Plenarsitzung
des Nationalrates
189. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich
Mittwoch, 14. Dezember 2022
XXVII. Gesetzgebungsperiode
Großer Redoutensaal
Stenographisches Protokoll
189. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich
XXVII. Gesetzgebungsperiode Mittwoch, 14. Dezember 2022
Dauer der Sitzung
Mittwoch, 14. Dezember 2022: 9.05 – 22.29 Uhr
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Tagesordnung
1. Punkt: Bericht über den Antrag 3003/A der Abgeordneten Dr. Christian Stocker, Mag. Georg Bürstmayr, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, das BFA-Verfahrensgesetz und das Asylgesetz 2005 geändert werden
2. Punkt: Bericht über den Antrag 2981/A der Abgeordneten Mag. Wolfgang Gerstl, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, das Verwaltungsrechtliche COVID-19-Begleitgesetz und das COVID-19 Begleitgesetz Vergabe geändert werden
3. Punkt: Bericht über den Antrag 3010/A der Abgeordneten Peter Haubner, Dr. Elisabeth Götze, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Kontrolle von ausländischen Direktinvestitionen (Investitionskontrollgesetz – InvKG) geändert wird
4. Punkt: Bericht über den Antrag 3011/A der Abgeordneten Peter Haubner, Dr. Elisabeth Götze, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit
dem das Bilanzbuchhaltungsgesetz 2014 und das Wirtschaftstreuhandberufsgesetz 2017 geändert werden
5. Punkt: Bericht über den Antrag 2979/A der Abgeordneten Tanja Graf, Ing. Martin Litschauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das E-Control-Gesetz geändert wird
6. Punkt: Bericht über den Antrag 2999/A der Abgeordneten Tanja Graf, Ing. Martin Litschauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz geändert wird
7. Punkt: Bericht und Antrag über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Bundesgesetz, mit dem die Organisation auf dem Gebiet der Elektrizitätswirtschaft neu geregelt wird (Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz 2010 – ElWOG 2010), geändert wird
8. Punkt: Tätigkeitsbericht der Bundeswettbewerbsbehörde für das Jahr 2021
9. Punkt: Bericht über den Antrag 2997/A der Abgeordneten August Wöginger, Mag. Markus Koza, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Nachtschwerarbeitsgesetz und Art. V des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 473/1992 geändert werden
10. Punkt: Bericht über den Antrag 2717/A der Abgeordneten August Wöginger, Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundespflegegeldgesetz geändert wird
11. Punkt: Bericht über den Antrag 2424/A(E) der Abgeordneten Mag. Christian Drobits, Kolleginnen und Kollegen betreffend Pflege und Betreuung ist Schwer(st)arbeit
12. Punkt: Bericht über den Antrag 1792/A(E) der Abgeordneten Fiona Fiedler, BEd, Kolleginnen und Kollegen betreffend Automatische Fotoimplementierung bei Beantragung eines Behindertenpasses aus nationalen Datenbanken
13. Punkt: Bericht über den Antrag 2965/A der Abgeordneten Bettina Zopf, Mag. Markus Koza, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsmarktservicegesetz geändert wird
14. Punkt: Bericht über den Antrag 2987/A(E) der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Arbeitslosenversicherungssystem und AMS-Schulungen dürfen nicht zum Ausländer-Arbeitsamt verkommen – Stopp der weiteren unqualifizierten Zuwanderung in den österreichischen Arbeitsmarkt und den Sozialstaat
15. Punkt: Bericht über den Antrag 3021/A der Abgeordneten Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller, Mag. Markus Koza, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz geändert wird
16. Punkt: Bericht über den Antrag 2986/A(E) der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Zuwanderungsstopp in den österreichischen Sozialstaat jetzt – „Unser Geld für unsere Leute“
17. Punkt: Bericht über den Antrag 3013/A der Abgeordneten August Wöginger, Mag. Markus Koza, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kriegsopferversorgungsgesetz 1957, das Opferfürsorgegesetz, das Impfschadengesetz, das Verbrechensopfergesetz und das Heimopferrentengesetz geändert werden
18. Punkt: Bericht über den Antrag 2966/A der Abgeordneten August Wöginger, Dipl.-Ing. Olga Voglauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bauern-Sozialversicherungsgesetz geändert wird
19. Punkt: Bericht über den Antrag 3012/A der Abgeordneten August Wöginger, Mag. Markus Koza, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird
20. Punkt: Bericht über den Antrag 2937/A(E) der Abgeordneten Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Aktion 60 plus für den österreichischen Arbeitsmarkt
21. Punkt: Bericht über den Antrag 2985/A(E) der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Echte Pensionsanpassung statt sozialpolitischem Falschspielertrick
22. Punkt: Bericht über den Antrag 2960/A der Abgeordneten Dr. Josef Smolle, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Einrichtung eines Covid-19-Lagers und über die Verfügung über Bundesvermögen bei Abgabe aus diesem Lager geändert wird
23. Punkt: Bericht über den Antrag 3020/A der Abgeordneten Dr. Josef Smolle, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Allgemeine Pensionsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das COVID-19-Zweckzuschussgesetz, das Bundesgesetz, mit dem zur Abdeckung des Bedarfes zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie Ermächtigungen zur Verfügung über Bundesvermögen erteilt werden, das Gehaltsgesetz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948 und das Gesundheitstelematikgesetz 2012 geändert werden
24. Punkt: Bericht und Antrag über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz geändert wird
25. Punkt: Bericht über den Antrag 2961/A der Abgeordneten Dr. Josef Smolle, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird
26. Punkt: Bericht über den Antrag 2962/A der Abgeordneten Dr. Josef Smolle, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein
Bundesgesetz, mit dem das Zahnärztegesetz und das Zahnärztekammergesetz geändert werden (Fachzahnarzt-Kieferorthopädie-Gesetz – FZA-KFO-G)
27. Punkt: Bericht über den Antrag 3014/A der Abgeordneten Dr. Josef Smolle, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ärztegesetz 1998 geändert wird
28. Punkt: Bundesgesetz über eine Fachstelle zur Wahrnehmung der Interessen von Verbraucherinnen und Verbrauchern sowie von Menschen mit Behinderungen in der Normung (Fachstelle-Normungsbeteiligung-Gesetz – FNBG)
29. Punkt: Bericht über den Antrag 3016/A(E) der Abgeordneten Mag. Ulrike Fischer, Mag. Peter Weidinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Förderkonzept zur Sicherstellung einer langfristigen Finanzierung von Verbraucherschutzorganisationen insbesondere des VKI“
30. Punkt: Bericht über den Antrag 2900/A(E) der Abgeordneten Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Durchführung einer Haltbarkeitsanalyse und Einsatz für eine Anpassung der europäischen Regelungen betreffend die Verkaufsfrist von Eiern“ bis zum 31. März 2023
31. Punkt: Bericht über den Antrag 2978/A(E) der Abgeordneten Dr. Astrid Rössler, Johannes Schmuckenschlager, Julia Elisabeth Herr, Walter Rauch, Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend Importverbot von Haiprodukten
32. Punkt: Bericht über den Antrag 2969/A(E) der Abgeordneten Ing. Martin Litschauer, Johannes Schmuckenschlager, Julia Elisabeth Herr, Kolleginnen und Kollegen betreffend Neubaupläne von Small Modular Reactors (SMRs) in Tschechien
33. Punkt: Bericht betreffend ÖBB-Rahmenplan 2023-2028
34. Punkt: Bericht über den Antrag 2956/A(E) der Abgeordneten Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Aussetzung der Mautpflicht in Form der Vignette für Österreicher
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Inhalt
Personalien
Verhinderungen ...................................................................................................... 27
Geschäftsbehandlung
Antrag des Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, MA, gemäß § 49 Abs. 5 GOG die Tagesordnungspunkte 5 bis 7 sowie 31 bis 34 von der Tagesordnung abzusetzen – Ablehnung ................................................................. 78, 89
Wortmeldungen im Zusammenhang mit dem Antrag auf Absetzung der Tagesordnungspunkte 5 bis 7 sowie 31 bis 34:
Lukas Hammer ......................................................................................................... 81
Mag. Jörg Leichtfried ............................................................................................... 83
Christian Hafenecker, MA ....................................................................................... 85
August Wöginger ..................................................................................................... 87
Antrag des Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried im Sinne des § 18 Abs. 3 auf Anwesenheit der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie – Ablehnung ........................... 83, 89
Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 5 GOG ............................................................................................................. 90
Wortmeldungen im Zusammenhang mit dem Misstrauensantrag der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen:
August Wöginger ..................................................................................................... 103
Christian Hafenecker, M
A ....................................................................................... 104
Antrag der Abgeordneten Tanja Graf, Lukas Hammer, Kolleginnen und Kollegen, den Antrag 2979/A der Abgeordneten Tanja Graf, Ing. Martin Litschauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „ein Bundesgesetz, mit dem das E-Control-Gesetz geändert wird“, in der Fassung des Ausschussberichtes 1896 d.B. gemäß § 53 Abs. 6 Z 2 GOG an den Ausschuss für Wirtschaft, Industrie und Energien rückzuverweisen – Annahme . 188, 188
Fragestunde (17.)
EU und Verfassung ................................................................................................ 28
Mag. Jörg Leichtfried (220/M); Mag. Romana Deckenbacher, Dr. Johannes Margreiter
Petra Steger (214/M); Michel Reimon, MBA, Mag. Wolfgang Gerstl
Dr. Johannes Margreiter (223/M)
Mag. Martin Engelberg (211/M); Sabine Schatz
Mag. Selma Yildirim (221/M); Mag. Andreas Hanger, Mag. Christian Ragger
Mag. Agnes Sirkka Prammer (219/M); Mag. Jörg Leichtfried
Dr. Nikolaus Scherak, MA (224/M); Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich, Dr. Helmut Brandstätter
Mag. Wolfgang Gerstl (212/M); Dr. Ewa Ernst-Dziedzic, Dr. Harald Troch
Dr. Harald Troch (222/M); Dr. Susanne Fürst
Bundesregierung
Vertretungsschreiben ............................................................................................ 27
Ausschüsse
Zuweisungen ............................................................................................ 76, 188
Dringliche Anfrage
der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft betreffend „der Stillstand in der Regierung, darf nicht zum Stillstand der Wirtschaft werden: Arbeitsmarktreform jetzt!“ (13233/J) .................................................................. 255
Begründung: Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES ................................................... 274
Bundesminister Mag. Dr. Martin Kocher ............................................................... 283
Debatte:
Mag. Gerald Loacker ................................................................................................ 296
August Wöginger ..................................................................................................... 300
Josef Muchitsch ....................................................................................................... 307
Peter Wurm .............................................................................................................. 313
Mag. Markus Koza ................................................................................................... 318
Dr. Stephanie Krisper .............................................................................................. 321
Mag. (FH) Kurt Egger ............................................................................................... 325
Melanie Erasim, MSc ............................................................................................... 327
Erwin Angerer .......................................................................................................... 329
Dr. Elisabeth Götze .................................................................................................. 332
Mag. Julia Seidl ........................................................................................................ 335
Bettina Zopf ............................................................................................................. 337
Mag. Verena Nussbaum .......................................................................................... 340
Mag. Meri Disoski .................................................................................................... 342
Michael Bernhard .................................................................................................... 345
Rudolf Silvan ............................................................................................................ 349
Nico Marchetti ......................................................................................................... 351
Entschließungsantrag der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Arbeitsmarktreform jetzt umsetzen“ – Ablehnung .. 311, 353
Verhandlungen
Gemeinsame Beratung über
1. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 3003/A der Abgeordneten Dr. Christian Stocker, Mag. Georg Bürstmayr, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, das BFA-Verfahrensgesetz und das Asylgesetz 2005 geändert werden (1868 d.B.) .......... 90
2. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 2981/A der Abgeordneten Mag. Wolfgang Gerstl, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, das Verwaltungsrechtliche COVID-19-Begleitgesetz und das COVID-19 Begleitgesetz Vergabe geändert werden (1869 d.B.) ..... 91
Redner:innen:
Mag. Hannes Amesbauer, BA ................................................................................. 91
Johann Singer ........................................................................................................... 105
Dr. Johannes Margreiter ......................................................................................... 107
Mag. Jörg Leichtfried ............................................................................................... 108
Dr. Susanne Fürst ..................................................................................................... 110
Mag. Georg Bürstmayr ............................................................................................ 112
Christian Hafenecker, MA ....................................................................................... 113
Andreas Minnich ...................................................................................................... 116
Ing. Reinhold Einwallner .......................................................................................... 117
Entschließungsantrag der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Transparenzbericht über Ausgaben für die ‚neue Völkerwanderung‘ – Kostenwahrheit für die Steuerzahler!“ – Ablehnung . 98, 119
Entschließungsantrag (Misstrauensantrag) der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Versagen des Vertrauens gegenüber der Bundesregierung“ und den Staatssekretär:innen gemäß Art. 74 Abs. 1 B-VG – Ablehnung ................................................................................ 100, 120
Annahme der beiden Gesetzentwürfe in 1868 und 1869 d.B. ........................ 119
Gemeinsame Beratung über
3. Punkt: Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über den Antrag 3010/A der Abgeordneten Peter Haubner, Dr. Elisabeth Götze, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Kontrolle von ausländischen Direktinvestitionen (Investitionskontrollgesetz – InvKG) geändert wird (1894 d.B.) ...................... 121
4. Punkt: Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über den Antrag 3011/A der Abgeordneten Peter Haubner, Dr. Elisabeth Götze, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bilanzbuchhaltungsgesetz 2014 und das Wirtschaftstreuhandberufsgesetz 2017 geändert werden (1895 d.B.) .......................................................... 121
Redner:innen:
Mag. Gerald Loacker ................................................................................................ 121
Peter Haubner .......................................................................................................... 123
Dr. Christoph Matznetter ........................................................................................ 124
Erwin Angerer .......................................................................................................... 127
Dr. Elisabeth Götze .................................................................................................. 129
Eva-Maria Himmelbauer, BSc ................................................................................. 131
Mag. Dr. Petra Oberrauner ..................................................................................... 133
Franz Hörl ................................................................................................................. 135
Cornelia Ecker .......................................................................................................... 137
Annahme der beiden Gesetzentwürfe in 1894 und 1895 d.B. ........................ 189
Gemeinsame Beratung über
5. Punkt: Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über den Antrag 2979/A der Abgeordneten Tanja Graf, Ing. Martin Litschauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das E-Control-Gesetz geändert wird (1896 d.B.) ...................................... 138
6. Punkt: Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über den Antrag 2999/A der Abgeordneten Tanja Graf, Ing. Martin Litschauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz geändert wird (1897 d.B.) ................. 138
7. Punkt: Bericht und Antrag des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Bundesgesetz, mit dem die Organisation auf dem Gebiet der Elektrizitätswirtschaft neu geregelt wird (Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz 2010 – ElWOG 2010), geändert wird (1898 d.B.) ........................................................... 138
Redner:innen:
Alois Schroll .............................................................................................................. 139
Tanja Graf ................................................................................................................. 141
MMMag. Dr. Axel Kassegger .................................................................................. 144
Lukas Hammer ......................................................................................................... 148
Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer .................................................................................. 150
Bundesminister Johannes Rauch ............................................................................ 153
Christoph Stark ........................................................................................................ 155
Erwin Angerer .......................................................................................................... 162
Ing. Martin Litschauer ............................................................................................. 170
Laurenz Pöttinger .................................................................................................... 172
Johann Höfinger ...................................................................................................... 175
Entschließungsantrag der Abgeordneten Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „gesetzeskonforme Grundversorgungstarife bei Energielieferanten in Österreich“ – Ablehnung ................................ 165, 191
Entschließungsantrag der Abgeordneten Lukas Hammer, Tanja Graf, Alois Schroll, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Beschaffungskosten Netzverlustenergie“ – Annahme (283/E) ........................................... 173, 191
Rückverweisung des Antrages 2979/A an den Ausschuss für Wirtschaft, Industrie und Energie ............................................................................................. 188
Annahme der beiden Gesetzentwürfe in 1897 und 1898 d.B. ........................ 190
8. Punkt: Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über den Tätigkeitsbericht der Bundeswettbewerbsbehörde für das Jahr 2021, vorgelegt vom Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft (III-803/1893 d.B.) ........................................................................................................ 177
Redner:innen:
Andreas Kühberger .................................................................................................. 177
Maximilian Lercher .................................................................................................. 180
Erwin Angerer .......................................................................................................... 181
Dr. Elisabeth Götze .................................................................................................. 183
Mag. Gerald Loacker ................................................................................................ 185
Bundesminister Mag. Dr. Martin Kocher ............................................................... 186
Kenntnisnahme des Berichtes III-803 d.B. .......................................................... 192
Gemeinsame Beratung über
9. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 2997/A der Abgeordneten August Wöginger, Mag. Markus Koza, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das
Nachtschwerarbeitsgesetz und Art. V des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 473/1992 geändert werden (1821 d.B.) ....................................................... 192
10. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 2717/A der Abgeordneten August Wöginger, Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundespflegegeldgesetz geändert wird (1824 d.B.) .......................................... 192
11. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 2424/A(E) der Abgeordneten Mag. Christian Drobits, Kolleginnen und Kollegen betreffend Pflege und Betreuung ist Schwer(st)arbeit (1830 d.B.) ............................................................................................................... 192
12. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 1792/A(E) der Abgeordneten Fiona Fiedler, BEd, Kolleginnen und Kollegen betreffend Automatische Fotoimplementierung bei Beantragung eines Behindertenpasses aus nationalen Datenbanken (1831 d.B.) ................ 192
Redner:innen:
Josef Muchitsch ....................................................................................................... 193
Bedrana Ribo, MA .................................................................................................... 196
Henrike Brandstötter (tatsächliche Berichtigung) ............................................... 204
Mag. Christian Ragger ............................................................................................. 205
August Wöginger ..................................................................................................... 212
Mag. Christian Drobits (tatsächliche Berichtigung) ............................................. 216
Fiona Fiedler, BEd .................................................................................................... 217
Bundesminister Johannes Rauch ............................................................................ 223
Alois Stöger, diplômé (tatsächliche Berichtigung) ................................................ 227
Mag. Ernst Gödl ....................................................................................................... 228
Dietmar Keck ........................................................................................................... 230
Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler .......................................................................... 232
Peter Wurm .............................................................................................................. 235
Bedrana Ribo, MA .................................................................................................... 238
Mag. Christian Drobits ............................................................................................ 239
Mag. Gerhard Kaniak .............................................................................................. 246
Nurten Yılmaz .......................................................................................................... 248
Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Pflegeprämie muss auch in Kärnten und allen anderen Bundesländern 2.000 Euro netto betragen!“ – Ablehnung ...... 208, 384
Entschließungsantrag der Abgeordneten Fiona Fiedler, BEd, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Kostenanalyse Pflege“ – Ablehnung ............. 220, 384
Entschließungsantrag der Abgeordneten Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Anerkennung für die Leistung der Gesundheitsberufe durch Auszahlung eines beitrags- und steuerfreien Entgeltbonus zum Ausdruck bringen“ – Ablehnung ......................................................... 242, 384
Annahme der beiden Gesetzentwürfe in 1821 und 1824 d.B. ........................ 382
Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 1830 d.B. .......................................... 384
Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 1831 d.B. beigedruckten Entschließung betreffend „Automatische Fotoimplementierung bei Beantragung eines Behindertenpass aus nationalen Datenbanken“ (284/E) ..... 385
Gemeinsame Beratung über
13. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 2965/A der Abgeordneten Bettina Zopf, Mag. Markus Koza, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsmarktservicegesetz geändert wird (1819 d.B.) ................................................... 252
14. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 2987/A(E) der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Arbeitslosenversicherungssystem und AMS-Schulungen dürfen nicht zum Ausländer-Arbeitsamt verkommen –
Stopp der weiteren unqualifizierten Zuwanderung in den österreichischen Arbeitsmarkt und den Sozialstaat (1820 d.B.) .................................................... 252
15. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 3021/A der Abgeordneten Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller, Mag. Markus Koza, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz geändert wird (1822 d.B.) ...................................................................................................... 252
16. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 2986/A(E) der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Zuwanderungsstopp in den österreichischen Sozialstaat jetzt – „Unser Geld für unsere Leute“ (1832 d.B.) .............. 252
Redner:innen:
Peter Wurm .............................................................................................................. 253
Mag. Markus Koza ................................................................................................... 353
Mag. Gerald Loacker ................................................................................................ 355
Josef Muchitsch ....................................................................................................... 356
Mag. Hannes Amesbauer, BA ................................................................................. 358
Bettina Zopf ............................................................................................................. 363
Barbara Neßler ........................................................................................................ 364
Petra Wimmer .......................................................................................................... 365
Rebecca Kirchbaumer .............................................................................................. 366
Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Zuwanderungsstopp – Maßnahmen zur Eindämmung der neuen Völkerwanderung“ – Ablehnung ........ 360, 386
Annahme der beiden Gesetzentwürfe in 1819 und 1822 d.B. ........................ 385
Kenntnisnahme der beiden Ausschussberichte 1820 und 1832 d.B. ............. 385
Gemeinsame Beratung über
17. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 3013/A der Abgeordneten August Wöginger, Mag. Markus Koza, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kriegsopferversorgungsgesetz 1957, das Opferfürsorgegesetz, das Impfschadengesetz, das Verbrechensopfergesetz und das Heimopferrentengesetz geändert werden (1825 d.B.) .............................................................. 369
18. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 2966/A der Abgeordneten August Wöginger, Dipl.-Ing. Olga Voglauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bauern-Sozialversicherungsgesetz geändert wird (1826 d.B.) .................. 369
19. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 3012/A der Abgeordneten August Wöginger, Mag. Markus Koza, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (1827 d.B.) .............................................................................................................. 369
20. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 2937/A(E) der Abgeordneten Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Aktion 60 plus für den österreichischen Arbeitsmarkt (1828 d.B.) ............................................................................................................... 369
21. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 2985/A(E) der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Echte Pensionsanpassung statt sozialpolitischem Falschspielertrick (1829 d.B.) ................................................. 369
Redner:innen:
Mag. Verena Nussbaum .......................................................................................... 370
Mag. Markus Koza ................................................................................................... 371
Erwin Angerer .......................................................................................................... 373
Mag. Ernst Gödl ....................................................................................................... 374
Mag. Gerald Loacker ................................................................................................ 376
Clemens Stammler ................................................................................................... 377
Alois Stöger, diplômé ............................................................................................... 379
Bettina Zopf ............................................................................................................. 380
Annahme der drei Gesetzentwürfe in 1825, 1826 und 1827 d.B. .................. 386
Kenntnisnahme der beiden Ausschussberichte 1828 und 1829 d.B. ............. 387
Gemeinsame Beratung über
22. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 2960/A der Abgeordneten Dr. Josef Smolle, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Einrichtung eines Covid-19-Lagers und über die Verfügung über Bundesvermögen bei Abgabe aus diesem Lager geändert wird (1885 d.B.) ............... 388
23. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 3020/A der Abgeordneten Dr. Josef Smolle, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Allgemeine Pensionsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das COVID-19-Zweckzuschussgesetz, das Bundesgesetz, mit dem zur Abdeckung des Bedarfes zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie Ermächtigungen zur Verfügung über Bundesvermögen erteilt werden, das Gehaltsgesetz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948 und das Gesundheitstelematikgesetz 2012 geändert werden (1886 d.B.) ................................................................................ 388
24. Punkt: Bericht und Antrag des Gesundheitsausschusses über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz geändert wird (1887 d.B.) ............................................................... 388
25. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 2961/A der Abgeordneten Dr. Josef Smolle, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (1890 d.B.) ....................................................... 388
Redner:innen:
Dietmar Keck ........................................................................................................... 389
Ralph Schallmeiner .................................................................................................. 390
Mag. Gerhard Kaniak .............................................................................................. 392
Mag. Michael Hammer ............................................................................................ 396
Fiona Fiedler, BEd .................................................................................................... 397
Bundesminister Johannes Rauch ............................................................................ 398
Martina Diesner-Wais ............................................................................................. 399
Mag. Christian Drobits ............................................................................................ 400
Mag. Gerald Hauser ................................................................................................. 402
Annahme der vier Gesetzentwürfe in 1885, 1886, 1887 und 1890 d.B. ....... 418
Gemeinsame Beratung über
26. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 2962/A der Abgeordneten Dr. Josef Smolle, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Zahnärztegesetz und das Zahnärztekammergesetz geändert werden (Fachzahnarzt-Kieferorthopädie-Gesetz – FZA-KFO-G) (1888 d.B.) ............................................................ 405
27. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 3014/A der Abgeordneten Dr. Josef Smolle, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ärztegesetz 1998 geändert wird (1889 d.B.) ...................................................................................... 405
Redner:innen:
Rudolf Silvan ............................................................................................................ 405
Ralph Schallmeiner .................................................................................................. 406
Mag. Gerhard Kaniak .............................................................................................. 409
Dr. Werner Saxinger, MSc ....................................................................................... 411
Philip Kucher ............................................................................................................ 413
Fiona Fiedler, BEd .................................................................................................... 416
Annahme der beiden Gesetzentwürfe in 1888 und 1889 d.B. ........................ 420
28. Punkt: Bericht des Ausschusses für Konsumentenschutz über die Regierungsvorlage (1752 d.B.): Bundesgesetz über eine Fachstelle zur Wahrnehmung der Interessen von Verbraucherinnen und Verbrauchern sowie von Menschen mit Behinderungen in der Normung (Fachstelle-Normungsbeteiligung-Gesetz – FNBG) (1870 d.B.) ............................................................. 420
Redner:innen:
Mag. Ulrike Fischer .................................................................................................. 421
Elisabeth Feichtinger, BEd BEd ............................................................................... 423
Peter Wurm .............................................................................................................. 424
Mag. Peter Weidinger .............................................................................................. 426
Bundesminister Johannes Rauch ............................................................................ 429
Annahme des Gesetzentwurfes in 1870 d.B. ..................................................... 459
29. Punkt: Bericht des Ausschusses für Konsumentenschutz über den Antrag 3016/A(E) der Abgeordneten Mag. Ulrike Fischer, Mag. Peter Weidinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Förderkonzept zur Sicherstellung einer langfristigen Finanzierung von Verbraucherschutzorganisationen insbesondere des VKI“ (1871 d.B.) ............................................ 430
Redner:innen:
Mag. Christian Drobits ............................................................................................ 430
Hermann Weratschnig, MBA MSc .......................................................................... 432
Christian Ries ........................................................................................................... 434
Ing. Mag. (FH) Alexandra Tanda ............................................................................. 440
Petra Wimmer .......................................................................................................... 442
MMag. Katharina Werner, Bakk. ............................................................................ 444
Mag. Ulrike Fischer .................................................................................................. 445
Entschließungsantrag der Abgeordneten Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Ein Bundesgesetz betreffend VKI-Finanzierungsgesetz 2023“ – Ablehnung ....................................................................... 436, 459
Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 1871 d.B. beigedruckten Entschließung betreffend „Förderkonzept zur Sicherstellung einer langfristigen Finanzierung von Verbraucherschutzorganisationen insbesondere des VKI“ (285/E) ............................................................................................................ 459
30. Punkt: Bericht des Ausschusses für Konsumentenschutz über den Antrag 2900/A(E) der Abgeordneten Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Durchführung einer Haltbarkeitsanalyse und Einsatz für eine Anpassung der europäischen Regelungen betreffend die Verkaufsfrist von Eiern“ bis zum 31. März 2023 (1872 d.B.) ................................................... 446
Redner:innen:
Klaus Köchl ............................................................................................................... 447
Clemens Stammler ................................................................................................... 448
Peter Schmiedlechner .............................................................................................. 450
Andreas Kühberger .................................................................................................. 454
Mag. Ulrike Fischer .................................................................................................. 457
Entschließungsantrag der Abgeordneten Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Schluss mit den leeren Versprechen: für eine lückenlose Herkunftskennzeichnung von Lebensmitteln“ – Ablehnung ... 452, 460
Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 1872 d.B. .......................................... 460
31. Punkt: Bericht des Umweltausschusses über den Antrag 2978/A(E) der Abgeordneten Dr. Astrid Rössler, Johannes Schmuckenschlager, Julia Elisabeth Herr, Walter Rauch, Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend Importverbot von Haiprodukten (1873 d.B.) .................................. 460
Redner:innen:
Lukas Hammer ......................................................................................................... 460
Julia Elisabeth Herr .................................................................................................. 462
Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich ............................................................................... 465
Michael Bernhard .................................................................................................... 467
Dr. Astrid Rössler ..................................................................................................... 469
Joachim Schnabel .................................................................................................... 471
Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 1873 d.B. beigedruckten Entschließung betreffend „Importverbot von Haiprodukten“ (286/E) ........... 484
32. Punkt: Bericht des Umweltausschusses über den Antrag 2969/A(E) der Abgeordneten Ing. Martin Litschauer, Johannes Schmuckenschlager, Julia Elisabeth Herr, Kolleginnen und Kollegen betreffend Neubaupläne von Small Modular Reactors (SMRs) in Tschechien (1874 d.B.) .............................. 472
Redner:innen:
Ing. Martin Litschauer ............................................................................................. 473
Cornelia Ecker .......................................................................................................... 475
Dipl.-Ing. Gerhard Deimek ...................................................................................... 476
Mag. Johanna Jachs ................................................................................................ 478
Mag. Yannick Shetty ............................................................................................... 479
Bundesminister Johannes Rauch ............................................................................ 481
Martina Diesner-Wais ............................................................................................. 483
Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 1874 d.B. beigedruckten Entschließung betreffend „Neubaupläne von Small Modular Reactors (SMRs) in Tschechien“ (287/E) ............................................................................. 485
33. Punkt: Bericht des Verkehrsausschusses über den Bericht der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend ÖBB-Rahmenplan 2023-2028 (III-794/1857 d.B.) ....................................................................................................... 485
Redner:innen:
Mag. Gerald Hauser ................................................................................................. 485
Hermann Weratschnig, MBA MSc .......................................................................... 489
Alois Stöger, diplômé ............................................................................................... 491
Andreas Ottenschläger ............................................................................................ 493
Dr. Johannes Margreiter ......................................................................................... 495
Bundesminister Johannes Rauch ............................................................................ 497
Julia Elisabeth Herr .................................................................................................. 500
Johann Singer ........................................................................................................... 502
Klaus Köchl ............................................................................................................... 504
Joachim Schnabel .................................................................................................... 508
Alois Schroll .............................................................................................................. 511
Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Konkreter Verkehrsplan während der Sanierung der Luegbrücke zur Verhinderung eines Totalchaos“ – Ablehnung 487, 525
Entschließungsantrag der Abgeordneten Philip Kucher, Erwin Angerer, Dr. Johannes Margreiter, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Umsetzung der Kärntner Güterverkehrstrasse“ – Ablehnung ............................. 506, 525
Kenntnisnahme des Berichtes III-794 d.B. .......................................................... 524
34. Punkt: Bericht des Verkehrsausschusses über den Antrag 2956/A(E) der Abgeordneten Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Aussetzung der Mautpflicht in Form der Vignette für Österreicher (1858 d.B.) .................................................................................................. 512
Redner:innen:
Christian Hafenecker, MA ....................................................................................... 512
Hermann Weratschnig, MBA MSc .......................................................................... 518
Dietmar Keck ........................................................................................................... 520
Mag. Christian Ragger ............................................................................................. 521
Lukas Brandweiner .................................................................................................. 522
Entschließungsantrag der Abgeordneten Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Abschaffung der CO2-Steuer und Verschiebung der Einführung der Kraftstoffverordnung“ – Ablehnung 515, 525
Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 1858 d.B. .......................................... 525
Eingebracht wurden
Berichte ................................................................................................................... 77
III-826: Bericht nach § 1 Abs. 4 des Bundesgesetzes über die Errichtung eines Non-Profit-Organisationen Unterstützungsfonds für November 2022; BM f. Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport
III-827: Tätigkeitsbericht der Ombudsstelle für Studierende; BM f. Bildung, Wissenschaft und Forschung
Anträge der Abgeordneten
Mag. Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Pflegeprämie muss auch in Kärnten und allen anderen Bundesländern 2.000 Euro netto betragen! (3054/A)(E)
Mag. Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Pflegeprämie muss auch in Kärnten und allen anderen Bundesländern 2.000 Euro netto betragen! (3055/A)(E)
Mag. Dr. Martin Graf, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schluss mit dem Genderzwang an den Universitäten (3056/A)(E)
Dr. Harald Troch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Weiterentwicklung des Grundrechtekatalogs – Schaffung von sozialen Grundrechten (3057/A)(E)
Dr. Harald Troch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bericht der Volksanwaltschaft über Präventive Empfehlungen zum Schutz und zur Förderung der Menschenrechte im Bereich des Straf- und Maßnahmenvollzugs – Schriftenreihe der Volksanwaltschaft – Band VI (3058/A)(E)
Elisabeth Feichtinger, BEd BEd, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Freiwilligengesetz BGBl I 17/2012 geändert wird (3059/A)
Mario Lindner, Kolleginnen und Kollegen betreffend kostenfreier Zugang zur HIV-Prä-Expositionsprophylaxe (PrEP) (3060/A)(E)
Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schaffung eines Arzneimittelkostendeckels (3061/A)(E)
Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen betreffend Datenerhebung und Bewusstseinskampagne zu Stealthing (3062/A)(E)
Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Gendern? Nein Danke! Regeln der deutschen Sprache einhalten – keine politisch motivierte Verfremdung der Sprache! (3063/A)(E)
MMMag. Dr. Axel Kassegger, Kolleginnen und Kollegen betreffend FH-Entwicklungs- und Finanzierungsplan (3064/A)(E)
Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Es braucht eine wirklich faire Schwerarbeiterregelung für die Justizwache (3065/A)(E)
Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die XXVII. Gesetzgebungsperiode des Nationalrates vorzeitig beendet wird (3066/A)
Mag. Dr. Petra Oberrauner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Mehr Mittel für den Breitbandausbau und Förderfokus auf offene Glasfasernetze der öffentlichen Hand“ (3067/A)(E)
Mag. Dr. Petra Oberrauner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Open-Source fördern – für eine erfolgreiche Wirtschaft und eine unabhängige und innovative Öffentliche Verwaltung“ (3068/A)(E)
Anfragen der Abgeordneten
Dr. Ewa Ernst-Dziedzic, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend Völkerrechtswidrige türkische Militäroffensive in Nordostsyrien und im Nordirak und die damit in Verbindung stehende Gefahr des Erstarkens des IS-Terrors (13226/J)
Mag. Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien betreffend Schließung mutmaßlich staatsfeindlicher Moscheen (13227/J)
Mag. Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Umsetzung der Europäischen Kindergarantie (13228/J)
Mag. Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Schließung mutmaßlich staatsfeindlicher Moscheen (13229/J)
Henrike Brandstötter, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien betreffend Förderung einer Selbstkontrolleinrichtung zum Schutz Minderjähriger (13230/J)
Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft betreffend AMA-Marketingaktionen: Bevorzugung einflussreicher Marktteilnehmer aufgrund intransparenter Teilnahmekriterien? (13231/J)
Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft betreffend Position des Ministers zur Resolution am Österreichisch-Bayerischen Bauerntag (13232/J)
Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft betreffend der Stillstand in der Regierung, darf nicht zum Stillstand der Wirtschaft werden: Arbeitsmarktreform jetzt! (13233/J)
Beginn der Sitzung: 9.05 Uhr
Vorsitzende: Präsident Mag. Wolfgang Sobotka, Zweite Präsidentin Doris Bures, Dritter Präsident Ing. Norbert Hofer.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete, ich darf Sie recht herzlich zur 189. Sitzung des Nationalrates begrüßen. Die Sitzung ist eröffnet.
Als verhindert gemeldet sind heute die Abgeordneten Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller, MMMag. Gertraud Salzmann, Dr. Josef Smolle, Mag. Karin Greiner, Maximilian Köllner, MA, Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc, Dr. Dagmar Belakowitsch, Herbert Kickl und Mag. Nina Tomaselli.
Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Für den heutigen Sitzungstag hat das Bundeskanzleramt über die Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung folgende Mitteilung gemacht:
Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA wird durch den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch vertreten.
Ferner gebe ich die Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung, die sich in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union aufhalten, wie folgt bekannt:
Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc wird durch die Staatssekretärin im Bundeskanzleramt Claudia Plakolm vertreten.
*****
Ich darf bekannt geben, dass die Sitzung von ORF 2 bis 13 Uhr übertragen wird, von ORF III bis 19.15 Uhr und die Sitzung anschließend in der TVthek übertragen wird; auch private Rundfunk- und Fernsehanstalten übertragen beziehungsweise streamen unsere Sitzung.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen nun zur Fragestunde.
Die Fragestellungen durch die Damen und Herren Abgeordneten werden von den beiden Rednerpulten im Halbrund aus vorgenommen, die Beantwortung durch die Bundesministerin von der Mitte aus.
Die Redezeit für die Fragen beziehungsweise die Zusatzfragen beträgt 1 Minute, die Redezeit für die erste Beantwortung 2 Minuten und die Beantwortung der Zusatzfragen 1 Minute. Ich werde Ihnen ein Zeichen geben.
EU und Verfassung
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die erste Frage stellt Abgeordneter Egger. – Bitte sehr, Herr Abgeordneter.
Abgeordneter Mag. (FH) Kurt Egger (ÖVP): Schönen guten Morgen, Frau Bundesministerin!
„Sie waren vor zwei Wochen beim Internet Governance Forum in Addis Abeba, können Sie uns mitteilen, welche Inhalte bei dieser Konferenz verhandelt wurden?“
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.
Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Schönen guten Morgen! Sehr geehrter Herr Präsident! Meine
sehr geschätzten Damen und Herren Abgeordneten! Hohes Haus! Herr Abgeordneter, es ist richtig, ich war beim sogenannten Internet Governance Forum, das dieses Jahr in Äthiopien stattgefunden hat. Es handelt sich dabei um eine globale demokratisch-transparente Plattform, die bei den Vereinten Nationen angesiedelt ist, auf der der politische Dialog zur Internetgovernance und zu deren Fragen, also zur Gestaltung der Regelungen im Internet, abgehandelt wird. Das geht von Fragen der Cybersecurity über Hass im Netz bis zum Umgang mit Darknet, aber auch der Verankerung der Menschenrechte im Internet, der Datensicherheit und vor allem dem Zugang aller zum Internet.
Das Leitthema des diesjährigen Treffens in Addis Abeba war ein resilientes Internet für eine gemeinsame und nachhaltige Zukunft. Das Treffen wird natürlich von Stakeholdern aus der Technologiebranche, aber auch von Politikern besucht. Im letzten Jahr fand es in Polen statt, nächstes Jahr wird es in Japan stattfinden. Es fand insgesamt zum 17. Mal statt.
Ich war drei Tage dort und habe ein intensives Arbeitsprogramm mit vielen Treffen – hochrangigem Austausch mit Politikern auch vom afrikanischen Kontinent – abgearbeitet. Ich habe dort insbesondere auch das Kommunikationsplattformen-Gesetz aus Österreich vorgestellt, das sehr wohl auch als Vorlage dienen kann. Sie wissen, in der Europäischen Union gibt es den DSA und den DMA, aber es braucht die nächste Ebene und internationale Regeln.
Abschließend darf ich sagen: Internetgovernanceregelungen im Internet werden uns die nächsten 20 Jahre noch intensiv beschäftigen, und es ist jetzt Zeit, hier zu handeln.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.
Abgeordneter Mag. (FH) Kurt Egger (ÖVP): Was war Ihre Rolle bei diesem Treffen?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau
Bundesministerin.
Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Ich habe die ganz besonders große Ehre, als eines von zehn Mitgliedern im High-Level-Panel zu sitzen. Ich bin im August von Generalsekretär António Guterres für die Dauer von zwei Jahren in dieses Panel bestellt worden.
Wir haben von ihm die Aufgabe bekommen, auch Anleitungen für die Staaten zu geben, zu entwickeln, wie man in Zukunft mit Internet umgehen kann. Unser Vorsitzender ist niemand Geringerer als Vint Cerf, der Vater und Erfinder des Internets, die Kovorsitzende ist Maria Ressa, eine Friedensnobelpreisträgerin. Wir haben diese Challenge accepted, wenn ich das so sagen darf, und unsere Arbeitsweise jetzt auch im Zuge dieser Konferenz festgelegt; wir werden das physisch wie auch digital abhalten.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Frage stellt Abgeordneter Klubobmann Leichtfried. – Bitte.
Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Herr Präsident! Guten Morgen, Frau Bundesministerin! Meine Frage an Sie wäre: Wann dürfen die Menschen in Österreich endlich, so wie das in vielen anderen europäischen Ländern schon der Fall ist, mit einem Informationsfreiheitsgesetz rechnen? Ich glaube, es wäre schön langsam hoch an der Zeit; wenn ich es richtig im Kopf habe, diskutieren wir das jetzt schon fast ein Jahrzehnt. Wann ist es jetzt so weit?
*****
Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 220/M, hat folgenden Wortlaut:
„Wann dürfen die österreichischen Bürgerinnen und Bürger endlich mit einer Regierungsvorlage zur Umsetzung der Informationsfreiheit rechnen, einer Informationsfreiheit, wie es in anderen europäischen Ländern seit Jahren Standard ist?“
*****
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.
Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Herr Abgeordneter, wenn Sie den Beginn der Diskussion ansprechen, dann muss ich sagen, das war vor meiner Zeit in der Politik. Ich kann aber sagen, seit ich unter anderem auch für diesen Bereich zuständig bin, habe ich mich ganz klar dazu bekannt, dass dieser Paradigmenwechsel vorzunehmen ist. Die Gesellschaft im 21. Jahrhundert hat ein anderes Informationsbedürfnis als frühere, und ich war auch immer ganz klar dafür, dass das Amtsgeheimnis abgeschafft werden soll. Wir wollen aber Regelungen entwerfen und entwickeln, die von denen, die sie umsetzen müssen, tatsächlich auch angenommen werden.
Es ist kein einfacher Prozess, das darf ich auch sagen. Transparenz ist aber zweifelsohne ein Gebot der Stunde, und deswegen sind wir auch in diesem Gesetzwerdungsprozess transparent. Wir haben dieses Gesetz, das ist richtig, schon vor mehr als einem Jahr in Begutachtung gehabt. Wir haben über 200 Stellungnahmen im Begutachtungsprozess bekommen. Wir haben in der Zwischenzeit viele Gespräche geführt.
Ich durfte aufgrund des Auskunftspflichtgesetzes auch eine Anfrage von einem Bürger beantworten. Da haben wir dann aufgelistet, dass alleine ich nach der Begutachtung 30 Gespräche mit diversen Stakeholdern geführt habe, mein Kabinett hat darüber hinaus auch viele Gespräche geführt. Ich habe mit dem Vizekanzler gemeinsam mittlerweile die Vertreter der Länder, den Gemeinde- und den Städtebund getroffen. Wir haben Gespräche mit der Industriellenvereinigung, mit der Wirtschaftskammer Österreich und mit den Landtagspräsidenten geführt. Es gibt vor Weihnachten auch noch ein Gespräch mit diversen Stakeholdern aus dem Bereich der NGOs.
Das Ziel ist es, tatsächlich alle noch einmal abzuholen, zu fragen, wo die Bruchlinien sind, wo die Sorgen sind, damit wir im Endeffekt ein gutes Gesetz haben, das auch tatsächlich gut angewendet wird. Da sind wir dran.
Das heißt, Ihre Frage darf ich so beantworten: Die Legislaturperiode dauert noch ein bisschen, aber ich bin davon überzeugt, dass wir es innerhalb dieser Zeit schaffen.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.
Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Was mich da schon interessieren würde: Es hat ja eigentlich schon im Jahr 2014 eine Einigung zwischen Bund, Ländern, Gemeinden, NGOs und so weiter und so fort gegeben. Das ist im Zuge des parteiinternen Putsches des Herrn Kurz dann wieder irgendwie verschwunden. Wäre das aber nicht eine gute Basis gewesen, auf der weitergearbeitet werden kann? Da hat man ja schon etwas gehabt, für das alle waren.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.
Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Wenn Sie auf das Jahr 2014 anspielen, dann muss ich noch einmal sagen, dass das eine Zeit ist, in der ich noch nicht in der Politik war. Ich kann nur auf das referenzieren, was ich selbst aus meiner Tätigkeit in dieser Position weiß. Wir haben ein Gesetz in Begutachtung geschickt, das auch eine entsprechend lange Zeit in Begutachtung war. Wir haben viele Stellungnahmen bekommen und ich glaube, aus dem Inhalt der Stellungnahmen wird klar, dass der Vorschlag nicht so schlecht ist. Die einen sagen, es ist zu viel, die anderen sagen, es ist zu wenig. Ich denke, wir werden es schaffen, einen guten Mittelweg zu finden und auch all die Erfahrungen, die es schon vorher gab – ich schaue natürlich auch auf die Zeit, die vor meiner politischen Tätigkeit liegt –, einzubinden und ein gutes Gesetz auf den Weg zu bringen. (Abg. Leichtfried: Danke!)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Eine weitere Zusatzfrage stellt Frau Abgeordnete Deckenbacher. – Bitte.
Abgeordnete Mag. Romana Deckenbacher (ÖVP): Schönen guten Morgen, Frau Bundesminister! Die SPÖ fordert, wie wir es ja gerade gehört haben, auf Bundesebene immer wieder die Abschaffung der Amtsverschwiegenheit. (Abg.
Meinl-Reisinger: Das steht sogar im Koalitionsvertrag!) Auf Landesebene – ich denke da zum Beispiel an Wien – hat sie offenbar eine ganz andere Einstellung. Ich möchte in diesem Zusammenhang an den Skandal rund um Wien Energie erinnern. Da hat es offenbar keine rechtzeitige Information über den Geldbedarf gegeben, und er liegt doch in Milliardenhöhe. Auch das Ausüben der Notkompetenz des Bürgermeisters hat es offenbar nicht rechtzeitig gegeben. Wie steht das Land Wien zum geplanten Informationsfreiheitsgesetz? (Abg. Meinl-Reisinger: Es steht sogar im Koalitionsvertrag, dass das kommt!)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.
Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Es gab wie gesagt rund 200 Stellungnahmen, auch eine sehr umfassende Stellungnahme vom Land Wien. Ich habe sie auch mitgebracht; das sind 46 Seiten. Die Stadt Wien begrüßt einleitend „ausdrücklich das Vorhaben, die Verwaltung für Bürgerinnen und Bürger transparenter zu machen“. Es folgt dann aber die Kritik, es wird formuliert, dass der Gesetzentwurf, der in Begutachtung war, nicht ausgewogen sei und zu wenig präzisiert wäre.
Ich kann Ihnen nur sagen, wir haben mittlerweile gemeinsam mit dem Vizekanzler auch ein sehr gutes Gespräch mit Bürgermeister Ludwig als Vorsitzendem der Landeshauptleutekonferenz gehabt.
Ein bisschen muss ich immer schmunzeln, denn jeder begrüßt dieses Gesetzesvorhaben, aber wenn es dann um die eigenen Interessen geht und darum, sich daran zu halten, kommt immer ganz schnell: Bitte nicht bei mir, sondern bei den anderen!, also frei nach dem Florianiprinzip: Heiliger Florian, schütze mein Haus und zünde ein anderes an! – Wir werden aber einen Weg finden.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Weitere Zusatzfrage: Abgeordneter Margreiter. – Bitte.
Abgeordneter Dr. Johannes Margreiter (NEOS): Guten Morgen, Frau Bundesministerin! Im Zuge der Reform der Parteienfinanzierung haben wir im
Juli dieses Jahres eine Änderung des B-VG herbeigeführt. Wir haben Artikel 20 den Absatz 5 hinzugefügt, wonach alle „mit Aufgaben der Bundes-, Landes- und Gemeindeverwaltung betrauten Organe [...] Studien, Gutachten und Umfragen, die sie in Auftrag gegeben haben, samt deren Kosten in einer für jedermann zugänglichen Art [...] zu veröffentlichen“ haben, „solange und soweit deren Geheimhaltung nicht [...] geboten ist“.
Die Frage an Sie: Der 1.1.2023 – da tritt diese Bestimmung in Kraft – kommt näher. Ist es im Bereich des Bundes vorgesehen, eine einheitliche Plattform anzubieten, auf der diese Informationen angeboten werden, beziehungsweise was ist im Bereich Ihres Ministeriums vorgesehen?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.
Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Tatsächlich ist die Änderung, die Sie ansprechen, wenn man so will, inhaltlich eigentlich ein Vorgriff auf das Informationsfreiheitsgesetz. Im Informationsfreiheitsgesetz haben wir vorgesehen, dass wir eine Plattform einrichten, wo Informationen auch proaktiv eingemeldet werden sollen. Die gibt es jetzt noch nicht, weil es das Informationsfreiheitsgesetz noch nicht in Beschlussform gibt. Diesen Absatz 5 gibt es aber, und insofern wird vom Bund, aber auch von den Ländern, weil das natürlich auch für die Länder gilt, zu überlegen sein, wie dann dieser Veröffentlichungspflicht nachgekommen wird.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Frage stellt Frau Abgeordnete Steger. – Bitte.
Abgeordnete Petra Steger (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin, Sie haben 2021 dem sowohl EU-rechts- als auch verfassungswidrigen Coronawiederaufbaufonds in Milliardenhöhe und damit auch dem gewaltigen Tabubruch einer europäischen Schuldenaufnahme nur unter der Bedingung zugestimmt, dass es sich um eine einmalige Sache handelt. Dieses Versprechen haben Sie nicht nur einmal wiederholt. Mittlerweile hat die ÖVP bereits
mehrfach einer weiteren Schuldenaufnahme für Milliardenzahlungen an die Ukraine zugestimmt und damit auch bewiesen, dass man Ihnen kein Wort glauben kann. Sie sind bei diesem Verrat an den österreichischen Steuerzahlern mit Ihrem Finanzkommissar Hahn sogar federführend mit dabei. Ihnen ist anscheinend egal, dass die Menschen in Österreich reihenweise verarmen und nicht mehr wissen, wie sie sich ihr Leben noch leisten können. Lieber überweisen Sie mehr und mehr und mehr Milliarden an die Ukraine, drehen an der Eskalationsspirale und treten unsere Neutralität mit Füßen.
Daher meine Frage:
„Wie rechtfertigen Sie die geplante Zustimmung zur 18 Milliarden Euro schweren Makrofinanzhilfe+ für die Ukraine, trotz der mehrmaligen Versprechen Ihrerseits und der ÖVP keiner weiteren Schuldenaufnahme auf EU-Ebene zuzustimmen?“
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.
Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Geschätzte Frau Abgeordnete, zum Ersten möchte ich Ihnen sagen, dass ich sehr froh bin, berichten zu können, dass es erst vor zwei Tagen im Coreper, im Ausschuss der Ständigen Vertreter in Brüssel, die Einigung gab, dass man der Ukraine seitens der Europäischen Union eine Makrofinanzhilfe in der Höhe von 18 Milliarden Euro im nächsten Jahr geben wird. Ich halte das für absolut notwendig, wichtig und zum richtigen Zeitpunkt kommend, denn ich war erst vor Kurzem mit einer insgesamt achtköpfigen Delegation aus europäischen Europaminister:innen und der Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments in Kiew und wir haben dort gesehen, dass jede Hilfe bitter notwendig ist.
Sie sprechen eine Hilfe an, die aus dem Mehrjährigen Finanzrahmen finanziert wird. Ich komme auf die Einigung zurück, die getroffen worden ist, Gott sei Dank jetzt auch mit der Stimme Ungarns, damit das möglich ist: Es ist nicht das erste
Mal, dass wir eine Makrofinanzhilfe aus dem Mehrjährigen Finanzrahmen zur Verfügung stellen, aber ich halte sie für absolut notwendig, denn die Menschen dort vor Ort haben es bitter notwendig, dass Infrastruktur wieder aufgebaut wird, dass auch schon jetzt, während dieser unglaublich schrecklichen Phase des immer noch andauernden Angriffskriegs Russlands, eine Unterstützung seitens der Europäischen Union in Form von Geld für den Wiederaufbau, der jetzt vorangehen muss, geleistet wird, damit die Menschen dort nicht verhungern und vor allem nicht erfrieren, jetzt im Winter. Das Geld ist für den Wiederaufbau, insbesondere von Infrastruktur, vorgesehen, aber auch zum Investieren in den Aufbau von Justiz und rechtsstaatlichen Institutionen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage, Frau Abgeordnete? – Bitte.
Abgeordnete Petra Steger (FPÖ): Ich nehme zur Kenntnis, dass Ihnen Ihre gegenüber den Wählern gegebenen Versprechen anscheinend nicht viel wert sind.
Abgesehen davon gibt es mehrere Berichte, dass diese Gelder entgegen Ihren Behauptungen für die Zahlung amerikanischer Waffen eingesetzt werden sollen und daher eine österreichische Beteiligung auch nicht mit unserer Neutralität vereinbar ist. Es gibt auch einen Bericht der „Financial Times“, dass die Ukraine in der Vergangenheit EU-Hilfsgelder an der Kryptobörse FTX verspekuliert haben soll. Vor Ausbruch des Krieges wurde durch die berühmten Panamapapers auch bekannt, dass die Ukraine ein gewaltiges Korruptionsproblem hat – übertroffen nur noch durch die EU selbst, wie wir zurzeit in jeder Zeitung lesen können.
Daher meine Frage: Welche Kontrollen gibt es, um zu klären, was mit dem Geld passiert? Und: Wie können Sie es rechtfertigen, dass die EU weiterhin Milliarden überweist, bevor diese Anschuldigungen aufgeklärt sind?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau
Bundesministerin.
Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Ich lasse mir hier nichts unterstellen und ich möchte auf das Entschiedenste zurückweisen, dass Versprechungen nicht gehalten werden. Sie haben mich mehrmals darauf angesprochen, unter anderem im EU-Hauptausschuss, aber, ich glaube, auch im Verfassungsausschuss, und da ist es immer um das einmalige Instrument des Next Generation EU, des Aufbaufonds von 750 Milliarden Euro nach der Coronapandemie – beziehungsweise beschlossen noch während der Coronapandemie – gegangen, um den Staaten unter die Arme zu greifen, die am härtesten davon getroffen werden. Dieses Versprechen ist auch gehalten worden. Wir als Österreich stehen unter anderem im Verbund der frugalen vier und dafür, dass Steuergeld effizient eingesetzt wird.
Ich möchte Sie noch einmal bitten, dass Sie Makrofinanzhilfen aus dem MFR von einem einmaligen Finanzinstrument wie dem Next Generation EU unterscheiden. Ich darf noch einmal sagen, dass das Kredite sind, deren Einhaltung ihrer Zwecke natürlich kontrolliert wird, und zwar von der Europäischen Kommission selbst, und die Mittel werden auch in kleineren Tranchen ausgezahlt, etwa 1,5 Milliarden Euro über ein ganzes Jahr hinweg, damit man eben kontrollieren kann, wohin sie fließen. Jeder Cent wird dort ankommen, wo er gebraucht wird. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP. – Heiterkeit des Abg. Wurm.)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Eine Zusatzfrage stellt Abgeordneter Reimon. – Bitte.
Abgeordneter Michel Reimon, MBA (Grüne): Herr Präsident! Guten Morgen, Frau Bundesministerin! Die ungarische Regierung hat die Makrofinanzhilfe für die Ukraine blockiert, um Zugeständnisse bei der Bewilligung des ungarischen Konjunkturprogramms und der drohenden Nichtauszahlung von EU-Mitteln aufgrund von Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit zu erzwingen. Wie beurteilen Sie den Kompromiss, gemäß dem rund 6,3 Milliarden Euro an EU-Fördergeld für Ungarn endlich eingefroren werden?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.
Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Herr Abgeordneter, es ist natürlich auf europäischer Ebene auch immer so, dass man Kompromisse finden muss, und ich bin froh, dass sie in diesem Fall auch gefunden worden sind. Ungarn hat das Veto gegen die Makrofinanzhilfe aufgegeben, das halte ich für gut und richtig, und wir haben auf der anderen Seite, glaube ich, auch eine gute Lösung gefunden, was den Konditionalitätsmechanismus betrifft.
Dieser Mechanismus ist gegen Ungarn ja das erste Mal zur Anwendung gebracht worden. Das Einfrieren von ursprünglich 65 Prozent der Gelder war vorgesehen. Ungarn hat Schritte gesetzt, es sind insgesamt 17 Punkte, von denen zwölf teilweise umgesetzt worden sind – daher dann auch die Lösung, der im Übrigen von allen außer von Ungarn zugestimmt worden ist, dass 55 Prozent der Gelder eingefroren bleiben. Ich halte es für richtig und wichtig, dass es über 50 Prozent sind, um auch die Motivation aufrechtzuerhalten, dass Ungarn da weitertut, denn darauf werden wir ganz genau schauen.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Eine Zusatzfrage stellt Abgeordneter Gerstl. – Bitte.
Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl (ÖVP): Sehr geehrte Frau Bundesministerin, ich möchte Ihnen zuerst sagen, dass Frau Kollegin Steger mit dem, was sie vorhin gesagt hat, vollkommen isoliert in Europa ist, auch innerhalb des österreichischen Parlaments. Vier Parteien haben hier eine ganz klare Meinung. Russland führt einen menschenverachtenden Terrorangriff gegen die dortige Zivilbevölkerung. Das, was sie behauptet, ist wahrscheinlich nur dem geschuldet, dass sie einer Partei angehört, die vielleicht früher auch einmal von Kräften aus Russland finanziert und unterstützt wurde. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Steger: Sie betreiben Realitätsverweigerung!)
Kollege Reimon hat zuvor schon zum Veto Ungarns gegenüber der Finanzhilfe für die Ukraine gesprochen. Wie ist da jetzt der ganz konkrete Letztstand und was können wir vonseiten Ungarns an Finanzhilfe gegenüber der Ukraine erwarten?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.
Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Wie gesagt, ich bin froh, Ihnen berichten zu können, dass Ungarn das Veto aufgegeben hat, was die Finanzhilfe für die Ukraine betrifft. Ganz konkret geht es um insgesamt vier Punkte, die jetzt auch im schriftlichen Verfahren ab heute angenommen werden, hoffentlich von allen Hauptstädten, so jedenfalls die Einigung der Ständigen Vertreter vor zwei Tagen im Coreper. Dann ist es morgen, wenn sich die Staats- und Regierungschefs zum Europäischen Rat treffen, auch durch.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Frage stellt Frau Abgeordnete Blimlinger. – Bitte.
Abgeordnete Mag. Eva Blimlinger (Grüne): Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Frau Bundesminister, was unternehmen Sie als für die Bekämpfung von Antisemitismus zuständige Bundesministerin, um gegen antisemitische Artikel, Publikationen und insbesondere Karikaturen wie zuletzt in Exxpress vorzugehen?
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Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 218/M, hat folgenden Wortlaut:
„Was unternehmen Sie, um gegen antisemitische Artikel und insbesondere Karikaturen wie zuletzt in Exxpress vorzugehen?“
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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau
Bundesministerin.
Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Zunächst, Frau Abgeordnete, möchte ich sagen, dass diese Karikatur absolut geschmacklos war und dass wir alles unternehmen müssen, damit Derartiges nicht vorkommt, damit auch die Sensibilität bei den Medien erhöht wird und damit auch jeder über ausreichend Bildung verfügt, um zu erkennen, was da dahintersteckt.
Wir bekämpfen Antisemitismus, egal auf welcher Ebene und in welcher Form er daherkommt, möchte ich fast sagen. Wir haben eine Nationale Strategie gegen Antisemitismus, in der unter anderem auch diese Bereiche, also von der Bildung bis zur Medienpolitik, abgebildet sind. Das sind einmal 38 Maßnahmen, die aber nicht in Stein gemeißelt sind, sondern deren Evaluierung ein ständiger Prozess ist, weil wir ja auch immer schauen, ob diese 38 Maßnahmen auch treffsicher sind. Wir haben eine ganze Reihe dieser Maßnahmen bereits umgesetzt, alle anderen sind mittlerweile in Umsetzung. Wir haben einen ersten Umsetzungsbericht bereits im letzten Jahr veröffentlicht. Der nächste wird Anfang kommenden Jahres veröffentlicht werden, und da überprüfen wir auch immer, ob es sozusagen wirkt.
Ich darf auch dazusagen: Pressefreiheit und Meinungsäußerungsfreiheit sind ein hohes Gut, aber wie es mit den Menschenrechten und Grundrechten so ist: Sie enden dort, wo sie das Recht des anderen zu verletzen beginnen. Insofern muss es da natürlich auch immer eine Verhältnismäßigkeitsabwägung geben.
Was diese unsägliche, von Ihnen angesprochene Karikatur betrifft, ist mein Urteil ein eindeutiges: Das ist geschmacklos und in jeder Form abzulehnen. Ich hoffe, dass das auch angekommen ist und nicht wieder vorkommt.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete.
Abgeordnete Mag. Eva Blimlinger (Grüne): Meine Zusatzfrage ist: In Ihrem Haus wird auch gegen Desinformation in Medien vorgegangen, zum Beispiel Aktionsplan Deepfake et cetera. Welche Maßnahmen haben Sie vor allen
Dingen in den vergangenen Monaten gesetzt, um gezielte Desinformation in Medien, zum Beispiel vor allem in Hinsicht auf den Russlandkrieg, zurückzudrängen?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.
Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Desinformation ist tatsächlich ein großes Problem, ist auch eine Gefahr für die Demokratie und für demokratische Prozesse. Auf der europäischen Ebene ist diese Sensibilität spätestens seit dem Wahlkampf zum Europäischen Parlament im Jahr 2019 auch gegeben. Es gibt hier auch das Rapid Alert System der EU, über das man Desinformation auch einmelden kann.
Wir haben das Problem, dass sich falsche Information oft sehr viel schneller verbreitet als richtige Information. In Österreich ist die Zuständigkeit eine geteilte. Ich fühle mich als Verfassungsministerin verantwortlich für das Thema – wir haben es auch in der Nationalen Strategie –, aber es gibt auch eine Medienministerin, eine Justizministerin und einen Innenminister, die zusammenarbeiten, um Beamte entsprechend zu sensibilisieren, um die Kapazitäten im Bereich Monitoring und Screening zu erhöhen, und es wird auch Artificial Intelligence, also künstliche Intelligenz, eingesetzt, um herauszufiltern, wo Deepfake, wo Fakenews unterwegs sind.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Frage stellt Herr Abgeordneter Margreiter. – Bitte sehr.
Abgeordneter Dr. Johannes Margreiter (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Es war der 19.4.2021 – vor mehr als 600 Tagen, fast 100 Wochen –, da endete die Begutachtungsfrist für dieses Gesetzespaket, das wir unter dem Etikett Informationsfreiheitsgesetz verhandeln. Seither wurden Sie schon öfter gefragt, welche Hindernisse dem jetzt entgegenstehen, dass das dem Nationalrat zur Beschlussfassung vorgelegt wird. Sie haben auch heute
bereits Antworten gegeben. Eine der Antworten war, dass Länder- und Gemeindevertreter sich dagegen sträuben oder Bedenken äußern, daher die Frage:
„Können Sie konkretisieren, welche Länder- oder Gemeindevertreter – und vor allem aus welchem Grund und auf welche Weise – die Umsetzung der Informationsfreiheit verhindern?“
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.
Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Ich würde es anders formulieren. Sie haben gesagt „sträuben“, das will ich nicht so stehen lassen. Es gibt Bedenken, was die Umsetzung dieses Gesetzes betrifft. Die gibt es aus gutem Grund, weil da natürlich die Sorge vorherrscht, dass die Verwaltung lahmgelegt werden könnte. Ich glaube, wir haben viele Punkte im Gesetz vorgesehen, um Missbrauch vorzubeugen und ihn zu erkennen und die Verwaltung in jedem Moment auch handlungsfähig zu erhalten, aber diese Gespräche sind notwendig, sie müssen geführt werden, weil das ein wahrer Paradigmenwechsel ist.
Das Amtsgeheimnis ist seit 1925 im Bundes-Verfassungsgesetz verankert, und um so etwas zu ändern, braucht es auch ein Umdenken bei denen, die dann die Gesetze anwenden. An diesem Prozess sind wir dran. Sie haben jetzt die Tage aufgezählt; ich habe es nicht nachgerechnet, aber ich glaube, jeder Tag, an dem wir daran arbeiten und Überzeugungsarbeit leisten, um im Endeffekt zu einem gut angewendeten Gesetz zu kommen, ist ein guter.
Ich sage noch einmal: Ich stehe zu diesem Paradigmenwechsel, ich verhandle das derzeit auch aktiv mit dem Vizekanzler und ich gehe davon aus, dass wir in dieser Legislaturperiode auch noch einen Entwurf beschließen können, also Sie hier im Hohen Haus hoffentlich.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.
Abgeordneter Dr. Johannes Margreiter (NEOS): Können Sie angeben, welche Länder- oder Gemeindevertreter, auf die Sie sich ja berufen, ganz konkret die Umsetzung verhindern?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.
Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Wie ist die Frage? Wer es verhindert?
Abgeordneter Dr. Johannes Margreiter (NEOS): Welche Länder- oder Gemeindevertreter? Sie berufen sich ja immer wieder darauf, dass von Länder- und Gemeindevertretern die Verhinderung kommt. Welche sind das? (Zwischenruf des Abg. Hörl.)
Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Es gibt kleine Städte in Österreich, es gibt kleine Gemeinden, die einfach Sorge vor einer überbordenden Verwaltungsaufgabe haben, wo man im Endeffekt, selbst wenn die Beschlussfassung erfolgt ist, glaube ich, eine entsprechende Legisvakanz braucht, um die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dort einzuschulen, um auch gleichförmige Informationen herauszugeben und um die Kenntnis zu vermitteln: Was ist von einer Information umfasst, was ist sozusagen von diesem verfassungsrechtlich gewährleisteten Recht umfasst und was ist eben auch nicht hinauszugeben? Da gilt es natürlich auch Abgrenzungsfragen zu klären. Das wollen wir in guter Art und Weise im Gesetz machen, aber das braucht dann natürlich auch die Gespräche, und diese führen wir.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Frage stellt Abgeordneter Engelberg. – Bitte.
Abgeordneter Mag. Martin Engelberg (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Ich möchte das Thema Verbotsgesetz ansprechen, eine sehr komplexe Materie, bei der es auch immer wieder Reformbedarf gibt.
Gemeinsam mit Frau Bundesministerin Zadić haben Sie eine Reform des Verbotsgesetzes angekündigt. Vielleicht können Sie uns ein bissel was darüber sagen, worum es da im Detail gehen soll.
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Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 211/M, hat folgenden Wortlaut:
„Welche Maßnahmen beinhaltet die Reform des Verbotsgesetzes, die Sie gemeinsam mit FBM Zadić angekündigt haben?“
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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.
Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Die Reform des Verbotsgesetzes ist ein Teil der Nationalen Strategie gegen Antisemitismus. Die Justizministerin hat eine Arbeitsgruppe eingerichtet, deren Ergebnisse ich erst vor wenigen Wochen mit ihr präsentiert habe. Da ist klar zutage getreten, dass das Verbotsgesetz in einigen Bereichen geändert werden sollte, um noch besser anwendbar zu sein.
Es geht zum einen um die Ausweitung der inländischen Gerichtsbarkeit, sodass, gerade wenn Postings im Internet abgegeben werden, dafür auch österreichische Gerichte zuständig sind, wenn die Sicherheit in Österreich gefährdet ist, denn man braucht ja einen Ansatzpunkt für die inländische Gerichtsbarkeit.
Es geht um Klarstellungen im Bereich der Holocaustverleugnung. Wir haben gesehen, gerade während der Pandemie hat es immer wieder auch Demonstrationen gegeben, bei denen es zu einem abscheulichen Zur-Schau-Stellen von Wiederbetätigung gekommen ist (Abg. Schnedlitz: Das ist ein strafrechtlicher Vorwurf!), von Delikten, die unter das Verbotsgesetz fallen, wie zum Beispiel das Tragen von Judensternen. Das war etwas, das wir sehr oft beobachten mussten. Oder: In Form des Schriftzuges „Arbeit macht frei“, der so in Auschwitz-
Birkenau zu finden ist, stand dann: Impfen macht frei! – Das ist sehr wohl etwas, was unter das Verbotsgesetz fällt, liebe FPÖ, und auch strafrechtlich relevant ist. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)
Um da klarer zu sein, werden wir – das ist auch die Empfehlung der Arbeitsgruppe – zum Beispiel im Straftatbestand § 3h des Verbotsgesetzes das Wort „gröblich“ vor „verharmlosen“ streichen, damit es auch tatsächlich für jeden Anwender klar ist, dass das darunterfällt.
Ein dritter Punkt, den ich anführen möchte: Die Verhandlung von Delikten nach dem Verbotsgesetz ist aus gutem Grunde vor dem Geschworenengericht angesiedelt, um zu zeigen, dass das wirklich etwas ganz Schreckliches ist und dass wir da geschichtlich auch eine Verantwortung zu tragen haben.
Dennoch bin ich davon überzeugt, dass es manche Delikte gibt, die auch diversionsfähig sein sollten, dass es also ein Grunddelikt geben sollte, das mit weniger Strafe bedroht ist als dann die Qualifikation, die mit einer höheren Strafe bedroht ist, um Delikte, die von minderer Schwere sind, auch mit Diversion erledigen zu können. Das heißt, dass sich sozusagen nicht jemand in der Rechtsanwendung davon abgeschreckt fühlt, eine zu hohe Strafe geben zu müssen, und es im Endeffekt zu keinem Verfahren kommt.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.
Abgeordneter Mag. Martin Engelberg (ÖVP): Sie haben davon gesprochen, dass das auch Teil der Nationalen Strategie gegen Antisemitismus ist, die jetzt bald zwei Jahre alt ist. Haben Sie da vielleicht auch schon ein bissel ein Resümee, wie das bisher verlaufen ist?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.
Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Zum Verbotsgesetz?
Abgeordneter Mag. Martin Engelberg (ÖVP): Nein, nein! Das Verbotsgesetz ist ja Teil der Nationalen Strategie gegen Antisemitismus, die jetzt bald zwei Jahre alt wird, und da war jetzt meine Frage: Gibt es schon ein Resümee darüber, welche Erfahrungen mit der Umsetzung dieser Nationalen Strategie gemacht wurden?
Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Wir haben den ersten Umsetzungsbericht im Jänner 2022 präsentiert, wir werden den nächsten Anfang nächsten Jahres präsentieren. Wir haben mittlerweile alle 38 Maßnahmen in Umsetzung, es sind viele bereits zur Gänze umgesetzt. Das geht von Schulungen von Polizistinnen und Polizisten bis zu Bildungsangeboten für im Bundesheer befindliche Zivildiener. Wir haben, glaube ich, tatsächlich auch auf europäischer Ebene bewiesen, dass wir da eine Vorreiterrolle eingenommen haben.
Ich durfte im Zuge meines Besuchs in Israel auch den israelischen Staatspräsidenten treffen, der diese Strategie sehr anerkennend entgegengenommen hat und sich, glaube ich, dann auch zum ersten Mal näher damit beschäftigt hat.
Wir haben zum Beispiel eine Konferenz ins Leben gerufen, zu der wir auch europäische Vertreter nach Wien eingeladen haben, und wir wollen eine solche einmal jährlich abhalten. Ein Ergebnis war die Wiener Deklaration, die mittlerweile von elf Mitgliedstaaten der Europäischen Union unterzeichnet worden ist und in der es darum geht, einheitliche Parameter zu erstellen, was antisemitische Vorfälle betrifft, damit wir auch vergleichbare Zahlen haben.
Eines darf ich auch noch sagen: Wir haben in der Zwischenzeit einen Rückgang der antisemitischen Vorfälle um rund ein Drittel. Das ist gut, aber das ist kein Grund zur Freude und dazu, sich zurückzulehnen, weil jeder Vorfall einer zu viel ist, und wir werden hier weiterkämpfen.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Zusatzfrage stellt Frau Abgeordnete Schatz. – Bitte sehr.
Abgeordnete Sabine Schatz (SPÖ): Guten Morgen, Frau Bundesministerin! Wir begrüßen ja die Reform des Verbotsgesetzes, weil es notwendig ist, dass es, wie Sie gesagt haben, auch an die Gegebenheiten der Zeit angepasst wird. Sie haben jetzt aber auch die Neuregelung der Diversion angekündigt, die von Expertinnen und Experten durchaus auch kritisch gesehen wird.
Meine konkrete Frage ist: Können Sie da genauer, detaillierter darauf eingehen, was das bedeutet? Es hat ja zum Beispiel schon einmal in Innsbruck und in Linz konkrete Diversionsprogramme gegeben. Ist so etwas vorgesehen, dass es für diese Diversionen auch entsprechende Programme gibt? Und: Gibt es dafür auch budgetäre Mittel?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.
Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Diversion ist seit vielen Jahren ein probates Mittel, auch nicht ganz so schweren Delikten zu begegnen. Es geht bis zu einer Strafdrohung von fünf Jahren. Darüber hinaus ist es laut StPO auch nicht mehr zulässig. Ich spreche hier schon auch als ehemalige Strafrichterin, und man überlegt sich dann natürlich als Staatsanwalt oder als Richter gut, ob Diversion anzuwenden ist.
Gerade wenn es um den sensiblen Bereich des Verbotsgesetzes geht, wenn es um Delikte geht, wo Jugendliche oft auch aus Unwissenheit, was nicht zu entschuldigen ist, solche Dinge machen, dann, glaube ich, sollte man diesen jungen Menschen auch eine Chance geben. Die Diversion zeichnet sich dadurch aus, dass man dem begegnen kann, zum Beispiel mit der Zahlung eines Geldbetrages, aber auch mit der Auferlegung einer Probezeit und der Erfüllung bestimmter Pflichten in dieser Probezeit.
Da ist es auch jetzt schon gängige Praxis, dass, auch wenn es zu keinem Strafverfahren kommt, Jugendliche zum Beispiel zu einem Rundgang in Mauthausen eingeladen werden. Solche Dinge wollen wir sehr wohl entwickeln
und auch institutionalisieren, damit möglicherweise manche dann auf den richtigen Pfad geführt werden können.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Frage stellt Frau Abgeordnete Yildirim. – Bitte sehr, Frau Abgeordnete.
Abgeordnete Mag. Selma Yildirim (SPÖ): Frau Ministerin! Wenn Ministerien Parteizeitungen überteuerte Inserate, finanziert aus Steuergeldern, zuschanzen oder öffentliche, hoch dotierte, attraktive Jobs Günstlingen zugeschanzt werden, dann sind das perfide Formen von Korruption, die für die Demokratie gefährlich sind. Wann genau werden Sie mit der Justizministerin die leider noch vorhandenen Lücken im Korruptionsstrafrecht schließen? (Abg. Michael Hammer: Sozialistische Vizepräsidentin!)
