt man sich Ziele, die nicht erreicht werden.

Ich möchte abschließend darauf hinweisen, dass wir uns in Österreich vor Jahren bemüht haben, die eigene Fischproduktion zu steigern. 2012 durfte ich als Minister ein Programm starten, weil viele Menschen gerne Fisch essen, auch verstärkt essen, aber sehr kritisch sind und ein Labelling haben wollen. Wir haben damals das AMA-Gütesiegel für Fisch eingeführt und eine Produktion hochgezogen, um eben mehr heimischen Fisch zu erzeugen. Das ist mühsam. Wir hatten einen Selbstversorgungsgrad von etwa 5 Prozent. Der ist auf 7 Prozent gestiegen, immerhin ein Zuwachs, und wir haben immerhin 77 Be­triebe mehr, insgesamt über 500 Betriebe, die in Österreich Fische erzeugen. Das ist ein positiver Trend, was wichtig ist, weil wir damit auch eine Produktion im heimischen Land absichern und auch Importe aus Übersee verhindern können. Ich glaube, das ist ein wichtiger Punkt. Gerade wenn Versorgungsketten unterbrochen sind, ist das Potenzial für Produktion in Österreich zu nutzen, damit wir heimischen Fisch auf den Tellern haben können. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwischenruf des Abg. Hafenecker.)

20.48


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Michael Bernhard. – Bitte, Herr Abgeordneter.


20.48.57

Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Herr Präsident! Für uns NEOS ist ein ganz zentraler Wert in unserer Politik, dass wir Verantwortung auch für die nächste Generation übernehmen wollen. Wir sehen, dass es in der Frage der Artenvielfalt im Meer und – ganz konkret beim heutigen Thema – bei der Frage des Schutzes von Haien einen deutlichen Mismatch gibt zwischen der Verant­wortung für die nächste Generation, dem Artenschutz, vor allem auf hoher See, und der aktuellen Entwicklung.


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Viele meiner Vorredner und -rednerinnen haben es schon ausgeführt: Ein zentrales Element ist, dass die Ozeane tatsächlich ganz wichtige Ökosysteme für unseren Planeten sind, die eine Vielzahl von Funktionen haben. Der Hai ist in diesem Ökosystem essenziell. Als größter Raubfisch ist er tatsächlich für ein Gleich­gewicht zuständig, das am Ende des Tages mitbeeinflusst, wie viel an jenen Treibhausgasen, die derzeit emittiert werden, auch in den Ozeanen gespeichert wird und wie viel an Sauerstoff daraus wiederum entstehen kann.

Lukas Hammer hat es vorhin auch ausgeführt: Jeder zweite Atemzug, den wir und die nächsten Generationen aufnehmen, kommt aus den Ozeanen. Der Hai spielt darin eine wesentliche Rolle.

Wir haben die Situation, dass wir im Bereich der Hohen See, im Bereich der internationalen Gewässer eine Form von rechtsfreiem Raum haben, wo Haie keinen Schutz genießen, und dass wir viele nationale Gewässer haben, wo tatsächlich auch Umweltkriminalität in einem Ausmaß besteht, dass kein Schutz besteht und die nationalen Gesetze nicht umgesetzt werden können.

Dadurch kommen wir in die Situation, dass dort, wo internationale Konferenzen sinnvollerweise stattfinden, diese Beschlüsse und diese Ziele nicht schnell genug wirken, dass sie den Hai am Ende des Tages auch wirkungsvoll schützen können.

Daher müssen wir auf einer anderen Seite ansetzen, und das ist, glaube ich, eine sinnvolle Maßnahme, die wir heute im Nationalrat beschließen, dass wir nämlich sagen: Da, wo es auch in Verantwortung für die nächste Generation zwingend erforderlich ist, verzichten wir auf einen Import. Dadurch verzichten wir auch auf einen Konsum von Produkten, die aus Haifisch produziert und generiert werden.

Für uns NEOS ist es klar: Dort, wo Freiheit und Eigenverantwortung nicht reichen, braucht es auch weitergehende Regeln. Bei der Artenvielfalt ist das so ein Punkt, wo wir das sehr gerne unterstützen. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

20.51



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Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Dr.in Astrid Rössler. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


20.51.37

Abgeordnete Dr. Astrid Rössler (Grüne): Herr Vorsitzender! Geschätzter Herr Bundesminister! Kolleginnen und Kollegen! Zuseherinnen und Zuseher sowie Initiatoren des heutigen Antrages! Das ist eine gute Sache: ein Beschluss von fünf Parteien gegen den illegalen Import von Haifischfleisch, für einen europaweiten Schutz, für eine Deklaration der Herkunft und für eine Kennzeich­nungspflicht und damit auch ein Signal für den Schutz der Haie.

Erfreulicherweise wurde vor wenigen Wochen, zwei Wochen, ein Beschluss zur Unterschutzstellung von 60 Haiarten gefasst – auch ein wichtiger Teil, weil damit diese Haie in den internationalen Schutz nach Cites aufgenommen werden können.

Konsequenterweise müssen wir aber denselben Maßstab auch anwenden, wenn es um den Schutz der heimischen Arten weltweit, aber natürlich auch unserer eigenen Tier- und Pflanzenarten und ihrer Lebensräume geht, denn nur eine intakte Natur ist die Grundlage für unsere Gesundheit, für unser Wohlergehen. Nur eine intakte Natur hilft uns gegen die Folgen des Klimawandels, ist die Grundlage unserer Trinkwasserreserven und für gesunde Luft, die wir atmen, ist Nahrungsgrundlage, ist Wirtschaftsgrundlage.

Das heißt, der Schutz von intakten Lebensräumen, der Schutz von Tier- und Pflanzenarten darf natürlich nicht bei einer Art aufhören, die ziemlich weit weg ist, sondern wir müssen uns auch selbst an der Nase nehmen und schauen, wo wir denn stehen.

Die Fakten sind sehr düster: Mehr als die Hälfte unserer 500 Biotoparten in Österreich sind in einem schlechten oder sehr schlechten Zustand. Mehr als die Hälfte, über 60 Prozent, unserer Amphibien und Reptilien sind stark gefährdet.


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Fast jeder zweite heimische Fisch ist stark gefährdet. Jede dritte Vogelart ist stark gefährdet.

Wir befinden uns in Wahrheit in einem wesentlich schlechteren ökologischen Zustand, als wir es wahrhaben wollen. Die Gründe: Verlust und Verschlech­terung des Lebensraums und allen voran der weit überbordende Flächenfraß, den wir immer noch ungehindert vorantreiben, großteils als Verlust von Agrarflächen und Wiesenflächen. Es sind eben nicht die Waldökosysteme, sondern es ist genau dort, wo wir eigentlich unsere Nahrungsgrundlagen brauchen.

Umso wichtiger ist es, dass wir den heutigen Beschluss, der von fünf Parteien getragen wird, auch in künftige Entscheidungen für unseren eigenen Lebens­raum mitnehmen.

Der Biodiversitätsfonds – seit letztem Jahr mit 80 Millionen Euro ausgestattet – ist ein erster Schritt, etwas zur Verbesserung von gefährdeten oder in schlech­tem Zustand befindlichen Lebensräumen beizutragen. Es geht jetzt aber auch darum, dass wir fünf Parteien in diesem Haus gemeinsam die Biodiversitäts­stra­tegie 2030 unterstützen.

Das wird uns ziemlich fordern und unter anderem auch dazu beitragen, dass wir gemeinsam den Schulterschluss zwischen Bewirtschaftung – damit meine ich die landwirtschaftliche Bewirtschaftung – und Naturschutz voranbringen.

Es bringt überhaupt nichts, wenn man das immer gegeneinander ausspielt. Wir brauchen den Naturschutz für die Landwirtschaft, und wir brauchen die naturnahe Bewirtschaftung, um zu unterstützen, dass wir eine intakte Natur haben.

Als letzter Gedanke: Heute wurden von den NGOs und der Wissenschaft die heimischen Tiere und Pflanzen des Jahres 2023 präsentiert – viele Arten, die viele von uns wahrscheinlich gar nicht kennen.


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Den Feuersalamander als Höhlentier wird vielleicht noch der eine oder andere kennen. Das Braunkehlchen, einen Wiesenbrüter, der als Bodenbrüter auf extensive landwirtschaftliche Flächen geradezu angewiesen ist – genau da brauchen wir diese Partnerschaft zwischen Naturschutz und Landwirtschaft –, die Haselmaus, die dichte wilde Hecken braucht, die zunehmend verschwinden, oder den kleinen Wasserfrosch, der auf kleine nährstoffarme Moorgewässer angewiesen ist, wird kaum jemand kennen.

Es zeigt aber, wie stark der Rückgang ist, dass wir viele unserer Mitgeschöpfe auf diesem Planeten leider kaum noch kennen. Umso wichtiger ist es, das heute als Zeichen zu nehmen, um auch vor der eigenen Haustür aktiv zu werden. (Beifall bei den Grünen sowie der Abgeordneten Berlakovich und Diesner-Wais.)

20.55


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Joachim Schnabel. – Bitte, Herr Abgeordneter.


20.56.05

Abgeordneter Joachim Schnabel (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Hohes Haus! Vieles wurde schon gesagt; ich werde mein Redemanus­kript kürzen.

Ich möchte eingangs auch vonseiten der ÖVP ein herzliches Danke an Shark­project aussprechen und übermitteln, vor allem an Frau Gabriela Futterknecht, die auch anlässlich der Präsentation im Naturhistorischen Museum eine wirklich fundierte und auskunftsreiche Präsentation über die Problematik dargelegt hat.

Geschätzte Damen und Herren! Vielfach wird nicht bewusst sein, was sich hinter den Begriffen Schillerlocke, Seeaal, Dornfisch, Steinaal oder Königsaal verbirgt. Es sind Haifischprodukte, die dann irgendwo auf den Tellern in Österreich landen und hier entsprechend verklausuliert verkauft werden.

Auch nicht bekannt – das wurde auch schon genannt – ist, dass in Kosmetikpro­dukten Haifischprodukte enthalten sind. Wenn sich also – hauptsächlich – die


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Damen einen Lippenstift zuführen, dann haben sie Bestandteile von Haileber in diesem Lippenstift. Das ist auch vielen nicht bewusst. Man könnte mit diesem anvisierten Importverbot auf künstlich hergestellte Substanzen zurück­greifen.

Österreich ist – der Kollege hat es schon gesagt – beim Import von Hai­fischfilets vermutlich an der fünften Stelle. 70 Millionen Haie werden jährlich gefangen, meistens als Beifang. Das zerstört das wichtige Ökosystem unserer Ozeane.

Sollten sich die Ozeane erwärmen, dann sind viele unserer Klimaschutzdiskus­sionen müßig, weil der Ozean eine zwanzigfach größere Speicherfähigkeit von CO2 besitzt als zum Beispiel der Wald.

In diesem Sinne, geschätzte Damen und Herren, unterstützen wir diesen Antrag. Es ist wichtig, dass wir die Meere – auch wenn sie nicht unmittelbar vor der Haustüre sind – schützen, um auch den Klimawandel zu bekämpfen.

Da die Weihnachtsfeiertage nahen, geschätzte Damen und Herren: Wir haben eine tolle Fischproduktion im Lande. Genießen Sie einen Weihnachtskarpfen und keinen Haifisch! (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

20.58


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wie vereinbart verlege ich die Abstimmungen an den Schluss der Verhandlungen über die Vorlagen des Umweltausschusses und fahre in der Erledigung der Tagesordnung fort.

20.58.3332. Punkt

Bericht des Umweltausschusses über den Antrag 2969/A(E) der Abgeordneten Ing. Martin Litschauer, Johannes Schmuckenschlager, Julia Elisabeth Herr,


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Kolleginnen und Kollegen betreffend Neubaupläne von Small Modular Reactors (SMRs) in Tschechien (1874 d.B.)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen nun zum 32. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt Ing. Martin Litschauer. – Bitte, Herr Abgeordneter.


20.59.05

Abgeordneter Ing. Martin Litschauer (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Vor genau 22 Jahren und zwei Monaten habe ich mit vielen Aktivisten überparteilich Grenzblockaden gegen das AKW Temelín organisiert.

Die Geschichte daraus kennen wir: Es wurden damals die höchsten und auch einheitliche Sicherheitsstandards für Atomkraftwerke versprochen. Auch Atommüllendlager wurden damals für das AKW Temelín versprochen. Nichts davon hat sich wirklich erfüllt.

Was damals aber kritisiert worden ist: dass Österreich angeblich so spät mit der Kritik an Temelín dahergekommen ist. Deswegen bin ich jetzt besonders sensibel.

Als wir vor ein paar Wochen die Nachrichten erhalten haben, dass in Tschechien SMR, also Small Modular Reactors – das sind Mini-AKWs –, geplant werden sollen, da war es, denke ich, höchste Zeit, sofort zu reagieren, diese Kritik auszuräumen und das wieder überparteilich aufzustellen.

Deswegen haben wir, mehrere Abgeordnete, uns dann auch zusammengetan und einen Antrag ausgearbeitet. Der ist auch schon im Vorfeld, vor dem Einbringen an alle Fraktionen zur Möglichkeit der Unterstützung verteilt worden. Ich freue mich, dass im Ausschuss dann auch signalisiert worden ist, dass wir


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dazu, glaube ich, wieder einen einstimmigen Beschluss fassen können. Das ist ganz wichtig, um zu zeigen, dass wir nichts davon halten, auf Mini-AKWs zu setzen.

Warum ist das so? – Dafür gibt es mehrere Gründe. Diese Mini-AKWs werden pro produzierter Kilowattstunde Strom noch mehr Atommüll produzieren als die sogenannten großen Brüder. Das heißt, das kann eigentlich nicht Sinn und Zweck der Übung sein. Wenn ich nun von einer Reaktorgröße von ungefähr 30 Megawatt ausgehe, bedeutet das, dass ich 30 so kleine Reaktoren brauchen würde, um einen Reaktorblock in Temelín mit 1 000 MW zu ersetzen. Das heißt, die Eintrittswahrscheinlichkeit für technische Unfälle vervielfältigt sich natürlich. Das kann nicht in unserem Sinne sein.

Dann kommt noch ein wesentlicher Punkt dazu: Wir wissen noch gar nicht so recht, welche Mini-AKWs da genau gebaut werden sollen, denn dafür gibt es noch gar keine wirkliche Vorlage. Man kann nur davon ausgehen, dass die im Verhältnis noch teurer werden als die großen; und das Spektrum an Tech­nolo­gien, das da im Gespräch ist, ist auch sehr breit. Von den klassischen mit Uran betriebenen Mini-AKWs kann das bis zu den mit Thorium betriebenen Mini-AKWs reichen. Wenn man bedenkt, dass aus Thorium Uran-233 erbrütet wird und Uran-233 wiederum der Basisstoff für Atomwaffen sein kann, ist das natürlich auch eine problematische Situation.

