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Plenarsitzung
des Nationalrates


Stenographisches Protokoll

 

99. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

Donnerstag, 22. April 2021

 

XXVII. Gesetzgebungsperiode

 

 

 

Großer Redoutensaal

 


Stenographisches Protokoll

99. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXVII. Gesetzgebungsperiode               Donnerstag, 22. April 2021

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 22. April 2021: 9.05 – 15.54 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bericht über den Antrag 1277/A(E) der Abgeordneten Heike Grebien, Kira Grünberg, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Ausbau der Chancen am Arbeitsmarkt für Menschen mit Behinderungen“

2. Punkt: Bericht über die Bürgerinitiative Nr. 1/BI: Bürgerinitiative betreffend „der Dis­kriminierung von Menschen mit Behinderung durch die österreichische Gesetzgebung“

3. Punkt: Bericht über den Antrag 1477/A der Abgeordneten August Wöginger, Mag. Markus Koza, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert wird

4. Punkt: Bericht über den Antrag 651/A(E) der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend COVID-19-Aufzahlung für Notstandshilfebezieher durch AMS

5. Punkt: Bericht über den Antrag 1000/A(E) der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Evaluierung von Lehrabbrüchen

6. Punkt: Bericht über die Bürgerinitiative Nr. 14/BI: Bürgerinitiative betreffend „,Nacht­gut­stunden‘ für alle ArbeitnehmerInnen in Pflegeeinrichtungen“

7. Punkt: Bericht über den Antrag 1475/A der Abgeordneten Maria Großbauer, Mag. Eva Blimlinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bun­desgesetz über die Errichtung eines Fonds für eine Überbrückungsfinanzierung für selbständige Künstlerinnen und Künstler erlassen wird und Bundesgesetz, mit dem das COVID-19-Förderungsprüfungsgesetz geändert wird (22. COVID-19-Gesetz), geändert wird

8. Punkt: Vereinbarung zwischen der Republik Österreich und dem Vereinigten König­reich Großbritannien und Nordirland über die Ausdehnung des Anwendungsbereichs des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen auf Gibraltar

9. Punkt: Bundesgesetz, mit dem die Exekutionsordnung, das Einführungsgesetz zur Exekutionsordnung, die Insolvenzordnung, das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Gerichtsgebührengesetz, das Gerichtliche Einbringungsgesetz, das Unternehmens­ge­setzbuch, das EWIV-Ausführungsgesetz, das Genossenschaftsgesetz, das GmbH-Ge-


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setz, das Aktiengesetz, die Notariatsordnung, das Rechtsanwaltstarifgesetz, das Einge­tra­gene Partnerschaft-Gesetz, das Urkundenhinterlegungsgesetz, das Rechtspflegergesetz, das Sicherheitspolizeigesetz, das Bundesgesetz, mit dem Verstöße gegen bestimmte einstweilige Verfügungen zum Schutz vor Gewalt und zum Schutz vor Eingriffen in die Privatsphäre zu Verwaltungsübertretungen erklärt werden, das Asylgesetz 2005, das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, das Mineralrohstoffgesetz und das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz geändert werden sowie die Anfechtungsordnung und das Voll­zugsgebührengesetz in die Exekutionsordnung übernommen werden (Gesamtreform des Exekutionsrechts – GREx)

10. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Gerichtsorganisationsgesetz, das Bundes­ver­wal­tungsgerichtsgesetz, das Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 und das Bundes­finanz­gerichtsgesetz geändert werden

11. Punkt: Bericht über den Antrag 1176/A(E) der Abgeordneten Mag. Selma Yildirim, Kolleginnen und Kollegen betreffend Aus- und Fortbildung von RichterInnen und Staats­anwältInnen in Bezug auf Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt

12. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Patentanwaltsgesetz geändert wird

13. Punkt: Erklärung europäischer Regierungen über die Phase des Einsatzes der Träger Ariane, Vega und Sojus vom Raumfahrtzentrum Guayana aus

14. Punkt: Bericht über den Antrag 1057/A(E) der Abgeordneten Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Strategie für österreichische Weltraum­tätig­keiten

15. Punkt: Tätigkeitsbericht 2020 des Rechnungshofes – Reihe BUND 2020/48

16. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Allgemeiner Einkommens­be­richt 2020 – Reihe Einkommen 2020/1

17. Punkt: Ersuchen des Magistrats der Stadt Wien um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Herbert Kickl

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Inhalt

Personalien

Verhinderungen .............................................................................................................. 14

Geschäftsbehandlung

Antrag der Abgeordneten Mag. Michaela Steinacker, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Kolleginnen und Kollegen, dem Justizausschuss zur Berichterstattung über die Regierungsvorlage betreffend „ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundes­gesetz zur Durchführung der Europäischen Staatsanwaltschaft (EUStA-DG) erlas­sen und mit dem das Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz, das Bundes­gesetz über die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen mit den Mitliedstaaten der Europäischen Union, das Auslieferungs- und Rechtshilfegesetz und das Strafgesetzbuch geändert werden (Strafrechtliches EU-Anpassungsgesetz 2021 – StrEU-AG 2021) (808 d.B.)“, gemäß § 43 Abs. 1 GOG eine Frist bis 18. Mai 2021 zu setzen – Annahme ................................................  35, 133


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Absehen von der 24-stündigen Frist für das Aufliegen des schriftlichen Aus­schussberichtes 810 d.B. gemäß § 44 (2) GOG ..................................................................................................... 35

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 5 GOG      ............................................................................................................................... 36

Fragestunde (6.)

Arbeit ............................................................................................................................. 14

Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler (66/M)

Josef Muchitsch (70/M); Mag. Ernst Gödl

Dr. Dagmar Belakowitsch (73/M)

Mag. Markus Koza (75/M); Petra Wimmer

Mag. Gerald Loacker (77/M); Christoph Zarits, Erwin Angerer

Rebecca Kirchbaumer (67/M); Mag. Gerald Hauser, Josef Schellhorn, Barbara Neßler, Mag. Christian Drobits

Mag. Verena Nussbaum (71/M)

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek (74/M); Dietmar Keck, Norbert Sieber

Mag. Sibylle Hamann (76/M)

Fiona Fiedler, BEd (78/M)

MMMag. Gertraud Salzmann (68/M)

Gabriele Heinisch-Hosek (72/M); Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller, Henrike Brandstötter, Mag. Meri Disoski

Kira Grünberg (69/M)

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 14

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................. 35

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den An­trag 1277/A(E) der Abgeordneten Heike Grebien, Kira Grünberg, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Ausbau der Chancen am Arbeitsmarkt für Menschen mit Behinderungen“ (790 d.B.) .................................... 36

2. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Bürger­initiative Nr. 1/BI: Bürgerinitiative betreffend „der Diskriminierung von Menschen mit Behinderung durch die österreichische Gesetzgebung“ (791 d.B.) .............................................................................................. 36

RednerInnen:


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Kira Grünberg .......................................................................................................... ..... 36

Petra Wimmer .......................................................................................................... ..... 37

Mag. Christian Ragger ............................................................................................ ..... 38

Heike Grebien .......................................................................................................... ..... 40

Fiona Fiedler, BEd .................................................................................................. ..... 41

Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler ........................................................................ ..... 43

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Lohn- und Sozialversicherungspflicht statt Taschengeld in Behindertenwerkstätten“ – Ablehnung          39, 70

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 790 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend „Ausbau der Chancen am Arbeitsmarkt für Menschen mit Behinderungen“ (171/E)                         70

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 791 d.B. ....................................................... 70

Gemeinsame Beratung über

3. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 1477/A der Abgeordneten August Wöginger, Mag. Markus Koza, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungs­ge­setz 1977 geändert wird (792 d.B.) .......................... 44

4. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den An­trag 651/A(E) der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend COVID-19-Aufzahlung für Notstandshilfebezieher durch AMS (793 d.B.) .............................................................. 44

5. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den An­trag 1000/A(E) der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Evaluierung von Lehrabbrüchen (795 d.B.) .............................................................................................. 44

RednerInnen:

Josef Muchitsch ...................................................................................................... ..... 44

Bettina Zopf ............................................................................................................. ..... 47

Dr. Dagmar Belakowitsch ...................................................................................... ..... 48

Mag. Markus Koza .................................................................................................. ..... 49

Mag. Gerald Loacker .............................................................................................. ..... 51

Bundesminister Mag. Dr. Martin Kocher .............................................................. ..... 51

Mag. Klaus Fürlinger .............................................................................................. ..... 52

Michael Seemayer ................................................................................................... ..... 53

Josef Muchitsch (tatsächliche Berichtigung) ............................................................... 54

Joachim Schnabel ........................................................................................................ 55

Entschließungsantrag der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Erhöhung der Leistungen aus der Arbeitslosen­versiche­rung“ – Ablehnung ......... 46, 70

Annahme des Gesetzentwurfes in 792 d.B. .................................................................. 70

Kenntnisnahme der beiden Ausschussberichte 793 und 795 d.B. ............................... 70

6. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Bürger­initiative Nr. 14/BI: Bürgerinitiative betreffend „,Nachtgutstunden‘ für alle Arbeit­nehmerInnen in Pflegeeinrichtungen“ (794 d.B.) ........................................................................................................................ 56

RednerInnen:


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Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler ........................................................................ ..... 56

Mag. Christian Drobits ........................................................................................... ..... 56

Dr. Dagmar Belakowitsch ...................................................................................... ..... 59

Bedrana Ribo, MA ........................................................................................................ 60

Fiona Fiedler, BEd ........................................................................................................ 60

Mag. Ernst Gödl ...................................................................................................... ..... 61

Entschließungsantrag der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Klarstellung der Rechtslage betreffend Schutzmaßnahmen für Pflegepersonal in Pflegeeinrichtungen“ – Ablehnung ...............................................................................................................  57, 71

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 794 d.B. ....................................................... 71

7. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 1475/A der Abgeordneten Maria Großbauer, Mag. Eva Blimlinger, Kolleginnen und Kol­legen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Errich­tung eines Fonds für eine Überbrückungsfinanzierung für selbständige Künstle­rinnen und Künstler erlassen wird und Bundesgesetz, mit dem das COVID-19-Förderungsprüfungsgesetz geändert wird (22. COVID-19-Gesetz), geändert wird (789 d.B.)      ............................................................................................................................... 63

RednerInnen:

Maria Großbauer ..................................................................................................... ..... 63

Gabriele Heinisch-Hosek ....................................................................................... ..... 64