*****
Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 221/M, hat folgenden Wortlaut:
„Wann werden Sie gemeinsam mit der Justizministerin dem Nationalrat eine Vorlage zuleiten, mit der vorhandene Lücken im Korruptionsstrafrecht endlich geschlossen werden?“
*****
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.
Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Frau Abgeordnete! Sie sprechen die Verhandlungen zum Korruptionsstrafrechtsänderungsgesetz an. Die Verhandlungen laufen zwischen den Klubobleuten der beiden in der Regierung vertretenen Parteien. Es ist aber auch so, dass die Expertinnen und Experten des Verfassungsdienstes und auch meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter immer wieder hinzugezogen werden. Ich kann Ihnen nur von diesen Sitzungen berichten, über die mir auch berichtet wird, dass man sehr weit fortgeschritten ist. Es wird, wie ich gehört habe, am
heutigen Tag wieder eine Sitzung stattfinden, damit die Umsetzung des Willens des Gesetzgebers auch tatsächlich abgeschlossen werden kann.
Es wäre jetzt unseriös von mir, hier einen Zeitpunkt zu nennen, wann das der Fall sein wird. Ich sage Ihnen nur, auch als ehemalige Strafrichterin: Strafrecht ist das schärfste Mittel, das man kennt, und man will da natürlich auch bestimmte Sachverhalte die Korruption betreffend strafbar machen. Man will aber nicht alle strafbar machen und man will vor allem nicht, dass politisches Handeln unmöglich wird.
Wir haben da Dinge drinnen, die international wirklich absolutes Neuland bedeuten. Wovon spreche ich? – Ich spreche von Mandatskauf. Diesen Sachverhalt miteinzubeziehen gibt es auf der ganzen Welt nirgends und bedeutet eine Vorverlegung der Strafbarkeit auf einen sehr frühen Zeitpunkt, und da braucht es klare Abgrenzungen, damit dieses Gesetz auch gut anwendbar ist. Dadurch soll jemand bestraft werden, der sich einkauft, der mit unlauteren Mitteln auf eine Liste kommen will. Aber es sollte nicht jemand anderer in ein komisches Licht gerückt werden, weil er vielleicht seit Jahren Mitglied einer Partei ist und auch Mitgliedsbeiträge zahlt.
Das klingt jetzt so banal, aber es steckt wirklich der Teufel im Detail, und die Expertinnen und Experten sind dran, die Verhandlungen stehen, was ich höre, kurz vor Abschluss.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete.
Abgeordnete Mag. Selma Yildirim (SPÖ): Sie sind ja auch EU-Ministerin, und es ist eine Reihe von EU-Richtlinien noch nicht umgesetzt worden. Kennen Sie die Zahl jener Richtlinien, die noch nicht umgesetzt wurden? Ganz besonders spreche ich hier die Whistleblowerrichtlinie an, bei der die Frist ja seit über einem Jahr verstrichen ist. Könnten Sie dazu eine Stellungnahme abgeben, wie es Ihnen als Europaministerin dabei geht?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau
Bundesministerin.
Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Ich kenne die ganz genaue Zahl der nicht umgesetzten Richtlinien nicht, aber ich weiß, dass es im Moment konkret zwei gibt, wo wir über der Frist sind und wo wir auch versuchen, eine Lösung zu finden, dass diese Richtlinien möglichst schnell umgesetzt werden. Eine davon ist die Whistleblowerrichtlinie, die Sie angesprochen haben. Das ist mir bewusst und es ist uns allen in der Regierung bewusst, und wir wollen hier eine rasche Lösung finden, damit wir den Rechtszustand herstellen, der in diesem Bereich von der Europäischen Union auch gefordert wird, was den gemeinsamen Acquis betrifft.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Zusatzfrage stellt Abgeordneter Hanger.
Abgeordneter Mag. Andreas Hanger (ÖVP): Frau Bundesministerin! Wir sind ja derzeit auf der europäischen Ebene mit einem sozialdemokratischen Korruptionsskandal konfrontiert. (Heiterkeit bei der SPÖ.) Betroffen sind die sozialdemokratische Vizepräsidentin sowie sozialdemokratische Mitglieder des Europäischen Parlaments. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Wie kann aus Ihrer Sicht diese sozialdemokratische Korruptionsaffäre auf europäischer Ebene aufgearbeitet werden? (Abg. Leichtfried: Na geh, das wäre jetzt schon dreimal gegangen! – Ruf bei der SPÖ: Enttäuschend!)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.
Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Also zum Ersten möchte ich schon festhalten, dass ich zutiefst erschüttert bin - - (Abg. Leichtfried: Herr Hanger, das ist ja unter Ihrem normalen Niveau! – Abg. Loacker: Nein, das ist genau Hanger-Niveau! – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.) Zum Ersten möchte ich festhalten, dass ich zutiefst erschüttert darüber bin, dass dieser Korruptionsvorwurf in die höchsten Ebenen des Europäischen Parlaments vorgedrungen ist und auch die Glaubwürdigkeit der Institutionen in Europa insgesamt dadurch erschüttert wird. (Abg. Leichtfried: Herr Hanger, was ist aus Ihnen geworden? Es ist unglaublich!)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich würde bitten, dass wir die Fragerunde ordnungsgemäß abwickeln können. (Abg. Leichtfried: Na dann soll sich der Herr Hanger auch vernünftig verhalten!)
Die Frau Bundesministerin ist am Wort – ich würde Sie bitten. (Abg. Hanger: Leichtfried, Wahrheit tut weh! – Abg. Leichtfried: Ach, Herr Hanger!)
Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler (fortsetzend): Was es jetzt braucht, ist Aufklärung und Transparenz. Ganz deutlich möchte ich hier auch einen Dank an die Präsidentin des Europäischen Parlaments Roberta Metsola aussprechen, die dort in Abstimmung mit den Behörden auch die entsprechenden Schritte setzt, denn wir dürfen es uns in einer Zeit wie der heutigen nicht leisten, dass wir das Vertrauen in die Institutionen, in die Demokratie weiter erschüttern.
Alle, die von diesem Skandal betroffen sind – egal, wer das ist! –, müssen zur Rechenschaft gezogen werden, und das findet im Moment statt. Ich hoffe, dass sich dieser Skandal nicht weiter ausweitet, aber wir werden diese Aufklärung und natürlich auch Parlamentspräsidentin Roberta Metsola unterstützen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Krainer: Was machen Sie dann eigentlich noch im Amt? Wieso sind Sie dann noch im Amt? Wieso sind Sie noch im Amt, wenn es Konsequenzen geben muss für Korruption? ... 20 000 Euro für ...!)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Eine Zusatzfrage stellt Abgeordneter Ragger. – Bitte.
Abgeordneter Mag. Christian Ragger (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Ministerin! Was auf nationaler Ebene die ÖVP und auf internationaler die Sozialdemokratie ist, ist – was auch Transparency International festgehalten hat – offensichtlich ein Ausfluss dessen, dass es nämlich eine Kultur der Straflosigkeit in allen Institutionen gibt, und daher ist es, glaube ich, ganz wesentlich zu fragen: Welche Maßnahmen werden Sie als Europaministerin setzen, nachdem dieser Skandal auf europäischer Ebene ruchbar
geworden ist, damit auch auf europäischer Ebene ein Korruptionsstrafrecht eingeführt wird, das auch auf das Europäische Parlament durchgreifen kann?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.
Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Es ist ein Skandal, der das Europäische Parlament erschüttert. Es gab auch vor wenigen Tagen ein Interview des Ersten Vizepräsidenten des Europäischen Parlaments dazu, der ausgeführt hat, dass das Europäische Parlament seiner Ansicht nach sehr transparent agiert. Das heißt, ich als österreichische Europaministerin kann dem Parlament nicht auferlegen oder kann keine Empfehlungen abgeben, wie es damit umgeht, aber ich bin sicher – vor allem, weil ich die Präsidentin auch kenne –, dass die entsprechende Sensibilität dort vorherrscht und dass die notwendigen Schritte auch tatsächlich gesetzt werden.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Frage stellt Frau Abgeordnete Fürst. – Bitte.
Abgeordnete Dr. Susanne Fürst (FPÖ): Frau Minister, wir wissen, dass die Rechtsprechung der internationalen Gerichtshöfe – also EGMR und EuGH – für den derzeitigen und andauernden Asylwerber- und Einwandereransturm, den wir auf Europa und vor allen Dingen auch auf Deutschland und Österreich erleben, mitverantwortlich ist. Die Richter haben da in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten schon den Ermessensspielraum, den auch der Wortlaut der Europäischen Menschenrechtskonvention bietet, genutzt, um den Grund- und Menschenrechten einen zum Teil absurden Inhalt zu unterstellen. Ich sage als Beispiel nur, dass Abschiebungen wegen angeblich fehlender Standards selbst in andere EU-Länder nicht mehr möglich sind. Da hat sich also ein Richterrecht verselbstständigt, das auch Gesetzgeber aushebelt.
Jetzt haben Sie selbst auch die Entscheidungen dieser Gerichtshöfe zumindest als häufig nicht realitätsnah, wenn ich Sie da richtig zitiere, bezeichnet. Wir wissen, die Rechtsprechung ist unabhängig, aber was machen Sie jetzt konkret
auf politischer Ebene, um da eine Meinungsbildung oder einen Meinungsumschwung bewirken zu können?
*****
Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 215/M, hat folgenden Wortlaut:
Welche konkreten politischen Schritte setzten Sie angesichts Ihrer richtigen Feststellung, dass Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) und des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) häufig nicht „realitätsnah“ sind?
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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.
Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Wie Sie wissen, Frau Abgeordnete, war ich selbst fast zwei Jahre lang am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte als wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Registry tätig, und ich weiß daher aus eigenem Erleben, wie dieser Gerichtshof arbeitet und wie auch die Europäische Menschenrechtskonvention gesehen wird, nämlich als Living Instrument, das immer wieder ausgelegt werden muss.
Die Europäische Menschenrechtskonvention wurde am 4. November 1950 zur Unterschrift aufgelegt und ist zwei Jahre später in Kraft getreten, sie ist also über 70 Jahre in Kraft, und dennoch hat sie nichts an Aktualität eingebüßt, muss daher aber auch immer wieder neu vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ausgelegt werden. Insbesondere in der Judikatur im Bereich des Asylwesens schlägt sich das schon nieder, dass da auch immer wieder die aktuelle Situation geprüft wird und dass vor allem auch jeder Einzelfall geprüft wird. Also selbst wenn es institutionelle Probleme gibt im Bereich von Asylverfahren oder im Bereich der Unterbringung in Staaten – Sie haben Mitgliedstaaten der Europäischen Union angesprochen –, wird jeder Fall als Einzelfall geprüft.
Und da haben Sie mich nicht ganz richtig zitiert, ich habe gesagt: Damit die Anerkennung dieser Urteile in den Mitgliedstaaten – des Europarates in dem Fall – auch tatsächlich voll gegeben ist, braucht es Realitätsnähe, und da braucht es natürlich schon auch immer wieder den Dialog mit den Menschen vor Ort. Deshalb gibt es auch beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte die Einrichtung der Seconded Judges, das heißt also derjenigen, die dorthin entsandt werden, um auch die Ansicht der Mitgliedstaaten einzubringen, denn wenn man viele, viele Jahre weg ist von den einzelnen Mitgliedstaaten, dann hat man möglicherweise auch eine anderen Sicht auf die Dinge.
Deshalb halte ich das für gut und richtig, wie dieses System aufgestellt ist: dass man da auch immer wieder die Realitätsnähe hineinbringt und sich die Situation auch sozusagen am Boden anschaut, denn der Europäische Gerichtshof lebt natürlich davon, dass diese Urteile letztlich auch politisch umgesetzt werden. Teilweise sind es Systemänderungen, teilweise sind es nur Kleinigkeiten, die notwendig sind, manchmal ist es ein Verstoß in der Rechtsanwendung, was mit einer Geldstrafe geahndet wird.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage, Frau Fürst? – Bitte.
Abgeordnete Dr. Susanne Fürst (FPÖ): Sie haben jetzt lange darauf geantwortet, aber ich habe da jetzt nichts auch von Kritik an dieser Rechtsprechung herausgehört.
Wir wissen das: Ja, die EMRK, das alles ist ein Living Instrument, das ist schon klar, auch die Rechtsprechung ändert sich, aber sie hat sich eben eigentlich angesichts dessen, dass wir ja einen Ansturm erleben, den es bei der Schaffung der EMRK in den Fünfziger-, Sechzigerjahren nicht gegeben hat, nicht angepasst. Wir wissen, da war alles völlig anders, da sind einzelne Leute gekommen, jetzt hat sich die Mobilität ganz anders entwickelt, die Rechtsprechung hat sich dem aber nicht angepasst, sondern ganz im Gegenteil das eigentlich noch befördert, und ich habe da jetzt überhaupt keine Kritik Ihrerseits an dieser Judikatur gehört.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.
Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Die Rechtsprechung hat sich sehr wohl angepasst, das kann man auch ganz genau insbesondere bei den Asylverfahren nachverfolgen. Ich nenne Ihnen nur ein Beispiel: innerstaatliche Fluchtvarianten. Das wird immer wieder geprüft betreffend die Länder, in die zurückgeschickt wird.
Um aber dann auch auf die Situation einzugehen, bringe ich das Beispiel Afghanistan: Es war früher ein Thema, dass dort innerstaatliche Fluchtvarianten geprüft werden; seit der Übernahme der Taliban ist das nicht mehr der Fall, weil man da natürlich auch immer den Realitätscheck vornehmen muss.
Eines möchte ich an dieser Stelle schon klar festhalten: Urteile von Höchstgerichten sind natürlich umzusetzen, und Österreich macht das auch. Es gibt andere Staaten, die das nicht so ernst nehmen – das muss man auch in aller Deutlichkeit sagen –, wo es Urteile gibt, die über Jahre hinweg nicht umgesetzt werden, aber Österreich macht das. Den Realitätscheck muss man aber immer wieder machen, deshalb halte ich den Dialog zwischen den Mitgliedstaaten und denen, die dort in Verantwortung stehen, für richtig und wichtig.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Frage stellt Frau Abgeordnete Sirkka Prammer. – Bitte sehr.
Abgeordnete Mag. Agnes Sirkka Prammer (Grüne): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Ich versuche das jetzt, ohne die Gewaltenteilung grundsätzlich in Frage zu stellen.
Es gibt ja Ehrenzeichen der Republik Österreich, die die Republik an Menschen verleiht, die besondere Dienste geleistet haben oder die besonders herausragende Persönlichkeit sind und bei denen es gut und wirksam ist, dass sie für die Republik stehen. Natürlich werden diese Personen vor der Verleihung der Ehrenzeichen auch durchleuchtet, ob denn ihre Biografie und ihre Einstellungen dem entsprechen.
Jetzt gibt es aber dennoch Fälle, bei denen erst im Nachhinein herauskommt, dass man dieses Ehrenzeichen wahrscheinlich besser nicht verliehen hätte, und deshalb haben Sie schon vor längerer Zeit angekündigt, einen Gesetzesvorschlag vorzulegen, dass künftig Ehrenzeichen der Republik auch aberkannt werden können. Haben Sie schon einen Zeitplan, wann dieser Entwurf vorliegen wird?
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Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 219/M, hat folgenden Wortlaut:
Als zuständige Verfassungsministerin haben Sie vor längerer Zeit angekündigt, einen Gesetzesvorschlag vorzulegen, dass künftig Ehrenzeichen der Republik Österreich aberkannt werden können – wann soll der Entwurf vorliegen?
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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.
Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Die entscheidende Antwort zu Beginn: Ja, ich gehe davon aus, dass wir Anfang nächsten Jahres eine Gesetzesvorlage hier vorlegen können beziehungsweise nach Abstimmung mit dem Koalitionspartner dann auch mit den Oppositionsparteien verhandeln können.
Sie haben vollkommen recht: Ehrenzeichen würdigen besonders herausragende Leistungen, und Ehrenzeichen sollen nur Personen verliehen werden, die auch tatsächlich das Ansehen der Republik stärken und andere motivieren, sozusagen ebenfalls als Vorbilder zu fungieren.
Es gibt da ganz konkret einen Anlassfall, aufgrund dessen wir eine Änderung des Ehrenzeichengesetzes vornehmen wollen, das ist der Fall Globke, der ein Ehrenzeichen Österreichs bekommen hat, der aber Mitverfasser der Nürnberger Rassengesetze war, was absolut abzulehnen ist und der sicher niemals ein Ehrenzeichen in irgendeiner Form auch nur ansatzweise verdient hätte. Das ist der Anlassfall.
Wir sind in guten Gesprächen auch mit der österreichischen Bundespräsidentschaftskanzlei, damit wir hier eine gute Lösung auf den Weg bringen, denn Sie müssen sich schon vor Augen halten: Wenn es um die Aberkennung geht, dann muss natürlich auch immer bedacht werden, dass es auch um posthume Aberkennungen geht, also bei Menschen, die schon verstorben sind, und sich da auch Abgrenzungsfragen stellen, bei denen – ich darf das so sagen – der Teufel dann doch auch im Detail steckt, aber wir wollen ein gutes und ausgewogenes Gesetz und hoffen, dass das dann Anfang nächsten Jahres vorliegt.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete.
Abgeordnete Mag. Agnes Sirkka Prammer (Grüne): Ja, eine kurze Zusatzfrage – das Stichwort kam schon in der Antwort. Es gibt ja eine Arbeitsgruppe, die sich auch mit dem Verbotsgesetz auseinandersetzt, und da ist auch vorgekommen, dass es bisher nicht strafbar ist, dass man NS-Devotionalien bloß besitzt. Jetzt ist die Frage, ob man sich schon überlegt hat, welche Lösungen es hierfür künftig auch außerhalb des Strafverfahrens geben könnte.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.
Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Dieser Zuständigkeitsbereich betrifft natürlich inhaltlich die Justizministerin. Ich habe mit ihr gemeinsam vor einigen Wochen, wie ich schon ausgeführt habe, den Arbeitsgruppenbericht präsentiert.
Und ja, die Arbeitsgruppe hat auch in einem Bereich eindeutig Handlungsbedarf gesehen, nämlich dem Einziehen von Devotionalien auch dann, wenn es zu keiner strafrechtlichen Verfolgung beziehungsweise Verurteilung kommt. Das sollte für den Einzelfall möglich sein. Ich darf jetzt hier und heute auch festhalten: NS-Devotionalien gehören ins Museum oder vernichtet und sonst genau gar nirgends hin.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Eine Zusatzfrage stellt Herr Klubobmann Leichtfried. – Bitte sehr.
Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Frau Bundesministerin, wir reden über diese Angelegenheit frei geschätzt schon über zwei Jahre, und das ist meines Erachtens doch schon sehr lange für ein Parlament. Es gibt andere Parlamente, die reagieren bei derartigen Dingen etwas schneller. Das Europäische Parlament hat zum Beispiel in sehr kurzer Zeit die von Herrn Hanger angesprochene griechische Vizepräsidentin abgesetzt. Da gilt also offenbar nicht die strafrechtliche Verurteilung als rote Linie, so wie sie bei der ÖVP gilt. (Abg. Hanger: Die Betroffenen sind trotzdem Sozialdemokraten, lauter Sozis! Nur Sozis! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)
Deshalb frage ich Sie, Frau Bundesministerin: Wäre es nicht vernünftiger, schneller auf derartige Dinge zu reagieren?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin. (Abg. Michael Hammer: Du musst eine Frage stellen! – Abg. Leichtfried: Ah, Herr Hammer, Sie sind auch da! Guten Morgen!)
Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Von welcher Sache reden wir jetzt lange? Sie müssen mir das noch einmal konkret sagen! (Zwischenrufe bei der ÖVP.)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka (das Glockenzeichen gebend): Ich bitte um Ruhe. Die Frau Bundesminister ist am Wort.
Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler (fortsetzend): Ich muss aber dazusagen: Ich darf nachfragen, weil ich nicht verstanden habe, von welcher Sache wir jetzt reden. Wir haben von Ehrenzeichen geredet. Das ist eine Zusatzfrage, oder?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ja.
Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler (fortsetzend): Wir haben vom Ehrenzeichengesetz gesprochen, wir
haben vom Verbotsgesetz gesprochen. Worauf beziehen Sie sich? (Zwischenrufe bei der ÖVP.)
Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Meine Frage war, ob Parlamente – jetzt nicht im Sinne der ÖVP, die immer nur die strafrechtliche Verurteilung als rote Linie sieht – generell schneller auf Missstände reagieren sollen, seien es Ordensaberkennungen oder sei es auch betreffend Korruption, die vorkommt, und was Ihre Meinung dazu ist. Ich bin der Meinung, da haben das Strafrecht und die strafrechtliche Verurteilung nicht die rote Linie zu sein. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)
Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Herr Abgeordneter, wenn es um die Frage geht, ob Parlamente schneller reagieren sollen, dann fragen Sie mich als Teil der Exekutive als Falsche. (Abg. Leichtfried: Ihre Meinung! – Zwischenrufe bei der ÖVP.)
Ich glaube, wir arbeiten sehr gut zusammen. Ich sehe hier im Bereich sowohl des Verbotsgesetzes als auch des Ehrenzeichengesetzes Handlungsbedarf, deshalb sind wir auch dran und deshalb wollen wir hier eine möglichst schnelle, aber vor allem auch eine gute Lösung erreichen. (Abg. Leichtfried: Vielen Dank!)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Abgeordneter Scherak. – Bitte, Herr Abgeordneter.
Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Guten Morgen, Frau Bundesministerin! Die österreichische Bundesregierung hat es ja mit dem nicht nachvollziehbaren Veto zum Schengenbeitritt von Rumänien und Bulgarien geschafft, sich auf europäischer Ebene ziemlich ins Abseits zu stellen. Beide Länder erfüllen die Voraussetzungen, aus offensichtlich innenpolitischen Gründen hat die ÖVP aber beschlossen, da ein Veto einzulegen – insbesondere Innenminister Karner, der noch im November der Meinung war, dass natürlich beide Staaten der Schengenzone beitreten sollten. Deswegen lautet meine Frage:
„Ist damit zu rechnen, dass die österreichische Bundesregierung ihr Veto im Zusammenhang mit der Schengenerweiterung nach der Landtagswahl in Niederösterreich aufgeben wird?“
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.
Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Herr Abgeordneter, ich darf Ihnen berichten: Ich war gestern im Rat für Allgemeine Angelegenheiten in Brüssel. Ich habe viele Gespräche geführt, unter anderen mit den Kolleg:innen aus Rumänien und Bulgarien. Ich möchte auch hinzufügen, dass seit einigen Wochen im Bereich der Migrationspolitik eine extreme Dynamik drinnen ist, unter anderem weil Österreich ja dieses Thema aufgebracht hat, und dass die Europäische Kommission schon Teile dieser fünf Punkte, die der Innenminister vorgelegt hat, aufgenommen hat, nämlich in den Aktionsplan betreffend den Westbalkan. (Abg. Stöger: Das hat mit Schengen nichts zu tun, gar nichts!) Wir wollen da auch gemeinsam tatsächlich für die betroffenen Länder Rumänien und Bulgarien eine Zeitschiene, einen Aktionsplan entwickeln, aber auch im Bereich der Migrationspolitik die jetzt notwendigen Schritte setzen, um da eine Lösung herbeizuführen.
Wir haben die österreichische Rechtslage dargelegt und sind auch gehört worden. Ich muss Ihnen sagen – um jetzt bei Ihrer doch ein bisschen polemischen Frage zu bleiben –, dass in den letzten Jahren in der Migrationspolitik nicht viel weitergegangen ist (Abg. Krisper: Danke, ÖVP!), dass, um ehrlich zu sein, die Asylpolitik gescheitert ist und ich nicht davon ausgehe, dass sich das Ganze in den nächsten Wochen, also vor der niederösterreichischen Landtagswahl, lösen wird. Ich hoffe aber doch, dass wir im nächsten Jahr eine wesentliche Änderung herbeiführen können, dass wir wichtige Schritte, Milestones setzen können.
Wenn ich auf das, was die Kommission schon aufgenommen hat, zurückkommen darf, dann möchte ich auf ein Pilotprojekt verweisen, nämlich schnelle
Verfahren an der Außengrenze, aber auch finanzielle Unterstützung von Mitgliedstaaten, die andere Länder an den Außengrenzen bei der Bewältigung dieser Anstürme und auch bei der Abarbeitung dieser hohen Zahl an Asylverfahren unterstützen.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage, Herr Abgeordneter? – Bitte.
Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Wir sind uns ja einig, dass das Asylsystem gescheitert ist. Ich mag auch Ihre Selbsterkenntnis, weil, als in den letzten Jahren nichts weitergegangen ist, dafür ÖVP-Regierungsmitglieder federführend zuständig waren und offensichtlich auf europäischer Ebene nichts weitergebracht haben.
Meine Frage wäre aber: Da für den Schengenbeitritt jetzt offensichtlich nicht mehr die Voraussetzungen gelten, die früher gegolten haben, und die Frage jetzt lautet, ob man Flüchtlinge auch entsprechend registrieren und darüber urteilen kann, ob sie Asyl bekommen oder ob man Flüchtlinge weiterleitet – das ist ja ein wesentlicher Grund im Zusammenhang mit dem Veto gegenüber Rumänien und Bulgarien –, müssten Sie da nicht dementsprechend auch der Meinung sein, dass Ungarn den Schengenraum verlassen soll, weil Ungarn großartig darin ist, Flüchtlinge nicht zu registrieren, sondern nach Österreich weiter zu lassen?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.
Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Zum Ersten darf ich Ihnen sagen, dass ich niemanden aus der Pflicht lasse, also weder Ungarn noch sonstige Länder, die da vielleicht entgegen dem Rechtsbestand der Europäischen Union die Gesetze nicht einhalten, Flüchtende nicht registrieren. Das ist einmal der erste Punkte.
Der zweite Punkt ist, dass Migrationspolitik selbstverständlich auch etwas mit Außengrenzschutz zu tun hat.
Der dritte Punkt ist, dass die Evaluierung der Grenzen Rumäniens und Bulgariens aus dem Jahr 2011 stammt. Jetzt kann man natürlich beklagen, dass die beiden Länder über zehn Jahre warten müssen – und womöglich jetzt noch länger –, bis sie in den Schengenraum aufgenommen werden. Man könnte aber auch die Frage stellen: Warum referenziert man jetzt auf eine Evaluierung, die aus dem Jahr 2011 stammt und spätestens, aber allerspätestens seit dem 24.2. an jeder Aktualität verloren hat, und tritt nicht heran und stärkt auch das Vertrauen mit den anderen Mitgliedstaaten? Im Übrigen haben die Niederlande auch gegen den Beitritt Bulgariens gestimmt.
Wir sind jetzt aber auf einem konstruktiven Weg – und das ist mir wichtig, zu sagen –, mit den beiden Ländern und auch mit denen, die hier zu Recht kritisch sind, einen Zeitplan zu erarbeiten, um diesbezüglich das Vertrauen zu stärken und die richtigen Schritte auch in der Migrationspolitik zu setzen.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Zusatzfrage stellt Abgeordneter Berlakovich. – Bitte sehr.
Abgeordneter Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich (ÖVP): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Das österreichische Veto betreffend die Schengenerweiterung wurde ja mit einem Versagen der Europäischen Union in der Beantwortung der Migrationsfrage begründet. Das Thema ist ja schon angesprochen worden.
Tatsächlich ist es ja so, dass eine der Hauptmigrationsrouten über Rumänien verläuft, aber gleichzeitig dort nur rund 130 Asylanträge gestellt werden. In Österreich gibt es ja eine Vervielfachung der Zahl der Asylanträge. Das Dublinsystem der EU funktioniert offensichtlich nicht – auch betreffend Ungarn, das ist ja angesprochen worden.
Jetzt ist meine Frage: Was werden Sie in diesem Zusammenhang auf der europäischen Ebene unternehmen, dass es bei der Migration zu Weichenstellungen kommt?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.
Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Wir haben das Thema gestern beim Rat für Allgemeine Angelegenheiten selbstverständlich auch besprochen. Es ist von uns und von einigen anderen Staaten gestern auch die Forderung gestellt worden, dass das auch die Staats- und Regierungschefs morgen beim Rat tun sollten.
Der Innenminister hat da insbesondere einen Fünfpunkteplan vorgelegt. Dieser enthält einige Ideen zu Dingen, die man jetzt machen müsste, damit diese Asylpolitik tatsächlich gemeinsam funktionieren kann. Manche Beispiele habe ich genannt, die schon aufgegriffen worden sind. Wir fordern aber auch eine Rückweisungsrichtlinie, dass man also Personen, die sicherlich keinen Grund für Asyl haben, schneller zurückweisen kann, um denen, die tatsächlich einen Grund für Asyl haben, eine echte Chance zu geben.
Tatsächlich verfolge ich das nicht erst in meiner Zeit als Ministerin oder vorher Staatssekretärin, sondern auch schon in meiner Zeit als Mitarbeiterin am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Das Dublin-III-System ist tot, es funktioniert nicht. Wir müssen schnellstmöglich etwas anderes einführen, damit wir wieder zu einem funktionierenden System und zu einem guten Miteinander kommen können.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Zusatzfrage stellt Abgeordneter Brandstätter. – Bitte.
Abgeordneter Dr. Helmut Brandstätter (NEOS): Frau Bundesministerin, aus Ihrer Beantwortung der Frage des Kollegen Scherak habe ich herausgehört, dass Sie selbst sehen, dass Ungarn das Asylrecht nicht einhält. Jetzt wollte ich Sie in diesem Zusammenhang persönlich fragen, wie es Ihnen so geht, wenn Sie Fotos sehen, auf denen der Bundeskanzler mit dem ungarischen Ministerpräsidenten Händchen hält (Abg. Zarits: Das ist ja ein Wahnsinn! Das ist ja wirklich ein
Wahnsinn!), und noch dazu auch mit dem serbischen Präsidenten Vucić, der ganz bewusst Europa topediert? (Zwischenruf des Abg. Sieber.)
Die konkrete Frage: Werden Sie ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn einleiten, weil es – wie ich es bei Ihnen ja verstanden habe – ganz offensichtlich eben nicht das europäische Asylrecht einhält?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.
Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Man muss nicht in allen Dingen zu 100 Prozent übereinstimmen, um Gott sei Dank trotzdem einen guten Umgang mit Kolleginnen und Kollegen aus Europa zu pflegen – im Gegenteil: ich glaube, es ist sehr wichtig. Ich habe mit der ungarischen Kollegin auf meiner Ebene, Judit Varga, ein ausgezeichnetes persönliches Verhältnis, aber ich sage ihr auch ganz deutlich, wenn ich mit etwas nicht einverstanden bin, so zum Beispiel auch gestern in einer Begegnung beim Rat für Allgemeine Angelegenheiten.
Zu dem, was Sie ansprechen, nämlich das Treffen des Bundeskanzlers mit Präsident Vucić und Viktor Orbán: Es ist absolut richtig und wichtig gewesen, wenn die Europäische Union da keine Lösungen hat, auch sozusagen Selbsthilfe zu leisten und Rückübernahmeabkommen zu verhandeln beziehungsweise mit Präsident Vucić ganz konkret darüber zu reden, was er ändern kann, damit die Situation in Österreich einfacher wird.
Wir haben gesehen, dass 40 Prozent derjenigen, die im Endeffekt nach Österreich kommen, über den Flugweg über Belgrad reinfliegen, weil es da Visaliberalisierungen gab. Das ist aus meiner Sicht ein ganz, ganz wesentlicher Punkt gewesen, und wir erwarten uns da auch einen deutlichen Rückgang der Zahlen, insbesondere aus Indien, weil da mit Ende des Jahres die Visaliberalisierung endet.
Also: Persönlich gut miteinander zu können ist das eine, inhaltlich vielleicht nicht übereinzustimmen das andere. Es braucht aber das Erste, damit man inhaltliche Lösungen finden kann. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Brandstätter: Und das Vertragsverletzungsverfahren? Die Frage wurde nicht beantwortet! Gibt es ein Vertragsverletzungsverfahren?)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter, wir haben nur die Möglichkeit, die Frage beantworten zu lassen. Wenn Sie nicht zufrieden sind, müssen wir das schriftlich organisieren.
Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl (ÖVP): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sie waren vor Kurzem mit Ihren Amtskolleginnen aus der Europäischen Union in der Ukraine. Mich interessiert, welche Eindrücke Sie dort vor Ort wahrgenommen haben.
Sie wissen ja, dass letzte Woche auch eine Parlamentarierdelegation in der Ukraine war, nicht nur in Kiew, sondern auch in Charkiw, schon 30 bis 40 Kilometer vor der russischen Grenze, wo wir von diesem Terrorangriff Putins gegenüber der Zivilbevölkerung desaströse Eindrücke gewinnen konnten. Wir waren von der mangelnden Elektrizität, von den mangelnden Heizungsmöglichkeiten, von mangelnden Lebensmitteln, die es teilweise, da und dort gibt, tief betroffen, und auch davon, wie die Menschen dort trotzdem für ihre Freiheit und gegen die Versklavung kämpfen.
Was waren Ihre Eindrücke vor Ort?
*****
Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 212/M, hat folgenden Wortlaut:
„Was sind Ihre Eindrücke von der aktuellen Situation in der Ukraine, die Sie kürzlich mit acht europäischen Amtskolleginnen besucht haben?“
*****
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.
Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Herr Abgeordneter! Sie wissen, dass ich als Europaministerin viel reise, aber diese Reise war eine besondere, die mir immer in Erinnerung bleiben wird. Sie war tief beeindruckend, im negativen, aber auch im positiven Sinn, weil die Menschen dort kämpferisch sind, weil sie nicht aufgeben wollen und weil sie trotz widriger Umstände – keine Elektrizität, damit einhergehend keine Möglichkeit, so banal es klingt, die Toiletten zu spülen – einfach kämpfen und auch junge Frauen mir auf der Universität gegenübergesessen sind und gesagt haben, sie wollen Juristinnen werden, sie wollen Journalistinnen werden, aber jetzt verteidigen sie ihr Land. Ob Sie mir es glauben oder nicht, ich bekomme Gänsehaut, wenn ich das hier sage.
Es war aus meiner Sicht die wichtigste Reise, die ich bisher in meiner Funktion als Europaministerin gemacht habe, um einen direkten Eindruck zu bekommen. Ich werde mein ganzes Leben lang Kriegsberichterstattung, ganz egal ob im Fernsehen oder in Zeitungen, nicht mehr so anschauen können wie bisher, sondern ich werde immer den Geruch von Brand in der Nase haben. Ich werde immer die Bilder vor mir sehen, wo Feuerwehrleute mit Jacken dort gestanden sind, auf denen Berufsfeuerwehr Graz draufstand, weil Hilfslieferungen von Österreich direkt dort angekommen sind und weil man gemeinsam gegen den wenige Stunden vorher stattgefundenen Raketenangriff angekämpft hat. Vor allem werde ich eines nicht mehr aus den Kopf bekommen: die Bilder der drei an diesem Ort getöteten Personen, die in einem nur geringen Abstand von uns, leicht zudeckt, aber so, dass man es erkannte, vor uns gelegen sind. Als wir zurückgekommen sind, war dort eine Blutlache.
Das sind Eindrücke, die für mich als Europapolitikerin wichtig sind, wenn es auch darum geht, Hilfe für die Ukraine zur Verfügung zu stellen. Es sind Gespräche wie jene mit Vizepremierministerin Stefanischyna oder auch der First Lady Selenska,
die mich antreiben, alles zu tun, dass man die Menschen unterstützt. Ich kann es nur noch einmal betonen: Da wird alles gebraucht, die Ausrüstung für den Feuerwehrmann genauso wie Heizkanonen und Generatoren, damit ein Minimum an Lebensqualität, ein Minimum an hygienischen Maßnahmen aufrechterhalten werden kann. Denken Sie an die Spitäler, wo Ärzte mit Stirnlampen operieren und das Wasser in Kanistern danebensteht – nicht das, was man als Standard hygienischer Natur in einem Krankenhaus bezeichnen kann! Ich bin froh, dass wir dort waren.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage, Herr Abgeordneter? – Bitte.
Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl (ÖVP): Mich hat besonders beeindruckt, dass die Menschen im Osten des Landes, obwohl 90 Prozent von ihnen vorher Russisch gesprochen haben, nicht mehr Russisch sprechen, weil sie nicht mehr mit Russland in Verbindung gebracht werden wollen. Besonders berührend war die Geschichte einer Menschenrechtsorganisationshelferin, die gesagt hat, dass ihre Tochter plötzlich begonnen hat, auf Ukrainisch zu beten, obwohl sie Russisch als Muttersprache hat. Das verändert die Situation dort total.
Wenn man auch gesehen oder mitbekommen hat, dass eine Rakete, vom Schwarzen Meer abgeschossen, vielleicht die EUAM, die European Union Advisory Mission, hätte treffen sollen, dann weiß man, wie gefährlich die gesamte Situation für ganz Europa ist.
Daher: Planen Sie ein Follow-up zu Ihrer Reise?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.
Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Ja, die Idee zu dieser gemeinsamen Reise mit insgesamt acht Delegationsteilnehmerinnen ist ja bei einer Konferenz in Salzburg mit dem Titel „The Next Generation is Female“, die ich selbst ins Leben gerufen habe, entstanden. Was unser Ziel war: Wir wollten das Spotlight auf die Needs, auf die
Bedürfnisse der Frauen und Kinder insbesondere im Krieg werfen – das geht von Soldatenmüttern über Opfer von Kriegsverbrechen, von Vergewaltigung über Menschen, die vertrieben worden sind, bis hin zu Kindern, die einfach keinen Zugang zu Bildung haben, weil die Schule weggebombt wurde.
Wir haben schon darüber gesprochen, unter anderem erst gestern wieder beim Rat Allgemeine Angelegenheiten, dass wir auf alle Fälle ein Follow-up machen wollen. Ich darf auch dazusagen, dass diese Gruppe aus Europaministerinnen in der Zwischenzeit größer geworden ist, weil wir zwei weibliche Kolleginnen dazubekommen haben, nämlich aus Frankreich und Schweden, die auch Interesse angemeldet haben, bei weiteren Aktivitäten dabei zu sein. Wir werden also auch da dranbleiben.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Zusatzfrage stellt Abgeordnete Ernst-Dziedzic. – Bitte.
Abgeordnete Dr. Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne): Frau Ministerin! Auch die Freundschaftsgruppe plant eine Follow-up Reise, weil wir nicht nur gesehen haben, wie groß das Leid ist, sondern auch, dass die Bevölkerung dort nicht vergessen werden möchte. Genau diese Reisen tragen dazu bei, dass wir der ukrainischen Bevölkerung zeigen: Wir stehen hinter euch und wir tun auf europäischer Ebene alles, damit ihr gut über den Winter kommt.
Soeben ist die Meldung hereingekommen, dass weitere 13 im Iran hergestellte Drohnen über der Hauptstadt Kiew abgeschossen worden sind, auf Wohnhäuser abgeschossen worden sind.
Meine Frage an Sie – weil ja vor allem die zivile Infrastruktur leidet und die Menschen ohne Wasser, ohne Strom, wie Sie selbst gesehen haben, leben und ausharren müssen – ist: Welche konkreten weiteren Maßnahmen können wir auf europäischer Ebene setzen, um in dieser schwierigen Zeit vor allem eben die Zivilbevölkerung in der Ukraine zu schützen und zu unterstützen?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.
Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Schauen Sie, Frau Abgeordnete, Sie waren ja selbst auch vor Ort! Ich könnte mich jetzt hierherstellen und Ihnen die ganzen Zahlen an Geldern in Milliardenhöhe runterbeten, die aus der Europäischen Union und auch aus den EU-Mitgliedstaaten schon an die Ukraine gegangen sind, unter anderem für humanitäre und für makrofinanzielle Unterstützung. Wir reden da, seit Beginn des Krieges, seitens der EU von einer Summe von 12,4 Milliarden Euro und von rund 7,3 Milliarden Euro – die Zahl ist sicher nicht vollständig, weil ja Gott sei Dank auch immer wieder etwas dazukommt – seitens der EU-Mitgliedstaaten. Auch Österreich hat mittlerweile einen zweistelligen, knapp unter dreistelligen Millionenbetrag geleistet.
Seit ich aber dort war, weiß ich, dass das alles nicht genug ist und dass jeder Cent dort gebraucht wird, dass vor allem jeder Generator gebraucht wird und dass teilweise auch – das war damals ein Thema, als es diese großflächigen Bombardements auf Infrastruktur gab – ganz kleine Halbleiter fehlen, um die Stromversorgung wiederherzustellen.
Um nur ein Beispiel zu geben: Wir sind natürlich mit dem Zug dorthin gefahren, und beim Zurückfahren gab es großflächige Stromausfälle. Dann ist auf eine Diesellok umgerüstet worden. Also ich war noch nie so froh, wieder auf polnischem Boden zu sein! Vier Mal haben sie die Lok in der Nacht umgehängt, um mit dieser Diesellok herauszukommen. – Da wird einem die ganze Dimension bewusst.
Das heißt, ich glaube, es wird von der Europäischen Union wirklich viel unterstützt, aber es wäre eine Hybris zu sagen, das sei viel, weil es immer noch zu wenig ist. (Abg. Ernst-Dziedzic: Vielen Dank!)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Zusatzfrage stellt Abgeordneter Troch. – Bitte.
Abgeordneter Dr. Harald Troch (SPÖ): Guten Morgen, Frau Bundesministerin! Zum Ukrainekrieg: Der dürfte ja leider im Jahr 2023 weitergehen. Die humanitäre Hilfe, bei der sich Österreich durchaus großzügig und effizient zeigt, wäre sowieso auch nach dem Krieg noch eine Zeit lang notwendig.
Frau Bundesministerin, wie schaut das 2023 finanziell aus? Was plant Österreich, wie sind die Dimensionen und wie sehen Sie die humanitäre Hilfe im Rahmen unserer österreichischen Neutralität?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.
Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Humanitäre Hilfe ist notwendig, richtig und wichtig, und neutral zu sein heißt nicht, neutral gegenüber Krieg und Kriegsverbrechen zu sein.
Ich bin froh und dankbar, dass nicht nur Gelder gespendet werden, Sachspenden geleistet werden, sondern dass die österreichische Bevölkerung auch extrem aufnehmend und wohlwollend gegenüber denen ist, die flüchten mussten. Es wurden teilweise Zimmer, Privatzimmer, zur Verfügung gestellt, es gibt eine ganze Flut an Privatunterkünften, in denen Flüchtlinge auch unterkommen, und das jetzt teilweise schon sehr lange. Da möchte ich an dieser Stelle auch einmal einen großen Dank an die Riesenhilfsbereitschaft der Österreicherinnen und Österreicher aussprechen.
Ich kann Ihnen hier und heute keine Zahlen nennen, was da sozusagen an weiteren Unterstützungen im nächsten Jahr geleistet werden wird, aber ich kann Ihnen berichten, dass wir erst heute darüber gesprochen haben, auch sammeln zu wollen, was die einzelnen Institutionen machen. Der Gemeindebund macht irrsinnig viel, die Städte machen teilweise viel, in den Ländern passiert viel und natürlich auch auf Bundesebene durch die einzelnen Ressorts, und das sollte man auch, um es darstellen zu können, sammeln. Wir sind jetzt dabei und dann kann ich Ihnen beim nächsten Mal diese Frage vielleicht konkreter beantworten. (Abg. Troch: Danke!)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Sie stellen gleich die nächste Hauptfrage, Herr Abgeordneter Troch. – Bitte.
Abgeordneter Dr. Harald Troch (SPÖ): Frau Bundesministerin! Sie als Verfassungsministerin sind auch in der Frage Regierungsübereinkommen zum Thema Wiederaufnahme der Allparteienverhandlungen zum Thema Grundrechtskatalog, Grundrechtskatalog in der österreichischen Verfassung gefordert.
Wie sehen Sie das und was sind Ihre Vorhaben in Bezug auf Erweiterung der Grundrechte in der Verfassung? Was werden Sie diesbezüglich konkret unternehmen?
*****
Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 222/M, hat folgenden Wortlaut:
„Was haben Sie als Verfassungsministerin unternommen, um das Vorhaben im Regierungsübereinkommen, Wiederaufnahme der Allparteienverhandlungen zur Erarbeitung eines umfassenden österreichischen Grundrechtskatalogs und zur Prüfung einer allfälligen Erweiterung des Grundrechtsschutzes, umzusetzen?“
*****
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.
Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Herr Abgeordneter, ich stehe nicht an, Ihnen hier von diesem Pult aus auch zu sagen, dass das ein Punkt des Regierungsprogramms ist, der noch nicht umgesetzt ist. Ich habe auch noch keine Allparteiengespräche dazu geführt. Das liegt schlicht und ergreifend auch daran, dass wir seit März 2020 ein paar Themen dazubekommen haben, die außerhalb des Regierungsprogramms waren, und dass ich grundsätzlich der Meinung bin, dass der Grundrechtsrahmen in Österreich ein ganz, ganz guter ist.
Nichtsdestotrotz glaube ich, dass es wichtig ist, dass das im Regierungsprogramm steht und dass man das auch angehen sollte. Es war schlicht und ergreifend noch keine Zeit dafür. Wir verhandeln natürlich immer wieder auch über verschiedene Verfassungsgesetze, die damit sozusagen auch zu einer Erweiterung dieses Grundrechtskataloges beitragen, aber ich glaube grundsätzlich an das Vorhaben, dass man vielleicht auch einmal klar auflistet, welche Grundrechte, welche verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechte es in Österreich gibt.
Und nicht zuletzt durch Ihre Frage haben Sie mich auch darauf hingewiesen, dass es da noch Handlungsbedarf gibt.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage, Herr Abgeordneter? – Bitte.
Abgeordneter Dr. Harald Troch (SPÖ): Gerade in Zeiten wie diesen mit der Teuerung möchte ich als SPÖ-Mandatar insbesondere die Frage der sozialen Grundrechte ansprechen. Sowohl die Teuerung im Bereich Energie wie auch die Teuerung allgemein, im Bereich Lebensmittel, drücken auf die Lebenshaltungskosten der Österreicher. Da wäre aus meiner Sicht und aus Sicht der SPÖ ganz vorrangig Handlungsbedarf gegeben, die Grundbedürfnisse der Österreicher abzusichern, um ein menschengerechtes Leben auch für Menschen mit niedrigem Einkommen sicherzustellen. – Danke.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.
Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Das war jetzt weniger eine Frage als eine Feststellung Ihrerseits. Ich darf vielleicht darauf antworten, wenn Sie so wollen: Ich glaube, im Moment – Sie haben recht – gibt es viele, viele Menschen, die große Sorgen haben, gerade was ihr soziales Fortkommen betrifft, was ihr Einkommen betrifft, was die nächste Rechnung für das Heizen betrifft, und da halte ich es für notwendig, dass man Maßnahmen setzt, die schnell zu einer Entlastung führen. Ob man das dann besser so macht – ich glaube, es ist so
besser – oder in einer Besprechung über mögliche verfassungsrechtlich gewährleistete Rechte, bleibt wahrscheinlich jetzt zwischen uns hier offen, aber ich denke, jetzt Maßnahmen zu setzen, die zu einer Entlastung führen, ist vorrangig.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Eine Zusatzfrage von Frau Abgeordneter Fürst. – Bitte.
Abgeordnete Dr. Susanne Fürst (FPÖ): Ich schließe an diese Frage nach dem österreichischen Grundrechtskatalog an. Wir haben gestern hier im Nationalrat ausgiebig darüber debattiert, dass ja Österreich vom Ansturm illegaler Einwanderer besonders betroffen ist – auch jetzt wieder. Auch Bundeskanzler Nehammer hat ausführlich Stellung genommen und hier auch von der größten Pro-Kopf-Belastung an Asylwerbern innerhalb der EU, die Österreich hat, gesprochen.
Das heißt: Wenn es anderen EU-Ländern viel besser gelingt, das abzuwehren, oder wenn die anderen EU-Länder weniger Asylanträge haben, gibt es ja offensichtlich auch innerstaatliche Defizite. Wie sehen Sie als Verfassungsministerin das und darf man da im Zusammenhang mit dem Grundrechtskatalog – Grundrechte sind ja auf Verfassungsebene – Konkretisierungen vornehmen, um bei diesem Thema etwas weiterzubringen und die Grundrechte der Österreicher mehr zu schützen?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.
Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Frau Kollegin, ich möchte Ihnen jetzt nur sagen, dass Grundrechte nicht für Österreicherinnen und Österreicher da sind, sondern für alle Menschen. Wenn wir jetzt von der Europäischen Menschenrechtskonvention ausgehen, dann gelten sie für alle Menschen, nicht nur für jene, die in Europa leben, sondern auch für alle, die hierherkommen, sei es, weil sie flüchten, oder sei es, weil sie hier Urlaub machen.
Der Ausgestaltung der Grundrechte ist immanent, dass sie sozusagen eigentlich Abwehrrechte gegenüber dem Staat sind. Das ist die Grundidee von Grundrechten. Insofern erschließt sich mir aus Ihrer Frage nicht ganz genau, was Sie von mir in Bezug auf Grundrechte mit dem Asylrecht wollen.
Es gibt, das möchte ich auch in aller Deutlichkeit festhalten, in der Europäischen Menschenrechtskonvention kein Grundrecht auf Asyl, aber es gibt sehr wohl ein Grundrecht, wie man in den einzelnen Staaten behandelt wird. Ich spreche da jetzt Artikel 2 und Artikel 3 der Menschenrechtskonvention an – das ist seit 1950 in Kraft, seit 1952 in der Form, und ist aus meiner Sicht auch gut und richtig so.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Abgeordneter Gödl. – Bitte.
Abgeordneter Mag. Ernst Gödl (ÖVP): Einen schönen Vormittag, Frau Ministerin! Ich darf das Thema Migration noch einmal ansprechen. Österreich ist ja von diesem Thema überproportional betroffen. Daher meine Frage:
„Auf EU-Ebene gibt es bislang keine effiziente Lösung im Kampf gegen illegale Migration, Schlepperei und Menschenhandel, was braucht es für einen effektiven Grenzschutz?“
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.
Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Ich glaube tatsächlich, es braucht ein Umdenken auch auf europäischer Ebene, auch bei der Europäischen Kommission, dass der Außengrenzschutz der Europäischen Union ohne physische Barrieren nicht gelingen kann. Das ist etwas, was ich gestern auch mit zahlreichen Kolleginnen und Kollegen besprochen habe.
Wir haben einfach die Situation, dass unsere Grenzen offensichtlich zu offen sind. Wir haben dazu die Problematik, dass das europäische Asylsystem nicht funktioniert, dass Schengen da natürlich ein Einfallstor ist, dass Dublin III nicht funktioniert, also die Registrierung von denen, die hierherkommen, nicht Anwendung findet, aus unterschiedlichsten Gründen – weil die Personen das umgehen oder weil von den Staaten gar nicht versucht wird, zu registrieren –, und deshalb braucht es da aus meiner Sicht ganz klar ein Umdenken.
Der zweite Punkt, den ich Ihnen sage, ist, dass Asylpolitik auch Kommunikation ist. Ich war erst am Beginn der letzten Woche in Schweden, in Stockholm, und habe mich mit dem künftigen Vorsitz ausgetauscht, mit meinem Gegenüber, mit Jessika Roswall, die ja auch den Vorsitz im RAA dann führen wird.
Schweden hatte im Jahr 2015 extrem hohe Zahlen, hat entsprechende Maßnahmen gesetzt, das hat sich auch herumgesprochen, und die Zahlen sind ganz signifikant nach unten gegangen, und jetzt sind sie nach wie vor auf einem niedrigen Niveau, sie sind dort geblieben. Im Jahr 2022 gibt es in Schweden etwa 14 300 Asylanträge, während wir in Österreich heuer schon über 100 000 Personen registriert haben als solche, die flüchten.
Der dritte Punkt, den ich hier noch einmal betonen möchte: Es ist an der Zeit, zu handeln, und aus meiner Sicht ist es wichtig und richtig, dass der Innenminister da ganz klar fünf Punkte vorgelegt hat. Darüber hinaus ist aber schon auch die Kreativität der Kommission gefordert, und ich suche ganz konkret auch Allianzen innerhalb der Mitgliedstaaten, dass wir da dranbleiben. Ich habe die Hoffnung, dass mit der schwedischen Präsidentschaft das Thema hoch oben auf der Agenda bleibt. (Beifall bei der ÖVP.)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter.
Abgeordneter Mag. Ernst Gödl (ÖVP): Genau puncto Schweden wollte ich nachfragen: Was glauben Sie, wird die schwedische Ratspräsidentschaft darauf einen besonderen Fokus legen?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.
Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Ja, davon gehe ich aus, es ist auch angekündigt worden. Im Übrigen wird die schwedische Ratspräsidentschaft natürlich auch, so wie einige vorher, sehr viel Pflichtprogramm abarbeiten müssen, und darunter fällt jetzt auch die Migration. Ich glaube, das ist jetzt ein Gebot der Stunde, denn es wird die Gretchenfrage auch für Europa sein, hier eine Lösung zu finden, denn es kann nicht sein, dass wir in einem Verbund von Staaten sind, die die Rechtsstaatlichkeit zu Recht hochhalten und auf der anderen Seite keine Gesetze auf dem Weg haben und keinen anwendbaren Acquis, der tatsächlich auch angewendet wird. Da gilt es jetzt zu handeln.
Ich habe das mit den schwedischen Kolleg:innen auch schon besprochen und ich glaube, wir sind bei ihnen – sie sind leidgeprüft, sie sind aber auch sehr erfahren und sie wissen um das Problem – sozusagen in besten Händen, und wir werden auch das Unsrige dazu beitragen, dass dieses Thema auf der Agenda bleibt. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich bedanke mich bei der Frau Bundesministerin und bei allen, die Fragen gestellt haben. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)
Da alle Fragen gestellt wurden, ist die Fragestunde beendet.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.
Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:
A. Eingelangte Verhandlungsgegenstände:
Schriftliche Anfragen: 13226/J bis 13232/J
B. Zuweisungen in dieser Sitzung:
a) zur Vorberatung:
Gleichbehandlungsausschuss:
Gesetzesantrag der Bundesrätinnen und Bundesräte Korinna Schumann, MMag. Dr. KarlArthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kollegen vom 30. November 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Gleichbehandlung im Bereich des Bundes (Bundes-Gleichbehandlungsgesetz – B-GlBG) und das Bundesgesetz über die Gleichbehandlungskommission und die Gleichbehandlungsanwaltschaft (GBK/GAWGesetz) geändert wird (1859 d.B.)
b) zur Enderledigung im Sinne des § 28b GOG (vorbehaltlich der endgültigen Entscheidung des Ausschusses):
Sportausschuss:
Bericht nach § 1 Abs. 4 des Bundesgesetzes über die Errichtung eines Non-Profit-Organisationen Unterstützungsfonds für November 2022, vorgelegt vom Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport (III-826 d.B.)
Wissenschaftsausschuss:
Tätigkeitsbericht der Ombudsstelle für Studierende, vorgelegt vom Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung (III-827 d.B.)
*****
(Abg. Scherak hebt die Hand.)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Eine Wortmeldung zur Geschäftsbehandlung. – Warten wir noch einen Moment, bis die Rednerpulte abgebaut sind.
Bitte, Herr Abgeordneter Scherak zur Geschäftsbehandlung.
*****
Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Ich habe mich jetzt zu Wort gemeldet, weil wir heute eine leicht problematische Situation im Zusammenhang mit unserer Tagesordnung haben.
Wir haben heute sieben Tagesordnungspunkte, bei denen die zuständige Ministerin fehlt. Wieso das ein Problem ist, möchte ich unter Hinweis auf die Arbeitsweise des Parlaments ein bisschen erläutern: Es ist so, dass wir gemeinsam einen Arbeitsplan festlegen – meistens ein halbes Jahr, ein Dreivierteljahr bevor die Sitzungen stattfinden – und dieser Arbeitsplan auch der Bundesregierung übermittelt wird, damit sich die Regierungsmitglieder diese Tage freihalten können; freihalten aus zwei Gründen: einerseits weil Regierungsmitglieder Regierungsvorlagen ins Parlament mitbringen, andererseits auch weil es sein kann, dass Abgeordnete Minister wegen Anfragen ins Parlament zitieren.
Es geht also einerseits um die Gesetzgebung, andererseits um die Kontrolle. Das Erste ist einigermaßen kalkulierbar, denn wenn ich als Minister eine Regierungsvorlage ins Parlament bringe, weiß ich selbst, wann ich sie einbringe und wann sie dann wohl auch im Plenum debattiert wird.
Das Zweite ist ein bisschen weniger kalkulierbar, nämlich Dringliche Anfragen, aber selbst da ist es so, dass es ein gutes Einvernehmen zwischen Oppositions- und Regierungsparteien gibt, dass man im Vorfeld vorwarnt, welche Dringlichen Anfragen man machen wird. So gibt es zum Beispiel heute eine Dringliche Anfrage von uns an Bundesminister Kocher; er weiß seit Montag, dass das passieren wird, weil man versucht, miteinander Lösungen zu finden, damit er sich diese Zeit auch freihalten kann.
Wir nehmen in der Regel auch Rücksicht auf Auslandsaufenthalte von Ministern und machen dann keine Dringlichen Anfragen – weil der Mehrwert ein geringer
ist, wenn der Minister sich vertreten lassen muss, aber auch weil es sich einigermaßen so gehört.
Das System wird nur dann pervertiert, wenn man andauernd im Ausland ist und sich ganz grundsätzlich der Kontrolle des Parlaments entzieht. Dieses Problem haben wir im letzten Jahr einigermaßen oft, das hat sich gehäuft, die Ministerinnen und Minister fehlen sehr oft an Plenartagen, eine ganze Latte teilweise, und das, obwohl sie lange davor davon wussten. Das verunmöglicht eine der Hauptaufgaben des Parlaments, nämlich die Kontrolle.
Genau deswegen, damit diese Missachtung des Parlaments ein Ende hat, haben Sie, Herr Präsident, auch einen Brief an den Bundeskanzler geschrieben, dass er in Zukunft darauf schauen soll, dass seine Mitglieder der Bundesregierung auch dem Parlament zur Verfügung stehen.
Jetzt gibt es eine Ministerin, bei der das ein besonderes Problem darstellt, das ist Frau Bundesministerin Gewessler. Die ist nämlich sehr oft abwesend: Sie war im Jahr 2022 – inklusive der drei Plenartage, die wir jetzt haben – von 29 Nationalratssitzungstagen an 15 abwesend, sprich an mehr als der Hälfte. Sie empfindet es offensichtlich nicht als notwendig, dem Parlament hier Rede und Antwort zu stehen.
Jetzt bin ich als selbstbewusster Parlamentarier grundsätzlich der Meinung, dass wir auch ohne Ministerinnen und Minister Gesetze beschließen können, aber worum es heute geht – was heute auf der Tagesordnung ist –, das sind Regierungsvorlagen. Das sind Vorlagen, die Frau Bundesministerin Gewessler in vollem Bewusstsein dem Parlament zugeleitet hat, wobei sie sich ausrechnen kann, wann die hier auf die Tagesordnung kommen. Das heißt, ich kann daraus nur schließen, die Frau Bundesministerin interessiert sich entweder nicht für das Parlament oder es sind ihr die Themen Umwelt, Verkehr und Energiepolitik nicht sonderlich wichtig, denn sonst wäre sie heute anwesend.
Man kann sich verfassungsmäßig natürlich vertreten lassen. Das passiert heute auch: Bundesminister Rauch wird Frau Bundesministerin Gewessler vertreten. Ich bin sehr gespannt, ob er die gleiche inhaltliche Expertise hat wie die Frau Bundesministerin – wir werden es sehen –, denn es kommt natürlich darauf an, dass man als Minister hier steht, seine Regierungsvorlagen inhaltlich verteidigt und sagt, wieso man der Meinung ist, dass man das machen sollte.
Wir als Parlament sind nicht zuständig für den Terminplan von Frau Bundesministerin Gewessler, und wir sind auch nicht dafür zuständig, dass die Frau Bundesministerin ein unfassbar großes Potpourri an Themen hat, für die sie zuständig ist. Es ist so, dass das Bundesministeriengesetz zwar hier im Parlament beschlossen wird, wir vollziehen da aber in der Regel den Wunsch der Regierung, und es war in dem Zusammenhang der Wunsch der Grünen, dass es so ein umfassend großes Ressort gibt, was ja mit ein Grund dafür ist, dass die Frau Bundesministerin so wenig Zeit hat.
Ich darf für meine Fraktion ankündigen, dass wir das in Zukunft nicht mehr in diesem Ausmaß so halten werden, denn wenn das Ergebnis dann jenes ist, dass jemand dem Parlament nicht mehr zur Verfügung steht, dann halte ich das für einigermaßen schwierig.
Was ich auch für einigermaßen schwierig und irritierend halte, ist, dass wir die Diskussion in der Präsidialkonferenz letzte Woche am Mittwoch geführt haben und ich dort sehr laut und sehr klar gemeinsam mit der FPÖ und der SPÖ gesagt habe, dass das aus unserer Sicht nicht geht, dass die Frau Bundesministerin nicht anwesend ist. Es war gestern, am Dienstag, Sitzung des Rates der Europäischen Union, und dafür hat man auch Verständnis, dass dort Ministerinnen und Minister anwesend sein müssen. Wir haben dementsprechend vorgeschlagen, dass wir die Tagesordnung umstellen, dass man versucht, dass das irgendwie funktioniert, und die Rückmeldung war: Sie kann aber auch am Mittwoch und am Donnerstag nicht kommen, denn da ist sie in Kanada.
Damit nicht genug: Es gab dann noch eine Abwesenheitsmeldung, sie wird auch nächste Woche dem Bundesrat nicht zur Verfügung stehen – da ist sie wiederum beim Rat, muss man dazusagen.
Ich frage mich, was sich die Grünen in einer Zeit, in der sie eine sehr vitale und kontrollierende Oppositionskraft gewesen waren, überlegt hätten, wenn ein Minister sich dem Parlament dauerhaft entzieht, so wie das Frau Bundesministerin Gewessler macht.
Damit diese Verhöhnung des Parlaments und diese bewusste Frotzelei ein Ende hat, bin ich der Meinung, dass wir die Tagesordnungspunkte der Frau Bundesministerin heute von der Tagesordnung nehmen sollten. Ich stelle gemäß § 49 Abs. 5 GOG den Antrag, dass die Verhandlungsgegenstände Informations-, Einsicht- und Entsendungsrechte des Finanzministers bei E-Control, das Aussetzen der Erneuerbaren-Förderpauschale, das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz, das Importverbot von Haiprodukten, die Neubaupläne von Small Modular Reactors in Tschechien, den ÖBB-Rahmenplan sowie die Aussetzung der Mautpflicht in Form der Vignette für Österreicher von der Tagesordnung abgesetzt werden. Der Antrag liegt Ihnen vor, und ich würde Sie bitten, diesen nachher auch zur Abstimmung zu bringen. (Beifall bei NEOS, SPÖ und FPÖ. – Abg. Hafenecker: Sehr peinlich für die Grünen! Sehr peinlich für die Grünen!)
10.25
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wünscht noch jemand, zur Geschäftsordnung zu reden? – Bitte, Herr Hammer.
Abgeordneter Lukas Hammer (Grüne) (zur Geschäftsbehandlung): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich wundere mich ein bisschen darüber, dass gerade die NEOS und Kollege Scherak sich so äußern. Ich finde es auch etwas populistisch, so zu tun, als wäre der Ministerin das Parlament nicht wichtig. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Sie
haben selber erwähnt (Unruhe im Saal – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen), dass die Ministerin gestern am Sonderministerrat der Energieminister:innen war. (Ruf bei der FPÖ: Mit dem Privatjet!) Vielleicht ist es Ihnen aufgefallen, dass wir die größte Energiekrise in der Geschichte unserer Zweiten Republik haben. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenrufe der Abgeordneten Schnedlitz und Deimek. – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)
Es ist die Aufgabe der Energieministerin, alles dafür zu tun, dass wir gemeinsam europäische Lösungen finden. Ich finde es einigermaßen befremdlich, dass gerade die selbsternannte Europapartei NEOS sich darüber aufregt. (Abg. Deimek: Das ist ja ein Skandal mit dieser Frau! Die tut ein ganzes Jahr nichts, und dann ... einen Flieger!)
Heute ist die Ministerin gemeinsam mit 138 Ministerinnen und Ministern aus anderen Ländern in Montreal bei der Biodiversitätskonferenz im High-Level-Segment. (Ruf bei der SPÖ: Was hat sie für ein Ziel gehabt?) Sie trifft sich in weiterer Folge mit anderen Energieminister:innen, unter anderem mit dem Energieminister von Kanada. (Abg. Meinl-Reisinger: Wir nehmen zur Kenntnis, dass sie etwas Wichtigeres zu tun hat!) Ich glaube, auch das ist etwas, das genau ihre Aufgabe ist. (Abg. Leichtfried hebt die Hand.)
Und was Sie auch nicht dazugesagt haben (Abg. Deimek: ... umeinander und tut nichts!): Unsere Arbeit findet nicht nur hier im Plenum statt, sondern auch in den Ausschüssen. Die Ministerin war im Umweltausschuss, sie war im Energieausschuss und sie war im Verkehrsausschuss anwesend (Abg. Scherak: Deswegen muss sie nicht kommen?) – das haben Sie nicht dazugesagt. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Haubner. – Abg. Krainer: Das heißt, sie ist eine Ausschussministerin? – Abg. Deimek: Wenn ... beschlossen wird, dann soll sie halt ...! – Weitere Rufe: Also sie ist eine Ausschussministerin!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn Sie unbedingt wollen, dass wir die Punkte von der Tagesordnung nehmen, dann müssen Sie auch dazusagen, was das heißt. (Abg. Krainer: Wir haben nächste Woche Zeit für eine Sondersitzung,
kein Problem!) Wir haben zum Beispiel heute einen Punkt auf der Tagesordnung, dass die Förderpauschale für nächstes Jahr gestrichen werden soll. Das ist eine Entlastung von 350 Millionen Euro. Wenn wir das jetzt nicht beschließen, kann das nächstes Jahr nicht in Kraft treten. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenrufe der Abgeordneten Kainz und Deimek.)
Wenn Sie das wollen, dann müssen Sie eben dazusagen, was die Konsequenzen sind. (Abg. Krainer: Wir haben eh nächste Woche auch Zeit!) Und wir sollten als Parlament, als Abgeordnete das Selbstvertrauen haben, diese Gesetze auch zu beschließen, wenn die Ministerin einmal nicht anwesend ist. (Abg. Krainer: Wir haben eh Zeit nächste Woche!) Wir werden diesem Antrag daher auch nicht zustimmen. (Abg. Scherak: Das heißt, der Zweck heiligt die Mittel?) – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Deimek: ... das ist ja doch lächerlich! Die ganze Partei ist lächerlich! Sie kann einen Sektionschef hinschicken! Sie muss nicht selber dort sein, denn sie weiß am allerwenigsten von allen!)
10.28
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir können das gut diskutieren, aber ich würde um ein bisschen Respekt bitten, dass wir jeden ausreden lassen und nicht unterbrechen. (Neuerliche Zwischenrufe.) – Sie können sich ja dann auch zu Wort melden.
Bitte, Herr Abgeordneter Klubobmann Leichtfried.
Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Ich möchte wieder etwas mehr Seriosität in diese Geschäftsordnungsdebatte bringen (Heiterkeit bei Abgeordneten der ÖVP) – mit der Anmerkung, dass natürlich der Kampf um die Artenvielfalt, das Erhalten von Arten (Ruf bei der FPÖ: ... ist sowieso eigenartig!) ein wesentlicher ist und auch die Sozialdemokratie diesen Kampf selbstverständlich führt, aber darum geht es heute nicht. (Abg. Lukas Hammer: Ihr führt den Kampf gegen die Artenvielfalt, das stimmt!)
Es geht darum, dass es eine Ministerin gibt, die von 29 Parlamentstagen, die ihre Dossiers betreffen, 15 Mal abwesend war – und das zeugt von mangelndem Respekt gegenüber der parlamentarischen Demokratie, gegenüber den Wählerinnen und Wählern. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von FPÖ und NEOS.)
Die Republik Österreich ist keine Räterepublik, in der eine Ministerin sich Räte zusammensucht und ihnen Rechenschaft ablegt, die Ministerinnen und Minister dieses Landes haben im Nationalrat Rechenschaft abzulegen.
Das ist ihre erste und vornehmste Pflicht und das, finde ich, tut Frau Gewessler – aus welchen Gründen auch immer – schon länger nicht. Das gehört jetzt wirklich einmal angesprochen und deshalb meine ich: Kollege Scherak hat recht gehabt, dass er sich deswegen zu Wort gemeldet hat. Er hat auch mit seinem Antrag recht, wenn es nicht möglich ist, dass die Frau Ministerin da ist.
Wir haben wirklich alles versucht. Herr Präsident, Sie sind Zeuge! Wir haben versucht, die Tagesordnungspunkte zu tauschen, wir haben versucht, ganz in der Früh etwas zu machen. Wir haben versucht, es irgendwie zu ermöglichen, dass das zusammenpasst. Ich habe aber das Gefühl: Es war ja nicht einmal gewünscht, dass das irgendwie geht. Sie wollte einfach nicht herkommen. (Beifall bei SPÖ, FPÖ und NEOS. – Abg. Lukas Hammer: Dass dir das nicht peinlich ist!)
Wenn das so dringend ist, wie Kollege Hammer behauptet, können die Grünen jederzeit eine Sondersitzung nächste Woche verlangen. Dann machen wir es so, dann vertagen wir heute und machen nächste Woche eine Sondersitzung, damit die Frau Ministerin teilnehmen kann. (Rufe bei der SPÖ: Genau!) Das wird ja noch möglich sein, so etwas zu tun. (Beifall bei SPÖ, FPÖ und NEOS. – Zwischenrufe bei der ÖVP. – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.)
Ich möchte eines anmerken: Die Minister und Ministerinnen haben es in der Hand, wann sie Tagesordnungspunkte am Ende dem Plenum zuleiten. All diese Dinge stehen eigentlich seit Langem fest. Unsere Sitzungstage stehen fest.
Wichtige Veranstaltungen, bei denen ein Minister, eine Ministerin anwesend sein muss, stehen auch fest. Wenn es so wesentliche Punkte sind, wird es doch möglich sein, die so fertig zu machen, dass man als Minister auch persönlich anwesend sein kann. Das ist einmal das Mindeste, was man von einer Ministerin, einem Minister erwarten kann, geschätzte Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der FPÖ.)
Ich würde mich daher im Namen meiner Fraktion dem Antrag von Kollegen Scherak vollinhaltlich anschließen. Sollte der Vertagungsantrag keine Mehrheit finden, beantrage ich, die Frau Ministerin herbeizuschaffen. – Danke. (Beifall bei SPÖ und NEOS sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)
10.31
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zur Geschäftsbehandlung zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Hafenecker. – Bitte.
Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! (Zwischenrufe bei SPÖ, FPÖ und NEOS. – Präsident Sobotka gibt neuerlich das Glockenzeichen.) Ja, ich möchte – auch von unserer Seite – unserem Ärger Ausdruck verleihen, dass die Ministerin ganz bewusst zu mehr als der Hälfte der Sitzungen nicht gekommen ist. Offensichtlich nimmt sie das Parlament nicht ernst.
Wie meine Vorredner bereits gesagt haben, sind das doch keine Termine, die über uns wie Naturkatastrophen hereinbrechen, sondern es gibt einen Arbeitsplan des Parlaments, nach dem sich die Frau Minister zu richten hat. Sie hat auch wertzuschätzen, was hier passiert. (Abg. Krainer: Wir haben nächste Woche Zeit, machen wir doch eine Sondersitzung!) Ich möchte wiederholen, was die Kollegen gesagt haben: Wenn es der grünen Fraktion so wichtig ist, dass diese Beschlüsse heute gefasst werden, dann müssen Sie halt ein bisschen später damit beginnen, sich in eine Weihnachtsstimmung zu begeben, dann müssen wir nächste Woche noch eine Sondersitzung machen, dann muss die Frau Minister halt jetzt einmal
aufhören, irgendwo im Ausland in Privatjets zu champagnisieren, sondern hierherkommen und ihre Vorlagen auch zur Beschlussfassung bringen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)
Ich muss Ihnen das ganz klar sagen: Wir haben ein Ministerium, das Klimaministerium, das mit Abstand die größte Summe an Beraterkosten verbrennt. Es werden dort 13 Millionen Euro verbrannt. Wir wissen nicht, wofür. Wenn man sich in diesem Ministerium schon Berater um 13 Millionen Euro leistet, dann könnten diese Berater zumindest darauf hinweisen, dass es nicht schlecht wäre, im Parlament aufzutauchen, wenn die eigenen Tagesordnungspunkte zur Beschlussfassung stehen. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der SPÖ.)
Noch etwas: Ich weiß schon, warum die Frau Minister vielleicht hin und wieder nicht kommt: weil sie ohnehin am wenigsten zum parlamentarischen Betrieb beiträgt, einfach deswegen, weil ja überhaupt keine Entwürfe aus ihrem Ministerium kommen. Es ist also ein Ministerium, in dem gähnende Leere an Vorlagen herrscht. Es kommt ja gar nichts.
Eines verstehe ich auch nicht, wenn die Ministerin jeden Tag davon spricht, dass das Klimaschutzgesetz für sie so wichtig sei: Na gerade da wäre es wichtig, dass man zu Hause im Büro sitzt und nicht durch die Welt – nach vorne und nach hinten und retour und ich weiß nicht wohin – jettet. Auch das kann man der Ministerin ausrichten.
Zum Schluss: Auch wir schließen uns Kollegen Scherak und den Kollegen von der SPÖ an und sind natürlich für eine Vertagung dieser Tagesordnungspunkte. Wie gesagt, wer nicht hören kann, muss fühlen: Dann müssen wir halt nächste Woche eine Sondersitzung machen. (Beifall bei der FPÖ sowie bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS.)
10.34
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zur Geschäftsbehandlung zu Wort gemeldet ist Klubobmann Wöginger. – Bitte.