Da bin ich sehr, sehr froh, dass das in Österreich ausgeschlossen ist; denn wir sind ja dem Atomwaffenverbotsvertrag beigetreten und damit ist ausge­schlos­sen, dass Österreich dazu beitragen wird, Material für Atomwaffen, atom­betrie­bene U-Boote oder Flugzeugträger zu produzieren. Wir müssen aber natürlich aufpassen, dass das nicht in anderen Bereichen passiert. Schließlich ist keiner der Staaten in der EU, die aktuell auf Atomkraft setzen, aktuell bereit gewesen, genau diesem Atomwaffenverbotsvertrag beizutreten. Deswegen müssen wir natürlich auf der Hut sein und uns da auch zusammentun, damit solche Pläne und solche Gefahren uns nicht überrumpeln. Wir sehen ja auch in der Ukraine, wie schnell Atomenergie auch eine globale Sicherheitsfrage sein kann – und vor


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einer solchen Situation müssen wir uns wirklich schützen. Ich danke, dass wir uns da alle gemeinsam auf die Füße stellen und für die Sicherheit in Europa und im Wesentlichen natürlich auch in Österreich kämpfen.

Nur wenn wir auf die Energiewende setzen und gleich mit erneuerbaren Ener­gien das Problem lösen, können wir auch Sicherheit herstellen – denn eines ist sicher: Auch die kleinen Atomkraftwerke werden nicht rechtzeitig da sein, um einen Beitrag gegen den Klimawandel zu leisten. Deswegen gilt es, gleich auf Erneuerbare zu setzen und die Energiewende und den Kampf gegen den Klima­wandel nicht zu verzögern. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

21.03


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Cornelia Ecker. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


21.03.25

Abgeordnete Cornelia Ecker (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Auch wenn Österreich aus Über­zeugung über keine eigenen Atomkraftwerke verfügt, haben unsere Nachbar­staaten eine Vielzahl davon, teils nur wenige Kilometer von unserer Staatsgrenze entfernt. Es ist Tatsache, dass ein nuklearer Super-GAU auch Österreich massiv treffen würde. Daher begrüßen wir als Sozialdemo­kratie die Initiative der Bundesregierung gegen geplante Erweiterungen von Atommeilern in unserer direkten Nachbarschaft. (Präsident Sobotka übernimmt den Vorsitz.)

Atomkraft ist gefährlich, ist schädlich für die Umwelt und ist auf keinen Fall eine nachhaltige Energieform. Die Kraftwerke sind störungsanfällig, teuer im Betrieb, und es gibt in ganz Europa kein qualifiziertes Endlager. Frankreich ist jenes Land in unseren Breitengraden, das sehr viel auf Atomkraft setzt – und wenn wir die Medienberichte der letzten Wochen beobachten, dann zeigen sie uns, dass mehr als die Hälfte der Atomkraftwerke in Frankreich aufgrund von


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Wartungsarbeiten gerade außer Betrieb ist und Frankreich vor einem Energie­notstand steht. So zuverlässig ist Atomkraft! Hinter dieser Art von Strom­erzeugung steht natürlich auch eine große Lobby, die stets versucht, die neuen Technologien als zukunftsfähig zu verkaufen. Einen neuen Anlauf sehen wir gerade in Tschechien, wo der staatliche Energieversorger bis 2032 kleine Mini-AKWs, sogenannte Small Modular Reactors errichten möchte. Dieses Ansinnen müssen wir als Österreich entschieden abwehren, geschätzte Kollegin­nen und Kollegen! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Es freut mich sehr, dass wir im Umweltausschuss dafür eine überparteiliche Mehrheit gefunden haben und dem Außenminister heute mit unserem Beschluss ein starkes Mandat geben – die ablehnende Haltung Österreichs nicht nur Tschechien, sondern auch der Europäischen Union gegenüber. Dieses Projekt muss mit allen politischen und auch allen rechtlichen Mitteln gestoppt werden. Für mich stellt sich die Frage, wie man solche Projekte verhindern und jenen Ländern, die vor allem davon betroffen sind, bessere Parteienstellungen gewäh­ren könnte. Da kann ich der Diskussion im Ausschuss, aber auch dem vorlie­genden Antrag viel abgewinnen, eine grenzüberschreitende Umweltver­träg­lich­keitsprüfung einzuführen. Mit diesem Antrag setzen wir heute ein starkes Zeichen gegen Atomkraft und untermauern unseren Wunsch nach einem atom­freien Europa. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ, bei Abgeordneten der Grünen sowie des Abg. Bernhard.)

21.06


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gelangt Abgeordneter Deimek. – Bitte sehr, Herr Abgeordneter.


21.06.11

Abgeordneter Dipl.-Ing. Gerhard Deimek (FPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Ja, dieser Antrag ist ein Antrag, der absolut unterstützenswert ist, der es wert ist, zu 100 Prozent umgesetzt zu werden. Ich warne aber gleichzeitig davor, dass man nun sagt: Mit dieser Euphorie des Antrages werden wir die


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Ziele, die im Antrag drinstehen – die grenzüberschreitende UVP oder Sonstiges –, zu 100 Prozent erreichen können. Ich erinnere, weil gerade von der Tschechei und von Temelín die Rede ist, daran: Der damalige Landesrat Anschober hat über zehn Jahre lang gekämpft – und das Ergebnis war ein Null­ergebnis. Den sogenannten Melker Prozess hat dann Bundeskanzler Schüssel in einer blau-schwarzen Koalition umgesetzt, dem Landesrat ist nichts geglückt. Ich möchte davor warnen, dass wir mit einer Euphorie, wie es seinerzeit Anschober gemacht hat, in das Ganze reingehen und am Ende heraus­kommt, dass die Tschechen, die Slowaken, die Ungarn, die Slowenen, die Italiener, die Schweizer genauso weiterbauen wie bisher und uns aufzeigen, was bei diesem Thema völkerrechtlich möglich ist: nämlich genau gar nichts oder ein paar freundliche Worte.

Was wir aber unbedingt machen sollten, ist: beobachten, schauen, was sich in Temelín tut. Gut, mittlerweile geht die Tendenz in Richtung der neuen, kleineren Reaktoren. Wir müssen schauen, was sich bei der Technologie tut und was sich in anderen Gebieten ergibt. Das ist unsere eigentliche und wirkliche Chance, etwas zu erreichen. Wenn beispielsweise andere Technologien kommen – Kollege Litschauer hat es schon erwähnt –, ist die Frage: Werden die besser sein, werden die schlechter sein? Wir müssen beobachten, welche Risikoszenarien sich daraus ergeben, und wir müssen unter Umständen unsere Anstrengungen verstärken oder anders ausrichten, auf die Länder und so weiter.

Eines möchte ich heute schon auch noch zu überlegen geben, weil Kollege Litschauer gesagt hat, das alles müssen wir wegen des Klimawandels machen. Zur Zeit werden vor Südamerika, und zwar genau im Bereich Guayana/Suriname, in einem Ölfeld von Exxon bereits 300 000 Barrel Öl pro Tag gefördert und die Lizenzen vor Suriname werden vergeben. Ich glaube, es sind Petronas und Exxon gemeinsam, die dort die Bohrlizenzen bekommen – mit wesentlich mehr Ölförderung pro Tag als auf der anderen Seite. Dieses Öl geht zum Raffinieren und zum Verwenden der Produkte in die USA und nach China. Das heißt, diese zwei Länder fördern Erdöl und Erdgas, was das Zeug hält – und wir retten die


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Welt. Ich glaube, die Position ist etwas überzogen. – Danke. (Ruf bei der ÖVP: ... die Redezeit überzogen! – Abg. Lukas Hammer: Da klatscht nicht einmal deine eigene Fraktion! – Ruf bei der ÖVP: Kein Applaus! – Beifall bei der FPÖ. – Abg. Lukas Hammer: Na, jetzt ist’s zu spät!)

21.09


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Jachs. – Bitte.


21.09.26

Abgeordnete Mag. Johanna Jachs (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrte Kolle­ginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Was erleben wir in Europa gerade? In Europa springen mehrere Länder wieder auf den Retrozug auf und setzen vermehrt auf Atomkraft – Frankreich zum Beispiel, das haben wir schon gehört, aber eben auch unser Nachbarland Tschechien.

Was passiert da? – Tschechien will der Retroenergie ein neues Mascherl um­hän­gen und Mini-AKWs bauen. Trotz dieses neuen Mascherls steckt eine alte Technologie dahinter, und darum haben die Atomenergie, die Atomkraftwerke Platz in der Vergangenheit, aber definitiv nicht in der Zukunft. Wir alle kennen die Nachteile der Atomenergie, die Gefahr für die Menschen und für die Umwelt sowie das Endlagerungsproblem. Darauf möchte ich jetzt gar nicht näher eingehen.

Ich möchte aber mit einem vermeintlichen Vorteil der Atomenergie aufräu­men, denn Befürworter der Atomenergie kommen oft mit der Behauptung daher, dass Atomenergie wetterunabhängig produziert werden könnte: Das ist schlichtweg falsch. Unser Weltklima wird immer wärmer und alleine in diesem Sommer mussten in Frankreich, also auch in Europa, fünf Atomkraftwerke vom Netz genommen werden, weil die Flüsse, aus denen die Kühlwässer ent­nommen wurden, entweder zu warm waren oder einen zu niedrigen Wasser­stand hatten. Sie sehen also: Atomenergie kann nicht wetterunabhängig produ­ziert werden.


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Aber zurück nach Tschechien: Dort haben wir den Schrottreaktor Temelín. Alleine in den Jahren 2018 und 2019 – es gibt leider keine aktuelleren Zahlen – mussten die Reaktoren an mindestens 80 Tagen pro Jahr vom Netz genommen werden. Störfälle, Austritt von Kühlflüssigkeit oder ein Wasserstoffleck sind also eigentlich der normale Betrieb in Temelín. Genau mit dieser fehlerhaften Technologie wollen die Tschechen jetzt kleine Mini-AKWs bauen, aber eben auch nicht mitten in Tschechien, sondern an der Grenze zum Mühl- und Waldviertel, weil – eh klar –: Diese Schrotttechnologie wollen die Tschechen auch nicht mitten im eigenen Land haben.

Darum, liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich eines ganz klar festhalten: Es kommt nicht auf die Größe an, denn egal ob ein Atomkraftwerk jetzt so groß ist wie ein Fußballfeld, ein Einfamilienhaus oder auch nur mehr so groß wie ein Schiffscontainer: Ein AKW bleibt auch dann ein AKW, wenn es ein kleines ist. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen sowie der Abgeordneten Drobits und Krainer.)

Die Atomenergie hat für uns keine Zukunft. Darum freut es mich, dass wir hier als Österreich wieder ein gemeinsames, geschlossenes Zeichen setzen können und weiter für ein atomkraftfreies Österreich eintreten. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

21.12


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Shetty. – Bitte sehr.


21.12.36

Abgeordneter Mag. Yannick Shetty (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! 90 Prozent der Österreiche­rinnen und Österreicher sagen Nein zu Atomkraft. Alle Parteien hier, da gibt es Konsens, sagen Nein zu Atomkraft. Niemand in Österreich will Atomkraft.


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Ja, wir stimmen diesem Antrag zu, der sich nicht auf Österreich, sondern auf Tschechien bezieht, aber ich frage mich schon ein bisschen, warum dieser Antrag überhaupt auf der Tagesordnung steht. Es ist ja ein Entschließungsantrag, bei dem Sie als Regierungsparteien – von Ihnen ist diese Initiative ja ausgegangen – sich selber, Ihre Ministerin, auffordern, dass sie ein anderes Land zu etwas auffordern soll. (Abg. Stögmüller: Themen setzen!) Sie machen damit ein Nicht­thema zu einem Thema. (Abg. Stögmüller: Ja!)

Man braucht, glaube ich, nicht lange darüber nachzudenken, um zu checken, warum Sie das tun und warum Sie diese Initiative ergriffen haben: weil das wieder einmal, so wie bei vielen anderen Beispielen, ein Ablenkungsmanöver davon ist, dass Sie in so ziemlich allen Bereichen im Klimaschutz nichts zustande bekommen, ein Ablenken von Ihrem Versagen in der Klimaschutzpolitik (Zwischenruf des Abg. Deimek), weil alle zentralen Projekte fehlen. Wo ist denn das Klimaschutzgesetz? Wo ist denn das Energieeffizienzgesetz? Wo ist denn das Erneuerbare-Wärme-Gesetz? Und: Wo ist denn eigentlich die Klima­schutzministerin?

Kollege Scherak hat es heute am Vormittag schon gesagt: Keine andere Minis­terin hat so viel im Nationalrat gefehlt wie die Klimaschutzministerin Gewessler. Sie ist überall, sie ist in Katar, sie ist in Kanada, sie ist in Ägypten, aber sie ist nicht im Nationalrat, um sich dem zu stellen, dem sie sich stellen sollte, nämlich unseren Fragen zu ihren Regierungsvorlagen, die fehlen – und die fehlen umfangreich. (Beifall bei den NEOS. – Zwischenruf des Abg. Deimek.)

Ja, und deswegen reden wir über Ablenkungsthemen. Wie gesagt, wir stimmen diesem Antrag zu, diesen Antiatomkonsens gibt es. Wir reden aber hier über Ablenkungsthemen, weil Sie nicht das halten, was Sie versprochen haben. Wir haben das hier schon oft gesagt und haben Ihre Plakate zitiert, an die Sie sich vielleicht gar nicht mehr so gern erinnern möchten. Sie haben plakatiert: Der Klimaschutz würde grün wählen!, aber grün tut nichts für den Klimaschutz (Zwischenruf bei der ÖVP), zumindest nicht ausreichend etwas für den Klima­schutz. (Zwischenruf bei den Grünen.)


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Ich möchte auch sagen, es gibt auch ein Gegenmodell zu dem, was Sie tun, zu diesem Stillstand in der Klimaschutzpolitik. (Zwischenruf bei den Grünen.) Ganz aktuell haben wir da in der Wiener Stadtregierung auch diese Woche etwas vorgelegt. (Heiterkeit, Bravorufe und Daumen-hoch-Zeichen bei den Grünen.) – Da brauchen Sie gar nicht so zu lachen, ich weiß, dass das für Sie nicht angenehm ist. (Beifall und Daumen-hoch-Zeichen bei Abgeordneten der Grünen.) Ich weiß, dass das für Sie nicht angenehm ist, zu sehen, dass dann, just dann (Zwischenruf der Abg. Maurer), wenn grün nicht mehr regiert, endlich etwas weitergeht. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Stögmüller: Ja, schick mal die SPÖ!)