Ing. Mag. Volker Reifenberger ............................................................................... ..... 65

Mag. Eva Blimlinger ................................................................................................ ..... 66

Josef Schellhorn ..................................................................................................... ..... 67

Staatssekretärin Mag. Andrea Mayer ................................................................... ..... 68

Laurenz Pöttinger ................................................................................................... ..... 69

Annahme des Gesetzentwurfes in 789 d.B. .................................................................. 71

8. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (631 d.B.): Vereinbarung zwischen der Republik Österreich und dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland über die Ausdehnung des Anwendungsbereichs des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen auf Gibraltar (785 d.B.) .............................................................................. 71

Rednerin:

Carina Reiter ................................................................................................................. 71

Genehmigung des Staatsvertrages in 785 d.B. ............................................................. 91

9. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (770 d.B.): Bundesgesetz, mit dem die Exekutionsordnung, das Einführungsgesetz zur Exe­kutionsordnung, die Insolvenzordnung, das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Gerichtsgebührengesetz, das Gerichtliche Einbringungsgesetz, das Unter­nehmensgesetzbuch, das EWIV-Ausführungsgesetz, das Genossenschafts­ge­setz, das GmbH-Gesetz, das Aktiengesetz, die Notariatsordnung, das Rechts­anwalts­tarifgesetz, das Eingetragene Partnerschaft-Gesetz, das Urkundenhinter­legungsgesetz, das Rechtspflegergesetz, das Sicherheitspolizeigesetz, das Bun­desgesetz, mit dem Verstöße gegen bestimmte einstweilige Verfügungen zum Schutz vor Gewalt und zum Schutz vor Eingriffen in die Privatsphäre zu Verwal­tungsübertretungen erklärt werden, das Asylgesetz 2005, das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, das Mineralrohstoffgesetz und das Insolvenz-Entgelt­siche­rungsgesetz geändert werden sowie die Anfechtungsordnung und das Vollzugs­gebührengesetz in die Exekutionsordnung übernommen werden (Gesamtreform des Exekutionsrechts – GREx) (786 d.B.) ........................................... 72


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll99. Sitzung, 22. April 2021 / Seite 6

RednerInnen:

Mag. Agnes Sirkka Prammer ................................................................................. ..... 72

Mag. Ruth Becher ................................................................................................... ..... 73

Mag. Christian Ragger ................................................................................................. 74

Mag. Christian Drobits ................................................................................................. 75

Dr. Christian Stocker .............................................................................................. ..... 76

Dr. Johannes Margreiter ........................................................................................ ..... 76

Bundesministerin Dr. Alma Zadić, LL.M. ............................................................. ..... 77

Mag. Ulrike Fischer ................................................................................................. ..... 79

Annahme des Gesetzentwurfes in 786 d.B. .................................................................. 91

10. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (769 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Gerichtsorganisationsgesetz, das Bundesver­wal­tungs­gerichtsgesetz, das Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 und das Bundes­finanz­gerichtsgesetz geändert werden (787 d.B.) ......................................................................................................................................... 80

RednerInnen:

Mag. Agnes Sirkka Prammer ................................................................................. ..... 80

Dr. Harald Troch ........................................................................................................... 81

Mag. Christian Ragger ................................................................................................. 82

Mag. Johanna Jachs .................................................................................................... 83

Dr. Johannes Margreiter ........................................................................................ ..... 83

Bundesministerin Dr. Alma Zadić, LL.M. ............................................................. ..... 84

Annahme des Gesetzentwurfes in 787 d.B. .................................................................. 92

11. Punkt: Bericht des Justizausschusses über den Antrag 1176/A(E) der Abge­ordneten Mag. Selma Yildirim, Kolleginnen und Kollegen betreffend Aus- und Fortbildung von RichterInnen und StaatsanwältInnen in Bezug auf Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt (788 d.B.)               ............................................................................................................................... 86

RednerInnen:

Mag. Selma Yildirim ................................................................................................ ..... 86

Mag. Agnes Sirkka Prammer ................................................................................. ..... 87

Mag. Harald Stefan ................................................................................................. ..... 88

Dr. Gudrun Kugler .................................................................................................. ..... 88

MMMag. Gertraud Salzmann ................................................................................. ..... 89

Bundesministerin Dr. Alma Zadić, LL.M. ............................................................. ..... 90

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 788 d.B. hinsichtlich des Antra­ges 1176/A(E)      ............................................................................................................................... 92

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 788 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend „verstärkte Berücksichtigung des Themas ,Gewalt gegen Frauen‘ bei der RichterInnenausbildung“ (172/E) ............................................................................................................................ 92

12. Punkt: Bericht des Ausschusses für Forschung, Innovation und Digitalisierung über die Regierungsvorlage (643 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Patent­an­waltsgesetz geändert wird (776 d.B.) ........................................................................................................................ 92

RednerInnen:

Mag. Eva Blimlinger ................................................................................................ ..... 92

Katharina Kucharowits .......................................................................................... ..... 93

Andreas Minnich ..................................................................................................... ..... 94

Dr. Helmut Brandstätter ......................................................................................... ..... 95

Annahme des Gesetzentwurfes in 776 d.B. ................................................................ 106


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll99. Sitzung, 22. April 2021 / Seite 7

Gemeinsame Beratung über

13. Punkt: Bericht des Ausschusses für Forschung, Innovation und Digitalisierung über die Regierungsvorlage (632 d.B.): Erklärung europäischer Regierungen über die Phase des Einsatzes der Träger Ariane, Vega und Sojus vom Raumfahrt­zentrum Guayana aus (777 d.B.) ...... 96

14. Punkt: Bericht des Ausschusses für Forschung, Innovation und Digitalisierung über den Antrag 1057/A(E) der Abgeordneten Christian Hafenecker, MA, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend Strategie für österreichische Weltraumtätigkeiten (778 d.B.) ........................................ 96

RednerInnen:

Mag. Dr. Petra Oberrauner ..................................................................................... ..... 96

Hermann Weratschnig, MBA MSc ......................................................................... ..... 97

Christian Hafenecker, MA ...................................................................................... ..... 98

Mag. Dr. Maria Theresia Niss, MBA ...................................................................... ..... 99

Staatssekretär Dr. Magnus Brunner, LL.M. ......................................................... ... 101

Melanie Erasim, MSc .............................................................................................. ... 101

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff .......................................................................... ... 102

Peter Weidinger ...................................................................................................... ... 103

Mag. Carmen Jeitler-Cincelli, BA .......................................................................... ... 104

Mag. Corinna Scharzenberger .............................................................................. ... 105

Genehmigung des Staatsvertrages in 777 d.B. ........................................................... 107

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 778 d.B. hinsichtlich des Antra­ges 1057/A(E)      ............................................................................................................................. 107

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 778 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend „Österreichische Weltraum-Strategie“ (173/E) ............................................................ 107

15. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Tätigkeits­be­richt 2020 des Rechnungshofes – Reihe BUND 2020/48 (III-213/774 d.B.) ....................................... 107

RednerInnen:

Andreas Kühberger ................................................................................................ ... 107

Mag. Karin Greiner .................................................................................................. ... 108

Wolfgang Zanger .................................................................................................... ... 109

David Stögmüller .................................................................................................... ... 110

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff .......................................................................... ... 111

Hermann Gahr ......................................................................................................... ... 112

Andreas Kollross .................................................................................................... ... 113

Alois Kainz ............................................................................................................... ... 114

Rechnungshofpräsidentin Dr. Margit Kraker ...................................................... ... 114

Laurenz Pöttinger ................................................................................................... ... 117

Kenntnisnahme des Berichtes III-213 d.B. .................................................................. 125

16. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend Allgemeiner Einkommensbericht 2020 – Reihe Einkommen 2020/1 (III­209/775 d.B.)                    118

RednerInnen:

Karl Schmidhofer .................................................................................................... ... 118

Mag. Ruth Becher ................................................................................................... ... 119

Peter Schmiedlechner ............................................................................................ ... 119

Dr. Elisabeth Götze ................................................................................................. ... 120


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll99. Sitzung, 22. April 2021 / Seite 8

Mag. Felix Eypeltauer ............................................................................................. ... 121

Johann Singer ......................................................................................................... ... 121

Michael Seemayer ................................................................................................... ... 122

Rechnungshofpräsidentin Dr. Margit Kraker ...................................................... ... 123

Kenntnisnahme des Berichtes III-209 d.B. .................................................................. 125

17. Punkt: Bericht des Immunitätsausschusses über das Ersuchen des Magistrats der Stadt Wien (GZ: MBA/210000022864/2021) um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Herbert Kickl (810 d.B.) ............................................................................. 125

RednerInnen:

Mag. Selma Yildirim ................................................................................................ ... 126

Mag. Friedrich Ofenauer ........................................................................................ ... 126

Mag. Philipp Schrangl ............................................................................................ ... 127

Mag. Georg Bürstmayr ........................................................................................... ... 128

Dr. Nikolaus Scherak, MA ...................................................................................... ... 130

Ing. Mag. Volker Reifenberger ............................................................................... ... 131

Annahme des Ausschussantrages in 810 d.B. ............................................................ 132

Eingebracht wurden

Anträge der Abgeordneten

Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Klarstellung der Rechtslage betreffend Schutzmaßnahmen für Pflegepersonal in Pflegeeinrichtungen (1538/A)(E)

Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erhöhung der Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung (1539/A)(E)

Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gleichbehandlungsgesetz und das Gesetz über die Gleichbe­handlungs­kom­mission und die Gleichbehandlungsanwaltschaft geändert werden (1540/A)

Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schaffung eines „Corona-Beschäftigungsbonus“ (1541/A)(E)

Dr. Johannes Margreiter, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 23. Jänner 1974 über die mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlungen (Strafgesetzbuch – StGB) geändert wird (1542/A)

Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Online-Formular für NS-Meldestelle (1543/A)(E)

Mag. Christian Drobits, Kolleginnen und Kollegen betreffend Absicherung des Exis­tenzminimums und unpfändbarer Beträge bei Pfändungen (1544/A)(E)

Heike Grebien, Kira Grünberg, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Schaffung entsprechender One-Stop-Shops für Menschen mit Behinderungen“ (1545/A)(E)

Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen betreffend Frauen am Arbeits­markt – Maßnahmenpaket zur Krisenbewältigung (1546/A)(E)

Dr. Josef Smolle, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz geändert wird (1547/A)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll99. Sitzung, 22. April 2021 / Seite 9

Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesverfassungsgesetz über besondere Verpflichtungen für Mitglieder des Natio­nal­rates, des Bundesrates und des Europäischen Parlaments in den Parlaments­ge­bäuden während der Covid-19-Pandemie erlassen wird (1548/A)

Dr. Josef Smolle, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (1549/A)

August Wöginger, Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Geschäftsordnungsgesetz 1975 geändert wird (1550/A)

Christoph Zarits, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Maximilian Köllner, MA, Mag. Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen betreffend Förderung der Menschenrechte durch Sport und große Sportereignisse (1551/A)(E)

Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bundesreparaturbonus (1552/A)(E)

Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Beendigung der Finanzierung von Golf- und Jachtklubmitgliedschaften mit Kammerbeiträgen der Zwangsmitglieder (1553/A)(E)

Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Netto-Wohnbau“ als Chance in der Krise (1554/A)(E)

Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abschaffung der Normver­brauchs­abgabe (NoVA) (1555/A)(E)

Petra Steger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Österreich darf nicht Teil einer Schuldenunion werden (1556/A)(E)

Mag. Christian Drobits, Kolleginnen und Kollegen betreffend mehr Bio-Produkte und Lebensmittel aus der Region in Großküchen, Kantinen und anderen Versorgungs­einheiten in Einrichtungen des Bundes, der Länder und Gemeinden (1557/A)(E)

Gabriel Obernosterer, Dr. Elisabeth Götze, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über besondere Förderungen von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU-Förderungsgesetz) geändert wird (1558/A)

Gabriel Obernosterer, Dr. Elisabeth Götze, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über eine COVID-19 Investitionsprämie für Unternehmen (Investitionsprämiengesetz – InvPrG) geändert wird (1559/A)

Gabriel Obernosterer, Dr. Elisabeth Götze, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz, mit dem die Begründung von Vorbe­lastungen durch die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort ge­nehmigt wird, geändert wird (1560/A)

Mag. Christian Drobits, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schuldnerschutzschirm (1561/A)(E)

Anfragen der Abgeordneten

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Ge­sundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Kosten der Ministerbüros im 1. Quartal 2021 (6344/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll99. Sitzung, 22. April 2021 / Seite 10

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort betreffend Kosten der Ministerbüros im 1. Quartal 2021 (6345/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit betreffend Kosten der Ministerbüros im 1. Quartal 2021 (6346/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landesver­teidigung betreffend Kosten der Ministerbüros im 1. Quartal 2021 (6347/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissen­schaft und Forschung betreffend Kosten der Ministerbüros im 1. Quartal 2021 (6348/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Kosten der Ministerbüros im 1. Quartal 2021 (6349/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Kosten der Ministerbüros im 1. Quartal 2021 (6350/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend Kosten der Ministerbüros im 1. Quartal 2021 (6351/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus betreffend Kosten der Ministerbüros im 1. Quartal 2021 (6352/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für EU und Ver­fassung betreffend Kosten der Ministerbüros im 1. Quartal 2021 (6353/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Kosten der Minis­terbüros im 1. Quartal 2021 (6354/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Kosten der Ministerbüros im 1. Quartal 2021 (6355/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Jugend und Integration betreffend Kosten der Ministerbüros im 1. Quartal 2021 (6356/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport betreffend Kosten der Ministerbüros im 1. Quartal 2021 (6357/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Kosten der Ministerbüros im 1. Quartal 2021 (6358/J)

Mario Lindner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Jugend und Integration betreffend dringend notwendige Unterstützung für LGBTIQ-Jugendliche (6359/J)

Mario Lindner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Verbot von mautver­meidendem LKW-Schwerverkehr (6360/J)

Mario Lindner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend notwendige Inves­titionen in die Bahnverbindungen im Bezirk Liezen (6361/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll99. Sitzung, 22. April 2021 / Seite 11

Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend „Schulbuchlimit-Verordnung“ (6362/J)

Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend „Schulbuchlimit-Verordnung“ (6363/J)

Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Jugend und Integration betreffend „Schulbuchlimit-Verordnung“ (6364/J)

Mag. Selma Yildirim, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Personalsituation in der Exekutive – aktuelle Herausforderungen (6365/J)

Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Polizeibeamte mit Covid-19 Erkrankungen (6366/J)

Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus betreffend flächendeckende und nachhaltige Breitband­infra­struktur für den Bezirk Urfahr-Umgebung (6367/J)

Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus betreffend flächendeckende und nachhaltige Breitbandinfra­struktur für den Bezirk Rohrbach (6368/J)

Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus betreffend flächendeckende und nachhaltige Breitbandinfra­struktur für den Bezirk Freistadt (6369/J)

Rudolf Silvan, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend des Einsatzes der Abteilung 3.3. der Abteilung für Sondereinheiten (kurz ASE) für den Bundeskanzler und dessen engstes Umfeld (6370/J)

Julia Elisabeth Herr, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klima­schutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Reduktion von Mikroplastik (6371/J)

Rainer Wimmer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit betreffend (An-)Weisungen an das Arbeitsinspektorat bezüglich Beratung über die sogenannte Maskenpause (6372/J)

Rainer Wimmer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Untätigkeit der ÖBAG in der Causa MAN (6373/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend COVID-19 in Pflegeheimen (Folgeanfrage 02/2021) (6374/J)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort betreffend Förderanträge der Hygiene Austria LP GmbH (6375/J)

Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Österreichische Beteiligung am globalen Pandemieplan (6376/J)

Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Österreichische Beteiligung am globalen Pandemieplan (6377/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll99. Sitzung, 22. April 2021 / Seite 12

Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend Österreichische Beteiligung am globalen Pandemieplan (6378/J)

Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort betreffend BMDW-Gebarungskontrolle: das Ausgabenparadies WKO (6379/J)

Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Jugendkriminalität im Jahr 2020 (6380/J)

Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Jugendvollzug in Österreich im Jahr 2020 (6381/J)

Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Buben-Trio würgt 9-Jährigen während Unterricht bewusstlos (6382/J)

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport betreffend Frühzeitige Weitergabe von Informa­tionen aus dem Finanzministerium (6383/J)

Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Jugend und Integration betreffend junge Mädchen die aus dem „System“ ver­schwinden (6384/J)

Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport betreffend Musikerinnen und Musiker in der Corona-Krise (6385/J)

Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Digita­lisierung und Wirtschaftsstandort betreffend Musikerinnen und Musiker in der Corona-Krise (6386/J)

Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Musikerinnen und Musiker in der Corona-Krise (6387/J)

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Frühzeitige Weitergabe von Informationen aus dem Finanzminis­terium (6388/J)

Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort betreffend Kostenübernahme der Internatskosten von Berufs­schulen (6389/J)

Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Jugend und Integration betreffend der EU-Strategie für die Rechte des Kindes (6390/J)

Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Inanspruchnahme der inte­grativen Lehre (6391/J)

Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Berichten wonach die einmalige Pensionserhöhung mehrfach ausgezahlt wurde (6392/J)

Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Gender Richtlinien an Schulen, Universitäten und im Bereich wissenschaftlichen Arbeitens (6393/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll99. Sitzung, 22. April 2021 / Seite 13

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Verschiebung von Operationen aufgrund der Corona-Pandemie (6394/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Vernachlässigung von Vorsorgeunter­suchungen (6395/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Lage in Niederösterreichs Kliniken ist sehr angespannt (6396/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Personen mit Migrationshintergrund und Asylwerber auf Österreichs Intensivstationen (6397/J)

 

 

 

 


 


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll99. Sitzung, 22. April 2021 / Seite 14

09.05.52Beginn der Sitzung: 9.05 Uhr

Vorsitzende: Präsident Mag. Wolfgang Sobotka, Zweite Präsidentin Doris Bures, Dritter Präsident Ing. Norbert Hofer.

09.05.53 *****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Meine sehr geehrten Damen und Herren Abge­ordnete! Ich darf Sie am zweiten Plenartag recht herzlich begrüßen. Ich darf die 99. Sitzung des Nationalrates für eröffnet erklären. Ich begrüße die Medienvertreter und die Damen und Herren zu Hause vor den Bildschirmen.

Als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Mag. Wolfgang Gerstl, Ing. Josef Hechenberger, Eva-Maria Himmelbauer, BSc, Gabriela Schwarz, Petra Bayr, MA MLS, Kai Jan Krainer, Maximilian Lercher, MMag. DDr. Hubert Fuchs und Christian Lausch.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Für den heutigen Sitzungstag hat das Bun­deskanzleramt über Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung, die sich in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union aufhalten, folgende Mitteilung gemacht:

Bundesministerin für Landesverteidigung Mag. Klaudia Tanner wird durch Bundes­minis­terin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Dr. Margarete Schramböck vertreten.

*****

Wie üblich wird die Sitzung von ORF 2 bis 13 Uhr, dann von ORF III bis 19.15 Uhr und dann via Livestream in der TVthek kommentiert übertragen.

09.06.51Fragestunde


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen nun zur Fragestunde.

Die Fragen werden wie bekannt von den vorbereiteten Mikrofonen aus gestellt.

Die Fragen und auch die Zusatzfragen sollten jeweils nur 1 Minute dauern. Die Beant­wortung der Anfrage soll 2 Minuten, jene der Zusatzfragen jeweils 1 Minute nicht über­steigen.

Arbeit


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir dürfen beginnen. Frau Abgeordnete Scheucher-Pichler stellt die 1. Anfrage. – Bitte sehr.

09.07.23


Abgeordnete Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Zuallererst wünsche ich einen schönen guten Morgen! Herr Bundesminister, Sie sind anerkannter Wirtschaftsexperte und jetzt als Arbeitsminister mit sehr großen Herausforderungen konfrontiert.

Meine Frage lautet:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll99. Sitzung, 22. April 2021 / Seite 15

66/M

„Was unternehmen Sie für eine rasche Erholung des Arbeitsmarktes?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Arbeit Mag. Dr. Martin Kocher: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Ich bedanke mich für die Gelegenheit, heute Auskunft geben zu dürfen. Die Arbeitsmarkterholung ist natürlich das zentrale Ziel der Bundesregierung. Es geht darum, mit den richtigen Maßnahmen die Beschäftigung zu fördern, insbe­sondere dann, wenn es weitere Öffnungsschritte geben kann.

Wir haben in Vorbereitung darauf schon die Coronajoboffensive in Umsetzung gebracht. Es geht um 100 000 Personen, die in arbeitsmarktnahen, praktisch ausgerichteten Pro­grammen – also nicht nur in den typischen AMS-Kursen, sondern darüber hinaus in einer Reihe von Fortbildungsprogrammen – dieses und nächstes Jahr auf- oder umqualifiziert werden. Dafür gibt es ein Budget von insgesamt 700 Millionen Euro, das größte Arbeits­marktbudget hinsichtlich Qualifizierung, das es je gab.