10.34
Abgeordneter August Wöginger (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zum Ersten möchte ich festhalten, dass die letzte Geschäftsordnungswortmeldung wieder missbraucht wurde, um andere Inhalte unterzubringen. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwischenrufe bei der SPÖ: Ja, ja!) Das sollte man generell nicht tun. Kollege Scherak hat das aus meiner Sicht sehr ordentlich gemacht. Wir mögen zwar inhaltlich unterschiedlicher Ansichten sein (Abg. Krainer: Ist das eine Kritik an Kollegen Hammer?), aber das war wenigstens eine Geschäftsordnungswortmeldung, die inhaltlich nicht mit anderen Punkten ausgeschmückt worden ist. (Abg. Krainer: Das war offenbar eine Kritik am Grünen Hammer! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Zum Zweiten: Ich bin jetzt 20 Jahre im Parlament und es ist die fünfte Regierungskoalition, der ich als Abgeordneter angehöre. Wir haben mit der Sozialdemokratischen Partei, mit der Freiheitlichen Partei regiert und regieren jetzt mit den Grünen. (Abg. Krainer: Und mit dem BZÖ! Das BZÖ nicht vergessen!) Es hat immer wieder verfassungsmäßige Vertretungen von Ministerinnen und Ministern gegeben, weil sie nicht hier sein konnten. Es ist der Situation und dieser herausfordernden Zeit geschuldet. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Ich nenne Ihnen ein Beispiel: Die Sitzung des Europäischen Rates, die diese Woche stattfindet, ist um einen Tag – nämlich um den heutigen – erweitert worden, und der Bundeskanzler steigt jetzt gerade in den Flieger und fliegt nach Brüssel.
Es ist wichtig, dass unsere Ministerinnen und Minister diese internationalen – nicht nur europäischen, sondern auch internationalen – Termine wahrnehmen. (Ruf bei der SPÖ: Das hat keiner kritisiert!) Ich möchte ja gar nicht wissen, was Sie sagen würden, wenn unsere Minister nicht an diesen Konferenzen teilnehmen. Tun Sie bitte nicht so, das ist wirklich eine Bitte! Als Sie selber Ministerinnen und Minister gestellt haben, war das ganz klar, da haben wir solche Debatten nicht geführt. Es war ganz klar: Wenn sie verfassungsmäßig entschuldigt sind – das
wird am Beginn der Sitzung verlesen –, wenn es eingemeldet ist, wird das auch angenommen.
Seit einiger Zeit haben wir hier die Situation: Wir bemühen uns wirklich vonseiten der Klubobleute der Koalition, dass wir schauen, dass die Ministerinnen und Minister da sind, dass sie kommen. (Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ.) Nur: Der Plan steht bei uns ein Dreivierteljahr im Vorhinein fest und Konferenzen wie auch Ratssitzungen werden dann terminlich später festgelegt. Da können die Ministerinnen und Minister nichts dafür. Das möchte ich wirklich auch einmal betonen.
Kollege Scherak hat natürlich damit recht, dass wir uns bemühen müssen, dass die Regierungsmitglieder bei ihren Punkten da sind. Es geht aber leider nicht immer. Gerade in Zeiten wie diesen ist es eben extrem herausfordernd. (Zwischenruf des Abg. Deimek.) Da bitte ich auch wirklich, es anzuerkennen und zu respektieren, dass die Bundesregierungsmitglieder da wirklich alles tun, um unsere Republik im Ausland – auf der europäischen Ebene und auch international – bestmöglich zu vertreten. Daher treten wir als Volkspartei diesen Anliegen nicht näher.
Ich sage aber zu, dass ich in Bezug auf die Regierungsmitglieder der Volkspartei alles tun werde, dass sie – so gut es irgendwie möglich ist und geht – natürlich auch im Parlament anwesend sind. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Deimek.) Herr Kollege Leichtfried, einen Zitationsantrag zu stellen: Das, was du da jetzt gemacht hast, ist demokratiepolitisch gefährlich, weil die Ministerin in Kanada ist, wie du weißt. Sollte dieser Antrag eine Mehrheit bekommen – du hast gewusst, dass er keine Mehrheit kriegt, weil du sonst das demokratische System gefährdet hättest –, dann können wir die Tagesordnungen von heute und morgen, auf denen wichtige Punkte für die Bevölkerung Österreichs enthalten sind, in den Mistkübel schmeißen. (Weiterer Zwischenruf des Abg. Deimek.) Kehren wir also auch zu einer seriösen Art und Weise zurück, wie wir den Parlamentarismus in Österreich gestalten! (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Abg. Matznetter: Er fällt unter eine Lüge, der Herr Wöginger!)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Sie haben den Antrag auf Absetzung der Tagesordnungspunkte 5 bis 7 sowie 31 bis 34 gehört. Der Antrag gemäß § 49 Abs. 5 der Geschäftsordnung liegt auch schriftlich vor. Eine Absetzung kann vor Eingang in die Tagesordnung beschlossen werden und erfordert eine Zweidrittelmehrheit. (Rufe bei der SPÖ: Jetzt müssen wir abstimmen!)
Wir gelangen sogleich zur Abstimmung über den Absetzungsantrag betreffend die Tagesordnungspunkte 5 bis 7 sowie 31 bis 34.
Ich ersuche die Abgeordneten, die dafür sind, um ein dementsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Die erforderliche Zweidrittelmehrheit ist nicht erreicht.
Es bleibt bei der bekannt gegebenen Tagesordnung.
*****
Abgeordneter Leichtfried hat den Antrag zur Geschäftsbehandlung gestellt, der Nationalrat wolle im Sinne des § 18 Abs. 3 der Geschäftsordnung die Anwesenheit von Bundesministerin Gewessler verlangen.
Eine Debatte über diesen Antrag wurde nicht verlangt.
Wir kommen also gleich zur Abstimmung.
Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Auch das ist die Minderheit, abgelehnt. (Unruhe im Saal. – Der Präsident gibt das Glockenzeichen.)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Es ist vorgeschlagen, die Debatten über die Punkte 1 und 2, 3 und 4, 5 bis 7, 9 bis 12, 13 bis 16, 17 bis 21, 22 bis 25 sowie 26 und 27 der Tagesordnung jeweils zusammenzufassen.
Wird dagegen ein Einwand erhoben? – Das ist nicht der Fall.
Ankündigung einer Dringlichen Anfrage
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die Abgeordneten Meinl-Reisinger, Kolleginnen und Kollegen haben das Verlangen gestellt, die vor Eingang in die Tagesordnung eingebrachte schriftliche Anfrage 13233/J der Abgeordneten Meinl-Reisinger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft betreffend „der Stillstand in der Regierung, darf nicht zum Stillstand der Wirtschaft werden: Arbeitsmarktreform jetzt!“ dringlich zu behandeln.
Gemäß der Geschäftsordnung erfolgt der Aufruf der Dringlichen Anfrage um 15 Uhr.
Redezeitbeschränkung
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zwischen den Mitgliedern der Präsidialkonferenz wurde Konsens über die Dauer der Debatten erzielt. Es gibt heute eine Tagesblockzeit von 9,5 „Wiener Stunden“. Die Redezeiten ergeben sich wie folgt: ÖVP 185, SPÖ 128, FPÖ 105, Grüne 95 sowie NEOS 76 Minuten.
Gemäß § 57 Abs. 7 der Geschäftsordnung beträgt die Redezeit für die gesamte Tagesordnung von jenen Abgeordneten, die keinem Klub angehören, 38 Minuten. Der Debattenbeitrag darf 5 Minuten nicht übersteigen.
Wir kommen gleich zur Abstimmung.
Wer dem zustimmt, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist einstimmig.
*****
Wir gehen somit in die Tagesordnung ein.
Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 3003/A der Abgeordneten Dr. Christian Stocker, Mag. Georg Bürstmayr, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985,
das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, das BFA-Verfahrensgesetz und das Asylgesetz 2005 geändert werden (1868 d.B.)
2. Punkt
Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 2981/A der Abgeordneten Mag. Wolfgang Gerstl, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, das Verwaltungsrechtliche COVID-19-Begleitgesetz und das COVID-19 Begleitgesetz Vergabe geändert werden (1869 d.B.)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen zu den Punkten 1 und 2 der Tagesordnung, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.
Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.
Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Amesbauer. Bei ihm steht das Wort. – Bitte sehr, Herr Abgeordneter.
Abgeordneter Mag. Hannes Amesbauer, BA (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Werte Fernsehzuseher! Wir debattieren jetzt einen Tagesordnungspunkt, bei dem unter anderem auch eine Änderung im Asylgesetz vorgenommen wird. Das bietet die Gelegenheit, wieder über die Asylsituation in Österreich zu sprechen. Wir als Freiheitliche Partei haben das ja gestern in der Aktuellen Stunde auch an den Beginn der Tagesordnung gestellt.
Was mich so stört, ist diese Ignoranz bei dem Problem auf der einen Seite, nämlich aufseiten der SPÖ, der Grünen und der NEOS, also auf der linken bis ganz linken Seite, und die Untätigkeit der ÖVP, die wir hier sehen. Die ÖVP kreiert jetzt Worte wie Asyltourismus – dagegen ist nichts zu sagen, das ist ja kein böses Wort, das ist ja auch zutreffend –, gestern das komische Wort – das habe ich bisher überhaupt noch nie gehört – Asylbremse. Es wäre nett, wenn
einmal erläutert würde, was das sein soll und wie sich die Asylbremse auswirkt. Das ist eine Wortschöpfung, die unnötig ist, die lächerlich klingt und die es in der Realität auch nicht gibt. Was wir brauchen, ist ein Asylstopp, und zwar ein vollständiger Asylstopp (Abg. Meinl-Reisinger: Was ist das? Wie machen Sie das?) mit der Maßnahme, keinen einzigen Asylantrag mehr anzunehmen. (Abg. Meinl-Reisinger: Ah ja! Ja, eh!)
Frau Meinl-Reisinger von den NEOS findet das ja witzig (Abg. Meinl-Reisinger: Nein, ich finde Ihr rechtsstaatliches Verständnis witzig!), aber die Menschen, die unter dieser Massenzuwanderung leiden, finden das nicht lustig. (Abg. Meinl-Reisinger: Das müssen Sie aber den Bürgern erklären, wie Ihr Rechtsstaatsverständnis ist!) – Wenn Sie vom Rechtsverständnis reden: Wir haben so zu handeln, wie die Bürger es wollen (Abg. Meinl-Reisinger: Der Rechtsstaat hat Rechtsstaat zu bleiben!), und wenn die Bürger diese Invasoren aus aller Herren Länder in Österreich nicht haben wollen, dann haben wir so zu handeln. – Aus, fertig, Ende! Das ist mein Rechtsverständnis und das ist das Rechtsverständnis der Freiheitlichen Partei: Das Volk entscheidet! (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Meinl-Reisinger: Dann wissen wir, wo Sie stehen: außerhalb des Rechtsstaates!) – Wo stehen wir? Außerhalb des Rechtsstaates?
Was ist dann mit den Polen, was ist mit den Ungarn, was ist mit Griechenland, was ist mit Italien, die Rückweisungen machen, die die Grenzen schützen? Die Kroaten schützen übrigens auch sehr gut die Grenzen, nur Österreich schafft es nicht.
Frau Meinl-Reisinger, ich bringe Ihnen ein paar Zahlen. Die Zahlen sind ja - - (Abg. Meinl-Reisinger: Sie wollen ...! Sie müssen schon genau ausführen, was Sie wollen, wenn Sie sich nicht lächerlich machen wollen!) Frau Meinl-Reisinger, es hört Sie eh niemand im Fernsehen, also sparen Sie sich das! (Abg. Meinl-Reisinger: Wieso sind Sie so nervös? ...!) Melden Sie sich zu Wort, wenn Sie etwas Substanzielles zur Asylthematik beizutragen haben! Nur habe ich von den NEOS noch nie etwas anderes dazu gehört, außer: Es sollen noch mehr hereinkommen! –
Das ist der völlig falsche Ansatz. (Beifall bei Abgeordneten der FPÖ. – Abg. Meinl-Reisinger: Das findet sogar Ihre Fraktion nicht so besonders! Der „Asylstopp“!)
Um die Dramatik einzuordnen: Es ist ja allgemein bekannt, dass wir im heurigen Jahr schon über 100 000 Asylanträge verzeichnen. Ich habe jetzt die Statistik vom 20.11.2022 – das sind die aktuellsten Daten, die ich habe –, bis dahin hat man in Österreich 101 431 Asylanträge bei neun Millionen Einwohnern verzeichnet. In der gesamten EU, in den EU-27, gab es im Zeitraum bis 20. November 764 986 Asylanträge – mittlerweile sind es weit mehr –, und die Europäische Union hat 447,7 Millionen Einwohner. Österreich stellt also 2 Prozent der Bevölkerung der EU, hat aber 13,2 Prozent aller Anträge in der EU. Also wie funktioniert das?
Asylanträge in Deutschland – ganz spannend –: 168 611. Sie wissen ja, der Faktor zehn: Deutschland hat 83,2 Millionen Einwohner, wir haben neun Millionen Einwohner. Ungarn hat nur 42 Asylanträge. Warum? – Na weil die einerseits keine Sozialleistungen gewähren und andererseits die Asylanträge einfach nicht annehmen. Die Ungarn machen also alles richtig und pfeifen auf das Naserümpfen in der Europäischen Union. Sie schützen ihr Volk, und auch wir als österreichische Politiker sollten parteiübergreifend endlich unser Volk vor diesen Gefahren schützen, die mit der Masseneinwanderung ins Land strömen, meine Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ.)
Interessant ist auch: Bei unseren Asylanträgen sind 91 Prozent originär, das heißt, Erstantragsteller. 91 Prozent aller Asylanträge in Österreich sind von originären Antragstellern, den Rest machen die Kategorien Mehrfachantragsteller, wenn ein und dieselbe Person mehrmals Anträge stellt, Nachgeborene und Einreisegestattung aus.
Ich bringe jetzt einen interessanten Vergleich zu den Jahren, als Herbert Kickl die Verantwortung im Innenministerium hatte: 2018 gab es 13 746 Anträge, davon nur 42 Prozent originär, und 2019 12 886 Anträge, davon nur 48 Prozent originär. Die Erstantragsteller waren also in der Zeit von Herbert Kickl in der
Minderheit – das muss man auch einmal klar sagen –, und jetzt sind es 91 Prozent aller Antragsteller.
Die top fünf Herkunftsstaaten: 23 Prozent Afghanen, über 20 000 Personen heuer schon, über 16 000 Syrer, über 15 000 Inder, rund 12 000 Tunesier, über 7 000 Pakistani. In den Top Ten vertreten sind Marokko, Türkei, Somalia, Ägypten und Bangladesch.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe ja auch das Sicherheitssystem angesprochen: Es gibt laufend Polizeieinsätze im Bereich der Asylquartiere. Was macht die Bundesregierung? – Sie sperrt ein Asylquartier nach dem anderen neu auf, jetzt zum Beispiel das Großquartier in Kindberg in meinem Heimatbezirk.
Schauen wir uns zum Beispiel die Zahl der Polizeieinsätze an! Es gab im Bundesquartier in Bergheim 49 Einsätze in einem Jahr, in Semmering, auch in meinem Bezirk, 29 Einsätze. Bei den Einsätzen geht es um Drogenkriminalität, Gewalttaten, Körperverletzungen und dergleichen. Asylheime sind also immer eine potenzielle Sicherheitsgefährdung für die Bevölkerung.
Es hat sich erst unlängst ein tragischer Fall in Deutschland, in einer kleinen Gemeinde nahe Ulm, zugetragen: Ein Asylwerber aus Eritrea ist aus dem Asylwerberheim gestürmt, hat zwei Mädchen, ein 14-jähriges und ein 13-jähriges Mädchen, attackiert, hat mit einem Messer auf die Mädchen eingestochen, und die 14-Jährige ist dann verstorben. Solche Zustände wollen wir nicht! Ich sage auch ganz klar: Jene, die diese verantwortungslose Masseneinwanderung ermöglichen, sind an solchen Taten mitschuldig. (Beifall bei der FPÖ.)
Der Prozess im Fall Leonie – dieser tragische Fall in Österreich, der auch noch nicht so lange her ist – ist ja gerade erst mit einem Urteil zu Ende gegangen, das wirklich erfreulich und verdient ist. Davon hat zwar Leonie nichts, aber bei dem Urteil hat die Rechtsprechung wirklich gut funktioniert. Der einzige Schaden ist,
dass die Herrschaften die Strafe in Österreich – auf unsere Kosten – und nicht in Afghanistan absitzen müssen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich komme jetzt noch zu den Kosten des gesamten Asylwesens. Wir wissen, dass im Kapitel Fremdenwesen 1,1 Milliarden Euro budgetiert sind, aber das ist nur ein kleiner Teil der Wahrheit. Wir wissen, dass die Kosten insgesamt weit höher sind.
Interessanterweise werden jetzt sogar Animateure, sogenannte Freizeitbetreuer für die Asylquartiere gesucht. Das haben wir mit einer parlamentarischen Anfrage aufgearbeitet. Freizeitbetreuer über das AMS: Diesen Zynismus muss man sich vorstellen! Es gibt in Österreich rund 160 solcher Freizeitbetreuer für Asylwerber, und die kosten im Jahr über 5 Millionen Euro. Es ist in Zeiten der Teuerung ein besonderer Zynismus, dass man für die Freizeitgestaltung dieser Herrschaften, die illegal und ungebeten ins Land kommen, hier straffällig werden und bei uns in der sozialen Hängematte liegen, auch noch Animateure einstellt. Auf die Idee muss man einmal kommen! (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Stöger: He, he, he! ...!)
Ich stelle deshalb folgenden Antrag:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Transparenzbericht über Ausgaben für die ‚neue Völkerwanderung‘ – Kostenwahrheit für die Steuerzahler!“
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung wird aufgefordert, einen monatlichen Transparenzbericht betreffend ‚Kosten der illegalen Einwanderung‘ mit Ausgabenaufstellung aller Bundesministerien zu erstellen.“
*****
Durch diesen Antrag soll gewährleistet werden, dass wir eine wirkliche Kostenwahrheit haben, was das insgesamt alles kostet – im Bildungswesen, im Gesundheitswesen und so weiter. Es ist wohl das Mindeste, dass wir diese Transparenz leben.
Ich stelle jetzt einen weiteren Antrag, meine sehr geehrten Damen und Herren, denn wir importieren wie gesagt auch die Kriminalität. Wir importieren uns den Islamismus und damit auch eine potenzielle Terrorgefahr. Wir wissen, wie viele Gefährder und Radikale unterwegs sind, dazu brauchen wir nur einen Blick in die Kriminalitätsstatistik zu werfen, dazu brauchen wir uns nur anzuschauen, wie viele Ausländer unter den Tätern oder den Verdächtigen bei all den Frauenmorden in Österreich sind, und dazu brauchen wir uns nur die Anzahl der ausländischen Gefängnisinsassen anzusehen. Und die Regierung macht nichts dagegen, wirklich gar nichts, um diese Masseneinwanderung zu bremsen; die Asylbremse habe ich ja schon besprochen. Der einzige Grund, warum die Zahlen jetzt leicht zurückgehen, sind die Minustemperaturen. Das ist der einzige Grund dafür – und nicht wegen dieser Bundesregierung, die ja im Wesentlichen aus Blindgängern besteht.
Ich bringe jetzt gemäß § 55 der Geschäftsordnung des Nationalrates einen Misstrauensantrag ein:
Misstrauensantrag
der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Versagen des Vertrauens gegenüber der Bundesregierung“
(Zwischenruf des Abg. Gerstl.) – Sie haben richtig gehört: Ich stelle einen Misstrauensantrag gegen die gesamte Bundesregierung. (Abg. Gerstl: Nichts Neues!)
„Der Nationalrat wolle beschließen:
Der Bundesregierung und den Staatssekretären wird gemäß Art. 74 Abs. 1 iVm Art. 78 Abs. 2 B-VG durch ausdrückliche Entschließung des Nationalrats das Vertrauen versagt.“
*****
Meine Damen und Herren, neben dem Versagen im Asylchaos, das ich jetzt ausführlich behandelt habe, gibt es viele Gründe für das Misstrauen gegen diese Bundesregierung. Es gibt viele Gründe, diese Regierung in die Wüste zu schicken. Es gibt meines Erachtens keinen einzigen Grund, diese Regierung im Amt zu belassen.
Da ist das Totalversagen in der gesamten Coronasituation mit der Aushebelung der Grund- und Freiheitsrechte und dem Schaden von vielen Milliarden Euro, der angerichtet wurde. Es gibt die Korruption der ÖVP. Dann ist da noch die Teuerung, gegen die nichts getan wird, nichts Wirksames getan wird. Es gibt den schleißigen Umgang - - (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Na schau, da schreien Sie, wenn Sie Korruption hören! Jene, die die Korruption betreiben und zudecken, schreien auf! Ja, ihr habt ein Korruptionsproblem, ihr steckt im Korruptionssumpf (Abg. Gerstl: ... Verleumdung! ... Sie begehen gerade strafrechtlich...!), meine Damen und Herren! Ihr habt einen Dauerstreit innerhalb der Regierung, ihr bringt nichts mehr weiter.
Und nicht zuletzt die fehlende demokratische Legitimation: Bei der letzten Wahl hat ein gewisser Sebastian Kurz kandidiert – kein Schallenberg, der ein kurzes, unrühmliches Intermezzo hatte, und kein Nehammer. Das nennt man Wählertäuschung. Alle Regierungsmitglieder, inklusive der anwesenden Frau Edtstadler, haben unterschrieben: Ohne den Gottseibeiuns, ohne den einstigen Superstar Basti Fantasti (Zwischenruf des Abg. Gerstl), machen wir nicht mehr weiter!, und immer noch kleben Sie an Ihren Sesseln fest. Das ist Wählertäuschung, das ist auch ein Beleg dafür (Zwischenruf des Abg. Zarits), dass weder Ihr Wort noch Ihre Unterschrift etwas wert sind und dass man sich auf Sie nicht verlassen kann. Es ist die mangelnde Handschlagqualität, die bekannt ist. In den Umfragen kratzen
Sie gemeinsam, ÖVP und Grüne, gerade noch an der 30-Prozent-Hürde. Es ist Zeit, den Weg frei zu machen. Es ist Zeit, Österreich, dieser Republik und den Bürgern eine Chance auf eine ehrliche, anständige und saubere Politik zu geben.
Meine Damen und Herren, stimmen Sie diesem Misstrauensantrag zu! (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Wöginger – beim Mikrofon in den Abgeordnetenreihen der ÖVP stehend –: Herr Präsident!)
10.53
Die Anträge haben folgenden Gesamtwortlaut:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten KO Kickl, Mag. Amesbauer
und weiterer Abgeordneter
betreffend Transparenzbericht über Ausgaben für die „neue Völkerwanderung“ – Kostenwahrheit für die Steuerzahler!
eingebracht im Zuge der Debatte über den Tagesordnungspunkt 1, Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 3003/A der Abgeordneten Dr. Christian Stocker, Mag. Georg Bürstmayr, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, das BFA-Verfahrensgesetz und das Asylgesetz 2005 geändert werden (1868 d.B.), in der 189. Sitzung des Nationalrates, XXVII. GP, am 14. Dezember 2022
Die Zahl der heuer in Österreich gestellten Asylanträge hat die dramatische Rekordmarke von 100.000 bereits überschritten, bis Jahresende sollen es 120.000 werden. Die rund 80.000 Ukrainer im Land sind da noch nicht eingerechnet. Das von ÖVP und Grünen verursachte Asylchaos stellt nicht nur das Katastrophenjahr 2015 in den Schatten, vielmehr hat die illegale Einwanderung schon längst das Ausmaß einer „neuen Völkerwanderung“ erreicht. Den Preis dafür lassen Nehammer, Kogler und Co. die Österreicher mit ihrer Sicherheit, dem Verlust ihres Rechts auf Heimat und
Abermilliarden an Steuergeld aus allen möglichen Bereichen bezahlen. Über die tatsächliche Dimension dieser Kosten, angefangen vom Sozialsystem bis hin zum Bildungsbereich, lässt die Bundesregierung die Steuerzahler im Dunkeln.
Es muss daher Kostenwahrheit und Transparenz durch alle Ministerien hergestellt werden. Was die Bundesregierung bei Corona mit wöchentlichen Pressekonferenzen und Dashboards zusammengebracht hat, muss sie bei der illegalen Masseneinwanderung zumindest einmal im Monat schaffen.
Konkret sollten alle Bundesministerien dazu verpflichtet werden, sämtliche mit dem Bereich Migration und Asyl verbundenen Ausgaben transparent auszuweisen und dem Finanzminister zu melden, der in monatlichen Abständen einen daraus erstellten Transparenzbericht „Kosten der illegalen Einwanderung“ veröffentlichen muss. Derzeit ist es so, dass beispielsweise im Budget 2023 für das „Fremdenwesen“ 1,1 Milliarden Euro an Kosten ausgewiesen werden. Das ist aber nur der Aufwand für die „Völkerwanderungsbürokratie“ und damit nicht einmal die halbe Wahrheit. Die durch die Masseneinwanderung verursachten Belastungen für den Gesundheitsbereich, das Sozialsystem, den Bildungsbereich, die Justiz oder Kosten für die Schulungsmaßnahmen und Förderungen quer über verschiedenste Ressorts machen ein Vielfaches davon aus. Sie werden allerdings nicht herausgerechnet und gesammelt dargestellt.
Die Regierung wirft unsinnigerweise Milliarden Euro für die „neue Völkerwanderung“ zum Fenster hinaus. Dafür hat weder die heimische Bevölkerung Verständnis noch Menschen, die seit vielen Jahren hier leben, arbeiten, Steuern zahlen und – im Gegensatz zur Masse der „Neuankömmlinge“, die sich nur in unser Sozialsystem drängen wollen – Leistungsträger sind. Somit ist es nur eine Minimalforderung, auch die Wahrheit über die tatsächlichen Kosten zu erfahren. Die Aufwendungen für die Ukrainer im Land sind hier ebenfalls einzubeziehen.
Die Bevölkerung hat ein Recht auf Kostenwahrheit. Ganz besonders in Zeiten, in denen viele nicht wissen, wie sie überhaupt noch über die Runden kommen sollen. Ganz egal, ob es Kosten für die Sicherheit, AMS-Schulungen, Arztbesuche oder Krankenhausbehandlungen, Schul- oder Kindergartenplätze, Gerichtsverfahren, das
Absitzen von Haftstrafen oder den absurden Klimabonus für Asylanten betrifft: Jeder einzelne Euro, der für Drittstaatsangehörige, die Asyl in Österreich verlangt haben, ausgegeben wird, muss auch in einer gesonderten Aufstellung von den zuständigen Bundesministerien transparent abgebildet werden.
Denn nur dann wird für jeden auf einen Blick sichtbar, dass der ausgewiesene finanzielle Aufwand etwa für Grundversorgung, Sozialhilfe und Mindestsicherung im Zusammenhang mit Asyl zwar ohnehin schon horrend ist, aber in Wirklichkeit nur einen Bruchteil der gesamten Kosten für die österreichische Volkswirtschaft ausmacht.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden
Entschließungsantrag
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung wird aufgefordert, einen monatlichen Transparenzbericht betreffend „Kosten der illegalen Einwanderung“ mit Ausgabenaufstellung aller Bundesministerien zu erstellen.“
*****
Mißtrauensantrag
§ 55 GOG-NR
der Abgeordneten KO Kickl, Mag. Amesbauer
und weiterer Abgeordneter
betreffend Versagen des Vertrauens gegenüber der Bundesregierung
eingebracht im Zuge der Debatte über den Tagesordnungspunkt 1, Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 3003/A der Abgeordneten Dr. Christian Stocker, Mag. Georg Bürstmayr, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, das Niederlassungs- und
Aufenthaltsgesetz, das BFA-Verfahrensgesetz und das Asylgesetz 2005 geändert werden (1868 d.B.), in der 189. Sitzung des Nationalrates, XXVII. GP, am 14. Dezember 2022
Das von ÖVP und Grünen verursachte Asylchaos stellt nicht nur das Katastrophenjahr 2015 in den Schatten, vielmehr hat die illegale Einwanderung schon längst das Ausmaß einer „neuen Völkerwanderung“ erreicht. Den Preis dafür bezahlen die Österreicher mit ihrer Sicherheit, dem Verlust ihres Rechts auf Heimat und Abermilliarden an Steuergeld aus allen möglichen Bereichen.
Unser Land ist durch das Nichthandeln der Regierung eine der ersten Adressen für illegale Einwanderer. Mit Stand 20. November 2022 sind laut Zahlen aus dem BMI heuer bereits 101.431 Asylanträge in Österreich gestellt worden. Die Antragsteller kommen hauptsächlich aus Indien, Afghanistan, Syrien, Marokko und Tunesien. All diese Länder sind weit weg von Österreich, dazwischen liegen viele sichere Staaten, in denen man einen Antrag stellen hätte können. Daraus ergibt sich der Umstand, dass Österreich nicht zuständig ist für diese Menschen. Daher muss man die Entwicklungen an den österreichischen Außengrenzen nicht managen, sondern abwehren.
Die Regierung begleitet diese „neue Völkerwanderung“ jedoch nur, tut aber nichts, um die Grenzen zu sichern. Von SPÖ und ÖVP wurde im Jahr 2016 ein Positionspapier zum Thema Asyl verfasst. Dort sind konkrete Maßnahmen – wie die Sicherstellung einer geordneten Einreisekontrolle, eine rasche und effektive Sicherung der EU-Außengrenze sowie das Schaffen von Hotspots für das Stellen von Asylanträgen an den Außengrenzen der EU – festgeschrieben worden. Auch sollte das Stellen eines Asylantrags in Österreich nicht mehr möglich sein, wenn bereits 37.500 Anträge innerhalb eines Jahres gestellt worden sind.
Heute – beinahe sieben Jahre später – ist von den damaligen Versprechen nichts mehr übrig und die Realität beweist, dass alle Beteuerungen, das Jahr 2015 dürfe sich nicht wiederholen und man habe aus den damaligen Ereignissen gelernt, nichts als leere Worte waren. Innenminister Karner macht es sich sehr leicht, die eigene Verantwortung auf den nicht funktionierenden Schutz der Schengen-Außengrenzen
abzuschieben. Es geht ihm nur um die mediale Inszenierung, statt endlich Maßnahmen zu setzen.
Er selbst – und sonst niemand – ist für die Sicherheit in Österreich verantwortlich. Wenn er beim Abschieben von illegalen Einwanderern nur annähernd so konsequent wäre wie beim Abschieben seiner Verantwortung, wäre ein Teilbereich des Problems bereits gelöst. Tatsache ist: ÖVP und Grüne haben Österreich zur ersten Adresse für die illegale Einwanderung werden lassen – und das zulasten der eigenen Bevölkerung.
Österreich muss als Zielland für illegale Einwanderer unattraktiv gemacht werden, wir brauchen keine Einwanderer in das Sozialsystem. Die notwendigen Maßnahmen gegen die illegale Einwanderung und den Asylmissbrauch sind aber nicht ersichtlich. Aktuell lädt man die Migranten buchstäblich ein. Eine Möglichkeit, den unkontrollierten Zustrom wenigstens zu begrenzen, wäre die Notverordnung mit der Obergrenze 37.000 gewesen. Doch Dank des ÖVP-Totalversagens, hier insbesondere von Bundeskanzler Nehammer und Innenminister Karner, ist Österreich trauriger Spitzenreiter als Zielland der aktuellen „neuen Völkerwanderung“ in Europa. Die Leidtragenden sind die Bürger dieses Landes.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachstehenden
Entschließungsantrag
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Der Bundesregierung und den Staatssekretären wird gemäß Art. 74 Abs. 1 iVm Art. 78 Abs. 2 B-VG durch ausdrückliche Entschließung des Nationalrats das Vertrauen versagt.“
*****
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zuerst zu den Anträgen: Die Anträge sind ordnungsgemäß eingebracht und ausreichend unterstützt und stehen somit mit in Verhandlung; das betrifft beide Anträge.
Ich würde Sie bitten, auch in Ihrer Wortwahl etwas respektvoller umzugehen. Bei aller Schärfe der inhaltlichen Sache, aber „Blindgänger“ ist wirklich keine Wortwahl, die im Parlament angemessen erscheint.
Zur Geschäftsbehandlung: Klubobmann Wöginger. – Bitte.
*****
Abgeordneter August Wöginger (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Auch im Anschluss an die vorherige Geschäftsordnungsdebatte möchte ich schon eines zu diesen beiden Anträgen – sowohl zum Entschließungsantrag als auch zum Misstrauensantrag der Abgeordneten Klubobmann Kickl und Mag. Amesbauer – festhalten: Klubobmann Kickl ist heute entschuldigt, das ist okay, es gibt immer wieder Entschuldigungen, passt (Zwischenruf bei der FPÖ), dass aber dann ein entschuldigter Klubobmann auf einem Antrag steht, der hier zur Abstimmung kommt – und da geht es immerhin um das Misstrauen gegenüber der gesamten Bundesregierung –, ist formell gerade noch zulässig. (Ruf bei der FPÖ: Horch, horch!)
Weil wir aber vorhin auch diskutiert haben, ob es seriös ist: Seriös ist es nicht, meine Damen und Herren, wenn ein Klubobmann auf einem Misstrauensantrag nicht nur als Abgeordneter unter der Überschrift steht, sondern ihn (ein Schriftstück in die Höhe haltend) auch unterschrieben hat. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Das, was wir hier haben, sind die berühmten Schubladenanträge.
Formell ist es laut Geschäftsordnung möglich, ein seriöser Parlamentarismus ist es zweifelsohne nicht. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)
10.55
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Abgeordneter Singer ist zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter Singer. (Abg. Hafenecker steht beim Mikrofon in den Abgeordnetenreihen der FPÖ und hebt die Hand.) – Abgeordneter Hafenecker, zur Geschäftsbehandlung.
10.55
Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Ich möchte nur ganz kurz auf Herrn Kollegen Wöginger replizieren, der kritisiert hat, dass es einen Antrag gibt, auf dem Klubobmann Kickl draufsteht. – Es ist nicht „gerade noch“ zulässig, Herr Kollege Wöginger, es ist zulässig, das ist mit der Parlamentsdirektion so besprochen worden. Hinsichtlich „gerade noch“ weiß ich jetzt nicht, was das für ein Zusatz von Ihnen sein soll – das aber nur nebenbei.
Abgesehen davon, Kollege Wöginger, ist es ja eine furchtbare Anklage gegen Kollegin Maurer, die die meiste Zeit nicht da ist, auf vielen Anträgen draufsteht, aber nicht entschuldigt ist. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Wöginger: Hör auf mit dem, wer da ist! Hör auf!) Kollege Kickl ist heute entschuldigt. (Abg. Wöginger: Na, bitte, hör auf! Das ist ja lächerlich! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Kollegin Maurer ist kaum entschuldigt und meistens nicht im Saal (Abg. Reimon weist auf die neben ihm sitzende Abg. Maurer), wenn es um wichtige Themen geht, also macht euch das bitte innerhalb der Koalition aus! (Zwischenruf der Abg. Maurer. – Abg. Wöginger: Das ist ja lächerlich! – Abg. Steinacker: Sie sitzt ja eh da!)
Also ich beantrage wirklich, dass wir vielleicht eine kurze Stehung machen (Abg. Wöginger: Ja, gerne! Gern! – weitere Zwischenrufe bei der ÖVP), um die Vorgangsweise von Kollegen Wöginger zu besprechen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Steinacker: Die Frau Klubobmann sitzt da in der dritten Reihe! – Abg. Wöginger – in Richtung Abg. Maurer weisend –: Sie sitzt da, Christian!)
10.56
*****
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Singer. (Unruhe im Saal.) – Ich würde Sie bitten, dass wir wieder ein bisserl mehr Disziplin und Ruhe hereinbringen können. Schauen Sie, es braucht ja nicht noch zusätzlich Emotionalitäten, das Thema ist schon intensiv genug!
Bitte sehr, Herr Abgeordneter Singer, Sie gelangen zu Wort.
10.57
Abgeordneter Johann Singer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Kollege Amesbauer, ich war von diesen Themen, die Sie angesprochen haben, leicht irritiert. Warum? – Weil ich gedacht habe, ich habe mich zu den falschen Themen vorbereitet. Das heißt, tatsächlich diskutieren wir jetzt über Corona und die Auswirkungen.
Lassen Sie mich aber noch einen Punkt ansprechen: Für mich ist es unerträglich und ich weise es auf das Schärfste zurück, die Regierungsmitglieder als „Blindgänger“ zu bezeichnen. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Abg. Hafenecker: Ist Versager besser? Ist Versager besser? – Abg. Rauch: Ein Blindgänger macht noch keinen ...!)
Aber nun zurück zum Thema: Wir haben in den vergangenen zwei Jahren eine Reihe von Beschlüssen gefasst, damit das öffentliche Leben auch trotz Pandemie gut funktionieren kann. Einige dieser Coronasonderregelungen wurden inzwischen mehrfach verlängert. Mit der heutigen Beschlussfassung geht es um Bereiche aus dem Bundes-Verfassungsgesetz, das Verwaltungsrechtliche COVID-19-Begleitgesetz, das Staatsbürgerschaftsgesetz und das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, um einige zu nennen. Diese sollen um ein weiteres halbes Jahr, nämlich bis Ende Juni 2023, verlängert werden.
Ich weiß schon, dass es Kritik an diesen Verlängerungen gibt. Allerdings kann man zum heutigen Zeitpunkt noch nicht vollständig ausschließen, dass die betreffenden Maßnahmen wieder gebraucht werden. Auch für mich ist aber ganz klar, dass, sofern sich an der Gesamtsituation hoffentlich nichts Wesentliches verändert, eine weitere Verlängerung nicht mehr notwendig sein wird.
Worum geht es konkret? – Es geht um die Ermächtigung für Gemeinderäte, Beschlüsse per Videokonferenz beziehungsweise im Umlaufweg zu fassen, und
zwar dann – und nur dann! –, wenn außergewöhnliche Umstände vorliegen. Ich darf das betonen: Es geht um außergewöhnliche Umstände.
Auch die Bundesregierung hat die Möglichkeit, weiterhin Beschlüsse per Videokonferenz zu fassen. Die Möglichkeit des Einsatzes der Videotechnologie in Verwaltungsverfahren und bei Verwaltungsgerichten wird auch verlängert. Auch da muss im Vordergrund stehen, dass die Wahrung der Parteienrechte entsprechend gewährleistet ist.
Auch soll es durch Verordnung weiterhin möglich sein, bestimmte Zeiten wie Verjährungsfristen auszunehmen, wenn dies zur Verhütung der Ausbreitung der Covid-19-Pandemie geboten ist. (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)
Sehr geehrte Damen und Herren! Für mich ist es selbstverständlich, dass die Verantwortlichen ganz genau prüfen, ob die angesprochenen Maßnahmen sachlich zum jeweiligen Zeitpunkt tatsächlich gerechtfertigt sind.
Tatsache ist auch, dass sich einzelne Maßnahmen durchaus bewährt haben. Aus dieser Erfahrung heraus stellt sich für mich die Frage, ob nicht manche dieser Bestimmungen ins Dauerrecht übernommen werden könnten. Obwohl das natürlich eine sorgsame Abwägung braucht, sehe ich wohl die Chance, einiges tatsächlich ins Dauerrecht zu übernehmen, und ich freue mich, dass daran auch schon gearbeitet wird.
Sehr geehrte Damen und Herren, ich darf Sie bitten, der Verlängerung dieser Maßnahmen bis 30. Juni 2023 die Zustimmung zu geben. – Herzlichen Dank. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)
11.01
Präsidentin Doris Bures: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Johannes Margreiter. – Bitte.
11.01
Abgeordneter Dr. Johannes Margreiter (NEOS): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Hohes Haus! Mit den vorliegenden Initiativanträgen arbeitet die Regierungsmehrheit in diesem Haus einer Regierung zu, die offenbar nicht regieren kann, die auch nicht regieren will, die das Regieren geradezu verweigert. Das wird aus den vorliegenden Unterlagen, über die wir heute beraten und die wir beschließen, sehr, sehr deutlich.
Es geht darum, dass wir bereits zum vierten Mal seit Beginn der Pandemie Verlängerungen für einschneidende Regelungen im Bereich des Verfahrensrechtes, im Bereich der Rechtsmaterien, in denen es um den Schutz von Bürgerrechten geht, beschließen, ohne dass die Regierung ein einziges Mal daran gedacht hätte, diese Regelungen einer Evaluierung zu unterziehen.
Kollege Singer hat vollkommen recht, natürlich: Wir sammeln Erfahrungen, und es kann durchaus sein, dass man erkennt, dass man einzelne dieser Regelungen, die im Hinblick auf die Pandemie getroffen worden sind, ins Dauerrecht übernimmt. Das will aber sehr gut überlegt und auch sehr gut überprüft sein. Daher wäre es eben notwendig, dass man Evaluierungen durchführt, dass man unter Einbindung aller beteiligten Kreise, der einschlägigen Wissenschaft, der Praktiker, die an der Front mit diesen Regelungen arbeiten, die Erfahrungen sammelt, um so einen Mehrwehrt an Rechtsstaatlichkeit zu generieren.
Das alles passiert nicht, sondern ganz im Gegenteil: Es wird einfach dumpf wieder um sechs Monate verlängert. Das ist ein unhaltbarer Zustand, wenn man bedenkt, dass es darum geht, dass der Parteienverkehr bei Behörden eingeschränkt werden kann, dass auch einzelne Verhandlungen, die der Wahrheitsfindung dienen, im Wege von Videokonferenzen durchgeführt werden können und die Erfahrung eben zeigt, dass dabei die Wahrheitsfindung natürlich wesentlich schwieriger ist als in der direkten Verhandlung. All das sollte einer
genauen Evaluierung unterzogen werden, damit wir wirklich den Mehrwert und die positiven Erfahrungen, die ja nicht zu verleugnen sind, ins Dauerrecht überführen. (Beifall bei den NEOS.)
So, wie das jetzt passiert, ist es unakzeptabel; ganz abgesehen davon, dass es nicht annehmbar ist, dass man solche Eingriffe in die Rechte der Bevölkerung nur auf Vorrat, auf Verdacht hin macht. Auch das muss erwähnt werden. Die pandemische Situation ist eine gänzlich andere. Wenn in der Begründung oder in den Ausschussberichten davon die Rede ist, dass sich eben ein Ende der Pandemie noch immer nicht abzeichnet, so ist das einfach faktenwidrig. Wir wissen ganz genau, dass wir schon lange keinerlei Beschränkungen mehr unterliegen, dass auch seitens ernst zu nehmender Virologen erklärt wird – ich verweise da auf den Bericht über das Gespräch mit dem Virologen Weiss in der „Presse“ –, dass Corona mittlerweile eine „ganz andere Krankheit“ ist, die diese Eingriffe nicht mehr notwendig macht.
Vor diesem Hintergrund ist es einfach unakzeptabel, jetzt wieder sechs Monate zu verlängern, ohne diese Themen seriös aufzuarbeiten, so wie ich das beschrieben habe. Wir werden daher diesen Gesetzentwürfen nicht zustimmen. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)
11.05
Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Jörg Leichtfried. – Bitte.
Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Geschätzte Damen und Herren! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte vielleicht zuerst kurz auf die tatsächlichen Inhalte dieses Dossiers eingehen. Es geht nämlich darum, einige Gesetze zu ändern. Diese Gesetzesänderungen sind notwendig, weil die Covid-Pandemie es notwendig gemacht hat, Verwaltungshandlungen anders zu setzen. Jetzt müssen das Staatsbürgerschaftsgesetz, das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz und
andere Gesetze geändert werden, damit diese Sonderbestimmungen, die jetzt gelten, noch einmal verlängert werden können.
Ich glaube, es gibt da einige positive Dinge, die hier geschehen, insbesondere was Fragen des Daueraufenthaltes in der EU betrifft, was minderjährige Flüchtlinge betrifft, aber auch andere Dinge. Ich möchte nur anmerken, Frau Bundesministerin, dass diese ständigen Verlängerungen vielleicht jetzt einmal in die Phase kommen könnten, dass man dazu übergeht, das, was sich wirklich bewährt hat und notwendig ist, auf Dauer zu verlängern und das, was nicht notwendig ist und sich nicht bewährt hat, ad acta zu legen. Ich glaube, jetzt wäre es an der Zeit. Deshalb werden wir jetzt auch noch einmal zustimmen – mit der Auflage: Beim nächsten Mal sollte es dann schon anders sein. (Bundesministerin Edtstadler nickt.)
Gestatten Sie mir aber auch, geschätzte Damen und Herren, ein, zwei Worte zu diesem merkwürdigen Spektakel, das uns Herr Amesbauer hier geliefert hat. Herr Amesbauer, ein bisschen pharisäerhaft war das schon, was Sie gesagt haben. Sie haben die Situation geschildert – die ist, wie sie ist. (Zwischenrufe der Abgeordneten Rauch und Schnedlitz.) Wir sind derzeit in Österreich mit einer hohen Zahl von Flüchtlingen konfrontiert, die hauptsächlich über Ungarn kommen, die von Orbán durchgelassen werden und die so eigentlich nicht rechtens in Österreich sind. Die Frage ist nur: Was ist die Lösung dafür? – Die Lösung ist meines Erachtens eine funktionierende Europäische Union, eine funktionierende europäische Asylpolitik, funktionierende Außengrenzen, ein funktionierendes Schengensystem. Das ist die Lösung dafür.
Was haben Sie in der Zeit Ihrer Regierungsbeteiligung gemacht? – Sie haben, und deshalb sage ich pharisäerhaft, das System Kurz zwei Jahre lang europapolitisch nicht nur unterstützt, sondern wahrscheinlich vor sich hergetrieben – mit dem Ziel, das alles zu zerstören und das alles nicht zuzulassen. Und jetzt regen Sie sich auf, dass es das nicht gibt. Das ist pharisäerhaft, Herr Amesbauer! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Amesbauer: Frau Präsidentin! Das ist ein Ordnungsruf! Zum dritten Mal, das ist jetzt ein Ordnungsruf!)
Sie mit Ihrer Regierungsbeteiligung damals tragen die Verantwortung für die Zustände jetzt. Sie sind zwei Jahre lang verantwortlich für das System Kurz gewesen, davon können Sie sich nicht abputzen. Sie waren das, genau. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Michael Hammer: Eine künstliche Aufregung wieder!)
11.08
Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Susanne Fürst. – Bitte. (Abg. Amesbauer: Frau Präsidentin! Dreimal Pharisäer in einer Rede!)
Abgeordnete Dr. Susanne Fürst (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Das war jetzt eine eigenartige Rede von Klubobmann Leichtfried. Ich weise das „pharisäerhaft“ in Richtung Kollegen Amesbauer schärfstens zurück. (Ruf bei der SPÖ: Ist aber so!) Dass wir jetzt plötzlich für das System Kurz verantwortlich sind, finde ich interessant. Also ganz so waren die Machtverhältnisse in der Koalition nicht.
Sie sagen, die Asylsituation ist, wie sie ist. – Nein, sie müsste so nicht sein. Sie ist bei uns so, wie sie ist, weil nichts dagegen unternommen wird. Sie ist in Deutschland nicht so, sie ist aber auch in den anderen EU-Mitgliedstaaten nicht so. Man könnte also sehr vieles machen, anstatt immer nur darauf zu verweisen: Das ist ein Versagen auf europäischer Ebene! – Nein, es ist auch ein Versagen hier in Österreich. (Beifall bei der FPÖ.)
Und übrigens, Herr Kollege Leichtfried, ich meine, Sie gehen auf eine Demo in Kindberg, unterstützen dort scheinbar die Bevölkerung gegen die Asylproblematik – und hier in Wien sagen Sie ganz etwas anderes! Das ist jetzt auch bezeichnend für die Asyl- und Migrationslinie der SPÖ. Also wo ist da irgendwer pharisäerhaft? (Beifall bei der FPÖ.)
Wir wissen, dass der Misstrauensantrag das stärkste Mittel der parlamentarischen Kontrolle gegenüber der Regierung ist. Wir machen davon nicht
leichtfertig Gebrauch, aber angesichts der unfassbaren Schäden, die von dieser Bundesregierung tagtäglich angerichtet werden, finden wir es richtig, dass sozusagen beinahe durchgehend diese dunkle Wolke des Misstrauensantrages über ihr hängt.
Das passt auch zum Tagesordnungspunkt, obwohl sich dieser eigentlich sehr harmlos anhört: Es geht um die Verlängerung von Coronasonderregelungen – wieder um ein halbes Jahr – in verschiedenen Rechtsmaterien. Das heißt, man will immer noch nicht von diesem Unrecht abgehen – entweder sind es sinnvolle Regelungen, dann sollen sie ins Dauerrecht übergehen, oder man lässt endlich einmal von diesen provisorischen Verlängerungen ab! Wenn es dann außerdem hier heißt, hoffentlich werde das nicht mehr gebraucht: Dann hören Sie jetzt endlich einmal mit diesen provisorischen Regelungen auf!
Es muss auch endlich einmal Einsicht gezeigt werden, was die Gräben und die Schäden betrifft, die durch die Coronapolitik verursacht wurden – da ist keine Einsicht vorhanden. Auch Ihre verbalen Entgleisungen in Sachen Corona und Impfpflicht sind ja nie zurückgenommen worden. Da könnte man jetzt also schon einen Schlussstrich ziehen und diese Coronapolitik, bei der so viele Fehler gemacht wurden, beenden.
Abgesehen davon gibt es auch ein Versagen der Bundesregierung bei den anderen Themen, die uns zurzeit beschäftigen, vor allen Dingen bei Inflation und Teuerung, deren Ursachen nicht bekämpft, sondern nur Almosen und Zuschüsse ausgeteilt werden – die der Steuerzahler wiederum selbst bezahlen muss.
Ganz kurz zum Antrag, den Kollege Amesbauer vorgestellt und eingebracht hat: Es muss auch beim Asyl- und Migrationsthema endlich einmal Kostenwahrheit geben! Es muss eine ehrliche, echte Auflistung der gesamten Kosten geben, denn das sind ungeheure Dimensionen, die gegenüber dem österreichischen Steuerzahler offengelegt werden müssen.
Die Asylkrise wurde ja immer kleingeredet, bis nun die Bilder einfach nicht mehr zu leugnen sind. Wir kennen jetzt die Zahlen, und auch die ÖVP springt jetzt sozusagen auf dieses Wahlkampfthema – dafür wird es aktuell benutzt – auf und sagt, wir sind da, wir haben in Österreich die höchste Pro-Kopf-Belastung – als ob die ÖVP nicht schon die ganze Zeit in der Regierung gewesen wäre. (Zwischenruf bei der ÖVP.)
Im Budget 2023 sind für das Fremdenwesen nur 1,1 Milliarden Euro angegeben – das betrifft aber nur das BMI und das Fremdenwesen, was nur einen ganz kleinen Teil ausmacht.
Die wahren Kosten betragen ja ein Vielfaches davon, wenn wir uns etwa den gesamten Sicherheitsbereich anschauen, den Bildungsbereich – Schulen, Universitäten, AMS-Schulungen –, die Gesundheitsversorgung – Arztbesuche, Krankenhausbehandlungen –, die Gerichtsverfahren und die Justiz; dazu kommt auch der Klimabonus, der da ausgeschüttet wurde, die Sozialleistungen wie Grundversorgung, Sozialhilfe, Mindestsicherung und so weiter. Da muss es zu einer ordentlichen Auflistung kommen, und diese fordern wir mit diesem Antrag ein. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)
11.12
Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Georg Bürstmayr. – Bitte.
Abgeordneter Mag. Georg Bürstmayr (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Kollege Margreiter hat recht, Provisorien sollten nicht ewig verlängert werden – wir sollten sie evaluieren und das, was sich bewährt hat, ins Dauerrecht übernehmen und das, was sich nicht bewährt hat, streichen. Ich denke, wir sollten das in den nächsten drei bis vier Monaten endgültig erledigen.
Lassen Sie mich aber meine restliche Redezeit für ein paar Klarstellungen nutzen, weil es da etwas Verwirrung zu geben scheint: Ein Tourist verlässt seine Wohnung, sein Heim und seine Heimat in der Gewissheit, dorthin wieder zurückzukehren – ein Flüchtling kann nicht in sein Heim, in seine Heimat zurückkehren, weil er dort verfolgt, misshandelt, geschlagen, eingesperrt, gefoltert oder getötet würde. Solchen Menschen, solchen Flüchtlingen gibt Österreich Asyl, und dafür stehen wir Grüne auch weiterhin.
Wir stehen aber auch dafür, diese zwei Wörter nicht zu verknüpfen: Sie ergeben nicht nur ein Oxymoron – einen schwarzen Schimmel –, sondern die Verknüpfung dieser zwei Wörter Asyl und Tourismus ergibt einen Kampfbegriff der Rechtsextremen und der extrem Rechten und vergiftet die Debatte. (Beifall bei den Grünen.)
Worte können Schaden anrichten – diese Wortschöpfung ganz besonders, wir sollten sie nicht weiter verwenden.
Wichtiger noch als Wörter und Begriffe ist uns jedoch Folgendes, und ich sage das, weil auch dies nicht mehr in allen Fraktionen dieses Hauses selbstverständlich scheint: Ganz egal, ob das einer von uns ist oder ein Tourist oder sonst einer, du lässt ihn nicht erfrieren, und du jagst ihn auch nicht hinaus wie einen Hund, weil er ein Mensch ist! – Danke für das Zuhören. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
11.15
Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Christian Hafenecker. – Bitte.
Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ): Ich glaube, es war wichtig, dass Kollege Amesbauer vorhin diesen Antrag eingebracht hat – ich meine, wenn sich Herr Bürstmayr ans Rednerpult stellt und von der ÖVP schon als
extreme Rechte spricht, dann weiß man, dass in dieser Koalition nicht mehr recht viel funktionieren kann.
Kollege Bürstmayr hat aber zumindest in einem recht gehabt. Er hat vorhin gesagt: „Was sich nicht bewährt hat“, das gehöre gestrichen – und genau so ist es auch mit dieser Bundesregierung, sie hat sich nämlich nicht nur nicht bewährt, sondern sie hat uns noch dazu ganz, ganz massiv geschadet! Die Einsicht dürfte also zumindest bei den Grünen schön langsam einkehren, jetzt müsst ihr nur mehr gemeinsam den Stecker ziehen und das Land aus eurer Geiselhaft entlassen. (Beifall bei der FPÖ.)
Ich möchte mich in diesem Zusammenhang auch noch dem Thema der Asylkrise widmen, weil diese Asylkrise tatsächlich eine absolute Parallele zu jener von 2015 zeigt. Es gibt beziehungsweise gab zwei Schwachstellen im Innenministerium: Damals, im Jahr 2015, war es Frau Mikl-Leitner, die nichts anderes zu tun gewusst hat, als auf Bahnhöfen zu klatschen, als die ersten Flüchtlinge gekommen sind – man sollte auch in Hinblick auf die niederösterreichische Landtagswahl nicht vergessen, dass sie eine Willkommensklatscherin gewesen ist –, und jetzt gibt es einen anderen hilflosen Niederösterreicher. Der steht zwar nicht am Bahngleis, aber halt traurig schauend an der Grenze, das ist der Innenminister Karner, der auch nichts zusammenbringt.
Was sind aber die Parallelen dieser beiden Jahre? – In beiden Jahren wussten wir von unseren Diensten und über unsere Informationen bereits jeweils vor dem Sommer darüber Bescheid, dass sich große Flüchtlingstrecks in Gang gesetzt hatten und unsere Grenzen ansteuerten.
In beiden Jahren war die ÖVP nicht in der Lage, präventiv etwas dagegen zu tun, und in beiden Jahren hat die ÖVP am Ende des Tages, als die Leute dann eingetroffen sind, an der Grenze traurig geschaut und nicht mehr gewusst, was man weiter tun soll. – Frau Bundesminister Edtstadler, da Sie als Europaministerin heute hier sind, würde ich schon gern auch wissen, was Sie dazu für Wahrnehmungen haben.
Gerade im heurigen Sommer haben wir erfahren, dass es die sogenannte Karawane des Lichts gibt, das war eine Karawane von Flüchtlingen, die über die Türkei, Bulgarien und so weiter nach Europa gekommen sind. Es hat dann natürlich auch eine zweite Route über Serbien gegeben, das wissen wir – aber an der türkischen Grenze ist von den Bulgaren beobachtet worden, dass Personen mit Regierungsfahrzeugen direkt zur Grenze der Türkei gefahren sind, die Flüchtlinge dort abgesetzt und ihnen die Richtung zur EU-Außengrenze gezeigt haben.
Frau Bundesminister, da würde mich schon interessieren, was Sie in Bezug auf die Türkei für Maßnahmen gesetzt haben – ich kann es Ihnen gleich selbst sagen: gar keine, so wie immer! Sie bezahlen zwar seitens der EU weiterhin der Türkei Geld für die Unterbringung der Flüchtlinge, schauen aber gleichzeitig dabei zu, wie die Türkei diese in die EU schickt. Das ist das, was die ÖVP in diesen Fällen immer tut: Sie steht wie das Kaninchen vor der Schlange und ist am Ende des Tages fast paralysiert, und das ist doch der Beweis dafür, warum es so wichtig ist, dass wir diesen Antrag eingebracht haben.
Eine Frage habe ich noch: Wir wissen jetzt, dass vor allem über Serbien und den Kosovo sehr, sehr viele Inder und Pakistani zu uns kommen – warum werden diese Herrschaften nicht einfach wieder ins Flugzeug gesetzt und nach Hause geschickt? Wo liegt da das Problem? Sie haben ja alle miteinander hier im Parlament Ihre große Liebe zu den Vereinigten Staaten erkannt – zumindest seit Februar –, und da möchte ich Ihnen als Beispiel bringen: Versuchen Sie doch dort einmal, ohne ein Visum in die Vereinigten Staaten von Amerika einzureisen, dann schauen Sie, wie es Ihnen dort geht, und schauen Sie, wo Sie sich am Ende des Tages wiederfinden werden!
Genau diese No-Way-Politik muss natürlich auch in Österreich gelten, vor allem weil wir noch dazu ein Binnenland sind. Da sollte man, glaube ich, ganz, ganz klar sagen: Wir sind nicht das Armenhaus der Welt, wir wollen es auch nicht werden, und wir sind auch nicht die Traumfabrik für Wirtschaftsträume. Wir können das nicht stemmen, wir haben derzeit mehr als genug Probleme: mehr als genug
Probleme, die die extreme Linke uns eingebrockt hat, und mehr als genug Probleme, die uns von der ÖVP samt all ihren Korruptionsproblemen eingebrockt worden sind. Wir haben genug eigene Probleme zu lösen, wir können nicht alles andere auch noch mit bewerkstelligen. (Beifall bei der FPÖ.)
Aus diesem Grund gibt es diesen neuerlichen Misstrauensantrag: Bitte unterstützen auch Sie vonseiten der Grünen und der ÖVP diesen, bereiten wir Ihrem gemeinsamen Leiden ein Ende!
Eine persönliche Bitte noch an Sie, Frau Bundesminister Edtstadler: Falls das heute nicht klappen sollte, machen Sie endlich das, was Sie mit Ihrer Unterschrift versprochen haben! Nach dem Rücktritt von Sebastian Kurz gab es ein wunderbares Dokument, das auch Sie unterzeichnet haben. Sie haben gesagt, ohne Sebastian Kurz gehe es nicht weiter, und Sie haben damals gesagt, Sie würden zurücktreten – ich warte noch immer auf den Rücktritt, aber vielleicht können Sie ja mit gutem Beispiel vorangehen. (Beifall bei der FPÖ.)
11.20
Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Andreas Minnich. – Bitte.
Abgeordneter Andreas Minnich (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Sehr geehrte Zuseher zu Hause vor den Fernsehbildschirmen und hier auf der Galerie! Die Pandemie hat jeden von uns vor eine Unmenge an Herausforderungen gestellt, im Privaten wie auch im Beruflichen. Die Pandemie hat auch unsere Behörden vor Hürden und vor folgende Fragen gestellt: Erstens: Wie sollen Verwaltungsverfahren im Social Distancing ablaufen? Zweitens: Wie wird mit dem Thema Parteienverkehr umgegangen? Drittens: Wie können Gremien, vom Gemeinderat bis zum Ministerrat, handlungsfähig bleiben?
Wir haben zu dieser Menge an Herausforderungen auch eine Menge an Lösungen gefunden. So ist für uns plötzlich im privaten wie auch im behördlichen Bereich der Einsatz von Videokonferenzen etwas völlig Alltägliches geworden. Wir haben gesehen, dass manche Lösungen uns nicht nur durch die Pandemie geholfen, sondern auch einiges in unserem Leben vereinfacht oder effizienter gemacht haben.
Ich bin jedenfalls der Überzeugung, dass wir uns ganz genau anschauen müssen, welche Dinge wir als Lösungen beibehalten sollten. Einige davon, beispielsweise die digitale Amtshandlung, bieten auch außerhalb der Krise einen großen Vorteil und verdienen es, ins Dauerrecht übernommen zu werden.
Zu den Ausführungen meiner Vorredner Amesbauer und Hafenecker möchte ich nur anmerken, dass die Bundesregierung speziell in den letzten Wochen und Monaten sehr aktiv daran gearbeitet hat, dass die Visaliberalisierung Serbiens für bestimmte Länder wie Indien, Tunesien und Burundi neu verhandelt und neu gestaltet wird. Damit ist ein ganz großer Schritt gelungen, um die illegale Immigration zu reduzieren und zu verhindern. (Beifall bei der ÖVP.)
In diesem Sinne bitte ich um Zustimmung zu diesem Antrag. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)
11.23
Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Reinhold Einwallner. – Bitte.
Abgeordneter Ing. Reinhold Einwallner (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geschätzte Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen! Frau Bundesministerin! Im Bereich des Fremdenrechts werden mit diesen Gesetzesvorlagen neuerlich bestehende Sonderbestimmungen verlängert. Ich bin schon bei Kollegen Bürstmayr und auch bei Kollegen Scherak, wenn man sagt, dass wir jetzt wirklich einmal evaluieren müssen, welche dieser Sonderbestimmungen sich so bewährt haben,
dass wir sie ins Dauerrecht übernehmen können, und welche wir nicht mehr brauchen.
Ich glaube, dass es doch das eine oder andere gibt, das wir jetzt in der Pandemie und in der Auseinandersetzung damit gelernt haben, nämlich wie wir Verfahren beschleunigen oder zumindest Arbeitslast von den Beamtinnen und Beamten nehmen können. Diese haben dadurch wieder Zeit für die tatsächliche Bearbeitung der Fälle, sodass es raschere, bessere und rechtssicherere Asylverfahren gibt.
Ich glaube, wenn man da Verbesserungen vornehmen kann, dann sollte man das tun, und daher unterstützen wir heute noch einmal diese Verlängerung bis 30. Juni 2023. Wir wünschen uns aber, und das sehr nachdrücklich, dass schon untersucht wird, was man dann zukünftig tatsächlich ins Dauerrecht übernehmen kann.
Meine Damen und Herren, weil hier heute natürlich auch das Thema Asyl, vor allem von der FPÖ, ins Spiel gebracht wird, möchte ich gerade am heutigen Tag ein Thema nicht ganz ausklammern: Mehrere Medien haben heute über eine Vorgangsweise des damaligen Innenministers und jetzigen Bundeskanzlers Nehammer berichtet. Die Medien berichten mit nachhaltigen Belegen, dass letztes Jahr der damalige Innenminister Nehammer offenbar gemeinsam mit dem deutschen CSU-Innenminister Seehofer aus rein parteipolitischen Gründen – also nicht aus rechtsstaatlichen Gründen, aus rein parteipolitischem Kalkül – einen geheimen Abschiebeflug in ein Kriegsgebiet, nach Afghanistan, durchführen wollte. (Abg. Holzleitner: Widerlich! – Abg. Schnedlitz: So widerlich ist der gar nicht! – Zwischenruf der Abg. Holzleitner.)
Meine Damen und Herren, da sieht man den Zugang der ÖVP, und es zeigt sich eines ganz, ganz klar: Der ÖVP geht es bei diesem Thema nicht um das Thema Sicherheit in Österreich, der ÖVP geht es bei diesem Thema auch nicht um die Einhaltung der Menschenrechte, das muss man leider sagen, sondern der ÖVP geht es bei diesem Thema schlicht und einfach um parteipolitisches Kalkül, und das sehen wir jetzt wieder einmal bewiesen durch das, was heute in den Medien
aufgedeckt wurde. Es ist ein parteipolitisches Kalkül der ÖVP: Keine Lösungsorientierung, das will diese Partei nicht, sondern sie will das Problem am Köcheln halten, um politisches Kleingeld zu schlagen, und das ist einer ehemals staatstragenden Partei eigentlich unwürdig. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)
Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Diese Debatte ist damit geschlossen.
Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.
Ich frage die Fraktionen, ob wir gleich zu den Abstimmungen kommen können. – Da mir Zustimmung signalisiert wird, brauchen wir also keine Unterbrechung.
Wir gelangen somit gleich zu den Abstimmungen, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.
Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 1: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, das BFA-Verfahrensgesetz und das Asylgesetz 2005 geändert werden, samt Titel und Eingang in 1868 der Beilagen.
Ich bitte jene Damen und Herren, die dem zustimmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.
Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.
Ich bitte jene Damen und Herren, die dem zustimmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Der Gesetzentwurf ist auch in dritter Lesung mit Mehrheit angenommen.
Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Transparenzbericht über Ausgaben für die ‚neue Völkerwanderung‘ – Kostenwahrheit für die Steuerzahler!“
Wer ist für diesen Entschließungsantrag? – Das ist die Minderheit, abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Versagen des Vertrauens gegenüber der Bundesregierung“ sowie der Staatssekretärinnen und dem Staatssekretär gemäß Art. 74 Abs. 1 des Bundes-Verfassungsgesetzes.
Da zu einem solchen Beschluss des Nationalrates gemäß Absatz 2 der zitierten Verfassungsbestimmung die Anwesenheit der Hälfte der Abgeordneten erforderlich ist, stelle ich diese ausdrücklich fest.
Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Misstrauensantrag sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.
Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 2: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, das Verwaltungsrechtliche COVID-19-Begleitgesetz und das COVID-19 Begleitgesetz Vergabe geändert werden, samt Titel und Eingang in 1869 der Beilagen.
Da auch dieser Gesetzentwurf eine Änderung des Bundes-Verfassungsgesetzes und eines Bundesverfassungsgesetzes sowie eine Verfassungsbestimmung enthält, stelle ich zunächst im Sinne des § 82 Abs. 2 Z 1 der Geschäftsordnung die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der verfassungsmäßig vorgesehenen Anzahl der Abgeordneten fest.
Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.
Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.
Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.
Wer auch in dritter Lesung seine Zustimmung gibt, den ersuche ich um ein Zeichen. – Der Gesetzentwurf ist auch in dritter Lesung mit Zweidrittelmehrheit angenommen.
Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über den Antrag 3010/A der Abgeordneten Peter Haubner, Dr. Elisabeth Götze, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Kontrolle von ausländischen Direktinvestitionen (Investitionskontrollgesetz – InvKG) geändert wird (1894 d.B.)
4. Punkt
Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über den Antrag 3011/A der Abgeordneten Peter Haubner, Dr. Elisabeth Götze, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bilanzbuchhaltungsgesetz 2014 und das Wirtschaftstreuhandberufsgesetz 2017 geändert werden (1895 d.B.)
Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir nun zu den nächsten Tagesordnungspunkten. Es sind dies die Punkte 3 und 4, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.
Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.
Ich begrüße Frau Staatssekretärin Kraus-Winkler und erteile Herrn Abgeordneten Gerald Loacker als Erstredner das Wort. – Bitte.
Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Das Investitionskontrollgesetz wird novelliert, und zwar geht es darum, dass Investitionen aus dem Ausland in die Bereiche Arzneimittel, Impfstoffe und Medizinprodukte einem strengeren Kontrollverfahren unterworfen werden, es
wird also ausländischen Unternehmen schwerer gemacht, in Österreich zu investieren.
Die Regierung hält es für gefährlich, wenn ausländische Unternehmen in ein österreichisches Unternehmen investieren, daher muss man die österreichischen Unternehmen vor Investitionen schützen. – Das machen die! Wie absurd, wie schlecht, wie protektionistisch, wie unlogisch kann Wirtschaftspolitik sein? – Da müssen Sie einmal diese Regierungsparteien fragen! (Beifall bei den NEOS.)
Man kann österreichische Produktionsstandorte nicht schützen, indem man Investitionen abhält. Die brauchen Geld, die brauchen Investitionen in unseren Standort! Das wollen die (in Richtung Regierungsbank weisend) verhindern. Tatsächlich ist es dem EU-Rechnungshof schon aufgefallen, dass die österreichische Investitionskontrolle besonders scharf ist, besonders viele Meldungen und besonders viele Verfahren auslöst, nämlich in absoluten Zahlen ungefähr gleich viele wie Deutschland oder Spanien – völlig überzogen.
Die österreichische Regierung bemüht sich also, Investitionen aus dem Land draußen zu halten. Was das für einen Beitrag zur Wirtschaftspolitik liefern soll, das können Sie – weiß ich nicht – der KPdSU erklären oder so jemandem, aber mit Wirtschaftspolitik hat das nichts zu tun. Im Gegenteil! Das Problem ist ja nicht dann da, wenn jemand in Österreich investiert, das Problem ist ja dann da, wenn jemand nicht in Österreich investiert! Speziell junge Unternehmen brauchen Geld. Wenn sie die ersten drei Jahre gut überstanden haben und in eine Wachstumsphase kommen, dann brauchen sie Investitionen, dann brauchen sie vielleicht einen Geldgeber, der keine Bank ist, weil die Bank auch nicht die Möglichkeiten hat, alles zu finanzieren, was gut und sinnvoll ist. Und dann kommt diese Regierung und sagt: Nein, Ausländer, das müssen wir zuerst einmal in einem komplizierten Verfahren kontrollieren! – und dann investiert dieser Ausländer halt irgendwo anders.
Dann wird das Argument vorgetragen: Ja, aber wir müssen uns vor chinesischen und vor russischen Investitionen schützen! – Die Verfahren, um die es hier geht,
betrifft zu 86 Prozent Unternehmen aus OECD-Ländern. Als es wirklich einmal gefährlich wurde, als eine russische Bank eine Kärntner Raika kaufen wollte, um dort ein bisschen professioneller Geldwäsche durchzuführen, hat die österreichische Investitionskontrolle dieses Wirtschaftsministeriums den Deal durchgewunken, und erst die Finanzmarktaufsicht hat den Deal gestoppt.
Dieses Gesetz ist also grottenschlecht, die Administration ist grottenschlecht, und Sie verlängern jetzt eine schlechte Maßnahme noch einmal um ein halbes Jahr. (Beifall bei den NEOS.)
11.34
Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Peter Haubner. – Bitte.
Abgeordneter Peter Haubner (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Staatssekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren auf der Galerie! Ich möchte ganz kurz zum Wirtschaftstreuhandberufsgesetz und zum Bilanzbuchhaltungsgesetz sprechen; aus dem einfachen Grund, weil es da um die Unterstützung unserer Unternehmer geht. Das ist uns ein ganz großes Anliegen, denn wir unterstützen unsere Unternehmer und die Bevölkerung in dieser besonders schweren Zeit. Gerade beim Thema Energiekostenzuschüsse brauchen wir die Unterstützung der Wirtschaftstreuhänder und der Bilanzbuchhalter.
Wir sind bei den Energiekostenzuschüssen in vielen Punkten Vorreiter, auch wenn Sie es nicht gerne hören, aber bei uns fließen heuer noch die Mittel aus dem Energiekostenzuschuss eins, und das deutsche Modell ist immer noch in Ausarbeitung. (Abg. Matznetter: Nein! Vom Bundestag beschlossen!) Wenn ich höre, dass das deutsche Modell immer so gepriesen wird, dann kann ich nur sagen: Es wird sich weisen, ob dieses Modell so gut ist, bis jetzt kennen wir es nur aus der Theorie. Das österreichische Modell ist in der Praxis.
Meine Damen und Herren, deshalb muss es oberste Priorität sein – da sind wir uns ja alle einig –, dass eine Wettbewerbsgleichheit zwischen den deutschen und den österreichischen Firmen besteht, und deshalb schauen wir, dass wir unser Energiekostenzuschussmodell eins jetzt im Energiekostenzuschussmodell zwei weiterführen und natürlich auch noch einiges adaptieren, dass wir den EU-Krisenrahmen so weit wie möglich ausschöpfen und so für die Unternehmer eine wirklich adäquate Unterstützung finden. (Beifall bei der ÖVP.)
Dafür ist es notwendig, dass wir das Bundesgesetz, mit dem das Bilanzbuchhaltungsgesetz und das Wirtschaftstreuhandberufsgesetz geändert werden, heute beschließen, und zwar geht es darum, dass Bilanzbuchhalter, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer berechtigt sind, die Unternehmer in der Angelegenheit der Förderung, dieses Energiekostenzuschusses, zu unterstützen und zu beraten und Bestätigungen und Feststellungen ausstellen können. Diese Maßnahme beschließen wir heute hier. Ich denke, es ist ganz, ganz wichtig, dass unsere Unternehmer die notwendige Unterstützung bekommen, um die Energiekostenzuschüsse dann auch zu erhalten. – Danke vielmals. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)
11.36
Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Christoph Matznetter. – Bitte.
Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Normalerweise hält man ja innerhalb der Opposition keine Widerrede, aber ich möchte ein paar Bemerkungen zu Kollegen Loacker machen (Abg. Loacker: Ich hab dich mit ... getriggert, oder?): Es ist mittlerweile circa ein bisschen mehr als zehn Jahre her, ich hatte damals die Ehre, gemeinsam mit dem tollen, leider schon verstorbenen, Sozialminister Rudi Hundstorfer als Spiegelressort und dem damaligen Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner, kurioserweise
bei einem Staatsbesuch des damaligen Bundespräsidenten in Baku, auszuhandeln, dass wir eine Investitionskontrolle brauchen. Das war das Außenhandelsgesetz 2011.
Warum? – Damals ging es um die nachhaltige Energieversorgung Österreichs, und wenn dafür entscheidende Unternehmen übernommen werden, mit der Konsequenz, dass die Energieversorgung nicht mehr gesichert ist, haben wir ein Problem im Land. Es war ein vernünftiges und gutes Gesetz.
Zwischensatz an die ÖVP: Ich weiß aber auch nicht, warum man den fähigen Minister und späteren Vizekanzler Reinhold Mitterlehner durch Kurz und seine Partie wegputschen hat lassen, aber lassen wir dieses Thema. (Heiterkeit des Abg. Gödl. – Zwischenruf des Abg. Ofenauer.)