Wir haben in Wien diese Woche die Zahlen, was die Fotovoltaik betrifft, prä­sentiert. Wir haben in zwei Jahren, seit Regierungsantritt der rot-pinken Fortschrittskoalition in Wien (Abg. Lukas Hammer: Die Fotovoltaikförderung kommt vom Bund, mein lieber Kollege! – weiterer Zwischenruf bei den Grünen), den Fotovoltaikausbau in Wien verdoppelt: von 50 Megawatt auf 100 Megawatt. (Beifall bei den NEOS. – Zwischenruf bei den Grünen.)

Da fragt man sich schon auch, was in den zehn Jahren Rot-Grün davor passiert ist, genauer gesagt unter grüner Verantwortung, weil Sie die zuständige Stadträtin gestellt haben. (Zwischenrufe bei den Grünen.) Da sieht man wieder, in Wien und im Bund: Sie sind groß im Reden (Zwischenruf bei der ÖVP), aber klein im Umsetzen. Ich würde mir im Sinne des Klimaschutzes wünschen, dass es in Zukunft umgekehrt wäre. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenruf bei den Grünen.)

21.16


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Rauch. Ich darf ihm das Wort erteilen.


21.16.13

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren


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Abgeordnete! Das war nun wahrlich eine bemerkenswerte Rede, mit hohem Selbstbewusstsein ausgestattet (Ruf bei der SPÖ: Na super! – Zwischenruf bei der ÖVP) – gratuliere, ich würde mich nicht trauen. (Abg. Krainer: Auch hohe Kom­petenz und Sachkompetenz!) – Ja, ich war lange genug im Umweltbereich tätig und weiß schon, wer was gemacht hat und wer was geleistet hat. Ich kann da auf einiges zurückblicken.

Ich finde diesen Antrag aber bemerkenswert, das möchte ich festhalten. Ich finde die Einstimmigkeit bemerkenswert, weil in so einer Situation, in der wir uns befinden, energiepolitisch die Größe zu haben, als Parlament in dieser Frage klar Haltung zu zeigen und sich einstimmig dagegen auszusprechen, das finde ich bemerkenswert, und das möchte ich in dieser Deutlichkeit auch sagen, denn – das hat Österreich bewiesen – in dieser Frage gibt es eine klare Haltung. Seit Zwentendorf gibt es in diesem Land eine klare Haltung dazu.

Die Form der Kernreaktoren, um die es hier und heute geht: Die nennen sich so niedlich Kleinreaktoren, womit suggeriert wird, dass das ja eh nichts Gefährliches und eigentlich ganz lieb und nett und eine Lösung ist. – Dem ist nicht so. Das hat sich bewiesen. Sie sind sicherheitstechnisch nicht ausgereift, sie sind nicht zur Marktreife gebracht worden, sie sind keine Lösung, ganz im Gegenteil, sie sind eine Weiterführung des Problems.

Eine Entscheidung der tschechischen Regierung in dieser Frage gibt es noch nicht. Dazu müsste das tschechische Energiekonzept geändert werden. An einer dafür notwendigen strategischen Umweltprüfung würden wir uns natürlich grenzüberschreitend beteiligen. Das heißt, wir müssen uns auch klar darüber sein, dass jeder Staat zwar seine eigene Energiepolitik macht, dass aber, jeden­falls wenn es um Atomkraft geht, die Folgen grenzüberschreitend sind, sie nicht vor den Grenzen Halt machen. Das wissen wir in Österreich spätestens seit Tschernobyl. Deshalb sehr herzlichen Dank, auch von meiner Seite stellvertre­tend für Frau Bundesministerin Gewessler, für die Einstimmigkeit bei diesem


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Antrag. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

21.18


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Diesner-Wais. – Bitte.


21.18.36

Abgeordnete Martina Diesner-Wais (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren im Nationalrat! Liebe Zuseher auf der Galerie und zu Hause! Kollege Shetty, du sprichst von Ablenkung: Nein, der Grund für diesen Antrag ist nicht Ablenkung, sondern persönliche Betrof­fenheit.

Ich als Waldviertler Abgeordnete trete für die Zurückdrängung der Atomenergie in Europa ein. Stattdessen sollten wir, der Zeit angepasst, die erneuerbare Energie fördern.

Was auf keinen Fall geht, ist, dass Nachbarländer ihre Atommülllager in Grenz­nähe errichten.

Auch die kleinen modularen Reaktoren, die Mini-AKWs, machen die Atom­ener­gie nicht salonfähig, und diese gilt es einfach zu verhindern, denn unsere Bevölkerung im Waldviertel hat Sorge und natürlich auch Angst betreffend gesundheitlicher Gefährdungen. Daher ist es besonders wichtig, dass die Bevölkerung bei den Verhandlungen miteingebunden ist, dass es Schutzkorri­dore gibt und dass keiner der kleinen Reaktoren und auch kein Endlager in Grenznähe sein darf.

Unfälle wie in Fukushima oder in Tschernobyl haben uns eine Warnung gegeben, mit Atomkraft ist nicht zu spaßen und Atomenergie darf nicht Teil der euro­päischen Energieversorgung sein. (Abg. Kassegger: ... die Franzosen aber nicht so! Sagen Sie das einmal den Franzosen!) Ich bedanke mich bei allen Fraktionen, dass wir gemeinsam gegen die atomare Bedrohung vorgehen. Wir haben es auch


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schon gehört: Die Gefahr ist nicht geringer, weil es kleinere AKWs sind, und es entsteht auch noch mehr Atommüll.

Gerade in einer Zeit der Energiekrise ist erneuerbare Energie zu stärken, und damit wird auch die Abhängigkeit reduziert. Es ist auch ganz besonders wichtig, dass wir bei den erneuerbaren Energien die Biomasse dabei haben. Die immer wiederkehrenden Versuche von Brüssel, dass Atomstrom ein grünes Mascherl bekommt, sind nicht optimal, und die Nutzung von Holz in Österreich darf nicht als Klimasünde hingestellt werden, denn das ist wirklich absurd.

Daher gilt es, den Antiatomkurs in der Politik weiterzuführen und auch dafür Sorge zu tragen, dass Österreichs Forstwirtschaft nicht belastet wird, weil in anderen Ländern aufgrund von Holzschlägerungen Raubbau am Wald stattfindet. In Österreich ist das Holz eine natürlich nachwachsende, erneuer­bare Energie, die es auch zu fördern und zu stärken gilt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

21.21


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

21.21.43Abstimmung über die Tagesordnungspunkte 31 und 32


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Dann kommen wir zu den Abstimmungen über die Tagesordnungspunkte 31 und 32, die wir wie immer getrennt vornehmen.

Ich darf die Klubs fragen, ob wir zur Abstimmung kommen können? SPÖ? Grüne? NEOS? FPÖ? ÖVP?

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 31, die dem Ausschussbericht 1873 der Beilagen angeschlossene Entschließung betreffend „Importverbot von Haiprodukten“.


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Wer dafür ist, den darf ich um ein entsprechendes Zeichen bitten. – Das ist mehrstimmig angenommen, nein, einstimmig angenommen. Jetzt ist es einstimmig, ja. (286/E)

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 32, die dem Aus­schuss­bericht 1874 der Beilagen angeschlossene Entschließung betreffend „Neubau­pläne von Small Modular Reactors (SMRs) in Tschechien“.

Ich darf die Damen und Herren bitten, die dem die Zustimmung geben, auf­zu­stehen und ein Zeichen zu geben. – Das ist jetzt auch einstimmig. (287/E)

21.22.5933. Punkt

Bericht des Verkehrsausschusses über den Bericht der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betref­fend ÖBB-Rahmenplan 2023-2028 (III-794/1857 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 23. (Rufe: 33!) – 33? Entschuldigung, 33!

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Hauser. Ich darf ihn ans Pult bitten. – Bitte sehr, Herr Abgeordneter.


21.23.40

Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (FPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Zum Finale: Herr Minister, ich habe der zuständigen Verkehrsministerin Gewessler in nahezu jeder Ausschusssitzung die Frage gestellt, ob sie uns nicht endlich einen Verkehrsplan für die Sanierung der Luegbrücke präsentieren will. Wie schauen nämlich die Fakten aus? – Die Luegbrücke ist am Ende ihrer Laufzeit angekommen, muss dringend saniert werden. Wir wissen, dass der Brennertransit schon jetzt eine komplette Belastung für die Tiroler Bevölkerung darstellt. Jetzt müssen wir mit 2,5 Mil-


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lionen Lkw-Transitfahrten rechnen, mit elf, zwölf Millionen Pkw-Transit­fahrten, der Brennerbasistunnel wird vielleicht 2032 fertig und die Luegbrücke wird saniert. Im Worst Case gibt es nur eine Fahrbahn in jede Fahrtrichtung, und das führt zu fürchterlichen Staus.

Was sagt denn der Asfinag-Geschäftsführer dazu? – Er sagt, ich zitiere: „Der Güterverkehr wird gegebenenfalls Alternativen finden. Die Frage ist, was tun wir mit dem Individualverkehr? Starke Reisewochenenden werden nicht mehr zu bewältigen sein.“ – Das sind die Aussagen des zuständigen Asfinag-Managers. Auch vonseiten des Tourismus wird gesagt, es wird hundertprozentig zu Staus kommen, und das wird auch für den Tourismus, nicht nur für die Einheimischen, ein riesengroßes Desaster sein.

So, das ist die Situation. Ich habe mehrmals nachgefragt, wann endlich ein konkreter Verkehrsplan präsentiert wird, damit sich die Bevölkerung, damit sich die Wirtschaft, aber auch der Tourismus auf die Sanierung der Luegbrücke, die notwendig ist, einstellen können. – Keine Antwort.

Deswegen bringe ich heute einen Antrag ein und hoffe, dass dieser Antrag unterstützt wird:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Konkreter Verkehrsplan während der Sanierung der Luegbrücke zur Ver­hinderung eines Totalchaos“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie werden aufgefordert, spätestens im 1. Halbjahr 2023 einen konkreten Verkehrsplan für die Zeit der Sanierung der Luegbrücke vorzulegen.“


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*****

Ich glaube, das verdient nicht nur die Bevölkerung, sondern das verdienen auch die Wirtschaft und der Tourismus. Ich bin gespannt, ob dieser Antrag heute angenommen wird. (Beifall bei der FPÖ.)

21.26

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Mag. Gerald Hauser

und weiterer Abgeordneter

betreffend Konkreter Verkehrsplan während der Sanierung der Luegbrücke zur Verhinderung eines Totalchaos

eingebracht in der 189. Sitzung des Nationalrates, XXVII. GP, am 14. Dezember 2022 im Zuge der Debatte zu TOP 33, Bericht des Verkehrsausschusses über den Bericht der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Tech­nologie betreffend ÖBB-Rahmenplan 2023-2028 (III-794/1857 d.B.)

Trotz mehrmaliger Nachfrage in diversen Verkehrsausschüssen konnte die zuständige Ministerin keine Antwort geben, wie das vorhersehbare Verkehrschaos, das durch die Sanierung der Luegbrücke und die Verzögerung der Fertigstellung des Brenner­basis­tunnels zu entstehen droht, verhindert wird. „MeinBezirk.at“ berichtet dazu:1

Die Baumaßnahmen sollen 2024 starten. Im selben Jahr wird die nächste Inspektion der Luegbrücke vorgenommen. Im besten Fall stehen danach weiterhin zwei Fahrspuren pro Richtung zur Verfügung. Vielleicht muss die Belastung der Brücke ab 2025 aber neuerlich reduziert werden. Dann gibt es nur mehr eine Spur pro Richtung. Ob dieser Fall eintrifft und wenn ja, an wie vielen Tagen die gefürchtete Einspurigkeit erforderlich sein könnte, sei nicht absehbar, so Siegele. Und es gibt ein noch schlimmeres Szenario: Weil die Brücke am Ende ihrer Lebensdauer ange­kommen ist, kann auch ein Versagen nicht ausgeschlossen werden. Bekanntlich


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montiert die ASFINAG deshalb derzeit unterhalb der Luegbrücke ein "Sicherheitsnetz" aus insgesamt 500 Tonnen Stahl. Somit droht im Worst Case "nur" eine temporäre Totalsperre. "Wir sind mit dem gesamten Neubau zeitlich in Verzug und haben daher erstmals ein Problem mit der Sicherheit einer Infrastruktur", räumte Siegele dazu ein.

Der ASFINAG-Geschäftsführer informierte auch darüber, dass man bereits dabei sei, mit diversen Behörden und Institutionen (Einsatz-)Pläne und Strategien für mögliche "überregionale Krisen" auszuarbeiten – "damit niemand im Verkehr erstickt". Für Siegele ist klar: "Der Güterverkehr wird gegebenenfalls Alternativen finden. Die Frage ist, was tun wir mit dem Individualverkehr? Starke Reisewochenenden werden nicht mehr zu bewältigen sein." Während Siegele also nicht glaubt, dass der Urlauberstrom Richtung Süden großräumig ausweicht, fürchten heimische Tourismusvertreter um Gäste. "Staus werden hundertprozentig kommen, im Stubai kriegen wir wahrschein­lich große touristische Probleme", meinte der vormalige TVB-Obmann Sepp Rettenbacher.

Der Brennerbasistunnel steht laut vorgelegtem ÖBB-Rahmenplan während der Zeit der Sanierung der Lueg-Brücke als möglicher Alternativverkehrsweg auch noch nicht zur Verfügung.

Daher stellen die unterzeichnenden Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie werden aufgefordert, spätestens im 1. Halbjahr 2023 einen konkreten Verkehrsplan für die Zeit der Sanierung der Luegbrücke vorzulegen.“

1 https://www.meinbezirk.at/stubai-wipptal/c-lokales/bauvorhaben-sorgt-jetzt-schon-fuer-schrecken_a5661358

*****



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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Weratschnig. – Bitte.


21.26.29

Abgeordneter Hermann Weratschnig, MBA MSc (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Abgeordnete! Herr Kollege Hauser hat jetzt den Tagesordnungspunkt betreffend ÖBB-Rahmenplan dafür benutzt, genutzt, die Sanierung der Luegbrücke in Tirol zu thematisieren. Ich möchte aber schon mit dem Gegenstand des Tagesordnungspunktes beginnen, nämlich mit dem ÖBB-Rahmenplan, den wir vorliegen haben, dem größten Bahnpaket in der Zweiten Republik, dessen Mittel wir nochmals erhöhen. Mit 19 Milliarden Euro Investitionsvolumen bis 2028 steht frisches Geld für Bahninvestitionen zur Verfügung. Das ist viel Geld, das ist viel Mobilität, das ist ein guter Plan! (Beifall bei Abgeordneten von Grünen und ÖVP. – Abg. Loacker: ... aber kein konkretes Ziel!)