Darüber hinaus gibt es eine Reihe von anderen Maßnahmen, kleinere Maßnahmen: den Neustartbonus, die Wiedereingliederungshilfen, die Aufstockung von Mitteln für die aktive Arbeitsmarktpolitik im Bereich der sozialökonomischen Betriebe, im Bereich der gemeinnützigen Beschäftigung und so weiter.

Und es gibt jetzt ganz aktuell den Comebackplan der Regierung. Ein erster Teil­bereich dieses Comebackplans ist ja schon vorgestellt worden: die Investitionsprämie und das Programm Sprungbrett. Wir wollen damit bis nächstes Jahr im Frühjahr 500 000 Arbeitsplätze zurückbringen, für die Menschen in Kurzarbeit und jene, die von Arbeitslosigkeit betroffen sind.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordnete Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler (ÖVP): Danke, Herr Bundesminister. Es gibt ja Bereiche, Berufssparten, in denen es einen Fachkräftemangel gibt. Ich denke, durch die Pandemie wird sich da auch einiges verschieben.

Meine Frage daher: In welchen Berufsgruppen sehen Sie besonderen Bedarf und wo sehen Sie auch besondere Chancen für die Zukunft?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Arbeit Mag. Dr. Martin Kocher: Es gibt Schwerpunktbereiche im Bereich der Coronajoboffensive, die diesen Bedarf auch widerspiegeln: Erstens werden im Bereich Gesundheits- und Pflegeberufe – ich glaube, für alle einsichtig –, im Bereich Digitalisierung und der Mint-Fächer, aber natürlich auch im Bereich Klima und Umwelt neue Arbeitsplätze entstehen.

Insgesamt geht es aber auch darum, Qualifikationen sehr grundlegend auszubauen. 44 Prozent der Personen, die arbeitslos sind, haben maximal einen Pflichtschul­ab­schluss. Das heißt, wir müssen es schaffen, Leute im Bereich der Grundlagen zu qua­lifizieren und dann Menschen auch für die spezifischen Bereiche noch besser zu quali­fizieren.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Muchitsch stellt die 2. An­frage. – Bitte sehr.

09.10.20


Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ): Guten Morgen, Herr Bundesminister! Seit Monaten versucht die SPÖ, die Bundesregierung mit Vorschlägen davon zu überzeugen,


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Maßnahmen gegen die Langzeitarbeitslosigkeit zu treffen und ins Leben zu rufen. 146 000 Langzeitarbeitslose sind zu viel.

Herr Bundesminister, meine Frage: Welche konkreten Beschäftigungsmaßnahmen pla­nen Sie für die seit Corona am meisten betroffene Gruppe, für die Langzeitarbeitslosen, relativ rasch anzugehen?

*****

Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 70/M, hat folgenden Wortlaut:

„Welche konkreten Beschäftigungsmaßnahmen planen Sie, um die Langzeit­beschäfti­gungslosigkeit rasch drastisch zu reduzieren?“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Arbeit Mag. Dr. Martin Kocher: Wir haben ja diese Woche das Programm Sprungbrett vorgestellt, das wir ausarbeiten. Es geht darum, dass das Programm startet, wenn es auch Öffnungsschritte gibt, weil dann erst die Betriebe offen sind, um solche Arbeitsplätze zu schaffen. Es geht darum, das ganze Spektrum an Maßnahmen, die es gibt – ich habe schon sozialökonomische Betriebe und den Bereich der Gemeinnützigen genannt –, mit einem Programm, das direkt bei den Betrieben ansetzt, mit einer Förderung – daher der Anreiz, auch Langzeitarbeitslose einzustellen – zu ergänzen. Es geht darum, dass es eine Vorbereitung darauf gibt. Wir haben viele Langzeitarbeitslose, die – aus Gesundheitsgründen, aus anderen Gründen – besonders große Schwierigkeiten haben, in den Arbeitsmarkt integriert zu werden. Es geht um die Beratung und die Betreuung. Es wird also ein Gesamtkonzept sein, um 50 000 Lang­zeitarbeitslose bis in einem Jahr – Ende des nächsten Jahres ist der Plan – in Be­schäftigung zu bringen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Gödl, bitte.


Abgeordneter Mag. Ernst Gödl (ÖVP): Guten Morgen, Herr Bundesminister! Wir wissen aus vielen Prognoseberechnungen, dass in den nächsten Jahren bis 2030 an die 70 000, 80 000 Menschen in der Pflege als Pflegefachkräfte fehlen könnten, wenn wir nicht gegensteuern.

Daher die Frage an Sie: Welche konkreten Qualifizierungs- und Beschäftigungs­maß­nah­men für Neu- und WiedereinsteigerInnen planen Sie, damit wir diesen Pflegefach­kräfte­bedarf in Zukunft besser abdecken können?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Arbeit Mag. Dr. Martin Kocher: Es ist bekannt, dass im Pfle­gebereich, im Gesundheitsbereich ein massiver Bedarf besteht. Wir haben im Moment – ich habe die Zahl aktuell ausheben lassen – rund 10 600 Personen, die arbeitslos sind, die über das AMS oder über Pflegestiftungen im Pflege- und Gesundheitsbereich aus­gebildet oder aufqualifiziert werden; das ist eine Steigerung von 14 Prozent im letzten Jahr. Wir haben auch jetzt im Rahmen der Coronajoboffensive zusätzliche Plätze ge­schaffen. Wir werden also in diesem Jahr um rund ein Drittel mehr ausbilden als in den Jahren davor.

Insgesamt wird es aber klarerweise einen weiteren Ausbau brauchen. Wir wissen, dass es 70 000 bis 80 000 Personen sind. Ich glaube, der erste Schritt ist getan. Wichtig ist aus meiner Sicht auch, dass die Personen gut ausgewählt werden. Es gibt daher in


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vielen dieser Ausbildungsprogramme spezifische Screenings am Beginn, um eben auch die richtigen Leute auszusuchen, die dann in diesen Berufen auch Erfüllung finden und auch im Beruf bleiben und nicht aus dem Beruf rausgehen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Abgeordnete Belakowitsch stellt die 3. An­frage. – Bitte.

09.13.25


Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Guten Morgen, Herr Bundesminister! Der Fall Hygiene Austria ist einer der größten Wirtschaftsskandale der letzten Jahr­zehnte, der Zweiten Republik. Da geht es ja nicht nur um den Verdacht, dass es zu einem Betrug gekommen ist, indem man Billigmasken umetikettiert und umgepackt hat, es steht auch der Verdacht im Raum, dass es dort Schwarzarbeit und Lohndumping gegeben haben soll.

Der Betrieb ist kein rein privatwirtschaftlicher Betrieb wie viele andere, sondern ich darf daran erinnern, dass bei der Eröffnung Ihre Vorgängerin, Arbeitsministerin Aschbacher, und der Herr Bundeskanzler dort waren und wirklich viele Lobesworte gefunden haben. Das heißt, die Gründung dieses Betriebes erfolgte schon mit einer politischen Fürsprache.

In diesem Zusammenhang würde ich gerne Folgendes wissen:

73/M

„Welche Mitarbeiter Ihres Kabinetts sind mit der Causa ,Hygiene Austria‘ befasst gewesen?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Arbeit Mag. Dr. Martin Kocher: Ich kann jetzt nicht für meine Vorgängerin sprechen. Was mich betrifft, habe ich natürlich, als es erste Medienberichte oder Medienanfragen gab, mehrere Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter bei mir im Kabinett gebeten, in den Fachsektionen zu erfragen – wie das immer der Fall ist –, welche Prüftätigkeiten der Arbeitsinspektion es gegeben hat – die Arbeitsinspektion ist ja Teil des Arbeitsministeriums –, und die Information ist dann gekommen: Das war ein ganz normaler Vorgang, wie es bei jedem anderen Betrieb, der medial in der Öffentlichkeit genannt werden würde, auch der Fall gewesen wäre.

Es gab diese Prüftätigkeiten – das ist ja auch bekannt geworden –, und dieser Fall hat sich für mich überhaupt nicht anders dargestellt als andere Fälle, die auch medial dar­gestellt werden, wenn es um Verfehlungen geht, gerade im Bereich des Arbeit­neh­merinnen- und Arbeitnehmerschutzes.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Danke, Herr Bundesminister, für diese ausführliche Antwort, sie war nur nicht die Antwort auf meine Frage. Meine Frage wäre ja gewesen, welche Mitarbeiter Ihres Kabinetts damit beschäftigt gewesen wären, aber das können wir vielleicht auch noch später einmal in einem allfälligen Untersuchungs­ausschuss klären.

Können Sie uns heute hier aber vielleicht sagen, ob Sie willens sind, in nächster Zeit doch noch einmal auch der Öffentlichkeit die Kommunikation zwischen Ihrem Kabinett, Ihrem Generalsekretariat, der Hygiene Austria, dem Arbeitsinspektorat und dem Bun­deskanzleramt, also diese Kommunikationsflüsse, bekannt zu geben, sodass man auch wirklich klar und transparent nachvollziehen kann, wie da die Informationsflüsse waren?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.



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Bundesminister für Arbeit Mag. Dr. Martin Kocher: Ich sehe nicht ganz, wo die Informationsflüsse irgendeinen Zusatzgewinn bringen würden. Wir haben natürlich in den Fachsektionen nachgefragt – das ist ein ganz normaler Vorgang, das passiert innerhalb des Arbeitsressorts –, es gibt auch die Auflistung der Kontrolltätigkeiten – ich kann Ihnen auch gerne sagen, wann und wie kontrolliert wurde. Einiges fällt natürlich unter den Datenschutz, wie welche Beanstandungen es gegeben hat. Im Prinzip war das aber ein Vorgang wie jeder andere auch, in den viele Mitarbeiter im Kabinett – natürlich solche, die inhaltlich verantwortlich sind und zuständig sind – involviert waren.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die 4. Anfrage stellt Herr Abgeordneter Koza. – Bitte.