Zurückkommend zum Gesetz: Lieber Kollege Loacker, wenn es sich um eine Investition handelt, die nur dazu dient, das Kapital zu stärken und den Ausbau der österreichischen Betriebe herzustellen, dann gibt es ja kein Problem mit der Genehmigung, aber gerade in diesem Bereich gibt es ganz andere Methoden: Man kauft sich ein Unternehmen, nimmt sich das Know-how und produziert irgendwo anders auf der Welt. Das ist ja durchaus marktwirtschaftlich. Blöderweise: Bei pharmazeutischen Produkten, bei Medizinprodukten besteht ein Risiko, dass dann das passiert, was viele Österreicherinnen und Österreicher schon heute in der Apotheke merken: Es gibt ihr Medikament nicht. Daher ist es in so einem Fall vernünftig, dass man zuerst prüft: Ist es nur eine Investition, oder ist es ein Aufkauf? (Zwischenruf der Abg. Doppelbauer.) Daher brauchen wir das Gesetz und wir werden zustimmen.
Was den zweiten Teil betrifft, komme ich auf den nächsten Redner, auf Peter Haubner, zurück: Ja, wir werden das unterstützen, und leider brauchen wir das, weil ihr als Regierungsfraktionen nicht in der Lage seid, vernünftige Maßnahmen zu setzen. Einen Energiekostenzuschuss für die Steigerung der Energiekosten bis September zu machen, wo diese Dinge jetzt erst schlagend werden, das muss man einmal zusammenbringen!
Dass man dann noch einen Steuerberater und einen Bilanzbuchhalter braucht, muss man auch einmal zusammenbringen! (Abg. Kühberger: Schau einmal nach Deutschland! Was macht der Scholz?) Dann stellen Sie sich hierher und behaupten, die Deutschen hätten keine Regelung gemacht – der Bundestag hat es beschlossen, der Bundesrat beschließt es morgen. (Abg. Haubner: Gibt noch nichts!)
Die senken für die Industrie einfach die Gaspreise auf 7 Cent. So schaut es aus! Dafür brauchen wir keinen Steuerberater, sondern da senken wir die Preise. Ihr werdet es machen müssen. Ihr könnt jetzt nicht ein Jahr warten – schauen wir einmal, was in Deutschland sein wird (Abg. Haubner: Warten wir eh nicht!) –: Unsere Betriebe stehen im Wettbewerb.
Daher hat auch Herr Felbermayr nicht recht, dass er sagt: Na ja, bis die abwandern können. – Es geht nicht ums Abwandern. Die deutsche Industrie produziert hervorragende Produkte, so wie die österreichische. Die stehen im Wettbewerb, im Mitbewerb, und zwar nicht nur in Deutschland, sondern auf globalen Märkten.
Die Wirtschaftskammer hat zu Recht im letzten Wirtschaftsparlament beschlossen: Die Regierung muss eine Lösung vorlegen, die die gleiche Wirkung hat wie die deutsche. – Ihr seid sie bis heute schuldig, morgen ist der letzte Tag. Ab Jänner haben wir ein Wettbewerbsverhältnis, bei dem unsere Betriebe Sackhüpfen dürfen und die anderen laufen uns davon. (Zwischenruf des Abg. Lukas Hammer.) Schämt euch dafür, dass ihr so etwas macht! Ihr seid nicht in der Lage, richtige Maßnahmen zu setzen. Packt es doch zusammen! Machen wir Neuwahlen! Dann gibt es endlich einmal eine gescheite Wirtschaftspolitik im Land. – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Kühberger: Das ist der Hauptgrund! – Zwischenruf der Abg. Steinacker.)
11.41
Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Erwin Angerer. – Bitte. (Abg. Krainer: Innerlich applaudiert sogar der Kollege Haubner! – Abg. Kassegger: Aber nur im Wirtschaftsparlament!)
11.41
Abgeordneter Erwin Angerer (FPÖ): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Frau Staatssekretärin! Geschätzte Damen und Herren! Was das Investitionskontrollgesetz betrifft, sehen wir das ähnlich wie die SPÖ: dass man in einer kritischen Phase, vor allem jetzt, Investitionen – ich sage jetzt nicht einmal Investitionen in Unternehmungen, so wie es Kollege Loacker dargestellt hat, sondern wirklich einen Aufkauf von außen – und eine Verlagerung von wesentlichen Produktionsstandorten ins Ausland beobachten muss und notfalls auch eingreifen muss. Deshalb werden wir diesem Gesetzentwurf auch zustimmen.
Wir haben mittlerweile schon 12 500 Unternehmen, die in ausländischer Hand sind, das betrifft 33 Prozent der Beschäftigten in Österreich. Zwischen 2019 und 2021 ist dieser Anteil auch um knapp 7 Prozent gestiegen. Man sieht also, dass es da eine Notwendigkeit gibt.
Wir hätten ja diese Befristung, die auch hier aufgehoben wird, und diese Absenkung auf 10 Prozent schon damals beim ersten Beschluss kritisiert. Da hat die ÖVP aber zwei Jahre gebraucht, um zu sehen, dass es sinnvoll gewesen wäre, es gleich so zu machen, und will das jetzt nachholen. (Zwischenruf des Abg. Hörl.)
Der zweite Gesetzentwurf, der das Bilanzbuchhaltungsgesetz und das Wirtschaftstreuhandberufsgesetz betrifft, dass Steuerberater und Wirtschaftsprüfer die Unternehmen beim Energiekostenzuschuss jetzt auch beraten dürfen, macht Sinn. Dass man die Regeln so kompliziert macht, dass man die braucht, macht weniger Sinn. Das ist der eine Punkt, dem werden wir aber auch zustimmen.
Das Zweite, was auch wieder ein Thema ist, ist das Thema des Genderns: dass sich die Kammer der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer in Zukunft auch in der weiblichen oder in einer alle Geschlechteridentitäten umfassenden Form benennen kann. Da kann ich nur fragen: Hätten wir keine wichtigeren Probleme? (Abg. Kühberger: Ihr heizt es an!)
Den Höhepunkt liefert aktuell die Kärntner Landesregierung mit ÖVP-Beteiligung, von der SPÖ absolut geführt, die gestern per Leitlinie eine geschlechtergerechte Sprache im Amt beschlossen hat. (Ruf bei der SPÖ: Super ist das! – Weiterer Zwischenruf bei der SPÖ.)
Ihr könnt euch also von den Bauern verabschieden. Bauern gibt es in Zukunft nicht mehr, das sind landwirtschaftlich Beschäftigte. (Abg. Kühberger: Nach den Freiheitlichen gäbe es sie eh nicht mehr, die Bauern!) Der Bäcker ist eine Fachkraft für die Bäckerei. Der Autor ist eine literaturschaffende Person. Der Gast ist eine Besuchsperson. Das heißt, alle Besuchspersonen, die nächstes Jahr nach Kärnten kommen, sind im Urlaubsland Kärnten herzlich willkommen. Das sind dann unsere Besuchspersonen, nicht nur unsere Gäste. Und der Inhaber ist eine besitzende Person.
Das Binnen-I ist Geschichte in Kärnten, das gibt es nicht mehr, ist also verboten. (Abg. Schwarz: Du fühlst dich wirklich bedroht, ha?) Das ist die Amtssprache, die jetzt in Kärnten gesetzt und eingeführt ist. Mit dem müssen sich unsere Beamten in Kärnten jetzt beschäftigen – furchtbar, also furchtbar, was da passiert! (Beifall bei der FPÖ.)
Unsere Menschen wissen nicht mehr, wie sie sich das Leben leisten können. Wir könnten heute allen Familien helfen, vor allem Alleinerziehenden, wenn es um Frauen geht, die jetzt in derselben Situation sind oder dasselbe Problem haben – es geht ja nicht mehr um die Frauen, es geht um geschlechterneutral –: dass man vielleicht einen Gratiskindergarten einführt – einen echten Gratiskindergarten für Alleinerziehende, für Familien –, dass man vielleicht im Pflegebereich die Leute unterstützt, die zu Hause ihre Angehörigen pflegen, dass man endlich die Frauen gleich entlohnt wie Männer. Das sind Dinge, da wären wir dabei, aber bei so einem Schwachsinn kann man ja nicht mitmachen.
Frau Landesrätin Schaar hat in den letzten fünf Jahren in Kärnten ein paar Wald- und Wiesenfotos gemacht. (Zwischenruf des Abg. Matznetter.) Im Bereich der
erneuerbaren Energien liegen Dutzende Projekte von Kleinkraftwerken, Wasserkraftwerken in den Schubladen, die von den Behörden nicht behandelt werden, und wir belasten die Behörden noch mit so einem Genderschwachsinn. Das ist beschämend, was da in Kärnten passiert. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)
11.45
Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Elisabeth Götze. – Bitte.
Abgeordnete Dr. Elisabeth Götze (Grüne): Frau Vorsitzende! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen und liebe Zuseherinnen und Zuseher! Auch ich spreche über die Investitionskontrolle.
Um nur kurz zu erläutern, worum es geht: Viele von uns erinnern sich sicher noch an die Diskussion um die Übernahme oder den Einstieg eines chinesischen Investors in den Hamburger Hafen. Warum ist das relevant? – Es geht um die Sicherung kritischer Infrastruktur. Genau das ist das Thema der Investitionskontrolle, über die wir heute hier diskutieren.
Wir haben seit zweieinhalb Jahren das Investitionskontrollgesetz und im Rahmen dessen regulieren wir. Wenn ausländische – also nicht europäische – Investoren bestimmende Anteile an heimischen Unternehmen in kritischen Bereichen kaufen, dann muss der Staat da zumindest einmal hinschauen und schauen: Ist das in Ordnung oder sind unsere Sicherheit, unsere Daseinsvorsorge, unsere kritische Infrastruktur in irgendeiner Weise gefährdet?
In Deutschland hat die Bundesregierung letztendlich zugestimmt. Der chinesische Investor Cosco darf 24,9 Prozent erwerben.
Warum diskutieren wir das heute? – Weil wir einen Bereich haben, der zum Jahresende ausläuft, und zwar geht es da um die Forschung und Entwicklung in den Bereichen Arzneimittel, Impfstoffe, Medizinprodukte und persönliche
Schutzausrüstung. Das ist einer der Bereiche, wo wir eine 10-Prozent-Schwelle eingezogen haben, also eine sehr niedrige Schwelle, kann man sagen, weil wir sagen: In diesen Bereichen müssen wir besonders genau hinschauen. Das ist eine besonders kritische sensible Infrastruktur, ebenso übrigens Verteidigungsgüter, die kritische Energieinfrastruktur, die digitale Infrastruktur – zum Beispiel 5G – und Wasser.
Es wundert mich nicht, dass Kollege Loacker nicht zustimmen wird. Übrigens möchte ich gleich eine Berichtigung anbringen: Er hat von einer Verlängerung von einem halben Jahr gesprochen. Wir verlängern diese Ziffer 6, von der ich gesprochen habe, um ein Jahr. (Abg. Loacker: Das macht es nicht besser! – Abg. Kühberger: Das ist schon richtig! – Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Loacker.) Also ein bisschen genauer zu recherchieren würde manchmal nicht schaden. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)
Die anderen Fraktionen stimmen aber zu. Darüber freue ich mich, weil wir gerade bei Corona gelernt haben, wie wichtig es ist, dass wir im Land und in Europa Arzneimittel zur Verfügung haben.
Da wir derzeit mit Lieferschwierigkeiten in verschiedenen Bereichen kämpfen, ist es wichtig, dass wir da genau hinschauen: Was passiert im Falle einer Übernahme durch einen ausländischen Investor? – Investitionen sind weiterhin möglich. Das ist klar geregelt. Es gibt klare Rahmenbedingungen und auch Fristen, innerhalb derer das Ministerium zu entscheiden hat. Damit ist das absolut rechtssicher für Investorinnen und Investoren.
Insofern bitte ich um Ihre Zustimmung, dass wir diese eine Ziffer auch verlängern. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)
11.48
Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Eva-Maria Himmelbauer. – Bitte.
11.49
Abgeordnete Eva-Maria Himmelbauer, BSc (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf da gleich direkt anschließen. Wir haben zwei Initiativanträge, die beide durchaus einen Krisenbezug haben.
Zum ersten, zum Investitionskontrollgesetz, kann ich hier auch die Worte meiner Kollegin Götze nur bekräftigen. Es geht darum, bei kritischer Infrastruktur – bei Unternehmen, die einen Bezug zur öffentlichen Sicherheit, zur öffentlichen Ordnung haben, die ein Tätigkeitsfeld haben, wenn es um Krisen, um Daseinsvorsorge geht – ein Auge darauf zu haben, wie sich die Investitionslage – vor allem die ausländische Investitionslage – bei diesen ergibt.
Das heißt nicht, dass wir da irgendwie davon abhalten, auch zu investieren und ein Unternehmen weiterzuentwickeln, ganz im Gegenteil, aber es geht darum, auch ein Auge darauf zu haben, dass es, wenn es zu Investitionen kommt, zu keinen Nachteilen für die österreichische Bevölkerung kommt.
Konkret geht es uns heute um Bereiche, in denen Arzneimittel, Impfstoffe, medizinische Produkte oder Schutzausrüstung hergestellt werden. Da gibt es eine Schwelle von 10 Prozent; ab einer Investition von 10 Prozent muss dies an die zuständige Behörde gemeldet werden, damit ein sachgerechtes Prüfverfahren stattfinden kann und gegebenenfalls auch entweder Auflagen erstellt werden oder die Investition abgelehnt werden kann.
Wir verlängern diese Maßnahme bis Ende 2023, hinzu kommt allerdings – und das wird auch in den Erläuterungen erwähnt –, dass wir spätestens Mitte 2023 eine Evaluierung durchführen werden, um die Sinnhaftigkeit dieser 10-Prozent-Schwelle und auch der Maßnahme zu hinterfragen und gegebenenfalls weitere Schritte zu setzen.
Der zweite Punkt betrifft die Ausstellung von Bestätigungen und Feststellungen im Zusammenhang mit dem Energiekostenzuschuss. Mein Kollege Peter
Haubner hat hier auch schon einige Worte dazu gefunden. Was mich aber dazu bewegt, noch kurz auszuführen, ist, dass es uns allen natürlich darum geht, dass auch die österreichische Wirtschaft und unsere Unternehmerinnen und Unternehmer gut durch diese zusätzliche Krise, die multiplen Krisen kommen. Ich bin sehr dankbar dafür, dass auch Bundeskanzler Nehammer angekündigt hat, weitere Maßnahmen zu setzen, um die Unternehmerinnen und Unternehmer zu unterstützen.
Wir stehen nicht an, auch die europäische Lage zu beobachten; und wir haben auch immer gesagt, wir beobachten genau, was die Deutschen da an Maßnahmen setzen. Man muss aber auch dazusagen, dass in Deutschland die Situation eine andere ist als in Österreich. Wieso gibt es bei uns keine Gaspreisbremse? – Weil in Österreich nur noch 25 Prozent bei Wärme tatsächlich auf Gas angewiesen sind, und 75 Prozent ganz andere Energieformen nutzen. Das ist in Deutschland bei 50 Prozent natürlich eine andere Ausgangslage. (Abg. Krainer: Aber das ist keine logische Begründung! Das ist so was von gar nicht nachvollziehbar!)
Wir wissen aber auch, dass in anderen Bereichen die Preise genauso gestiegen sind. Wir werden dafür Sorge tragen, dass unsere österreichische Wirtschaft nicht zu Nachteilen kommen wird (Abg. Cornelia Ecker: Na, da bin ich gespannt!), und wir werden noch vor Weihnachten ein Modell vorlegen, um eben auch Planbarkeit und eine Zielsetzung für unsere Unternehmen zu haben (Abg. Krainer: Ob die Leute heizen können, ist Ihnen egal, aber die Industrie ...?!), damit sie wissen, wie sie in das Jahr 2023 starten können. (Beifall bei der ÖVP.)
11.52
Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Petra Oberrauner. – Bitte.
11.52
Abgeordnete Mag. Dr. Petra Oberrauner (SPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Frau Staatssekretärin! Geschätzte Zuschauer auf der Galerie! Geschätzte Zuschauer zu Hause! Ich möchte sagen, dass wir dem Investitionskontrollgesetz zustimmen werden, auch wenn wir noch unnötige Sicherheitslücken festgestellt haben. Es ist wichtig, dass man bei kritischer Infrastruktur, aber auch bei möglicher politischer Einflussnahme eine Stopptaste drücken kann – und deshalb ist diese 10-Prozent-Schwelle unserer Meinung ganz wichtig.
Wir wollen das auch ein bisschen flächendeckender ausrollen, damit wir einfach wissen: Was passiert in Österreich? Wie schaut der Wettbewerb zu unseren Firmen aus? Geht es um Abwanderung oder geht es wirklich auch um ein trojanisches Pferd? – Es kommt auch vor, dass man einfach den Konkurrenten aushebelt, indem man sich beteiligt und dann die Firma mit verschiedensten Anträgen und mit Möglichkeiten, die es innerhalb der Firma gibt, so lange quält, dass er nicht mehr zum Wirtschaften kommt. Die Vorlage ist in Ordnung, dem werden wir zustimmen und das ist sicher auch ein gutes Gesetz. (Beifall bei der SPÖ.)
Das Zweite, was ich wichtig finde, ist die wirtschaftliche Situation und die Wettbewerbsfähigkeit in Österreich. Ich möchte auf Kollegen Haubner zu sprechen kommen, was den Energiekostenzuschuss betrifft: Natürlich ist es auch gut, wenn Steuerberater und Wirtschaftstreuhänder Zertifikate ausstellen können und die Beratung übernehmen, aber es gibt eine schmerzliche Erfahrung aus der Coronazeit: Da haben Firmen, die Förderungen in Anspruch nehmen wollten, zuerst einen Steuerberater fragen müssen, damit sie überhaupt gewusst haben, wie sie diesen Antrag ausfüllen, und am Ende des Tages haben sie zwei Drittel dieser Zuwendungen, die sie bekommen hätten sollen, dem Steuerberater gezahlt und sie selbst sind übrig geblieben. (Abg. Hörl: Ah geh, das war ein teurer Steuerberater!)
Wir haben Beispiele dazu, und ich kann Ihnen nur sagen: Es ist nicht witzig. Ich finde es gut, dass diese seriöse Zunft, wenn ich so sagen darf, diese Möglichkeit bekommt, das steht ihr zu. Ich finde es aber auch wichtig, dass Ihre Fördermaßnahmen so gestaltet sind, dass die Leute, die die Förderungen brauchen – und brauchen ist das Thema –, keinen Steuerberater brauchen, damit sie die überhaupt kriegen können, sondern dass das alltagstauglich wird, und das ist es nicht. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)
Zum Gaspreisdeckel möchte ich Ihnen sagen, dass Sie, obwohl die Sozialpartner, die Wirtschaftsexperten, die Landeshauptleute alle sagen, Sie sollen den Gaspreisdeckel in Österreich einführen, der Meinung sind: Das ist nicht notwendig und wir warten auf die EU. – Wir haben keine Zeit, zu warten. Die Betriebe haben keine Zeit, die Menschen haben keine Zeit und Sie haben auch keine Zeit. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Hörl.)
Die Maßnahmen, auf die wir Wert legen, sind die Gaspreisbremse, Aussetzung der CO2-Steuer, Einfrieren der Mieten bis 2024 bei Richtwert- und Kategoriemieten, eine temporäre Spritpreisobergrenze und das Aussetzen der Mehrwertsteuer bei Grundnahrungsmitteln und Sprit bis Februar 2023. Das sind die einzigen Lösungen, die die Bevölkerung, aber auch die Betriebe, wirklich überleben lassen.
Ich möchte auch noch zu meiner Vorrednerin sagen: Wenn es um Gas geht, geht es nicht nur um Wärme, sondern auch um wichtige industrielle Maßnahmen und Abfolgen, die im Prozess notwendig sind. Ich weise darauf hin, dass zum Beispiel die ganze Lebensmittelindustrie, die mit Milch zu tun hat und pasteurisieren muss, auf Gas angewiesen ist. Spätestens, wenn es keine Nahrungsmittel mehr gibt, werden Sie merken, dass das nicht funktioniert. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)
11.56
Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Franz Hörl. – Bitte.
11.56
Abgeordneter Franz Hörl (ÖVP): Werte Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Das Investitionskontrollgesetz, das wir nun noch einmal um ein Jahr verlängern, ist, glaube ich, schon eine ganz wichtige Sache. Das hat die Möglichkeit, aus dem Ausland Beteiligungen zu machen, deutlich verschärft; und auch indirekte Investitionen aus Ländern außerhalb der EU, des EWR und der Schweiz müssen ab einer bestimmten Größenordnung der Beteiligungen quasi genehmigungspflichtig sein.
Es ist nicht richtig, was Herr Loacker gesagt hat: dass es um Investitionen geht; es geht jedoch um Investitionen in Beteiligungen und in die Übernahme von Firmen und Übernahme von Beteiligungen. Herr Matznetter hat ausnahmsweise auch einmal recht, wenn er sagt, dass es natürlich durch die Beteiligung an Firmen auch möglich ist, dass man eine Firma hier kauft – am Standort, der zu teuer geworden ist – und dann die Produktion ins Ausland verlagert. Viele, viele Standorte auf der Welt, die billiger sind, sind ja leider Gottes außerhalb der Europäischen Union, dafür ist ja dieses Parlament auch einigermaßen verantwortlich. Gerade bei wichtigen Investitionen, wichtigen Firmen und in diesen Sparten, denke ich, ist es ganz, ganz wichtig.
Wir erleben das ja auch in einem anderen Bereich, beispielsweise in meinem Heimatbundesland Tirol, etwa bei der Firma Sandoz, bei der der Staat mit Fördermitteln den Ausbau, die Absicherung und die Konkurrenzfähigkeit der Penicillinerzeugung fördert. Das ist ein anderes Feld und hat damit nichts zu tun, aber da zeigt man ja auch deutlich (Abg. Loacker: Glaubst du, du kommst mit dem Gesetz ...? In welcher Welt lebst du?), dass es ganz, ganz wichtig ist, gerade solche Dinge hier in Europa zu halten und unter Kontrolle zu haben.
Frau Kollegin Götze hat das auch sehr gut beschrieben: Es geht einfach darum, dass man hinschaut. Es ist schon klar – und das sage ich als Wirtschaftsbündler –, dass das natürlich auch ein Eingriff in Eigentum und in die Beteiligungen von
Firmen ist und natürlich auch nicht unbedingt dem europäischen (Zwischenruf des Abg. Loacker) – Herr Loacker! – und globalen oder meinem eigenen Gedankengut entspricht. (Zwischenruf der Abg. Götze.) Eines ist aber schon klar: Es hat sich doch auch gezeigt, dass gerade diese Krise dazu geführt hat, dass man da genauer hinschaut. Wenn man dann feststellt, dass es 14 Verfahren gegeben hat, bei fünf ein vertieftes Verfahren durchgeführt wurde und nur bei drei eine Gefährdung erkannt wurde, dann denke ich, dass die Behörde da sehr, sehr vorsichtig vorgeht.
Vielleicht noch ein Wort dazu, weil ich unterhalb eines Kraftwerkes, dem Durlaßboden-Stausee, wohne: Ich hätte schon ganz gerne gewusst, wer diesen Stausee betreibt. Der Verbund hat 51 Prozent. (Abg. Loacker: ... ins Ausland, oder was? Glaubst, er versetzt den Stausee ins Ausland?) Sie haben schon recht, der Verbund hat 51 Prozent. Ich hoffe, die Republik kommt nicht auf die dumme Idee, diese 51 Prozent noch einmal herzugeben, aber trotzdem wäre es für mich am Standort eines Kraftwerkes auch wichtig, zu wissen, wenn beispielsweise Anteile eines Landesenergieversorgers verkauft werden, dass der Staat dorthin schaut. Ich weiß schon, es sind 25 Prozent, mir wäre es aber beim Verbund und bei so strategischen Dingen lieber, wenn wir da auf 10 Prozent gehen würden und das auch ein bissel genauer beobachten, weil es ohnehin falsch war.
Gerade bei Unternehmungen wie Energieversorgern, der Abwasserversorgung und der Wasserversorgung bin ich der Meinung, das ist Aufgabe der öffentlichen Hand, und diese zu privatisieren, das ist auch in meinen Augen überschießend, weil ich aus einem Kraftwerkstandort komme. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)
11.59
Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Cornelia Ecker. – Bitte. (Abg. Matznetter: Da hat er ausnahmsweise recht, der Franz Hörl!)
11.59
Abgeordnete Cornelia Ecker (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseher:innen! Für unsere heimischen Unternehmungen stellt die Teuerung eine große Belastung dar, für manche energieintensive Betriebe ist sie sogar existenzbedrohend, und oftmals können die Kosten nicht an die Endkunden weitergegeben werden. Wer möchte schon eine Semmel um 5 Euro kaufen?
Wir als SPÖ stehen seit Anfang der Krise da und bringen im Ausschuss und im Nationalrat sinnvolle Vorschläge ein. Es braucht in diesem Bereich keine Einmalzahlungen, die dann sofort im Tagesgeschäft verschwinden, sondern zielgerichtete Förderungen, die auch nachhaltig sind. (Beifall bei der SPÖ.)
Auch wenn gestern der Bundeskanzler keine guten Worte über unsere deutschen Nachbarn verloren hat: Sie haben es richtig gemacht. Sie waren mutig, sie waren entschlossen und bringen den Betrieben echte Zuversicht. Daher fordere ich von dieser Stelle aus noch einmal eine Gas- und Strompreisbremse nach deutschem Vorbild. (Beifall bei der SPÖ.)
Meine Kollegin hat es bereits gesagt: Uns rennt die Zeit davon. – Wir haben schon die Verpflichtung, dass unsere Betriebe auch künftig konkurrenzfähig bleiben, geschätzte Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP. (Abg. Kühberger: ... Spritpreisdeckel, schaut nach Ungarn!)
Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Bundeskanzler hat sich gestern gerühmt, wie schnell Österreich im Bereich des Energiekostenzuschusses war. – Ja, das stimmt, da war Österreich auch Vorreiter, das stimmt, nur: Es ist nicht immer das Beste, wenn man der Erste ist. Wollen wir nicht alle die Besten sein? Das sollte eigentlich unser Anspruch sein. Jede Politikerin und jeder Politiker hier im Haus sollte den Anspruch haben, das Beste für unser Land zu wollen.
Fakt ist, die Unternehmerinnen und Unternehmer müssen jetzt versuchen, das Beste aus den unzureichenden Fördermodellen zu machen. Daher unterstützen
wir auch den Antrag der Regierungsparteien, dass Bilanzbuchhalter:innen, Steuerberater:innen und Wirtschaftsprüfer:innen die Möglichkeit erhalten sollen, die Unternehmen in Förderangelegenheiten nach dem Unternehmens-Energiekostenzuschussgesetz und den dazu erlassenen Förderrichtlinien zu beraten, zu vertreten sowie Bestätigungen und Feststellungen auszustellen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)
12.02
Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.
Ist seitens der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.
Wie vereinbart verlege ich die Abstimmungen an den Schluss der Verhandlungen über die Vorlagen des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie und fahre in der Tagesordnung fort.
Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über den Antrag 2979/A der Abgeordneten Tanja Graf, Ing. Martin Litschauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das E-Control-Gesetz geändert wird (1896 d.B.)
6. Punkt
Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über den Antrag 2999/A der Abgeordneten Tanja Graf, Ing. Martin Litschauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz geändert wird (1897 d.B.)
7. Punkt
Bericht und Antrag des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Bundesgesetz, mit dem die
Organisation auf dem Gebiet der Elektrizitätswirtschaft neu geregelt wird (Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz 2010 – ElWOG 2010), geändert wird (1898 d.B.)
Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen nun zu den Punkten 5 bis 7 der Tagesordnung, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.
Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.
Ich begrüße Herrn Bundesminister Johannes Rauch im Hohen Haus und erteile Herrn Abgeordneten Schroll das Wort. – Bitte.
Abgeordneter Alois Schroll (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Minister! Frau Staatssekretärin! Geschätztes Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Wichtige energiepolitische Themen werden heute einmal mehr hier im Hohen Haus diskutiert und beschlossen. Wer fehlt? – Österreichs zuständige Energieministerin Leonore Gewessler; wir haben das ja auch eingangs schon heiß diskutiert. (Zwischenruf des Abg. Loacker.) Mittlerweile haben wir uns daran gewöhnt: Wenn man schon nicht mit der Themenarbeit glänzt, dann glänzt man wenigstens mit Abwesenheit. Dazu möchte ich aber kein Wort mehr verlieren. (Beifall bei der SPÖ.)
Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, bereits eine vierte Novelle des EAG steht im Raum. Heute soll das EAG wieder geändert werden, dabei sind noch nicht einmal alle Verordnungen des Gesetzes, das wir am 7. Juli des vorigen Jahres hier im Hohen Haus beschlossen haben, in Kraft. Bei dem Tempo, das vonseiten des Bundesministeriums eingeschlagen wird, wird einem schon angst und bang, vor allem wenn unsere Energieministerin immer davon spricht, dass gerade jetzt die Energiewende so wichtig wäre. Das Energieeffizienzgesetz fehlt seit 702 Tagen, das Klimagesetz fehlt seit 702 Tagen und, und, und – ich könnte die Liste noch lange fortführen.
Einige Änderungen im EAG waren den Kolleg:innen von der Regierung wichtig: Viele administrative Änderungen, natürlich auch wieder einige für die Wirtschaft und für die Landwirtschaft, sollen dazu dienlich sein – so gut, so schlecht. Auf jeden Fall haben in der Zwischenzeit die Lobbyisten ihre Fühler ausgestreckt und entsprechend auf die Regierungsparteien eingewirkt.
Für mich, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, bieten weitere Novellen immer die Chance, Gesetze insofern abzuändern, dass sie sozial noch treffsicherer und den aktuellen Gegebenheiten angepasst werden. Die SPÖ und ich als Verhandlungsleiter haben aufgrund der hohen Teuerung bei der Beschlussfassung des EAG im Jahr 2021 darauf bestanden, die Ökostrompauschale für heuer, für 2022, auszusetzen, und die Regierung ist damals unserer Forderung nachgekommen. Die Stromkundinnen und Stromkunden konnten sich somit heuer weit über 350 Millionen Euro sparen.
Die Inflation wird auch im kommenden Jahr auf einem Rekordhoch sein. Die Österreicherinnen und Österreicher werden massive Probleme haben und werden wirklich damit zu kämpfen haben, sich das Leben leisten zu können. Deshalb musste die Pauschale für das kommende Jahr abermals ausgesetzt werden. Es war auch mein Ziel, das in diese heutige EAG-Novelle hineinzubringen, und es ist, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, erfreulich, dass wir dieses Ziel bei diesem Tagesordnungspunkt erreicht haben und die Ökostrompauschale für 2023 ausgesetzt wird.
Ein anderes Gesetz, das heute geändert werden soll, ist das E-Control-Gesetz. Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, das bringt es wirklich auf den Punkt, wenn man sich das genau durchliest und anschaut. Ich möchte kurz meine Ausführungen dazu bringen. Diese Infos betreffen sowohl die Marktdaten aus dem wettbewerblichen und regulierten Strom- und Gasmarkt als auch unternehmensinterne Daten der Geschäftsgebarung der E-Control. Das heißt, die E-Control ist jetzt verpflichtet, dem BMK, dem Ministerium von Leonore Gewessler, Auskunft zu erteilen.
Überdies soll – weil es ja angenehm ist, wenn man jetzt auch die Informationen gleich an das BMF weiterleitet –, so steht es im Antrag drinnen, zugleich ein weiterer Aufsichtsrat bestellt und fixiert werden. Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, als Begründung für diesen Schritt wird behauptet, dass dies aufgrund der hohen Ausgaben des BMF im Energiebereich nötig sei, man deshalb mehr Daten benötige – ein Schelm, wer Böses denkt. Aber das ist natürlich völliger Humbug, denn die wahren Absichten liegen einmal mehr klar auf dem Tisch: Es geht um ein politisch motiviertes Revanchefoul der ÖVP an Bundesministerin Gewessler.
Als wäre all das nicht schon absurd genug, bergen die vorgeschlagenen Änderungen auch noch die äußerst reale Gefahr, dass die Behörde nicht länger als unabhängig gesehen werden könnte und somit sämtliche Entscheidungen anfechtbar wären. Außerdem weise ich auf die EU-rechtlichen Bedenken hin.
Mit uns, mit der sozialdemokratischen Fraktion wird es diese Änderung des E-Control-Gesetzes also heute definitiv nicht geben, wir werden uns für die Zweidrittelmehrheit nicht hergeben. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)
12.08
Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Tanja Graf. – Bitte.
Abgeordnete Tanja Graf (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzter Minister! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Liebe Zuschauer! Meine geschätzten Damen und Herren, bevor ich jetzt in die Details dieser Tagesordnungspunkte eingehe, erlauben Sie mir, als Energiesprecherin der ÖVP eine Zwischenbilanz über das Jahr 2022 zu ziehen.
In unserem Land haben wirklich viele Menschen und viele Unternehmer in die Energiewende investiert und haben damit einen sehr wesentlichen Beitrag zur
Unabhängigkeit von fossilen Energieträgern und zu mehr Nachhaltigkeit geleistet. Dafür möchte ich mich heute auch einmal bedanken: dass Sie diesen Beitrag geleistet haben! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)
Das heurige Jahr war und ist noch immer, speziell im Energiebereich, eine echte Herausforderung. Aus diesem Grund hat auch die Bundesregierung alles unternommen, um Haushalte und Betriebe zu unterstützen und die erhöhten Kosten, so gut es ging, abzufedern. Es ist uns natürlich auch klar, dass wir nicht alles abfedern können, wir können keine 100-Prozent-Garantie beziehungsweise keine Vollkaskoversicherung abgeben.
Wir haben allerdings wichtige Entlastungspakete geschnürt, wie etwa den 500-Euro-Klimabonus oder das Unternehmens-Energiekostenzuschussgesetz. Es gibt den Energiescheck mit 150 Euro oder, jetzt erst, die Stromkostenbremse. (Abg. Kassegger: Das Königsprodukt Stromkostenbremse!)
Wir haben im Jahr 2022 auch die Erneuerbaren-Förderpauschale ausgesetzt, da hat sich jeder Haushalt bis zu 100 Euro erspart. Dazu haben aber auch die Österreicher und Österreicherinnen zwei wesentliche Beiträge geleistet. Erstens haben viele Österreicher, wie ich eingangs schon erwähnt habe, in diesem Jahr in die Energiewende investiert. Alleine heuer wurden 66 000 Fotovoltaikanlagen, das entspricht einer Energieleistung von knapp 1,4 Gigawatt Peak, über die EAG-Förderstelle genehmigt. Damit könnte man an einem Sommertag mit geringem Verbrauch ein Drittel des österreichischen Bedarfs abdecken – das ist schon eine große Menge.
Zweitens haben sie im Jahr 2022 auch Energie eingespart. Der Stromverbrauch war zum Beispiel im Oktober – mit einem Minus von 7,7 Prozent – rückläufig, ebenso der Gasverbrauch – mit minus 26 Prozent. Wir liegen deutlich unter dem Fünfjahresdurchschnitt. Da mein Kollege Schroll das eine oder andere in seinen Reden immer wieder wiederholt und da er nach weiteren Gesetzen und nach mehr Bürokratie ruft, möchte ich ihm etwas sagen: Lieber Kollege Schroll, dieser
Mix aus selbstverantwortlichem Handeln und unseren Unterstützungsmaßnahmen zeigt seine Wirkung. Wir sind auf einem guten Weg. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)
Wir haben Vertrauen in unsere Bevölkerung, Kollege Schroll. Wir unterstützen den Willen und die Bereitschaft unserer Bevölkerung, unserer Betriebe und unserer Energieversorger, um die Energiewende zu schaffen. Dabei unterstützen wir sie auch weiterhin. Wir brauchen derzeit keine zusätzlichen Gesetze, denn die Zahlen sprechen eigentlich für sich, daher auch mein Dank und meine Anerkennung für jede und jeden von Wien bis Vorarlberg, die ihren Beitrag leisten, um die Energiewende zu schaffen.
Wir werden auch weitere Entlastungsschritte setzen, Sie haben es heute schon gesagt, Herr Kollege Schroll. Wir werden die Erneuerbaren-Förderpauschale, die im EAG festgelegt ist, für das Jahr 2023 wieder aussetzen. Wir sprechen da von bis zu 100 Euro pro Haushalt und bei den Betrieben von einer Entlastung bis zu mehreren Tausend Euro.
Beim Fotovoltaikausbau wird es natürlich auch eine Erleichterung geben. Bis dato musste man bei einem Fördercall warten, bis der Fördercall zu Ende ist, um Info zu bekommen, ob man die Förderung bekommt oder nicht. Dem werden wir entgegentreten, man kann sozusagen gleich die Info bekommen, die Förderstelle wird die Information gleich weitergeben. Das ist ein weiterer Schritt zu mehr Effizienz und auch weniger Aufwand.
Weiters werden wir heute auch einen Antrag einbringen, in dem es um Netzgebühren geht. Wir haben in den letzten Wochen sehr intensiv darüber gesprochen, dass die Netzgebühren eine Herausforderung sein werden. Wir werden dafür für die ersten sechs Monate des kommenden Jahres 260 Millionen Euro in die Hand nehmen. Das bedeutet eine Entlastung hinsichtlich der erhöhten Netzgebühren von mehr als 60 Prozent für den Haushalt und für die Betriebe, um den Standort und die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)
Meine Damen und Herren, nutzen wir – da richte ich die Bitte schon auch an die Opposition – gemeinsam die Chance der Energiewende für mehr Unabhängigkeit und für eine nachhaltige Zukunft! – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)
12.13
Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Axel Kassegger. – Bitte.
Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (FPÖ): Ja, es geht heute um drei vermeintlich kleine Änderungen in Gesetzen aus dem Energiebereich: das Energie-Control-Gesetz, das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz und das ElWOG. Ich möchte aber kurz etwas Grundsätzliches sagen, Kollege Schroll hat das auch schon gesagt.
Herr Gesundheitsminister, ich schätzte Ihre Kompetenz im Gesundheitsbereich, es ist aber etwas verwunderlich, dass die zuständige Energieministerin Leonore Gewessler zum wiederholten Male bei doch wesentlichen Punkten nicht anwesend, sondern irgendwo in Kanada, glaube ich, auf einer sicher ganz, ganz wichtigen Biodiversitykonferenz ist. Sie ist aber eben nicht hier im österreichischen Parlament, als zuständige Fachministerin. Ich finde es schade, was die Prioritätensetzung der Frau Bundesminister betrifft. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Schroll.)
Ich komme zum ersten geplanten Gesetz. Ich sage bewusst geplant, weil ich schon gehört habe, dass die Regierung jetzt offensichtlich doch draufgekommen ist, dass das Gesetz, nämlich das E-Control-Gesetz, keine gute Idee ist. Es soll offenbar ein Antrag gestellt werden, es wieder zurück an den Ausschuss zu verweisen. Kollege Schroll hat es auch schon gesagt, ich möchte mich dem anschließen: Wir werden diesem Gesetzentwurf auf keinen Fall zustimmen, denn – wir haben von der E-Control auch entsprechendes Feedback bekom-
men – er ist aus mehreren Gründen bedenklich, verfassungsrechtlich bedenklich, EU-rechtlich bedenklich, und wenn ich sage bedenklich, dann ist er wahrscheinlich so gar nicht zulässig.
Da geht es immerhin um die Unabhängigkeit dieser Behörde, der E-Control, und es geht darum, dass der Herr Finanzminister halt jetzt zusätzlich zu der an sich zuständigen Ministerin Gewessler – das ist ja in Ordnung – auch noch in die Bücher reinschauen will, sich Berichtspflichten herausnehmen plus Aufsichtsräte nominieren will et cetera. Also da werden wir auf jeden Fall dagegenstimmen, sollte dieser Gesetzentwurf zur Abstimmung kommen.
Die zweite Gesetzesänderung, die wir heute auf der Tagesordnung haben, ist eine Änderung das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz betreffend. Dieser werden wir zustimmen. Der wesentliche Inhalt neben Fristverlängerungen und Verwaltungsvereinfachungen ist eben die Verlängerung der Befreiung von der Ökostrompauschale um ein weiteres Jahr. Wir wissen ja, dass sich das, was der Kunde – sei es jetzt der Haushalt oder das Unternehmen – sozusagen auf der Stromrechnung hat, im Wesentlichen zu je einem Drittel aus dem Energiepreis – dem reinen Preis für den Strom, der ja in den letzten Monaten explodiert ist –, den Netzkosten – zu denen komme ich dann noch – und den Steuern und Abgaben – also im Wesentlichen der Mehrwertsteuer, wo wir schon seit Monaten fordern, bitte schön wenigstens die Mehrwertsteuer auf Energie auszusetzen, was nicht passiert ist – zusammensetzt. Es sind auch noch die Ökostrompauschale und ähnliche Gebühren und Abgaben dabei. Das ist eine kleine Entlastung, im Vergleich zu einer richtigen Entlastung, die etwa stattfinden würde, wenn man keine Mehrwertsteuer auf Energie erhebt; eine kleine Entlastung, aber immerhin eine Entlastung.
Dann komme ich zum letzten Gesetz, das ist das ElWOG. Sowohl beim Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz als auch beim ElWOG bedarf es – Gott sei Dank, sage ich – einer Zweidrittelmehrheit. Das heißt, die Regierung muss entweder mit der SPÖ oder mit der Freiheitlichen Partei, mit uns, verhandeln. Das sage ich jetzt nicht, weil ich beleidigt bin oder sonst etwas (Abg.
Haubner: Na ja, wer weiß?), sondern das nehme ich einfach so zur Kenntnis, das sind demokratische Gegebenheiten. Mit einer 16-Prozent-Partei muss man nicht unbedingt reden. Ich hoffe, dass sich das nach der nächsten Wahl deutlich ändern wird (Beifall bei der FPÖ – Abg. Höfinger: Na, so viel verliert ihr nicht!), und zwar, Herr Kollege, nach oben hin (erheitert) deutlich ändern wird.
So ist halt mit der SPÖ verhandelt worden, was das ElWOG und das Netzverlustentgelt betrifft, wobei ich ganz ehrlich sagen muss, das ganze Procedere an sich enttäuscht mich doch etwas. Erstens ist das eine sogenannte – so nennen wir das im Fachjargon – Trägerrakete, das heißt, da ist ein mehr oder weniger leeres Blatt Papier eingebracht worden, damit dieses Gesetz überhaupt auf die Tagesordnung kommt. Dann wird bis zum letzten Augenblick verhandelt. Das meine ich jetzt nicht nur sprichwörtlich, sondern es wurde tatsächlich bis vor 5 Minuten verhandelt, hauptsächlich mit der SPÖ.
Dann kommen drei, vier dicke Paragrafen daher und wir sollen innerhalb von 3 Minuten entscheiden, ob wir dafür sind oder ob wir nicht dafür sind. Das hat keine Qualität. Alleine aus diesem Grund könnte man schon sagen: Da bin ich einmal grundsätzlich dagegen!
Ich bin aber auch inhaltlich dagegen, denn was passiert hier? – Netzverlustentgelt: Netze machen Verluste. Wenn der Strom über eine Leitung geht, dann gibt es x Prozent Verluste durch Wärme. Diese Verluste müssen kompensiert werden, das sind ungefähr 6, 7 Prozent der Energie. Diese müssen jetzt von den Anbietern zugekauft werden.
Die große Frage ist, zu welchem Preis sie zugekauft werden – natürlich zu exorbitanten, verrückten Preisen auf Grundlage der Meritorder, als Folge dieser kompletten Verwerfungen. Das kostet, da gibt es Schätzungen der Arbeiterkammer, 1 Milliarde Euro mehr – in der Begründung steht 800 Millionen Euro –, also zusätzliches Geld, riesige Kosten, weil Sie nicht in der Lage sind, das Grundproblem zu lösen. Die Arbeiterkammer – und diese ist keine freiheitliche Organisation – sagt sogar, es wäre viel einfacher zu lösen, wenn dieser Strom
nicht zu Marktpreisen, sondern zu den Preisen zur Verfügung gestellt wird, den die Erzeuger an Gestehungskosten haben – und die sind deutlich niedriger.
Ich bin ein bisschen enttäuscht von der SPÖ, auch von dir, Alois (in Richtung Abg. Schroll). Ihr haltet euch nicht an die eigenen Empfehlungen, die Empfehlungen der Arbeiterkammer, die sehr, sehr vernünftig sind. Wir haben jetzt diesen 800-Millionen-Brocken und schieben schon wieder Geld im Kreis.
Die Frage ist jetzt: Zahlen diese 800 Millionen Euro die Endkunden über die Netzgebühren – das ist eben eine der Komponenten des Strompreises – oder hilft der Staat und zahlt 250 Millionen Euro oder wie viel auch immer – es ist in Wahrheit egal, wie viel, 200, 300, 400 – in Form von Zuschüssen? Wer ist der Staat? – Das sind ja wieder wir selber! Sie lösen das Problem also nicht, sondern drehen das Geld im Kreis! – Alois, du bist jetzt ganz happy, dass da statt 200 Millionen Euro jetzt 250 Millionen Euro drinstehen, aber du hast das Problem nicht erkannt. Das Problem ist nämlich: Die 800 Millionen Euro bleiben ja trotzdem.
Aus diesem Grund werden wir auch inhaltlich gegen dieses Gesetz stimmen. Es kommt zu einer Kostenexplosion bei den Strompreisen, bei den Netzgebühren, und es wird auch nichts getan, was die Gebühren und Abgaben betrifft – außer diese Kleinigkeit, dass man die Ökostrompauschale, die ja wieder ein Zusatzkostenposten ist, jetzt einmal für ein Jahr aussetzt. Das ist keine Energiepolitik im Sinne der Haushalte, im Sinne der Wirtschaft und im Sinne der Industrie; die Maßnahme ist fehlgeleitet, weil sie nicht in der Lage ist, die tatsächlichen Probleme zu lösen.
Alois, das Geld dreimal im Kreis zu schicken, vielleicht noch mit erheblichen Streuverlusten, ist keine Lösung! (Beifall bei der FPÖ.)
12.21
Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Lukas Hammer. – Bitte.
12.21
Abgeordneter Lukas Hammer (Grüne): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, das war ein herausforderndes Jahr in der Energiepolitik, aber auch für alle Haushalte und Unternehmen, die Energie bezogen haben.
Ich fange einmal mit dem Positiven an: Das Jahr war ein Jahr der Fotovoltaik. Wir haben heuer in Österreich das erste Mal die Gigawattschallmauer beim Fotovoltaikzubau durchbrochen. Es wurden heuer Anlagen mit mehr als 1 000 Megawatt Leistung zusätzlich gebaut und wir haben durch das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz Förderbedingungen bereitgestellt, durch die wir in der Lage sind – und das wird wahrscheinlich auch so passieren –, heuer Fotovoltaikanlagen mit einer Leistung von insgesamt 2 300 Megawatt zu fördern. Nur zum Vergleich: Das AKW Temelín hat eine Leistung von 2 000 Megawatt. Das heißt, die Leistung der Fotovoltaikanlagen, die wir Ende dieses Jahres gefördert haben werden, ist größer als die Leistung des AKW Temelín, und das ist schon einmal eine sehr, sehr gute Nachricht. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Ich möchte Folgendes dazusagen: Man darf die Leistung natürlich nicht mit der erzeugten Energie verwechseln, aber das ist eh klar.
Die gute Nachricht für die Energiewende ist, dass wir auf Kurs in Richtung unseres Energieziels sind, und das lautet: 100 Prozent Erneuerbare im Strom bis zum Jahr 2030. (Abg. Kassegger: Das ihr nie erreichen werdet!) Früher wurde von der Energiewende nur geredet, wir setzen sie jetzt gerade um. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Es war aber natürlich, wie ich anfangs erwähnt habe, ein sehr herausforderndes Jahr mit sehr, sehr hohen Preisen. Das heißt, wir haben dieses Jahr versucht, so weit wie möglich zu entlasten – Haushalte zu entlasten, Unternehmen zu entlasten –, und wir werden das auch nächstes Jahr fortsetzen.
Ein Beschluss – das war schon im Wirtschaftsausschuss –, den wir heute fassen werden, sofern wir die Zustimmung bekommen, ist das Aussetzen der Erneuerbaren-Förderpauschale. Für einen mittleren Betrieb, zum Beispiel für eine Bäckerei, bedeutet das 17 000 Euro weniger nächstes Jahr. Für einen Haushalt sind es immerhin noch 36 Euro, die nicht zu zahlen sind. Die Ministerin hat auch den Förderbeitrag erlassen, das sind dann noch einmal insgesamt ungefähr 0,5 Milliarden Euro. Das ist eine wichtige Entlastungsmaßnahme in Zeiten von hohen Strompreisen, und die werden wir heute beschließen. (Beifall bei den Grünen, bei Abgeordneten der ÖVP sowie des Abg. Schroll.)
Was wir auch haben, ist eine Änderung des ElWOG. In weiterer Folge wird dazu auch noch ein Abänderungsantrag eingebracht. Ich möchte mich auch entschuldigen, vor allem bei den NEOS und bei der FPÖ: Wir haben einfach bis zum Schluss gearbeitet, so wie das ganze Jahr. Es war ein sehr arbeitsreiches Jahr und manchmal arbeitet man eben bis zum Schluss.
Worum geht es bei diesem ElWOG-Antrag? – Nur kurz: Das eine geht im Prinzip auf ein Thema zurück, das vonseiten der SPÖ aufgebracht wurde. In diesem Jahr ist es passiert, dass sich Energieversorgungsunternehmen aus dem Markt zurückgezogen haben, ohne dass sie pleitegegangen sind. Was dann teilweise passiert, ist, dass Hunderte, wenn nicht Tausende Kundinnen und Kunden plötzlich ohne Stromvertrag dastehen, wenn sie sich nicht um einen neuen bemühen. Wir machen jetzt eine Regelung für Kund:innen, die von Abschaltung bedroht sind, dass sie, bevor ein vertragsloser Zustand droht, automatisch einen neuen Lieferanten bekommen. Das ist ein wichtiger Schritt, damit Haushalte eben nicht ohne Versorger dastehen. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Kühberger.)
Die zweite Sache, an der wir bis zum Schluss gearbeitet haben, auch aufgrund der hohen Preissteigerungen – es wurde vorhin angesprochen –, ist die Netzverlustenergie. Es wird einfach dazu führen – und dagegen können wir normalerweise eigentlich nichts tun –, dass die Netzkosten für alle Unternehmen und Haushalte steigen werden. Was machen wir? – Wir nehmen im ersten Halbjahr
des nächsten Jahres 260 Millionen Euro in die Hand, um diese zusätzlichen Kosten für Unternehmen und Haushalte abzufedern. Es werden circa 60 Prozent der entstehenden Mehrkosten abgefedert, und das ist eine sehr gute Nachricht.
Ich bedanke mich auch sehr für die konstruktiv, aber hart geführten Verhandlungen, beim Koalitionspartner, aber vor allem auch bei dir, Alois Schroll von der SPÖ – vielen Dank, dass dieser Beschluss jetzt möglich ist. Es ist eine notwendige Entlastung für alle Unternehmen und Haushalte und ich bitte um breite Zustimmung. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)
12.26
Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Karin Doppelbauer. – Bitte.
Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Ich möchte auch mit dem geplanten Gesetz zur E-Control beginnen, das ja gerade von der Bundesregierung zurückgezogen wurde. Die Modernisierung der E-Control wäre ganz, ganz wichtig. Es ist eine ganz wichtige Kontrollbehörde in diesem Land, sie überwacht den Strommarkt, und ja, sie müsste tatsächlich modernisiert werden.
Viele wissen das vielleicht nicht: Was sind so deren Aufgaben? – Da geht es um die Neutralität von Netzbetreibern, um die Verhinderung von Preisabsprachen oder Monopolen, um Fairness beim Marktzugang – also um wirklich ganz, ganz wichtige Themen, die behandelt werden.
Es gibt in ganz vielen Bereichen wirklich Luft nach oben. Ich kann Ihnen zwei Beispiele nennen: Da gab es zum Beispiel die Energie Ried, wo große Missstände entdeckt worden sind, die jahrelang von der E-Control nicht bemerkt worden sind, wo tatsächlich in ganz, ganz großem Stil viel Steuergeld versickert ist. Da kann es sogar noch zu strafrechtlichen Maßnahmen kommen.
Oder ein anderes Beispiel, wo die E-Control wichtig ist: Zum Höhepunkt der Gaskrise – Sie erinnern sich alle – hat es geheißen: Wie viel Gas haben wir denn jetzt in den österreichischen Speichern und wem gehört das Gas eigentlich? Und die E-Control durfte das nicht sagen! Sie hat zwar die Informationen, aber sie durfte nicht mitteilen, wem das Gas in den österreichischen Speichern gehört. Ganz im Ernst: Wenn wir NEOS nicht so darauf gedrängt hätten, wenn wir nicht die ganze Zeit drangeblieben wären, dass das aufgeklärt wird, dann wüssten die Bürgerinnen und Bürger heute nicht, dass nur die Hälfte des Gases, das in Österreich eingespeichert ist, auch den Österreichern gehört. (Beifall bei den NEOS.)
In diesem Zusammenhang die nächste Geschichte: Gestern war ja der Bundeskanzler da und hat gesagt, wir seien inzwischen nur mehr zu 20 Prozent von russischem Gas abhängig. – Lassen Sie mich Ihnen versichern: Das ist knallfalsch und es entbehrt jeder wissenschaftlichen Grundlage.
Da sind wir schon beim Grundproblem bei diesen ganzen Themen: Es herrscht unglaublich viel Sagensagen, unglaublich viel Intransparenz, und deswegen wäre es ja so wichtig, dass die E-Control sozusagen gestärkt und auch unabhängiger gemacht wird.
Meine Damen und Herren, all das wäre aber mit dem geplanten Gesetz gar nicht passiert. Das war ja gar nicht die Idee, dass man das ändert. Die Idee, was geändert werden hätte sollen, ist, dass der Herr Finanzminister gesagt hat: Ich hätte dort aber auch gern jemanden im Aufsichtsrat! – Einen Job wollte er haben, einen Posten wollte er besetzen, auf den man wieder irgendjemanden setzt, einen parteinahen Günstling wahrscheinlich. Man sagt: Okay, setzen wir uns unsere eigenen Leute wieder in den Aufsichtsrat der E-Control, damit wir da auch ein bisschen mehr sagen können! – Das ist in Zeiten wie diesen natürlich absurd! (Beifall bei den NEOS.)
Noch einmal: Vorstände und Aufsichtsräte sollen mit Profis besetzt werden, und diese sollen unabhängige, weisungsfreie Experten sein. Das wäre unser Ansinnen in so einem Zusammenhang.
Gestritten wird viel, das ist der eine Grund, warum dieses Gesetz heute nicht durchkommt: weil sich die Bundesregierung nicht einigen kann. Gestritten wird auch bei ganz vielen anderen Themen. Ich schätze Kollegin Graf sehr, aber wenn sie sagt, wir sind auf einem guten Weg und wir brauchen keine zusätzlichen Gesetze, dann bin ich wirklich ganz anderer Meinung.
Ich erkläre es Ihnen anhand von ein paar Beispielen: Das EAG wurde vorhin schon genannt, es gibt ja heute auch eine Novelle zum Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz. Im Ausschuss kam es da nur zu Diskussionen, mehr oder minder zu redaktionellen Änderungen, weil man sich vorher halt nicht einigen konnte, was da eigentlich drinnen stehen soll. Es gab keine Einigung, es wurde gestritten – Kollege Hammer hat es gerade gesagt – bis zur letzten Sekunde. (Abg. Lukas Hammer: Gearbeitet!) – Ich sage gestritten, denn Sie werden sich ja tatsächlich in dieser Bundesregierung über gar nichts mehr einig, wenn es um die so, so wichtige Energiepolitik geht – die Energiepolitik, die im Augenblick die wichtigste Frage für den Standort Österreich ist, die wichtigste Frage, um die Deindustrialisierung zu stoppen. Und Sie schaffen es überhaupt nicht, ins Tun zu kommen.
Lassen Sie mich ein paar Beispiele bringen! UVP-Novelle: Da gab es schon eine Begutachtung, dann haben Sie sie wieder zurückgezogen, weil Sie gestritten haben – geht sich nicht aus. Energieeffizienzgesetz: Das brauchen die Unternehmen, die wissen nicht, wie sie investieren sollen, sie brauchen Jahre dafür. Die Wirtschaftspartei ÖVP und die Umweltpartei Grünen schaffen es nicht, das aufs Tableau zu bringen. Das ist wirklich dramatisch und es ist unglaublich enttäuschend! (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Schroll.)
Fehlender Netzausbau, all diese Dinge: Ich könnte noch eine halbe Stunde trefflich darüber referieren – leider, muss ich sagen. Die Regierung agiert so
verschlafen, dass es wirklich naheliegt, zu sagen: Sie haben den Ernst der Lage einfach nicht verstanden. Sie haben wirklich nicht verstanden, wo es im Augenblick hingeht. Jetzt müssen Ihnen sogar schon 160 Unternehmen einen Brief schreiben. Die haben Ihnen einen Brief geschrieben, die flehen Sie tatsächlich an, endlich etwas auf gesetzlichem Wege zu tun, damit sie endlich investieren können, damit sie die Energiewende vorantreiben können – und wieder gibt es nichts, was heute dazu vorgelegt wird. (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Schroll.)
Ich kann Ihnen nur sagen: Lesen Sie sich diesen Brief durch! Ich kann hundertprozentig unterschreiben, was die Wirtschaft darin fordert. Diese fordert Sie nämlich auf, endlich ins Tun zu kommen. Tun Sie etwas für die Wirtschaft, liebe ÖVP! Tun Sie etwas für die Umwelt, liebe Grünen! Dann wäre diesem Land wirklich geholfen. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Schroll.)
12.31
Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich Herr Bundesminister Johannes Rauch zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Minister.
Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Abgeordnete! In Vertretung von Frau Bundesministerin Gewessler – und ich weiß, Sie beklagen ihre Abwesenheit; immerhin ist es so, dass ich als Sozialminister auch von diesen Themen betroffen bin – ein paar Ausführungen zu jedenfalls den Tagesordnungspunkten 6 und 7: Mit dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz ist ja, das weiß ich noch aus meiner vorigen Tätigkeit als Energielandesrat, eine bundesgesetzliche Rahmenbedingung für die Energiewende, für eine bestmögliche Umsetzung, geschaffen worden; das wissen wir. Es werden auch laufend Optimierungsmaßnahmen ausgearbeitet, und diese werden in den vorliegenden Abänderungsanträgen auch aufgegriffen.
Besonders wichtig in diesem Antrag ist das Aussetzen der Erneuerbaren-Förderpauschale für 2023. Das ist in Zeiten hoher Energiepreise eine besonders wertvolle Entlastung, sowohl für Privatpersonen wie auch für Unternehmen.
Von den weiteren Änderungen möchte ich zwei hervorheben: Die Investitionszuschüsse für Biomasseanlagen werden auch für die Erweiterung dieser Anlagen ermöglicht – da sind jede Menge in Planung. Die Förderabwicklung für Investitionszuschüsse für Fotovoltaikanlagen und Wasserkraftanlagen mit Reihung nach Antragszeitpunkt wird vereinfacht und beschleunigt. Außerdem wird die Datenbereitstellung verbessert, zum Beispiel enthält der Antrag eine Informationspflicht der Netzbetreiber bezüglich der Entfernung einer Biogasanlage bis zum nächsten Gasanschlusspunkt. In diesem Sinne leistet dieser Antrag einen wichtigen Beitrag zur Optimierung.
Etwas technischer ist selbstverständlich der Tagesordnungspunkt 7, wo es ums ElWOG geht. Es ist evident, dass die derzeitigen Verwerfungen am Energiemarkt, die wir alle mitbekommen, zu massiven Steigerungen der Netzverlustkosten geführt haben, die sich im nächsten Jahr auch im Netzentgelt niederschlagen. Da sind entlang der Gegebenheiten nun einmal die Haushalte, die Unternehmen stärker betroffen als die Erzeuger. Das liegt an der Regelung, dass die Anschlussleistung von mehr als 5 Megawatt so im Gesetz gestaltet ist.
Die Festlegung der Stromnetzentgelte fällt in die ausschließliche Zuständigkeit der unabhängigen und weisungsfreien Regulierungsbehörde E-Control. Das ist auch zu respektieren. Was die Bundesregierung bei diesem Thema, der Kostensteigerung in diesem Bereich, machen kann, ist, Entlastung zu gestalten. Das ist der Punkt, der jetzt umgesetzt wird, das wurde bereits von Abgeordnetem Hammer erwähnt. Dazu nimmt die Bundesregierung mehr als 200 Millionen Euro in die Hand. Damit werden 60 Prozent der Erhöhung der Netzverlustkosten für die Haushalte abgefedert.
Ich darf allen danken, die diesem Antrag zustimmen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
12.34
Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Abgeordneter Christoph Stark zu Wort. – Bitte.
Abgeordneter Christoph Stark (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Das Jahr neigt sich dem Ende zu und wir stehen mitten in einer noch nie da gewesenen Energiekrise, der wir hier als Hohes Haus und auch als Bundesregierung mit verschiedenen Maßnahmen begegnen.
Kollegin Doppelbauer, wenn Sie sagen, Sie könnten eine halbe Stunde lang darüber referieren, was nicht passiert ist: Liebe Damen und Herren, wir haben hier drei lange Plenartage, an denen wir stundenlang darüber diskutieren, was passiert und was das Parlament in dieser Krise alles tut. Auch diese Seite sollte man einmal betrachten! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)
Oberstes Ziel muss sein, gut durch diese Krise zu kommen. Ja, es ist noch einiges offen, aber wir arbeiten auch daran. Daher geht es heute um drei Punkte, auf die ich kurz eingehen darf.
Das ist zum einen die Unterstützung durch Dienstleisterinnen und Dienstleister. Unternehmen sollen auf ihrem Weg zu Förderungen von Steuerberater:innen, Wirtschaftstreuhänder:innen und Betriebsprüfer:innen unterstützt und begleitet werden. Damit wollen wir eine neue Regelung schaffen, um die Dinge für die Betroffenen zu erleichtern, anstatt Menschen und Unternehmen Steine in den Weg zu legen.
Punkt zwei: Das ElWOG wurde bereits erwähnt. Auch in diesem Bereich gibt es notwendige Änderungen. Zum einen treibt ja die Energiekrise seltsame Blüten, indem sogar Energieversorgungsunternehmen aufgrund der exorbitanten
Marktpreise aus diesem Markt austreten. Die Folge ist, dass Haushalte plötzlich ohne Energieversorger dastehen. Diese Haushalte sollen in dieser ganz speziellen Situation von einer gesetzlichen Regelung geschützt werden. Auch in diesem Bereich wollen wir die Menschen nicht alleinlassen, sondern wir wollen sie in dieser durchaus schwierigen Lebenslage, die es nicht alle Tage gibt, unterstützen.
Der dritte Punkt betrifft die Netzverluste. Was ist ein Netzverlust? – Die Netze gehorchen physikalischen Gesetzmäßigkeiten, auf dem Weg des Stroms wird Energie in Form von Wärme verloren. Dieser Teil der Energie muss irgendwie ausgeglichen werden, weil er ja davor gekauft und erzeugt wurde. Das heißt, diese Netzverluste wurden auch bisher schon von den Kundinnen und Kunden der Netze getragen. (Zwischenruf des Abg. Angerer.) Durch die gestiegenen Kosten wollen wir aber diese Verluste ausgleichen. Das ist eine Maßnahme, die wahrscheinlich gar nicht so offenkundig und offensichtlich wird, weil sie einfach Kosten abfedert, die sonst entstanden wären.
In diesem Zusammenhang darf ich auch den folgenden Antrag einbringen, und zwar den Abänderungsantrag der Abgeordneten Tanja Graf, Lukas Hammer, Alois Schroll, Kolleginnen und Kollegen zum Bericht und Antrag des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz 2010 geändert wird, in 1898 der Beilagen.
Der Antrag liegt Ihnen vor. Im Wesentlichen geht es darum, die Menschen mit einer Kostenentlastung in der Höhe von rund 260 Millionen Euro für ein halbes Jahr zu unterstützen. Das entspricht in etwa Mehrkosten von 60 Prozent, die da abgefedert werden sollen.
Meine Damen und Herren, geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Die Menschen brauchen in dieser Krise Hilfe. Die Menschen brauchen die Unterstützung des
Staates. Unser oberstes Ziel ist und bleibt, den Menschen dabei zu helfen und alles zu tun, um gut durch diese Krise zu kommen. (Beifall bei der ÖVP.)
12.38
Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:
Abänderungsantrag
der Abgeordneten Tanja Graf, Lukas Hammer, Alois Schroll,
Kolleginnen und Kollegen
zum Bericht und Antrag des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz 2010 geändert wird (1898 d.B.) (TOP 7)
Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:
Der oben zitierte Gesetzesantrag in der Fassung des Ausschussberichts 1898 d.B. wird wie folgt geändert:
1. Z 1 erhält die Ziffernbezeichnung Z 1a. Vor der Ziffer 1a wird folgende Z 1 eingefügt
„1. Im Inhaltsverzeichnis wird nach dem Eintrag zu § 77a folgender Eintrag eingefügt:
„§ 77b. Versorgung nach Marktaustritt eines Lieferanten““
2. Nach der neuen Z 1a werden folgende Z 1b und 1c eingefügt:
„1b. (Verfassungsbestimmung) Dem § 53 wird folgender Abs. 4 angefügt:
„(4) (Verfassungsbestimmung) Kosten für die Beschaffung von Netzverlustenergie für das erste Halbjahr 2023 werden im Ausmaß von 173 Euro pro MWh durch Bundesmittel bedeckt. Die dafür benötigten Bundesmittel werden im Rahmen des Budgetvollzugs 2023 bereitgestellt. Der Bund hat die Mittel den Netzbetreibern bedarfs-
gerecht zur Verfügung zu stellen. Wird die Netzverlustenergie für mehrere Netzbetreiber über eine gemeinsame Beschaffung zentral beschafft, können die Mittel auch direkt jenem Unternehmen, dem die gemeinsame Beschaffung obliegt, zur Verfügung gestellt werden. In den Verfahren zur Feststellung der Kostenbasis gemäß § 48 sind lediglich jene Kosten und Mengen festzustellen, die nicht aus Bundesmitteln bedeckt werden. Im Verfahren zur Bestimmung der Systemnutzungsentgelte gemäß § 49 sind die nach diesem Absatz bereitgestellten Bundesmittel ausschließlich bei der Festlegung der Netzverlustentgelte für Entnehmer zu berücksichtigen.“
1c. Nach § 77a wird folgender § 77b samt Überschrift eingefügt:
„Versorgung nach Marktaustritt eines Lieferanten
§ 77b. (1) Kündigt ein Lieferant alle Verträge mit Verbrauchern im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 2 KSchG, hat der Lieferant die Kündigung der Vertragsverhältnisse und den Zeitpunkt der Vertragsbeendigung der Regulierungsbehörde und den Netzbetreibern, in deren Netz sich betroffene Zählpunkte befinden, mindestens acht Wochen vor Marktaustritt mitzuteilen. Mindestens vier Wochen vor Ende des Vertragsverhältnisses hat der Lieferant jene Kunden, für die noch kein Verfahren gemäß § 76 eingeleitet wurde, schriftlich an das Ende des Vertragsverhältnisses zu erinnern und über die notwendigen Schritte für den Abschluss eines neuen Liefervertrages zu informieren.
(2) Kunden, die bis zum Ende des Vertragsverhältnisses keinen Vertrag mit einem neuen Lieferanten abgeschlossen haben, sind mit dem auf das Ende des Vertragsverhältnisses folgenden Tag von jenem Lieferanten zu versorgen, der zum 31. Dezember des Vorjahres über die größte Anzahl an Kunden gemäß Abs. 1 im Netzbereich verfügte. Die Regulierungsbehörde hat den betroffenen Lieferanten über den Eintritt der Versorgung nach Marktaustritt zu informieren.
(3) Jeder Netzbetreiber hat der Regulierungsbehörde zu melden, welcher Lieferant in seinem Netzgebiet zum Stichtag 31. Dezember über die größte Anzahl an Kunden gemäß Abs. 1 verfügt und wie hoch diese Anzahl ist. Die Meldung hat jeweils bis zum 15. Februar des Folgejahres bei der Regulierungsbehörde einzugehen. Bis zum
Einlangen dieser Meldung gilt die Meldung des Vorjahres. Die Regulierungsbehörde hat den Lieferanten gemäß Abs. 2 je Netzbereich auf ihrer Internetseite zu veröffentlichen.
(4) Lieferanten gemäß Abs. 2 haben die ihnen zugeordneten Kunden zu angemessenen Preisen zu versorgen, wobei sie nicht zu höheren Preisen versorgt werden dürfen als die Kunden, die zu den Haushaltstarifen des jeweiligen Lieferanten versorgt werden.
(5) Lieferanten gemäß Abs. 2 haben die ihnen zugeordneten Kunden unverzüglich über das Bestehen, die Dauer und die wesentlichen Inhalte des neuen Vertragsverhältnisses sowie darüber, dass der Kunde jederzeit zu einem Lieferanten seiner Wahl wechseln kann, zu informieren.
(6) Wird über einen Zählpunkt eingespeist, übernimmt der neue Lieferant die eingespeiste Energie zu Marktpreisen abzüglich der aliquoten Aufwendungen für Ausgleichsenergie für die eingespeiste Energie.
(7) Die Versorgung der zugeordneten Kunden erfolgt zu den bei der Behörde angezeigten Allgemeinen Bedingungen. In den Allgemeinen Bedingungen enthaltene Bindungsfristen, Fristen und Termine für eine Kündigung des Vertrages gelten nicht.
(8) Netzbetreiber, in deren Netzgebiet Kunden gemäß Abs. 2 zugeordnet werden, haben dem Lieferanten gemäß Abs. 2 die Anzahl der betroffenen Zählpunkte sowie alle Daten, die für die Zwecke der Versorgung gemäß Abs. 2 notwendig sind, spätestens zum Zeitpunkt des Vertragsendes elektronisch zu übermitteln.
(9) Die Versorgung gemäß Abs. 2 endet spätestens nach drei Monaten. Der zugeordnete Kunde kann den Vertrag jedenfalls unter Einhaltung einer zweiwöchigen Frist kündigen.
(10) Alle betroffenen Marktteilnehmer haben sich wechselseitig nach bestem Vermögen zu unterstützen, um die lückenlose Versorgung der betroffenen Kunden sicherzustellen.““
3. Nach Z 2 werden folgende Z 3 bis 5 angefügt:
„3. (Verfassungsbestimmung) Dem § 109 Abs. 1 wird folgender Satz angefügt:
„§ 53 Abs. 4 tritt mit Ablauf des 31. Dezember 2023 außer Kraft.“
4. Dem § 109 wird folgender Abs. 8 angefügt:
„(8) § 77b tritt mit Ablauf des 31. Dezember 2024 außer Kraft.“
5. (Verfassungsbestimmung) In § 114 Abs. 2 wird nach der Wortfolge „§ 47,“ die Wortfolge „§ 53 Abs. 4, “ eingefügt.““
Begründung
Zu den §§ 53 Abs. 4 und 114 Abs. 2:
Aufgrund des massiven Anstiegs der Großhandelspreise am Strommarkt sind auch die Kosten für die Beschaffung von Netzverlustenergie signifikant angestiegen (siehe dazu die Ausführungen der E-Control im Begutachtungsentwurf zur Systemnutzungsentgelte-Verordnung 2018 – Novelle 2023). Um die Auswirkungen dieses Preisanstiegs abzufedern, sollen Bundesmittel bereitgestellt werden, die einen Teil der Beschaffungskosten abdecken.
Seit dem Jahr 2011 wird ein Großteil (ca. 98 %) der benötigten Netzverlustenergie gemeinsam für alle teilnehmenden Netzbetreiber von der Austrian Power Grid AG (APG) beschafft. Für die an der gemeinsamen Beschaffung teilnehmenden Netzbetreiber können die Budgetmittel auch direkt bei der APG zur Bedeckung der angefallenen Beschaffungskosten bereitgestellt werden.
Aufgrund der aktuellen Kostenwälzungssystematik sind 80 % der Netzverlustkosten durch die Entnehmer und die restlichen 20 % durch Einspeiser zu tragen. Dieser Systematik folgend fällt für Entnehmer im Jahr 2023 eine zusätzliche Kostenbelastung in der Höhe von rund 850 Mio. Euro gegenüber dem Vorjahr an. Durch die in der Bestimmung vorgesehenen 173 Euro pro MWh ergibt sich bei Netzverlustmengen
von rund 3 TWh für ein Jahr eine Kostenentlastung in der Höhe von rund 260 Mio. Euro für ein halbes Jahr, das entspricht etwas mehr als 60 % der Mehrkosten.
Die Bedeckung der dafür benötigten Bundesmittel erfolgt auf Basis der Ermächtigung gem. Art. VI Abs. 6 BFG 2023 oder durch eine Änderung des Bundesfinanz- und Bundesfinanzrahmengesetzes.
Zu den §§ 77b und 109 Abs. 8:
Die enorm angestiegenen Großhandelspreise haben in den letzten Monaten auch am Endkundenmarkt Turbulenzen ausgelöst: Energieversorger und Lieferanten haben ihre Kunden abgestoßen und sind aus dem Markt ausgetreten. Lieferverträge mit Kunden wurden massenhaft gekündigt, was für die Betroffenen bedeutete, im Rahmen der Kündigungsfrist einen neuen Lieferanten suchen zu müssen.
Die Erfahrung zeigt, dass ein Teil der von solchen Vertragsbeendigungen betroffenen Kunden – das waren vor allem Haushaltskunden – nicht zeitgerecht aktiv wurde, in einen vertraglosen Zustand geriet und folglich von Abschaltungen bedroht war.
Mit der vorgeschlagenen Regelung werden Kunden (hier: Verbrauchern im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 2 KSchG), denen ein vertragsloser Zustand droht (dh konkret, dass ein Prozess gemäß § 76 sowie Wechselverordnung 2014 noch nicht eingeleitet wurde), automatisch einem neuen Lieferanten zugeordnet, der für einen zeitlich beschränkten Zeitraum die Versorgung übernehmen soll. Damit wird die lückenlose Versorgung von betroffenen Kunden sichergestellt.
Da die Regelung der turbulenten und derzeit schwer absehbaren Entwicklungen am Energiemarkt geschuldet ist, wird sie mit einer sunset clause versehen. Dies ermöglicht, sie zunächst in der Praxis zu erproben und gegebenenfalls verlängern bzw. anpassen zu können.
*****
Präsidentin Doris Bures: Der Abänderungsantrag wurde in den Grundzügen erläutert, an die Abgeordneten verteilt und steht daher auch mit in Verhandlung.