Vor allem ist es auch eine Ansage gegen die Teuerungskrise, gegen die Energie­krise und gegen die Klimakrise. Die Planungen fließen in die verkehrspolitischen Zielsetzungen des Regierungsprogrammes. Sie fließen in die Zielsetzungen des Zielnetzes der ÖBB 2025. Der Rahmenplan selbst ist wiederum die Grundlage für das Einvernehmen mit der zuständigen Bundesministerin, und das Vorbelas­tungsgesetz ist die haushaltsrechtliche Voraussetzung: 3 Milliarden Euro pro Jahr für den Bahnausbau.

Vielleicht ein paar wichtige Punkte im ÖBB-Rahmenplan: weiterer Ausbau der Infrastrukturanlagen für den Güterverkehr: Das ist, glaube ich, ein ganz wichtiger Bereich, wenn wir im Modal Split weiterkommen wollen – nämlich hinsichtlich Straße und Schiene – und den Güterverkehr von der Straße auf die Schiene verlagern wollen, mit dem Ziel einer Erhöhung des Schienenanteils auf 40 Pro­zent bis 2040.


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Der Ausbau des Nahverkehrs in den Ballungszentren, in den Ballungsräumen: Da ist die S-Bahn zu nennen, die Stammstrecke im Großraum Wien, und vor allem auch der Ausbau des Nahverkehrs im Rheintal in Vorarlberg. (Beifall bei den Grü­nen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Bahnhofsmodernisierungen: Bei den Bahnhofsmodernisierungen steht, glaube ich, im Mittelpunkt der Etappenplan, nämlich noch die letzten Bahnhöfe, die es brauchen, barrierefrei umzubauen. Die Bahnhöfe sind Mobilitätsdrehscheiben, Serviceportale für die Bürger:innen, für die Gemeinden und Städte. Das ist ein ganz wichtiger Bereich, die Bahnhöfe barrierefrei auszubauen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Das Elektrifizierungsprogramm: Das Elektrifizierungsprogramm ist ein maß­geb­licher Teil der Dekarbonisierung. Zwei große und gute Beispiele sind die Marchegger Ostbahn oder die Traisentalbahn. Da wird elektrifiziert, da wird dekarbonisiert, da wird Klimaschutz konkretisiert.

Die Maßnahmen zur optimalen betrieblichen Verkehrsabwicklung sowie Maß­nahmen zur Effizienzsteigerung durch das ETCS-System: Da versuchen wir durch das Zugsicherungssystem, vor allem auch mehr Kapazität auf die Schiene zu bringen.

Fortführung laufender Projekte: Der Brennerbasistunnel ist schon genannt worden; der Ausbau der Koralmbahn, des Semmeringbasistunnels, der Brennerachse und natürlich auch der viergleisige Ausbau zwischen Linz und Wels.

Nicht zu vergessen: Am Montag dieser Woche – eine ganz wichtige Sache – wurde mit einer neuen Nightjet-Verbindung gestartet, nämlich mit dem Nightjet nach Genua. Wir verbinden uns also auch nach Italien. Es gibt auch die Nightjets nach Hamburg und nach Paris.


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Ich glaube, das sind ganz wichtige Maßnahmen, mit denen wir auch den Kurzstreckenflügen Paroli bieten und wieder konkreten Klimaschutz betreiben. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Sehr geehrte Damen und Herren, es freut mich besonders, dass die Zeit für mich anscheinend nicht weiterläuft, aber aufgrund meines Gefühls glaube ich, dass ich bereits in Richtung Ende des Zeitkorridors komme.

Mein Schlusssatz: Das Bahnfahren schont die Geldtaschen, spart Energie und schützt das Klima. Investitionen in die Bahn zahlen sich zweifach und dreifach aus. Werte Zuseherinnen und Zuseher, werte Abgeordnete, mit diesem ÖBB-Rahmenplan steigen Sie ein, steigen Sie um, kommen Sie sicher und pünktlich ans Ziel. Wir versuchen, die Rahmenbedingungen bestmöglich umzusetzen, damit der öffentliche Verkehr ausgebaut wird. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

21.31


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Stöger. – Bitte sehr.


21.31.20

Abgeordneter Alois Stöger, diplômé (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir behandeln jetzt den ÖBB-Rahmenplan, der eigentlich eine ganz große Entscheidung über die Infrastruktur, über die Raumplanung in dieser Republik beschreibt. Das ist wichtig, dass wir über die Fragen: Wo findet Verkehr statt?, Wo bauen wir die Bahn aus?, Was zeigt der Rahmenplan?, auch hier im Parlament diskutieren.

Kennen Sie das Tullnerfeld? (Rufe: Ja! Ja!) Im Tullnerfeld ist 2012 ein Bahnhof errichtet worden. Dort waren, als wir das erste Mal durchgefahren sind, nur Wiesen und Felder. Mittlerweile ist dort ein prosperierendes Industrieviertel entstanden. Das ist deshalb entstanden, weil eine Verbindung geschaffen wurde. Wir brauchen Verbindungen, um industrielle Strukturen zu entwickeln und die


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Wirtschaft zu fördern. Dort, wo wir investieren, wo wir in Verkehrsinfrastruktur, in die Bahn investieren, entsteht ein neuer Wirtschaftsraum. Daher ist diese Auseinandersetzung über den Rahmenplan durchaus wichtig. Diese Entschei­dun­gen, die wir hier treffen, sind auch für die Regionen bedeutend. Ich bin damit zufrieden, was man da gemacht hat. Doris Bures hat das damals unter ihrer Ministerschaft umgesetzt, und wer heute durch das Tullnerfeld fährt, merkt in relativ kurzer Zeit, was sich da entwickelt hat.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist wichtig, auch darauf hinzu­wei­sen, und ich sage das sehr wertschätzend und durchaus auch mit Respekt: Der Rahmenplan ist in Ordnung, der Rahmenplan ist wichtig, nur wenn ich es mir aus der Perspektive meines Bundeslandes anschaue, sage ich, es gibt Bereiche, bei denen mehr passieren müsste. (Beifall bei der SPÖ.) Wie schaut es mit der Durch­bindung der Mühlkreisbahn bis zum Linzer Bahnhof aus? Wenn das, was im Rahmenplan bezüglich regionaler Verkehr, städtischer Verkehr drinnen steht, umgesetzt werden soll, dann muss man in Linz etwas machen. Leider sehe ich das in diesem Rahmenplan nicht.

Die zweite Frage, die sehr wichtig ist, insbesondere für den Raum Steiermark und Oberösterreich: Wohin entwickelt sich die Schoberachse? Passt die Geschwindigkeit, mit der wir uns da weiterentwickeln, oder passt sie nicht? Da würde ich mir wünschen, dass wir noch mehr tun. Wenn wir die Ziele, die die Frau Bundesministerin da hineinschreibt, im Klimabereich umsetzen wollen, dann müssen wir noch mehr in die Bahn investieren. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, hinsichtlich Elektrifizierung wird etwas gemacht, und das ist wichtig, aber es könnte mehr sein.

Eines möchte ich noch dazusagen: Wir haben in der letzten Ausschusssitzung zwölf Tagesordnungspunkte gehabt. Da war von der Regierung außer Berichten nichts dabei. Den Antrag auf ein Verkehrszielegesetz habe ich im


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Parlament eingebracht. Da muss man sich genau mit diesen Fragen aus­einandersetzen: Wohin wollen wir verkehrliche Raumplanung entwickeln? Was sind die Ziele des öffentlichen Verkehrs? Wie ist das mit der Politik in den Gemeinden abgestimmt? – Das wollen wir umsetzen, aber leider hat die Regie­rung wieder einmal alles vertagt. Wir haben zwölf Tagesordnungspunkte gehabt, und eigentlich ist nur einer in das Plenum gekommen. Das ist schade. Es ist aber ein wichtiger Punkt, das muss man auch umsetzen.

Daher bitte ich: Schaut euch an, was mit dem Bundesverkehrszielegesetz erreicht werden soll!, und ich lade euch alle ein: Setzen wir uns mit einer gescheiten Raumplanung im öffentlichen Verkehr auseinander! Der Entwurf für ein Bundesverkehrszielegesetz, den die SPÖ vorgelegt hat, wäre eine gute Ausgangsbasis dafür. – Besten Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

21.35


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Ottenschläger. – Bitte.


21.36.00

Abgeordneter Andreas Ottenschläger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Zu Beginn möchte ich einmal sagen, Herr Bundesminister – gerichtet auch an Sie als Sozialminister –: Ich glaube, es ist durchaus gut, dass Sie hier die Frau Bundesministerin vertreten. Es ist passend. Warum? – Weil (Abg. Hafenecker: Weil er sich besser auskennt!) das, was wir heute diskutieren, ja die Basis dafür ist, dass wir leistbare und nachhaltige Mobilität in diesem Land sichern, und das tun wir eben mit diesem jetzt zu diskutierenden ÖBB-Rahmenplan. Es ist tatsächlich sinnvoll investiertes Steuergeld.

Meine Damen und Herren! Der Beitrag von Herrn Kollegen Stöger zeigt, glaube ich, auch, dass es in diesem Haus möglich ist, sehr konstruktiv zusammenzu­arbeiten und zumindest einmal in diesem Bereich nahezu einen Schulterschluss zu erreichen. Ich stehe aber nicht an und möchte auch die Gelegenheit nutzen,


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zu sagen: Ja, es waren damals SPÖ-Verkehrsministerinnen und -minister, die die Basis dafür gelegt haben. Fortgeführt wurden diese Projekte von einem freiheitlichen Verkehrsminister, und auch wir haben den Weg eingeschlagen, diese Projekte dementsprechend zu unterstützen und mit diesem ÖBB-Rahmenplan tatsächlich auch zahlreiche Verbesserungen für die Menschen in Österreich zu forcieren.

Kollege Weratschnig hat ja die Vorhaben schon sehr gut erläutert. Mir ist es ein besonderes Anliegen, darauf hinzuweisen, dass zwei wesentliche Punkte in diesem Rahmenplan Priorität gefunden haben: Das eine ist die schon angesprochene weitere Elektrifizierung und das Zweite ist sozusagen die Digitalisierung der Schiene. Was heißt das? – Dieses sogenannte ETCS-System ermöglicht es, die Kapazitäten auf dem bestehenden Schienennetz massiv und sehr rasch zu erweitern, sodass mehr Personen- und Güterzüge auf dem bestehenden Schie­nennetz rasch unterwegs sein können. Das ist ein ganz wichtiger Punkt. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

Des Weiteren: Wir werden die Bahnhöfe zu Mobilitätsdrehscheiben ausbauen – auch ein wichtiger Punkt in der Verknüpfung des Individualverkehrs, sei es das Autofahren, das Radfahren, das Zufußgehen, der öffentliche Verkehr.

Als Wiener Abgeordneter ist es mir natürlich auch wichtig, zu sagen, dass wir die Vertaktung auf der Stammstrecke verbessern, dass wir die Verknüpfung mit dem Wiener U-Bahn-Netz und den U-Bahn-Ausbau weiter forcieren, wozu wir als Republik unseren Beitrag leisten. Das ist ein wichtiges Projekt nicht nur für Wien selber, sondern natürlich auch für das Umland, für die Pendlerinnen und Pendler aus Niederösterreich, aus dem Burgenland und vielleicht auch aus anderen Bundesländern.

Es ist aber auch enorm wichtig, dass wir die ländlichen Regionen diesbezüglich weiter stärken. Es sei erwähnt, dass wir weitere große Projekte vorantreiben wie den Ausbau des Brennerbasistunnels, des Koralmtunnels, des Semmering­basis­tunnels. Das sind ganz wichtige Projekte, um eben die ländlichen Regionen


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weiter zu attraktiveren, um sie zu stärken, um den öffentlichen Verkehr, den Bahnverkehr in diesem Bereich attraktiver zu machen.

Ich möchte nur daran erinnern, dass es in Zukunft, wenn die Projekte wie der Semmeringbasistunnel oder der Koralmtunnel fertiggestellt sind, möglich und wahnsinnig attraktiv sein wird, mit dem Zug von Wien in die Steiermark oder nach Kärnten oder vielleicht einmal auch über die Landesgrenze hinaus bis an die obere Adria zu gelangen (Beifall bei ÖVP und Grünen), das ist ein ganz wichtiger Punkt.

Abschließend: Es ist natürlich auch ein zentrales Thema für die Wirtschaft und da auch im Zusammenhang mit einer ordentlichen Klimaschutzpolitik mit Hausverstand, dass wir den Güterverkehr auf der Schiene weiter attraktivieren, dass es eben mehr Kapazitäten gibt und dass es für die Wirtschaft auch die Möglichkeit gibt, von der Straße auf die Schiene umzusteigen.

In diesem Sinne hoffe ich auf eine sehr breite Zustimmung zu diesem ÖBB-Rahmenplan. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie Bravoruf des Abg. Weidinger.)

21.40


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Margreiter. – Bitte.


21.40.54

Abgeordneter Dr. Johannes Margreiter (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher! Eines kann man der Frau Bundesminister schon zugestehen – und ich würde ihr das sehr gern selber sagen; ich hoffe, Herr Bundesminister, Sie richten es ihr aus und berichten ihr –: Marketing kann sie, die Frau Bundesminister! Kollege Weratschnig ist ein gelehriger Schüler bei diesem Thema, wenn er sich hier herausstellt und zum ÖBB-Rahmenplan berichtet – wieder ein Superlativ –: das Größte, das Beste, das Teuerste. (Abg. Weratschnig: Ja, es ist halt so!)


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Die Realität schaut anders aus. (Ruf bei den Grünen: Ah, wirklich?) Ich denke, dieser Rahmenplan, so wie er hier präsentiert wird, ist natürlich von den Zahlen her sehr schön, aber ich frage mich: Was haben all die Bahnreisenden von einem Rahmenplan, wenn es gang und gäbe ist, dass beispielsweise beim Railjet immer wieder ein Zug eingespart wird, dass man reserviert hat, der Zug, in dem man reserviert hat, aber nicht kommt? – Das ist gang und gäbe, und da wäre schnell etwas zu tun. (Zwischenruf des Abg. Hörl.)