09.16.17


Abgeordneter Mag. Markus Koza (Grüne): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Wir wissen, dass es insbesondere Menschen mit mehreren Vermittlungsproblemen am Arbeitsmarkt besonders schwer haben. Das sind Menschen, die gesundheitliche Beein­trächtigungen haben, das sind ältere ArbeitnehmerInnen, das sind Menschen mit schlechter oder geringer Qualifikation sowie WiedereinsteigerInnen. Die haben es ja schon vor der Covid-19-Krise schwer gehabt, am Arbeitsmarkt wieder Fuß zu fassen, jetzt aber ist die Situation für sie noch schwieriger geworden.

Darum die sehr konkrete Frage: Was tut das Arbeitsministerium, was tun Sie insbesondere dafür, dass diese Menschen mit mehreren Vermittlungshindernissen, die es bereits vor der Covid-19-Krise schwer hatten, die alt, krank, WiedereinsteigerInnen waren, am Arbeitsmarkt wieder Perspektiven bekommen?

*****

Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 75/M, hat folgenden Wortlaut:

„Was tun Sie, um auch Menschen durch Beschäftigung eine Perspektive zu bieten, die es schon vor der COVID-Krise wegen einer Behinderung, aus gesundheitlichen, familiären, altersbedingten und ähnlichen Gründen sehr schwer hatten?“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Arbeit Mag. Dr. Martin Kocher: Wir sind natürlich sehr darum bemüht, dass gerade diese Menschen Unterstützung bekommen. Wir haben gemeinsam mit dem AMS, bei dem ich mich an dieser Stelle ganz herzlich für die großartige Arbeit bedanken möchte, die Betreuung dieser Gruppen auch intensiviert. Wir haben jetzt, seit dem letzten Jahr, beim AMS auch mehr Stellen – dazu kommen wir vielleicht später noch ausführlicher. Das AMS hat im Moment eine Dreifachbelastung – Kurzarbeits­abrech­nung, Vermittlung und die Qualifikationsbemühungen –, wir hoffen aber schon, dass die Kurzarbeit auch irgendwann im Umfang zurückgeht und damit auch mehr Ressourcen dafür frei sind, noch stärker und intensiver zu betreuen.

Darüber hinaus gibt es eine Reihe von zielgruppenspezifischen Angeboten des AMS – von Unterstützungsmaßnahmen, von spezifischen Beschäftigungsinitiativen. 50 plus ist eine der bekannten Beschäftigungsinitiativen. Es gibt die sozialökonomischen Betriebe, wo eben gerade diese Menschen Beschäftigung finden. Wir haben Betreuer im AMS, die spezialisiert sind, zum Beispiel im Fachbereich Rehabilitation, um auf Menschen mit Gesundheitsbeeinträchtigungen eingehen zu können. Auch in der Coronajoboffensive – ich glaube, das ist auch wichtig – gibt es Zielgruppen: Eine Zielgruppe sind die


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Menschen mit Behinderung, die eben auch besonders gefördert werden, damit sie – trotz der schwierigen Rahmenbedingungen, die es im Moment gibt – in den Arbeitsmarkt integriert werden.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Koza.


Abgeordneter Mag. Markus Koza (Grüne): Sie haben die sozialökonomischen Betriebe als wesentliche Instrumente, um diese Gruppen bei der Arbeitsmarktintegration zu unterstützen, erwähnt.

Darum auch die sehr konkrete Frage: Ist geplant, im Jahr 2021 und auch im Jahr 2022 die Plätze in den sozialökonomischen Betrieben aufzustocken, und wenn ja, in welchem Ausmaß?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Arbeit Mag. Dr. Martin Kocher: Wir haben im Krisenjahr 2020 gut 20 000 Personen in einem Beschäftigungsprojekt – das sind sozialökonomische Be­triebe und die gemeinnützigen Beschäftigungsprojekte – gefördert. Wir haben be­schlos­sen, dieses Jahr 2 400 Personen mehr in diese Förderung aufzunehmen, und natürlich kann jetzt durch das Programm Sprungbrett da noch eine zusätzliche Kapazität ge­schaffen werden, das schauen wir uns genauer an. Das ist für uns ein wichtiger Bereich, gerade für Personen, die es am Arbeitsmarkt besonders schwer haben und die es jetzt nach der Coronakrise nochmals schwerer haben werden. Da stimme ich völlig überein, das wird sehr wichtig sein.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Wimmer, bitte.


Abgeordnete Petra Wimmer (SPÖ): Guten Morgen, Herr Minister! Ende März waren 216 850 Frauen arbeitslos und in Schulungen. Der Rückgang gegenüber dem Vorjahr betrug 13,4 Prozent, bei den Männern 22,8 Prozent, also doppelt so viel.

Was werden Sie konkret unternehmen, damit es auch Frauen wieder möglich wird, rasch auf den Arbeitsmarkt zurückzukehren, um die Einkommensschere rasch zu schließen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Arbeit Mag. Dr. Martin Kocher: Das wird ein sehr wichtiger Aspekt der Arbeit der nächsten Monate werden. Wir haben ganz spezifisch im AMS das größte Förderbudget für Frauen aller Zeiten. Es gibt da verschiedene Förderlinien, es gibt auch Förderziele. Da geht es darum, dass knapp 50 Prozent der Mittel des AMS, obwohl der Anteil der beschäftigten Frauen, die arbeitslos geworden sind, geringer als 50 Prozent ist, für Frauen eingesetzt werden, auch in der Coronajoboffensive. Das werden wir uns dann genauer anschauen, wenn die Tourismusbetriebe, die Gastronomie wieder auf­machen. Ich habe mit der Frauenministerin vereinbart, dass wir, wenn da nicht auto­matisch eine Verbesserung eintritt, natürlich auch weitere Maßnahmen setzen müssen.

Der Grund dafür, warum in den letzten Wochen die Arbeitslosigkeit bei Frauen weniger stark gesunken ist als bei Männern, liegt daran, dass Frauen in den Branchen, die noch behördlich geschlossen sind, überrepräsentiert sind. Es wird einen Nachholeffekt geben, und ich hoffe sehr, dass der sehr stark sein wird. Wenn das nicht ausreicht, um wieder auf das Vorkrisenniveau zu kommen, werden wir weitere Maßnahmen andenken und um­setzen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage, 77/M, stellt Herr Abge­ord­neter Loacker. – Bitte sehr.

09.20.51



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll99. Sitzung, 22. April 2021 / Seite 20

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Guten Morgen! Im Rahmen der Arbeits­marktpolitik gibt es eine breite Palette von Möglichkeiten, die das AMS nützt, um Men­schen wieder in Beschäftigung zu bringen: Eingliederungsbeihilfen, Entfernungs­beihil­fen. Es gibt sozialökonomische Betriebe, es gibt alle möglichen Varianten. Bezüglich der Dinge, die jetzt angekündigt wurden, hat es auch Journalisten gegeben, die gesagt haben, das ist eigentlich ein halber Comebackplan, davon kennen wir das meiste schon.

Daher meine Frage:

77/M

„Welche neuen arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen, die nicht ohnehin schon ange­kün­digt waren, enthält der von der Regierung vorgestellte ,Comebackplan‘?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Arbeit Mag. Dr. Martin Kocher: Vielen Dank. Der Comebackplan enthält für den Arbeitsmarkt im Moment zwei große Maßnahmen, das sind der Bereich der Investitionsprämie und der Bereich der Förderung der Integration von Langzeit­arbeitslosen, das Programm Sprungbrett. Darüber hinaus gibt es eine Reihe von an­deren Dingen, die vielleicht ein bisschen untergehen. Im RRF, im Wiederaufbau- und Resilienzfonds der Europäischen Union, gibt es natürlich Maßnahmen im Bereich des Klimaschutzes, die sich am Arbeitsmarkt positiv auswirken werden.

Ich glaube, es ist eine Fehlinterpretation, zu meinen, dass das alles ist. Wir als Come­backteam haben von Anfang an gesagt, dass wir auch in den nächsten Wochen und Monaten noch weitere Maßnahmen ausarbeiten werden. Das wird auch davon abhän­gen, wie sich die Arbeitsmarktlage entwickelt. Der Comebackplan ist also nicht abge­schlossen, er ist einer laufenden Entwicklung unterworfen, um es eben zu schaffen, möglichst steil aus der Krise zu wachsen. Das ist das große Ziel, wenn behördliche Einschränkungen nicht mehr notwendig sind.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Wie unterscheidet sich jetzt das Sprung­brett von der Logik der Eingliederungsbeihilfe, die wir bisher gekannt haben?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Arbeit Mag. Dr. Martin Kocher: Das wird sich sicher auch daran orientieren, und wir werden auch bestehende Modelle verwenden. Es gibt da auch ein sehr gutes Modell in Oberösterreich, das vor Kurzem vorgestellt wurde, bei dem wir Anleihen genommen haben. Es wird ein Mix an Maßnahmen sein.

Entscheidend für mich ist das Ziel, dass Menschen nach einer gewissen Zeit, in der es eine Unterstützung gibt, ein Kombilohnmodell, wieder eine volle Beschäftigung bekom­men und in den Arbeitsmarkt wieder voll integriert sind. Und das funktioniert eben besser, wenn das unternehmensnahe, betriebsnahe passiert, als wenn das nur im Rahmen gemeinnütziger Tätigkeit und im Rahmen von sozialökonomischen Betrieben oder öffentlicher Beschäftigung erfolgt. Das wird ein Teil sein, aber der Hauptfokus liegt auf dem privaten Sektor.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Zarits, bitte sehr.


Abgeordneter Christoph Zarits (ÖVP): Sehr geehrter Herr Minister, schönen guten Morgen! Wir haben in den letzten Wochen und Monaten viele Maßnahmen gesetzt mit dem Ziel, Österreich wieder nach vorne zu bringen, die Wirtschaft zu stärken, die Arbeitsplätze zu sichern und auch Arbeitsplätze zu schaffen.


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Meine Frage: Welche Beschäftigungseffekte hat der gesamte Comebackplan aus Ihrer Sicht?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Arbeit Mag. Dr. Martin Kocher: Das wird auch davon abhängen, wie sich der Comebackplan dann in der Gesamtheit darstellt. Wie gesagt, es wird weitere Maßnahmen geben. Das Ziel haben wir formuliert: Wir wollen bis in einem Jahr 500 000 Menschen aus der Kurzarbeit und aus der Arbeitslosigkeit wieder in reguläre Jobs bringen. Das ist durchaus möglich, immer unter der Voraussetzung – das ist wichtig –, dass es uns erstens tatsächlich gelingt, im Laufe der nächsten Wochen und Monate zu öffnen, und dass es zweitens keinen Rückschritt gibt, dass wir auch im Herbst und im Winter – und das wird eine große Aufgabe für die Gesundheitspolitik sein – weiter Geschäftstätigkeit haben können, es keine Lockdowns mehr gibt oder Einschränkungen in massiver Art und Weise. Wenn uns das gelingt, sind diese 500 000 Personen durch­aus realistisch.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Angerer, bitte.