Herr Abgeordneter Erwin Angerer, Sie gelangen zu Wort. – Bitte.
Abgeordneter Erwin Angerer (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Minister! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren! Vielleicht ist es ein Symbol, dass heute der Gesundheitsminister beim Thema Energiepolitik dasitzt, wenn Frau Gewessler als zuständige Ministerin hier anwesend sein sollte, denn ich glaube, es bräuchte auch eine Heilung in der verfehlten Energiepolitik dieser Bundesregierung.
Was haben wir da wieder vorliegen? – Es ist die Fortsetzung eines Desasters in der Energiepolitik. Es ist eine Fortsetzung von Symptombekämpfung, sie geht nicht an die Ursachen. Sie haben in diesem gesamten Kontext bis jetzt keine einzige Ursache behandelt. (Beifall bei der FPÖ.)
Es ist eine Fortsetzung von Steuergeldvernichtung. Lieber Herr Kollege Stark, als Sie vorhin davon geredet und die Netzverluste erklärt haben, wäre es interessant gewesen, zu erwähnen, wer diese Netzverluste bezahlt. Es zahlt nämlich immer der Kunde. Der Endkunde hat schon mit exorbitanten Strompreisen zu kämpfen, und jetzt werden aufgrund dieser Strompreise die Netzkosten auch noch höher.
Die Ursache dafür ist das Meritorderprinzip, und das greifen Sie nicht an. Das wäre das Thema, das Sie angreifen müssten und wo Sie eine Änderung machen sollten und auch könnten. Auch dazu haben wir Ihnen schon letzte Woche im Ausschuss einen Vorschlag gemacht und Ihnen aufgezeigt, dass es auch in diesem Fall eine österreichische Lösung geben könnte, anstatt dieses Problem immer nur auf die EU abzuschieben und zu sagen, ohne EU sei keine Lösung möglich. Es wäre sehr wohl eine österreichische Lösung möglich, aber dazu komme ich später noch.
Vielleicht zuerst zum Thema, dass man die E-Control, die in dieser Phase eine wichtige Kontrollfunktion ausübt – so wie die Bundeswettbewerbsbehörde, über
die wir heute auch noch reden werden –, an die kurze Leine nehmen möchte. Was hat die ÖVP vor, wenn der Finanzminister Einsichtsrechte bekommen soll, einen Aufsichtsrat in der E-Control besetzen soll? Jetzt nehmen Sie das Gesetz Gott sei Dank zurück. Lassen Sie die E-Control so, wie sie ist, nicht beeinflusst von politischen und finanziellen Abhängigkeiten! Lassen Sie die E-Control als unabhängige Kontrollinstanz in Ruhe! Sie braucht es mehr denn je. (Beifall bei der FPÖ.)
Zweites Thema: Netzkosten. Die Netzkosten werden ab 1.1. für jeden Österreicher um circa 100 Euro im Jahr steigen. Heute ist die SPÖ wieder einmal im Liegen umgefallen. (Abg. Schroll: Nein, nein, wir stehen noch!) Die blonde Energieexpertin der ÖVP hat es offensichtlich wieder geschafft, für 25 Euro - - (Zwischenrufe bei ÖVP und SPÖ.) Für 25 Euro hat die SPÖ die Hosen runtergelassen und wird heute wieder die Zweidrittelmehrheit sichern. 75 Euro bezahlt immer noch ihr. Ihr Kunden draußen zahlt 75 Euro, und für 25 Euro fällt die SPÖ wieder um. (Abg. Kucharowits: Entschuldigen Sie sich sofort bei der Kollegin Graf! – Abg. Jeitler-Cincelli: Frau Präsidentin! Frau Präsidentin!)
Das alles wäre nicht notwendig, wenn ihr die Meritorder ändern würdet, und die Meritorder kann man auf nationaler Ebene ändern, indem man einfach hergeht und sagt, ich lege einen Strompreis für den österreichischen Strom fest, der in Österreich erzeugt wird, großteils aus erneuerbarer Energie, aus Wasserkraft, aus Biomasse, was auch immer. (Abg. Kucharowits: Entschuldigen Sie sich bei der Kollegin Graf!) Dann hat man einen österreichischen Preis, und den Preis für den Strom, der zusätzlich eingekauft wird, teilt man dann auf.
Da gibt es jetzt schon eine Organisation, die das bei den Netzverlusten macht; da sind wir wieder beim gleichen Thema. Das wäre überhaupt kein zusätzlicher Aufwand, sondern die könnte diesen zusätzlichen Strom einkaufen, und dann hätte man eine österreichische Lösung für ein Aussetzen der Meritorder. Und man bräuchte nicht 4 Milliarden Euro aus Steuergeldern querzusubventionieren, hin zu den Energiekonzernen. Gestern habt ihr ein Gesetz beschlossen, dass Übergewinne abgeschöpft werden. Dieses Geld gelangt dann wieder zurück in
den Steuertopf, das Geld des Steuerzahlers wird im Kreis geschickt. Das wäre die von uns vorgeschlagene österreichische Lösung, aber darauf geht ihr nicht ein.
Was das Thema des Strompreises insgesamt betrifft, wäre die Strompreisbremse gar nicht notwendig, weil die sogenannte Grundversorgung im ElWOG festgeschrieben ist. Dadurch ist jeder Energieerzeuger verpflichtet, dem Kunden Strom auf Basis des Grundversorgungstarifes zu liefern. Grundversorgungstarif heißt Durchschnittspreis aller Bestandskunden. In Kärnten haben wir das bei der Kelag durchgesetzt. Die sind mit dem Preis von vormals 70 Cent auf jetzt 13 Cent runtergegangen. Also die Differenz, Herr Professor, zwischen 10 und 40 Cent mal x ergibt 4 Milliarden Euro. Dieses Geld für die Strompreisbremse könnten wir uns sparen, könnten Sie dem Steuerzahler ersparen. Sie tun es nicht. Warum finanzieren Sie mit Steuergeld die Energiekonzerne?
Deshalb verlangen wir, dass die entsprechenden Grundversorgungstarife in Österreich durchgesetzt werden, und bringen dazu folgenden Entschließungsantrag ein:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „gesetzeskonforme Grundversorgungstarife bei Energielieferanten in Österreich“
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung wird aufgefordert, die entsprechenden Maßnahmen zu setzen, um überprüfen zu lassen, ob die seitens der Strom- und Gashändler und sonstigen Lieferanten verlautbarten Tarife für die Grundversorgung der Höhe nach den Bestimmungen der §§ 77 EIWOG bzw. 124 GWG entsprechen.“
*****
Damit wäre die Strompreisbremse nicht notwendig und wir würden 4 Milliarden Euro Steuergeld sparen. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)
12.44
Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:
Entschließungsantrag
des Abgeordneten Erwin Angerer
und weiterer Abgeordneter
betreffend gesetzeskonforme Grundversorgungstarife bei Energielieferanten in Österreich
eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 7: Bericht und Antrag des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Bundesgesetz, mit dem die Organisation auf dem Gebiet der Elektrizitätswirtschaft neu geregelt wird (Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz 2010 – ElWOG 2010) geändert wird (1898 d.B.) in der 189. Sitzung des Nationalrats am 14. Dezember 2022
Die „Grundversorgung“ bei Energielieferanten ist im § 77 Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz (ElWOG) 2010 sowie den Bestimmungen in den jeweiligen Landesgesetzen für Strom bzw. im § 124 Gaswirtschaftsgesetz (GWG) 2011 für Gas geregelt.
Diese „Grundversorgung“ gibt es im Energiesektor für Strom und Gas, aber etwa nicht für Fernwärme. Und diese „Grundversorgung“ gilt für Haushalte und Kleinunternehmen (weniger als 50 Mitarbeiter, Jahresverbrauch kleiner als 100.000 kWh Strom bzw. Gas, Jahresbilanzsumme höchstens 10 Mio EUR). Anwendungstechnisch trifft das Gesetz aber eine wesentliche Unterscheidung zwischen Haushalten und Kleinunternehmen, da für -Haushaltskunden der Grundversorgungstarif nicht höher sein darf als jener Tarif, zu dem die größte Anzahl der Kunden versorgt wird und bei –Kleinunternehmen der Grundversorgungstarif nicht höher sein darf, als jener Tarif, der gegenüber vergleichbaren Kundengruppen Anwendung findet!
Die „Grundversorgung“ basiert auf einer EU-Gesetzgebung (Strombinnenmarktrichtlinie bzw. Gasbinnenmarktrichtlinie), wobei die Strombinnenmarktrichtlinie explizit
den Begriff „Grundversorgung“ verwendet (Artikel 27) und die Gasbinnenmarktrichtlinie lediglich hervorhebt, dass die Mitgliedstaaten geeignete Maßnahmen zum Schutz der Endkunden ergreifen müssen (Artikel 3 Abs. 3).
Mit der „Grundversorgung“ determiniert der Gesetzgeber somit einen Kontrahierungszwang für die jeweiligen Strom- bzw. Gaslieferanten. Es kann sich somit jeder Haushalt bzw. Kleinunternehmer an einen beliebigen Versorger, der im zutreffenden Versorgungsgebiet Endverbraucher beliefert, mit dem Ansuchen der „Grundversorgungsbelieferung“ wenden, und die betroffenen Lieferanten müssen dem auch nachkommen. Alle Energielieferanten bei Strom und Gas haben ihren Grundversorgungstarif in geeigneter Weise zu veröffentlichen. Die näheren Bestimmungen über die Belieferung zur Grundversorgung sind auch in den Allgemeinen Geschäfts-bedingungen jeweils anzuführen.
Auf der Internetseite der E-Control sind umfangreiche Informationen zur „Grundversorgung“ unter https://www.e-control.at/abschaltung verfügbar.
Nachfolgend die innerstaatlichen gesetzlichen Grundlagen für die „Grundversorgung“ bei Energielieferanten:
Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz (ElWOG) 2010:
§ 77. (Grundsatzbestimmung) (1) Stromhändler und sonstige Lieferanten, zu deren Tätigkeitsbereich die Versorgung von Haushaltskunden zählt, haben ihren Allgemeinen Tarif für die Grundversorgung von Haushaltskunden in geeigneter Weise (zB Internet) zu veröffentlichen. Sie sind verpflichtet, zu ihren geltenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen und zu diesem Tarif Verbraucher im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 2 KSchG und Kleinunternehmen, die sich ihnen gegenüber auf die Grundversorgung berufen, mit elektrischer Energie zu beliefern (Pflicht zur Grundversorgung). Die Ausführungsgesetze haben nähere Bestimmungen über die Verbraucher im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 2 KSchG für die Grundversorgung vorzusehen.
1. (2) Der Allgemeine Tarif der Grundversorgung für Verbraucher im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 2 KSchG darf nicht höher sein als jener Tarif, zu dem die größte Anzahl
ihrer Kunden, die Verbraucher im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 2 KSchG sind, versorgt werden. Der Allgemeine Tarif der Grundversorgung für Unternehmer im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 1 KSchG darf nicht höher sein als jener Tarif, der gegenüber vergleichbaren Kundengruppen Anwendung findet. Dem Verbraucher im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 2 KSchG der sich auf die Grundversorgung beruft, darf im Zusammenhang mit der Aufnahme der Belieferung keine Sicherheitsleistung oder Vorauszahlung abverlangt werden, welche die Höhe einer Teilbetragszahlung für einen Monat übersteigt.
2. (3) Gerät der Verbraucher während sechs Monaten nicht in weiteren Zahlungsverzug, so ist ihm die Sicherheitsleistung rückzuerstatten und von einer Vorauszahlung abzusehen, solange nicht erneut ein Zahlungsverzug eintritt.
3. (4) Bei Berufung von Verbrauchern im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 2 KSchG und Kleinunternehmen auf die Pflicht zur Grundversorgung sind Netzbetreiber, unbeschadet bis zu diesem Zeitpunkt vorhandener Zahlungsrückstände, zur Netzdienstleistung verpflichtet. Verbrauchern darf im Zusammenhang mit dieser Netzdienstleistung keine Sicherheitsleistung oder Vorauszahlung abverlangt werden, welche die Höhe einer Teilbetragszahlung für einen Monat übersteigt. Abs. 3 gilt sinngemäß. Im Falle eines nach Berufung auf die Pflicht zur Grundversorgung erfolgenden erneuten Zahlungsverzuges, sind Netzbetreiber bis zur Bezahlung dieser ausstehenden Beträge zur physischen Trennung der Netzverbindung berechtigt, es sei denn der Kunde verpflichtet sich zur Vorausverrechnung mittels Prepaymentzahlung für künftige Netznutzung und Lieferung. § 82 Abs. 3 gilt im Falle des erneuten Zahlungsverzugs sinngemäß. Die Verpflichtung der Prepaymentzahlung besteht nicht für Kleinunternehmen mit einem Lastprofilzähler.
4. (5) Eine im Rahmen der Grundversorgung eingerichtete Prepaymentfunktion ist auf Kundenwunsch zu deaktivieren, wenn der Endverbraucher seine im Rahmen der Grundversorgung angefallenen Zahlungsrückstände beim Lieferanten und Netzbetreiber beglichen hat oder wenn ein sonstiges schuldbefreiendes Ereignis eingetreten ist.
Grundversorgung Gas im Gaswirtschaftsgesetz 2011
§ 124.
(1) Erdgashändler und sonstige Versorger, zu deren Tätigkeitsbereich die Versorgung von Verbrauchern im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 2 KSchG zählt, haben ihren Allgemeinen Tarif für die Grundversorgung von Verbrauchern im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 2 KSchG in geeigneter Weise (zB Internet) zu veröffentlichen. Sie sind verpflichtet, zu ihren geltenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen und zu diesem Tarif Verbraucher im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 2 KSchG, und Kleinunternehmen, die sich ihnen gegenüber auf die Grundversorgung berufen, mit Erdgas zu beliefern (Pflicht zur Grundversorgung). Die Regulierungsbehörde ist ermächtigt, nähere Bestimmungen über die Zumutbarkeit einer Grundversorgung und über die Gestaltung der Tarife für Verbraucher im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 2 KSchG und Kleinunternehmen für die Grundversorgung durch Verordnung festzulegen.
(2) Der Allgemeine Tarif der Grundversorgung für Verbraucher im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 2 KSchG darf nicht höher sein als jener Tarif, zu welchem die größte Anzahl ihrer Kunden, welche Verbraucher im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 2 KSchG sind, versorgt werden. Der Allgemeine Tarif der Grundversorgung für Kleinunternehmen darf nicht höher sein als jener Tarif, welcher gegenüber vergleichbaren Kundengruppen Anwendung findet. Dem Verbraucher im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 2 KSchG, der sich auf die Grundversorgung beruft, darf im Zusammenhang mit der Aufnahme der Belieferung keine Sicherheitsleistung oder Vorauszahlung abverlangt werden, welche die Höhe einer Teilbetragszahlung für einen Monat übersteigt.
(3) Gerät der Verbraucher während sechs Monaten nicht in weiteren Zahlungsverzug, so ist ihm die Sicherheitsleistung rückzuerstatten und von einer Vorauszahlung abzusehen, solange nicht erneut ein Zahlungsverzug eintritt.
(4) Bei Berufung von Verbrauchern im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 2 KSchG und Kleinunternehmen auf die Pflicht zur Grundversorgung sind Netzbetreiber, unbeschadet bis zu diesem Zeitpunkt vorhandener Zahlungsrückstände, zur Netzdienstleistung verpflichtet. Verbrauchern darf im Zusammenhang mit dieser Netzdienstleistung keine Sicherheitsleistung oder Vorauszahlung abverlangt werden, welche die Höhe
einer Teilbetragszahlung für einen Monat übersteigt. Abs. 3 gilt sinngemäß. Im Falle eines nach Berufung auf die Pflicht zur Grundversorgung erfolgenden erneuten Zahlungsverzuges, sind Netzbetreiber bis zur Bezahlung dieser ausstehenden Beträge zur physischen Trennung der Netzverbindung berechtigt, es sei denn der Kunde verpflichtet sich zur Vorausverrechnung mittels Prepaymentzahlung für künftige Netznutzung und Lieferung. Der Netzbetreiber kann die Prepaymentzahlung ausschließlich aus sicherheitstechnischen Gründen ablehnen. § 127 Abs. 3 gilt im Falle des erneuten Zahlungsverzugs sinngemäß. Die Verpflichtung zur Prepaymentzahlung besteht nicht für Kleinunternehmen mit einem Lastprofilzähler.
(5) Eine im Rahmen der Grundversorgung eingerichtete Prepaymentfunktion ist auf Kundenwunsch zu deaktivieren, wenn der Endverbraucher seine im Rahmen der Grundversorgung angefallenen Zahlungsrückstände beim Versorger und Netzbetreiber beglichen hat oder wenn ein sonstiges schuldbefreiendes Ereignis eingetreten ist.
Von zentraler Bedeutung ist, dass die Tarife der Energiepreise, die die Strom- und Gashändler und sonstigen Lieferanten den Endkunden, dh. Haushalten und Kleinunternehmern, auch tatsächlich den Bestimmungen des § 77 Elektrizitäts-wirtschafts- und -organisationsgesetz (ElWOG) 2010 (ElWOG) bzw. § 124 Gaswirtschaftsgesetz (GWG) entsprechen. Deshalb muss die zuständige Bundes-ministerin dafür Sorge tragen, dass die zuständige Behörde überprüft, ob die seitens der Strom- und Gashändler und sonstigen Lieferanten verlautbarten Tarife für die Grundversorgung der Höhe nach den Bestimmungen des § 77 ElWOG bzw, 124 GWG entsprechen.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden
Entschließungsantrag
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung wird aufgefordert, die entsprechenden Maßnahmen zu setzen, um überprüfen zu lassen, ob die seitens der Strom- und Gashändler und sonstigen
Lieferanten verlautbarten Tarife für die Grundversorgung der Höhe nach den Bestimmungen der §§ 77 ElWOG bzw. 124 GWG entsprechen.“
*****
Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher auch mit in Verhandlung.
Herr Abgeordneter Angerer, ich habe Ihnen keinen Ordnungsruf erteilt. Ich mache Sie aber darauf aufmerksam, dass wir im Hohen Haus doch einen respektvollen Umgang unter den Kolleginnen und Kollegen pflegen sollten. Und ganz ehrlich: Das, was Sie zur Abgeordneten Graf gesagt haben, könnte man schon als eine abwertende und frauenfeindliche Anrede bezeichnen. (Beifall bei ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS.) Deshalb ersuche ich Sie, das zurückzunehmen und so etwas nicht nochmals zu wiederholen.
Wir fahren jetzt in der Debatte fort. Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Martin Litschauer. – Bitte.
Abgeordneter Ing. Martin Litschauer (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ja, wo soll ich da anfangen, wenn Kollege Angerer hier mit solchen Aussagen durch den Plenarsaal reitet?
Kurz zur Erklärung: Eigentlich bin ich sehr froh, dass wir Minister Rauch hier sitzen haben. Er hat sich nämlich in seiner politischen Laufbahn schon sehr viel mit Umwelt und Energie beschäftigt und ist eine Bereicherung auf der Regierungsbank hier im Hohen Haus. Er kann auch sehr viel Expertise miteinbringen. Das hat er gerade bewiesen, und es wäre mir wirklich wichtig, wenn wir über die Fakten reden könnten. In der Rede von Kollegen Angerer war genau das nicht der Fall.
Ich würde Sie auffordern, wirklich zu den Fakten zurückzukehren und persönliche Beleidigungen einer Kollegin gegenüber zu unterlassen. Wir brauchen
auch keine Kraftausdrücke oder sonstige Beschreibungen, die unter die Gürtellinie gehen. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.) Wenn Ihnen die Argumente ausgehen, kürzen Sie Ihre Redezeit! Reden wir lieber über die Fakten! Ihre 25 Euro haben Sie auch nicht erklären können. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Also zurück zu den Fakten. Ich war in den letzten Wochen viel unterwegs, habe auch mit Ökostromanbietern geredet und gefragt, wie das mit der Marktlage so ist und ob man da überhaupt noch Kunden aufnehmen kann. Das ist interessant. Sie sagen: Wir sind leider ausverkauft, Ökostrom in Österreich ist in sehr vielen Bereichen so ausverkauft, dass wir keine Kunden aufnehmen können! – Das zeigt uns, dass das ein richtiges Problem ist: Wenn sich Stromanbieter vom Markt zurückziehen, sind plötzlich keine Stromanbieter mehr am Markt, die Kunden gerne aufnehmen. Das ist ein neues Phänomen, das gab es früher nicht.
Mit dem neuen Gesetz kümmern wir uns darum und sehen vor, dass, wenn Stromkund:innen keinen Anbieter finden, diese automatisch Anbietern zugeteilt werden, sodass eine Stromabschaltung von Haus aus verhindert werden kann.
Wir haben aber auch das System geändert, und wir passen auch das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz ständig an. Mit dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz wurde nämlich eine ganz große Systemänderung gemacht. Da steht als Ziel erstmalig in Österreich drinnen: 100 Prozent erneuerbarer Strom für Österreich.
Es ist schon klar, dass euch das nicht ganz gefällt, denn dieses Ziel zu verfolgen bedeutet, wir machen uns unabhängig vom Gas, wir machen uns unabhängig von Atomstromimporten und anderen, und genau das wird die Preise stabilisieren. Kollege Hammer hat es schon gesagt: Wir haben einen Rekordausbau bei der Fotovoltaik, wir haben einen Rekordausbau bei der Windenergie, und das ist notwendig. (Abg. Kassegger: Wie viel Prozent des Energiebedarfs deckt die Fotovoltaik ab, Herr Kollege?)
Wir haben in Österreich auch ein sehr effizientes Stromnetz: Wir haben das zweiteffizienteste Stromnetz in Europa, hat uns die E-Control bescheinigt. Aber: Was haben uns deren Vertreter im Ausschuss noch gesagt? – Der Erneuerbaren-Ausbau wird das Stromnetz noch effizienter machen, damit werden sozusagen weniger Verluste produziert und auch die Stromkunden entlastet. Deswegen legen wir auch beim EAG den Turbo ein, damit der Ausbau der erneuerbaren Energien weitergeht. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Rauch: Keine Fakten, keine Tatsachen! – Abg. Kassegger: Märchenerzähler! Das sind lauter Märchen, die Sie da erzählen!)
12.48
Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Laurenz Pöttinger. – Bitte.
Abgeordneter Laurenz Pöttinger (ÖVP): Frau Präsidentin! Werte Herren Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Schon wie für 2022 werden wir auch für 2023 die Ökostrompauschale aussetzen. Damit entlasten wir Haushalte, Endkunden und auch Betriebe. Aufgrund der hohen Strompreise sind die Verbraucher ohnehin sehr gefordert, und der Finanzierungsüberschuss erlaubt es, die Einhebung für ein weiteres Jahr auszusetzen. Die Mittel zur Bedeckung der Förderungen der erneuerbaren Energieformen sind laut Oemag ausreichend vorhanden.
Sehr geehrte Damen und Herren, darüber hinaus wird es zu einer Änderung im ElWOG kommen. Mit der Änderung des Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetzes wird es zu einer Verpflichtung der Netzbetreiber kommen, die von einer Vertragskündigung betroffenen Endverbraucher mittels eingeschriebenem Brief explizit darauf hinzuweisen, rasch einen neuen Energieliefervertrag abzuschließen und eine drohende Abschaltung abzuwenden.
Darüber hinaus soll es bei etwaiger Vertragslosigkeit eine Zuweisung durch die E-Control an einen Versorger geben, damit ein Zeitraum von bis zu drei Monaten
den Übergang zu einem neuen Versorger sichert, um eine sichere und durchgängige Energieversorgung zu gewährleisten.
Um auch für das zweite Halbjahr eine Abfederung der erhöhten Netzkosten zu erreichen, bringe ich nun, aufbauend auf dem zuvor eingebrachten Abänderungsantrag, folgenden Entschließungsantrag ein:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Lukas Hammer, Tanja Graf, Alois Schroll, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Beschaffungskosten Netzverlustenergie“
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie und der Bundesminister für Finanzen wird ersucht, unter Berücksichtigung des europäischen Rechtsrahmens bis 15. April 2023 eine systemische Lösung für das Problem steigender Netzverlustentgelte zu erarbeiten, die sicherstellt, dass die Mehrkosten für die Beschaffung der Netzverlustenergie auch im zweiten Halbjahr 2023 für Stromkundinnen und Stromkunden deutlich verringert werden.“
*****
Ich bitte um Ihre Unterstützung. – Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)
12.51
Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Lukas Hammer, Tanja Graf, Alois Schroll
betreffend Beschaffungskosten Netzverlustenergie
eingebracht im Zuge der Debatte über den Bericht und Antrag des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem
das Bundesgesetz, mit dem die Organisation auf dem Gebiet der Elektrizitätswirtschaft neu geregelt wird (Elektrizitätswirtschafts- und organisationsgesetz 2010 – ElWOG 2010) geändert wird (1898 d.B.)
Begründung
Aufgrund des massiven Anstiegs der Großhandelspreise am Strommarkt sind auch die Kosten für die Beschaffung von Netzverlustenergie signifikant angestiegen (siehe dazu die Ausführungen der E-Control im Begutachtungsentwurf zur Systemnutzungsentgelte-Verordnung 2018 – Novelle 2023). Um die Auswirkungen dieses Preisanstiegs abzufedern, soll unter Berücksichtigung des europarechtlichen Rahmens bis Mitte April 2023 eine systemische Lösung erarbeitet werden, die sicherstellt, dass die erhöhten Beschaffungskosten auch für das zweite Halbjahr 2023 abgefedert werden. Damit soll eine Belastung der Stromkundinnen und Stromkunden über Gebühr vermieden werden.
Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden
Entschließungsantrag
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie und der Bundesminister für Finanzen wird ersucht, unter Berücksichtigung des europäischen Rechtsrahmens bis 15. April 2023 eine systemische Lösung für das Problem steigender Netzverlustentgelte zu erarbeiten, die sicherstellt, dass die Mehrkosten für die Beschaffung der Netzverlustenergie auch im zweiten Halbjahr 2023 für Stromkundinnen und Stromkunden deutlich verringert werden.“
*****
Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher auch mit in Verhandlung.
Nächster Redner: Herr Abgeordneter Johann Höfinger. – Bitte.
12.52
Abgeordneter Johann Höfinger (ÖVP): Geschätzte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich jetzt bei diesem Themenblock auf den Erstredner zurückkommen, Kollegen Schroll von der SPÖ – der mir vielleicht kurz zuhören möge –, der diesen Redeblock begonnen hat und der in seinen Ausführungen, als er seine Rede begonnen hat, folgende Aussage getätigt hat:
Er hat gesagt, es gehe ja heute auch um das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz, das ja wieder einmal die Wirtschaft unterstütze. So weit, „so gut“, und – Originalzitat – „so schlecht“. – Herr Kollege Schroll, diese Aussage disqualifiziert sich von selbst. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)
Wenn es um die Wirtschaft geht, wenn es um die Landwirtschaft geht, so geringschätzig über diese Bereiche zu reden, über diese Menschen, die hart arbeiten, die hohes Risiko auf sich nehmen, die einen großen finanziellen Einsatz leisten, wenn es darum geht, auch die Energieversorgung in diesem Land zu sichern, dann verstehe ich diese Wirtschaftsfeindlichkeit nicht, die Sie hier ständig an den Tag legen. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Lukas Hammer.)
Wenn wir nämlich vom Umbau der Energieversorgung reden, dann müssen wir wissen, dass wir in Österreich einen großen Vorteil haben, weil wir viele verschiedene Formen erneuerbarer Energien haben, die wir umsetzen müssen.
Ja, viele private Haushalte haben Fotovoltaikanlagen errichtet und so weiter, und das hilft uns beim Umbau, wir wissen aber genau, dass wir auch mittlere Anlagen brauchen, dass wir auch große Anlagen brauchen, und da sind es Unternehmer und Landwirte, die ein hohes finanzielles Risiko eingehen, die großes unternehmerisches Risiko eingehen, wenn sie in eine solche Anlage investieren, denn auch eine Kleinanlage kostet immens viel Geld und es besteht noch immer die Gefahr, dass sich diese im Laufe der Zeit nicht rechnet – ich denke da an die Biogasbetreiber, die Pionierarbeit geleistet haben, wenn es darum gegangen ist, diese Energiequelle auch wirklich zu etablieren.
Daher bedarf es unserer Unterstützung jener, die eine hervorragende Leistung erbringen, wenn es um den Umbau geht, und wir brauchen diesen Umbau. Es wurde mit vielen Argumenten heute schon vorgebracht: Es sinkt die Abhängigkeit, es bleibt die Wertschöpfung im Land und vieles, vieles mehr, und mit dem Ausbaugesetz betreffend erneuerbare Energie machen wir einen großen Schritt sowohl in die Kundenfreundlichkeit als auch in die Unterstützung der Unternehmen, die in diese Anlagen investieren.
Es wurde erwähnt: Die Ökostrompauschale wird weiter ausgesetzt, das kommt direkt den Kundinnen und Kunden zugute, aber auch, wenn jemand in eine neue Anlage investiert, bekommt er Unterstützung. Bei den Ökostromanlagen werden wir auch die Schwellenwerte herabsetzen, es wird die Berichtspflicht der Gasanlagenbetreiber verkürzt, aber auch die Wartefrist, wenn es um den Betrieb von Fotovoltaikanlagen geht: Diese wird generell, auch für die Agrarfotovoltaikanlagen, auf 18 Monate verkürzt. Das alles soll helfen, den Umbau rascher erfolgen zu lassen, damit wir wie gesagt auch in diesem Bereich rascher vorankommen.
Vielen herzlichen Dank all jenen, die mitgearbeitet haben, dass wir dieses Paket heute verabschieden können, vielen Dank auch an die anderen Fraktionen für die Zustimmung zu den einzelnen Sektoren.
Ich kann Sie nur einladen, dem gesamten Paket Ihre Unterstützung zu geben. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Abg. Michael Hammer: Bravo!)
12.55
Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Damit ist diese Debatte geschlossen.
Wird seitens der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.
Wie vereinbart verlege ich die Abstimmungen an den Schluss der Verhandlungen über die Vorlagen des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie, und wir fahren in der Tagesordnung fort.
Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über den Tätigkeitsbericht der Bundeswettbewerbsbehörde für das Jahr 2021, vorgelegt vom Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft (III-803/1893 d.B.)
Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen zum 8. Punkt der Tagesordnung.
Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.
Ich begrüße zu diesem Tagesordnungspunkt auch Herrn Bundesminister Martin Kocher im Hohen Haus und erteile als erstem Debattenredner Herrn Abgeordneten Andreas Kühberger das Wort. – Bitte.
Abgeordneter Andreas Kühberger (ÖVP): Frau Präsidentin! Meine geschätzten Herren Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Österreicherinnen und Österreicher! Gemäß § 2 Abs. 4 des Wettbewerbsgesetzes ist die Bundeswettbewerbsbehörde verpflichtet, jährlich einen Tätigkeitsbericht vorzulegen, und heute wird der Tätigkeitsbericht für das Jahr 2021 vorgelegt.
Zu den Aufgaben der Bundeswettbewerbsbehörde: Sie ist ganz wichtig, sie stellt quasi den fairen Wettbewerb hier in Österreich sicher, und wenn es irgendwelche Wettbewerbsverzerrungen gibt, schaut sie, dass diese beseitigt werden, aber sie kontrolliert natürlich auch, wenn sich Unternehmen zusammenschließen, und wichtig sind auch Prävention und Information.
Meine Damen und Herren, wir haben ja heute viel gehört auch zu den Problemen betreffend Energie und auch Kostensteigerung, und ich möchte da kurz etwas ansprechen. Wir leben hier ja in einer freien Marktwirtschaft und wir brauchen Regeln – diese werden quasi von der Bundeswettbewerbsbehörde überprüft –,
damit der Wettbewerb funktioniert. Schauen wir aber in andere Länder, zum Beispiel nach Ungarn, die jetzt eigentlich die Planwirtschaft leben – ich denke da vor allem an den Spritpreisdeckel, den die Freiheitliche Partei, aber auch die SPÖ gefordert haben –, liebe Kolleginnen und Kollegen, schauen Sie bitte einmal, was dort passiert! (Ruf bei der SPÖ: Geh, gar nichts ist passiert!) Dort herrscht das Chaos! Tausende Autos stehen bei Tankstellen. Es gibt teilweise nur eine Abgabe von 2, 3 Litern, man fährt in Nachbarländer. (Ruf bei der SPÖ: Billig tanken können Sie!) – Ja, Herr Kollege Lercher, Sie sind nachher ohnehin dran. Sie nicken da. Ich bin schon gespannt: Hätten Sie diese Zustände bei uns auch haben wollen? Das glaube ich nicht, oder?
Aber jetzt komme ich zum Punkt, meine Damen und Herren: Wir haben sehr viele Maßnahmen umgesetzt, und gestern, wenn Sie sich erinnern, haben wir vor allem die Zufallsgewinnbesteuerung beschlossen, mit der wir dann auch viele Maßnahmen finanzieren können. Die Zufallsgewinnbesteuerung sei hier noch einmal kurz erklärt: Es ist ja so, dass wir in Österreich einige Krisengewinner haben – einige wenige –, die große Gewinne erzielen, und mit dieser können wir die jetzt abschöpfen und Maßnahmen finanzieren, die nachhaltig sind, die nachhaltig sind für die Versorgungssicherheit, aber auch für die Leistbarkeit.
Wir haben schon viele Maßnahmen umgesetzt: Ich denke da an den Energiekostenzuschuss, an den Klima- und Teuerungsbonus, an die Pendlerpauschale – 50 Prozent Erhöhung –, an die Vervierfachung des Pendlerbonus, die Abschaffung der kalten Progression – ich könnte jetzt wahrscheinlich noch einige Zeit über die gesetzten Maßnahmen reden. Wir haben sehr viel getan, und das ist auch sehr wichtig, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)
Übrigens, liebe SPÖ: In Deutschland ist es auch nicht viel besser. Dort haben sie über 30 Milliarden Euro hineingebuttert, und zwei Tage war der Sprit ein bisschen billiger, und dann sind die Nachbarn auch wieder nach Oberösterreich zum Beispiel – das werden Sie draußen hören – tanken gefahren, weil es dort billiger war. Das ist verpufft, und dort gibt es einen roten Kanzler. (Präsident Hofer übernimmt den Vorsitz.)
Bei uns ist das anders! Und warum komme ich jetzt auf das? – Weil genau die Bundeswettbewerbsbehörde im März dieses Jahres hier auch die Spritkosten überprüft hat. Meine Damen und Herren, ja, die sind sehr stark gestiegen. Das haben alle gespürt: die Konsumentinnen und Konsumenten, die Betriebe. Diese Branche ist also überprüft worden, und es ist keine Kartellierung festgestellt worden. Was man aber gesehen hat: Die Margen sind sehr stark gestiegen, vor allem für die Raffinerien und teilweise auch für die Tankstellen. Darum, glaube ich, ist diese Abschöpfung sehr wichtig.
Jetzt noch kurz zum Tätigkeitsbericht: Ja, der ist sehr umfangreich. Das Jahr 2021 war durch Corona gekennzeichnet, aber trotzdem hat es in dieser Zeit sehr viele Aktivitäten von der BWB gegeben, zum Beispiel 21 Hausdurchsuchungen, über 25 Millionen Euro an Geldbußen wurden verhängt, dann hat es 78 Whistleblowermeldungen gegeben. Daran sieht man, das ist auch sehr gut angenommen worden. 2018 ist das eingeführt worden, und 2021 gab es laut Bericht eigentlich einen Rekordwert. Von diesen 78 Meldungen werden 27 noch intensiv geprüft, sieben Ermittlungen wurden eingeleitet, zwei wurden schon an zuständige Behörden übermittelt.
Wie ich vorhin gesagt habe, hat es diese Überprüfungen von Zusammenschlüssen natürlich auch gegeben. National waren es über 653 Überprüfungen und im EU-Zusammenspiel waren es 452.
Meine Damen und Herren, die Bundeswettbewerbsbehörde ist eigentlich international sehr gut aufgestellt – das sieht man auch im Bericht –, und auch die Finanzierung ist sehr positiv. Wir haben ja auch das Budget erhöht. Dieser Tätigkeitsbericht zeigt auch auf, wie wichtig diese Einrichtung für eine funktionierende Marktwirtschaft und vor allem für einen fairen Wettbewerb ist. Das, glaube ich, ist für die Menschen in unserem Österreich sehr wichtig. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)
13.01
Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Abgeordneter Maximilian Lercher. – Bitte, Herr Abgeordneter.
Abgeordneter Maximilian Lercher (SPÖ): Geschätzter Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ja, Kollege Kühberger, du hast recht: Die Bundeswettbewerbsbehörde ist eine unglaublich wichtige Einrichtung, weil sie gerade in der Krise zeigt, wo der Markt nicht funktioniert. (Zwischenruf des Abg. Stocker.) Die Frage ist nur: Was tut man damit? Was ist die politische Ableitung, wenn uns die Bundeswettbewerbsbehörde zeigt, dass es nicht funktioniert? – Da passiert nämlich nichts. Die ÖVP ist nicht bereit, dort in den Markt einzugreifen, wo er für die vielen versagt. Das ist das Problem. Das zeigt uns die Bundeswettbewerbsbehörde auf, und deswegen ist sie so unglaublich wichtig.
Ich sage Ihnen ganz ehrlich, Sie haben es auch angesprochen (Abg. Kühberger: Was ist mit Ungarn?), bei den Raffinerien war der Punkt, dass unglaubliche Margen verlangt wurden, aber die Politik hat nicht unterbunden, dass diese Margen auf Kosten der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler gemacht werden (Abg. Kühberger: Was ist mit Ungarn?) – und das ist nicht unser Verständnis von Markt. Dort muss Politik eingreifen, wo der Markt versagt, und der versagt heutzutage angesichts dieser Krise immer öfter. Die Bundeswettbewerbsbehörde ist genau deswegen zu stärken.
Ich komme zum Punkt, Herr Minister: Wenn wir dann lesen, dass die Bundeswettbewerbsbehörde, die im Moment eine hervorragende Chefin hat, so glaube ich, jetzt mit einem Parteigünstling besetzt werden soll, dann ist das für die politische Kultur in Österreich alles andere als gut, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.) Dann sind Sie – die Sie das auch immer betonen – als unabhängiger Minister gefordert, da darauf zu achten, dass Qualität vor Parteibuch geht, Herr Minister. (Abg. Hanger – erheitert –: Das sagt ein Roter! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)
Ich sage Ihnen ganz ehrlich – da können wir alle darüber diskutieren, meine sehr verehrten Damen und Herren der ÖVP –, auch wir haben in der Vergangenheit Fehler gemacht. Die Frage ist: Was lernt man aus Fehlern? – Ihr lernt nämlich nichts (Zwischenrufe bei der ÖVP), ihr redet gern von der politischen Kultur, aber ihr ändert nichts daran. (Abg. Hanger: Red einmal mit deinen Wiener Kollegen! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ihr redet gerne von der politischen Kultur hier in Österreich, aber wer hat denn die geschaffen? – Die ÖVP. (Rufe bei der ÖVP: Ja, ja!)
Ihr habt die strukturellen Probleme und redet nicht darüber. Eure Taktik ist, alle anderen auch mit Dreck zu bewerfen, damit nur ja etwas hängen bleibt. (Abg. Ottenschläger: Das macht schon ihr! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Aber so sind wir nicht! Der Punkt ist der: Wenn die ÖVP Demokratie erhalten will, wenn die ÖVP Wert auf Demokratie legt, dann müsst ihr euch ändern, damit die Menschen wieder mehr Vertrauen haben. (Abg. Ottenschläger: Also wer schmeißt da mit Dreck herum? – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Nehmt deswegen bitte Abstand von irgendwelchen parteipolitischen Besetzungen (Abg. Hanger: Red einmal mit deinen Kollegen!) und achtet darauf, dass diese Behörde, die so wichtig für unser Land ist, weiterhin funktionieren kann! – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Loacker. – Zwischenruf bei der ÖVP.)
13.05
Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Erwin Angerer. – Bitte, Herr Abgeordneter.
Abgeordneter Erwin Angerer (FPÖ): Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren! Ja, es war authentisch, was Kollege Max Lercher jetzt so von sich gegeben hat, was das Parteibuch betrifft. Wir Kärntner können ein Lied davon singen, dass das rote Parteibuch in Kärnten über Jahrzehnte über allem gestanden ist. (Abg. Krainer: Das kann ja nicht sein, wir waren ja über Jahre nicht an der Regierung!) Wir sind auch wieder auf dem besten
Weg in die rote Parteibuchwirtschaft im Kärntnerland – leider, leider! (Beifall bei der FPÖ.)
Aber jetzt zum Thema der Bundeswettbewerbsbehörde: Herr Minister, Sie betonen ja immer Ihre Nichtmitgliedschaft bei der ÖVP. Andere haben ihre Mitgliedschaft zurückgegeben oder sind mittlerweile ausgeschlossen worden. Die Bundeswettbewerbsbehörde – und auch in dem Punkt stimme ich mit Max Lercher überein – ist eine ganz wichtige Behörde und ist vor allem in Zeiten wie diesen eine ganz wichtige Behörde. Wir müssen uns auch noch an das letzte Jahr erinnern – und damals haben wir es Gott sei Dank geschafft, das zu verhindern –, als Herr Kollege Wöginger mit der ÖVP die Bundeswettbewerbsbehörde an die kurze Leine nehmen und eine Berichtspflicht an das Wirtschaftsministerium einführen wollte, sodass die Wettbewerbsbehörde die Wirtschaftsministerin oder den Wirtschaftsminister vielleicht hätte informieren müssen, bevor irgendwo Hausdurchsuchungen, die oft einmal leider notwendig sind, da man den Markt beobachtet und sich den Markt anschaut, stattfinden.
Es gibt ja genug Schlagzeilen über Branchen, wo die Wettbewerbsbehörde schon zugeschlagen hat, sage ich jetzt einmal. Ob es der Baubereich mit Kartellabsprachen war, ob es jetzt aktuell im Pelletsbereich ist, ob es bei Kraftstoffen ist, ob es in der Lebensmittelbranche ist, ob es im Strommarkt ist: Die Wettbewerbsbehörde beobachtet das gerade Gott sei Dank sehr genau und schreitet auch ein, wenn es notwendig ist. Deshalb ist diese Unabhängigkeit und vor allem das Funktionieren dieser Wettbewerbsbehörde so wichtig.
Da sollte man – Herr Minister, jetzt der Appell an Sie – eben diesen Parteibuchwirtschaftskrieg, sage ich jetzt einmal, zwischen Grün und Schwarz beenden. Sie sind unabhängiger Minister, Sie sind bei keiner Partei, Sie sind niemandem verantwortlich, also nur sich selbst und dem österreichischen Volk. Beenden Sie also den Streit mit der Besetzung dieser Stelle! Frau Natalie Harsdorf-Borsch, die jetzt seit fast zwei Jahren dort im Einsatz ist und Herrn Thanner nachgefolgt ist, ist eine perfekte Besetzung, hat auch die perfekten Voraussetzungen, macht das schon seit zwei Jahren gut. Sie könnten diesen
Streit beenden. In diesem Sinne: Machen Sie sich bitte für eine unabhängige Wettbewerbsbehörde stark, Herr Minister! – Danke. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf bei der ÖVP.)
13.07
Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Dr.in Elisabeth Götze. – Bitte, Frau Abgeordnete.
Abgeordnete Dr. Elisabeth Götze (Grüne): Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Herren Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Wir sind uns einig, Wettbewerb ist wichtig für uns im Land, für die Konsumentinnen und Konsumenten, weil ein fairer Wettbewerb faire Preise garantiert. Auch für die Unternehmer ist ein fairer Wettbewerb wichtig, weil sonst die im Vorteil sind, die Absprachen treffen. Deswegen gibt es die Bundeswettbewerbsbehörde. Sie wurde übrigens vor 20 Jahren gegründet, also wir feiern 20 Jahre BWB.
Wir diskutieren heute deren Tätigkeitsbericht. Ich möchte kurz dazu sagen: Es wurden über 1 000 Fusionen, also Zusammenschlüsse von Unternehmern, geprüft. Es wurde im vergangenen Jahr auch eine Untersuchung zur Arzneimittelversorgung gemacht. Das ist ein Riesenthema, gerade während der Coronapandemie. Wenig erfreulich ist, dass sich die Arzneimittelknappheit in Europa sehr verstärkt hat. Das ist also ein Grund, weshalb wir bei Arzneimitteln sorgfältiger sein müssen. Das haben wir ja im vorherigen Tagesordnungspunkt diskutiert, ich möchte daher jetzt nicht mehr darauf eingehen.
Die BWB gibt immer wieder Empfehlungen ab, beispielsweise fordert sie im Rahmen einer Branchenuntersuchung zur E-Ladeinfrastruktur, dass die Tarife transparent bei den Elektrotankstellen ausgewiesen werden. Das ist auch etwas, was kommen wird.
Betreffend Baukartell: Das ist ein noch immer aktueller Fall. Er ist schon seit 2017 anhängig und zeigt, wie wirksam die BWB agiert. Sie hat massive Strafen wegen eines Baukartells in Österreich verhängt. Beispielsweise hat Porr 62 Millionen Euro Strafe zu zahlen gehabt, aber auch Strabag, Swietelsky und einige mehr sind in Diskussion beziehungsweise müssen Strafen zahlen. Übrigens, das Budget zahlt ins allgemeine Budget ein und kommt damit wieder der Bevölkerung zugute. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Es gab auch weniger spektakuläre Untersuchungen wie zum Beispiel eine Preisbindung – oder ein Preiskartell, kann man sagen – bei Schultaschen. Wenn Sie sich beim Schultaschenkauf gewundert haben, warum diese so teuer waren, dann kann es auch daran gelegen sein. Ich habe kürzlich mit einem Cafetier gesprochen, der sich beklagt hat, dass Zucker so teuer geworden ist, und ich habe ihn darauf hingewiesen: Auch da gab es ein Kartell, das die BWB unter anderem untersucht und aufgedeckt hat.
Also: Sehr wertvolle Arbeit, aber trotzdem zu wenig Budget für die BWB, und ich freue mich sehr, dass es gelungen ist, das zu ändern. Zu wenig Budget heißt, das Regelbudget der BWB war sehr niedrig, sie konnte damit gerade ihre Personalkosten decken. Der Rest, also Infrastruktur et cetera bis zu IT, musste immer wieder durch ein Zusatzbudget abgedeckt werden, das über Antrag vom Finanzminister genehmigt wurde. Antrag deswegen: Damit konnte die BWB einen Teil dieser Pönalen, die sie verhängt hat, wieder zurückbekommen. Das ist nicht sehr effizient, und daher freue ich mich, dass das Budget im kommenden Jahr wirklich massiv aufgestockt wurde. Ich nenne die Zahl von 3,36 Millionen Euro – um 2,4 Millionen erhöht. Das ist wirklich substanziell, danke auch dafür! (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Ottenschläger.)
Zur Bestellung eines neuen Generaldirektors, einer neuen Generaldirektorin möchte ich nur kurz sagen: Es ist auch ein guter Zeitpunkt, Dr. Thanner Danke zu sagen, der – jetzt muss ich nachrechnen –, ich glaube, 14 oder 15 Jahre an
der Spitze der BWB stand und großartige Arbeit geleistet hat. Das hat, glaube ich, auch dieser Tätigkeitsbericht gezeigt.
Seine interimistische Nachfolgerin ist Frau Dr.in Harsdorf-Borsch. Sie ist auch international anerkannt – sie hat für ihre großartige Arbeit auch Preise gewonnen –, und im Ausschuss hat Kollege Angerer gesagt: Es wäre doch gut, eine unpolitische Entscheidung zu treffen und einfach die interimistische Leiterin zur Generaldirektorin zu bestellen! – In diesem Fall stimme ich Ihnen sogar einmal zu. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
13.12
Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Mag. Gerald Loacker. – Bitte, Herr Abgeordneter.
Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrte Herren Minister! Ja, dieser Bericht der Bundeswettbewerbsbehörde wird heute auf Verlangen unserer Fraktion diskutiert, und es ist schon dargelegt worden: Die Wettbewerbsbehörde leistet einen wichtigen Beitrag zu einer funktionierenden Marktwirtschaft, zu fairen Marktbedingungen für alle Marktteilnehmer. Eine funktionierende Behörde braucht aber auch eine klare Leitung, und diese Klarheit über die Leitung fehlt seit Langem.
Offensichtlich ist die Arbeit, die die BWB erbringt, eine gute, sonst würde man nicht das Budget erhöhen. Für die Arbeit der BWB ist seit eineinhalb Jahren Frau Harsdorf-Borsch als interimistische Leiterin verantwortlich, und sie hat sich auf die Stelle der Generaldirektorin beworben. Die Bestellungskommission wird allerdings von einem persönlichen Freund eines Kandidaten aus dem ÖVP-Lager präsidiert. Dieser persönliche Freund sagt, er könne Freundschaft und Geschäft auseinanderhalten, und sieht sich nicht befangen. Das ist ein eigenartiges Verständnis von Befangenheit. Die Personalvertretung hat – welch Zufall! – die Gattin des ÖVP-Kandidaten in die Bestellungskommission entsandt – das war
dann sogar der ÖVP zu viel des Guten –, diese hat dann gesagt: Ich bin befangen!, und ist wieder ausgeschieden.
Jetzt hängen die Kandidaten da in diesem Verfahren, und der Herr Minister hat bei einem deutschen Experten ein Gutachten über die Bewerbungen in Auftrag gegeben. Das Gutachten, geschätzte Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, dürfen Sie bezahlen, aber Sie sehen es nicht. Wir sehen es auch nicht. Warum wird dieses Gutachten geheim gehalten? Ist vielleicht nicht das herausgekommen, was hätte herauskommen sollen? (Beifall bei den NEOS.) Ist vielleicht herausgekommen, dass Frau Harsdorf-Borsch das ganz gut macht und mindestens so qualifiziert wie ihr Mitbewerber ist, der nämlich aus dem Vergaberecht und nicht aus dem Kartell- und Wettbewerbsrecht kommt?
Nun, jetzt sind vier von fünf Parteien der Meinung, es wäre eine klare Sache, dass Frau Harsdorf-Borsch das macht. Es gibt aber eine Partei, die die Parteiinteressen in den Vordergrund stellt, um eine Kandidatin auszubooten, damit es einer von den eigenen wird. – Das ist Politik im ganz, ganz, ganz alten Stil (Beifall bei den NEOS) und ich habe große Sorge, dass die ÖVP aus den Chats und aus den Jobschiebereien der letzten Jahre nichts gelernt hat. (Beifall bei den NEOS. – Zwischenruf der Abg. Doppelbauer.)
13.15
Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet hat sich nun Herr Bundesminister Dr. Martin Kocher. – Bitte schön, Herr Bundesminister.
Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft Mag. Dr. Martin Kocher: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Hohes Haus! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Es freut mich sehr, dass alle Rednerinnen und Redner die Wichtigkeit der Bundeswettbewerbsbehörde betont haben. Ich halte sie gerade in Zeiten von Teuerung und geopolitischen Herausforderungen für eine ganz wichtige Institution in Österreich, die fairen Wettbewerb herstellt,
Marktmacht auch zum Vorschein bringt, Fusionen kontrolliert und damit insgesamt die Wirtschaft stärker macht, vor allem aber natürlich auch Konsumentinnen und Konsumenten vor Wettbewerbsmangel schützt. Ich glaube, es ist ganz wichtig, das dazuzusagen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)
Ich möchte die Gelegenheit nutzen – das haben auch einige gemacht –, mich auch persönlich bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Wettbewerbsbehörde zu bedanken. Sie haben keine einfache Aufgabe. Es gibt dort 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die zu 80 Prozent Akademikerinnen und Akademiker sind, die ein relativ breites Aufgabenspektrum abzudecken haben und natürlich auch mit Wettbewerbsbehörden in anderen Ländern kooperieren müssen.
Glücklicherweise, darüber bin ich auch sehr froh, werden sie im nächsten Jahr eine Aufstockung ihres Budgets um 2,4 Millionen Euro erfahren – im Regelbudget, es gibt auch noch das Budget aus den Strafen heraus – und damit ihre Aufgaben, die angesichts verschiedener Änderungen im Kartellrecht auch nicht weniger werden, gut erfüllen können. Es gab ein Kartell- und Wettbewerbsrechts-Änderungsgesetz 2021, und es gibt auch auf europäischer Ebene immer wieder Änderungen, die wichtig sind, um eben am Puls der Zeit zu bleiben, was ich ja für sehr wichtig halte. 2021 wurde die explizite Berücksichtigung der Nachhaltigkeit eingeführt und auch die völlige Unabhängigkeit der Vollziehung für die Bundeswettbewerbsbehörde gesichert – zwei Dinge, die sehr, sehr wichtig sind.
Auf europäischer Ebene gibt es im Rahmen des Wettbewerbsrates auch immer wieder Diskussionen über die Modernisierung des europäischen Wettbewerbsrechts. Da geht es auch um die langfristige Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit Europas. Das wird in nächster Zeit angesichts der Entwicklungen noch viel wichtiger sein.
Ich appelliere nochmals an alle Parteien – ich habe das auch schon im Ausschuss gemacht –, angesichts der Besetzung der Leitung dieser Behörde von tagespolitischen und parteipolitischen Diskussionen Abstand zu nehmen. Die Wettbewerbsbehörde ist eine zu wichtige Behörde, um das auf diese Ebene zu ziehen. Ich werde mich weiter für eine gute Besetzung einsetzen und weiter alles tun, dass die Wettbewerbsbehörde ihren Aufgaben nachkommen kann. Sie tut das voll funktionsfähig. Es gibt so viele Berichte wie schon lange nicht mehr, einige wurden ja genannt – Marktprüfungen –, und ich glaube, es ist in unser aller Interesse, dass die Bundeswettbewerbsbehörde ungestört und gut arbeiten kann. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)
13.19
Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.
Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.
Wie vereinbart verlege ich die Abstimmungen an den Schluss der Abstimmungen über die Vorlagen des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie.
Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir kommen nun zu den verlegten Abstimmungen über die Tagesordnungspunkte 3 bis 8, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.
Wünschen die Klubs eine Unterbrechung? – Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Graf, Hammer, Kolleginnen und Kollegen, den Antrag 2979/A der Abgeordneten Litschauer, Graf, Kolleginnen und Kollegen – TOP 5 – an den Ausschuss für Wirtschaft, Industrie und Energie rückzuverweisen.
Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Antrag zustimmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen. Damit entfällt jetzt die Abstimmung über die Vorlage selbst.
Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 3: Entwurf betreffend Investitionskontrollgesetz, samt Titel und Eingang in 1894 der Beilagen.
Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mehrheitlich angenommen.
Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.
Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.
Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 4: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bilanzbuchhaltungsgesetz und das Wirtschaftstreuhandberufsgesetz geändert werden, samt Titel und Eingang in 1895 der Beilagen.
Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.
Wir kommen zur dritten Lesung.
Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist einstimmig. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.
Da der Rückverweisungsantrag zu TOP 5 vorhin angenommen wurde, entfällt die Abstimmung dazu.
Wir gelangen nun zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 6: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz geändert wird, samt Titel und Eingang in 1897 der Beilagen.
Da der vorliegende Gesetzentwurf Verfassungsbestimmungen enthält, stelle ich zunächst im Sinne des § 82 Abs. 2 Z 1 der Geschäftsordnung die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der verfassungsmäßig vorgesehenen Anzahl der Abgeordneten fest.
Ich bitte nunmehr jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf zustimmen, um ein bejahendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.
Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.
Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Auch das ist einstimmig. Der Gesetzentwurf ist somit angenommen. Ich stelle ausdrücklich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.
Wir gelangen nun zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 7: Entwurf betreffend Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz, in 1898 der Beilagen.
Hiezu haben die Abgeordneten Tanja Graf, Lukas Hammer, Alois Schroll, Kolleginnen und Kollegen einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag eingebracht.
Ich werde daher zunächst über die vom erwähnten Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.
Da sowohl der vorliegende Gesetzentwurf als auch der erwähnte Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag Verfassungsbestimmungen enthalten, stelle ich zunächst im Sinne des § 82 Abs. 2 Z 1 der Geschäftsordnung die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der verfassungsmäßig vorgesehenen Anzahl der Abgeordneten fest.
Die Abgeordneten Tanja Graf, Lukas Hammer, Alois Schroll, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag betreffend Einfügung einer neuen Ziffer 1 und Umnummerierung der bisherigen Ziffer 1 sowie Einfügung der Ziffern 1b, 1c und 3 bis 5 eingebracht.
Wer hiefür ist, den ersuche ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mehrheitlich angenommen. Ich stelle ausdrücklich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.
Schließlich kommen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes.
Wer dafür ist, den ersuche ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mehrheitlich angenommen. Auch da stelle ich ausdrücklich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.
Wir kommen zur dritten Lesung.
Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen. Ausdrücklich stelle ich wiederum die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.
Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „gesetzeskonforme Grundversorgungstarife bei Energielieferanten in Österreich“.
Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Lukas Hammer, Tanja Graf, Alois Schroll, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Beschaffungskosten Netzverlustenergie“.
Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit, der Antrag ist angenommen. (283/E)
Wir kommen jetzt zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 8: Antrag des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie, den Tätigkeitsbericht der Bundeswettbewerbsbehörde für das Jahr 2021, vorgelegt vom Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft, III-803 der Beilagen, zur Kenntnis zu nehmen.
Ich bitte jene Damen und Herren, die für dessen Kenntnisnahme eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.
Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 2997/A der Abgeordneten August Wöginger, Mag. Markus Koza, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Nachtschwerarbeitsgesetz und Art. V des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 473/1992 geändert werden (1821 d.B.)
10. Punkt
Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 2717/A der Abgeordneten August Wöginger, Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundespflegegeldgesetz geändert wird (1824 d.B.)
11. Punkt
Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 2424/A(E) der Abgeordneten Mag. Christian Drobits, Kolleginnen und Kollegen betreffend Pflege und Betreuung ist Schwer(st)arbeit (1830 d.B.)
12. Punkt
Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 1792/A(E) der Abgeordneten Fiona Fiedler, BEd, Kolleginnen und Kollegen betreffend
Automatische Fotoimplementierung bei Beantragung eines Behindertenpasses aus nationalen Datenbanken (1831 d.B.)
Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen nun zu den Punkten 9 bis 12 der Tagesordnung, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.
Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.
Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Josef Muchitsch. – Bitte, Herr Abgeordneter.
Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir diskutieren nun die Tagesordnungspunkte 9 bis 12 mit den Themen Pflege, Schwerarbeit und Sonderbetreuungszeit.
Ich möchte zum Bereich Pflege Stellung nehmen. Die Regierung hat am 12. Mai 2022 die größte Pflegereform der vergangenen Jahrzehnte verkündet. Das (ein Schriftstück in die Höhe haltend) war damals, am 12. Mai, die Medieninformation. Ziel war es, mit dieser angekündigten Reform eine Aufwertung und Anerkennung der Beschäftigten in den Pflege- und Gesundheitsberufen zu erwirken. Durch höhere Gehälter sollten endlich auch mehr Menschen ermutigt werden, diesen fordernden Beruf zu ergreifen. Andererseits gab es auch das Ziel, eine Anerkennung der Leistung der pflegenden Angehörigen, ohne die unser Pflegesystem schon längst zusammengebrochen wäre, zum Ausdruck zu bringen.
Der Gesundheitsminister stellte damals einen durchschnittlichen Bonus in der Höhe eines Monatsgehalts in Aussicht, mit der Ergänzung: Es soll einen spürbaren Nettoeffekt haben. Insgesamt 1 Milliarde Euro wurde für diese Pflegereform angekündigt. Nicht nur, dass diese Maßnahme für lediglich zwei Jahre gesichert ist – niemand weiß, was danach passiert, was auch ein Etikettenschwindel ist –, diese 1 Milliarde Euro kommt nicht bei den in der Pflege tätigen Menschen an. Ich werde Ihnen sagen, warum diese Milliarde nicht ankommt.
Sieben Monate später steht nun fest, was die Beschäftigten und Angehörigen des Pflegebereichs dieser Regierung tatsächlich wert sind. Beginnen wir mit den Beschäftigten in den Pflege- und Gesundheitsberufen: 2 000 Euro brutto, von denen den Empfängern die Arbeitgeberabgaben abgezogen werden. Wir haben sehr viele kritische Mails bekommen – Sie von den Regierungsparteien sicher auch (Abg. Loacker: Da sind vielleicht die Abgaben zu hoch!) – mit Lohnzetteln, Gehaltszetteln, die die Menschen uns schicken, die zeigen, was jetzt tatsächlich netto herauskommt. Zwischen 720 Euro und 1 200 Euro netto bleiben übrig. Von den 520 Millionen Euro, die Sie angekündigt haben, fließt also fast die Hälfte in Form von Steuern und Abgaben wieder an den Staat und an die Sozialversicherungsträger zurück.
Das ist keine Pflegemilliarde. Das ist einfach eine Verhöhnung all jener Menschen, denen Sie in Aussicht gestellt haben, ein höheres Einkommen zu erhalten. (Beifall bei der SPÖ.)
Die Leute draußen verstehen nicht, warum ein Vorstandsvorsitzender 2 000 Euro netto an Teuerungsbonus bekommt und die Menschen in der Pflege lediglich 700 bis 1 200 Euro netto verdienen.
Das zweite Schlimme ist: Nicht alle Berufsgruppen im Pflege- und Gesundheitsbereich erhalten diesen Bonus. Herr Bundesminister, haben Sie da bewusst Berufsgruppen ausgeklammert oder haben Sie sie einfach vergessen? War es gewollt, sie da nicht hineinzutun? Was antworten Sie den Beschäftigten im Pflege- und Betreuungsbereich, welche den Bonus nicht erhalten?
Da gibt es Kolleginnen und Kollegen, die nebeneinander im gleichen Raum, am gleichen Ort zur gleichen Zeit arbeiten: Die OP-Schwester bekommt einen Pflegebonus, der OP-Assistent bekommt diesen nicht, obwohl sie nebeneinander arbeiten. – Das passt nicht zusammen, das verstehen die Menschen nicht. Deshalb werden wir, die SPÖ, heute einen Antrag einbringen, in dem wir 2 000 Euro brutto für netto für das Pflegepersonal fordern. – Punkt eins. (Beifall bei der SPÖ.)
Weiters fordern wir darin die Aufnahme aller Berufsgruppen im Gesundheits- und Betreuungsbereich in den Bezieher:innenkreis – also den Bonus für alle Beschäftigten, die sich diesen Bonus verdient haben.
Und wissen Sie, was auch ein bisschen wehtut? – Wichtige Vorschläge der SPÖ werden von Ihnen nicht angenommen, sie werden von Ihnen abgelehnt. Arbeiten in der Pflege ist Schwerarbeit. Warum lehnen Sie unseren Antrag ab? Arbeiten in der Pflege ist Schwerarbeit! Die Grünen sagen: Das schaffen die Leute sowieso nicht! – Eine super Werbung für diesen Beruf! – Die NEOS sagen: Das schaffen dann zu viele Leute! Da bleiben sie vielleicht im Job und gehen dann früher in Pension! – Und die ÖVP schweigt zu diesem Thema.
Was auch wehtut: Auch bei der Anhebung des Kilometergeldes gerade für die Beschäftigten in den mobilen Diensten, die mit ihren Privat-Pkw von Haus zu Haus fahren und Menschen pflegen, haben Sie gestern dagegengestimmt. Das tut eigentlich weh.
Nun zum Angehörigenbonus: Wie schaut dieser Bonus für pflegende Angehörige aus? – Nicht alle 800 000 pflegenden Angehörigen werden von diesem Bonus erfasst, sondern nur ein Viertel. 75 Prozent der pflegenden Angehörigen bekommen diesen Angehörigenbonus nicht. Warum? – Er gilt nur für pflegende Angehörige im gemeinsamen Haushalt; er gilt erst ab Pflegestufe 4, obwohl wir immer gesagt haben, er soll mindestens ab Pflegestufe 3 gelten; man muss mindestens ein Jahr Pflege nachweisen; und das Einkommen der pflegenden Angehörigen darf 1 500 Euro netto nicht übersteigen.
Wie schaut diese Anerkennung konkret aus? – Die Angehörigen, die diese Kriterien dann noch erreichen, erhalten sage und schreibe 1 500 Euro im Jahr, 125 Euro im Monat, 4 Euro pro Tag für die Pflege ihres Angehörigen ab der Pflegestufe 4. Das ist eine Verhöhnung, das ist keine Anerkennung, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das kann nicht das Ziel sein. (Beifall bei der SPÖ.)
Zusammenfassend: Egal ob bei den Pflegeberufen oder auch bei den pflegenden Angehörigen: Nicht alle bekommen etwas, und diejenigen, die etwas bekommen, bekommen eindeutig zu wenig. Das ist keine Wertschätzung, meine sehr geehrten Damen und Herren. Das ist weder eine Anerkennung noch eine Abgeltung der Leistung, die sie tagtäglich erbringen, sondern das sind Almosen. Das, was Sie hier tun, ist kein Mittel, um den Pflegenotstand in Österreich zu beseitigen. Das, was Sie hier machen, ist keine Pflegereform, das ist ein Pflegepfusch. (Beifall bei der SPÖ.)
13.33
Präsident Ing. Norbert Hofer: Ich darf nachholen, Herrn Bundesminister Johannes Rauch bei uns im Parlament zu begrüßen. (Abg. Michael Hammer: Er ist zwar schon ein Neichtl da!) – War er schon vorher länger da? (Heiterkeit des Abg. Michael Hammer.) – Das habe ich übersehen, weil ich neu am Vorsitz bin.
Ich bitte nun Bedrana Ribo ans Rednerpult. – Bitte, Frau Abgeordnete.
Abgeordnete Bedrana Ribo, MA (Grüne): Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Liebe Kolleg:innen! Liebe Zuseher:innen auf der Galerie und natürlich auch zu Hause vor den Bildschirmen! Heute beschließen wir – ich hoffe, mit einer großen Mehrheit, vielleicht sogar einstimmig – drei weitere große Bausteine der Pflegereform. Es sind drei Maßnahmen, die Wertschätzung ausdrücken, die finanzielle Entlastung, aber auch psychische Entlastung für die Menschen in der Pflege bringen.
Die erste Maßnahme ist die Entlastungswoche, die sogenannte sechste Urlaubswoche für alle ab dem 43. Lebensjahr. Die Wahrheit, die traurige Wahrheit ist, dass knapp zwei Drittel der Menschen, die in der Pflege tätig sind, angeben, dass es sehr unwahrscheinlich ist, dass sie bis zur Pensionierung in diesem Beruf bleiben möchten oder bleiben können. Das ist ein Alarmsignal, dem müssen wir entgegenwirken, und das tun wir. In Zukunft gilt für alle Pflegekräfte – egal in
welchem Bundesland, egal unter welchem Kollektivvertrag, egal in welchem Betrieb, egal wie lange im Betrieb, egal ob Quereinsteiger:in oder nicht –: Ab dem 43. Lebensjahr gibt es sechs Wochen Urlaub im Jahr. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Die zweite Maßnahme betrifft die Nachtgutstunden. In Zukunft sollen alle Menschen in Einrichtungen der stationären Langzeitpflege Nachtgutstunden bekommen. Bis jetzt war das in einigen Ländern nicht der Fall – das wird jetzt korrigiert, das wird jetzt richtiggestellt.
Allein diese zwei Maßnahmen, das heißt die sechste Urlaubswoche und die Nachtgutstunden, bringen Entlastung für die Menschen in der Pflege, aber auch Planungssicherheit für die Betriebe der Pflege. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Gödl.)
Die nächste Maßnahme: der Angehörigenbonus. Ab dem Jahr 2023, ab Mitte 2023 bekommen Menschen, die nahe Angehörige mit Pflegestufe 4 und höher pflegen, pro Jahr 1 500 Euro. Voraussetzung ist, dass diese Menschen selbst nicht mehr als 1 500 Euro pro Monat verdienen.
Ich weiß selbst aus eigener Erfahrung, dass es nicht sehr einfach ist, in der Familie oder im nahen Umfeld jemanden zu pflegen. Pflegende Angehörige, das hat auch Kollege Muchitsch gesagt, sind eine wichtige Säule in unserer Gesellschaft, in der Pflegelandschaft, und ohne die pflegenden Angehörigen würde das System in Österreich zusammenbrechen. Gerade deshalb ist es wichtig, dass wir ihnen gegenüber Wertschätzung ausdrücken. Es ist leider bis jetzt so gewesen, dass die Arbeit der pflegenden Angehörigen nicht nur auf politischer Ebene, sondern auch in der Gesellschaft nicht immer so wahrgenommen wird, wie sie es eigentlich verdient. Mit diesem Angehörigenbonus wird das geändert. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Ich werde später dazu auch einen Abänderungsantrag einbringen.
Ich muss aber natürlich auch auf die Ausführungen meines Vorredners Kollegen Muchitsch eingehen, die mich ein bisschen verärgern, muss ich ganz ehrlich sagen, besonders eben aufgrund der Art und Weise, wie die Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ mit der Pflegereform umgehen (Ruf bei der SPÖ: Was für eine Reform?), obwohl sie sehr lange die Möglichkeit hatten, in diesem Bereich selber tätig zu werden, das aber einfach nicht gemacht haben.
Viele rote Sozialminister – zwei sitzen noch in diesem Haus – haben es in der Hand gehabt und haben nicht wirklich viel weitergebracht. Und jetzt, seit 2020, haben wir einen grünen Gesundheitsminister (Abg. Wurm: Der dritte! Der dritte!): Wir haben die Pflegemilliarde, wir haben 20 konkrete Reformmaßnahmen auf dem Tisch (Abg. Wurm: Der dritte, Frau Kollegin! – Abg. Loacker: Der eine hätte lieber gleich Bücher schreiben sollen!), und was macht die SPÖ? – Die SPÖ ist offenbar ratlos: Wie soll sie damit umgehen, dass Grüne nun endlich mutige Sozialpolitik machen, die sie verschlafen hat? (Beifall bei den Grünen.) Das muss ich hier einfach ganz ehrlich sagen.
Die SPÖ fordert die Aufnahme der Pflege in die Schwerstarbeit. Das klingt beim ersten Hören gut und nur logisch. Es ist natürlich unumstritten, dass die Pflege eine schwere Arbeit ist, aber: Was ist mit der Arbeit in der Reinigung? Was ist mit der Arbeit im Handel? Was ist mit der Arbeit in der Elementarpädagogik? Ist diese Arbeit der SPÖ nicht schwer genug?
Es ist keine große Überraschung, wenn ich hier behaupte, dass in diesen jetzt genannten Branchen hauptsächlich Frauen tätig sind – und wir wissen alle, Frauen bekommen Kinder, wir wissen auch alle, Frauen betreuen diese Kinder zu Hause (Zwischenrufe bei der FPÖ) und Frauen sind diejenigen, die sich dann auch zu Hause um die Angehörigen kümmern. (Abg. Wurm – erheitert –: Retro! Retro!) – Das ist so! – Die Voraussetzung für eine Schwerstarbeitspension sind 45 Erwerbsjahre, und Frauen kommen sehr, sehr selten auf 45 Erwerbsjahre. Das sind die Fakten, aber das ist der SPÖ egal.
Es gibt auch noch einen weiteren Punkt, der der SPÖ ebenfalls egal ist, nämlich: Sie fordern, dass die Ausbildungszeiten angerechnet werden. – Das können wir nicht nur bei der Pflege machen, das wäre verfassungswidrig! Das wisst ihr auch, aber auch das ist euch egal. (Beifall bei den Grünen.)
Wir Grüne stehen für mutige und ehrliche Sozialpolitik, die bei den Menschen ankommt – jeden Tag, heute ganz besonders –, und ich bitte euch: Unterstützt uns darin und hört auf mit diesen unseriösen Debatten! – Das muss ich ganz ehrlich sagen! (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Wöginger.)
Ich bringe jetzt noch den Abänderungsantrag der Abgeordneten Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler, Bedrana Ribo, MA, Kolleginnen und Kollegen zum Gesetzentwurf im Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales 1824 der Beilagen über den Antrag 2717/A betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundespflegegeldgesetz geändert wird, ein.
Der Antrag liegt allen schriftlich vor, ich bitte um breite Annahme.
Ganz kurz – ich sehe, das Lämpchen leuchtet – muss ich aber eines noch sagen: Ich kann den sogenannten Pflegebonus nicht unkommentiert lassen. Wir haben uns ganz bewusst dafür entschieden, diese Zuschüsse als Teil des Gehalts anzusehen, und Gehalt ist eben steuer- und pensionspflichtig, das ist nun einmal so. (Abg. Wurm: Warum wurde der Pflegebonus erfunden? Warum?) Wir wollten einfach längerfristige Lösungen für die Pflege schaffen. Gerade die SPÖ und die Gewerkschaften, die in den letzten Wochen und Monaten nichts anderes gemacht haben, als eben diese Einmalzahlungen zu kritisieren, sich über sie zu empören, wollen jetzt auf einmal in der Pflege Einmalzahlungen. Ich verstehe es nicht. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Noch einmal: Das wurde heute auch nicht erwähnt, aber wenn die SPÖ sagt, es sei zu wenig, okay, dann habe ich einen Vorschlag für euch: In Österreich gibt es neun Bundesländer, in fünf davon sitzt ihr in der Regierung, in fünf davon habt ihr es in der Hand. Zahlt den Leuten mehr, schaut, wie es in Niederösterreich
geht! (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Wöginger.) Seid noch besser als Niederösterreich, zahlt noch mehr! Ich bin die Erste, die sich hierherstellt und klatscht. Macht es bitte, aber hört mit dieser Scheinempörung auf! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)
Präsident Ing. Norbert Hofer: Frau Abgeordnete, bitte gehen Sie noch nicht fort, bleiben Sie noch kurz da. Der Antrag gilt noch nicht als eingebracht. Sie müssen ihn in den Eckpunkten erläutern.
Abgeordnete Bedrana Ribo, MA (fortsetzend): Das ist der Angehörigenbonus, den ich in meiner Rede sehr klar ausgeführt habe. (Ruf bei der FPÖ: Verlesen!)
Präsident Ing. Norbert Hofer: Nein, nicht verlesen, er wird gerade verteilt, aber wenn Sie zwei, drei Eckpunkte nur kurz erwähnen, dann gilt er als eingebracht. – Bitte.
Abgeordnete Bedrana Ribo, MA (fortsetzend): Es geht um den Angehörigenbonus, damit in Zukunft auch Pensionist:innen Teil davon sind, und der Angehörigenbonus gilt ab 2023 (Abg. Wöginger: Juli!) – Juli. – Danke.