Seit einem Jahr gibt es jetzt das Kimaticket, und auch das hat wahrscheinlich dazu geführt, dass mehr Menschen die Bahn benützen wollen, nur: So, wie das Angebot sich derzeit darstellt, auch was die Pünktlichkeit betrifft, ist es schon etwas, was eigentlich eher abschreckt. Es haben die Bahngäste und es hat auch die Umwelt nicht sehr viel davon, wenn man bis 2028 mit Megamilliar­den­beträgen um sich schmeißt und nicht ganz konkret etwas passiert – und das könnte man machen; es wäre höchst an der Zeit, das zu tun. (Zwischenruf des Abg. Schnabel.)

So stellt sich dieser ÖBB-Rahmenplan für mich doch eher als eine groß angelegte Marketingaktion dar, bei der man halt eben Superlative kommunizieren kann, ohne dass viel dahinter ist. Es ist auch deswegen nicht viel dahinter, weil wir ja wissen: Es wird nichts evaluiert, es gibt keinerlei Kontrollen, wie diese Milliarden sich dann wirklich auswirken, welche Effekte erzielt werden, wie es gelingt, Individualverkehr einzubremsen oder wann und in welchem Umfang sich diese Investitionen lohnen.

Auch ein weiterer Punkt fällt auf, der diesen Rahmenplan irgendwie doch als etwas entlarvt, das nicht ganz ernst zu nehmen ist: Am 22. November wurde in den Medien berichtet – das ist jetzt ein Tiroler Thema –, dass der Bahnhofs­neubau Fritzens-Wattens auf Schiene ist. Das ist ein größeres Projekt: 94 Millio­nen Euro Investitionsvolumen. Es geht nicht nur darum, dass das Bahnhofs­gebäude selber erneuert wird und die Zufahrtswege erneuert werden, sondern auch die Schieneninfrastruktur soll dort so ausgebaut werden, dass der Güterverkehr dann in den Umfahrungstunnel Innsbruck umgeleitet werden kann,


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ohne den Personenverkehr zu behindern. – So, und da ist also laut Medien­berichten geplant, dass dieses Projekt nächstes Jahr startet und 2025 fertig sein soll; das fällt genau in den Zeitraum dieses Rahmenplans.

Und wenn ich mir jetzt diesen Rahmenplan anschaue, dann steht da zwar: „Imst-Pitztal; Bahnhofsumbau“ und noch andere Tiroler Projekte, aber der Bahnhofs­umbau Fritzens-Wattens, ein großes Projekt, das auch medial entsprechend kommuniziert wird, scheint da nicht auf. – Was ist da los?

Das erweckt Misstrauen betreffend diesen Rahmenplan. Man sollte also tatsäch­lich zu mehr seriöser Umsetzung umschwenken, anstatt ständig mit irgend­welchen Superlativen um sich zu schmeißen, wie toll und wie schön das alles ist – in Wirklichkeit ist es das nämlich gar nicht. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

21.45


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Rauch. – Bitte.


21.45.11

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Herr Präsident! Geschätzte Abgeordnete! Das ist ja nun ein Thema, zu dem ich wirklich etwas sagen kann, weil ich sieben Jahre lang in Vorarlberg Mobilitätslandesrat war und schon auch weiß, was es bedeutet, einen Rahmenplan zu beschließen und damit in Umsetzung zu kommen.

Ich habe in meiner Zeit, in den sieben Jahren als Mobilitätslandesrat in Vorarlberg, sieben Verkehrsminister, Verkehrsministerinnen erlebt, und eines hat sie alle ausgezeichnet, nämlich das Bemühen, den Bahnausbau und den Ausbau des öffentlichen Verkehrs in Österreich weiterzubringen. Ich kann auch aus der Erfahrung heraus schon einschätzen, was es bedeutet, jetzt einen Rahmenplan


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2023-2028 auf den Weg zu bringen, der ein Investitionsvolumen von 19 Mil­liarden Euro beinhaltet. Das ist viel Geld, und dieses dient dazu, Österreich als Bahnland weiter nach vorne zu bringen.

Weil ja angesprochen worden ist, wir seien da gar nicht so gut und das alles sei mehr Schein als Sein: Da kann ich Ihnen sagen, das stimmt nicht! Ziehen Sie den internationalen Vergleich! Klar, die Schweiz hat beim Bahnausbau eine längere Tradition. Die haben viel Geld investiert und tun es nach wie vor. (Abg. Weratschnig: Das Doppelte!) Österreich muss sich aber zum Beispiel im Vergleich mit Deutschland nicht nur nicht verstecken, sondern braucht diesen nicht zu scheuen. Von diesem Ausbau der Schiene, diesem Rahmenplan für die nächsten Jahre können die Deutschen nur träumen. (Zwischenruf der Abg. Seidl.) Bei uns sind die Bahninfrastruktur und der Ausbau des öffentlichen Verkehrs in einem Zustand, von dem andere Länder in Europa nur träumen können. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Die Bundesländer sind mit in der Verantwortung, auch wenn es um die Umset­zung geht, auch wenn es um die Kofinanzierung der Projekte geht. Da wird unterschiedlich viel Geld in die Hand genommen. Da gibt es hervorragende Beispiele, bei denen es gelungen ist – auch über fahrplanunterstützende Maßnahmen und Unterstützungen bei den Ticketpreisen –, Bewegung in den öffentlichen Verkehr hineinzubekommen. Wer das 365-Euro-Ticket kennt, weiß, was es bewegt hat. Wer das Klimaticket kennt und schätzt, weiß, was das bewegt hat. Da ist enorm viel an Bewegung hineingekommen, auch was die Nachfrage angeht.

Es gibt nach wie vor Ausbaugegebenheiten, -wichtigkeiten, was die Elektri­fi­zierung angeht, was die Zweigleisigkeit betrifft, was den Ausbau in den einzelnen Landesteilen Österreichs betrifft, und genau das macht dieser Rah­menplan: Er gibt vor, wo in den nächsten Jahren investiert wird und wie die Mobilitätswende damit auf den Weg gebracht wird – und das ist ein Punkt, den ich herausstreichen möchte.


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Es wird trotz hoher Preise beim Bau, trotz hoher Preise bei den Materialien, trotz Eng­päs­sen bei Lieferketten investiert und ausgebaut – der Ausbau von Bahn­höfen zu Mobilitätsdrehschreiben, denn Bahnhöfe sind heute kein Ort mehr, wo man nur in Züge einsteigt und aussteigt, sondern wo Vernetzung stattfin­det, wo Bus und Bahn miteinander verknüpft werden, wo es darum geht, Anschluss­sicherheit zu gewährleisten, sei es, die Umsteigezeitfenster möglichst klein zu halten, wo Service stattfindet, wo es Fahrradabstellanlagen, Park-and-ride-Anlagen gibt, wo insgesamt Mobilität neu und als verknüpft gedacht wird. Genau das passiert damit. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Letzter Punkt, den ich erwähnen möchte, wenn es jetzt darum geht, die Technik oder die Digitalisierung bei der Bahn weiterzubekommen – es ist von Abge­ordnetem Ottenschläger angesprochen worden –: Es klingt so kompliziert, ETCS ist aber ein Schlüssel, wenn es darum geht, die vorhandenen Kapazitäten, die wir haben, noch besser nützen zu können. Das heißt, dass die Zugdichte auf dem bestehenden Schienennetz einfach erhöht werden kann, was uns sehr hilft – jedenfalls bis dann die Infrastruktur weiter ausgebaut wird. Diese Ausweitung ist bei den ÖBB ganz oben auf der Agenda.

Und jetzt sei mir auch erlaubt, noch einen Satz zu den ÖBB zu sagen – das möchte ich an dieser Stelle auch erwähnen –: Die ÖBB sind in Österreich als Dienstleister im Verkehrssystem ein unschätzbarer, ein großartiger Partner, und das möchte ich an dieser Stelle einfach einmal betonen. Die machen täglich einen guten Job. Es stimmt schlicht und einfach nicht, dass die Verspätungs­dichte in Österreich hoch ist. Die ÖBB gehören zu den pünktlichsten Bahnunter­nehmen in ganz Österreich.

Herzlichen Dank an alle Bediensteten der ÖBB für den Job, den Sie machen. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

21.50



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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Herr. – Frau Abgeordnete, das Wort steht bei Ihnen, bitte sehr. (Abg. Herr – auf dem Weg zum Redner:innenpult –: Bitte?) – Das Wort steht bei Ihnen.


21.50.10

Abgeordnete Julia Elisabeth Herr (SPÖ): Das Wort steht bei mir, danke, Herr Präsident! Sehr geehrtes Hohes Haus! Wir sind gleich in der 13. Stunde, deshalb beginne ich mit positiven Nachrichten: Zuallererst will ich mich bei allen Bahnfahrern und allen Bahnfahrerinnen bedanken, denn die gute Nachricht ist: Wir werden immer mehr!

Immer mehr Menschen fahren mit dem Zug (Abg. Hafenecker: Ich habe aber keinen!), und das bedeutet mehr öffentlichen Verkehr, das bedeutet somit weniger Verkehr auf den Straßen, weniger Stau, das bedeutet weniger Abgase, das bedeutet somit auch weniger Luftverschmutzung, weniger CO2, das in die Luft geblasen wird, und somit weniger Treibhausgase, die unsere Klimakrise vorantreiben. Deshalb danke ich allen, die da mitmachen, vom Auto auf den Zug oder auf den Bus umzusteigen (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen), so oft, wie sie halt können, und dort, wo es halt möglich ist – das muss man auch gleich dazusagen, denn natürlich ist es mit dem öffentlichen Verkehr in Österreich oft nicht leicht.

Die Kennzahlen: In Österreich ist circa ein Drittel des öffentlichen Verkehrs wirklich gut ausgebaut, ein Drittel des öffentlichen Verkehrs ist vorhanden, aber ausbaufähig und ein Drittel ist wirklich mau – da wartet man, wenn man auf den Bus wartet, sehr, sehr lange. Deshalb stimmen wir heute auch für mehr Budget für den öffentlichen Verkehr, denn dann, wenn man ein klimafreundliches Leben von allen Menschen einfordern will, muss man das klimafreundliche Leben für alle auch überhaupt erst ermöglichen. Dafür braucht es den öffentlichen Verkehr und rasch und dringend dessen Ausbau.

Zweiter Punkt: Was es dazu natürlich auch braucht, sind nicht nur die ent­sprechenden Verbindungen und Schienen, sondern auch genügend Platz in den


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Zügen. Ich will an diesen Sommer erinnern, als die Züge wirklich aus allen Nähten geplatzt sind, als Menschen aussteigen mussten, weil die Züge überfüllt waren. Auch jetzt sind die Züge oft noch voll, bummvoll. Ich spreche für viele Pendler und Pendlerinnen, ich spreche da wirklich im Namen von vielen: Wir brauchen Verdichtungen, dort, wo es geht, dichte Intervalle. Wir brauchen mehr Züge, mehr Waggons, dort, wo das noch möglich ist, oder einfach größere Züge. – All das muss finanziert werden, und deshalb stimmen wir auch für den Rahmenplan. (Beifall bei der SPÖ.)

Genau in diesem Sinne muss ich auch als Wiener Abgeordnete sagen oder anmerken, dass es mich sehr freut, dass da viele Forderungen, die wir als SPÖ seit Jahren stellen, wie die Attraktivierung der Stammstrecke, also Meidling–Floridsdorf, oder der Ausbau der Verbindungsbahn Hütteldorf–Meidling – das freut mich als Penzinger Abgeordnete ganz besonders –, angegangen werden.

Ich komme aber auch noch zu einem dritten Punkt, Herr Minister, denn die Frage ist: Reicht dieser Rahmenplan? – Nein. Braucht es mehr Maßnahmen? – Ja. Reden wir nicht immer nur über die Konsumenten und Konsumentinnen, reden wir auch über den Güterverkehr, über den wirtschaftlichen Verkehr, der auf der Straße fließt, obwohl er genauso gut auf der Schiene fließen könnte! (Beifall bei der SPÖ.)

85 Prozent des Güterverkehrs finden nämlich auf der Straße statt. Wir alle kennen diese Lkw-Kolonnen, die die Autobahnen voll machen, aber nicht nur: Sie rattern auch durch die Ortskerne und sind wirklich eine Belastung für große Teile der Bevölkerung. Das muss aber nicht so sein, bitte schön: In der Schweiz gibt es ein gutes, funktionierendes Modell für eine flächendeckende Lkw-Maut. (Zwischenruf der Abg. Kirchbaumer. – Abg. Hörl: Das geht aber mit den ÖBB nicht!) – Ich weiß nicht, wer da herausgerufen hat: Ja, das brauchen wir auch in Österreich sehr, sehr dringend. (Beifall bei der SPÖ.)

Geben wir dem Lkw-Verkehr den Preis, den er wirklich auch verursacht, und machen wir die Schiene im Vergleich kostengünstiger! Das wäre doch


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sinnvoll. (Abg. Ottenschläger: Aber, Frau Kollegin, stringent ist es nicht: Auf der einen Seite einen Benzinpreisdeckel fordern - -! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Das würde uns auch, Herr Kollege, 0,5 Milliarden Euro pro Jahr bringen. Sie rufen weiter heraus, aber ich lasse mich nicht abbringen, denn ich sage Ihnen, dieses Geld könnten wir gleich wieder in den Ausbau des öffentlichen Verkehrs investieren. (Ruf bei der ÖVP: Kollege Ottenschläger hat recht!) Das wäre eine Win-win-win-Situation für die Bevölkerung, für die Umwelt und für den öffentlichen Verkehr. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ottenschläger: Das ist nicht stringent: Auf der einen Seite einen Benzinpreisdeckel fordern und auf der anderen Seite eine Maut!)

Geben Sie sich einen Ruck, beenden Sie endlich diese Blockadehaltung! Wir brauchen eine flächendeckende Lkw-Maut. Die, die blockieren, haben sich ja jetzt zu Wort gemeldet und gleich selbst aufgezeigt. (Abg. Kirchbaumer: Ah, so ein Blödsinn ...! – Abg. Ottenschläger: Nein, Frau Kollegin, Sie fordern einen Benzi­npreisdeckel, Sie fordern einen Benzinpreisdeckel; das ist nicht stringent, und das wissen Sie!) Jetzt wissen wir, in welche Richtung wir da arbeiten müssen. (Neuer­liche Zwischenrufe bei der ÖVP. – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.)

Deswegen: Ja, es braucht die flächendeckende Lkw-Maut. Bringen wir den Güterverkehr auf die Schiene! – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ottenschläger: Sie fordern einen Benzinpreisdeckel, also das ist ja nicht stringent! – Abg. Herr – auf dem Weg zu ihrem Sitzplatz –: Ja, deswegen muss man den Verkehr auf die Schiene bringen! – Zwischenrufe der Abgeordneten Hafenecker und Kirchbaumer.)