Abgeordneter Erwin Angerer (FPÖ): Herr Minister, schönen guten Morgen! Ihnen als Wirtschaftsökonom brauche ich nicht zu sagen, dass die Kosten auf Arbeit in Österreich viel zu hoch sind, aber ich finde in dem Comebackplan keine Maßnahme, die zur Senkung der Lohnnebenkosten führen würde. Aus unserer Sicht wäre es ein wichtiger Schritt, die Lohnnebenkosten zu senken, damit erstens einmal der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber günstiger kommt und zweitens dem Arbeitnehmer mehr Netto vom Brutto in der Tasche bleibt. Also: Denken Sie daran, die Lohnnebenkosten zu senken?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Arbeit Mag. Dr. Martin Kocher: Das ist aus meiner Sicht ein sehr wichtiger Punkt, dass wir über die Arbeitskosten sprechen. Es ist tatsächlich so, dass die Abgabenbelastung des Faktors Arbeit insgesamt in Österreich hoch ist und dass das tendenziell dazu führt, dass Arbeitsplätze vielleicht nicht in dem Ausmaß geschaffen werden, wie wir uns das wünschen würden. Es ist ja bekannt gemacht worden, dass die Regierung auch an Steuer- und Abgabenreformen arbeitet. Im ökologischen Bereich passiert das. Und wir werden uns natürlich auch die Lohnnebenkosten als einen Faktor ansehen, das wird in den nächsten Wochen und Monaten passieren.

Ich sehe auch, dass da mittelfristig auf jeden Fall eine Verbesserung nötig ist. Dies ist nicht ganz einfach, weil es ja auf der anderen Seite auch eine Ausgabenseite gibt. Man muss klarerweise auch die Ausgabenseite, wo es um die Absicherung bei Arbeits­losigkeit, um die Absicherung bei Krankheit geht, mit den notwendigen Mitteln bedienen. Wenn man die Lohnnebenkosten senkt, ist dafür weniger Geld zur Verfügung. Es muss also eine größere Reform sein.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage, 67/M, stellt die Abgeordnete Kirchbaumer. – Bitte.

09.26.22


Abgeordnete Rebecca Kirchbaumer (ÖVP): Herr Präsident! Guten Morgen, Herr Bundesminister! Momentan ist ja die Situation im Tourismus, in der Hotellerie und in der Gastronomie recht angespannt. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wissen auf der einen Seite nicht, ob sie ihren Job behalten werden. Auf der anderen Seite wissen die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber nicht, ob sie ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wieder zurück in den Betrieb holen können, wenn es dann endlich losgeht. Die Unsicher­heit ist sehr groß.

Meine Frage dazu ist:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll99. Sitzung, 22. April 2021 / Seite 22

67/M

„Wie stellt sich nach Ihrer Einschätzung die Arbeitsmarktsituation im Tourismus heute und in der weiteren Entwicklung dar?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Arbeit Mag. Dr. Martin Kocher: Vielen Dank. Ja, der Tourismus und die Gastronomie sind wirklich Bereiche, in denen es extreme Schwierigkeiten in vielerlei Hinsicht gibt: die langen Schließungen, die Arbeitnehmerinnen und Arbeit­nehmer sind teilweise schon sehr lange nicht im Betrieb, zum Teil in Kurzarbeit, zum Teil in Arbeitslosigkeit. Es kommt dazu, dass die Belastung von vielen Menschen in diesem Bereich, die jetzt in Arbeitslosigkeit sind, besonders hoch ist, weil sie eben unter regu­lärer Beschäftigung zum Teil Trinkgelder bekommen, die jetzt nicht abgebildet werden können. Also eine ganz schwierige Lage. Deswegen ist es so wichtig, dass wir Öffnungs­schritte schaffen, dass wir den grünen Pass bekommen, um letztlich auch internationale Touristen wieder in Österreich begrüßen zu können.

Insgesamt ist es so, dass im Moment 75 000 Personen aus dem Bereich Beherbergung und Gastronomie in Arbeitslosigkeit oder in Schulungen beim AMS sind. Das sind um ungefähr 30 000 weniger als genau vor einem Jahr, in der Hochphase des ersten Lockdowns, aber um 30 000 mehr als vor zwei Jahren, 2019.

Also es ist eine große Herausforderung. Die Öffnungsschritte werden uns in diesem Bereich sicher eine Erleichterung bringen, aber es wird auch weiterer Maßnahmen bedürfen. Wir wissen aber aus der Erfahrung der Vergangenheit, dass gerade im Touris­mus die Nachfrage recht rasch zurückkommen kann, wenn es das Angebot wieder gibt. Die Gäste werden sicher wieder kommen, nicht nur aus dem Inland.

Wir wissen auch – es gibt ganz neue Daten von heute –, dass sich aufgrund der Unmög­lichkeit, manche Dinge zu tun, Konsum aufgestaut hat. Die Leute haben gespart, und wir werden alles daran setzen müssen, dass die Menschen ihr Geld in Österreich ausgeben, in der Gastronomie, im Tourismus, wenn das wieder möglich ist.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordnete Rebecca Kirchbaumer (ÖVP): Ein großes Thema im Tourismus ist die Kontinuität beim Stammpersonal. Ein Problem sind die zum Teil sehr fordernden Arbeitsbedingungen und die notwendige Bereitschaft zur Mobilität. Was kann die Politik dazu beitragen, dass wir den Fachkräftemangel überwinden können?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Arbeit Mag. Dr. Martin Kocher: Wir haben versucht, da möglichst viele Maßnahmen zu setzen. Erstens haben wir speziell im Rahmen der Corona­job­offensive versucht, gerade in den Bundesländern, in denen der Tourismus besonders wichtig ist, im Tourismusbereich Aufqualifizierungen zu fördern. Das ist, glaube ich, ein ganz wichtiger Aspekt. Damit werden bessere Arbeitsplätze geschaffen.

Wir fördern überregionale Vermittlung. Da gibt es eine Reihe von Maßnahmen, die dann wirksam werden, wenn es wieder Öffnungen geben kann. Ein Beispiel sind Mobilitäts­hilfen, wo wir die Höchsteinkommensgrenzen erhöht haben. Wir fördern E-Job-Meetings; das sind Jobbörsen, die elektronisch, virtuell stattfinden, weil diese im Moment natürlich nicht in Präsenz stattfinden können. Es gibt Tourismuscoaches, eine Reihe von anderen Möglichkeiten, um Menschen zu unterstützen, die zum Beispiel aus dem Osten von Österreich in den Westen von Österreich gehen. Und wir haben auch die Maximal­gültigkeit von Wiedereinstellungszusagen verlängert.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll99. Sitzung, 22. April 2021 / Seite 23

Wenn die Öffnungen möglich sind, ist der Tourismus, glaube ich, gut unterstützt, aber es ist eine große Herausforderung, gerade Fachkräfte in diesem Bereich zu halten.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Hauser.


Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (FPÖ): Guten Morgen, Herr Minister! Der Touris­mus ist tatsächlich jene Branche, die durch den Dauerlockdown der Regierung massiv geschädigt wurde. Andere Staaten wie die Schweiz haben ja vorgezeigt, dass es auch ohne Dauerlockdown geht. Ich bin der Tourismussprecher unserer Partei. Wir haben aufgrund unseres Engagements Gott sei Dank größeren Schaden auch für die Privat­vermieter und für die kleinen gewerbetreibenden §-28-Betriebe abwenden können, aber der Tourismus hat neben den zum Teil noch ausstehenden Förderungen jetzt auch ein Riesenproblem mit den fehlenden Mitarbeitern, und dies deswegen, weil viele der Mitarbeiter seit Ende September, Mitte Oktober arbeitslos sind.

Wir haben aufgrund dieser langen Arbeitslosigkeit im Parlament mehrmals Anträge ge­stellt, beim Arbeitslosengeld die Nettoersatzrate von 55 Prozent auf 70 Prozent zu erhöhen. Diese Initiative unsererseits wurde aber leider abgelehnt. Aufgrund fehlender Gelder haben nun zu viele Mitarbeiter im Tourismus diese Branche verlassen.

Herr Minister, wie hoch, glauben Sie, ist der Anteil all jener, die die Tourismusbranche verlassen haben, weil beim Arbeitslosengeld die Nettoersatzrate nicht von 55 Prozent auf 70 Prozent erhöht wurde?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Arbeit Mag. Dr. Martin Kocher: Glücklicherweise ist es so, dass auch der Tourismus – und das war, glaube ich, auch das große Ziel – die Kurzarbeit sehr gut genutzt hat. Wir haben im Tourismus, in der Gastronomie immer noch Zehntausende Personen in Kurzarbeit. Das war nicht klar, dass das passiert, weil die Kurzarbeit ja früher vor allem ein Instrument für die Industrie war. Deshalb hat die Kurzarbeit da vieles abgemildert. Es wird eine Herausforderung sein. Solche Krisen führen natürlich zu einem Ungleichgewicht am Arbeitsmarkt. Ich glaube nicht, dass da eine generelle Erhöhung des Arbeitslosengeldes viel verändert hätte. Wir werden den Tourismus aber auf jeden Fall weiterhin unterstützen, wenn es darum geht, im Aufschwung, im Wiederaufbau Arbeitskräfte zu finden. Das ist natürlich klar.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Eine Zusatzfrage von Herrn Abgeordneten Schellhorn. – Bitte sehr.


Abgeordneter Josef Schellhorn (NEOS): Guten Morgen, Herr Minister! Sie haben eingangs auch erwähnt, dass der Tourismus sehr schnell wieder hochfahren wird, wenn dann die Öffnungen da sind. Es gibt halt Unterschiede zwischen Städte- und Ferien­tourismus. Ich glaube, in der Stadt wird es ein bisschen länger dauern. Das heißt auch, Stichwort Mobilität und Bereitschaft, die hohe Arbeitslosigkeit in den Städten und der hohe Bedarf in den Ferienregionen werden nicht ausgeglichen werden können.