13.41
Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:
Abänderungsantrag
der Abgeordneten Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler, Bedrana Ribo MA,
Kolleginnen und Kollegen
zum Gesetzentwurf im Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales 1824 der Beilagen über den Antrag 2717/A betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundespflegegeldgesetz geändert wird
Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:
Der eingangs bezeichnete Gesetzentwurf wird wie folgt geändert:
1. In Z 3 wird in § 21h Abs. 2 die Z 3 geändert und lautet:
„3. das monatliche Netto-Jahresdurchschnittseinkommen des nahen Angehörigen oder der nahen Angehörigen im Kalenderjahr, welches der Antragstellung vorangeht, einen Betrag von 1.500 Euro pro Monat nicht übersteigt. Für die Ermittlung der Höhe dieses Einkommens ist der § 264 Abs. 5 ASVG sinngemäß anzuwenden und vom Jahresbruttoeinkommen die einbehaltenen SV-Beiträge, Kammerumlage, Wohnbauförderung und die insgesamt einbehaltene Lohnsteuer oder die Einkommensteuer in Abzug zu bringen. Als monatliches Netto-Jahresdurchschnittseinkommen gilt ein Zwölftel des so ermittelten Betrages. Der Nachweis ist durch den letzten rechtskräftigen Einkommensteuerbescheid, durch Lohnzettel oder eine Einnahmen-Ausgaben-Rechnung zu erbringen.“
2. In Z 3 entfällt in § 21h der Absatz 3.
3. In Z 3 erhalten in § 21h die Absätze 4 bis 12 die Bezeichnung Absatz 3 bis 11.
4. In Z 3 wird in § 21h der neue Absatz 6 Z 2 lit. h geändert und lautet:
„h. Netto-Jahresdurchschnittseinkommen und monatliche Nettoeinkommen; Bruttoeinkommen und einbehaltene SV-Beiträge, Kammerumlage, Wohnbauförderung sowie die insgesamt einbehaltene Lohnsteuer oder die Einkommensteuer,“
5. In Z 3 wird in § 21h der neue Absatz 9 geändert und lautet:
„(9) Ein Wegfall der Voraussetzungen gemäß Abs. 1 und 2 ist dem zuständigen Entscheidungsträger binnen 4 Wochen zu melden und führt zu einer Entziehung des Angehörigenbonus durch den zuständigen Entscheidungsträger. Wird nach der Gewährung in weiterer Folge die Einkommensgrenze gemäß Abs. 2 Z 3 in einem vorangegangenen Kalenderjahr überschritten, ist der Angehörigenbonus, mit dem auf die Feststellung folgenden Monat zu entziehen.“
6. In Z 4 wird dem § 48g nach dem Abs. 7 folgender Absatz 8 angefügt:
„(8) Organisatorische und personelle Maßnahmen sowie Durchführungsmaßnahmen, die für die Vollziehung dieses Bundesgesetzes in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xx/2022 erforderlich sind, können von dem der Kundmachung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xx/2022 folgenden Tag an gesetzt werden“
7. In Z 5 wird der § 48h samt Überschrift geändert und lautet:
„Mitwirkung der Abgabenbehörden des Bundes
§ 48h. (1) Die Abgabenbehörden des Bundes haben nach Maßgabe des Abs. 5 den Entscheidungsträgern nach § 21h Abs. 4 auf Anfrage folgende Daten getrennt nach Dienstgebern zu übermitteln:
1. die Bruttobezüge (§ 25 EStG 1988), die insgesamt für lohnsteuerpflichtige Einkommen einbehaltenen SV-Beiträge, die einbehaltene Kammerumlage, die einbehaltene Wohnbauförderung und die insgesamt einbehaltene Lohnsteuer des pflegenden nahen Angehörigen oder der pflegenden nahen Angehörigen im Kalenderjahr welches der Antragstellung auf den Angehörigenbonus vorangeht und für die folgenden Kalenderjahre, in denen Anspruch auf den Angehörigenbonus besteht.
2. die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, selbständiger Arbeit und aus Gewerbebetrieb (§§ 21, 22 und 23 EStG 1988) sowie die Einkommensteuer des pflegenden nahen Angehörigen oder der pflegenden nahen Angehörigen für das letzte Kalenderjahr, für das ein Einkommensteuerbescheid vorliegt und für die folgenden Kalenderjahre, in denen Anspruch auf den Angehörigenbonus besteht.
(2) Die nach Abs. 1 übermittelten Daten dürfen nur zur Feststellung des Bestandes eines Angehörigenbonus nach § 21h dieses Bundesgesetzes verwendet werden.
(3) Die Abgabenbehörden des Bundes haben nach Maßgabe des Abs. 5 den Entscheidungsträgern nach § 21g Abs. 2 und § 21h Abs. 4 auf Anfrage die letztgültigen Kontodaten des pflegenden Angehörigen, soweit diese vorliegen, zu übermitteln.
(4) Die nach Abs. 3 übermittelten Daten dürfen nur zum Zweck der Abwicklung und Auszahlung des Angehörigenbonus nach § 21g und § 21h dieses Bundesgesetzes verwendet werden.
(5) Das Verfahren der Übermittlung und der Zeitpunkt der erstmaligen Übermittlung sind vom Bundesminister für Finanzen im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz nach Maßgabe der technischen und organisatorischen Möglichkeiten durch Verordnung zu bestimmen. Die entsprechende Verordnung ist bis spätestens 31. Dezember 2023 zu erlassen.“
8. In Z 6 wird in § 49 Abs. 34 der Ausdruck „§ 48g Abs. 7“ durch den Ausdruck „§ 48g Abs. 7 und 8“ ersetzt.
Begründung
Zu Z 1 bis 8:
Mit den vorgeschlagenen Änderungen sollen Anpassungen vorgenommen werden, durch die eine verwaltungsökonomische Vollziehung ermöglicht wird.
Durch die Anpassung der Berechnungsregelungen hinsichtlich des Netto Jahresdurchschnittseinkommens soll nicht auf bestimmte Prozentsätze zurückgegriffen werden, da diese Methode zu großen Schwankungen führt und schwer nachvollziehbar ist. Durch die nunmehr vorgeschlagene Änderung soll ein Gleichklang zwischen unselbstständigen und selbstständigen Erwerbstätigen sowie mit Pensionist:innen hinsichtlich des zu berücksichtigenden Einkommens hergestellt werden.
Ausgangspunkt für die Berechnung soll die sinngemäße Anwendung des § 264 Abs. 5 ASVG bilden. Um das Netto Jahresdurchschnittseinkommen zu ermitteln, sollen von den Jahresbruttoeinkommen die einbehaltenen SV-Beiträge, Kammerumlage, Wohnbauförderung und die insgesamt einbehaltene Lohnsteuer oder die Einkommenssteuer in Abzug gebracht und davon ein Zwölftel ermittelt werden. Die Basis dafür soll der letzte rechtskräftige Einkommensteuerbescheid, Lohnzettel oder allenfalls eine Einnahmen-Ausgaben-Rechnung darstellen.
Neben den datenschutzrechtlichen Anpassungen soll auch die Mitwirkungspflicht der Abgabebehörden des Bundes erweitert werden. Nunmehr sollen auch die insgesamt für lohnsteuerpflichtige Einkünfte einbehaltene SV-Beiträge, Kammerumlage, Wohnbauförderung sowie die insgesamt einbehaltene Lohnsteuer oder die Einkommensteuer an den zuständigen Entscheidungsträger übermittelt werden.
Als „Bruttobezüge (§ 25 EStG 1988)“ sind darunter die unter der Kennzahl 210 am Lohnzettel angeführten Beträge (Datenfeld „B210“ laut Organisationsbeschreibung „Datenaustausch mit Dienstgebern“ des DVSV), als „die insgesamt für lohnsteuerpflichtige Einkommen einbehaltenen SV-Beiträge, die einbehaltene Kammerumlage und die einbehaltene Wohnbauförderung“ und als „die insgesamt einbehaltene Lohnsteuer“ die unter diesen Bezeichnungen am Lohnzettel angeführten Beträge (Datenfelder „BIEB“ und „BIEL“ laut Organisationsbeschreibung „Datenaustausch mit Dienstgebern“ des DVSV) zu verstehen.
*****
Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Antrag ist in Verteilung, er ist ordnungsgemäß eingebracht und somit in Verhandlung. (Abg. Wurm: Da muss ein freiheitlicher Präsident ...!)
Zu Wort gelangt nun Henrike Brandstötter zu einer tatsächlichen Berichtigung. Sie kennen die entsprechenden Bestimmungen der Geschäftsordnung. – Bitte schön.
Abgeordnete Henrike Brandstötter (NEOS): Kollegin Ribo meinte, dass alle Frauen Kinder bekommen, zu Hause bleiben und dann Carearbeit leisten. (Abg. Disoski: Geh bitte!) Ich berichtige tatsächlich: Nicht alle Frauen können oder wollen Kinder bekommen, bleiben dann zu Hause und leisten Carearbeit. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Disoski: Du weißt genau, wie es gemeint war!)
13.42
Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Mag. Christian Ragger. – Bitte, Herr Abgeordneter.
Abgeordneter Mag. Christian Ragger (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Wir kommen zurück zur Pflegedebatte, die, glaube ich, das Essenzielle bei diesen Tagesordnungspunkten sein sollte. Daher muss ich eine positive Note vorausschicken. Der Herr Minister ist Vorarlberger, dort gab es ja auch eine gute Soziallandesrätin, Greti Schmid, die damals sehr vorausschauend agiert hat, indem sie bereits damals mit dem Vorarlberger Modell geschaut hat, dass sie junge Familien, junge Menschen in die Pflege integriert. Das war einerseits mit dem Freiwilligenbonus und den Regelungen für pflegende Angehörige und andererseits – was sie wirklich ausgezeichnet gelöst hat – dadurch möglich, dass sie das erste Mal ein Modell von der Schweiz übernommen hat, nämlich jenes der Pflegelehre, das die Attraktivierung der Pflege dort gefördert hat.
Gust hat es bis heute nicht umgesetzt, weil er nicht in der Lage war, das mit den Grünen oder auch mit uns auf Schiene zu bringen. (Abg. Kucher: Weil es ein Topfen ist!) Dennoch wird auch die SPÖ irgendwann kapieren, dass die Pflegelehre etwas Sinnvolles und Vernünftiges sein wird. (Abg. Kucher: Na, das hat was, das hat was!) Um das nicht in eine vertiefende Diskussion zu bringen, möchte ich darauf hinweisen, dass es für uns wichtig ist, wie man die Pflege in Österreich aufbaut. Das Essenzielle wird sein, wie man 950 000 Menschen, die zu 80 Prozent zu Hause betreut werden, mit qualitativ hochwertig ausgebildeten Personen versorgt. Das muss unser aller Interesse sein. Wir stimmen wahrscheinlich darin überein, dass das auch in diesem Haus außer Streit steht.
Jetzt muss man dazu sagen: Wie geht man dieses Thema an? Wenn man weiß, dass heute 80 Prozent der pflegebedürftigen Personen – die nahe Angehörige, Familienangehörige sind, in einer 24-Stunden-Betreuung oder auch in sonstigen alternativen Versorgungseinrichtungen sind – zu Hause gepflegt werden, dann
muss man diese Attraktivität auch leben, dann muss man diese Attraktivität unterstützen und sie dementsprechend bezahlen.
Wenn Sie heute einen Pflegebonus als die große Erneuerung verkaufen wollen, Frau Kollegin Ribo, dann ist das vielleicht ein positiver Ansatz und gut gemeint (Abg. Ribo: Das ist eine von vielen Maßnahmen!), aber wenn Sie diesen Pflegebonus mit 1 500 Euro durch 12 Monate dividieren, dann sind das 125 Euro für eine Versorgung zu Hause. (Abg. Ribo: Es gibt auch ein Pflegegeld in Österreich!) Das sei einem Pflegeheim gegenübergestellt: Wenn man heute jemanden in ein Pflegeheim steckt, dann kostet das zwischen 3 500 bis 5 000 Euro. (Abg. Ribo: In Österreich gibt es ein Pflegegeld!) Welche Verhältnismäßigkeit besteht denn da – dass nämlich die Pflege in einem Haus, in einem Pflegeheim in Österreich gratis ist, während zu Hause die gesamte Familie, das gesamte Umfeld auftreten muss, damit diese Versorgung sichergestellt werden kann? – Das ist der Unterschied.
Da geht es noch einen Schritt weiter, auch im Bereich der Behinderten, der Menschen mit Beeinträchtigung, nämlich auch dort zu sehen, wie man diese Menschen versorgt. Ich habe mir das bei Familien angeschaut, die zu Hause ihre Kinder betreut haben – Menschen, die beeinträchtigt sind, die multifunktionale Störungen, multifunktionale Beeinträchtigungen gehabt haben. Diese werden vom Land oder auch vom Bund nicht unterstützt. Das sind unsere Aufgabengebiete im Zusammenhang mit diesem Tagesordnungspunkt, die wir lösen müssen, auch wenn wir Bundespflegegeld ernst nehmen und einen Bonus zuerkennen wollen.
Es ist also wichtig, dass diese Leute auch ordnungsgemäß bezahlt werden. Daher werde ich heute noch einmal diesen Entschließungsantrag einbringen. Ich bin zu 100 Prozent bei Beppo Muchitsch: Es muss so sein, dass nicht nur die Lehre im Bereich der Pflegeberufe, die Versorgung und die Pflege der Angehörigen nicht nur attraktiviert werden, sondern dass in den Pflegeberufen auch ordnungsgemäß gezahlt wird. Bezahlung heißt letztendlich – jeder einfache Bürger draußen hat das verstanden –: 2 000 Euro Bonus heißt 2 000 Euro netto, cash auf die Kralle. Das hat jeder verstanden, aber wenn Sie in Ihrer Regierung schon so gut
sind, dann machen Sie es doch doppelt! Zahlen Sie 2 000 Euro netto cash aus und lassen Sie es auch als 13. und 14. Gehalt oder als sonstigen Lohnbestandteil einfließen.
Es steht Ihnen als Regierung ja frei, das ebenfalls zu beschließen. Das wäre eine Attraktivierung, das wäre eine vorausschauende Maßnahme für die Entwicklung der zu Versorgenden, aber auch derjenigen, die diese Pflege tagtäglich am Menschen durchzuführen haben. Das ist ein Ansatz. Da kann man darüber sprechen, ob es ein Pflegepfusch oder eine große Erneuerung ist: Wenn das umgesetzt würde, hätte man Attraktivität in diesem Land und für die Angehörigen.
Daher kann ich es nur noch einmal wiederholen: Ich darf den Entschließungsantrag verlesen:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Mag. Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Pflegeprämie muss auch in Kärnten und allen anderen Bundesländern 2.000 Euro netto betragen!“
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz und der Bundesminister für Finanzen, wird aufgefordert eine Regierungsvorlage dem Nationalrat zuzuleiten, die folgende arbeits- und sozialpolitische Forderungen im Bereich der Pflege unmittelbar umsetzt:
- Eine Novelle des Entgelterhöhungs-Zweckzuschussgesetz – EEZG, damit eine steuer- und abgabenfreie Auszahlung der 2.000 Euro an Pflegeprämie für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Pflege im Dezember 2022 erfolgen kann
- Die gesetzliche Verankerung der Abgaben- und Steuerfreiheit für Pflegeprämien für 2023 und die Folgejahre
- Diese Abgaben- und Steuerfreiheit hat für alle Bundesländer zu gelten, und sich auch auf Zusatzprämien der Länder bzw. Gemeinden und Pflegeheimträger zu erstrecken.“
*****
Danke. (Beifall bei der FPÖ.)
13.47
Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:
Entschließungsantrag
des Abgeordneten Mag. Christian Ragger
betreffend Pflegeprämie muss auch in Kärnten und allen anderen Bundesländern 2.000 Euro netto betragen!
eingebracht im Zuge der Verhandlung über die Debatte zu TOP 10.) Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 2717/A der Abgeordneten August Wöginger, Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundespflegegeldgesetz geändert wird (1824 d.B.) in der 189. Sitzung des Nationalrats, am 14. Dezember 2022
Zur Pflegeprämie bzw. zum Pflegebonus ist im Bundesland Kärnten, regiert von einer rot-schwarzen Koalition des Stillstandes und des fortgesetzten Sozialabbaus für die eigene Bevölkerung, eine heftige Diskussion entbrannt, über die der ORF Kärnten wie folgt berichtet hat:1
Pflegeprämie wird doch versteuert
Mehr als 10.000 Personen sind in Kärnten im Pflegebereich tätig, sie sollen nun 1.200 Euro Netto als Prämie des Bundes erhalten. Die Gewerkschaftsvertreter sagten am Dienstag, sie würden sich durch die Landesregierung gut vertreten fühlen, aber nicht durch den Bund. Dieser habe ursprünglich 2.000 Euro in Aussicht gestellt, und zwar Brutto für Netto.
Silvia Igumnov ist die Sprecherin der Gewerkschaft für die Pflegeberufe. Sie erinnert daran, dass diese Prämie erkämpft wurde: „Wir haben ja am 12. Mai, am Tag der Pflege, Demonstrationen in ganz Österreich gehabt. An diesem Tag hat der Gesundheitsminister (Johannes Rauch, Grüne; Anm.) den Kolleginnen versprochen, einen Monatsgehalt zu bekommen. Und das was jetzt am Tisch liegt – ich kann nur sagen, was wir so gehört haben – das ist bei Weitem nicht das, was versprochen worden ist und das ist sehr schade.“
„Haben das Land am Laufen gehalten“
Hier müsse der Bund Geld zur Verfügung stellen, sagte Igumnov: „Denn hier geht es um Wertschätzung für Menschen, die in dieser sehr, sehr schwierigen Zeit ihr Bestes gegeben haben, für die man geklatscht hat und die einfach das Land am Laufen gehalten haben.“
Über neue Kampfmaßnahmen will die Gewerkschaft heute noch nicht sprechen. Es werde verhandelt, möglichweise könne auch noch ein größerer Personenkreis von der Pflegeprämie profitieren. Die Gewerkschaft hofft hier auf gute Nachrichten für Beschäftigte im Bereich der Behindertenbetreuung.
Land schießt 18 Millionen Euro vor
Das Land Kärnten wird für den Bonus dem Bund 18 Millionen Euro vorstrecken. Im Laufe des ersten Quartals 2023 sollen die Länder die Summe vom Bund refundiert bekommen. Sozialreferentin Beate Prettner (SPÖ) sagte nach der Regierungssitzung, es werden in Kärnten rund 11.200 Pflegemitarbeiter die Zuzahlung erhalten. Es handelt sich, bundesweit abgestimmt, um Angehörige des gehobenen Dienstes der Gesundheits- und Krankenpflege; Angehörige der Pflegefachassistenz; Angehörige der Pflegeassistenz; Diplom-Sozialbetreuer; Fach-Sozialbetreuer; Heimhelfer. Teilzeitpersonal bekommt die Prämie aliquot ausgezahlt.
Laut Prettner hätten die Referenten dafür gekämpft, dass der Pflegebonus steuerfrei gestellt wird. Leider erfolglos, die vom Bund finanzierte Pflegezulage von 2.000 Euro für das Jahr 2022 wird voll besteuert. (…)
Die FPÖ hat diesen Schildbürgerstreich als einzige Oppositionspartei angeprangert:2
FPÖ – Angerer/Ragger: „Pflegeprämie muss auch in Kärnten 2.000 Euro netto betragen!“
Land Kärnten will Pflegekräften 800 Euro weniger auszahlen
Pflegekräfte in ganz Österreich sollten im Dezember 2.000 Euro als „Entgelterhöhungszweckzuschuss“ erhalten. In Kärnten sind es aber nach Abzügen nur noch 1.200 Euro. Der freiheitliche Nationalratsabgeordnete Christian Ragger reagierte empört. „Die personell ausgedünnten Pflegekräfte leisten in ganz Österreich Unglaubliches, um den Pflegekollaps zu verhindern und unsere Liebsten rund um die Uhr zu versorgen. Sie verdienen damit unsere ganze Anerkennung. Jede Pflegerin und jeder Pfleger muss die 2.000 Euro auf die Hand erhalten, alles andere wäre eine Farce und Augenauswischerei!“, sagte Ragger zur Pflegeprämie, die nun nicht - wie versprochen - halten soll.
„Die 2.000 Euro müssen ‚brutto für netto‘ an die Menschen ausgezahlt werden. Es geht nicht an, dass nun das Land sich die vom Bund zur Verfügung zum Teil einbehält. Da hat der grüne Gesundheitsminister Rauch seine Hausaufgaben nicht gemacht, wenn er sich vorher nicht von den Ländern die Zusicherung einholt, den Beitrag zur Gänze auszubezahlen“, erklärte FPÖ-Landesparteiobmann NAbg. Erwin Angerer. Das betreffende Gesetz hält Ragger für einen „Murks“. „Das verpfuschte Entgelterhöhungs-Zweckzuschussgesetz gibt unzureichende Bestimmungen her, wie das Land mit Prämienauszahlung letztendlich umgehen soll. Wäre es zudem als Teuerungsausgleich angelegt gewesen, würden dazu keine Abgaben anfallen. Es handeln nun also die Bundesländer selbstständig, und Kärnten muss da mitziehen, um das für die Menschen in Ordnung zu bringen“, forderte Ragger.
„Das kann nun also dadurch erfolgen, dass Länder wie Kärnten beim Bund, also beim Finanzministerium und bei der Sozialversicherung beziehungsweise beim Sozialminister, eine abgabenfreie Auszahlung erwirken oder eben die Länder mittels einer Landesprämie auf 2.000 Euro aufstocken. Was es aber in keinem Fall geben kann, ist,
dass Pflegekräfte, die in ganz Österreich harte Arbeit leisten, unterschiedliche Prämien bekommen. Die Kärntner Landesregierung muss also umgehend handeln“, betonte Angerer, der auf teuerungsbezogene Mehreinnahmen von 222 Millionen Euro verwies, die man zuvor den Menschen aus der Tasche gezogen hatte.
Der unterfertigte Abgeordnete stellt daher folgenden
Entschließungsantrag
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz und der Bundesminister für Finanzen, wird aufgefordert eine Regierungsvorlage dem Nationalrat zuzuleiten, die folgende arbeits- und sozialpolitische Forderungen im Bereich der Pflege unmittelbar umsetzt:
• Eine Novelle des Entgelterhöhungs-Zweckzuschussgesetz – EEZG, damit eine steuer- und abgabenfreie Auszahlung der 2.000 Euro an Pflegeprämie für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Pflege im Dezember 2022 erfolgen kann
• Die gesetzliche Verankerung der Abgaben- und Steuerfreiheit für Pflegeprämien für 2023 und die Folgejahre
• Diese Abgaben- und Steuerfreiheit hat für alle Bundesländer zu gelten, und sich auch auf Zusatzprämien der Länder bzw. Gemeinden und Pflegeheimträger zu erstrecken.“
1 https://kaernten.orf.at/stories/3183273/
2 https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20221122_OTS0111/fpoe-angererragger-pflegepraemie-muss-auch-in-kaernten-2000-euro-netto-betragen
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Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht somit auch in Verhandlung.
Zu Wort gelangt Klubobmann August Wöginger. – Bitte, Herr Klubobmann.
Abgeordneter August Wöginger (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es war schon entlarvend, Kollege Muchitsch, dass du keinen Satz zu den Vorlagen, die jetzt behandelt werden, gesagt hast. Du bist Obmann des Ausschusses für Arbeit und Soziales, ziehst hier eine Show über bereits beschlossene Maßnahmen ab und sagst als Ausschussobmann kein Wort, kein einziges Wort zu den Punkten, die hier auf der Tagesordnung stehen. (Abg. Muchitsch: Kommt noch! Die kommen noch!) Das kenne ich – muss ich ganz ehrlich sagen, wir haben heute schon viel über Seriosität im Parlament geredet – von dir so nicht.
Wir beschließen hier wichtige Punkte, und jetzt kann man unterschiedlicher Meinung sein, ob das ausreichend ist, ob es genug ist, ob man sagt, das könnte durchaus anders ausgestaltet sein – das ist ja legitim, keine Frage. Wir setzen aber jene Punkte um, die wir am 12. Mai dieses Jahres gemeinsam präsentiert haben, es sind 20 Punkte an der Zahl. Was in der Legistik noch fehlt, das setzen wir mit diesen drei Punkten um. – Ich möchte sie auch kurz erläutern.
Das eine ist – das haben wir als Volkspartei schon in der Wahlkampfauseinandersetzung 2019 gesagt –, dass wir ein Zeichen der Wertschätzung bezüglich der pflegenden Angehörigen setzen wollen – ein Zeichen der Wertschätzung! Wir haben nicht gesagt, dass wir einen Verstaatlichtenkurs fahren, wie das Landeshauptmann Doskozil im Burgenland macht, dass wir alle zwangsanstellen, sondern wir haben gesagt, wir setzen ein Zeichen der Anerkennung und der Wertschätzung mit 1 500 Euro für pflegende Angehörige, die einen unfassbar wertvollen Dienst innerhalb unserer Gesellschaft leisten. Das setzen wir heute um (Beifall bei ÖVP und Grünen), ab der Pflegestufe 4, ja, das stimmt, weil wir einmal damit beginnen. Das ist ja auch erweiterbar.
Eines sage ich dir aber schon, Kollege Muchitsch: Wir haben lange miteinander regiert. Wir haben nur Minireförmchen in der Pflege gemacht. (Abg. Ribo: Ja!)
Derartige Würfe hat es nie gegeben. Das ist schon etwas, das ist ja für die pflegenden Angehörigen.
Eines sage ich auch dazu: Wir haben ja auch ein Bundespflegegeld, das jetzt auch jährlich valorisiert wird, und ab der Stufe 4 haben wir 712,70 Euro pro Monat. Das ist für Sachleistungen, aber natürlich auch für die pflegenden Angehörigen, meine Damen und Herren. Das muss man schon einmal dazusagen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)
Es wird ja so getan, als ob es keine anderen zusätzlichen Leistungen gäbe. Es ist ein Zeichen der Wertschätzung für die pflegenden Angehörigen ab der Pflegestufe 4 und vor allem für jene, die es auch am meisten brauchen. Daher gibt es auch die Einkommensgrenze.
Das Zweite, das wir machen, ist eine zusätzliche Entlastungswoche, wie es im öffentlichen Dienst ist, ab dem 43. Lebensjahr für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die in den Pflegeberufen tätig sind. Und da ist es nicht so, dass man, wie es in vielen Kollektivverträgen geregelt ist, eine Betriebszugehörigkeitsdauer haben muss. Nein, auch wenn man mit 42 Jahren in diesen Beruf wechselt, was vor allem auch gar nicht so wenige Frauen machen, bekommt man ab dem 43. Lebensjahr diese zusätzliche sechste Urlaubswoche. Die Sozialdemokraten verlieren darüber kein einziges Wort. Es ist erstaunlich, meine Damen und Herren, es ist wirklich erstaunlich. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)
Der dritte Punkt ist, dass wir 2 Stunden an Zeitguthaben bei den Nachtdiensten für alle Pflegeeinrichtungen sicherstellen. Viele haben das vor allem in den größeren Einrichtungen schon umgesetzt gehabt, aber in den kleineren hat es da dort und da noch Mängel gegeben. Das wird jetzt gesetzlich abgesichert. (Zwischenruf des Abg. Wurm.)
Das sind die drei Punkte, die wir heute hier auf der Tagesordnung haben, worüber Kollege Muchitsch kein einziges Wort verloren hat. Die anderen Punkte
haben wir großteils gesetzlich verabschiedet. Ich möchte noch drei herausgreifen, und dann komme ich noch zu dem, was der ÖGB in dem Bereich gerade aufführt, dass wir da einen Gehaltsbestandteil und nicht eine Einmalzahlung auf den Weg mitgegeben haben.
Der Ausbildungsbonus mit 600 Euro für alle Berufe im Bereich der Pflege - - (Abg. Erasim: Schämen Sie sich, so über die Gewerkschaften zu reden! ...! Schämen Sie sich!) Ich bin ein Gewerkschafter mit Leib und Seele, aber ich bin ein Gewerkschafter, der die Wahrheit sagt und der zu dem steht, was er hier im Sinne der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter macht und umsetzt. Ich bin kein Propagandagewerkschafter. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)
Der Ausbildungsbonus mit 600 Euro pro Monat ist ein Meilenstein. Wir haben in den Bundesländern Situationen gehabt, dass er dort von 200, 300 Euro bis 500, 600 Euro gegangen ist. Jetzt zahlt der Bund zwei Drittel, also 400 Euro. Wer bei Herrn Professor Taschner das Rechnen gelernt hat: 400 Euro zahlt der Bund, den Rest, das restliche Drittel zahlen die Länder. Das ist ein Meilenstein in der Ausbildung, und vor allem junge Menschen freuen sich wirklich darüber.
Ab dem 1. Jänner – das haben wir noch vorgezogen, weil da auch die Diskussion war – wird das Pflegestipendium mit 1 400 Euro pro Monat umgesetzt. 1 400 Euro pro Monat! Ja, ist das nichts mehr? Hat das keinen Wert mehr? Manchmal habe ich den Eindruck, wir reden hier über Summen, und alles ist zu wenig und alles ist schlecht. (Abg. Muchitsch: 4 Euro am Tag, das ist zu wenig!) Es gibt fast kein anderes Land, das derartige Maßnahmen für Fachkräfte in der Pflege – notwendigerweise – beschlossen hat, aber wir machen es. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)
Bei der Pflegelehre bin ich mit Kollegen Ragger schon viele Jahre einer Meinung. Die wollen wir seit Jahren umsetzen, und jetzt ist es so weit, dass diese Pilotprojekte in allen neun Bundesländern starten können. Vorreiter ist Vorarlberg, der Herr Sozialminister kennt dieses Land besonders gut. Wir kommen zu diesen Modellen, die eigentlich aus der Schweiz zu uns gekommen sind und in
Vorarlberg bereits erprobt wurden, denen aber leider immer noch die gesetzliche Grundlage gefehlt hat. Wir schaffen den Lehrberuf für die Pflege, weil es wichtig ist.
Ich habe mir das selber in der Schweiz im Kanton Bern einmal angeschaut, weil es wichtig ist. Ich habe mit 16-jährigen Burschen geredet, und die wollen auch direkt am Menschen arbeiten. Natürlich muss man hier mit dem Curriculum sorgsam sein, wie viel den jungen Menschen zumutbar ist. Ich kann aber auch nicht sagen: Du wirst Mechaniker und darfst nie zum Auto! – So ist es auch da. Man muss schon auch diesen jungen Menschen den Pflegeberuf näherbringen können, und Gott sei Dank haben wir viele junge Menschen, die sich auch in diesen Sozial- und Betreuungsberufen engagieren. Daher setzen wir diese Pflegelehre auch um. Es ist wichtig für unser gesamtes System im Bereich der Pflegeberufe, dass wir das machen. (Beifall bei der ÖVP.)
Jetzt noch zum letzten Punkt, über den die ganze Zeit ein mediales Theater betrieben wird – ich weiß natürlich auch warum, weil man Unfrieden stiftet und die Menschen damit auseinandertreibt –: Das ist kein Bonus. Wir haben nie gesagt, dass es eine Einmalzahlung ist, wir haben nie gesagt, dass es eine steuerfreie Einmalzahlung ist. Wir wollten von Anfang an – und so ist es auch konzipiert –, dass es ein Gehaltsbestandteil ist. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)
Die SPÖ, die bei jeder Kollektivvertragsverhandlung immer hergeht und sagt: Nein, keine Einmalzahlungen! Wir wollen, dass es sockelwirksam ist, wir wollen die prozentuelle Erhöhung, wir wollen, dass sich das auf die Pension und auf alle Versicherungsleistungen niederschlägt!, genau diese SPÖ geht jetzt her und sagt: Einmalzahlung, die steuerbefreit ist! – Man versteht die Welt nicht mehr! Das ist ein Gehaltsbestandteil, der für zwei Jahre gegeben ist.
Wir haben immer gesagt, dass es uns um die Gesamtsumme geht, 570 Millionen Euro, und im Endausbau werden es rund 4 500 Euro brutto-brutto sein. Was bedeutet das netto? – Nichts anderes haben der Minister und ich gesagt,
nämlich dass es von diesen gemeinsamen 570 Millionen Euro bei einer Vollzeitbeschäftigung in etwa ein Nettogehalt zwischen 800 und 900 Euro pro Jahr sein wird. Jetzt frage ich noch einmal: Sind 1 800 Euro netto über diese beiden Jahre gemeinsam kein Geld mehr? (Ruf bei der SPÖ: Jetzt wird es aber peinlich!) Ist das nichts mehr? – Ich verstehe es nicht. Ich verstehe es wirklich nicht!
Da wäre es wirklich angebracht gewesen, liebe Kolleginnen und Kollegen gerade von der Sozialdemokratie, dass man einmal gesagt hätte: Okay, wir hätten vielleicht um ein paar Hunderter mehr gefordert, aber es ist ein Gehaltsbestandteil! – Ja, er muss im Finanzausgleich weiter verhandelt werden. Ja, wir haben gesagt, wir werden diese Maßnahme nicht zurückführen. Das wird aber wahrscheinlich jemand anderer oder wir werden das gemeinsam im Finanzausgleich mit den Ländern und mit den Gemeinden zu entscheiden haben. Es ist aber ein Gehaltsbestandteil. Es heißt, dass dieser für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sockelwirksam bleiben soll und keine Einmalzahlung ist. Bitte hören Sie auf, die Menschen in diesem Ausmaß zu verunsichern!
Es ist ein tolles Pflegepaket, und ich bedanke mich dafür, dass wir es gemeinsam auch im Sinne der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zur Umsetzung bringen können. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwischenruf des Abg. Keck.)
13.57
Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Mag. Christian Drobits zu Wort gemeldet. – Sie kennen die Bestimmungen der Geschäftsordnung. Bitte, Herr Abgeordneter.
Abgeordneter Mag. Christian Drobits (SPÖ): Kollege Klubobmann August Wöginger hat soeben behauptet, im Burgenland würden Zwangsanstellungen von pflegenden Angehörigen durchgeführt. – Das ist natürlich unrichtig, Herr Klubobmann, und Sie wissen das.
Ich berichtige tatsächlich: Im Burgenland liegt ein Angebot auf freiwilliger Basis an pflegende Angehörige vor, das zu Versicherungszeiten führt und Ausbildung ermöglicht. (Abg. Michael Hammer: Vorher müssen sie der SPÖ beitreten! Zuerst müssen sie der Partei beitreten beim Dosko! Das Burgenland darfst du nicht angreifen, das kommunistische Land!) Schämen Sie sich, Herr Klubobmann! (Beifall bei der SPÖ.)
13.58
Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Fiona Fiedler. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.
Abgeordnete Fiona Fiedler, BEd (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! (Die Begrüßung auch in Gebärdensprache ausführend:) Liebe gehörlose Menschen! Mit den heutigen Beschlüssen haben wir dann fast alle angekündigten Teile der Pflegereform durch.
Der Angehörigenbonus von 1 500 Euro im Jahr klingt für viele Menschen besonders verlockend, allerdings im Ausgleich dafür, dass Menschen ihre Familienangehörigen pflegen müssen – das deshalb, weil wir für mobile Pflege keine ausreichenden Systeme haben, weil wir bei der Entwicklung der 24-Stunden-Betreuung nicht ausreichend weiterkommen und weil professionelle Pflegesysteme für viele Menschen einfach zu teuer sind. Mit 1 500 Euro in einem kranken System werden wir diesen Missstand nicht ändern können.
Ebenso wenig werden die 2 Stunden Zeitausgleich für Nachtdienste weiterhelfen, wenn Sie 12-Stunden-Nachtdienste insgesamt nicht attraktiver machen können. Es braucht ordentliche Personalreserven, und dafür brauchen wir eine echte Aufwertung, in der Sie Weiterbildungen ermöglichen und belohnen, in der wir ein Zusammenspiel von Gesundheitsberufen schaffen und in der wir nicht eine Reform wie heuer beschließen, die nur aus Überbrückungshilfen besteht.
Morgen geht das Plenarjahr 2022 zu Ende, und Sie werden bei einigen Beschlüssen sagen: Das war unsere Pflegereform. Wenn Sie aber mit Menschen in der Pflege – in der mobilen Pflege, in den Krankenhäusern, in den Altersheimen –, aber auch mit Betreuer:innen von Menschen mit Behinderungen sprechen, werden Sie herausfinden, dass das nicht reicht.
Damit wir also bei den Überbrückungshilfen und dem Angehörigenbonus einen ordentlichen Überblick bekommen, wo wie viel Geld im Pflegesystem ist, bringe ich noch folgenden Entschließungsantrag ein:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Fiona Fiedler, BEd, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Kostenanalyse Pflege“
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, wird aufgefordert, zum Zwecke der besseren Finanzierungsplanung eine umfassende Kostenanalyse der Pflege in Österreich zu erstellen und dem Nationalrat vorzulegen.“
*****
Obwohl es uns viel Kritik bringt: Die SPÖ-Forderung nach einer Anerkennung von Pflege als Schwerstarbeit wird dafür nicht ausreichen. Damit ändern sich Pensionsregelungen, aber das war es. Wir brauchen Änderungen für die Menschen, die jetzt im Beruf stehen, damit sie den Beruf für Patienten und Pflegebedürftige ausüben können, ohne dabei selbst auszubrennen.
Einen positiven Abschluss möchte ich dennoch finden. In der letzten Sitzung des Sozialausschusses ist es uns wieder einmal gelungen, einen Antrag einstimmig durchzubringen, allerdings hat sich ein Rechtschreibfehler eingeschlichen, den ich als Lehrerin so nicht stehen lassen kann. Deshalb bringe ich dazu einen Abänderungsantrag ein, der diese kleine Korrektur veranlasst.
Abänderungsantrag
der Abgeordneten Fiona Fiedler, BEd, Kolleginnen und Kollegen
Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:
Der eingangs bezeichnete Entschließungsantrag wird wie folgt geändert:
„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, wird aufgefordert, die Möglichkeit zu schaffen, die Verfügbarkeit eines, in einer (wie oben beschriebenen) Datenbank, vorhandenen Fotos automatisch zu überprüfen und erst bei Nichtvorhandensein eines solchen Fotos vom Antragsteller/der Antragstellerin das Hochladen eines neuen Passfotos zu verlangen.“
*****
Unser Antrag mag jetzt nicht wie die Errungenschaft klingen, Sie können sich aber vielleicht vorstellen, wie umständlich und auch beschwerlich der Weg zum Fotografen für Menschen mit Behinderung ist, um das passende Foto für eben diesen Behindertenpass zu erhalten – ein zusätzlicher Weg auf einer langen bürokratischen Reise.
Was wären die großen Erfolge ohne die kleinen?, haben Sie, Herr Minister, mir nach diesem Antrag gesagt. Es freut mich sehr, dass es uns gelungen ist, diesen kleinen Erfolg zu verbuchen – aber warum bedarf es immer noch einzelner kleiner Anträge, um die Situation von Menschen mit Behinderung in unserer Gesellschaft zu verbessern?
Gestern erst wurde uns von Kollegen Marchetti erklärt, warum es nicht möglich ist, einfach einen Rechtsanspruch für Kinder mit Behinderung auf ein elftes und zwölftes Schuljahr zu gewähren: wegen der Länder. Warum ist es Kindern ohne Behinderung einfach so möglich, elf, zwölf oder sogar 13 Schuljahre zu absolvieren? Es tut mir wirklich leid, ich verstehe es nicht! (Beifall bei den NEOS, bei Abgeordneten von SPÖ und FPÖ sowie der Abg. Ribo.)
Würde sich die ÖVP nicht so vehement dagegen wehren, auch Menschen mit Behinderungen als wertvollen Teil unserer Gesellschaft zu sehen, hätten wir diese Gesetze schon längst. (Abg. Kirchbaumer: Das stimmt ja nicht!) Kommen Sie Ihrer Verpflichtung endlich nach: Sie haben 2008 die UN‑Behindertenrechtskonvention ratifiziert! Wir werden mit kleinen Anträgen, aber auch mit großen immer wieder in die gleiche Kerbe schlagen. Inklusion ist nicht karitativ, sie ist immer noch ein Menschenrecht. – (Den Dank auch in Gebärdensprache ausführend:) Danke. (Beifall bei den NEOS sowie der Abg. Oberrauner.)
14.03
Die Anträge haben folgenden Gesamtwortlaut:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Fiona Fiedler, Kolleginnen und Kollegen
betreffend Kostenanalyse Pflege
eingebracht im Zuge der Debatte in der 189. Sitzung des Nationalrats über den Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 2717/A der Abgeordneten August Wöginger, Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundespflegegeldgesetz geändert wird (1824 d.B.) – TOP 10
Der Pflegenotstand ist in aller Munde; es wird über Kosten und zu niedrige Gehälter diskutiert, über Attraktivierung des Berufs und Bonuszahlungen. Wie viel unser Pflegesystem kostet weiß aber kaum jemand. Rechnungshofüberprüfungen geben zwar einzelne Einblicke (1), welcher Abdeckungsgrad an Versorgung damit gegeben wird ist allerdings unklar. Ebenso unklar ist, welche privaten Kosten noch dazu kommen, welche Pflegeleistungen mangels geeignetem Entlassungsumfeld in Krankenhäuser verlagert werden und welchen Anteil Bundes- und Landesleistungen darstellen.
Der Pflegebedarf ist eine unbestrittene Wahrheit, immerhin war das schon 2011 klar (2). Die Entwicklung der Altersstruktur ist ein klarer Beweis für den steigenden Bedarf, zwischen 2025 und 2050 wird eine Verdreifachung der Kosten erwartet (3). Allerdings sind auch diese Prognosen nur mit dem vorhandenen Ausbaugrad gerechnet, ebenso berücksichtigt werden müsste aber auch, dass die Zahl der pflegenden Angehörigen wohl ebenfalls abnehmen wird (4). Zusätzlich müsste in den Berechnungen auch berücksichtigt werden, wie viele Pensionsbezüge zur Kostendeckung direkt an Pflegeheime weitergeleitet wird und welche Summen der Mindestsicherung zur Abdeckung der Heimkosten genutzt wird. Da derartige Transferleistungen bei einer Kostenanalyse aber genauso berücksichtigt werden müssten, wie das dafür dezidierte Budget (also beispielsweise das Pflegegeld), wäre es von Vorteil für die Budgetplanung, wenn es eine umfassende Kostenanalyse erstellt würde, auf deren Basis auch eine zukunftssichere Finanzierung erstellt werden kann.
Der heutige Beschluss des Angehörigenbonus und die zugehörige Debatte im Ausschuss haben aber gezeigt, dass es bei den politischen Beschlüssen über die Finanzierung des Pflegesystems immer noch oft großen Bedarf nach Transparenz gibt. Weder wurde klar mit kommuniziert, wie viele Personen sich für welche Auszahlung des Angehörigenbonus qualifizieren, noch wurde klargestellt, wie die Einführung dieses Bonus sich budgetär beim Pflegegeld auswirkt. Damit derartige Entscheidungen künftig mit ausreichender Faktenbasis und Abschätzung ihrer Tragweite getroffen werden können, ist eine Kostenanalyse, wie die hiermit vorgeschlagene, unumgänglich.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden
Entschließungsantrag
Der Nationalrat wolle beschließen:
"Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, wird aufgefordert, zum Zwecke der besseren Finanzierungsplanung eine umfassende Kostenanalyse der Pflege in Österreich zu erstellen und dem Nationalrat vorzulegen."
1 https://www.rechnungshof.gv.at/rh/home/home/004.682_Pflege_Oesterreich.pdf
2 https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20110926_OTS0107/pflege-hundstorfer-steigender-pflegebedarf-ist-herausforderung-der-zukunft
3 https://www.wifo.ac.at/news/pflegekosten_steigen_bis_2050_rasant
4 https://www.ig-pflege.at/hintergrund/datenundfakten.php
*****
Abänderungsantrag
der Abgeordneten Fiona Fiedler, Kolleginnen und Kollegen
zum Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 1792/A(E) der Abgeordneten Fiona Fiedler, BEd, Kolleginnen und Kollegen betreffend Automatische Fotoimplementierung bei Beantragung eines Behindertenpass aus nationalen Datenbanken (1831 d.B.) - TOP 12
Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:
Der eingangs bezeichnete Entschließungsantrag wird wie folgt geändert:
"Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, wird aufgefordert, die Möglichkeit zu schaffen, die Verfügbarkeit eines, in einer (wie oben beschriebenen) Datenbank, vorhandenen Fotos automatisch zu überprüfen und erst bei Nichtvorhandensein eines solchen Fotos vom Antragsteller/der Antragstellerin das Hochladen eines neuen Passfotos zu verlangen."
Begründung
Redaktionelle Korrektur.
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Präsident Ing. Norbert Hofer: Beide Anträge, der Abänderungsantrag und der Entschließungsantrag, sind ordnungsgemäß eingebracht und stehen somit auch mit in Verhandlung.
Zu einer Stellungnahme hat sich Herr Bundesminister Johannes Rauch zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesminister.
Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren Abgeordnete! Zuseherinnen und Zuseher! Zunächst zu zwei Punkten, die ja zur Abstimmung stehen, und dann natürlich auch ein Beitrag zur generellen Debatte zur Pflege, das kann und will ich hier und heute nicht auslassen:
Was wir heute abstimmen oder was Sie abstimmen, ist im Prinzip die Folge eines Entschließungsantrages vom 7. Juli 2022, als der Nationalrat zum Thema Angehörigenbonus beschlossen hat, dass die Bundesregierung aufgefordert wird, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zur Beschlussfassung zu übermitteln, mit der eine Möglichkeit geschaffen wird, nahen Angehörigen, beispielsweise Pensionistinnen, Pensionisten, neben zahlreichen anderen pflegenden und betreuenden Angehörigen, eben einen Angehörigenbonus zu gewähren. Das tun wir jetzt, und zwar in folgender Form.
Die Voraussetzungen sind: Es muss ein naher Angehöriger sein, der eine pflegebedürftige Person mit der Pflegestufe 4 – ich kenne die Kritik daran, ja – im gemeinsamen Haushalt überwiegend seit mindestens einem Jahr pflegt und der die Einkommensgrenze von 1 500 Euro nicht überschreitet. Dieser Bonus gebührt ab dem Jahr 2023 in der Höhe von 750 Euro und in der Folge dann jährlich in der Höhe von 1 500 Euro. Die Vollziehung wird durch die PVA sichergestellt. Dafür sind die technischen Voraussetzungen zu schaffen. Der Bonus tritt mit 1.7.2023 für beide Gruppen in Kraft. Die Aufwendungen dafür betragen im Jahr 2023 40 Millionen Euro und ab dem Jahr 2024 84 Millionen Euro pro Jahr. – Das ist der eine Teil.
Der zweite Teil betrifft die Entlastungswoche und die Nachtgutstunden. Alle im Gesundheitsbereich und in der Krankenpflege Beschäftigten haben – das halte ich für einen wesentlichen Fortschritt – ab einem Alter von 43 Jahren Anspruch auf eine sogenannte Entlastungswoche, de facto eine sechste Urlaubswoche. Das ist eine tatsächliche Entlastung für das Pflegepersonal in diesem besonders schwierigen Beruf. (Beifall bei Abgeordneten von Grünen und ÖVP.)
Wir stellen sicher, dass Nachtgutstunden – auch das ist wichtig – nicht auf die Entlastungswoche angerechnet werden, wie es bisher in vielen Kollektivverträgen bei einer bestehenden sechsten Urlaubswoche der Fall war. Zusätzlich stellen wir durch eine Änderung des Bundesgesetzes über Schutzmaßnahmen für das Krankenpflegepersonal sicher, dass Lücken bei den Zeitgutschriften geschlossen werden. Es erhalten auch alle Beschäftigten in Pflegeberufen unabhängig vom Dienstgeber 2 Stunden Zeitgutschrift pro Nachtdienst.
Das sind zwei wesentliche Bestandteile dessen, was wir im Sommer, vor dem Sommer als Pflegereform, Pflegemilliarde angekündigt haben, und mit der parlamentarischen Beschlussfassung wird dieser Baustein beschlossen. Ich halte fest: Es ist damit dem Auftrag des Parlaments, das zeitgerecht vorzulegen, nachgekommen worden.
Jetzt insgesamt zur Debatte und anknüpfend an Klubobmann Wöginger, bei dem ich mich noch einmal für die Umsetzung dieses Paketes bedanken darf: Ohne dich wäre das nicht gelungen!
Zur Einordnung: Es gibt ja bei mir im Ministerium eine Galerie, und in dieser Galerie sind die Bildnisse der jeweiligen Ministerinnen, Minister, die vor mir in diesem Amt tätig waren, auf einem schönen Board aufgelistet und aufgereiht – übrigens ist der Platz gleich aus, es gibt nur einen Platz für mich, und dann ist es irgendwie aus, dann muss man das Board verlängern –, und darunter finden sich zahlreiche Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten. Der Punkt ist aber schon der, Kollege Muchitsch – das können Sie auch gerne im heutigen „Standard“ nachlesen (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP) –: Ich bin ja
gerne bereit, die Kritik entgegenzunehmen. Ich bin nicht derjenige, der sich hierherstellt und sagt: Nein, es ist eh alles super und wir sind am Ende angelangt – nein, das tue ich nicht –, aber Sie hatten jahrzehntelang Zeit als Verantwortungsträger in Regierungen in der Pflege Reformen in der Substanz, die wir jetzt vorlegen, zustande zu bringen. Sie haben es nicht hergebracht. Sie haben es nicht hergebracht! (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Muchitsch.)
Sie können es gerne nachlesen. (Abg. Krainer: Normalerweise sind Sie sachlich, das ist polemisch und unsachlich und an der Wahrheit vorbei! Das ist ein bisschen peinlich, Herr Minister!) Der Titel lautet nämlich heute: „Die SPÖ-Kritik an der Pflegepolitik blendet eigene Versäumnisse aus“. (Abg. Krainer: Normalerweise haben Sie ein bisschen ein Format, aber das ist sehr formatlos, was Sie hier abzeichnen! – Zwischenruf der Abg. Disoski.) Sie blenden die eigenen Versäumnisse aus. (Neuerliche Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Ja, ich kann Ihre Aufgeregtheit nachvollziehen. Es ist immer unangenehm, damit konfrontiert zu werden. Wenn man nämlich mit Steinen wirft, dann sollte man nicht im Glashaus sitzen. Das ist ein altes Sprichwort. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Muchitsch.)
Ich sage Ihnen eines: Wir haben mit dieser Pflegereform einen Schritt gesetzt. (Abg. Michael Hammer – in Richtung SPÖ –: Schickt den Stöger raus! Der soll sagen, was er gemacht hat!) Wir nehmen 1 Milliarde Euro für zwei Jahre in die Hand und kommen jetzt, im Dezember, das erste Mal in die Auszahlung. Ich sage Ihnen, wie sich das abspielt: Zuständig für die Umsetzung sind die Bundesländer. Ich habe unendlich viel Zeit darauf verwendet, sicherzustellen, dass im Dezember diese Auszahlung stattfindet, bundesweit einheitlich und in einer Höhe, die adäquat und vom Bodensee bis zum Neusiedler See gleich ist mit 2 000 Euro.
Das geschieht heuer in Form eines Bonus, ja, weil es noch nicht gelungen ist, so wie es angedacht war, das bereits im heurigen Jahr in den Kollektivverträgen zu verankern. Das ist die Zielsetzung. Dazu gibt es einen Beschluss der Konferenz
der Landesrätinnen und Landesräte, das im nächsten Jahr als normale Gehaltsbestandteile in den Verträgen zu verankern. Nichts anderes war vorgesehen, das kommt ja nicht von ungefähr: Das muss Gehaltsbestandteil sein, das muss regelmäßig ausbezahlt werden und das muss auf Dauer bleiben, und genau das ist der Punkt, um den es geht! Wir werden im Zuge der Finanzausgleichsverhandlungen sicherstellen – die Länder haben es angekündigt, das haben die Länder schon gesagt –: Niemand in den Ländern wird diesen Zuschuss, diese Gehaltserhöhung rückgängig machen. Das bleibt auf Dauer, muss Gehaltsbestandteil sein und ist damit selbstverständlich sozialversicherungspflichtig und steuerpflichtig. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Damit Sie den Zugang verstehen, warum wir das so angelegt haben und dass das Bestandteil meiner und unserer Politik ist: In einem zweiten Bereich, im Bereich der Menschen mit Behinderung, kommt jetzt die persönliche Assistenz für Menschen mit Behinderung, und zwar in Form von Anstellungsverhältnissen. Das sind ganz normale Beschäftigungsverhältnisse, keine Nebenbeschäftigungen und keine Praktika, keine Dienstverhältnisse, die entlang irgendwelcher nicht sozialversicherungsrechtlicher und steuerrechtlicher Gegebenheiten stattfinden. Nein! Es sind Anstellungsverhältnisse, weil wir wollen – das ist die Zielsetzung –, dass Menschen, die in diesen Berufen tätig sind, ordentlich bezahlt sind und sozialversicherungsrechtlich und pensionsrechtlich abgesichert sind. Das ist im Bereich der Behinderten der Zugang und auch im Bereich der Pflege der Zugang.
Letzter Punkt, wenn es darum geht, darzustellen, wo die Notwendigkeiten in der Pflege insgesamt sind: Natürlich sind wir da nicht am Ende, das ist mir vollkommen klar. Wir werden mehr Geld brauchen, auch was insgesamt die Pflegeaufwendungen angeht, und was wir vor allem brauchen, ist Personal. Wir haben, was die Ausbildung angeht, in diesem Pflegepaket – ist erwähnt worden – den Ausbildungszuschuss, das Pflegestipendium verankert, mit der Zielsetzung, mehr
Menschen in die Pflegeberufe zu bekommen. Und der Effekt ist da: Die Nachfrage ist da! Die Nachfrage für die Ausbildung in der Pflege steigt. Wir werden damit auch einen wesentlichen Effekt am Arbeitsmarkt erzielen.
Im Gesamten ist das Reformpaket, das wir präsentiert haben, wofür heute ein Baustein beschlossen wird, ein erster Schritt dazu, das, was wir in Österreich haben, nämlich eine gute, sichere und angemessene Pflege für alle, auch auf Dauer und auch in Zukunft sicherzustellen. Um nichts anderes geht es. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)
14.11
Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Alois Stöger. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.
Abgeordneter Alois Stöger, diplômé (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Bundesminister Rauch hat gerade behauptet, die SPÖ habe keine qualitativen Reformen, wie sie jetzt diese Regierung eingebracht hat, gemacht. (Zwischenruf der Abg. Ribo.)
Ich berichtige tatsächlich: Die SPÖ hat den Pflegeregress abgeschafft, den Pflegefonds eingeführt, die Pflegekarenz eingeführt, die Pflegeteilzeit eingeführt, die Familienhospizkarenz eingeführt und das alles nachhaltig finanziert. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ribo: Und die Arbeitslose auf 55 gesenkt! – Abg. Krainer: Jetzt schaut der Minister blöd aus der Wäsch’! – Abg. Kucher: Die Qualitätserweiterung kommt nicht einmal vor!)
14.12
Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Mag. Ernst Gödl. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.
14.12
Abgeordneter Mag. Ernst Gödl (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine geschätzten Damen und Herren! Hohes Haus! In puncto Pflege hoffe ich, Herr Bundesminister, dass dieser Platz in Ihrem Ministerium – nämlich der, wo das Bild hängt – noch lange frei bleibt, weil Sie, Herr Bundesminister, und unser Klubobmann August Wöginger die Protagonisten dieser größten Pflegereform der letzten Jahrzehnte sind. Lieber Gust und lieber Herr Bundesminister, ein herzliches Danke für euren Einsatz, denn mit euch ist wirklich etwas weitergegangen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)
Als vor ziemlich genau 30 Jahren meine Großmutter verstorben ist, war sie schon in den dreieinhalb Jahren davor ein schwerer Pflegefall, nämlich bettlägerig und großteils gelähmt. Es war selbstverständlich, dass wir sie innerhalb der Familie Tag und Nacht gepflegt haben. Das war wie gesagt 1991, 1992. Kurz darauf gab es den ersten großen Meilenstein. Herr Kollege Stöger, ich möchte das überhaupt nicht kleinreden, ich glaube, das soll auch Ausdruck einer ehrlichen Debatte sein. Es gab ein paar Meilensteine in der Entwicklung der Pflege, das anerkenne ich vollkommen. (Abg. Stöger: Danke!)
Die Einführung des Pflegegeldes im Jahr 1993 damals unter Rot-Schwarz war so ein Meilenstein. Man hat sich darauf verständigt, dass man Pflegebedürftige prinzipiell mit Geldleistungen unterstützen möchte, damit sie mit diesem Geld selbstbestimmt notwendige Leistungen zukaufen können oder eben auch die pflegenden Angehörigen bedienen können. Das war ein Meilenstein.
Es gab in der Folge – und auch das sei ehrlich gesagt – weitere wichtige Entwicklungen. Du hast es gerade vorhin in deiner etwas unkorrekten tatsächlichen Berichtigung angeführt, aber es stimmt. (Abg. Krainer: Was soll daran unkorrekt gewesen sein?) Die Einführung der Pflegekarenz, der Pflegeteilzeit, diese Ansprüche dann (Abg. Krainer: Der Präsident hat sie als korrekt empfunden!) – ich
glaube, 2006, 2007 war das, wenn ich das richtig einordnen kann –, auch das waren wichtige Weiterentwicklungen, keine Frage.
Nun waren wir wieder gefordert, weil sich vieles verändert hat. Es hat sich vieles verändert in der Gesellschaft, in der familiären Zusammensetzung unserer Gesellschaft, in der Entwicklung auch des Alters – viele Menschen werden viel älter, weshalb auch der Pflegebedarf steigt. Ja, es gibt neue große Herausforderungen.
Erst dieser Bundesregierung ist es aber gelungen, wirklich extrem gute und wichtige Reformschritte zu setzen. Ich kann einfach nicht verstehen, liebe SPÖ, dass Sie nicht anerkennen, dass wir jetzt in Summe in dieser Legislaturperiode 1 Milliarde Euro in die Hand nehmen, um dieses Pflegesystem zu stärken, zu verbessern. Das ist eine große Leistung dieser Bundesregierung, und ich möchte auch bitten, das anzuerkennen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)
Wir haben 20 Maßnahmen präsentiert. Die sogenannte teuerste Maßnahme mit insgesamt 570 Millionen Euro ist jener Pflegebonus, der zum Gehaltsbestandteil wird. Ich möchte das gar nicht noch einmal ausführen, unser Klubobmann und auch meine Kollegin Bedrana Ribo haben das wirklich genau erklärt. Ja, das ist immer als Gehaltsbestandteil versprochen worden.
Das, was wir am 12. Mai dieses Jahres, am Tag der Pflege, versprochen haben umzusetzen, das setzen wir jetzt Punkt für Punkt um. Wir haben drei große Bereiche zu stärken: die pflegenden Angehörigen, das Pflegepersonal und auch die Ausbildung. Das setzen wir jetzt Punkt für Punkt um. Es wurde bereits alles oder fast alles angeführt.
Ich erwähne noch einmal das Pflegestipendium, das mit 1. Jänner 2023 in Kraft tritt: 1 400 Euro monatlich als Unterstützung für jene, die in die Ausbildung gehen. Oder: Ausbildungsbonus. Auch dafür nimmt die Bundesregierung in den nächsten Jahren über 200 Millionen Euro in die Hand. Das ist ja nicht nichts,
meine Damen und Herren von der SPÖ! Ich verstehe nicht, warum Sie es nicht lassen können, bei Themen, betreffend die Sie ein schlechtes Gewissen haben, weil Sie selber nichts zustande gebracht haben, hier herauszugehen und alles wirklich in Grund und Boden schlechtzureden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)
Nein, meine Damen und Herren, wir als Regierung haben das versprochen, wir haben es angekündigt – und wir setzen jetzt die größte Pflegereform der letzten Jahre und Jahrzehnte um! Heute stehen wieder drei ganz wichtige Beschlüsse an, und es wäre schön und es wäre gut, wenn alle, die in diesem Hause tätig sind, die nämlich für die gesetzlichen Regelungen verantwortlich sind, diesen auch zustimmen würden, nämlich im Sinne einer Verbesserung der Pflege für alle Betroffenen: für die zu Pflegenden, für die pflegenden Angehörigen und auch für jene, die in der Pflege arbeiten. Da bitte ich wirklich um Anerkennung und vor allem um Ihre Zustimmung! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)
14.17
Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Dietmar Keck. – Bitte, Herr Abgeordneter.
Abgeordneter Dietmar Keck (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Lieber Gust Wöginger, ja, ihr habt das als Gehaltsbestandteil versprochen – haben wir ja gerade wieder gehört –, aber, und das müsst ihr bitte auch dazusagen, das geht nur zwei Jahre, 2022 und 2023. (Abg. Wöginger: Ja!) Ab 2024 habt ihr keine Absicherung der Finanzen dafür, und damit ist dieser Gehaltsbestandteil ein befristeter und kein kompletter. Als Gehaltsbestandteil verstehe ich etwas, was ich mein Leben lang habe, wenn ich arbeite, Gust. (Beifall bei der SPÖ.)
Also das muss man wirklich dazusagen, wenn man bei den Fakten bleibt – und bleiben wir jetzt einmal bei den Fakten! Kollegin Ribo, du sagst, die Schwerarbeit betreffend können Frauen das nicht in Anspruch nehmen. – Es ist ganz einfach! Seit 15 Jahren oder länger fordere ich in diesem Haus: Nehmen wir dieselben
Ansprüche, die wir für die Nachtschwerarbeit haben, für die Schwerarbeit. Was bedeutet das? – In den letzten 30 Jahren vor dem Stichtag 15 Jahre Nachtschwerarbeit. (Abg. Ribo: Wieso habt ihr es nicht gemacht?) – Na weil die ÖVP nicht mitgegangen ist. Probiert ihr es! Ihr redet jetzt so groß, probiert es einfach, dann werdet ihr sehen, dass die ÖVP das nicht macht! Punkt, aus, fertig! Haben wir nicht geschafft, auch andere nicht, als die in der Regierung waren. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Ribo: Ihr habt den Bundeskanzler gestellt!) Man muss schauen, dass andere Regierungskoalitionen zustande kommen, dann kann man das umsetzen. Stimmen Sie bei unserem Neuwahlantrag mit, dann kommen andere Regierungskoalitionen zustande, dann kann man das umsetzen.
Aber jetzt zum Bundespflegegeldgesetz, das auch geändert wird: Dazu muss man sagen, es wird eingeführt, dass 1 500 Euro in monatlichen Teilbeträgen an pflegende Angehörige ausbezahlt werden. Wie schaut denn das aus? – Also es darf nur ein naher Angehöriger sein, der das bekommt, sprich: Ein Onkel, ein Neffe, eine Tante, ein Schwager und so weiter sind davon natürlich nicht betroffen, weil die ja laut Gesetz keine nahen Angehörigen sind. Dann muss es eine pflegebedürftige Person mit Pflegestufe 4 sein. Die Pflegestufe 4 setzt voraus, dass mindestens 160, maximal 180 Stunden Pflege im Monat notwendig sind.
Und was sagt dieses Pflegegeldgesetz dann noch aus? Wie schaut das aus? – Das heißt, die Zeiten zur An- und Auskleidung sind mit zweimal 20 Minuten festgelegt, Reinigung bei inkontinenten Patienten viermal 10 Minuten, Entleerung und Reinigung des Leibstuhls viermal 5 Minuten und, und, und, und. Man kommt auf 471 Minuten, hochgerechnet auf 7,1 Stunden – aber man hat nur maximal 6 Stunden. Wenn man das Mittel zwischen 160 und 180 heranzieht, nämlich 170 Stunden, bleiben noch 6 Stunden pro Tag für die Pflege der Person übrig.
Und was heißt das dann im Mittel? – Wenn ich 1 500 Euro – und Herr Professor Taschner, den ich sehr schätze, kann da jetzt mit mir mitrechnen – durch zwölf Monate dividiere, sind das 125 Euro im Monat. Wenn man dann die 125 Euro
noch durch 30 Tage dividiert, sind das am Tag 4,16 Euro, und die 4,16 Euro durch 6 Stunden dividiert, die man täglich braucht, wenn man die Anforderungen dessen, was im Gesetz drinnen steht, erfüllen will, sind dann pro Stunde 69 Cent. Wir zahlen also 69 Cent aus, und es gibt dabei auch noch Erschwernisse.
Man muss in einem gemeinsamen Haushalt leben. Was bedeutet denn das? Ein gemeinsamer Haushalt ist gesetzlich definiert, und das bedeutet, dass der Lebensmittelpunkt in der gemeinsamen Wohnung sein muss. Gust, du wohnst am Land. Wie schaut es denn am Land aus? – Da baut der Sohn beim Haus der Eltern dazu. Die Hausnummer der Eltern ist 2, die Hausnummer des Sohnes ist 2a. Das ist dann kein gemeinsamer Haushalt mehr. Keine Chance, der kriegt das nicht mehr. Und wenn sie auch im selben Haus wohnen, aber getrennte Wohnungen haben, dann ist der Lebensmittelpunkt auch nicht in der gemeinsamen Wohnung, dann kriegt man es auch nicht.
Das sind alles Dinge, auf die wir hinweisen, bei denen wir sagen, dass man da etwas tun muss, denn das sind alles Einschränkungen. Drei Viertel derer, denen man das geben will, kriegen es nicht, weil man diese Vorgaben gemacht hat. Da appelliere ich an das soziale Gewissen. (In Richtung Abg. Wöginger:) Wir zwei kennen uns lange genug, setzen wir uns zusammen! Ändern wir das, damit es wirklich alle kriegen, so wie wir das miteinander vorhaben. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Wöginger: Das Pflegegeld musst du auch rechnen, Didi!) – Ja eh, wenn ich das dazurechne, sind es 4 Euro in der Stunde.
14.21
Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.
Abgeordnete Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, ich muss es noch einmal sagen: 1 Milliarde Euro für die Pflege, das ist nicht nichts, bitte! 1 Milliarde Euro, das ist, wie bereits ausgeführt, ein Reformpaket mit 20 Maßnahmen,
lange gefordert und von dieser Regierung Schritt für Schritt umgesetzt. 1 Milliarde Euro für eine wichtige erste Etappe. Der Herr Sozialminister hat es gesagt und auch unser Klubobmann Gust Wöginger, denen ich sehr danke, dass wir daran natürlich weiterarbeiten. Ich danke aber auch unserem Finanzminister Magnus Brunner, der erkannt hat, dass dieses Thema Priorität hat, und die Finanzierung sicherstellt. Auch das ist großartig und ist einmal festzustellen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich fasse es noch einmal zusammen: Der Bund unterstützt die Länder. Der Herr Sozialminister ist darauf eingegangen, dass er dafür sorgen wird, dass da auch die Umsetzungen durch die Gemeinden, die Trägerorganisationen erfolgen, die übrigens alle positiv zu dieser Reform stehen, das möchte ich auch noch einmal festhalten, und natürlich die Menschen, die Pflegekräfte. Wir starten eine Ausbildungsoffensive mit dem Aufbau neuer Pflegeschulen, mit Ausbildungsstipendien von 1 400 Euro, mit Gehaltsaufbesserungen, und der Bonus soll in Zukunft natürlich Teil des Gehalts sein.
Und wir führen – und das kann man auch nicht oft genug sagen – mit der Entlastungswoche ab dem 43. Lebensjahr eine zusätzliche Urlaubswoche ein. Auch für Umsteiger:innen, auch für Wiedereinsteiger:innen gilt das. Zu den 2 Stunden Guthaben für Nachtdienste in Pflegeheimen habe ich, Herr Kollege Muchitsch, sehr, sehr viele positive Feedbacks bekommen.
Ja, wir müssen weiter daran arbeiten. Es sagt ja niemand, dass damit jetzt die Pflegereform abgeschlossen ist. Wir brauchen weiterhin alle Unterstützung für unsere Pflegekräfte, aber natürlich auch für die pflegenden Angehörigen, die auch sehr oft an ihre Grenzen stoßen, gar keine Frage, die 80 Prozent der Arbeit in den Familien leisten. Daher ist auch dieser Familienpflegebonus eine wichtige Wertschätzung, eine wichtige Anerkennung ihrer Arbeit. Auch da kann man sagen, es ist ein erster Schritt.
Ich bin froh, dass wir jetzt auch die Pensionistinnen und Pensionisten dabei haben, aber auch da werden wir natürlich weiterdiskutieren. Ich will jetzt gar
nicht auf alle Details eingehen, aber man kann immer noch etwas verbessern. Wir werden uns jedenfalls weiter auch dafür einsetzen.
Wir müssen alles tun, um die Pflege daheim zu stärken, denn das ist menschlich, das wünschen sich unsere Seniorinnen und Senioren. Sie wollen so lange wie möglich selbstbestimmt in ihrer eigenen vertrauten Umgebung leben, und daher haben wir vonseiten der Politik alle Maßnahmen zu setzen, damit das möglich ist. Daher: Serviceleistungen ausbauen, auch die 24-Stunden-Hilfen noch besser fördern, die Qualität sichern, den weiteren Ausbau von Tagesstätten gewährleisten, mehr Kurzzeitpflegeangebote, kostenfreie Pflegekurse, die jetzt auch forciert werden, kostenfreie Gesprächstermine und Beratungen, die im Rahmen dieser Pflegereform auch forciert werden.
Ich möchte mich aber auch bei den vielen Selbsthilfegruppen bedanken, die großartige Arbeit leisten und gerade auch die Familien und Betroffenen sehr, sehr stark unterstützen.
Meine Damen und Herren! Um die Qualität der Pflege zu sichern, brauchen wir alle Settings. Wir brauchen die Pflege daheim, wir brauchen die stationäre Pflege und wir brauchen die mobilen Dienste. Wir brauchen aber vor allem auch mehr Prävention, und die sichern wir jetzt auch durch die Einführung der Communitynurses. Wir werden uns weiterhin dafür einsetzen, dass wir im Bereich der Pflege Verbesserungen erreichen, gar keine Frage.
An dieser Stelle möchte ich mich mit großem Respekt bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die in der Pflege arbeiten, bedanken, vor allem auch bei jenen, die jetzt in den Weihnachtsfeiertagen für ältere Menschen, für Menschen, die Pflege brauchen, da sein werden, während viele von uns im Urlaub sind. Ihnen gehört wirklich unser großer Respekt und ein großes Danke. Arbeiten wir doch auch hier im Interesse der älteren Menschen zusammen, sodass ein Leben in Würde und bei guter Lebensqualität im Alter gesichert ist! – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)
14.25
Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Peter Wurm. – Bitte, Herr Abgeordneter.
Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Werte Zuseher! Ja, das war jetzt ein spannendes Match zwischen Schwarz und Rot – oder eher eine Propagandashow, muss man sagen. Ich versuche, das jetzt vielleicht noch einmal nüchtern darzulegen, worum es da geht und wovon man da spricht, bevor eine Legendenbildung eintritt.
Zu diesem sogenannten Pflegebonus von 2 000 Euro darf ich noch einmal daran erinnern – ich weiß, Sie verdrängen die Geschichte gerne –, wie der entstanden ist: Warum gibt es den überhaupt? – Der ist entstanden, weil in der Coronazeit vier Parteien im Haus – ohne uns Freiheitliche – genau im Pflegebereich und in der Krankenversorgung das Personal schikaniert und überlastet haben. Das ist der Grund, warum der Pflegebonus entstanden ist. Dann hat es nämlich geheißen, Klatschen (der Redner klatscht in die Hände) alleine ist uns zu wenig, wir wollen auch Geld. Deshalb diskutieren wir den Pflegebonus.
Das Versprechen war ganz eindeutig: 2 000 Euro, natürlich netto bar auf die Hand, und das Versprechen war auch ganz eindeutig, Kollege Wöginger, dass das alle bekommen sollen, die während der Coronazeit unter diesen Zuständen gelitten haben. Jetzt bekommen sie es brutto und nicht netto, und es ist deutlich weniger, teilweise sogar die Hälfte. Und jetzt bekommt es auch nur die Hälfte des Personals, die im Pflege- und Krankenhausbereich tätig war. Das als Erfolg zu verkaufen, Herr Minister oder auch Sie von der ÖVP, das finde ich schon ein starkes Stück. Also bleiben wir bitte schön bei den Fakten und der Realität!
Zu den anderen Dingen, die wir heute diskutieren und möglicherweise auch beschließen werden: Bitte, das sind wichtige Schritte im Pflegebereich, kleine Schritte im Pflegebereich, durchaus sinnvolle Schritte im Pflegebereich, und die
sind auch nur deshalb entstanden, sage ich einmal ganz deutlich, weil die Opposition da auch wirklich Druck gemacht hat.
Noch einmal – es wurde bereits erklärt –: Die Nachtschwerarbeitsregelung macht Sinn, die Regelung zum Pflegenachtdienst macht Sinn, selbstverständlich macht auch die sechste Urlaubswoche ab einem Lebensalter von 43 Jahren Sinn – das ist überhaupt kein Thema. Ich möchte nur darauf hinweisen, dass Sie auch die Möglichkeit geschaffen haben, sich diese sechste Woche auszahlen zu lassen, und das wird in diesem Bereich vermutlich sehr oft zum Tragen kommen, weil wir ja, wie wir wissen, dort zu wenig Personal haben.
Betreffend den Pflegebonus für Angehörige – auch das noch einmal, es wurde bereits ausgeführt – kann man sagen, dass das ein erster kleiner Schritt ist, man darf aber schon darauf hinweisen – und das ist halt das Problem mit dieser Regierung aus Grünen und ÖVP –, dass er viele sachliche, inhaltliche Mängel hat. Wenn ihr da „ein gemeinsamer Haushalt“ hineinschreibt, dann ist das halt einfach etwas, das in der Praxis nicht funktioniert, weil der Neffe in der Regel nicht im gemeinsamen Haushalt mit der zu pflegenden Person wohnt, oder auch die Schwester, Schwiegertochter, wer auch immer nicht. Warum ihr das genau so formuliert habt, dafür gibt es zwei Denkmodelle: Entweder ist es Unfähigkeit oder böse Absicht. Es kann mir ja jemand von Grün oder Schwarz sagen, was da zutrifft: böse Absicht oder Unfähigkeit. Warum für diese Maßnahme ein gemeinsamer Haushalt Bedingung sein soll, könnt ihr nicht erklären.