21.54


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Singer. – Bitte. (Unruhe im Saal. – Der Präsident gibt neuerlich das Glockenzeichen.)


21.54.51

Abgeordneter Johann Singer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und


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Herren! Der ÖBB-Rahmenplan sieht Gesamtinvestitionen von rund 19 Milliarden Euro vor. Das ist ein riesiger Betrag, der in die Mobilität unseres Landes inves­tiert wird.

Natürlich sind die großen Projekte, das System Südbahn, der Brennerbasis­tunnel, die Fertigstellung des viergleisigen Ausbaus zwischen Wien und Wels, Eck­punkte dieses Rahmenplanes – alles sehr wichtige Projekte für unser Land. Wir investieren damit mehr in die Bahn und in die Bahninfrastruktur als viele andere europäische Länder – das ist vom Herrn Bundesminister bereits angesprochen worden – und setzen damit die Zielsetzungen des Regierungs­programmes mit Investitionen in allen Bundesländern um.

Wichtig sind mir aber auch die Investitionen, die nicht in die großen Projekte hineinfließen, die ich bereits angesprochen habe. Ich rede von der Elektrifi­zie­rung der Bahnstrecken. Da geht vor allem viel in die Regionalbahnen hinein. (Beifall des Abg. Hörl.) Nach Abschluss des Rahmenprogrammes werden wir 85 Prozent des Gesamtstreckennetzes elektrifiziert haben.

Ich rede vom Streckenausbau und der Attraktivierung der Bahn. Da geht es vor allem um den Ausbau des Nahverkehrs, es geht um die Digitalisierung. Vor­gesehen sind auch die Modernisierung der Bahnhöfe, barrierefreie Zugänge zur Bahn und der Ausbau der Servicevielfalt. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

Vor allem auch für den ländlichen Raum ist der Ausbau des Park-and-ride-Systems, der Stellplätze wichtig. 31 Millionen Euro pro Jahr werden in Pkw-Stellplätze, das sind insgesamt 1 500, und in 1 500 Stellplätze für Fahrräder investiert. Das sind ganz wichtige Maßnahmen für alle Pendlerinnen und Pendler.

Ich möchte wieder darauf hinweisen, dass wir im ländlichen Raum, in dünn besiedelten Räumen Transportdienstleistungen, sogenannte Mikro-ÖV-Leistungen, als Zubringer zum bestehenden öffentlichen Verkehr brauchen.


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Dann wird das Klimaticket auch für die Bewohnerinnen und Bewohner des ländlichen Raumes sehr attraktiv werden.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich bin davon überzeugt, dass mit diesem ÖBB-Rahmenplan die Attraktivität des Schienenverkehrs gestärkt wird, dass wir damit einen wichtigen Beitrag zum Schutz unseres Klimas leisten und dass wir damit auch die Konjunktur stärken. – Herzlichen Dank. (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP sowie Beifall bei Abgeordneten der Grünen.)

21.58


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Köchl. – Bitte.


21.58.30

Abgeordneter Klaus Köchl (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Ich möchte meine Rede mit einem Entschließungsantrag anfangen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Philip Kucher, Erwin Angerer, Dr. Johannes Margreiter. Kolleginnen und Kollegen betreffend „Umsetzung der Kärntner Güterver­kehr­strasse“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie wird aufgefordert, die Umsetzung einer Güterverkehrstrasse für Kärnten (Entlastungsstrecke samt Lärmschutzmaßnahmen nördlich des Wörthersees inkl. Umfahrungen der Städte Klagenfurt und Villach) in den ÖBB-Rahmenplan sowie in das Zielnetz auf­zunehmen, dies entsprechend im BFG finanziell zu bedecken und unmittelbar die Planungsarbeit zu beginnen.“


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*****

(Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich sage das deshalb, weil wir als Sozialdemokraten, als Kärntner Sozialdemo­kraten und als Kärntner Abgeordnete zum Nationalrat – bis auf die Kärntner Abgeordneten von der ÖVP und die grüne Abgeordnete – das ganz einfach brauchen. Wenn man A sagt, die Koralmbahn baut und dann eine Trasse durch Kärnten legen will, dann muss man auch B sagen können. (Abg. Obernosterer: Wer war denn zuständig? War das nicht die SPÖ? Wer hat denn das verschlafen? Die SPÖ, oder? Und jetzt mit der Schreiberei! Ihr habt es verschlafen! – Abg. Kucher: Erklär das deinen Tourismusunternehmen am Wörthersee, lieber Gabriel!) – Na, man muss B sagen können, man muss B sagen können, das ist ganz wichtig. (Beifall bei der SPÖ.)

Aber du (in Richtung Abg. Obernosterer) warst zu feige, zu unterschreiben, weil du nicht hinter Kärnten stehst! Das ist dein Problem. Du stehst nicht hinter Kärnten! Das ist dein Problem, Herr Abgeordneter! (Beifall bei der SPÖ.) Ich weiß, im Lesachtal oben hast du zwar keine Eisenbahn, aber hinüberkommen wirst du auch müssen. Ich glaube, das ist etwas ganz, ganz Entscheidendes, das müssen wir einfach machen. Wenn man A sagt, muss man B sagen, da muss man, Herr Minister, die Strecke um den Wörthersee, wo bitte schön 200 000 Men­schen leben, wenigstens einmal planen! (Abg. Obernosterer: Guten Morgen!)

Wir verlangen ja noch gar nicht, dass das gebaut wird, aber es muss einmal in den Rahmenplan hinein. (Abg. Obernosterer: Guten Morgen!) Wenn das bis 2028 nicht geplant wird - - (Abg. Weratschnig: Ja, dafür hat man das Zielnetz, bitte!) Ich kann euch sagen: Die gesamte Regierung in Kärnten ist sehr, sehr enttäuscht, dass ihr das nicht macht. (Zwischenruf der Abg. Voglauer. – Weitere Zwischenrufe bei den Grünen.)

(In Richtung Abg. Voglauer:) Und liebe Frau Abgeordnete! (Zwischenrufe bei den Grünen.) – Ja, nein, da geht nichts mehr mit Klausi! Du selber hast das in Kärnten kritisiert (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ) und hast gesagt: Wenn das so


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weitergeht, dann wird das bis 2050 nicht passieren! – Jetzt bist du in der Verantwortung, ich fordere das von dir ein! Das wollen wir in Kärnten haben und wir werden es brauchen. (Zwischenruf des Abg. Obernosterer.) 200 000 Kärnt­nerinnen und Kärntner werden dir dafür danken, wenn du das zusammenbringst. (Beifall bei der SPÖ sowie Bravoruf des Abg. Kucher.)

22.01

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Philip Kucher, Klaus Köchl, Dr.in Petra Oberrauner, Erwin Angerer; Mag. Christian Ragger, Dr. Johannes Margreiter

Kolleginnen und Kollegen

betreffend „Umsetzung der Kärntner Güterverkehrstrasse“

eingebracht im Zuge der Debatte Top 33 Bericht des Verkehrsausschusses über den Bericht der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend ÖBB-Rahmenplan 2023-2028 (III-794/1857 d.B.)

Mit der Fertigstellung der Koralmbahn im Jahr 2026 (laut Planung) wird Kärnten an das Schienennetz der wichtigsten Nord-Süd-Transversalen Europas angeschlossen. Den damit verbundenen Vorteil im Hinblick auf Infrastruktur, Wirtschaftsstandort und Klimapolitik steht die Frage des Lärmschutzes für die Anrainerinnen und Anrainer – vor allem an der sogenannten Wörtersee-Trasse zwischen Klagenfurt und Villach – gegenüber.

Auf Basis eines gemeinsamen Dringlichkeitsantrags aller im Kärntner Landtag vertretenen Parteien zum Thema „Umsetzung der Kärntner Interessen auf der Bahntrasse im Zentralraum Klagenfurt – Villach“ wurde am 31. Mai 2017 von allen Regierungsmitgliedern des Landes Kärnten sowie vom damaligen Verkehrsminister Jörg Leichtfried ein Memorandum of Understanding unterfertigt. Dieses beinhaltet:


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1.         Lärmschutz

2.         Forschungsinitiative und Testanwendungen Lärmreduktion im Infrastrukturbetrieb

3.         Förderung Flüster-Güterzüge

4.         Planungsarbeiten für eine Güterverkehrsumfahrung zwischen Klagenfurt und Villach

5.         einen gemeinsamen Lenkungsausschuss zwischen BMVIT (heute BMK), ÖBB & Land Kärnten

Unverantwortlich und im Interesse der Kärntner Bevölkerung schlicht inakzeptabel ist der Umstand, dass im aktuellen Rahmenplan 2023-2028 keinerlei Planungen für eine eigene Güterverkehrstrasse im Kärntner Zentralraum vorgesehen sind.

Im vom Güterbahnlärm betroffenen Zentralraum Kärntens leben rund 200.000 Men­schen und befinden sich hunderte Tourismus- und Gastronomieunternehmen. Tatsache ist, dass Lärm gesundheitsschädlich ist.

Auch im Hinblick auf klimapolitische Erwägungen ist die Möglichkeit, mehr Güterver­kehr von der Straße auf die Schiene zu verlagern, von großer Bedeutung: jede Tonne Fracht auf der Schiene bringt rund 15-mal weniger CO2-Ausstoß als mit dem Transport per Lkw.

Durch die Verlagerung des Güterverkehrs auf eine eigene Strecke lässt sich der Personenverkehr entsprechend verbessern. Dies entspricht auch der Gesamtstrategie des Kärntners Mobilitätsmasterplan 2023.

Aus den genannten Gründen ist es notwendig rasch Maßnahmen zu ergreifen.

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:


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„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie wird aufgefordert, die Umsetzung einer Güterverkehrstrasse für Kärnten (Entlastungsstrecke samt Lärmschutzmaß­nah­men nördlich des Wörthersees inkl. Umfahrungen der Städte Klagenfurt und Villach) in den ÖBB-Rahmenplan sowie in das Zielnetz aufzunehmen, dies entsprechend im BFG finanziell zu bedecken und unmittelbar die Planungsarbeit zu beginnen.“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Entschließungsantrag ist ordnungs­gemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht somit mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Schnabel. – Bitte.


22.01.18

Abgeordneter Joachim Schnabel (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen im Hohen Haus! Geschätzte Damen und Herren, vielleicht noch spätabends vor irgendwelchen Endgeräten! Herr Kollege Margreiter von den NEOS, Sie haben gesagt, mit diesem Rahmenplan werden Milliarden herumge­schmissen und diese werden nicht kontrolliert. – Da muss man schon einmal grundsätzlich sagen: Diese Milliarden werden investiert, und sie werden vom Rechnungshof, vom Aufsichtsrat und von verschiedensten anderen Kontroll­instanzen mehrfach dahin gehend kontrolliert, ob sie auch zielgerichtet verwendet werden.

Wenn Sie unter anderem die CO2-Auswirkung untersuchen: Im Bericht des Budgetdienstes zum Begleitgesetz wurde gesagt und festgehalten, dass allein durch diese Investition aus dem Finanzrahmenplan in den nächsten Jahren 46,5 Millionen Tonnen CO2 eingespart werden. Also auch da ist mehrfach bewiesen, zusätzlich zu vielen, zu unzähligen anderen Studien, wie klima­scho­nend und wertvoll dieser Bahnausbau für Österreich ist. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)


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Frau Kollegin Herr, betreffend die Verlagerung des Transportes vom Lkw auf die Schiene: Das ist grundsätzlich richtig, aber gerade mit diesem Rahmenplan legen wir die Grundvoraussetzungen, damit das überhaupt verstärkt passieren kann. Wenn Sie mit Logistikern sprechen – und in meinem unmittelbaren Bereich gibt es das Cargo-Center in Werndorf –, werden Sie merken: Diese beklagen gene­rell, dass es zu wenig Schienenzeiten gibt, dass die Verlagerung von der Straße auf die Schiene derzeit nicht mehr möglich ist und es deswegen genau diesen Ausbau braucht, um mehr Kapazitäten zu erhalten. Außerdem ist es ein bisschen paradox: Heute Vormittag oder gestern verlangen Sie, den Dieselpreis zu begrenzen, und auf der anderen Seite soll das dann quasi mit einer flächen­deckenden Maut kompensiert werden.

Geschätzte Damen und Herren, der Rahmenplan, es wurde schon gesagt, wurde um 700 Millionen Euro pro Jahr angehoben. Wir sind dann gegenüber den vorhergehenden Rahmenplänen auf 3,2 Milliarden Euro pro Jahr Investitions­volumen gestiegen.

Aus unserer Sicht, aus der Region der Südweststeiermark, gibt es da zwei Dinge, die hervorzuheben sind. Das eine in diesem Rahmenplan ist die Fertigstellung der Koralmbahn, des Koralmtunnels. Für uns in der Region, in der Südweststeier­mark, aber auch in Kärnten haben wir eine ähnliche Situation, wie es vermutlich vor 180 Jahren war, als die Semmeringbahn, geschaffen von Carl Ritter von Ghega, in Betrieb ging. Der Wirtschaftsraum Südösterreich wird dement­sprechend prosperieren können und einen entsprechenden Anschub erfahren. 1,1 Mil­lionen Menschen, davon 500 000 Personen, die in Beschäftigung sind, bekommen da eine wirklich tolle, zukunftsträchtige Infrastruktur. 32 000 Betriebe werden ange­schlossen, und wir können dann von Deutschlandsberg ins Lavanttal in 12 Mi­nuten hin- und herpendeln. Das ist wirklich eine tolle Investition und eine Riesenchance.

Diese Chance wollen wir nutzen. Wir haben einerseits auf parlamentarischer Ebene – ein Danke an Kollegen Weidinger – die Arge Koralmbahn gegründet, mit der wir in der Region ganz stark vernetzend unterwegs sind, Investitionen


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ankurbeln und Entscheidungen vorantreiben, die jetzt schon, viele Jahre vor der Inbetriebnahme der Koralmbahn, die richtigen Schienen auch abseits der Bahn legen, um dieses Potenzial zu nutzen. Wir in der Großregion Südweststeiermark haben uns in Form von Gemeindekooperationen schon dazu entschieden, Industriestandorte an der Bahn wirklich hochqualitativ zu entwickeln, um für zukünftige Investoren attraktiv zu sein und Arbeitsplätze zu schaffen.