Grundsätzlich hat ja der Tourismus am Arbeitsmarkt ein Strukturproblem, und es ist ja so, dass wir eigentlich ein Ganzjahresarbeitszeitmodell mit längeren Durchrechnungs­zeiträumen bräuchten. Gibt es in Ihrem Ministerium auch Überlegungen, das umzu­setzen? Das heißt auch, dass wir vor allem die hohen Schwankungen der Zwei­saiso­nalität im Ferientourismus entsprechend ausgleichen können, damit wir die Mitarbeiter in den Ferienregionen ansiedeln können, damit es auch eine Ganzjahresanstellung gibt.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Arbeit Mag. Dr. Martin Kocher: Völlig richtig, ich stimme da völlig zu. Ich glaube auch, dass es da wichtig ist, zu unterscheiden. Wir haben es letztes Jahr im Sommer gesehen: Der Ferientourismus gerade an den Seen zum Beispiel hat ein


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll99. Sitzung, 22. April 2021 / Seite 24

sehr gutes Jahr erlebt, aber in der Stadtgastronomie, in der Stadthotellerie gab es letztes Jahr ein großes Problem, und das wird auch heuer im Sommer natürlich nicht ganz gelöst sein. Es wird auch dauern, bis der Kongresstourismus zurückkommt. Das ist, glaube ich, völlig nachvollziehbar.

Grundsätzlich ist das eine sehr interessante Idee, die auch bei uns im Haus überlegt wird. Wir können jetzt vielleicht auch ein paar Anleihen im Landarbeitsgesetz nehmen – in diesem Bereich gibt es ja auch saisonale Schwankungen. Das Landarbeitsgesetz wurde gerade im Parlament beschlossen, und da gibt es Möglichkeiten, die Beschäf­tigung so zu gestalten, dass sie eben nicht so stark saisonal schwankt. Das ist eine interessante Idee, die wir auf jeden Fall weiterverfolgen können und müssen, um damit auch das Ziel zu erreichen, dort noch attraktivere Arbeitsplätze zu schaffen. – Danke.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Eine Zusatzfrage stellt Frau Abgeordnete Neßler. – Bitte sehr.


Abgeordnete Barbara Neßler (Grüne): Guten Morgen, Herr Minister! Welche Angebote macht das AMS angesichts des vor uns liegenden Strukturwandels gerade in der Nied­riglohnbranche oder im Tourismus, um für wechselwillige Mitarbeiter und Mitarbeiterin­nen den nachhaltigen Wechsel vielleicht in Branchen mit besserer Bezahlung und bes­seren Arbeitsbedingungen zu ermöglichen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Arbeit Mag. Dr. Martin Kocher: Wir haben natürlich mehrere Maßnahmen in der Coronajoboffensive – wie gesagt, gerade im Westen von Österreich, auch im Tourismus. Ich muss vielleicht dazusagen, dass es auch die Möglichkeit gibt, den Bildungsbonus zu bekommen, wenn man eine längere Ausbildung macht, und das halte ich für sehr wichtig. Das sind 180 Euro zusätzlich pro Monat, um eben die Lebens­haltungskosten abzudecken, wenn man länger in Ausbildung ist.

Wir werden im Moment nicht – das haben wir auch ganz klar kommuniziert, auch gemeinsam mit den Landes-AMS-Stellen – aktiv Menschen aus dem Tourismus um­schulen, um eben zu verhindern, dass Leute aus dem Tourismus rausgehen und dann dort ein Arbeitskräftemangel entsteht. Natürlich gibt es einzelne Personen, die das machen, die unterstützen wir, unterstützt das AMS auch, aber ich glaube, es ist wichtig, auch im Tourismus bessere Arbeitsplätze zu schaffen, attraktivere Arbeitsplätze zu schaffen, weniger saisonale Abhängigkeiten zu schaffen und die Menschen dort aufzu­qualifizieren. Das ist unser großes Ziel, gerade in den spezifischen Tourismusregionen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Drobits. – Bitte sehr.


Abgeordneter Mag. Christian Drobits (SPÖ): Guten Morgen, Herr Bundesminister! Gerade im Tourismus findet ja immer das Thema Lohn- und Sozialdumping Eingang. Der Pandemie geschuldet ist natürlich die Arbeitsmarktsituation nicht nur in Österreich, sondern auch in ganz Europa prekär.

Meine Frage ist: Wie wollen Sie die Ausbeutung von Arbeitnehmern im Tourismus ver­hindern beziehungsweise redliche Unternehmer gegenüber unredlichen Unternehmern schützen? Welche Maßnahmen wollen Sie setzen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Arbeit Mag. Dr. Martin Kocher: Wir haben ja diese Woche, glaube ich, eine Novelle zum Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz in Begutachtung geschickt, im Zuge derer gerade der Bereich Unterentlohnung – und das ist der Bereich, der am häufigsten auftritt – besonders hohe Strafen nach sich zieht, höhere Strafen, als das davor schon der Fall war, die zum Teil ja auch kritisiert worden sind.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll99. Sitzung, 22. April 2021 / Seite 25

Also wir werden natürlich in diesem Bereich besonders genau hinschauen. Es gibt auch jetzt mehr Kontrollen mit der Finanzpolizei, mit der Gesundheitskasse, um das zu ver­meiden. Das ist mir ein wichtiges Anliegen, und die Novellierung dieses Gesetzes gibt uns auch mehr Möglichkeiten, gerade was Lohndumping betrifft.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage, 71/M, stellt Frau Abgeord­nete Nussbaum. – Bitte sehr, Frau Abgeordnete.

09.37.09


Abgeordnete Mag. Verena Nussbaum (SPÖ): Guten Morgen, Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

71/M

„Werden Sie die dringend notwendige Aufstockung des AMS-Personals um mindestens 650 zusätzliche Planstellen vornehmen?“

Und bis wann?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Arbeit Mag. Dr. Martin Kocher: Wir haben im Laufe des letzten Jahres, noch vor meiner Zeit, zwei Dinge gemacht: Erstens haben wir den geplanten Abbau von Planstellen beim AMS gestoppt. Die Vorhersage war natürlich, es gibt gute Konjunktur, die Arbeitslosigkeit geht zurück, und deswegen war ein Abbau geplant. Der ist gestoppt worden. Zusätzlich kamen Arbeitsplätze dazu. Insgesamt stehen jetzt beim AMS um 500 Vollzeitäquivalente mehr zur Verfügung als vor der Krise.

Das ist, glaube ich, ein wichtiger Schritt. Das wird auch erst schön langsam wirksam, weil es natürlich auch für AMS-Mitarbeiterinnen und -mitarbeiter, für die Beraterinnen und Berater Ausbildungen braucht und die dann erst nach einem halben Jahr, nach einem Jahr voll eingesetzt werden können. Das heißt, wir werden die aufgenommenen Personen jetzt für den Aufschwung optimal einsetzen können und hoffen, dass wir damit die Maßnahmen, die es im Bereich der Coronajoboffensive, im Bereich des Programms Sprungbrett braucht, auch optimal mit guter Beratung, mit gutem Screening unterstützen können.

Wir wissen, dass das auch massiv dazu beiträgt, dass die Menschen, die einen Arbeits­platz gefunden haben, den auch behalten, weil dann eben besser vermittelt werden kann, weil der Match zwischen Arbeitgeberin, Arbeitgeber und Arbeitnehmerin, Arbeit­nehmer besser ist, wenn die Beratung ausführlicher ist.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Nussbaum.


Abgeordnete Mag. Verena Nussbaum (SPÖ): Da Sie diese neuen Mitarbeiter jetzt ansprechen: Wie viele wurden denn bis jetzt neu eingestellt, nämlich zusätzlich zum natürlichen Abgang? – Wir wissen ja, aufgrund der demografischen Entwicklung haben wir auch viele Abgänge.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Arbeit Mag. Dr. Martin Kocher: Wir haben jetzt 5 893 Planstellen. Das sind 450 Planstellen mehr, als im längerfristigen Plan 2019 bis 2023 vorgesehen waren. Das ist also das Ausmaß der zusätzlichen Planstellen, die da gekommen sind.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage, 74/M, stellt Abgeordneter Deimek. – Bitte sehr.

09.39.23



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll99. Sitzung, 22. April 2021 / Seite 26

Abgeordneter Dipl.-Ing. Gerhard Deimek (FPÖ): Herr Bundesminister, beim MAN-Konzern, und zwar Truck & Bus München, gibt es die Position Technisches Ordercenter, das für die Beplanung, für das Produktionsprogramm, für alle MAN-Truck-Aufträge, für die Performancesteuerung, für den gesamten Abwicklungsprozess mit allen Stake­hol­dern, für Prozessdesign und für Steuerung zuständig ist. Diese Position ist mit Frau Natalie Kocher besetzt.

Meine Frage lautet daher:

74/M

„Welchen Einfluss hat die berufliche Funktion Ihrer Frau Nathalie Kocher auf Ihr Engagement als Arbeitsminister für den MAN-Standort Steyr?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Arbeit Mag. Dr. Martin Kocher: Das lässt sich leicht beantworten: überhaupt keinen Einfluss.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordneter Dipl.-Ing. Gerhard Deimek (FPÖ): Der Aufsichtsratschef im VW-Konzern ist Herr Pötsch aus Traun, der in seiner Lebensbeschreibung stehen hat, „besondere Erfahrungen im Umgang [...] mit Politik und Behörden“. Weiters gibt es Herrn Gunnar Kilian – er ist der ehemalige Büroleiter eines SP-Bundestagsabgeordneten –, der seit 2018 für Personal und ehrenamtlich für die Personalstiftung zuständig ist und seit Juli 2020 auch fachlich für Truck & Bus. Da also offenbar im Bereich der Per­sonalvertretung und der SPÖ die Kontakte nach Deutschland nicht so optimal laufen, stelle ich die Frage: Seit wann ist bei Ihnen im Ministerium bekannt, welche Pläne MAN und der Volkswagen-Konzern haben?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Arbeit Mag. Dr. Martin Kocher: Für unser Ministerium ist ja die Diskussion im Moment nur am Rande relevant, weil wir als Arbeitsministerium eigentlich dann da sind, wenn es Maßnahmen braucht, um dort die Arbeitskräfte zu unterstützen, die vielleicht ihren Job verlieren, um Stiftungen, Qualifikationsprogramme zu machen.

Die Gespräche, die es gegeben hat, laufen natürlich vor allem über das Wirt­schafts­ressort. Auch ich habe selbstverständlich versucht, mit der Landesregierung zu sprechen, mit allen Beteiligten zu sprechen, um das zu unterstützen. Unser Ziel ist, dass möglichst viele Beschäftigte in einer nachhaltigen Art und Weise in diesem Werk gesichert werden, und dazu braucht es Gesprächsbereitschaft von allen Seiten.