Auch die Einkommensgrenze von 1 500 Euro finde ich nicht in Ordnung. Was macht man da, wenn jemand, und das ist oft der Fall, 1 550 Euro verdient? Ja, das passiert halt oft, und da ist man aber kein Schwerverdiener, wenn man das hat. (Abg. Gödl: Das ist bei jeder Grenze so!) Und die Grenze mit Pflegestufe 4 ist, so glaube ich, in der Praxis zu hoch angesetzt.
Gnädigerweise lassen wir das jedoch als kleinen, aber fehlerhaften – wirklich fehlerhaften – Ansatz der Regierung, in diesem Bereich etwas zu tun, gelten.
Was gibt es dann noch? – Das von den NEOS, von Frau Kollegin Fiedler eingebrachte Anliegen, dass das Passbild mehr oder weniger automatisch in den Behindertenausweis übernommen wird, ist klarerweise eine sinnvolle Geschichte. Es sind ja lauter normale, kleine sinnvolle Dinge enthalten – aber sich jetzt mit einer Brandrede als ÖVP und Grüne hierherzustellen und zu sagen: Wir haben jetzt etwas geschafft?! – Bleiben wir bitte schön einfach bei den Fakten und bei den Tatsachen!
Ihr von der SPÖ habt gesagt, dass ihr aus Fehlern lernt – Kollege Lercher zumindest –, aber ich darf euch schon auf eines hinweisen: Ihr habt meiner Meinung nach nach wie vor einen großen Fehler in Wien sitzen, das ist Gesundheitsstadtrat Hacker, der von seiner irren Politik, was Corona betrifft, ja gar nicht abgeht und nach wie vor die Leute in Wien quält. (Abg. Erasim: Ist „irre Politik“ kein Ordnungsruf?)
Das Ergebnis, geschätzte Sozialdemokraten, ist, dass das Krankenhaussystem in Wien zusammengebrochen ist. (Abg. Erasim: Ist „irre Politik“ kein Ordnungsruf?)
Wenn ihr das als Erfolg verkaufen wollt – ich anerkenne viele gute Ansätze der Sozialdemokratie, aber ihr habt noch viele Hausaufgaben zu machen. Macht eure Hausaufgaben, dann könnt ihr mit uns auch durchaus zusammenarbeiten! Und Richtung ÖVP: Bleibt bitte schön bei den Fakten, es sind kleine Schritte, sinnvolle Schritte, aber alles andere als ein großer Wurf im Bereich Pflege. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)
14.31
Präsident Ing. Norbert Hofer: Frau Abgeordnete, weil Sie mich gefragt haben, ob Ihre Politik ein Ordnungsruf wäre (Abg. Erasim: Irre Politik!) – ich weiß nicht, ob es Ihre Politik oder irre Politik war, aber selbst wenn es Letzteres gewesen wäre: Ich erteile immer dann einen Ordnungsruf, wenn jemand persönlich beleidigt wird. Wenn der Abgeordnete gesagt hätte, die Person XY sei irre, dann wäre es ein Ordnungsruf gewesen. (Abg. Erasim: Die irre Politik des Herrn Hacker!) – Die Politik, es war die Politik! Ich weiß nicht, ob nicht sogar nur Ihre Politik gesagt
wurde, aber wenn jemand persönlich beleidigt wird, dann erteile ich einen Ordnungsruf.
Zu Wort gemeldet ist nun Abgeordnete Bedrana Ribo. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.
Abgeordnete Bedrana Ribo, MA (Grüne): Herr Präsident! Geschätzter Minister! Liebe Kolleg:innen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ich möchte kurz auf Tagesordnungspunkt 12 eingehen. Worum geht es da? – Es geht um den Antrag der Kollegin Fiedler von den NEOS betreffend mögliche Erleichterungen für Menschen, die beim Sozialministeriumservice online einen Behindertenpass beantragen.
Derzeit ist es ja so, dass bei jedem Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses ein Foto angehängt werden muss. Oft kommt es vor, dass entweder kein Foto oder unabsichtlicherweise ein mangelhaftes Foto dabei ist, dann wird das wieder zurückgeschickt und das muss neu beantragt werden. Das ist also im Großen und Ganzen mit viel Verwaltungsaufwand und Bürokratie verbunden – auf der einen Seite für die Verwaltung, aber natürlich auf der anderen Seite auch für die Betroffenen –, denn das bedeutet Mailverkehr, Briefverkehr, mehrere Wege, alles Mögliche, und das soll verhindert, das soll erleichtert werden.
Die Kollegin schlägt vor, dass eben ähnlich wie bei der E-Card in einem ersten Schritt überprüft werden könnte, ob bereits ein österreichischer Reisepass oder Personalausweis vorhanden ist, und dass man dann einfach von dort das Foto nimmt. Das würde allen Seiten vieles erleichtern. Wir Grüne finden die Idee natürlich gut und gescheit – danke für den Antrag, Kollegin Fiedler, den wir sehr gerne unterstützen.
Ein kleiner Hinweis: Im Jahr beantragen circa 35 000 Menschen den Behindertenpass, das heißt, das wird schon zu einigen Erleichterungen führen. Alles,
das eben wie gesagt auf der einen Seite für die Verwaltung, aber auf der anderen Seite vor allem für die Betroffenen, in diesem Fall für Menschen mit Behinderungen, weniger Arbeit bedeutet, wird unterstützt. Noch einmal danke, Kollegin Fiedler. (Beifall bei Grünen und NEOS.)
Ganz kurz noch zu der anderen Sache betreffend die Pflege, weil das jetzt unter einem diskutiert wird: Ich habe jetzt mehrmals von der SPÖ gehört, sie hätte ja so viel machen wollen, aber irgendwie wollte immer die ÖVP nicht. Ich möchte ganz kurz erinnern: Pflegemilliarde – also Pflegereform –, Valorisierung der Sozial- und Familienleistungen, Frühstarter:innenbonus – alles unter grüner Regierungsbeteiligung und alles zusammen mit der ÖVP, also wenn man will, geht es doch! – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
14.34
Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Mag. Christian Drobits. – Bitte, Herr Abgeordneter.
Abgeordneter Mag. Christian Drobits (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Wenn man heute die Regierungsparteien so hört, glaubt man gar nicht, dass dieses Pflegereförmchen so dargestellt wird. (Abg. Disoski: Geh bitte! – Abg. Ribo: 1 Milliarde!)
Dieses Pflegereförmchen, dieses Pflänzchen wird jetzt von allen Seiten verteidigt, eine Flucht nach vorne. Sogar der Bundesminister rückt aus, verteidigt dieses Pflegereförmchen und meint, dass das der große Wurf wäre. (Abg. Ribo: 1 Milliarde! – Abg. Disoski: Das Reförmchen, das ihr nie geschafft habt!)
Das ist nicht der große Wurf – das ist ein kleiner Wurf, denn hören Sie zu, was die Menschen draußen erzählen, wenn es um Pflege und Betreuung geht! Hören Sie zu, was die Pflegebeschäftigten erzählen! Es herrscht überall Jammer,
es ist überall, auch bei den pflegenden Angehörigen, nicht angekommen, was Sie tun. Ihre Politik kommt nicht an – Sie versprechen viel, aber halten nichts. Das ist Ihre Politik, die Sie aktuell im Pflegebereich betreiben!
Ich möchte das kurz skizzieren: August Wöginger ist gerade nicht im Saal, aber wenn er von Verstaatlichung im Burgenland spricht, wenn er von Zwangsanstellungen spricht, nehme ich ihn gerne an die Hand und nehme ihn mit ins Burgenland! Er soll sich anschauen, wie das Anstellungsmodell funktioniert, denn ich kenne nichts Besseres, das die ÖVP da machen würde.
Ich weiß auch nicht, wie es bei der Gemeinnützigkeit ist: Bei der ÖVP dürfte immer noch der Tenor sein, dass mit der Pflege schon auch Geschäft gemacht werden darf, denn es ist bis dato nicht umgesetzt worden, dass die Gemeinnützigkeit ins Gesetz hineinkommt. Das sind die Rahmenbedingungen, das spüren die Menschen in Österreich, und das merken sie auch.
Kollegin Ribo, Sie mögen vielleicht so eine selbst ernannte weibliche Robin Hood der Pflege sein. (Abg. Ribo: Was heißt „selbst ernannt“?) Ich möchte Ihnen sagen: Wenn Sie das sein wollen, dann müssen Sie aber auch entsprechend handeln und der Schwerarbeitspension für Pflege- und Betreuungspersonen zustimmen und diese nicht ablehnen. Was Sie gemacht haben, dass Sie sagen, viele Frauen erfüllten nicht die Voraussetzungen oder gehören nicht dazu, dass sie in die Schwerarbeitspension fallen: Das ist genau das, was draußen ankommt! (Abg. Ribo: Das sind Fakten! Fakten!)
Sie sind der Garant dafür, dass viele Frauen verzweifelt sind und nicht mehr wissen, ob sie in diesem Beruf weiterarbeiten können und wollen.
Sie behaupten auch, dass die Pflege- und Betreuungsarbeit keine besonders belastende Arbeit wäre (Abg. Ribo: Das stimmt nicht!), weil Sie ja damit auch unserem Antrag nicht zustimmen. Ich sage Ihnen offen und ehrlich: Das spüren die Menschen!
Ich möchte jetzt auch noch zur Nachtschwerarbeit kommen, weil diese angesprochen wurde: Herr Kollege Gödl, Sie bedanken sich bei Herrn Wöginger und auch beim Herrn Bundesminister – ich habe aber noch keinen Dank dafür gehört, dass diese Nachtgutstunden heute gemeinsam beschlossen werden, weil die Nachtgutstunden, die Zeitguthaben für die Pflege- und Betreuungskräfte, unsere Initiative sind! Nein, das wollen Sie nicht tun. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Ich habe mich sogar ... bedankt! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)
Sie wollen sich mit fremden Federn schmücken, Sie wollen Ihr Pflegereförmchen verkaufen, und Sie denken dabei nur an sich selbst. Das ist momentan der Weg, den wir wahrnehmen. (Abg. Weidinger: Wir sind ja keine Sozis!)
Wir haben diese Nachtgutstunden angestoßen, wir wollten diese Lücke schließen, und wir werden auch die Schwerarbeitspension für Pflege- und Betreuungsfachkräfte durchbringen. (Zwischenruf der Abg. Ribo.)
Wir werden darum kämpfen, und eigentlich müsste normalerweise auch der ÖAAB Interesse daran haben, diesen Weg zu beschreiten, damit von der Schwerarbeitsverordnung neben den Polizisten, Justizwachebeamten und vielen anderen Berufen endlich auch die Betreuungs- und Pflegekräfte umfasst sind. Dazu werden wir auch kommen.
Wir haben aber eineinhalb Jahre gebraucht, bis wir die Nachtgutstunden hineingebracht haben: Kollege Wöginger hat gesagt, er müsse in Oberösterreich eine kleine Tour machen – die hat eineinhalb Jahre gedauert, hoffentlich dauert das bei der Schwerarbeitspension nicht so lange. Ich würde mich freuen, wenn es schneller geht.
Zum Pflegebonus: Ich meine, das ist ein Tohuwabohu, und, Herr Bundesminister, bei aller Wertschätzung für Ihre Person, aber das ist eine Spaltung. Das ist eine Differenzierung und sogar eine Diskriminierung, und ich glaube, das ist nicht richtig, was da passiert.
Ich bringe deshalb auch einen Entschließungsantrag ein, der folgenden Inhalt hat:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Anerkennung für die Leistung der Gesundheitsberufe durch Auszahlung eines beitrags- und steuerfreien Entgeltbonus zum Ausdruck bringen“
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz und der Bundesminister für Finanzen werden aufgefordert, den Entgelterhöhungszuschuss für das Pflegepersonal für das Jahr 2022 – so wie es für den Teuerungsbonus vorgesehen ist, steuer- und beitragsfrei zur Auszahlung zu bringen und den Bezieher*innenkreis auf alle Gesundheitsberufsgruppen zu erweitern, die für den Behandlungsprozess erforderlich sind.“
*****
Liebe Kolleginnen und Kollegen, arbeiten wir endlich für jene Menschen in Österreich, die im Pflege- und Betreuungsbereich tätig oder auch pflegende Angehörige sind, zusammen! Tun wir nicht das, was Sie machen: Sie kupfern unsere Ideen ab, und die Grünen behaupten, die SPÖ hätte keine Arbeit im Pflegebereich geleistet – das ist unrichtig und das berichtige ich tatsächlich. – Danke schön für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Krisper.)
14.39
*****
Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Philip Kucher, Josef Muchitsch
Genossinnen und Genossen
betreffend Anerkennung für die Leistung der Gesundheitsberufe durch Auszahlung eines beitrags- und steuerfreien Entgeltbonus zum Ausdruck bringen
eingebracht im Zuge der Debatte zum Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 2717/A der Abgeordneten August Wöginger, Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundespflegegeldgesetz geändert wird (1824 d.B.) – TOP 10
Die Regierung hat am 12. Mai des heurigen Jahres die angeblich „größte Pflegereform der vergangenen Jahrzehnte“ verkündet und hat 20 Maßnahmen angekündigt, die noch heuer umgesetzt werden sollten.
Wie so oft blieb es bei vielen dieser Maßnahmen bei der Ankündigung.
Insbesondere eine Maßnahme, die eigentlich für die Aufwertung und Anerkennung der Pflegeberufe gedacht war, ist bis heute nicht umgesetzt. Es handelt sich dabei um den Entgelterhöhungszuschuss, der den Angehörigen der Pflegeberufe mehr Einkommen sichern sollte. Nicht nur, dass dieser auf zwei Jahre befristet ist und niemand weiß, wie es nach diesen zwei Jahren weitergehen soll, ist der Zuschuss für 2022 noch gar nicht zur Auszahlung gekommen.
Bei der Präsentation der Pflegereform Mitte Mai stellte Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) einen durchschnittlichen Bonus in Höhe eines Monatsgehaltes in Aussicht. Es solle sich um einen "spürbareren Nettoeffekt" handeln, sagte er damals.
Jetzt soll diese Gehaltserhöhung als Einmalzahlung von 2.000 Euro brutto (inklusive Arbeitgeberanteil) Ende Dezember zur Auszahlung gelangen, allerdings voll versteuert und beitragspflichtig. Damit bleibt den Betroffen maximal 60 Prozent davon, also 1.200 Euro.
Es gäbe aber die Möglichkeit, diesen Bonus zu 100 Prozent den Betroffenen zukommen zu lassen. Dazu müsste die Regierung nur ihr eigens für den Zweck der Teuerungsabgeltung beschlossenes Gesetz anwenden, wonach Arbeitsgeber ihren
Mitarbeiter*innen einen Bonus bis zur Höhe von 3.000 Euro steuer- und beitragsfrei auszahlen können. Warum geschieht das gerade bei dem in den letzten drei Jahren so stark belasteten Pflegepersonal nicht?
Die Regierung hat aber auch bei dieser Maßnahme wieder einmal nicht verstanden, dass die Versorgung der Menschen im Gesundheitssystem nur durch einen Behandlungsprozess, an dem alle Gesundheitsberufe und alle zuarbeitenden Tätigen (Verwaltung, Reinigung, Küche etc.) beteiligt sind. Insbesondere bei den Gesundheitsberufen zeigt die Praxis, dass eine Abgrenzung von Tätigkeiten nicht möglich ist und die Berufsgruppen eng zusammenarbeiten. Nur dadurch ist eine erfolgreiche Behandlung gewährleistet. Eine Abgrenzung iS des Entgelterhöhungs-Zweckzuschussgesetzes ist somit nicht gerechtfertigt.
Alle im Gesundheitssystem tätigen Berufsgruppen sind am Behandlungs- und Betreuungsprozess beteiligt, alle Berufsgruppen leiden unter Personalmangel, alle waren durch Corona von höherer Arbeitslast betroffen.
Was ebenfalls bei allen Berufsgruppen gleich vorkommt ist, dass sich die Tätigkeitsbereiche überschneiden, zB:
• Arbeit am und für den Menschen
• Kommunikations- und Beziehungsarbeit
• Erfolg für Patient:innen nur durch Zusammenarbeit möglich
• Verabreichung von Arzneimitteln
• Versorgung in Notfällen
An Hand einiger Beispiele sei das erläutert:
• OP-Assistenz und OP-Pflege zeichnen für überschneidende Aufgaben verantwortlich, wie etwa Lagerung oder Patientenidentifikation
• Physiotherapie und Pflege haben die Mobilisation oder die Wiedererlangung von Beweglichkeit gemeinsam
• Die Gemeinsamkeiten von Ergotherapie und Pflege finden sich in der Wiedererlangung und Förderung von Aktivitäten des täglichen Lebens
• Der Biomedizinische Analytik und der Pflege sind die Bestimmung von Laborparametern gemein
• Radiologietechnologie und Pflege vereint die Anwendung radiologisch-technischer Methoden
• Die Diabetesberatung ist die Gemeinsamkeit von Diätologie und Pflege
• Auch Hebammen üben pflegerische Tätigkeiten aus (gem. § 2 Abs 1 Z 9 und 10 Hebammengesetz)
Die Liste könnte noch fortgeführt werden, aber am bezeichnendsten ist die Regelung, die die Regierung selbst erlassen hat: Seit der Pandemie gibt es die Ausnahmeregelung, dass zur Unterstützung bei der Basisversorgung auch berufsfremde Personen eingesetzt werden können. So dürfen also z.B. MTD-Berufe, Hebammen, MAB-Berufe für pflegerische Tätigkeiten eingesetzt werden.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachfolgenden
Entschließungsantrag
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz und der Bundesminister für Finanzen werden aufgefordert, den Entgelterhöhungszuschuss für das Pflegepersonal für das Jahr 2022 – so wie es für den Teuerungsbonus vorgesehen ist, steuer- und beitragsfrei zur Auszahlung zu bringen und den Bezieher*innenkreis auf alle Gesundheitsberufsgruppen zu erweitern, die für den Behandlungsprozess erforderlich sind.“
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Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.
Zu Wort gelangt nun Herr Mag. Gerhard Kaniak. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.
Abgeordneter Mag. Gerhard Kaniak (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wenn man den Rednern der Regierungsparteien hier zuhört, dann könnte man fast den Eindruck gewinnen, dass nun mit den Beschlüssen, die heute gefasst werden sollen, das jahrzehntelange Problem in der Pflege behoben wird. Ja, die Situation in der Pflege, sowohl im stationären Bereich als auch in der Pflege zu Hause oder in den Altenheimen, war angespannt, aber sie war vor Corona bei Weitem nicht so dramatisch, wie sie das im Moment ist.
Ganz maßgeblich daran beteiligt, Herr Bundesminister, dass die Situation für Pflegekräfte mittlerweile untragbar geworden ist und dass sehr, sehr viele diesem Beruf den Rücken gekehrt, sich anders orientiert haben und dort nicht mehr tätig sind, waren Ihre zwei Vorgänger und diese Bundesregierung. Denn was ist alles passiert? Denken Sie zurück: Nach dem anfänglichen Schock und dem ersten Applaus, den die Pflegekräfte bekommen haben, ist genau gar nicht passiert! Die Pflegekräfte sind weiter schikaniert worden: mit Testzwang, mit Masken, mit Ganzkörperverhüllung, mit Impfzwang – die Impfung war noch bis zum letzten Herbst in den Pflegeschulen ein Aufnahmekriterium und Auflage bei Neuanstellungen von Pflegekräften und von Ärzten bei den Spitalsträgern. Das heißt, es ist kein neues Personal nachgekommen, ja Sie haben sogar auf die nächsten Jahre hinaus eine zusätzliche Pflegelücke mitproduziert!
Dass da die Perspektive für Menschen, die in diesem Beruf tätig sind und die ihre gesamte Energie opfern, um pflegebedürftigen Menschen zu helfen, fehlt, dass diese Energie irgendwann einmal endet, ist kein Wunder; wenn man nicht
mehr sieht, wie man diese Arbeit bewältigen kann, und wenn man keine Unterstützung bekommt, sondern ganz im Gegenteil immer mehr Menschen aus diesem Bereich verschwinden, abgesondert werden – übermäßig lange – oder in Parallelstrukturen abgeworben werden, die Sie selber aufgebaut haben: die Test- und die Impfstraßen, wohin zum Beispiel Diplompflegekräfte aus den Spitälern und aus den Altenheimen gegangen sind, weil die Bezahlung dort so attraktiv war – viel attraktiver, als das an ihren ursprünglichen Dienstorten der Fall war!
Die wenigen, die übrig geblieben sind, haben sich mit einem Arbeitspensum und Arbeitsumständen konfrontiert gesehen, die untragbar waren und es vielerorts heute noch sind. Was ist nun die Konsequenz? – Wir haben nicht nur in den Spitälern geschlossene Abteilungen, weil zu wenige Pflegekräfte da sind, es sind in den Alten- und Pflegeheimen ganze Stockwerke gesperrt; es gibt neue Heime, die fertig gebaut sind und gar nicht eröffnen können. Das kann ich Ihnen alles direkt aus meinem Umfeld erzählen, wo ich selber auch Alten- und Pflegeheime betreue. Und da helfen diese Maßnahmen, die Sie hier heute beschließen wollen, leider Gottes sehr, sehr wenig!
Teilweise sind sie sogar kontraproduktiv (Zwischenruf der Abg. Scheucher-Pichler), denn wenn Sie jetzt ad hoc die sechste Urlaubswoche und die zusätzlichen Freistunden für die Nachtstunden einführen, dann treffen diese Maßnahmen bereits jetzt auf Dienstpläne, die gar nicht mehr zu befüllen sind, weil das nötige Personal für die Betreuung der Menschen gar nicht mehr da ist.
Nötig gewesen wäre, dass Sie vor zwei Jahren auf uns gehört hätten, als wir gefordert haben, dass wir im Finanzierungsbereich den Ländern unter die Arme greifen; dass offensiv neue Mitarbeiter angeworben werden; dass offensiv Überstunden ausbezahlt werden, damit die Belastungssituation der Einzelnen nicht zu groß wird; dass offensiv in der Ausbildung mehr und nicht weniger Leute aufgenommen und keine künstlichen Hürden für die Ausbildung im Pflegeberuf geschaffen werden.
Ein Thema haben Sie heute gar nicht angesprochen, weder die Herren und Damen von der ÖVP noch die von den Grünen: Was ist denn mit der Kompetenzausweitung für die Pflegekräfte? Das ist doch die Anerkennung und die Aufwertung des Pflegeberufes, die wir hier brauchen! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der SPÖ.)
Davon habe ich noch nichts gesehen. Das hätte nicht einmal etwas gekostet, und das hätten Sie auch sofort machen können. Stattdessen haben wir hier Zeitgeschenke und ein Spiel auf Zeit, befristete Gehaltserhöhungen, die dann auch noch sozialversicherungs- und steuerpflichtig sind. Sehr geehrter Herr Bundesminister, ich befürchte, mit diesen Maßnahmen alleine werden wir die notwendige Trendwende nicht einleiten können. Es mag ein richtiger erster Schritt sein, aber ich persönlich erwarte mir noch viele, viele weitere. (Beifall bei der FPÖ.)
14.44
Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Nurten Yılmaz. Rapid wird sich heute auch freuen. – Bitte schön, Frau Abgeordnete. (Rhythmisches, schneller und lauter werdendes Klatschen, anfangs bei der SPÖ, dann bei allen Fraktionen, für die sich zum Redner:innenpult begebende Abg. Yılmaz.)
Abgeordnete Nurten Yılmaz (SPÖ): Herr Präsident, Herr Gemeinderat! Herr Bundesminister! Herr Bundesminister! Ja, ich war jetzt beeindruckt, ich wollte schon fast rausschreien: Pyrotechnik ist kein Verbrechen! Ich sehe das aber auch so. (Heiterkeit und Beifall bei SPÖ, Grünen und NEOS sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)
Werte Kolleginnen und Kollegen, zu diesem Tagesordnungspunkt Nachtschwerarbeitsgesetz passt meine Abschiedsrede eigentlich, weil ich weiß: Der Job – egal, was wir hier oft sagen und uns manchmal gegenseitig ungewollt oder gewollt vorwerfen – ist keine leichte Hacken, das, was wir da tun. Ich möchte,
dass Sie sich selbst wertschätzen und dieses Selbstbewusstsein auch hinaustragen. Sie, wir sind gewählt. Die beiden Herren (auf die Bundesminister Kocher und Rauch deutend) sind bestellt. (Heiterkeit bei der SPÖ. – Beifall bei SPÖ, FPÖ, Grünen und NEOS sowie bei Abgeordneten der ÖVP.) Bitte geben Sie das nicht aus der Hand! Wir sind die Gewählten – leben Sie das auch!
Werte Kolleginnen und Kollegen, ich habe immer gesagt: Mit 65 Jahren ist Schluss. Ein Mandat ist nur Macht auf Zeit, geborgte Macht. Es ist Zeit, die Fackel weiterzugeben und die Schlüssel abzugeben. Ich möchte zu Beginn gleich einmal allen Mitarbeiter:innen im Parlament Danke sagen: den Reinigungskräften, den Sicherheitsdiensten, dem Internationalen Dienst für die Betreuung in der parlamentarischen Freundschaftsgruppe, den Polizistinnen und Polizisten und den Sicherheitsbediensteten, die für unsere Sicherheit sorgen, ob es draußen 36 Grad plus hat oder minus 10 Grad. Sie sind immer da. – Vielen herzlichen Dank. (Allgemeiner Beifall.)
Ich danke auch den Haustechnikern und allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die den Parlamentsbetrieb möglich machen und vor allem in Sachen Sicherheit alles geben. Wenn ich meine Utensilien, meine Laptops und Handys irgendwo verlegt habe, vergessen und verloren habe, wurden sie mir immer nachgetragen (Heiterkeit bei der SPÖ), und das war immer sehr beruhigend.
Beim Bedanken nicht zu vergessen sind natürlich die Kameramänner des ORF: Sie haben es immer wieder geschafft, wirklich wertvolle Aufnahmen von uns einzufangen, die dann bei „Willkommen Österreich“ landen. (Allgemeiner Beifall und Heiterkeit.) Wenn man bei „Willkommen Österreich“ landet, ist das eh schon viel wert, aber ich habe jetzt gehört: Im neuen Parlament gibt es die Herrschaften nicht mehr, gibt es keine Kameras, keine Kameramänner. Das tut mir leid, das tut mir echt leid! (Beifall bei SPÖ, Grünen und NEOS.)
Selbstverständlich möchte ich mich bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern meines SPÖ-Klubs bedanken und bei meinen parlamentarischen Mitarbeiter:innen, und vor allem möchte ich meinen Wähler:innen danken, die mir 2013,
2017 und 2019 ihr Vertrauen geschenkt haben. Ihr habt mir die Kraft und den Rückhalt gegeben. Eure Anliegen, eure Interessen, euer Mut und mitunter auch euer Zorn waren mein Auftrag!
Ich hoffe, dass ich als Sozialdemokratin, Sozialistin, Feministin unser Land gerechter machen konnte. Mir war es immer ein Anliegen, das Miteinander und den Zusammenhalt zu stärken, und, wenn jemand im Leben stolpert, nicht wegzuschauen, sondern die Hände zu reichen; und zwar allen, die hier sind und mit uns leben. (Allgemeiner Beifall.)
Ob mir das gelungen ist, müssen wohl andere entscheiden. Nicht nur während Corona wurde klar, dass ohne unsere migrantischen Arbeiter:innen nichts geht. Die wirklichen Leistungsträger:innen Österreichs haben viele Herkünfte.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es geht um Freiheit, Gleichheit und Demokratie, besonders für Frauen und Mädchen. (Beifall bei SPÖ, Grünen und NEOS sowie bei Abgeordneten der ÖVP.) Es geht um höhere Löhne, leistbare Mieten, eine klimagerechte Zukunft und ein gutes Bildungs- und Ausbildungssystem. Mit nationalistischem, rassistischem Spaltungsgerede kommt man in unserem Österreich nicht mehr durch und schon gar nicht mehr weiter. (Beifall bei SPÖ, Grünen und NEOS.)
Unser Land, besonders die Jungen, sind viel weiter, als es uns die medialen politischen Debatten über Integration und Migration manchmal glauben lassen.
Zum Abschluss möchte ich doch ein paar Punkte nennen, die mir in der sogenannten Integrationspolitik wichtig sind: Wir brauchen, werte Kolleginnen und Kollegen, hier im Parlament endlich einen eigenen Ausschuss für die Themen Integration und Teilhabe – auch um die Debatte zu versachlichen. (Beifall bei der SPÖ.)
Mittlerweile beträgt das Integrationsbudget – für 2023 – 107 Millionen Euro. Es kann nicht sein, dass von dem erwähnten Budget 90 Millionen Euro einfach in einer Blackbox namens Österreichischer Integrationsfonds verschwinden. Die
Bürger, die Öffentlichkeit und wir haben das Recht zu wissen, was mit dem Geld passiert.
Wir brauchen jährlich aber auch 1 Milliarde Euro für unsere Kindergärten und viel mehr für unsere Ganztagsschulen. Es muss endlich sichergestellt werden, dass jedes Kind die Bildungsziele erreichen kann – und zwar unabhängig vom Geldbörsel der Eltern, von seinem Vornamen oder Geburtsort. (Beifall bei SPÖ, Grünen und NEOS.)
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir sind hier im Haus zu Recht sehr schnell mit Fünfparteienanträgen gegen andere Diktaturen und Ungerechtigkeiten. Das darf aber nicht dazu führen, dass wir die autoritären Tendenzen und Gefahren hierzulande außer Acht lassen. Stärken Sie freie Medien! Stärken wir Betriebsrät:innen! Stärken Sie die freie Justiz! Schaffen Sie die Bedingungen, dass unsere Kinder und Jugendlichen zu selbstbewussten Demokrat:innen heranwachsen! Soziale Teilhabe, soziale Sicherheit, ökonomische Selbstbestimmung, politische Gleichheit, Demokratie – all das gehört zusammen. Bleiben Sie selbstbewusst und widerständig!
Die Regierung ist nicht gewählt; gewählt sind Sie! Frei nach Ostbahn-Kurti: Losst’s eich nix gfoin! – Danke. (Lang anhaltender, stehend dargebrachter allgemeiner Beifall. – Abg. Yılmaz nimmt auf dem Weg zu ihrem Sitzplatz Glückwünsche und Geschenke entgegen.)
14.53
Präsident Ing. Norbert Hofer: Frau Abgeordnete, ich darf Ihnen sehr herzlich gratulieren und wünsche Ihnen alles Gute! Besuchen Sie uns hin und wieder! Alles Gute! (Allgemeiner Beifall.)
Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.
Wird seitens der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Nein, das ist nicht der Fall.
Wie vereinbart verlege ich die Abstimmungen an den Schluss der Verhandlungen über die Vorlagen des Ausschusses für Arbeit und Soziales und fahre in der Erledigung der Tagesordnung fort.
Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 2965/A der Abgeordneten Bettina Zopf, Mag. Markus Koza, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsmarktservicegesetz geändert wird (1819 d.B.)
14. Punkt
Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 2987/A(E) der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Arbeitslosenversicherungssystem und AMS-Schulungen dürfen nicht zum Ausländer-Arbeitsamt verkommen – Stopp der weiteren unqualifizierten Zuwanderung in den österreichischen Arbeitsmarkt und den Sozialstaat (1820 d.B.)
15. Punkt
Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 3021/A der Abgeordneten Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller, Mag. Markus Koza, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz geändert wird (1822 d.B.)
16. Punkt
Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 2986/A(E) der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Zuwanderungsstopp in den österreichischen Sozialstaat jetzt – „Unser Geld für unsere Leute“ (1832 d.B.)
Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen nun zu den Punkten 13 bis 16 der Tagesordnung, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.
Es wurde auf eine mündliche Berichterstattung verzichtet.
Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Peter Wurm. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Matznetter: Viel Zeit hat er nicht mehr!)
Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ): Herr Präsident! Herr Minister Kocher! Wir haben jetzt noch ein paar Minuten zu diesem Themenschwerpunkt, danach beschäftigen wir uns wieder mit dem Themenschwerpunkt Arbeit. Im Grunde genommen geht es um den Arbeitsmarkt, um die Situation im AMS – Schulungsteilnehmer, Fachkräftemangel –, darum, wie wir sie lösen und was die derzeitige Regierung in diesem Bereich macht.
Wir haben einen Antrag eingebracht, um quasi zu verhindern, dass sowohl der Sozialstaat als auch das Arbeitsmarktservice, das AMS, mehr oder weniger zu einem Ausländerbeschäftigungsdienst werden. Die Zahlen, die ich mithabe, auch aus einer aktuellen Anfragebeantwortung des Herrn Minister, sind sehr dramatisch.
Ganz aktuell: Im Jahr 2022 sind von allen Schulungsteilnehmern beim AMS, die parallel auch noch Mindestsicherung oder Notstand beziehen, noch genau 18 Prozent österreichische Staatsbürger. 82 Prozent haben nicht die österreichische Staatsbürgerschaft. Das heißt, diese Summen, die wir dafür aufbringen, dienen nicht den österreichischen Steuerzahlern und nicht den österreichischen Staatsbürgern.
Wenn ich mir weiter anschaue, wie es jetzt im Bereich der Arbeitslosigkeit ausschaut: Zurzeit befinden sich in etwa 330 000 Personen in Arbeitslosigkeit oder Schulung. Zwei Drittel davon sind österreichische Staatsbürger, ein Drittel davon sind nicht österreichische Staatsbürger.
Ebenso dramatisch ist die Zahl von rund 70 000 Personen, die beim AMS Schulungen machen. Da sind es bereits 53 Prozent nicht österreichische Staatsbürger, die diese Schulungen in Anspruch nehmen und die den Steuerzahler
dementsprechend belasten – nur mehr 47 Prozent sind österreichische Staatsbürger.
In dem Fall muss man, glaube ich, einfach einmal sagen, dass das, was wir die letzten Jahre – um nicht zu sagen Jahrzehnte – prognostiziert haben, leider Gottes eingetroffen ist. Das heißt, die Milliarden Euro, die die Betreuung der Arbeitslosen inklusive Schulungen kostet, wie Kollege Loacker in seinem nächsten Redebeitrag feststellen wird, fließen leider Gottes zu einem Großteil nicht mehr den österreichischen Staatsbürgern zu. Das kann nicht im Sinne des Erfinders sein.
Wenn man auf diese nackten Zahlen – die finden Sie in der AMS-Statistik, die finden Sie in Anfragebeantwortungen des Ministers – hinweist, dann ist es, glaube ich, legitim, das zu diskutieren, vor allem in Zeiten wie diesen, wie wir alle wissen – das ist das Hauptthema, das sollte man bei diesem Dreitagesplenum ja nie außer Acht lassen –: Das Geld, das hier für kleine und große Dingen verteilt wird, hat der Staat nicht, jeder Euro ist mit Schulden belegt.
Die Regierung – oder der Minister – sagt immer: Wir wenden 200 Millionen Euro auf, wir wenden 1,5 Milliarden Euro auf! – Die Regierung hat das Geld nicht. Der österreichische Staat hat es nicht. Wir verschulden uns im kommenden Jahr mit Minimum 17 Milliarden Euro. Das muss man immer dazusagen. (Präsident Sobotka übernimmt den Vorsitz.)
Wenn man diese Dinge diskutiert, ist die Frage: Will man das in dieser Form so fortschreiben, so weiterführen oder will man da Änderungen machen? Wir als Freiheitliche stehen ganz klar auf dem Standpunkt: Da bedarf es Änderungen! Wir wollen, dass das AMS diese Zahlungen für österreichische Staatsbürger – ich sage bewusst auch in Richtung Grüne: mit und ohne Migrationshintergrund – zur Verfügung stellt. Österreichische Staatsbürger sollten Anspruch darauf haben, dass sie beim AMS gut versorgt werden und dass sie auch Schulungen bekommen. Es macht aber keinen Sinn, wenn ich Zehntausende Drittstaatsangehörige durch dieses System schleife, das den Staat und uns alle, die Steuerzahler, nur
Geld kostet, uns aber nicht hilft, diesen Fachkräftemangel, den es gibt, auch nur annähernd zu beheben. – Das war einmal ganz kurz mein Statement.
Wir haben nun die nächsten 2 Stunden Zeit – und ich werde mich noch einmal zu Wort melden –, um den Arbeitsmarkt an sich zu diskutieren und alle Verfehlungen der Vergangenheit - -
15.00
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter, ich muss Sie unterbrechen, es ist nun 15 Uhr. Ich würde Sie bitten. (Abg. Wurm: Passt, habe ich vermutet, Herr Präsident!) Sie dürfen Ihre Rede dann fortsetzen. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Wurm: Ich komme wieder! – Abg. Amesbauer: Das war ... super ...!) – Ich muss mich entschuldigen, aber die Geschäftsordnung gibt vor, dass ich Sie nicht fertig formulieren lassen darf.
Ich unterbreche nun die Verhandlungen über die Punkte 13 bis 16 der Tagesordnung, damit die verlangte Behandlung einer Dringlichen Anfrage gemäß der Geschäftsordnung um 15 Uhr stattfinden kann.
der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft betreffend „der Stillstand in der Regierung, darf nicht zum Stillstand der Wirtschaft werden: Arbeitsmarktreform jetzt!“ (13233/J)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen nun zur dringlichen Behandlung der schriftlichen Anfrage 13233/J.
Da diese inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich die Verlesung durch den Schriftführer.
Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:
Begründung
Der Stillstand in der Regierung, darf nicht zum Stillstand der Wirtschaft werden: Arbeitsmarktreform jetzt!
Gestartet als "das Beste aus beiden Welten" ist diese Koalition aus ÖVP und Grünen schnell zum "Welten entfernt vom Besten" geworden. Kein Antikorruptionsgesetz, kein Klimaschutzgesetz, keine strukturellen Reformen und Entlastungen. ÖVP und Grüne haben viel versprochen, aber nicht geliefert. Ihre Regierung scheitert dabei weder an der inhaltlichen Expertise noch an der Anzahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Über beides verfügen ihre Ministerien und Kabinette nämlich ausreichend. Es scheitert schlichtweg am politischen Willen. Während die beiden Regierungsparteien eine Reform nach der anderen verschieben, leidet der Standort Österreich, der Stillstand in der Regierung, darf jedoch nicht zum Stillstand der Wirtschaft werden.
Neben vielen anderen versprochenen aber verschobenen Reformen hat diese Regierung im Regierungsprogramm folgendes Ziel angegeben: „Weiterentwicklung des Arbeitslosengeldes mit Anreizen, damit arbeitslose Menschen wieder schneller ins Erwerbsleben zurückkehren können“. Die größte Herausforderung in den nächsten Jahren und Jahrzehnten wird der akute und demographisch bedingte Arbeitskräftemangel sein. So werden allein in den nächsten Jahren 1,3 Millionen 55-64-jährige in Pension gehen, während gleichzeitig nur 0,9 Millionen 15-24-jährige auf den Arbeitsmarkt nachrücken werden (1). Lösungen, wie dieser Arbeitskräfteschwund kompensiert werden soll, werden von der Regierung bisher nicht angeboten. Auch Bemühungen, die Digitalisierung des AMS stärker voranzutreiben und die Arbeitslosenvermittlung effizienter und effektiver zu gestalten, wurden und werden von Teilen der Regierung und Teilen der Sozialpartnerschaft laufend torpediert. Auch bei der Reform der Rot-Weiß-Rot-Karte, um die Fachkräftezuwanderung zu erleichtern, blieb schlussendlich der große Wurf aus. Zuletzt scheiterte dann auch noch der groß angelegte Reformprozess zur Neugestaltung des Arbeitslosengeldes, da die Vorstellungen der ungleichen Koalitionspartner erneut weit auseinander lagen. Fakt ist: diese Koalition ist völlig am Ende und wird ganz offensichtlich keine dringend notwendigen
Reformen umsetzen, um wesentliche Probleme - unter anderem am Arbeitsmarkt - zu lösen. Der Stillstand in dieser Regierung führt langsam aber doch zum Stillstand der Wirtschaft. Darunter leidet der Standort und Unternehmerinnen und Unternehmer in ganz Österreich.
Dabei bräuchte es genau jetzt endlich große Arbeitsmarktreformen, ohne die Wohlstand nicht aufrecht erhalten und der Sozialstaat nicht finanziert werden kann (2). Denn das AMS meldet sowohl bei den unbesetzten Lehrstellen (9.175) als auch bei den unbesetzten Stellen Rekordwerte (113.180) (3). Wobei man bei den offenen Stellen sogar von knapp 300.000 ausgehen muss, da dem AMS laut AMS-Chef Johannes Kopf nur 40 Prozent aller unbesetzten Stellen gemeldet werden.
Arbeitslosenversicherungsreform gescheitert
Die Regierung wollte die erste große Arbeitsmarktreform seit Jahrzehnten umsetzen, doch ÖVP und Grüne waren ideologisch zu weit auseinander, schrieb die Tageszeitung "Die Presse" (4). Denn trotz eines akuten, demographisch bedingten Arbeitskräftemangels konnten sich die Koalitionspartner auf keine Reform einigen, die es ermöglicht hätte, den Pool an Arbeitslosen schneller zu den vielen unbesetzten Stellen
zu vermitteln. Dabei wurde am Beginn des Reformprozesses (März 2022) im Rahmen einer parlamentarischen Reform-Enquete noch Aufbruchsstimmung versprüht und zwischen den Koalitionsparteien partnerschaftlich versucht, Unstimmigkeiten (5) bezüglich der ALV-Reformideen nicht in den Vordergrund zu spielen. Deshalb konnte damals niemand den Eindruck gewinnen, dass der Reformprozess am Ende zur Gänze scheitern würde. Denn eigentlich hat es in diesem Reformprozess mehrere interessante Stoßrichtungen gegeben: zeitlich degressive Ausgestaltung der Nettoersatzrate, Einschränkung der Zuverdienstmöglichkeiten, Beschäftigung von Älteren und die Verkürzung der Vermittlungsdauer. Zumindest auf einzelne Vorhaben hätten sich die Koalitionspartner dabei einigen können. Dass sich die Koalitionspartner jedoch nicht einmal auf einzelne Punkte verständigen konnten, zeigt, wie am Ende diese Koalition ist.
Und das in einer Situation, in der Unternehmen händeringend nach Arbeitskräften suchen und der demographische Wandel die Wirtschaft schwächt. Damit aber leider nicht genug, denn die gescheiterte Arbeitsmarktreform wird sich schon bald negativ auf andere Bereiche übertragen; wie zum Beispiel im Pensionsbereich. Davor haben erst kürzlich der Präsident des Fiskalrates Christoph Badelt (30.11.2022, ZIB2) und der ehemalige Vorsitzende der Alterssicherungskommission Walter Pöltner (6) gewarnt und Reformschritte wie zum Beispiel die Anhebung des faktischen und gesetzlichen Pensionsantrittsalters eingemahnt. Diese Maßnahme würde nicht nur die Pensionszuschüsse eindämmen, sondern auch den Arbeitskräftemangel reduzieren. Aber die Regierung unternimmt leider wie immer nichts.
Aber die permanenten wechselseitigen Koalitionsblockaden dürfen nicht dazu führen, dass wichtige Vorhaben wie etwa die Arbeitslosenversicherungsreform auf die lange Bank geschoben werden. Es geht schließlich um den Erhaltung des Wohlstandes in Österreich. Ein Wohlstand, der bereits jetzt erodiert, denn die aktuellen WIFO-Prognosen sind ein vernichtendes Urteil für die Arbeitsmarktpolitik der Regierung. So soll die Zahl der Arbeitslosen in den nächsten Jahren steigen (2022: 267.000; 2023: 282.000; 2024: 286.000; Quelle: WIFO, Budget 2023), trotz Arbeitskräftemangel
und einer steigenden Anzahl an offenen Stellen. Die Reformschritte zur Arbeitslosenversicherung müssen also schleunigst umgesetzt werden, um schnellere Vermittlungen zu ermöglichen und die Anreize für eine kürzere Arbeitslosenverweildauer zu schaffen. Nur an die nächste Wahl zu denken, ist schlichtweg zu wenig.
Umsetzung des degressiven Arbeitslosengeldes gescheitert
Mit großem Tamtam wurde im März die Reform des Arbeitslosengeldes ankündigt (7), nur leider ist die Reform vor kurzem genauso pompös gescheitert, wie sie angekündigt wurde. Denn ÖVP und Grüne wurden sich wieder einmal nicht einig. Dabei wäre es eine wesentliche Weiterentwicklung des Arbeitslosengeldes gewesen, wenn das Arbeitslosengeld im zeitlichen Verlauf degressiv ausgestaltet worden wäre. Dies hätte nämlich den Anreiz geschaffen, schneller wieder einen Job aufzunehmen. Die daraus resultierende Verkürzung der Vermittlungs- bzw. Arbeitslosenverweildauer wäre in Zeiten des akuten Arbeits- und Fachkräftemangels ein wichtiger Faktor, um die vielen vakanten Stellen zu besetzen und den Wohlstand zu sichern. Davon abgesehen hätten die Arbeitslosen insofern profitiert, weil ihnen in der Anfangsphase der Arbeitslosigkeit eine höhere ALG-Ersatzrate zugestanden worden wäre. Vor allem die Gruppe der Arbeitslosen, die sich schnell einen neuen Job sucht und weniger als drei Monate Arbeitslosengeld bezieht, hätte massiv vom degressiven Arbeitslosengeld profitiert. Laut AMIS-Datenbank des BMAW betrifft das mehr als die Hälfte der Arbeitslosen. Gleichzeitig wäre durch die Mindestsicherung weiterhin sichergestellt, dass Langzeitarbeitslose monatlich nicht unter 1000 Euro Nettoeinkommen fallen. Wobei dieser Gruppe darüber hinaus sämtliche Inflations-, Wohn-, Energie- und Familienhilfen/-zuschüsse und AMS-Schulungen zugestanden werden. Die Sozialabbaurhetorik, die von manchen bezüglich des degressiven Arbeitslosengeldes propagiert wird, ist daher nicht richtig und zu kurz gedacht. Ganz im Gegenteil, denn das AMS hätte durch die kürzere Vermittlungsdauer sogar mehr Budget für Langzeitarbeitslose gewonnen. So berechnete das Arbeitsministerium im Zuge der Budgetanfragebeantwortungen, dass eine Verkürzung der durchschnittlichen Arbeitslosendauer um ein Monat beim AMS 828 Mio. Euro Budgetmittel freispielen würde: "Unter der Annahme einer durch-
schnittlichen Verweildauer vor Abgang (Arbeitsaufnahme) im Jahr 2021 für Arbeitslose, Schulungsteilnehmer und Lehrstellensuchende von 119 Tagen und unter der Annahme von ca. 600.000 jährlichen Abgängen in Arbeit und unter der Annahme einer Verkürzung der Vermittlungsdauer um 30 Tage ergibt sich ein geschätzter Entlastungseffekt iHv. rund € 828 Mio. (inklusive Sozialversicherungsbeiträge bei Arbeitslosigkeit)." (Budgetanfragebeantwortung zur UG20 Arbeit - Budget 2023)
Bessere Anreizgestaltung bei Zuverdienstgrenzen gescheitert
Bedauerlich ist zudem, dass die Neugestaltung der Zuverdienstgrenzen während der Arbeitslosigkeit (bis zu 486 Euro je Monat, Geringfügigkeitsgrenze) nicht angegangen wurde (8). Denn flexibel ausgestalte Zuverdienstgrenzen (Einschleifregelungen) hätten die Erwerbsanreize massiv erhöhen und die Arbeitslosenverweildauer deutlich senken können. So berichtete Arbeitsminister Kocher zuletzt im Budgetausschuss über die Anreize und Fehlanreize bei Geringfügigkeitsjobs bzw. Zuverdienstgrenzen bei gleichzeitigem Bezug einer Leistung aus der Arbeitslosenversicherung: "Eine neuere Studie des AMS Kärnten habe gezeigt, dass bei Arbeitslosen, die kürzer arbeitslos sind, eine geringfügige Beschäftigung die Dauer der Arbeitslosigkeit tendenziell verlängere, während bei Menschen, die schon sehr lange arbeitslos sind, eine geringfügige Beschäftigung eher dazu führe, dass sie wieder einen Job bekommen, schilderte er" (9).
Vor allem bei Langzeitarbeitslosen hätte man mittels flexiblen Zuverdienstgrenzen (Einschleifregelung) enorme Beschäftigungseffekte erzielen können, da die Menschen bei einer Jobaufnahme die Mindestsicherung nicht zur Gänze verlieren würden und den Wiedereinstieg ins Erwerbsleben somit eher wagen würden. NEOS weist bereits seit Jahren auf die potentiellen Beschäftigungseffekte von flexiblen Zuverdienstgrenzen für Langzeitarbeitslose hin ("Liberales Bürgergeld") (10), wobei zuletzt ein vergleichbares Zuverdienst-Konzept im Rahmen der deutschen Bürgergeldreform umgesetzt wurde (11). Damit hätte diese Gruppe für einen gewissen Zeitraum die Notstandshilfe/Mindestsicherung weiterhin beziehen können, auch wenn die Geringfügigkeitsgrenze überschritten worden wäre, was die Chancen für den Wechsel in einen Vollzeitjob deutlich erhöht hätte. Aufgrund der gescheiterten Reform wurde
aber leider eine weitere Chance vertan, die Langzeitarbeitslosigkeit ohne Mehraufwand zu reduzieren. Es wird in Österreich leider zu oft unterschätzt, welche enorme Wirkung eine intelligente Ausgestaltung von Anreizen auf die Reduktion der Langzeitarbeitslosigkeit haben kann. Stattdessen werden hohe Millionensummen in wenig effektive Arbeitsmarktprogramme geschüttet. So antwortete der Arbeitsminister in den Budgetanfragebeantwortungen zur "UG20 Arbeit", dass das Programm Sprungbrett zwar 339 Mio. Euro verschlungen hat, jedoch 2023 nur 50 Mio. Euro an Budgetentlastung bringt. Erfolgreiche Arbeitsmarktpolitik sieht anders aus.
Regierungsprogramm: "Weiterentwicklung des Arbeitslosengeldes mit Anreizen, damit arbeitslose Menschen wieder schneller ins Erwerbsleben zurückkehren können."(12)
Beschäftigungsanreize für mehr Erwerbstätigkeit bei Älteren und Babyboomern gescheitert
Faktisch jede Studie der OECD und der EU-Kommission über die Arbeitsmarktlage weist auf die niedrige, österreichische Beschäftigungsquote im Alter hin. Dennoch wird auch beim aktuell akuten, demographisch bedingten Arbeitskräftemangel nichts unternommen, um ältere Beschäftigte länger im Erwerbsleben zu halten. Dabei müsste sich die Regierung bei akutem Arbeitskräftemangel dafür einsetzen, längere Wochenarbeitszeiten, Überstunden und vor allem spätere Pensionsantritte zu fördern. Es sind jedoch keine konkreten Maßnahmen seitens der Bundesregierung bekannt, die darauf abzielen, die Babyboomer länger in Beschäftigung zu halten. Dabei berechnete das Sozialministerium im Rahmen der Budgetanfragebeantwortungen, dass ein um ein Jahr späterer Pensionsantritt nicht nur die Pensionen um 7-8% erhöhen würde, sondern auch das Budget jährlich um min. 2,8 Mrd. Euro entlasten würde (13). Aber trotz dieser enormen, positiven Effekte auf die Beschäftigung, die Pensionshöhe und das Budget, setzte sich die Regierung im Budget 2023 nur ein völlig unambitioniertes Ziel. Denn laut den Budget-Wirkungszielen plant die Regierung das faktische Pensionsantrittsalter bis 2030 nur auf 62 Jahre zu erhöhen. Das entspricht eine Steigerung von bloß einem Jahr, während in Schweden oder der Schweiz jetzt schon bis 65 bis 66 Jahre gearbeitet wird. Da die Regierung offenbar nicht bereit ist, das faktische Pensionsantrittsalter
stärker zu erhöhen, würde man sich zumindest erwarten, dass die Beschäftigungsanreize für Pensionist:innen ausgebaut werden. Aber auch bei dieser Baustelle passiert nichts. Zuletzt wurde im Sozialausschuss nicht einmal der NEOS-Antrag angenommen, erwerbstätige Pensionist:innen von den Dienstnehmer-Pensionsbeiträgen zu befreien, um zumindest das Arbeitskräftepotential unter den Pensionist:innen besser zu nutzen. Dabei stoßen speziell bei Pensionist:innen die Pensionsbeiträge regelmäßig auf Unverständnis und halten Pensionist:innen von einer Erwerbstätigkeit ab.
Großer Wurf bei der RWR-Karten-Reform gescheitert
Zwar hat die Regierung vor dem Sommer eine Reform der Rot-Weiß-Rot-Karte vorgelegt, um die Fachkräftezuwanderung zu erleichtern, doch man kann hier bestenfalls von einem Reförmchen reden. Denn während der österreichische Arbeitsmarkt in den nächsten Jahren jährlich knapp 40.000 ausländische Fachkräfte braucht, um den demographisch bedingten Arbeitskräfteschwund zu kompensieren, beläuft sich der Bestand an RWR-Karten-Arbeitskräften gerade mal auf 5000 Beschäftigte. Ein Tropfen auf den heißen Stein. Relativ deutlich zeigt sich das bei der für Österreich so wichtigen Branche "Tourismus & Gastronomie". Hier ist die Zahl an unbesetzten Stellen zuletzt auf den Rekordwert von 15.323 gestiegen, während gleichzeitig nur 2.705 Tourismus-Stellen mit Saisoniers und RWR-Karten-Fachkräften besetzt wurden (14). Es ist deshalb unverständlich, weshalb sich die Regierung hier vor den Gegnern der Fachkräftezuwanderung (FPÖ, SPÖ, Arbeiterkammer und ÖGB) einschüchtern lässt und von größeren Reformen abhalten lässt. Zudem vermindern ewig lange Verfahren für Fachkräfte aus Drittstaaten zur Erlangung der RWR-Karte und veraltete Rahmenbedingungen die Chancen für innovative Unternehmen, hochqualifiziertes Personal zu bekommen. Auch Mitarbeiterbeteiligungen haben sich zum Beispiel gerade im Start-up-Bereich als probates Mittel erwiesen, um die besten Köpfe zu gewinnen, zu halten und zu Bestleistungen zu motivieren. Branchenvertreter gehen davon aus, dass allein im IT-Bereich 24.000 Fachkräfte fehlen, was wiederum laut UBIT-Verband der Wirtschaftskammer einen jährlichen Wertschöpfungsverlust von rund 3,8 Milliarden Euro nach sich zieht. Flexible und modernere Gesellschaftsstrukturen wären hierfür ein
wichtiges Instrument. Trotz zahlreicher Versprechen von Seiten der Bundesregierung wurde aber noch immer keine moderne Form der Mitarbeiterbeteiligung vorgelegt.
Quelle: BMAW (RWR-Karten, Saisoniers), AMIS-Datenbank (Offene Stellen)
Stärkere Arbeitsmarktintegration von Ukrainer:innen und Asylwerber:innen gescheitert
Die größte gesellschaftliche und soziale Herausforderung wird die erfolgreiche Arbeitsmarktintegration von anerkannten Flüchtlingen sein. Die Herausforderung wird vor allem darin bestehen, diese Flüchtlinge mit teils niedrigen (Aus-)Bildungsabschlüssen in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Diese Ausweitung des Arbeitskräftepotenzials muss keine Belastung für den Arbeitsmarkt darstellen, wenn frühzeitig Initiativen gesetzt werden und eine durchdachte Strategie durch die Regierung initiiert wird. Das, was allerdings bisher in diesem Bereich gemacht bzw. angekündigt wurde, reicht nicht aus. Nicht einmal die verhältnismäßig leicht integrierbaren Flüchtlinge aus der Ukraine konnten schnell in den Arbeitsmarkt integriert werden. Solange (Aus-)Bildung, Anerkennungen von Schul- bzw. Berufsausbildungsabschlüssen und Möglichkeiten der Arbeitsaufnahme erst nach
Erledigung des Asylverfahrens eine Rolle spielen, wird es langfristig für diese Menschen schwer, sich am Arbeitsmarkt - aber auch in der Gesellschaft - zu integrieren und ein eigenständiges Leben zu führen. Die Bundesregierung vergibt hier Chancen, den Arbeitsmarkt zu bereichern und die Integration massiv voranzutreiben. Eine weitere Problematik stellt auch die Möglichkeit dar, dass Asylwerber:innen während eines laufenden Verfahrens eine Lehrausbildung beginnen dürfen. Es ist nicht problematisch, dass sie das dürfen, sondern vielmehr, dass sie aufgrund eines negativen Asylbescheides diese Lehre nicht abschließen dürfen. Dies führt natürlich zu einem negativen Anreiz für die Unternehmen, Asylwerber:innen einen Ausbildungsplatz zur Verfügung zu stellen, da nicht klar ist, ob sich die Investitionen in diese Lehrstelle überhaupt auszahlen, falls die Lehre aufgrund eines negativen Asylbescheides abgebrochen werden muss. Aus diesem Grund wird auch die Ausweitung der Lehrberufe für Asylwerber:innen keine entsprechend positive Wirkung haben. Grundsätzlich muss auch klar sein, dass Asylwerber:innen, die sich während des Verfahrens selber erhalten können und eine entsprechende Arbeitsmarktintegration schaffen, auch die Möglichkeit haben müssen, ihren Aufenthaltsstatus als Asylwerber:in in eine Aufenthaltserlaubnis aufgrund einer Erwerbstätigkeit umzuwandeln. Gerade die restriktiven Regelungen der Rot-Weiß-Rot-Karte verhindern eine solche unkomplizierte Möglichkeit zur Arbeitsmarktintegration. Relativ düster wird es hier bei der Arbeitsmarktintegration der verhältnismäßig relativ leicht integrierbaren Ukrainer:innen. Denn von etwa 80.000 geflüchteten Ukrainer:innen sind derzeit nur knapp 5000 am Arbeitsmarkt untergebracht.
Zumutbarkeitsbestimmungen: Stärkere bundesländerübergreifende Arbeitskräftevermittlung nicht gelungen
Ein wesentlicher Hebel die Rekordzahl an unbesetzten Stellen zu besetzen, ist die Mobilität der Beschäftigten und die entsprechenden AMS-Vermittlungskriterien. In Österreich gibt es traditionell regionale Unterschiede zwischen Stellenangeboten und Nachfrage, wobei im Osten die Zahl der Arbeitssuchenden dominiert, während im Westen tendenziell die offenen Stellen überwiegen. Dementsprechend oft hat die
ÖVP, vor allem der ÖVP-Wirtschaftsbund, gefordert, die regionalen AMS-Vermittlungskriterien entsprechend anzupassen, um regionenübergreifend leichter Stellen besetzen zu können. Im Regierungsprogramm wurde sogar angekündigt, die Zumutbarkeitsbestimmungen zu reformieren. Passiert ist jedoch bisher nichts. Dabei ist speziell bei jüngeren, kinderlosen Arbeitslosen eine Anpassung der Zumutbarkeitsbestimmungen sinnvoll. Denn nicht nur die Unternehmen, die offene Stellen nicht besetzen können, leiden unter den restriktiven AMS-Vermittlungsbestimmungen, sondern auch die Arbeitslosen selbst. Denn zum Einen wiegt die verlorene und fehlende Erwerbspraxis, vor allem bei jüngeren Arbeitslosen, und zum Anderen verlieren die Menschen wichtige Beitragsjahre für die spätere Pension, was unweigerlich zu Altersarmut führt. Anstatt hier weiterhin zuzusehen, muss die Regierung endlich ein Paket schnüren, die Zumutbarkeitsbestimmungen zu lockern und Arbeitskräftemobilität stärker zu fördern.
Regierungsprogramm: "Zumutbarkeitsbestimmungen reformieren" (12)
Verwaltungsreform und Digitalisierung des AMS gescheitert
Relativ ernüchternd ist zudem die AMS-Verwaltung bezüglich Digitalisierung, obwohl im Regierungsprogramm die "Weiterentwicklung des AMS-Algorithmus" niedergeschrieben ist. Denn die österreichische Arbeitsmarktpolitik ist unter anderem durch zögerliche Digitalisierung der Verwaltungs- und Vermittlungsprozesse gekennzeichnet, sprich: technologische Neuerungen werden grundsätzlich nur langsam umgesetzt. Ein aktuelles Beispiel ist die Aufregung über den Ausbau der digitalen Unterstützung im AMS (z. B. "AMS-Algorithmus"), die rational nicht mehr erklärbar ist. Und das, obwohl keine Beispiele vorliegen, bei denen eine stärkere Digitalisierung in der Verwaltung nicht zu einer Entlastung von Verwaltungsmitarbeiter:innen und Bürger:innen geführt hat. Gleichzeitig fordern jene Interessenvertreter:innen und Parteien, die am schärfsten gegen die AMS-Digitalisierung opponieren, regelmäßig mehr Personal für das AMS. Das klingt zunächst nachvollziehbar, hat aber bei einem Blick auf die Entwicklung der entsprechenden AMS-Kennzahlen (Personal und Langzeitarbeitslose) in den letzten Jahren wenig gebracht. So wurde der AMS-Personalstock seit 2008 von 4.468 VZÄ um 28 Prozent auf knapp 5.700 erhöht,
trotzdem ist Zahl der Langzeitarbeitslosen (>1 Jahr arbeitslos) von 5.746 (2008) auf 80.070 (2021) explodiert (15). Wobei dieser starke Anstieg nur zu einem Teil auf die COVID-Pandemie zurückzuführen ist, denn schon im letzten Jahr vor der Pandemie (2019) war die Zahl der Langzeitarbeitslosen 8-mal höher als 2008. Paradoxerweise ist neben dem starken Anstieg bei den Langzeitarbeitslosen auch die Zahl der beim AMS gemeldeten offen Stellen seit 2008 von 37.498 deutlich auf knapp 113.000 gestiegen, wobei die Zahl der tatsächlich offenen Stellen wohl sogar knapp 300.000 liegt - laut Johannes Kopf/AMS werden nur rund 40 Prozent der offenen Stellen beim AMS gemeldet. Diese Entwicklungen lassen zusätzlich Zweifel aufkommen, ob die herkömmlichen Maßnahmen, nämlich AMS-Personalaufstockungen, für eine erfolgreichere Arbeitslosenvermittlung ausreichend sind. Viel eher ist anzunehmen, dass das AMS ohne einer stärkeren Digitalisierung der Verwaltungsprozesse längerfristig einer schnellen und effektiven Arbeitsplatzvermittlung nicht mehr entsprechend nachkommen wird können.
Regierungsprogramm: "Evaluierung, Adaptierung und Weiterentwicklung des AMS-Algorithmus" (12)
Signifikante Senkung der Lohnnebenkosten gescheitert
Ein wichtiger Anreiz, um Beschäftigung zu fördern ist natürlich auch eine niedrige Abgabenlast (16). Allerdings landet Österreich bei den entsprechenden internationalen Vergleichen (OECD (17), und EU-Kommission (18)) immer unter den drei Ländern mit der höchsten Abgabenlast. Zuletzt glaubte nicht einmal mehr die ÖVP-nahe Wirtschaftskammer an die Entlastungswirkung der Steuerreform(en). Denn laut der aktuellsten WKÖ-Prognose zur Abgabenquote (November 2022, (19)) soll die Abgabenquote von derzeit 42,9 Prozent auf bis 2024 auf 43,1 Prozent steigen. Damit aber nicht genug. Denn würde man die Abgabenquote nur für die vier Millionen Beschäftigten berechnen, würde die Abgabenquote sogar auf bis zu 60 Prozent steigen. Mit solchen enormen Quoten setzt die Regierung nicht nur für inländische Arbeitskräfte den negativen Anreiz, möglich keiner Vollzeitbeschäftigung nachzugehen, sondern schreckt natürlich auch ausländische Fachkräfte ab, die in der Folge ihre Arbeitskraft lieber in weniger abgabenintensiven Ländern wie der Schweiz, USA oder Kanada anbieten. Von den Ankündigungen der Regierung, die Lohnnebenkosten (z. B.: "Kogler kündigt Senkung der Lohnnebenkosten an", 15.08.2021, Kurier (20)) zu senken, ist schlussendlich nur eine Senkung von 0,2 Prozent (AUVA: -0,1 Prozent, IESG: -0,1 Prozent) umgesetzt worden. Die Senkung der FLAF-Beiträge um 0,2 Prozent war lediglich ein Marketinggag. Denn bisher ist nicht bekannt, dass diese Senkung in einem Kollektivvertrag vereinbart wurde. Dabei wäre das Senkungspotential bei den Lohnnebenkosten enorm. Denn ein Drittel der Lohnnebenkosten (ca. 10 Prozentpunkte) stellen keine Versicherungsleistungen dar, sondern fließen in die öffentlichen Budgets des Bundes, der Länder, der Gemeinden oder der Kammern (FLAF, Wohnbauförderung, Kommunalsteuer, WK-Umlage 2, AK-Beitrag). Diese Abgaben stellen daher zu hohe Lohnnebenkosten dar, die den Lohnverhandlungsspielraum eingrenzen und somit höhere Brutto- bzw. Nettolöhne verhindern. Schlussendlich wurde auch die Kalte Progression nur zu 2/3 abgeschafft, wodurch auch weiterhin die Abgabenquote steigen wird, was sich bereits in den aktuellen Abgabenquoten-Prognosen der WKÖ widerspiegelt.
Davon, wie viel administrativen Aufwand der bunte Strauß an unterschiedlichen Lohnnebenkosten für die Arbeitgeber bedeutet, redet in Österreich sowieso niemand. Es spielt politisch keine Rolle, wenn der Staat seine bürokratische Arbeit und seine Aufgabe der Abgabenbemessung und Abgabeneinhebung an die Unternehmen delegiert. Dass am Ende der Kunde solchen betrieblichen Zusatzaufwand bezahlt und die österreichischen Unternehmen im internationalen Wettbewerb einen Nachteil aufgebürdet bekommen, ignorieren die zuständigen Minister seit vielen Jahren.
Modernisierung des Arbeitsrechts gescheitert
Der technische Fortschritt ändert unser Leben nahezu täglich. Insbesondere die fortschreitende Digitalisierung bietet ein immenses wirtschaftliches Potenzial, das genutzt werden muss und auch im täglichen Leben Vorteile bringt. Um diese Potenziale optimal ausschöpfen zu können, müssen allerdings die rechtlichen Rahmenbedingungen, die den Alltag regeln, weiterentwickelt werden. Die Digitalisierung hat vor allem auch Auswirkungen auf unser Arbeitsumfeld, auf Arbeitsabläufe - darauf, wie wir arbeiten. Das Arbeitszeitgesetz, mit dem die tägliche Arbeit von Arbeitnehmer:innen geregelt werden soll, stammt aus der Zeit von Stechkarten und Rechenschiebern. Manuelle Tätigkeiten dominierten damals die Arbeitswelt. Grundsätzlich und mit wenigen, kompliziert geregelten Ausnahmen geht das Arbeitszeitgesetz von der Pflicht aus, Arbeitszeiten genau aufzuzeichnen. Das Arbeitsruhegesetz ergänzt dieses Regelpaket und normiert neben vielen anderen Dingen die Feiertags- und Wochenendruhe. Moderne und flexible Arbeitsgestaltung wird durch die rechtlichen Grundlagen konterkariert bzw. enorm eingeschränkt. Ein modernes Arbeitsrecht müsste auch einen Rahmen für flexiblen Ressourceneinsatz im Sinne von Vertrauensarbeitszeit, aber auch Jahresarbeitszeitmodelle und Zeitkonten erlauben. Gerade durch den internationalen Wettbewerb und den technischen Fortschritt sollte Österreich auf solche Entwicklungen reagieren und Rahmenbedingungen im Arbeitsrecht setzen, die uns zu Gewinnern einer solchen Digitalisierung machen – eine Entwicklung, die von der Regierung bzw. allen voran von der Sozialpartnerschaft verschlafen wird.
Bundesregierung unterläuft mit Schengen-Veto die Arbeitnehmerfreizügigkeit
Der jüngste feindliche Akt der schwarz-grünen Bundesregierung gegen den Arbeitsmarkt war die Blockade des Schengenbeitritts von Rumänien und Bulgarien (21, 22). Die Blockade ergibt nicht nur wenig Sinn und sorgt für enormen Unmut, da die Asylmigration in erster Linie über den Westbalkan erfolgt. Am Westbalkan hat die Bundesregierung jedoch der Schengenerweiterung zugestimmt. Damit ist für ganz Europa ersichtlich, dass Österreich nicht aus objektiven Gründen handelt, sondern lediglich Wahlkampfhilfe für die wahlkämpfende ÖVP Niederösterreich betreibt. Im Endeffekt trifft die Bundesregierung mit dem Schengen-Veto in erster Linie Wochenend-pendelnde Arbeitskräfte (oft mit Kindern) aus Bulgarien und Rumänien, die in Mitteleuropa arbeiten wie etwa 24h-Betreuungskräfte. Nach der Indexierung der Familienbeihilfe (mittlerweile vom EuGH gekippt), die nächste sehr fragwürdige Aktion einer österreichischen Bundesregierung.
Quellen:
(1) https://diesubstanz.at/gesellschaft/nicht-alle-sind-ersetzbar/
(2) https://kurier.at/meinung/gastkommentar/warum-wir-die-arbeitsmarktreform-dringend-brauchen/402241896
(3) https://www.dnet.at/amis/Datenbank/DB_Index.aspx
(4) https://www.diepresse.com/6223042/woran-die-arbeitsmarktreform-zerbrach?from=rss
(5) https://kurier.at/politik/inland/die-groessten-streitpunkte-bei-kochers-arbeitsmarktreform/401904376
(6) https://www.nachrichten.at/politik/innenpolitik/zuschuss-zu-den-pensionen-steigt-bis-2027-stark-an;art385,3744570
(7) https://www.kleinezeitung.at/wirtschaft/6108587/Nach-Enquete_Reform-des-Arbeitslosengelds_Austausch-ohne
(8) https://www.agenda-austria.at/publikationen/arbeitssuchengeld/reformvorschlag/
(9) https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20221108_OTS0188/budget-regierung-erwartet-2023-nur-geringfuegigen-anstieg-der-arbeitslosigkeit10) https://www.derstandard.at/story/2000093035231/neos-fuer-liberales-buergergeld-mit-arbeitsanreiz
(10) https://www.derstandard.at/story/2000093035231/neos-fuer-liberales-buergergeld-mit-arbeitsanreiz
(11) https://www.mdr.de/brisant/buergergeld-120.html
(12) https://www.bundeskanzleramt.gv.at/bundeskanzleramt/die-bundesregierung/regierungsdokumente.html
(13) https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/AB/AB_11881/index.shtml
(14) https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/AB/AB_12322/index.shtml
(15) https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/AB/AB_10495/index.shtml
(16) https://www.agenda-austria.at/publikationen/fehler-im-system-warum-sich-arbeit-oft-nicht-lohnt/
(17) https://oesterreich.orf.at/stories/3157755/
(18) https://www.sn.at/wirtschaft/oesterreich/oesterreich-unter-eu-laendern-mit-den-hoechsten-arbeitskosten-119101411
(19) https://wko.at/statistik/eu/europa-abgabenquoten.pdf
(20) https://kurier.at/politik/inland/kogler-kuendigt-senkung-der-lohnnebenkosten-an-finanziert-mit-co2-steuer/401473126
(21) https://www.diepresse.com/6225767/eine-blockade-mit-folgen
(22) https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/wirtschaft/oesterreich/2171221-Schengen-Veto-fuer-Rumaenien-schadet-Oesterreichs-Wirtschaft.html
Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Abgeordneten folgende
Dringliche Anfrage
1. Bis wann legen Sie dem Nationalrat die im März versprochene Regierungsvorlage zur umfassenden Reform der Arbeitslosenversicherungsreform vor?
2. Falls die versprochene Regierungsvorlage nicht vorgelegt wird, ist es korrekt, dass sich der grüne Koalitionspartner bei den Verhandlungen gegen das degressive Arbeitslosengeld aussprach (Quelle: Die Presse)? Wenn nein, war es der schwarze Koalitionspartner?
3. Falls die versprochene Regierungsvorlage nicht vorgelegt wird, ist es korrekt, dass sich der grüne Koalitionspartner bei den Verhandlungen gegen die Neugestaltung der Zuverdienstgrenzen (am Beginn der Arbeitslosigkeit Einschränkungen) aussprach (Quelle: Die Presse)? Wenn nein, war es der schwarze Koalitionspartner?
4. Wie sehr würde ein degressives Arbeitslosengeld die durchschnittliche Arbeitslosenverweildauer reduzieren und um wie viel würde eine um durchschnittlich ein Monat kürzere Vermittlungsdauer das Budget entlasten?
5. Wie hoch ist die aktuelle durchschnittliche AMS-Vermittlungsdauer?
6. Wie viele offene Stellen sind dem AMS derzeit gemeldet?
7. Wie viele faktisch offene Stellen ergibt das, wenn Sie berücksichtigen, dass dem AMS laut Johannes Kopf nur 40 Prozent der offenen Stellen gemeldet werden?
8. Wie viele Arbeitskräfte verlassen in den nächsten 10 Jahren voraussichtlich den Arbeitsmarkt?
9. Wie viele Arbeitskräfte rücken in den nächsten 10 Jahren voraussichtlich am Arbeitsmarkt nach?
10. Wie hoch ist die Zahl der Rot-Weiß-Rot-Karten-Inhaber:innen aktuell? Von welcher Steigerung im kommenden Jahr gehen Sie bei der Anzahl der Rot-Weiß-Rot-Karten aus?
11. Welche weiteren Reformschritte planen Sie bei der Rot-Weiß-Rot-Karte, um die Fachkräftezuwanderung zu erleichtern?
12. Wie hoch ist die Zahl der Asylwerber:innen in Beschäftigung aktuell? Von welcher Steigerung im kommenden Jahr gehen Sie bei erwerbstätigen Asylwerber:innen aus?
13. Welche Reformschritte planen Sie, um die Asylwerberbeschäftigung zu erleichtern?
14. Wie hoch ist die Zahl vertriebener Ukrainer:innen in Beschäftigung aktuell? Von welcher Steigerung im kommenden Jahr gehen Sie bei erwerbstätigen (vertriebenen) Ukrainer:innen aus?
15. Welche Reformschritte planen Sie, um die Beschäftigung von vertriebenen Ukrainer:innen zu erleichtern?
16. Wie hoch ist die Zahl von erwerbstätigen Pensionist:innen über dem Regelpensionsantrittsalter aktuell? Von welcher Steigerung im kommenden Jahr gehen Sie bei erwerbstätigen Pensionist.innen über dem Regelpensionsantrittsalter aus?