Herr Minister, Sie vertreten heute die Ministerin, ich möchte aber auch an Sie appellieren, weil eines fehlt: Die Südbahn, die eben unter anderem von Carl Ritter von Ghega mitkonzipiert wurde, ging nach Triest und war zweigleisig. 1956 wurde sie zurückgebaut. Wir haben im Rahmenplan jetzt diese Planungs­phase beschlossen, mit 20 Millionen Euro, aber es bedarf natürlich auch des Ausbaus. Die S-Bahn in unsere Richtung, zwischen Graz und Spielfeld, ist die bestgebuchte S-Bahn. Die Slowenen, also unsere Nachbarnation, werden bis 2026 den zweigleisigen Ausbau vorangetrieben haben. Wir sprechen hier von der Großregion Graz-Marburg. Wir brauchen in absehbarer Zeit auch die Umsetzung dieser Planung, und das muss in den nächsten Jahren in den Rah­menplan mitaufgenommen werden.

Wir haben das dringend zu tun, denn wenn wir, auch mit Zustimmung, muss man sagen, von SPÖ-Landesrat Anton Lang, die A 9 zurzeit nicht ausbauen und evaluieren sowie auch die Südbahn nicht ausbauen, dann haben wir zwei wich­tige Arterien, die nicht funktionieren. Als Gesundheitsminister wissen Sie genau: Wenn die Arterien nicht funktionieren, gibt es einen Herzinfarkt. Wir wollen keinen Wirtschaftsinfarkt bei uns in der Südsteiermark haben, deswegen brauchen wir diese Investitionen. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Disoski und Weratschnig.)

22.06


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Schroll. – Bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll189. Sitzung, 189. Sitzung des Nationalrats vom 14. Dezember 2022 / Seite 511

22.06.37

Abgeordneter Alois Schroll (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Auch wenn die zuständige Frau Bundesministerin heute wieder einmal persönlich nicht anwesend ist, was ich sehr schade finde, darf man trotzdem den ÖBB-Rahmenplan 2023–2028 (Zwi­schenruf bei der ÖVP) – nicht nervös werden! – auch in Ihrer Abwesenheit doch einmal positiv hervorheben und auch einmal lobende Worte aussprechen. Immerhin werden in den nächsten sechs Jahren 19 Milliarden Euro Investitions­summe für diverse Öffiprojekte zugesichert.

Das war es aber dann schon, denn für die übertriebenen und teils nicht gerecht­fertigten Lobhudeleien seid eh ihr auf den Regierungsbänken zuständig; denn man muss schon dazusagen: Wenn man sich das genau anschaut, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, so sind natürlich auch sehr viele Projekte gestoppt worden – die Tunnels, wenn man sich das anschaut –, und natürlich kommt alle Jahre auch die normale Inflation dazu. Das heißt, es gibt keine neuen Projekte. (Heiterkeit des Abg. Weratschnig.) – Ja, Kollege Weratschnig, auch wenn du lachst: Recht viele neue Projekte sind im Rahmenplan trotzdem nicht drinnen, das muss man fairerweise sagen. (Beifall bei der SPÖ.)

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, mit dem dargelegten Rahmenplan bleiben natürlich auch einige Fragen offen, etwa jene des angestrebten Elektri­fizie­rungsgrads des ÖBB-Netzes oder des Ausbaus vieler Teilabschnitte. Und wo bleiben die Gelder für die Park-and-ride-Anlagen, Lärmschutzwände und so weiter und so weiter?

Ja, die Summe ist hoch, aber unserer Meinung nach nicht immer ganz genau pointiert eingesetzt. Man muss da auch einmal das große Ganze, das Gemeinsame sehen, und das besteht halt nicht nur aus dem Schienennetz. Da gehören auch Maßnahmen und die Infrastruktur zu den Öffis dazu, eben auch Straßenverkehrsprojekte und der motorisierte Individualverkehr.


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Ich möchte da wieder einmal ein schon lange genehmigtes Projekt ansprechen, nämlich die S 34 in Sankt Pölten. An dieser Stelle möchte ich einmal sagen: Da gibt es rechtskräftige Bescheide, positive UVP-Bescheide und naturschutz­rechtliche Bescheide. Leider kann ich das der Frau Bundesministerin nicht selber ausrichten, aber da ist sie säumig und es ist ihre Pflicht, sich als Bundesministerin dafür einzusetzen. Ich erinnere sie noch einmal daran, diese bereits genehmigten und beschlossenen Projekte endlich zu realisieren, und das umgehend. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Hafenecker.)

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen (Zwischenruf der Abg. Voglauer), sehen wir das Ganze, das große Gesamte! Nur so kann es funktionieren. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

22.09


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist damit beendet.

Ich verlege die Abstimmungen wie vereinbart ans Ende der Verhandlungen über die Vorlagen des Verkehrsausschusses.

22.09.4834. Punkt

Bericht des Verkehrsausschusses über den Antrag 2956/A(E) der Abgeordneten Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Aussetzung der Mautpflicht in Form der Vignette für Österreicher (1858 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 34.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Hafenecker. – Bitte sehr.


22.10.10

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Ich möchte nur kurz noch ein Wort zur Atomdebatte von vorhin zu


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Kollegen Litschauer sagen. Er hat vorhin gesagt, was er mit seinen Aktivisten nicht alles bewegt hat. Ich glaube, Kollege Litschauer, Sie werden mit Ihren Aktivisten auch einer von denen gewesen sein, die in der Hainburger Au auf irgendwelchen Bäumen herumgekraxelt sind. (Abg. Stögmüller: Hallo?) Ich sage Ihnen aber eines: Damit haben Sie ein Wasserkraftwerk, erneuerbare Energie verhindert, und damit haben Sie verursacht, dass Gaskraftwerke gebaut worden sind (Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von Grünen und FPÖ), jene Gaskraftwerke, die jetzt mit russischem Gas befeuert werden, Herr Kollege Litschauer. Also vielleicht haben Sie damals schon nicht alles fertig gedacht. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich will aber auch noch über eine andere Aktivistin reden, nämlich von Glo­bal 2000, die Weltenbummlerin Leonore Gewessler, die auch heute wieder keine Zeit für uns hat. Ich kann es ihr auch nicht verdenken, denn: Wer weiß, wie lange die Regierung noch hält? Wer weiß, ob sie noch alle Punkte für den HON-Circle-Status zusammenbekommt? Da muss sie halt einfach ein bisschen mehr unter­wegs sein. Alles klar, verstehe ich, aber noch einmal: Wir wissen nicht, wie lange der Regierungsjet noch fliegt und wie lange sie noch Steuergeld verbrennen kann. Ich persönlich hoffe, es wird nicht mehr so lange dauern. Sie soll den heutigen Nachmittagskaffee – in Montreal ist es jetzt 16 Uhr – noch genießen. Vielleicht gibt es ein bisschen Schampus dazu, das Fußballspiel ist ja auch gerade mit 2:0 für Frankreich zu Ende gegangen. Also ich hoffe, sie hatte einen ent­spannten Nachmittag, während wir hier über ihre Tagesordnungspunkte disku­tiert haben (Ruf bei den Grünen: Ha, ha, ha!), zum Beispiel über einen Rahmenplan, der ein Schlag ins Wasser ist, weil unter dem Strich das Geld im Rahmenplan weniger wird; es wird weniger investiert. Also wie Sie den ländlichen Raum damit erschließen wollen, erschließt sich für mich nicht. Die Inflation ist übrigens auch nicht eingepreist worden. Also im Prinzip: alles nichts wert, was hier zur Diskussion steht.

Ein weiterer Punkt – und damit kommen wir zum Tagesordnungspunkt, den wir jetzt gerade besprechen – ist ein totaler Investitionsstopp im Zusammenhang mit


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dem Straßenbau. Es gibt hier einen politischen Willkürakt, der sich über zwei Nationalratsbeschlüsse hinwegsetzt. Diese zwei Beschlüsse hätten eigentlich sichergestellt, dass diese Straßen gebaut werden, dass alles entsprechend auf Schiene ist – mit der Traisental-Schnellstraße, dem Lobautunnel, der Klagen­furter Schnellstraße, der A 9 bei Graz und so weiter und so fort. Da hat man überhaupt nicht gezögert, das Gesetz zu brechen.

Wissen Sie, genau deswegen haben wir diesen Antrag gestellt: Wer keine Straßen baut, der braucht auch die Autofahrer nicht abzuzocken, der braucht auch keine Vignette zu verrechnen, der braucht auch keine Maut zu verrechnen. Genau deswegen wäre es wichtig, in Zeiten wie diesen sofort die Vignette für Österreicher auszusetzen, denn man braucht nicht über die Vignette jetzt Dividenden für die Asfinag hereinzuspielen, die sich dann schlussendlich der Herr Finanzminister – oder wer auch immer mit den Regierungsprivatjets durch die Gegend fliegt – unter den Nagel reißt. (Zwischenruf der Abg. Kirchbaumer.)

Der Autofahrer ist auch in einem anderen Zusammenhang die Melkkuh der Nation, und zwar im Zusammenhang mit der Belastung durch die CO2-Steuer. Auch die CO2-Steuer ist ja nichts anderes als eine kilometerbezogene Maut, die man jetzt noch dazugibt und auf die bestehende Maut draufsetzt. Und genau da sagt ja auch das Wifo, sagt Herr Felbermayr, dass das einer der Preistreiber für die Inflation ist. Sie haben sie aber trotzdem durchgezogen, und Sie machen auch noch weiter damit, denn per 1.1.2023 wird sie noch einmal automatisch ange­hoben. Das heißt, es geht da um eine Erhöhung, die weitere 5,9 Prozent des Spritpreises ausmacht. Sie gießen einmal mehr Öl ins Feuer.

Dazu gab es ja auch einen dramatischen Appell – ÖVP, bitte aufpassen! – der Wirtschaftskammer Oberösterreich. Da werden ganzseitige Inserate geschaltet, in denen man auf genau dieses Problem aufmerksam macht.

Das ist der Grund, warum ich jetzt auch noch folgenden Antrag einbringe:


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Entschließungsantrag

der Abgeordneten Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Abschaffung der CO2-Steuer und Verschiebung der Einführung der Kraftstoffverordnung“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für Finanzen sowie die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie werden aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzuleiten, mit der die CO2-Abgabe abgeschafft wird, und keine neue Kraftstoff­verordnung, die zu einer Kostensteigerung führen würde, einzuführen.“

*****

Also wenn die Frau Ministerin sich wieder einmal dazu herablässt, bei Ihnen vorbeizuschauen oder bei uns im Parlament vorbeizukommen – vielleicht treffen Sie sie einmal sogar zufällig im Ministerrat, Herr Gesundheitsminister –, richten Sie ihr vielleicht das aus: Das ist ein schwerer Fehler, der hier begangen wird. Sie betreiben die Erhöhung der Inflation ganz, ganz massiv und nachhaltig. Das ist der falsche Weg. Die Österreicher gehören entlastet und nicht belastet. (Beifall bei der FPÖ.)

22.14

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Christian Hafenecker, MA

und weiterer Abgeordneter

betreffend Abschaffung der CO2-Steuer und Verschiebung der Einführung der Kraftstoffverordnung


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eingebracht in der 189. Sitzung des Nationalrates, XXVII. GP, am 14. Dezember 2022 im Zuge der Debatte zu TOP 34, Bericht des Verkehrsausschusses über den Antrag 2956/A(E) der Abgeordneten Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Aussetzung der Mautpflicht in Form der Vignette für Öster­reicher (1858 d.B.)

Die schwarz-grüne Bundesregierung hat mit der Einführung der umstrittenen CO2-Steuer die Inflation befeuert:

Die heuer ab Juli auf fossile Energien fällige CO2-Abgabe in Österreich wird – trotz Klimabonus – die Inflation zusätzlich treiben“, ist WIFO-Chef Felbermayr überzeugt: „Ja, sie wird weitergegeben werden und die Preise nochmal in die Höhe treiben.1

Nun soll diese Steuer, einem Automatismus folgend, per 1.1.2023 auch noch erhöht werden. Darüber hinaus drohen weitere Preissteigerungen durch die neue Kraftstoff­verordnung. Im Raum steht auch die Wiedereinführung des Energieeffizienz-Gesetzes, das noch zu einer zusätzlichen Teuerung führen würde.

Die Wirtschafskammer OÖ fordert deshalb mit einem dramatischen Appell die Bundesregierung in ganzseitigen Anzeigen auf, die neuerliche Anhebung der CO2-Steuer auszusetzen sowie die Einführung der KVO zu verschieben:

Ein Bild, das Text enthält.

Automatisch generierte Beschreibung


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Ein Bild, das Text enthält.

Automatisch generierte Beschreibung

Statt die Bevölkerung weiter zu belasten und damit die Inflation in die Höhe zu treiben, müssen die Bürger massiv entlastet werden.

Daher stellen die unterzeichnenden Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für Finanzen sowie die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie werden aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzu­leiten, mit der die CO2-Abgabe abgeschafft wird, und keine neue Kraftstoff­verord­nung, die zu einer Kostensteigerung führen würde, einzuführen.“


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1 APA0155/17.02.2022

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Entschließungsantrag ist ordnungs­gemäß eingebracht, ausreichend unterstützt, steht kaum in Zusammenhang, aber ist zur Abstimmung freigegeben.

Nächster Redner: Abgeordneter Weratschnig. – Bitte.


22.15.24

Abgeordneter Hermann Weratschnig, MBA MSc (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Werte Abgeordnete! Zu Kollegen Hafenecker: Das muss man sich einmal vor Augen führen, was sich die FPÖ hier traut, nämlich in memoriam jetzt sogar für die Zerstörung der Donauauen, gegen eine Errun­genschaft aus den 1980er-Jahren, einzutreten. Da muss man ganz klar sagen: Das genau heute, da die Frau Ministerin bei der Biodiversitätskonferenz ist, zu sagen, ist ja unfassbar. (Beifall bei den Grünen.)

Zum Zweiten, sehr geehrter Herr Köchl, zum Thema ÖBB-Rahmenplan: Ja wenn es so weit ist, dass ein Entschließungsantrag und ein Anruf bei der Ministerin genügen sollten, dass man irgendwo eine neue Güterbahntrasse gestaltet, dann muss ich mich schon fragen: Setzt ihr den Rechnungshof völlig auf die Straße? (Abg. Kucher: Da geht es um 200 000 Menschen!) Auf gut Kärntnerisch: Valossn, valossn sitzt der Rechnungshof draußen. – Das kann es doch nicht sein, bitte! Es gibt dafür klare Regeln, ein Zielnetz, und es gibt Gespräche. (Abg. Kucher: 200 000 Menschen, wo ihr drüberfahrt! Das ist kurzsichtige Politik! Wo ist die Lösung?) Und was braucht es dafür, dass ein Projekt in das Zielnetz reinkommt? – Na, bitte da Herrn Landeshauptmann Kaiser anzurufen, denn da braucht es zuerst einmal einen Schulterschluss im Bundesland (Abg. Kucher: Den gibt’s! Alle Parteien!), damit ein Projekt dementsprechend auch in das Zielnetz hineinkommt. (Beifall bei den Grünen.)