17. Wie hoch ist die Beschäftigungsquote zwischen 60 und 64 Jahren aktuell? Von welcher Steigerung im kommenden Jahr gehen Sie bei der Beschäftigungsquote zwischen 60 und 64 Jahren aus?
18. Welche Reformschritte setzen Sie, um die Beschäftigungsquote zwischen 60 und 64 Jahren zu erhöhen?
19. Welche Schritte haben Sie gesetzt bzw. setzen Sie, um das österreichische Schengen-Veto gegen Bulgarien und Rumänien zu beenden?
20. Wie sehr wird das österreichische Schengen-Veto den österreichischen Arbeitsmarkt und das BIP negativ beeinflussen?
21. Aktuell gibt es einen Mangel an Brennholz: Wie viele offene Stellen gibt es derzeit in der Forstwirtschaft und in der Holzverarbeitung?
22. Aktuelle gibt es zu wenig Arbeitskräfteangebot im Tourismus, wobei Österreich hochgradig von ausländischen Arbeitskräften abhängt. Wie hoch ist die aktuelle Zahl an offenen Stellen im Tourismus? Wie hoch ist der Saisonierbedarf? Wie hoch ist das Saisonierkontingent im Tourismus?
23. Wie hat sich die Gesamtzahl der Beschäftigten im öffentlichen Sektor (Bund, Länder, Gemeinden, Sozialversicherung, Kammern usw.) seit 2011 entwickelt?
24. Wie hoch waren zuletzt die AMS-Aufwände für die Bildungskarenz und die geblockte Variante der Altersteilzeit? Wie hoch ist deren Anteil gemessen an den ALV-Beiträgen?
25. Im Zuge der ALV-Reformgespräche wurde auch eine zweiwöchige Wartefrist für das Arbeitslosengeld angedacht. Wie viele Ausgaben hätte diese Sanktion dem AMS und den ALV-Beitragszahlern pro Jahr erspart, wenn sie 2022 gegolten hätte?
26. Wie stark würden sich der AK-Beitragssatz und die AK-Beitragseinnahmen reduzieren, wenn die AK-Beitragseinnahmen seit 2010 jährlich nur um die Inflation steigen hätten dürfen?
27. Wie stark würden sich der KU2-Beitragssatz und die KU2-Beitragseinnahmen reduzieren, wenn die KU2-Beitragseinnahmen seit 2010 jährlich nur um die Inflation steigen hätten dürfen?
In formeller Hinsicht wird verlangt, diese Anfrage im Sinne des § 93 Abs 1 GOG-NR zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu behandeln und dem Erstanfragesteller Gelegenheit zur mündlichen Begründung zu geben.
*****
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf Frau Klubobfrau Meinl-Reisinger als Fragestellerin zur Begründung der Anfrage, die gemäß § 93 Abs. 5 der Geschäftsordnung 20 Minuten nicht überschreiten darf – Sie wissen das –, nun das Wort erteilen. – Frau Abgeordnete, Sie gelangen zu Wort. Bitte.
Abgeordnete Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Ich weiß nicht, wer von Ihnen gestern am Abend die „ZIB 2“ geschaut hat. Wir hatten gestern einen langen Tag hier, und ich bin dann nach Hause gegangen und habe die „ZIB 2“ geschaut. Neben sehr unrühmlichen und wirklich fürchterlichen Bildern aus einer Geflügelfarm mit AMA-Gütesiegel in der Steiermark war gestern der Physiker Florian Aigner zu Gast.
Warum erzähle ich Ihnen das? – Weil es nach einem langen Tag im Parlament unglaublich gut getan hat, diesen Wissenschaftler zu sehen, der über die Kernfusion und die Zukunft der Energiegewinnung aus Kernfusion gesprochen hat. Er hat das mit so einer Leidenschaft, Lust und Freude gemacht. Das hat Seltenheitswert, wenn man die „ZIB 2“ aufdreht.
Ich möchte auch an die Lust und die Freude anschließen, die wir, glaube ich, alle hier vor wenigen Minuten verspürt haben, als Nurten Yılmaz – an dieser Stelle: danke für deine Arbeit, liebe Nurten! – hier ihre Abschiedsrede gehalten hat; man hat diese Lust am Gestalten verspürt.
Warum leite ich so ein? – Weil wir hier Stunden um Stunden verbringen und mehr tun, als nur das Politikgeschehen zu beobachten, insbesondere auch betreffend das, was von der Regierung kommt. Nach inzwischen einem Jahr
Bundesregierung unter Kanzler Nehammer – da wurde auch mit sehr viel Aufbruchsstimmung gestartet –, muss man sagen, dass von dieser Gestaltungslust nichts mehr zu spüren ist. Es ist eher ein Regierungsfrust, den wir hier in den letzten Monaten gespürt haben.
Es ist nun auch ein Jahr vergangen, in dem Karl Nehammer – als ÖVP-Chef, aber auch als Kanzler – hätte sagen können: Räumt auf mit dem, was passiert ist! – Er hätte Reformen anstoßen können, die Österreich transparenter und die Politik verlässlicher und sauberer machen, er hätte die Korruption stärker und schärfer unter Strafe stellen können. – Das alles ist nicht passiert. Das alles soll aber nun nicht der zentrale Gegenstand meiner Rede sein.
In dem Jahr ist auch sonst viel passiert, nicht zuletzt am 24. Februar 2022 mit dem Einmarsch russischer Truppen und dem Beginn des Angriffskriegs von Wladimir Putin in der Ukraine, auf europäischen Boden, als wir alle schmerzlich gespürt haben, dass Sicherheit eine sehr fragile Angelegenheit ist, auch in einem vereinten Europa. Wir als neutraler Staat haben schmerzlich gespürt, was es bedeutet, dass uns falsche politische Entscheidungen der Vergangenheit in eine dermaßen große Abhängigkeit von russischem Gas gebracht haben.
Die Inflation ist auf dem höchsten Wert seit 1952, und ich möchte an der Stelle schon auch sagen: Ich habe großes Verständnis dafür, dass die Zeiten für eine österreichische Bundesregierung schon einmal leichter waren, keine Frage. Es war die Pandemie, dann kamen der Krieg, die Energiekrise und nun sozusagen die Inflationskrise. Trotzdem oder gerade deswegen, weil wir von Krise zu Krise eilen, muss man sich allerdings doch die Frage stellen, ob Krise alleine der Arbeitsmodus für eine Bundesregierung in diesen Zeiten sein kann. Das denke ich wirklich nicht. Müsste es nicht vielmehr so sein, dass gerade zurzeit die Weichenstellungen passieren müssen, die sicherstellen, dass wir als Land, als Österreich, als Demokratie, aber auch, was die Menschen in unserem Land betrifft, wirtschaftlich gestärkt aus dieser Krise hervorgehen?
Man hat den Eindruck, dass sämtliche Reformvorhaben, die zum Teil auch angekündigt wurden – und ich komme darauf zu sprechen –, in den letzten Monaten einem Koalitionsgerangel, einer Koalitionsgegnerschaft statt ‑partnerschaft zum Opfer gefallen sind. Das Beste aus zwei Welten kann ich wirklich nicht mehr sehen, ich sehe eigentlich nur noch zwei Welten entfernt vom Besten.
Wir erleben wirtschaftspolitisch einen Stillstand, wir erleben meines Erachtens auch sozialpolitisch einen Stillstand. Was wir allerdings sehen, ist eine unglaubliche Ausgabenpolitik: Sie geben das Geld der aktuellen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, aber auch jenes der nächsten Generation mit beiden Händen freudvoll und lustvoll, wie es scheint, aus. Das ist auch die einzige Antwort, die Sie haben.
Wir haben vorhin über das Thema Pflege diskutiert. Eine Pflegereform ist nötig, Reformen sind in dem Bereich nötig. Die Antwort darauf ist vor allem einmal: 1 Milliarde Euro mehr Geld. Es ist sicherlich nicht schlecht, in dem Bereich mehr auszugeben, aber allein Geld auszugeben, ist zu wenig.
Ich erinnere an die Diskussion, die wir gestern hatten, zu diesem vernichtenden Urteil von Expertinnen und Experten zu den Deutschintegrationsklassen. Das war ja sozusagen ein Leuchtturmprojekt der türkis-blauen Regierung. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Dieses Expertenpapier kommt zu einem vernichtenden Urteil: Man sollte diese Sprachförderklassen besser heute als morgen abschaffen. (Abg. Taschner: Nein, ist nicht vernichtend!) – Stattdessen, das haben wir gestern gehört, wird nun einfach mehr Geld in die Hand genommen, um zusätzlichen Förderbedarf abzudecken. (Abg. Taschner: Sie zu verbessern!) Sehen Sie, aber das ist das Thema: Wann immer ein Problem auftaucht, bewerfen Sie es mit Geld. (Beifall bei den NEOS.)
Das ist nicht Ihr Geld! Das ist das Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, und es ist vor allem auch das Geld der nächsten Generation, das Sie da ausgeben, aber es ist ja nichts Neues. „Koste es, was es wolle“ war das große Versprechen von ÖVP und Grünen in Zeiten der Pandemie. Ich kann mich
erinnern, da gab es ein Interview mit dem damaligen Finanzminister Gernot Blümel – das sagt ja auch sehr viel über das Verständnis von Regierungsarbeit in der ÖVP aus – im „Trend“, das betitelt war: Euch wird gegeben werden. – Na, danke schön! Wir nehmen euch Steuerzahlern das Geld also aus der Tasche und geben euch das großzügig zurück?!
Etwas Ähnliches erlebe ich heute, kurz vor Weihnachten, wieder: 0,5 Milliarden Euro zusätzliche als Energiekostenzuschuss an Haushalte. Das verteilen Sie auch noch an die Bundesländer – ein Schelm, wer dabei denkt, dass da vielleicht die niederösterreichische Landtagswahl im Jänner eine Rolle spielt –, damit die Landeshauptleute es ausgeben können. (Beifall bei den NEOS. – Zwischenruf bei der ÖVP.)
Das Geld anderer Leute auszugeben, darin sind Sie wirklich gut. Das Problem ist, dass das alles erwirtschaftet werden muss – durch Innovation, durch Unternehmertum, durch Wirtschaftsleistung, durch Arbeitsleistung. Wir sind aber in einer Situation, in der wir uns ernsthaft die Frage stellen müssen: Wie schaut denn eigentlich der Wohlstand der Zukunft aus und woher soll der denn kommen? Die Geschichte der Globalisierung wird derzeit neu geschrieben, aber ohne Österreich. Österreich nimmt nicht an dieser Geschichtsschreibung teil.
Wir haben uns übrigens auch die Hilfen angeschaut, die während der Covid-Pandemie geflossen sind. Interessenvertreter sagen ja immer wieder gerne – das sind meistens nicht Interessenvertreter der Wirtschaft, sondern Interessenvertreter der ÖVP Lichtenfelsgasse –, Österreich wäre ja ganz toll durch die Pandemie gekommen, wir seien da quasi an der Spitze. – An der Spitze sind wir schon, und zwar bei den Ausgaben, aber ansonsten sind wir sehr schlecht durch die Pandemie gekommen.
In Österreich waren es allein 2020 pro Person 1 475 Euro, die an Steuergeld ausgegeben wurde. 325 Euro waren es im EU-Durchschnitt, und in der Schweiz flossen 82 Euro pro Person an Hilfen in der Covid-Zeit. Sie wollen uns dann aber erzählen, dass wir besser durch die Pandemie gekommen sind, da Sie
einfach das Geld der Steuerzahler mit beiden Händen ausgegeben haben?! Ich kann das nicht nachvollziehen. (Beifall bei den NEOS.)
Der ehemalige SPÖ-Finanzminister Hannes Androsch – und ich meine, der SPÖ kann man wirklich nicht unterstellen, dass sie aus Freunden einer rigiden Sparpolitik bestünde – konstatiert Ihnen eine „Konfettiparade von Helikoptergeld“ im Hinblick auf das, was Sie gerade machen. Ich finde, er hat völlig recht. Er kritisiert übrigens im gleichen Atemzug, dass Sie auf Innovation, auf Forschung und Entwicklung, auf Bildung und auch auf die Maßnahmen, die gegenwärtig notwendig sind, um die Energiewende voranzutreiben, vergessen.
Wissen Sie, was ich mich frage: Woran scheitern den all diese Reformen? – Man könnte sagen, es scheitert sozusagen an einer ideologischen Pattstellung, die es zwischen den beiden Parteien in der Regierung gibt. Ich glaube das aber gar nicht einmal so sehr. Ich glaube, es scheitert daran, dass beide gleichermaßen Angst haben – nur vor unterschiedlichen Dingen.
Die Grünen haben einen unendlichen Staatsglauben und haben Angst vor der freien Wirtschaft, und die ÖVP hat ebenso einen unendlichen Staatsglauben und hat Angst vor der Wählerin und dem Wähler. Aus diesem Grund bewegen sie sich lieber gar nicht und führen ihre Showpolitik fort (Ruf bei den Grünen: Sehr einfaches Weltbild!), die Politik des politischen Stillstands. Ein paar Reförmchen, die quasi als Feigenblätter dienen, können nicht über diesen Schandfleck des politischen Stillstands hinwegtäuschen. (Zwischenruf bei den Grünen.)
Wo ist denn also jetzt die Lust an der Gestaltung? Wo ist ein schärferes Korruptionsstrafrecht? Wo ist ein Informationsfreiheitsgesetz? Wo sind schärfere oder strengere Bestimmungen zu Postenvergaben? (Neuerlicher Zwischenruf bei den Grünen.) Warum räumen wir nicht lustvoll auf mit all diesen Dingen und sagen auch den Menschen in Österreich: Wir haben es verstanden, wir müssen ein anderes Bild abgeben in der Politik!
Wo sind denn andere Gesetzesvorhaben wie zum Beispiel das Erneuerbare-Wärme-Gesetz? Oder an die Grünen in der Bundesregierung: Seit 700 Tagen warten wir auf ein Klimaschutzgesetz, die Reform der Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahren wurde abgesagt. – Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen: In einer Zeit, in der wir die Energiewende so bitter bräuchten, weil sie uns Freiheitsenergien, Unabhängigkeit und damit auch die Sicherung, die wirtschaftspolitische Sicherung des Wohlstands der Zukunft brächte, sagen Sie eine Reform der bürokratischen Verfahren ab, weil Sie sich nicht einigen können.
Das ist ein Irrflug, ein wirtschaftspolitischer Irrflug! Es ist auch ein sozialpolitischer Irrflug, wenn man heute die Medien liest und sieht, was Ökonomen sagen, nämlich dass es nicht reichen wird, heuer allein Steuergeld auszugeben, dass es nächstes Jahr zu Reallohnverlusten kommen wird, aber Ihr Pulver dann schon verschossen sein wird.
Und jetzt komme ich zu dem eigentlichen Thema, zur gescheiterten Arbeitsmarktreform, Herr Minister Kocher. Ich muss jetzt ausholen: Oft sagen ja ÖVP und Grüne, das können wir jetzt nicht angehen, das steht nicht im Regierungsprogramm. Das finde ich immer recht beachtlich, weil eigentlich ist, seitdem die Tinte im Regierungsprogramm getrocknet ist, einiges passiert: die Pandemie, der Krieg, die veränderte sicherheitspolitische Lage, eine völlig veränderte Situation der Globalisierung, eine veränderte Situation der Energiepreise und auch Energieversorgungssicherheit. Sie aber sagen halt, das steht nicht im Regierungsprogramm. Gut.
Im Regierungsprogramm steht: „Weiterentwicklung des Arbeitslosengeldes mit Anreizen, damit arbeitslose Menschen wieder schneller ins Erwerbsleben zurückkehren können.“ – Im September 2021 haben Sie dann den Startschuss für eine Reform der Arbeitslosenversicherung gegeben. Sie, Herr Minister, haben damals gesagt: Es kann nicht sein, dass bei hohen Arbeitslosenzahlen viele Unternehmen kein Personal finden. Fehlende Arbeitskräfte dürfen nicht zum Bremsklotz für den wirtschaftlichen Aufschwung werden. – 15 Monate später ist diese Reform abgesagt, einfach abgesagt, für gescheitert erklärt. Das Argument ist,
dass sich die Regierung simpel nicht einig geworden ist – und das ist ein Bremsklotz für die wirtschaftliche Entwicklung.
Sie waren in den vergangenen Monaten bestimmt unterwegs und haben mit Unternehmerinnen und Unternehmern gesprochen – und zwar egal aus welchem Bereich, ob das jetzt Tourismus oder Industrie war, ein kleiner Gewerbebetrieb oder ein Dienstleister; ganz egal – und von denen gehört, dass Arbeitskräftemangel das entscheidende Thema ist. Jetzt frage ich mich schon: Wenn wir wissen, dass das ein Bremsklotz der wirtschaftlichen Entwicklung ist, wieso um Gottes Himmels Willen scheitern Sie dann in einer Zeit, in der es notwendig wäre, Anreize zu setzen, damit Menschen wieder rascher Arbeit aufnehmen können, ausgerechnet mit so einem wichtigen arbeitsmarkt- und damit auch wirtschaftspolitischen Ansatz?
Das ist wirtschaftspolitisch einfach schwachsinnig! Es ist aber auch sozialpolitisch völlig falsch: Wenn man sich die österreichische Arbeitslosenstatistik anschaut, so sieht man, dass wir wieder einmal dort Spitze sind, wo es aber gar nicht so toll ist, nämlich beim Anteil der Langzeitarbeitslosen unter den Arbeitslosen – dieser Anteil ist nirgendwo so hoch wie in Österreich –, das heißt, bei Menschen, bei denen sich Arbeitslosigkeit manifestiert hat. Und wir wissen, wie schwierig es ist, aus einer langen Arbeitslosigkeit heraus wieder ein selbstbestimmtes Leben führen zu können, in dem man wirklich frei und selbstbestimmt agieren kann.
Vor zehn Jahren lag die Anzahl von Personen in Langzeitarbeitslosigkeit bei etwas über 4 500 Personen, und jetzt sind wir bei weit über 80 000 Personen, das ist fast eine Verzwanzigfachung der Zahl der Langzeitarbeitslosen in unserem Land. Es ist einfach ein Armutszeugnis, wenn Sie sagen, Sie können sich bei entscheidenden Punkten einfach nicht einigen.
Ich möchte noch einen kleinen Sidestep zu einem weiteren wirtschaftspolitischen Irrflug machen, das ist natürlich das Veto zum Schengenbeitritt Rumäniens
und Bulgariens: Also das ist ja wirklich ein Knieschuss der Sonderklasse, wirtschaftspolitisch ein Wahnsinn gewesen, gerade Partnerländer innerhalb Europas so zu verprellen, die wichtig für unseren Wirtschaftsstandort sind, die wichtig für viele Wirtschaftsunternehmen in Österreich sind. Gleichzeitig versperren Sie sich auch den Weg, um sich in Immigrationsfragen starke Partner suchen zu können, um wirklich zu gemeinsamen Lösungen zu kommen, wenn die EU sich nicht einigen kann. Da könnte zumindest eine Achse der Willigen vorangehen. Ich weiß nicht, welche Emotionalität oder Angst Sie da wieder geritten hat, aber auch das ist wirtschaftspolitischer Schwachsinn.
Was sind die Reformen, die jetzt angegangen werden müssten?
Natürlich diese Reform des Arbeitslosengeldes: Die Vorschläge liegen am Tisch. Natürlich sollte es so sein, dass am Anfang ein höherer Betrag ausbezahlt wird, weil wir auch wissen, dass viele Menschen gleich in den ersten 30 Tagen wieder Arbeit aufnehmen, aber dann sollte es selbstverständlich ein degressives Modell geben, wie es übrigens mittlerweile in so gut wie allen Ländern verankert ist, weil das einen ganz starken Anreiz bietet, auch rasch wieder Arbeit aufzunehmen, damit sich eben die Arbeitslosigkeit nicht manifestiert.
Eine Reform der Rot-Weiß-Rot-Karte: Sie haben eine Reform gemacht, aber es ist ein Reförmchen, denn es ist immer noch ein bürokratisches Monster – Gerald Loacker wird sicherlich darauf zu sprechen kommen. Es müsste natürlich dringend vonseiten der Bundesregierung die Zuwanderung von qualifizierten Fachkräften erleichtert werden, aber es müsste natürlich auch die Arbeitsmarktintegration für die Menschen erleichtert werden, die nun einmal hier sind, weil sie Asylwerber sind oder einen Asylstatus haben, allen voran natürlich für die Ukrainerinnen und Ukrainer. Auch da gibt es eine Debatte. AMS-Chef Johannes Kopf hat, finde ich, völlig richtig darauf hingewiesen, dass das auch ein Arbeitskräftepotenzial wäre. Viele würden auch gerne Arbeit aufnehmen, aber es scheitert sozusagen auch da am Willen der Bundesregierung.
Ich erinnere aber auch daran, dass es in Österreich Lehrlinge gibt, die wir auf Kosten von Unternehmen ausgebildet haben, dann aber abschieben, gut integrierte Lehrlinge. Da endlich einen Weg zu wählen, beispielsweise eines Spurwechsels, dass man auch die Möglichkeit hat, vom Status eines Asylwerbers auch auf einen Rot-Weiß-Rot-Karte-Titel zu wechseln, wäre eine große Erleichterung gerade auch für Betriebe, die Zeit und Geld und auch Herz in die Ausbildung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern investiert haben. (Beifall bei den NEOS.)
Eine Modernisierung des Arbeitsrechts: natürlich, weil wir schon lange nicht mehr den Realitäten eines immer flexibleren Arbeitsmarktes mit einem immer höher werdenden Anteil an Wissensarbeit gerecht werden. Das wäre ein ganz wichtiger Schritt in Richtung Zukunft.
Im Engeren noch sozusagen beim Arbeitslosengeld oder bei der Arbeitsmarktpolitik: Selbstverständlich betrifft das auch eine Anpassung der Zumutbarkeitsbestimmungen und damit eine stärker bundesländerübergreifende Arbeitskräftevermittlung, weil wir ja wissen, dass es da durchaus Unterschiede in den Bundesländern gibt und die Dinge vom Osten zum Westen ganz unterschiedlich sind.
Last, but not least möchte ich noch ein Thema aufgreifen, das wir NEOS jetzt seit Monaten trommeln, und das ist eine Senkung der Lohnnebenkosten. Wissen Sie, selbst mit der teilweisen Abschaffung der kalten Progression – die ich auch nicht kleinreden möchte, wir haben wirklich viele Monate Woche für Woche dafür gekämpft, dass die kalte Progression abgeschafft wird (Zwischenruf bei den Grünen); sie wird jetzt teilweise abgeschafft – steigt die Steuerquote, das heißt, die Steuer- und Abgabenlast bleibt weiter hoch.
Das Kernproblem dabei ist einfach, dass Mitarbeiter gerade in solchen Krisenzeiten den Betrieben zu viel kosten und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern netto zu wenig bleibt. Da sollte man ansetzen, und wir haben die Studie am Tisch gelegt, eine Studie der Ökonomen, die ausweist, wo Potenziale bei den
Lohnnebenkosten sind, wo es aber auch möglich wäre, Kosten zu übernehmen, weil sie nicht direkt arbeitnehmerbezogene Leistungen sind, sondern beispielsweise eigentlich auch durchaus aus dem Budget finanziert werden könnten. Das wäre ein Entlastungsbeitrag von 9 Milliarden Euro. Im Vergleich zu dem großen Paket von 50 Milliarden Euro, das Sie jetzt zur Bewältigung der Krise ausgeben, ist das ja ein geringer Anteil. Mit diesen 9 Milliarden Euro wäre es möglich gewesen, schon diesen Herbst flächendeckend netto 5 Prozent mehr Löhne für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in ganz Österreich ohne weitere Kosten für Arbeitgeber zur Verfügung zu stellen. (Beifall bei den NEOS.)
Das wären die richtigen Schritte, die jetzt gemacht werden müssten, wirtschaftspolitisch sinnvoll, stattdessen bleiben Sie in einem wirtschaftspolitischen Irrflug, machen hier eine geradezu sozialistische Politik des Geldausgebens mit beiden Händen, Geld, das weder Sie noch die Steuerzahler haben noch die nächste Generation haben wird. Ich verstehe nicht, warum dieser Stillstandsfrust die Politik so in den Klauen hält, anstatt dass wir hier wieder gemeinsam sagen können: Gehen wir es an in Richtung Zukunft, damit es wieder besser wird, damit die Menschen an eine gute Zukunft glauben und sich etwas aufbauen können! Gestaltungslust statt Stillstandsfrust! – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)
15.20
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Kocher. Ich darf ihn und auch die Frau Bundesministerin herzlich begrüßen. – Bitte, Herr Bundesminister.
Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft Mag. Dr. Martin Kocher: Herr Präsident! Werte Abgeordnete! Hohes Haus! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Ich bin für diese Dringliche Anfrage sehr dankbar, weil sie mir Gelegenheit gibt, ein paar Dinge gut einzuordnen, und ich im Gegensatz zu dem
zuletzt Gesagten eigentlich keinen Stillstand in der Arbeitsmarktpolitik erkennen kann. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)
Ich gehe ganz kurz auf das ein, was passiert ist. Ich habe vor knapp zwei Jahren das Arbeitsressort übernehmen dürfen. Das war im Jänner 2021, die Arbeitslosigkeit betraf österreichweit 530 000 Personen. Zwei Jahre später betrifft die Arbeitslosigkeit 330 000 Personen, also 200 000 Personen weniger, die sich in Arbeitslosigkeit befinden. Natürlich hat das mit dem generellen Aufschwung der Konjunktur zu tun, mit den Covid-Hilfen, aber ich glaube auch – und das werden dann Studien in Zukunft zeigen –, dass die Maßnahmen, die wir im Bereich der Langzeitarbeitslosigkeit, die fast halbiert wurde, im Bereich der Qualifizierung gesetzt haben, ihren Beitrag dazu geleistet haben, dass wir die schwere Krise am Arbeitsmarkt durch Covid, die so schnell vergessen wird, auch einigermaßen gut überwunden haben. Jetzt haben wir ein anderes Problem, nämlich Arbeitskräfte- und Fachkräftemangel. Da stimmen wir bei der Einschätzung überein: Das ist die große Herausforderung, nicht mehr die Arbeitslosigkeit, die noch vor eineinhalb Jahren die ganz große Herausforderung am Arbeitsmarkt war.
Auch da gibt es natürlich Entwicklungen, die man berücksichtigen muss. Wir haben im Vergleich zu November 2019 130 000 Menschen mehr in Beschäftigung als damals. Das heißt, Potenziale werden gehoben, in allen Bereichen. Da geht es um Teilzeitbeschäftigte, die mehr arbeiten, da geht es um Ältere, die länger arbeiten, und viele andere Bereiche, in denen viel passiert ist. Der Vergleich mit 2019, als die Arbeitsmarktlage gut war, ist, glaube ich, legitim und zeigt, dass in den letzten beiden Jahren kein Stillstand am Arbeitsmarkt geherrscht hat. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Gödl: Eben! So ist es! So ist es!)
Natürlich hätte ich mich sehr gefreut – das will ich auch nicht verhehlen, es war ein wichtiges Projekt –, wenn es zu einer großen Arbeitslosenversicherungsreform als Teil der ständigen Weiterentwicklung des Arbeitsmarktes gekommen wäre. Ich glaube, wir hätten in vielen Bereichen gute Argumente gehabt. Es war
immer ein Gesamtpaket, es war natürlich auch immer klar, dass es unterschiedliche Zugänge gibt, aber die Mehrheit der Arbeitsuchenden hätte von einer solchen Reform, wie wir sie diskutiert haben, profitiert. Ich bin auch froh, dass die NEOS bei einigen Aspekten diese Einschätzung teilen. Es gibt aber viele Dinge, die auch gemacht werden können, ohne diesen großen Reformschritt zu tun.
Ich möchte auf ein paar Dinge eingehen, die ich für wichtig halte: Erstens ist es klar, dass wir über eine Einschränkung des Zuverdiensts gewisse Potenziale am Arbeitsmarkt heben können; das zeigen auch einige Studien. Zweitens ist relativ klar, dass ein degressiver Verlauf gewisse Anreizeffekte mit sich bringen würde, und drittens hätte eine kurze Karenzzeit zu Beginn der Arbeitslosigkeit aller Voraussicht nach dazu geführt, dass das sogenannte Zwischenparken in der Arbeitslosigkeit reduziert werden würde, natürlich bei gleichzeitiger Inpflichtnahme der Arbeitgeber, die dieses Instrument manchmal nutzen.
Es gibt – das, glaube ich, muss man auch sagen – ein System der Arbeitslosenversicherung in Österreich, mit allen Schwächen und Stärken, das aber in den letzten Jahrzehnten gut funktioniert hat. Das ist wichtig, festzustellen. Eine Reform ist aus meiner Sicht also wichtig und war ein Anliegen, dafür gibt es auch gute Gründe, aber das System funktioniert grundsätzlich. Zweitens gibt es auch ohne eine große Reform einige Schrauben, an denen wir im Ressort drehen können, weil es eine Richtlinien- und Leitlinienkompetenz gibt, und natürlich wird es weiter kleinere Schritte, keine ganz große Reform, gemeinsam in der Bundesregierung geben, um am Arbeitsmarkt die Schritte zu setzen, die es braucht, damit der Arbeits- und Fachkräftemangel reduziert wird.
In der Dringlichen Anfrage geht es auch um den Bereich des AMS und der Vermittlung und vor allem um die Digitalisierung. Bei dieser Gelegenheit möchte ich darauf hinweisen, dass da wirklich viel passiert ist. Es gab eine Analyse des IT-Systems, der gesamten IT-Infrastruktur des AMS, die mittlerweile abgeschlossen ist. Es gibt einen klaren Plan bis 2025, was dort passieren wird.
Ich nenne nur einige Beispiele, weil es wirklich interessant ist: In der Vermittlung geht es vor allem um mehr Service und Kundenorientierung für Unternehmen und für die Arbeitsuchenden. Es wird das Kompetenzmatching nach langer Vorbereitung jetzt eingeführt, es wird schon erprobt. Es gibt eine laufende Verbesserung der großen Plattform allejobs.at mit spezifischen Textelementen, die jetzt noch besser eingebaut werden können. Es gibt eine Erneuerung des AMS-Kontos für die Arbeitsuchenden und die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber und eine Reihe von anderen Fortschritten. Das halte ich für sehr, sehr wichtig. Ziel ist dabei immer, die Arbeitsuchenden so rasch wie möglich in Beschäftigung zu bringen und so treffsicher wie möglich zu vermitteln.
Was die Rot-Weiß-Rot-Karte betrifft – auch ein Teil der Anfrage –, möchte ich klar sagen, dass meine Einschätzung eine etwas andere ist. Das Ziel war immer, Bürokratie abzubauen, die Wirksamkeit breiter zu machen und die Verfahren zu beschleunigen. Wir haben am 1. Oktober diese Reform in Kraft gesetzt, es ist, glaube ich, nicht seriös, jetzt zu sagen, dass man schon abschätzen kann, wie sie wirkt. Es gibt erste Zahlen, die ermutigend sind, die Bewilligungen auf Basis von Mangelberufen haben sich in den Monaten Oktober und November im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt, aber ich glaube, wenn wir seriös sind, warten wir noch ein paar Monate ab und schauen dann, wie die Wirkung der Rot-Weiß-Rot-Karte ist.
Es ist mir wichtig, darauf hinzuweisen, dass diese Reform, die wir jetzt umgesetzt haben, in fast allen Fällen genau das macht, was in Deutschland mit einem Einwanderungsgesetz und den Maßnahmen, die dort beschlossen werden sollen, noch geplant wird.
Entscheidend ist auch, darauf hinzuweisen, dass in vielen Bereichen wirklich versucht wird, weniger bürokratisch vorzugehen. Da geht es – ich könnte jetzt länger vorlesen – um die Frage der jeweiligen formalen Bildungs- und Ausbildungsabschlüsse und darum, wie sie nachgewiesen werden müssen. Das ist jetzt nicht mehr ganz so streng geregelt wie früher. Es geht um Punktevergabe, es geht um viele andere Dinge – wie Stammsaisonniers – bei der Rot-Weiß-Rot-
Karte. Ich mache das jetzt nicht aus Zeitgründen, aber ich glaube, dass es auf jeden Fall eine massive Verbesserung zum Status quo ante darstellt und ein großer Reformschritt war.
Ja, ich gebe auch zu – ich glaube, es ist wichtig, das auch ganz offen zu sagen –, dass die getroffenen Maßnahmen zum Teil noch nicht so bekannt sind, wie sie sein sollten, und dass natürlich der Teufel im Detail der Umsetzung steckt. Die Umsetzung wird, und das muss auch so sein, immer von zwei Behörden durchgeführt. Beim AMS gibt es ganz klare Vorgaben, was die Zeitdauer der Genehmigungen, der Ersatzkraftverfahren betrifft, gemeinsam mit den jeweiligen Sozialpartnerausschüssen. Natürlich weiß ich auch, dass sich viele Ausländerbehörden bemühen, die Prüfungen rasch und unbürokratisch vorzunehmen.
Ich bin in gutem Austausch mit dem Innenministerium, aber auch mit allen in den Bundesländern, die verantwortlich sind. Gemeinsam schaffen wir es, dass die Rot-Weiß-Rot-Karte kein bürokratisches Monster ist, wie sie genannt wurde, sondern der ideale Zugang für qualifizierte Zuwanderung nach Österreich für Menschen, die wir in vielen Bereichen – im Pflegebereich, im Tourismus, in der Industrie – brauchen und die in Österreich den Wohlstand vermehren. Wir haben auch, weil es in der Anfrage angesprochen wird, die Saisonkontingente – ein Spezialfall des qualifizierten Zuzugs – erhöht, da steht 2 000, es sind knapp 3 000 mit einer Flexibilitätsregelung. Wir tun in diesem Bereich bei Weitem mehr als viele Bundesregierungen vor uns.
Zum Thema Lohnnebenkosten: Das ist mir ein sehr wichtiges Thema, weil ich als Wirtschaftsforscher im Sinne der Anfrage glaube, dass die Schere zwischen Netto und Brutto in Österreich besonders groß ist und dass ein Senken von Lohnnebenkosten sowohl beschäftigungsfördernde Effekte hat, als auch die Löhne erhöhen kann, wenn es klug gemacht ist. Was haben wir 2022, 2023 gemacht? – Wir haben die Lohnnebenkosten um 0,4 Prozentpunkte gesenkt. Das ist ein Entlastungsvolumen von etwa 600 Millionen Euro pro Jahr
Wenn es um weitere Senkungen geht, dann, glaube ich, muss es einfach eine offene Debatte über Gegenfinanzierung geben. Jetzt ist es natürlich das Privileg, zu fordern, dass da etwas passiert (Abg. Meinl-Reisinger: Es war ja auch keine offene Debatte über Gegenfinanzierung beim Helikoptergeld! Ich meine, Sie geben Helikoptergeld aus und haben überhaupt keine Gegenfinanzierung außer Schulden!), aber ich glaube, es geht um die Finanzierung von Sozialsystemen und von vielen anderen Bereichen. (Abg. Wöginger: Da stimmt ihr aber in Wien auch zu beim Helikoptergeld! Ihr habt doch die 200 Euro ...! – Abg. Meinl-Reisinger: Na, ich meine, da ist auf einmal die Gegenfinanzierung das Thema? Ist ja lächerlich! – Ruf bei der FPÖ: Wer ist jetzt schlechter?) – Die Gegenfinanzierung halte ich grundsätzlich für wichtig, ja, Helikoptergeld ist eine andere Diskussion, für die der Arbeitsminister in dem Fall jetzt nicht zuständig ist (Abg. Meinl-Reisinger: Sind Sie Mitglied der Bundesregierung?), denn im Arbeitsmarktbereich gibt es kein Helikoptergeld. (Abg. Meinl-Reisinger streicht mit der rechten Hand mehrmals schnell über die geöffnete linke Hand und wendet sich dabei in alle Richtungen.)
Ich komme zum Abschluss dieses informellen Teils der Beantwortung der Dringlichen Anfrage. Ich möchte nicht stehen lassen, dass wir im Kampf gegen den Arbeitskräftemangel und bei der Fachkräfterekrutierung untätig sind. Ich könnte jetzt noch lange über Maßnahmen im Bereich der Lehre sprechen – glücklicherweise gibt es auch mehr Lehrlinge als vor der Pandemie –, es gibt Maßnahmen bei den Älteren in der Beschäftigung; das mache ich jetzt nicht. Ich möchte mich bei dieser Gelegenheit noch einmal – ich mache es öfters, weil es wichtig ist – bei allen bedanken, die sich an dieser guten Entwicklung am Arbeitsmarkt beteiligen: gerade bei jenen im AMS, die die Umsetzung dieser Reformschritte tragen, aber – wenn es um die Rot-Weiß-Rot-Karte geht – auch bei jenen in meinem Ressort. Wir werden in der Bundesregierung gemeinsam weiter für Verbesserungen am Arbeitsmarkt arbeiten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)
Damit komme ich zur formellen Beantwortung der Fragen.
Zu den Fragen 1 bis 3:
Über die genannten Punkte konnte keine Einigung erzielt werden, daher kann keine Regierungsvorlage vorgelegt werden.
Zur Frage 4:
Das BMAW hat eine Abschätzung möglicher Verhaltenseffekte verschiedener Modelle beauftragt. Die tatsächliche Wirkung des konkreten Modells ist wesentlich von den gewählten Parametern abhängig. Für eine Übersicht über den wissenschaftlichen Erkenntnisstand ist auf die online verfügbare Studie des Wifo zu verweisen.
Unter der Annahme einer durchschnittlichen Verweildauer vor Abgang im Jahr 2021 für arbeitslose Schulungsteilnehmerinnen und ‑teilnehmer und Lehrstellensuchende von 119 Tagen und unter der Annahme von circa 600 000 jährlichen Abgängen in die Arbeit und unter der Annahme einer Verkürzung der Vermittlungsdauer um 30 Tage ergibt sich ein geschätzter Entlastungseffekt in Höhe von rund 828 Millionen Euro.
Zur Frage 5:
Die durchschnittliche Nettovermittlungsdauer, das heißt der Abschluss eines relevanten Geschäftsfalls nach Arbeitsaufnahme, beträgt für das aktuelle Jahr, 2022, laut Datenstand Ende November rund 181 Tage.
Zur Frage 6:
Dem AMS sind derzeit 113 180 offene Stellen gemeldet – Datenstand Ende November 2022.
Zur Frage 7:
Die Durchführung von einfachen Prozentrechnungen ist nicht Gegenstand des parlamentarischen Interpellationsrechts.
Zur Frage 8:
Im Jahresdurchschnitt waren 2021 rund 516 000 Frauen und rund 587 000 Männer ab 50 Jahren, davon 334 000 ab 55 Jahren, unselbstständig beschäftigt. Aus dieser Gruppe wird voraussichtlich ein Teil den Arbeitsmarkt in Richtung Pension verlassen.
Zur Frage 9:
Die Zahl der Menschen im Erwerbsalter in den nächsten zehn Jahren kann anhand der Bevölkerungsprognose laut Bundesanstalt Statistik Österreich näherungsweise prognostiziert werden. Diese Prognosen beziehen auch Aspekte wie Zuwanderung mit ein und werden jährlich angepasst.
Derzeit gibt es rund 881 000 Personen zwischen fünf und 14 Jahren in Österreich, die in den kommenden zehn Jahren das Erwerbsalter erreichen können.
Zur Frage 10:
Aktuell sind 8 638 positive Gutachten für Rot-Weiß-Rot-Karten aufrecht. Im Laufe dieses Jahres hat das AMS bis Ende November bereits 5 523 positive Gutachten für Rot-Weiß-Rot-Karten und Blaue Karten ausgestellt. Im Vergleich dazu: 2018 waren es 4 148, 2021 waren es 3 881. Mit vollem Wirksamwerden der Reform ist davon auszugehen, dass im nächsten Jahr und in den Folgejahren noch deutlich mehr Fach- und Schlüsselkräfte über die Rot-Weiß-Rot-Karte zugelassen werden.
Zur Frage 11:
Mit der seit Oktober umgesetzten Reform der Rot-Weiß-Rot-Karte wurden wesentliche Maßnahmen gesetzt, um die Anwerbung und Zuwanderung qualifizierter Arbeitskräfte deutlich zu erleichtern. Die Fachkräfteverordnung für 2023 listet 100 bundesweite und zusätzlich 59 regionale Mangelberufe auf, für die Rot-Weiß-Rot-Karten ohne Arbeitsmarktprüfung erteilt werden
können. Es gilt jetzt, diese Maßnahmen wirken zu lassen und die Umsetzung in der Praxis weiterhin bestmöglich zu begleiten.
Zur Frage 12:
Aktuell sind 776 Asylwerberinnen und Asylwerber bewilligt beschäftigt. Von einer starken Steigerung im kommenden Jahr ist nicht auszugehen. Vielmehr wird versucht, die über 34 000 beim AMS vorgemerkten Asylberechtigten und subsidiär Schutzberechtigten, die unbeschränkten Arbeitsmarktzugang haben, vorrangig auf offene Stellen zu vermitteln.
Zur Frage 13:
Nach Aufhebung der Erlässe aus dem Jahr 2004 und 2018 durch den VfGH können Asylwerberinnen, Asylwerber, die seit drei Monaten im Asylverfahren zugelassen sind, Beschäftigungsbewilligungen in allen Branchen und für alle Tätigkeiten erhalten, wenn die Stellen nicht mit vorrangig vermittelbaren Ersatzarbeitskräften besetzt werden können und der sozialpartnerschaftliche Beirat die Bewilligung einhellig befürwortet. Diese Regelung entspricht auch den Vorgaben der EU-Richtlinie für Asylwerber, sodass keine Veränderung beim Arbeitsmarktzugang für Asylwerberinnen, Asylwerber geplant ist.
Zur den Fragen 14 bis 15:
Das AMS hat seit Beginn des Krieges 17 687 Beschäftigungsbewilligungen für vertriebene Ukrainerinnen und Ukrainer erteilt. Aktuell sind 7 428 in Beschäftigung. Weitere 7 535 Vertriebene sind beim AMS vorgemerkt. Viele Vertriebene haben noch immer die Hoffnung, bald in die Ukraine zurückkehren zu können, und zögern daher noch, am österreichischen Arbeitsmarkt dauerhaft Fuß zu fassen.
Mit Fortdauer des Krieges ist dennoch mit einer Steigerung der Zahl der erwerbstätigen Ukrainerinnen und Ukrainer zu rechnen. Die Beschäftigungs-
bewilligungen ermöglichen eine Kontrolle der Lohn- und Arbeitsbedingungen und werden auch weiterhin möglichst unbürokratisch, ohne Arbeitsmarktprüfung, erteilt.
Zur Frage 16:
Laut Beschäftigtenstatistik des Dachverbandes der Sozialversicherungsträger waren im November 2022 rund 21 000 Frauen ab 62 Jahren und rund 11 000 Männer ab 65 Jahren unselbstständig beschäftigt. Eine leichte Steigerung erscheint denkbar.
Zur Frage 17:
Die aktuellste Beschäftigungsquote, Oktober 2022, für männliche und weibliche Personen von 60 bis 64 Jahren beträgt 31,5 Prozent.
Zur Frage 18:
Älteren Personen zwischen 60 und 64 Jahren steht grundsätzlich das gesamte Dienstleistungsangebot – Information, Beratung, Qualifizierung, Förderung – des Arbeitsmarktservice zur Verfügung. Arbeitsuchende über 50 Jahren stellen in allen Förderbereichen eine zentrale Zielgruppe dar: in der Coronajoboffensive, es gibt reservierte Mittel für die Zielgruppe der Älteren, in sozialen Unternehmen, auch in der Kreislaufwirtschaft, bei der Eingliederungsbeihilfe, es gibt einen betrieblichen Lohnkostenzuschuss, und beim Programm Sprungbrett für Langzeitarbeitslose, das über 50-Jährige gut erreicht.
Es gibt weitere Angebote des BMAW: Fit2work, eine Beratung für Personen mit gesundheitlichen Problemlagen. Ein wichtiges Instrument ist weiters die 2017 geschaffene Möglichkeit der Wiedereingliederungsteilzeit, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer den stufenweisen Wiedereinstieg nach einer länger andauernden Arbeitsunfähigkeit ermöglicht. Die Demografieberatung ist ein Beratungsangebot für österreichische Unternehmen zur Schaffung von altersgerechten, alternsgerechten Arbeitswelten in Zeiten des demografischen
Wandels im Rahmen des Europäischen Sozialfonds. In der nächsten ESF-Programmperiode wird ein Schwerpunkt im Bereich Digitalisierung gesetzt.
Im Rahmen der vom Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft federführend umgesetzten Nationalen Strategie Gesundheit im Betrieb gibt es für Betriebe und Beschäftigte aufeinander abgestimmte Unterstützungsleistungen für das betriebliche Gesundheitsmanagement.
Darüber hinaus beauftragt das BMAW laufend Grundlagenforschung, um die Beschäftigungsquote zwischen 60 und 64 Jahren zu erhöhen, insbesondere zum Thema Lebens- und Erwerbssituation Älterer, um daraus Handlungsempfehlungen für die weitere Gestaltung der entsprechenden Rahmenbedingungen abzuleiten.
Zur Frage 19:
Diese Frage betrifft keine Zuständigkeit meines Ressorts und stellt damit keinen dem Interpellationsrecht unterliegenden Gegenstand der Vollziehung des BMAW dar.
Zur Frage 20:
Die Frage ist spekulativ, daher liegen leider keine Daten für eine gesicherte Beantwortung vor.
Zur Frage 21:
Mit Ende November 2022 gibt es 73 offene Stellen in der Forstwirtschaft und im Bereich des Holzeinschlags – nach Önace-2-Steller-Kriterien.
Zur Frage 22:
Mit Ende November 2022 gab es 10 603 offene Stellen in Beherbergung und Gastronomie, das ist der Önace-1-Steller, derzeit beträgt das Tourismuskontingent knapp 3 000 Plätze. Es wurde zuletzt im Sommer aufgestockt. Für
das kommende Jahr ist von einem ähnlichen Bedarf an Saisoniers aus Drittstaaten wie heuer auszugehen.
Zur Frage 23:
Gemäß der entsprechenden Önace-Klassifizierung ist die Entwicklung wie folgt: 2011: Stand Beschäftigter: 529 970; 2012: Stand Beschäftigter: 540 810; 2013: 544 392; 2014: 546 159; 2015: 552 822; 2016: 558 636; 2017: 567 608; 2018: 578 251; 2019: 581 799; 2020: 583 155 und 2021: 587 998.
Zur Frage 24:
Im Jahr 2021 beliefen sich die Auszahlungen für Bildungskarenz inklusive der Sozialversicherungsbeiträge auf 284,443 Millionen Euro und für geblockte Altersteilzeit auf 95,889 Millionen Euro. Das sind gemessen an den eingenommenen ALV-Beiträgen des Jahres 2021 3,8 Prozent für die Bildungskarenz und 1,3 Prozent für die geblockte Altersteilzeit.
Zur Frage 25:
Eine zweiwöchige Karenzfrist hätte einen Einsparungseffekt von bis zu 120 Millionen Euro ergeben. Es handelt sich dabei um keine Sanktion.
Zur Frage 26:
Diese Frage lässt sich so nicht beantworten.
Gemäß § 61 Abs. 2 Arbeiterkammergesetz 1992 wird die Höhe der Umlage für die einzelnen Arbeiterkammern von der Hauptversammlung der Bundesarbeitskammer beschlossen. Sie darf höchstens 0,5 Prozent der für die gesetzliche Krankenversicherung geltenden allgemeinen Beitragsgrundlage betragen, wobei die Höchstbeitragsgrundlage nach § 45 Abs. 1 lit. a ASVG nicht überschritten werden darf. Diese Obergrenze von 0,5 Prozent wird derzeit voll ausgeschöpft.
Die Einnahmen der Arbeiterkammern aus der Arbeiterkammerumlage sind daher nicht an die Inflation gekoppelt, sondern hängen von der konkreten Lohn-
beziehungsweise Gehaltseinstufung der umlagepflichtigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und deren Lohn- und Gehaltsentwicklung auf Basis der jährlichen Lohn- und Gehaltsabschlüsse beziehungsweise der individuellen Karriereverläufe sowie von der Zahl der umlagepflichtigen Kammerzugehörigen insgesamt ab.
Die Einnahmen aus Kammerumlagen des Jahres 2010 mit der Entwicklung der Inflationsrate hochzurechnen wäre daher grob verzerrend und fehlerhaft, weil dies weder die Veränderung der Zahl der umlagepflichtigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer noch deren individuelle Lohn- und Gehaltseinstufung noch ihre berufliche Entwicklung berücksichtigen würde.
Zur Frage 27:
Diese Frage lässt sich ebenso nicht so einfach beantworten.
Die Umlage der Landeskammern gemäß § 122 Abs. 8 Wirtschaftskammergesetz, Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag, für 2023 beträgt zwischen 0,2 und 0,27 Prozent. Der Hebesatz der für die Bundeskammer einzuhebenden Umlage gemäß § 122 Abs. 9 Wirtschaftskammergesetz beträgt 0,14 von Hundert der im § 122 Abs. 8 WKG angeführten Beitragsgrundlage – Beschluss des erweiterten Präsidiums der Wirtschaftskammer Österreich vom 11.10.2018. Festzuhalten ist, dass damit die im Wirtschaftskammergesetz festgelegten Höchstsätze nicht voll ausgeschöpft werden.
Die Kammerumlage 2 ist von der Summe der in seinem Unternehmen anfallenden Arbeitslöhne zu berechnen. Die Bemessungsgrundlage ist die Beitragsgrundlage nach § 41 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967.
Die Einnahmen der Wirtschaftskammer sind daher nicht an die Inflation gekoppelt, sondern hängen von der konkreten Lohn- beziehungsweise Gehaltseinstufung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und deren Lohn- und Gehaltsentwicklung auf Basis der jährlichen Lohn- und Gehaltsabschlüsse
beziehungsweise der individuellen Karriereverläufe sowie von der Zahl der umlagepflichtigen Unternehmen insgesamt ab.
Die Einnahmen aus Kammerumlagen des Jahres 2010 mit der Entwicklung der Inflationsrate hochzurechnen wäre daher grob verzerrend und fehlerhaft, weil dies weder die Veränderung der Zahl der umlagepflichtigen Unternehmen noch die individuellen Lohn- und Gehaltsentwicklungen abbilden würde. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)
15.43
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Loacker. – Bitte sehr.
Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Die letzten beiden Antworten waren gesponsert von den großen österreichischen Kammern. Die bedanken sich recht herzlich und stellen vielleicht dem Ministerium auch wieder einmal Mitarbeiter zur Verfügung, das könnte ja sein. (Ruf bei der ÖVP: Na geh!)
Wenn wir jetzt hohe Lohnabschlüsse, 7 Prozent, 8 Prozent und mehr, haben, dann knallen jedenfalls die Sektkorken in der Wirtschaftskammer, weil dementsprechend natürlich auch die Kammerumlage 2 schön mitsteigt. Und da sind wir direkt bei den Lohnnebenkosten und dem, was an dicker, fetter Last auf den österreichischen Löhnen und Gehältern liegt, was die Unternehmen im Vergleich mit ihren internationalen Mitbewerbern stemmen müssen. Jetzt kann man natürlich sagen: Ja, das ist ein Zehntelprozent, wir haben eh um 0,4 Prozent reduziert!, und so weiter. Das ist genau das Problem bei den Lohnnebenkosten: Kleinvieh macht auch Mist, und wir müssen uns ganz genau anschauen, wo dieses Geld verschwindet.
Beispielsweise kostet die geblockte Altersteilzeit – wir haben es vorgetragen – einen dreistelligen Millionenbetrag im Jahr, und wir haben eine Bildungskarenz,
die auch einen dreistelligen Millionenbetrag im Jahr kostet. Mit der Bildungskarenz kaufen wir junge, gut ausgebildete Erwerbstätige aus dem Arbeitsmarkt heraus, damit sie ein Jahr lang nichts tun, und das in Zeiten des Arbeitskräftemangels. (Beifall bei den NEOS.)
Das Geld, mit dem wir das machen, sind Lohnnebenkosten. Wenn die zwei Maßnahmen – geblockte Altersteilzeit, das heißt ein Frühpensionierungsprogramm für Betriebe, und Bildungskarenz – miteinander 5 Prozent der Arbeitslosenversicherungsbeiträge ausmachen, dann könnte man das einsparen und die Beiträge um diese 5 Prozent senken, um nur ein Beispiel zu nennen. Man könnte halt auch einmal bei den Kammern etwas genauer schauen, wo sich diese nicht an die Grundsätze der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit halten, und auch dort die Lohnnebenkosten senken. Das ist mühsame Kleinarbeit.
Wenn es darum geht, die Vermittlungsdauer beim AMS zu senken, also die Menschen einen Monat früher wieder in Arbeit zu bringen, würde uns dieser eine Monat über 800 Millionen Euro im Jahr bringen. Das ist wiederum ein erklecklicher Betrag, um den man die Lohnnebenkosten senken könnte. Damit könnte man den Unternehmen Luft für größere Lohnerhöhungen in diesen schwierigen Zeiten verschaffen, damit auch die Mitarbeiter, die arbeiten, tatsächlich etwas von ihrer Leistung haben. (Beifall bei den NEOS.)
Wir haben auch gesehen – Beate Meinl-Reisinger hat es ausgeführt –, die Langzeitarbeitslosigkeit ist in den letzten Jahren massiv gestiegen. Jetzt gibt es in Österreich eine Arbeitslosenversicherung, die viel teurer als beispielsweise jene in Deutschland ist. Es laufen teure Programme, die dafür sorgen sollen, dass Beschäftigte, die es schwer haben, wieder gut in die Arbeit hineinfinden, aber die Langzeitarbeitslosigkeit hat sich beinahe verzwanzigfacht. Warum ist das so und warum ist Österreich da im internationalen Vergleich schlechter als andere Länder? – Wir sind das einzige Land in der EU, in dem die Leistung aus der Arbeitslosenversicherung zeitlich nicht begrenzt ist. In allen anderen Ländern gibt es eine Zeit lang Arbeitslosengeld, dann ist es aus damit, und der Betreffende kommt
in die Sozialhilfe, weil halt die Arbeitsmarktvermittlung nach zwei Jahren nicht erfolgreich war und die jeweilige Arbeitsmarktverwaltung ihren Job erledigt hat, wenn auch nicht erfolgreich.
Bei uns kann man die Leistung aus der Arbeitslosenversicherung zeitlich ohne Grenze beziehen: 10 Jahre, 15 Jahre, 20 Jahre – ja, solche Fälle gibt es. Das ist nicht die Welt, aber solche Fälle gibt es. Das Signal an die Menschen, die in Arbeitslosigkeit kommen, ist ein fatales. Daher wäre die Umsetzung eines degressiven Arbeitslosengeldes, das also im Zeitverlauf sinkt, so eine wichtige Reform gewesen. Auch das ist heute internationaler Standard. Dieses lineare Arbeitslosengeld, wie wir es in Österreich haben, entspricht nicht mehr den Erfordernissen der Zeit. Es wäre gut, das Arbeitslosengeld am Beginn ein bisschen zu erhöhen, damit jemand, der in Arbeitslosigkeit kommt, gut aufgefangen wird, aber auch das Signal zu setzen, dass das Arbeitslosengeld im Zeitverlauf sinkt, um zu signalisieren: Lieber Freund, liebe Freundin, das ist keine Dauereinrichtung, such dir schnell etwas Neues!
Warum ist dieses Signal so wichtig? – Je länger jemand arbeitslos ist, desto schwieriger bekommt man ihn wieder in Arbeit. Es ist deswegen wichtig, rasch wieder in Arbeit zu kommen, und das kann man nicht alles den Mitarbeitern des AMS aufbürden – damit werden die gar nicht fertig –, da muss man auch die Menschen bei ihrer Eigenmotivation ein Stück weit packen und entsprechende Signale setzen. Der Herr Minister ist ja Verhaltensökonom und kann das noch besser erklären als ich, er weiß es ja, er hat sich nur leider gegen den grünen Koalitionspartner nicht durchgesetzt, der, geschätzte Zuschauerinnen und Zuschauer, was wollte? – In Zeiten des Arbeitskräftemangels einfach noch mehr Geld draufklopfen. Nicht eine Reform, sondern das, was die Regierung sonst immer macht: throw money at the problem, wäre das Rezept der Grünen gewesen: einfach zu Beginn mehr Arbeitslosengeld und später gleich viel. Was das bringen soll, kann kein Mensch erklären. (Beifall bei den NEOS.)
Das muss man sich jetzt einmal am gelebten Beispiel anschauen: Wenn jemand 2 500 Euro brutto verdient hat und die betreffende Person arbeitslos wird und
sich geringfügig etwas dazuverdient – nächstes Jahr ist die Geringfügigkeitsgrenze bei 500 Euro –, dann bekommt diese Person um 140 Euro weniger, als wenn sie Vollzeit arbeiten würde. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Da darf man natürlich niemandem böse sein, wenn er sich denkt: Dann arbeite ich doch lieber geringfügig als Vollzeit und habe 140 Euro im Monat weniger, denn schon bei einer 35-Stunden-Woche statt einer 38,5-Stunden-Woche bekommt er weniger, als wenn er geringfügig arbeitet und das Arbeitslosengeld bezieht. Von der 30-Stunden-Woche rede ich da gar nicht. (Beifall bei den NEOS.) Und die Grünen hätten noch mehr Arbeitslosengeld draufgegeben – also da geht Ihnen dann keiner mehr arbeiten.
Die Unternehmen suchen Arbeitskräfte. Jetzt kann man sagen, wenn ein Lieferdienst aktuell für das Lager 100 Mitarbeiter sucht und die 1 850 Euro brutto verdienen würden - - (Neuerlicher Zwischenruf bei der SPÖ.) – Jetzt wird aufgeschrien: Ja, dann sollen sie halt mehr zahlen!, aber das Problem ist doch ein ganz anderes: Wieso mute ich den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern zu, dass die Sozialleistungen für Leute finanzieren müssen, für die es tatsächlich einen Job gäbe? Nur weil sich einer vielleicht sagt: Na, für 1 850 Euro mache ich das nicht!, bei einem Job – als Lagermitarbeiter im Lieferdienst –, für den man keine Ausbildung braucht? 1 850 Euro sind zwar nicht viel, aber es ist ein Gehalt, das besser ist, als wenn man vom Arbeitslosengeld und von der Notstandshilfe lebt, und das ist anzuerkennen. (Beifall bei den NEOS.)
Dann noch zur Frage, wie viele Mitarbeiter aus Drittstaaten in Österreich arbeiten dürfen: Das Ausstellen der Rot-Weiß-Rot-Karte wird nie schnell gehen, solange zwei Behörden in dem Zusammenhang tätig sind, das wird immer mehrere Wochen Bearbeitungszeit in Anspruch nehmen. Jetzt gibt es ja auch eine dritte Einheit der Bundesverwaltung, die sich darum kümmert, nämlich die ABA. Wenn ich als Unternehmen eine Rot-Weiß-Rot-Karte beim AMS und bei der Bezirkshauptmannschaft erlangen möchte, dann kann ich mir von der ABA helfen lassen. Das ist das wuchernde Wachstum der öffentlichen Hand:
Zwei Behörden sind kompliziert, man schafft also eine dritte, die einem mit den zwei schon bestehenden hilft. (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Leichtfried.)
Dann wundern wir uns, wenn es einen Arbeitskräftemangel gibt – der Herr Minister hat ja vorgetragen, in den letzten zehn Jahren seien 60 000 Menschen mehr in den öffentlichen Bereich arbeiten gegangen –, aber der öffentliche Bereich kauft der freien Wirtschaft die Arbeitskräfte weg, die fehlen da! Das AMS macht das ja auch: Wir haben heute die niedrigste Arbeitslosigkeit seit 14 Jahren, und vor 14 Jahren hat das AMS bei derselben Arbeitslosigkeit gemütliche 1 300 Mitarbeiter weniger gehabt als heute. Das ist das Problem. (Zwischenruf des Abg. Angerer.)
Das haben wir auch im Budget, ich habe das mit Kollegen Kogler diskutiert. Vizekanzler Kogler hat zu mir gesagt: Sie sind der Einzige, der sich nicht freut, dass wir mehr Planstellen haben. – Ja, weil wir die einzige Partei sind, die darauf schaut, dass mit dem Geld der Steuerzahler anständig umgegangen wird. (Beifall bei den NEOS. – Zwischenruf des Abg. Ottenschläger.)
15.51
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gelangt Herr Klubobmann Wöginger. –Bitte sehr.
Abgeordneter August Wöginger (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Bundesministerin! Es ist eigentlich gut, dass wir diese Dringliche Anfrage diskutieren können, weil das auch die Möglichkeit gibt, wirklich Bilanz zu ziehen. Ich werde später dazu kommen, möchte aber zuerst auch ein paar Daten und Fakten wiedergeben.
Wie schaut denn der Arbeitsmarkt in Österreich nach einer dreijährigen Phase der Krisenbewältigung mit Pandemie, jetzt der hohen Inflation, Teuerung, Kriegssituation in Europa aus? – Es ist ja wahrlich nicht die einfachste Zeit, die wir als Bundesregierung hier zu bewerkstelligen haben (Abg. Leichtfried: Du bist
nicht die Bundesregierung, du bist im Nationalrat!), und dennoch hat sich der Arbeitsmarkt in diesen drei Jahren sehr gut entwickelt.
Der Herr Bundesminister hat es ausgeführt: Wir haben um 130 000 Menschen mehr in Beschäftigung seit 2019 und wir haben die niedrigste Arbeitslosenquote seit 2007. Also, Herr Kollege Loacker, so schlecht kann das alles, was wir gemacht haben, nicht gewesen sein, denn sonst hätten wir nicht diese Kennzahlen. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.)
Na ja, schauen wir es uns an! – Die Schweiz ist bedient, Frau Kollegin Meinl-Reisinger – Schweiz! Vor ein paar Tagen in der „Presse“: „Pleitewelle rollt“. „Über 6 100 Schweizer Firmen gingen bis November pleite, Hunderte dürften heuer noch folgen.“ (Abg. Meinl-Reisinger: In Österreich ja auch! ... ist ja nur aufgeschoben!) – Das ist das Erste.
Das heißt: Was war schon unser Zugang? – Zu helfen, dass diese Pleitewellen nicht kommen (Beifall bei der ÖVP – neuerlicher Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger), denn das bedeutet Standortsicherheit, das bedeutet Arbeitsplatzsicherheit, das bedeutet Wohlstand in diesem Lande. (Abg. Meinl-Reisinger: Ja, aber die kommen ja gerade!) Und die Prognosen für das heurige Jahr sagen aus: Wachstum in Österreich: 4,8 Prozent, in der Schweiz laut Prognosen: 2 Prozent. (Abg. Meinl-Reisinger: Ja, aber bei uns ist sie auch eingebrochen wie nur mit Lockdown über Lockdown! – Zwischenruf der Abg. Seidl.)
Jetzt möchte ich einmal wissen: Was ist denn besser, was ist denn gescheiter? (Abg. Meinl-Reisinger: Ja, was war mit den Lockdowns, der Einbruch?) In der Krise zu helfen und zu investieren oder das nicht zu tun?
Und was mich überhaupt wundert, Frau Kollegin Meinl-Reisinger, ist: Warum kritisieren Sie das alles? Sie sagen: Gießkannenprinzip (Abg. Meinl-Reisinger: Ja!), Sie gehen her und sagen: Helikoptergeld – also das muss man eh einmal erklären: sozusagen, dass alle etwas kriegen –, aber in Wien ist das alles wurscht. (Abg. Meinl-Reisinger: Das ist überhaupt nicht wurscht, aber ihr regiert ...!)
In Wien, wo die NEOS mitregieren, ist das alles egal. Es gibt dort einen Vizebürgermeister Wiederkehr – der weiß, glaube ich, gar nicht, dass er überhaupt Vizebürgermeister ist (Heiterkeit bei der ÖVP), weil er ja das i-Tüpferl auf diesem roten Koloss ist –, aber dort gibt es vom Schnitzelgutschein bis zum Energiebonus – und dann wird von Helikoptergeld geredet. Also stellen Sie sich bitte nicht hier heraus und werfen Sie der Regierung Maßnahmen vor, die Sie zur Quadratur in Wien mitunterstützen! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe der Abgeordneten Meinl-Reisinger und Matznetter.)
Ja, wir haben uns zusammengesetzt – ich komme dann noch zur Bilanz, weil ich die heute schon noch zelebrieren werde – betreffend das Arbeitslosengeld. (Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.) Das Arbeitslosengeld ist eine Versicherungsleistung, die in Österreich aus meiner Sicht insgesamt gut funktioniert, aber man muss das System weiterentwickeln. Ja, wir wollten hier einen Reformansatz, der übrigens gar nicht im Regierungsprogramm steht, das möchte ich auch einmal dazusagen. Wir in dieser Bundesregierung machen ja auch ständig Dinge, die gar nicht im Regierungsprogramm stehen, denn wenn wir sagen: Wir wollen etwas miteinander machen!, dann machen wir das auch – im Gegensatz zu anderen, früheren Regierungen. (Heiterkeit bei der ÖVP.) Da haben wir nicht einmal das zusammengebracht, was im Regierungsprogramm gestanden ist. (Beifall bei ÖVP und Grünen.) Also daher ist es ja positiv, dass man auch über derartige Dinge nachdenkt.
Und weil jetzt eine Maßnahme nicht kommt, heißt das ja nicht, dass wir in diesen Bereichen nicht doch auch weiter diskutieren und schauen: Wo können wir Anreize setzen? Wo können wir schauen, dass man auch zusätzliche Menschen in die Arbeitswelt bringt? – Das möchte ich nämlich schon auch dazusagen betreffend die Langzeitarbeitslosen – das sind die, die länger als zwölf Monate als arbeitslos vorgemerkt sind –: Deren Zahl geht auch um 7,6 Prozent zurück. Wir haben generell stark rückläufige Zahlen: In allen Branchen, in allen Altersgruppen haben wir – Gott sei Dank!, muss man sagen – stark rückläufige Zahlen im Bereich der Arbeitslosigkeit.
Ja, unser Verständnis wäre es da, weitere Anreize zu setzen. Ich nenne ein Beispiel, weil es auch wirklich, wie ich glaube, ungerecht ist, was wir hier im System haben, und ich werde mich bemühen, das auch weiterhin mit unseren Freundinnen und Freunden des Koalitionspartners zu diskutieren.
Nehmen wir einmal folgendes Beispiel: Es gibt derzeit in etwa ein durchschnittliches Arbeitslosengeld von rund 1 000 Euro. Das ist das durchschnittliche Arbeitslosengeld einer Einzelperson. Die Geringfügigkeitsgrenze wird nächstes Jahr, das hat Kollege Loacker richtig ausgeführt, über 500 Euro betragen – wir haben das auch einmal bei unserem Arbeitsmarktgipfel gemeinsam diskutiert. Damit kommen wir auf 1 500 Euro, das ist der derzeitige Mindestlohn – die KV-Verhandlungen haben das jetzt in den letzten Monaten kräftig gehoben –, aber das ist steuerbefreit. Die 1 500 Euro sind steuerbefreit.
Das, was wir hier in Ansätzen zu diskutieren versuchen, ist: Wenn jemand arbeiten geht und einen Mindestlohn von 1 500 Euro verdient, dann ist er in diesem Bereich steuer- und abgabenpflichtig, aber eine Person, die Arbeitslosengeld bezieht und geringfügig dazuverdienen kann – und das ist derzeit uneingeschränkt möglich, auch bis hin zur Notstandshilfe –, nicht. Ich habe großen Respekt vor Menschen, die in schwierigen Situationen sind – das möchte ich dazusagen –, aber das sollten wir uns vielleicht anschauen. Das sollten wir uns vielleicht anschauen, weil das irgendwie auch eine Frage der Gerechtigkeit ist, ob jemand sagt: Okay, ich gehe arbeiten und verdiene 1 500 Euro brutto, zahle damit aber auch Steuern in das System hinein!, oder jemand (Abg. Haubner: Nimmt heraus!) hat einen Teil des Arbeitslosengeldes und geht mit rund 500 Euro geringfügig arbeiten und hat dann aber diese Abgaben nicht zu leisten. – Das ist der Punkt, den wir eigentlich da auch diskutieren wollen.
Wir wollen da nicht in das System hineinschneiden, denn wir halten es grundsätzlich für gut aufgebaut. Es soll weiterentwickelt werden und es soll Anreize zum Arbeiten geben – zum Arbeiten! Und bei jenen, die Leistung erbringen, muss man das auch im System abbilden. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.)
Die Rot-Weiß-Rot-Karte ist schon ein gesetzlich wirklich gelungenes Projekt, aber – der Herr Minister hat es ausgeführt – da brauchen wir auch die Behörden dazu. Das AMS und auch jene Behörden, die sich mit Ausländern beschäftigen, auch die Einwanderungsbehörden, haben da eine Verantwortung – auch die MA 35 in Wien, und auch die untersteht Vizebürgermeister Wiederkehr. (Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.) Also auch in den Bundesländern brauchen wir Unterstützung, weil es da oft im Vollzug hapert. Da hapert es oft daran, wie es dann vor Ort wirklich ausschaut. Da sind auch die Sozialpartner gemeinsam gefordert.
Es ist nicht ganz einfach, sodass das von heute auf morgen geht, aber die gesetzlichen Grundlagen sind geschaffen. Jetzt geht es darum, dass das auch im Vollzug funktioniert. Da brauchen wir die Unterstützung auch der Behörden vor Ort, aber die Maßnahme ist gut, und die Rot-Weiß-Rot-Karte ist legistisch umgesetzt – und das ist auch in Ordnung so. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)
Jetzt noch ein paar Worte zu Wien. Ich meine, ich könnte jetzt noch viel über Wien sagen, aber dann spricht man wieder von Wienbashing. – Ich halte Wien für eine wunderbare Stadt, eine Millionenmetropole. Da ist nicht alles so wie bei mir daheim im Innviertel, am Land – das gebe ich schon zu –, aber wenn man bei der Fernwärme in Wien die Gebühren um 92 Prozent erhöht, und in Linz geht es mit 15 Prozent – also da rede ich gar nicht vom Innviertel und von meiner 800-Einwohner-Gemeinde –, dann ist da etwas nicht richtig! Aber das ist die alte Kreisky-Manier: Zuerst aus dem linken Hosensack herausziehen und dann das Geld wieder in den rechten hineinschieben.
Das ist falsch! Das ist falsch und ist - - (Abg. Meinl-Reisinger: Ja, aber das macht ihr die ganze Zeit!) – Wir haben eine Gebührenbremse, Frau Kollegin Meinl-Reisinger! (Beifall bei der ÖVP.) Wir heben diese Gebühren nicht in dieser Art und Weise an. (Abg. Meinl-Reisinger: Die Steuerquote höher! ... Milliarden!)
Wissen Sie Folgendes? Seit Sie in Wien mitregieren, gibt es für die Bürgerinnen und Bürger – Wasser, Müll, Parken, Fernwärme, Strom, Gas – eine Gesamtbelastung von 2 Milliarden Euro; pro Haushalt sind das 3 000 Euro! Und Sie reden hier von senken und entlasten? – Also fangen Sie einmal dort an, wo Sie regieren, und das wäre in Wien. Da gehörte das eigentlich einmal umgesetzt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenruf des Abg. Kollross.)
Jetzt noch zur Bilanz: Das muss ich hier einfügen, weil da der Satz drinnen steht, dass es in Österreich durch diese Bundesregierung Stillstand gibt. (Abg. Matznetter: ... in Oberösterreich anschauen, Herr Kollege!) Wir haben schwierige Zeiten und wir machen auch nicht alles richtig, keine Frage, so selbstkritisch muss man in dieser Zeit der Pandemie, der Teuerung, der Inflation und in einer Kriegssituation sein. Da machen natürlich auch die Regierenden Fehler (Zwischenruf des Abg. Matznetter), das ist kein Thema. Wir machen aber eine redliche Politik.
Was tun wir noch? (Zwischenruf der Abg. Erasim.) – Wir sind intensiv dabei, viele Projekte abzuarbeiten. Alleine in diesen 30 Tagen haben wir über 50 Beschlüsse – 50 Beschlüsse! –, von der Dienstrechts-Novelle über die Pflegereform Teil zwei bis hin zur Zuverdienstgrenze beim einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeld und der Grundvergütung für Grundwehr- und Zivildiener. (Abg. Leichtfried: Für was habt ihr denn eine Redezeit, hörst?!) 300 Gesetze haben wir alleine im heurigen Jahr auf den Weg gebracht. Ich nenne nur ein paar Highlights, die auch bei der Begründung dieser Dringlichen Anfrage angesprochen wurden:
Die kalte Progression ist abgeschafft. Jetzt sagen die NEOS immer: teilweise. Nächstes Jahr ist sie ganz abgeschafft. Für nächstes Jahr ist sie ganz abgeschafft (Abg. Scherak: Du kriegst sie nur nicht ganz zurück, das stimmt!), weil wir den gesamten Inflationswert auf die Stufen verteilen und die untersten beiden Stufen den doppelten Satz bekommen. (Zwischenrufe der Abgeordneten Meinl-Reisinger und Doppelbauer.) Die kalte Progression ist zur Gänze abgeschafft (Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger), und es ist legitim, meine Damen und
Herren, dass man jährlich einen Bericht legt. (Zwischenruf der Abg. Doppelbauer.) Zwei Drittel gehen direkt auf die Steuerstufen, und man behält sich auch vor, ob man im Sozialbereich, im Familienbereich auch andere Schwerpunkte setzen will, wie auch den Familienbonus, den wir jetzt auch um 500 Euro pro Kind erhöht haben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)
Wir haben die kalte Progression gemeinsam abgeschafft, und das ist die größte Bruttoreallohnerhöhung der letzten Jahre. Da können Sie auch Prof. Felbermayr fragen, der das mit seiner Expertise bestätigt.
Natürlich haben wir die Menschen und die Wirtschaft mit unseren Maßnahmen entlastet, nämlich sowohl durch die ökosoziale Steuerreform (Abg. Meinl-Reisinger: Das ist ein Verzicht auf eine weitere Belastung!) als auch – in Bezug auf die Wirtschaft – durch die Senkung der KöSt um 2 Prozentpunkte und auch die 0,4 Prozentpunkte - -
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf Sie um das Schlusswort bitten. (Abg. Erasim: Danke, danke!)
Abgeordneter August Wöginger (fortsetzend): Jawohl, Herr Präsident. Da könnten w