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Bitte selbst im Bundesland arbeiten, dann schauen wir weiter (Abg. Kucher: Es sind alle Parteien dafür!), dann unterstützen wir das: Zielnetz 2040.

Wenn ich mir die Anträge von der FPÖ anschaue (Abg. Hafenecker: Die sind gut, gell?), dann lese ich da: CO2-Bepreisung aussetzen, keine Kraftstoffverordnung! (Abg. Hafenecker: Bürgerentlastung!) – Gleichzeitig kommt aus der Richtung von FPÖ und SPÖ: Klimaziele einfordern!, Ziele: Wo sind die Rahmenbedingungen? – Sobald es aber konkret wird, heißt es: Ja keine konkreten Maßnahmen! Das brauchen wir nicht, das wollen wir nicht (Abg. Hafenecker: Wo ist das Klimaschutz­gesetz? Ist das schon fertig?), das ist nicht treffsicher, das ist alles zu spät! – Ja, unglaublich! (Abg. Hafenecker: Wo ist das Klimaschutzgesetz? Ihr bringt ja nichts auf die Reihe, gar nichts!) Das ist das Klimamikado, das die FPÖ und in vielen Bereichen auch die SPÖ spielt: Ja nicht bewegen! (Abg. Hafenecker: Ihr habt die faulste Ministerin aller Zeiten!) Ziele einfordern und dann schauen wir, was kommt – und hoffentlich kommt nichts! (Abg. Hafenecker: Die Reiseministerin ist die faulste Ministerin aller Zeiten!) – Wir als Bundesregierung schauen, dass wir konkrete Maßnahmen umsetzen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Zum Thema Maut (Abg. Hafenecker: Die hätte ja Tourismusministerin sein müssen!): Da steht die FPÖ hier und fordert in jedem Eck von Österreich eine zusätzliche Straße, und wenn sie höherrangig ist, ist es vielleicht noch besser, und wenn sie noch teurer ist, ist es noch gescheiter. (Abg. Hafenecker: Na ja, irgendwo muss sie ja mit dem Tesla fahren!) Und auf der anderen Seite will sie die Pkw-Vignette aussetzen, 477 Millionen Euro. Man entzieht der Asfinag die Ressourcen und schaut dann, wie es weitergeht. Also das kann keine verantwortungsvolle Politik sein (Abg. Hafenecker: Sagt ihr, was beschlossen worden ist!), das ist ein völliger Unsinn (Abg. Hafenecker: Hört auf mit Gesetzesbruch!) und ist nicht zu unterstüt­zen. Es ist völliger Populismus, einfach die Maut auszusetzen.

Für die Sicherheit, für die Ressourcen braucht natürlich auch die Asfinag die Einnahmenerlöse. (Abg. Hafenecker: Gesetzesbruch stoppen!) Und das sind ja bitte Gebühren, das sind ja bitte Straßenbenützungsgebühren, nicht irgendwelche


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Steuern, da gilt das Kostendeckungsprinzip. In diesem Sinne ist das auch gut so, und in diesem Sinne sind wir dagegen und werden diesen Antrag natürlich ablehnen. Was sollte man da bitte anderes machen? (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

22.18


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Keck. – Bitte. (Ruf bei der ÖVP: Tiertransporte, oder was? – Abg. Michael Hammer: Keine Maut für Hundetransporte!)


22.18.58

Abgeordneter Dietmar Keck (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Zum Tagesordnungspunkt 34: Lieber Christian Hafenecker, wir haben es im Ausschuss diskutiert. Die Aussetzung der Vignettengebühr ausschließlich für Österreicher, wie es ja in dem Antrag drinnen steht, erscheint uns europa­rechtswidrig, denn wir haben am Beispiel Deutschland schon gesehen, dass es da massive Probleme gibt. Daher werden wir nicht für diesen Antrag stimmen.

Weil wir aber gerade bei der Maut sind, meine Damen und Herren: Seit drei Jahren liegt jetzt ein Antrag im Verkehrsausschuss, in dem es um die Bemautung von Reisemobilen über 3,5 Tonnen geht. Wenn man weiß, dass in den letzten Jahren wirklich ein Riesenrun auf Reisemobile geherrscht hat – ich habe mir heute die Zahlen angeschaut –: Im Jahr 2021 sind allein von den zwei größten deutschen Reisemobilherstellern 168 000 Reisemobile hergestellt worden, und diese Reisemobile wandern ja in den Süden – der Großteil will in den Süden fahren –, aber sie fahren nicht über unsere Autobahnen, weil sie bei einem Gewicht von über 3,5 Tonnen ja die GO-Box brauchen, und die GO-Box ist extrem teuer. Das heißt, eine einzige Fahrt vom Grenzübergang Suben nach Slowenien durch den Karawankentunnel kostet zum Beispiel für so ein Fahrzeug knapp 115 Euro. Wenn man vom Grenzübergang Walserberg zum Karawankentunnel fährt, dann sind das 90 Euro für eine Fahrt für ein Fahrzeug, das statt 3 500 Kilo vielleicht 3 800 Kilo hat. Die haben das zu bezahlen.


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Ich denke, es ist ein Wahnsinn, wenn wir zulassen, dass die nicht auf dem hochrangigen Straßennetz fahren, sondern das niedrigrangige benutzen. Die sind verantwortlich für Staus, für Unfälle, aber sie werden sich die Fahrten nicht leisten, wenn für eine einzige Durchfahrt durch Österreich 114 Euro bezahlt werden müssen; die werden das nicht machen. Deshalb ist dieser Antrag da: Von mir aus soll die doppelte oder dreifache Jahresgebühr, Zweimonatsgebühr oder Zehntagesgebühr bezahlt werden, aber dann wird mit diesen Fahrzeugen auch das hochrangige Straßennetz benützt werden. Mit der GO-Box wird das jedoch niemand tun.

Ich habe jetzt wirklich folgende Bitte: Der Antrag ist im Verkehrsausschuss, glaube ich, schon acht-, neun- oder zehnmal vertagt worden, immer mit den Argumenten, dass man sich das überlegen und sich das Ganze anschauen müsse. Das letzte Argument, das gekommen ist, war für mich das komischste: Da hat es geheißen, man wolle der Asfinag keine Mauteinnahmen wegnehmen. Man nimmt der Asfinag eh nichts weg, weil diese Fahrzeuge nicht auf hochrangigen Straßen fahren. Man würde der Asfinag sogar noch Geld bringen, weil die dann das hochrangige Straßennetz benutzen werden.

Daher habe ich noch einmal die Bitte, es sich wirklich gut zu überlegen, wenn dieser Antrag das nächste Mal in den Verkehrsausschuss kommt. Wenn er jetzt schon drei Jahre in einem Ausschuss ist, dann ist das nicht mehr normal für dieses Haus, dann soll er abgelehnt werden. Oder wir nehmen diesen Antrag an, um die Sicherheit der Österreicherinnen und Österreicher in den Ortschaften zu gewährleisten, und stimmen dem zu. (Beifall bei der SPÖ.)

22.22


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Ragger. – Bitte.


22.22.11

Abgeordneter Mag. Christian Ragger (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Ich werde mich kurz halten, aber was die Grünen da jetzt ausgesprochen und von


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sich gegeben haben, kann man so nicht stehen lassen. Wir werden jetzt probie­ren, auch den Grünen zu erklären, warum wir das in Kärnten fordern, nämlich aus einem ganz einfachen Grund: 2030 werden 25 000 Züge aus Triest und aus Koper unterwegs sein. Diese werden zu 80 Prozent über Villach kommen. Wenn Sie sich das durchrechnen und überlegen: Das heißt, jede zweite Minute wird ein Zug über Velden nach Krumpendorf fahren. Das heißt, jede zweite Minute hört jeder einzelne Tourist, was sich da im Bereich der Güterzüge abspielt.

Sie haben bis jetzt nicht verstanden, dass Ihre eigene Ministerin es blockiert hat, sodass wir nicht einmal eine Planung haben, obwohl wir 51 Bürgerinitiativen eingebracht haben. (Beifall bei der FPÖ.) Es ist lächerlich, dass unsere eigene Ministerin das blockiert hat und so ein Bundesland dafür bestraft wird, dass es letztendlich Infrastruktur und Entwicklung braucht. Und das geht auf die Kappe der Grünen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

22.23


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Brandweiner. – Bitte. (Ruf bei der FPÖ: Jetzt kommt die nächste Regionalbahn!)


22.23.25

Abgeordneter Lukas Brandweiner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher:innen zu Hause und auf der Galerie! Ja, ich darf Ihnen vielleicht zu Beginn meiner Rede sagen, worüber wir hier diskutieren, weil meine Vorredner das bisher leider verabsäumt haben. Wir diskutieren über einen Antrag der FPÖ. Es geht um die Abschaffung der Mautpflicht nur für Österreicher.

Bei Kollegen Hafenecker, der den Antrag eingebracht hat, habe ich ja den Eindruck gehabt, er will eine persönliche Sprechstunde bei Frau Bundesminis­terin Gewessler, damit er seine Sorgen bei ihr abladen kann. Vielleicht können die Kollegen von den Grünen einmal ein Vieraugengespräch einfädeln. Vielleicht geht es Kollegen Hafenecker dann besser.


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Zur Abschaffung der Mautpflicht: Es ist ja ein interessanter Antrag, und am Anfang habe ich mir gedacht: Na ja, wäre ja fein, nicht? Wenn es keine Vignette gibt, spart man sich die Kosten! Wo aber geht das Geld hin? – Das Geld bekommt die Asfinag. Ich komme dann natürlich auch darauf zu sprechen, was die Asfinag damit macht. Die Abschaffung ist aber schon deshalb nicht möglich: Unsere deutschen Kollegen haben auch schon probiert, eine Vignettenpflicht nur für Nichteinheimische einzuführen, und der Europäische Gerichtshof hat das am 18. Juni 2019 gekippt, weil es eben gegen das EU-Recht ist.

Trotzdem ist der Antrag hier. Wir werden ihn heute auch ablehnen. Warum werden wir ihn ablehnen? – Alleine 2021 sind 476 Millionen Euro über die Vignette an die Asfinag gekommen. Mit der Strecken- und Lkw-Maut waren es sogar über 2 Milliarden Euro. Dieses Geld fließt eins zu eins an die Asfinag. Die Asfinag braucht keine Zuschüsse aus dem Staatsbudget. Das wäre in anderen Bereichen wünschenswert. Die Asfinag schaut, dass unsere Autobahnen und Schnellstraßen gut erhalten sind, dass sie ausgebaut werden und dass jetzt im Winter natürlich geräumt ist und dass wir sicher fahren können.

An dieser Stelle möchte ich wirklich all jenen Danke sagen, die sich im Straßen­dienst engagieren, die – nicht nur auf den Autobahnen, sondern auch auf den restlichen österreichischen Straßen – fleißig arbeiten, damit wir sicher fahren können. (Beifall bei der ÖVP.)

Lassen Sie mich noch einen Vergleich anstellen: Jeder von uns, der auch im Ausland auf Autobahnen unterwegs war, weiß, dass unsere Autobahnen wirklich gut in Schuss sind. (Abg. Hafenecker: Noch!) Das bestätigt auch der Netzzu­stands­bericht 2020. Herr Kollege Hafenecker hat hereingeschrien: noch gut in Schuss! – Wenn wir Ihrem Antrag zustimmen würden, dann wären sie bald nicht mehr gut in Schuss. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir haben in Österreich eben seit 1997 dieses gut funktionierende System. Auch wenn man die Preishöhe vergleicht, brauchen wir uns da nicht zu verstecken: Italien, Frankreich rechnen kilometerweise ab, in Tschechien sind es


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beispielsweise 62 Euro an Kosten. Das ist zwar um eine Spur günstiger, bei uns sind es dafür aber auch mehr Kilometer.

Apropos Tschechien: Da wir hier beim Thema Verkehr sind, möchte ich schon noch erzählen, dass wir erst diese Woche mit der parlamentarischen Freund­schaftsgruppe bei unseren Kollegen in Prag waren. Wir sind mit der neuen direkten Zugverbindung – Silva Nortica – von Wien über Gmünd nach Prag gefahren.

Es freut mich wirklich sehr, dass man sieht, dass wir tolle Sachen umsetzen. Mein Dank gilt auch dem niederösterreichischen Mobilitätslandesrat Ludwig Schleritzko – eine wirkliche Verbesserung auch für das Waldviertel.

Da ich der Letztredner bin, drehe ich jetzt nicht nur das Licht da ab, sondern auch die Mikrofone – also eigentlich der Herr Präsident – und wünsche uns allen einen guten Abend. Kommen Sie gut nach Hause! (Beifall bei der ÖVP.)

22.27


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Berichterstatterin ein Schlusswort? – Offenbar nicht.

22.27.57Abstimmung über die Tagesordnungspunkte 33 und 34


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Können wir zu den Abstimmungen kommen? SPÖ? Grüne?

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 33: Antrag des Ver­kehrsausschusses, den Bericht der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend ÖBB-Rahmenplan 2023–2028, III-794 der Beilagen, zur Kenntnis zu nehmen.

Wer dies tut, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit, angenommen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll189. Sitzung, 189. Sitzung des Nationalrats vom 14. Dezember 2022 / Seite 525

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Hauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Konkreter Verkehrsplan während der Sanierung der Luegbrücke zur Verhinderung eines Totalchaos“.

Wer diesem Antrag zustimmt, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Kucher, Angerer, Margreiter, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Umsetzung der Kärntner Güterverkehrstrasse“.

Wer dem zustimmt, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 34: Antrag des Ver­kehrs­ausschusses, seinen Bericht 1858 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer das tut, möge ein Zeichen geben. – Das ist die Mehrheit, angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Hafenecker, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Abschaffung der CO2-Steuer und Verschiebung der Einführung der Kraftstoffverordnung“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

22.29.29Einlauf


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf bekannt geben, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 3054/A(E) bis 3068/A(E) eingebracht worden sind.


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*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die geschäftsordnungsmäßige Mitteilungen enthält und Zuweisungen betrifft, berufe ich für 22.30 Uhr – das ist gleich im Anschluss an diese Sitzung – ein.

Diese Sitzung ist geschlossen.

22.29.51Schluss der Sitzung: 22.29 Uhr

 

 

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