Ich rufe noch einmal alle Seiten – das betrifft die Bundesregierung, die Landesregierung, das betrifft die Investoren, das betrifft aber auch MAN und die Sozialpartner – dazu auf, an den Tisch zu kommen und eine Lösung zu finden. Das wäre im Sinne des Arbeits­marktes, und dann wäre ich als Arbeitsminister sehr froh.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Keck, bitte sehr.


Abgeordneter Dietmar Keck (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! In Steyr spielt sich eine Tragödie ab: Nur weil ein Konzern wie VW Gewinnmaximierung anstrebt, will er, dass Tausende Menschen ihren Arbeitsplatz verlieren. Bei MAN in Steyr sind aktuell 2 356 MitarbeiterInnen beschäftigt, und Studien zufolge hängen am MAN-Werk in Steyr in Summe sogar rund 8 000 Arbeitsplätze mit einer jährlichen Wirt­schafts­leistung von knapp 1 Milliarde Euro. Steyr ist auch der größte Automotive Cluster in Österreich.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll99. Sitzung, 22. April 2021 / Seite 27

Die Bundesregierung hätte viele Hebel in der Hand, um diese Arbeitsplätze in Steyr zu retten – ich habe es gestern schon gesagt – und um dem VW-Konzern einmal die Stirn zu bieten und zu sagen, dass wir das nicht akzeptieren – aber leider handelt diese Regierung nicht.

Meine Frage an Sie: Mit welchen konkreten Maßnahmen werden Sie als Arbeitsminister den von der Arbeitslosigkeit bedrohten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern eine Perspektive geben?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Arbeit Mag. Dr. Martin Kocher: Wir haben natürlich, auch gemeinsam mit dem AMS Oberösterreich, schon alle Vorbereitungen für den Fall, dass dort Menschen arbeitslos werden, getroffen. Es gibt Qualifizierungsprogramme, es gibt die Steyr-Stiftung, die zur Verfügung steht, wenn das notwendig ist – das alles ist vorhanden.

Mein Wunsch wäre es natürlich, dass das nicht zum Einsatz kommen muss, dass es eine Lösung gibt, die möglichst viele Arbeitsplätze am Standort sichert, und das nicht nur im Interesse der Arbeitsplätze im MAN-Werk – dort ist die Gefahr natürlich am größten –, sondern – Sie haben es angesprochen – es geht um den gesamten Standort, es geht um Arbeitsplätze rund um das Werk, die betroffen sind, und darum noch einmal der Appell hier, zu Gesprächen zurückzukommen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Sieber, bitte.


Abgeordneter Norbert Sieber (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Wie wir soeben gehört haben, ist MAN ein wichtiger Standortfaktor für die Region, und natürlich ist es so, dass hinter jedem Arbeitsplatz, der hier diskutiert wird, auch eine Familie steht. Mir persönlich ist deswegen – und ich schätze das – auch Ihr Engagement und das Engagement der Bundesregierung in dieser Frage sehr wichtig.

Was, Herr Minister, sind nun die konkreten Maßnahmen des AMS vor Ort?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Arbeit Mag. Dr. Martin Kocher: Das AMS hat das gesamte Dienstleistungsangebot im Bereich der Qualifikation. Es unterstützt natürlich auch jetzt schon die Menschen, die in Überlassungsbetrieben dort in den nächsten Wochen ihren Job verlieren werden, um eben Vermittlungsangebote in andere Unternehmen zu machen. Wir sind in Oberösterreich in der glücklichen Lage, dass gerade in der Industrie die Konjunktur wieder gut ist. Das Bundesland ist das Bundesland mit der niedrigsten Arbeitslosigkeit in Österreich. Es gibt andere Betriebe, die Fachkräfte suchen, und ich bin auch optimistisch, dass viele Personen recht rasch wieder einen Arbeitsplatz finden werden.

Wie gesagt ist das Ziel aber nicht, dass wir dort weitervermitteln und dass es viele Leute gibt, die in Arbeitslosigkeit kommen, sondern das Ziel ist, die Arbeitsplätze im Werk zu retten. Wenn das nicht möglich ist, stehen wir mit dem gesamten Instrumentenkoffer des AMS, der Arbeitsvermittlung, zur Verfügung, bis hin zur Steyr-Stiftung, die uns ermög­lichen würde, Menschen für Jobs, die in Oberösterreich in den anderen Bereichen in den nächsten Jahren entstehen werden, zu qualifizieren. Das gilt übrigens auch für Lehr­linge – das ist auch ein ganz wichtiger Punkt –: Da ist klar, dass es überbetriebliche Lehrwerkstätten gibt, die weitergeführt werden würden.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage, 76/M, stellt Frau Abgeord­nete Hamann. – Bitte sehr.

09.45.18



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll99. Sitzung, 22. April 2021 / Seite 28

Abgeordnete Mag. Sibylle Hamann (Grüne): Guten Morgen, lieber Herr Bundes­minis­ter! Ich möchte auf das bereits angesprochene Problem der 190 000 Langzeit­arbeits­losen zurückkommen, diesen Sockel, den es ja schon lange gibt. Jetzt können wir damit rechnen, dass es durch neue Technologien, auch durch den Klimaschutz, neue Jobs geben wird. Allerdings haben wir das Problem, dass die Langzeitarbeitslosen in diese neuen Anforderungen oft nicht wirklich hineinpassen, und wir müssen gleichzeitig damit rechnen, dass Jobs durch den Klimawandel auch verloren gehen – ich denke zum Bei­spiel nur an den bereits angesprochenen Wintertourismus. Da wird man wahrscheinlich langfristige Bildungsmaßnahmen brauchen, damit dieser Übergang, diese Just Transition, gelingt.

Meine Frage diesbezüglich wäre: Was meinen Sie, wie viele Menschen in Österreich müssen pro Jahr solche länger dauernden Bildungsprogramme durchlaufen und auch zu anerkannten Abschlüssen kommen, damit dieser Übergang gelingt?

*****

Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 76/M, hat folgenden Wortlaut:

„Wie viele Menschen in Österreich müssen Ihrer Ansicht nach zukünftig pro Jahr Zugang zu längerdauernden Bildungsprogrammen mit formal anerkannten Abschlüssen kom­men, um die Anforderungen erfüllen zu können, die sich aus dem Technologie- und Strukturwandel sowie der drohenden Klimakatastrophe ergeben?“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Arbeit Mag. Dr. Martin Kocher: Idealerweise durchlaufen alle unselbstständig Beschäftigten letztlich laufend Bildungsprogramme. Es ist ganz klar, dass der Strukturwandel, der jetzt noch einmal durch die Coronakrise beschleunigt wurde, große Herausforderungen an alle stellt: an die Betroffenen, die sich lebenslang weiterentwickeln müssen, an die Unternehmen, die in Weiterbildung investieren müssen, an den Staat und die öffentliche Hand, die das unterstützen müssen.

Die Zahl kann man, glaube ich, nicht genau nennen, aber ich denke, es wird aufgrund der demografischen Entwicklung und aufgrund – Sie haben es angesprochen – der Klimakrise und des Strukturwandels durch Digitalisierung einen noch stärkeren Bedarf an Qualifizierung geben, als es schon vor der Coronakrise der Fall war.

Wir werden in dem Bereich gemeinsam schauen müssen, dass wir möglichst viele Instrumente bereitstellen, das ausbauen – und auch alle Menschen mitnehmen. Das ist nämlich nicht nur eine Arbeitsmarktfrage, sondern das ist auch eine sozialpolitische Frage – auch das haben Sie angesprochen –: Es geht auch darum, die mitzunehmen, die zum Beispiel nur einen Pflichtschulabschluss haben und sich besonders schwertun in einer Zeit, in der gerade Arbeitsplätze, die sehr stark automatisierbar sind, leichter wegfallen können. Das ist wahrscheinlich die größte Aufgabe der Bildungspolitik, der Arbeitsmarktpolitik und der Standortpolitik, da möglichst alle mitzunehmen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordnete Mag. Sibylle Hamann (Grüne): Eine konkrete Zielgröße an Abschlüssen ist wahrscheinlich schwer zu nennen – aber vielleicht geht es so: Wie viel mehr an Mitteln braucht das AMS dafür, diese Zahl an Menschen in diese Bildungsprogramme zu bringen? – Vielleicht ist das leichter.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll99. Sitzung, 22. April 2021 / Seite 29

Bundesminister für Arbeit Mag. Dr. Martin Kocher: Auch das ist gar nicht so leicht zu beantworten. Wir haben jetzt diese zwei Jahre die 700 Millionen Euro für die Job­offensive. Da, glaube ich, haben wir genügend Mittel, und wir werden uns als Arbeits­ressort natürlich dafür einsetzen, dass wir auch in den nächsten Jahren für Qualifizierung Mittel zur Verfügung haben werden.

Ein Punkt, der mir in diesem Zusammenhang wichtig ist, ist, dass wir die Fach­kräfte­prognosen, die wir in einzelnen Bereichen haben, noch umfangreicher erstellen, damit wir eben genau beantworten können: Welche Mittel braucht es? Welche Qualifizierungs­programme braucht es? Und: Wie kommen wir da hin, dass wir diese Nachfrage nach Fachkräften auch mit inländischen Arbeitskräften besetzen können? – Das große Problem nach der Finanzkrise war, dass ein sehr starker Beschäftigungsaufbau passiert ist, aber 80 Prozent der Menschen, die dort neu beschäftigt worden sind, kamen nicht aus dem Pool der Arbeitslosen. Also es wird eine ganz große Aufgabe werden, nach der Coronakrise da die richtigen Voraussetzungen zu schaffen. (Abg. Hamann: Danke!)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage, 78/M, stellt Frau Abgeord­nete Fiedler. – Bitte sehr, Frau Abgeordnete.

09.48.45


Abgeordnete Fiona Fiedler, BEd (NEOS): Guten Morgen, Herr Minister! Um auf das Geld aus dem RRF zugreifen zu können, müssen von jedem Land Wiederherstellungs- oder Resilienzpläne vorgelegt werden. Österreich hat ja sehr lange gebraucht, um solche Pläne einzureichen, und großteils werden nur bestehende Maßnahmen aufgestockt.

Daher meine Frage:

78/M

„Welche neuen arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen, die nicht ohnehin schon angekün­digt waren, werden durch den RRF (EU Resilienz- und Aufbauplan) finanziert?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Arbeit Mag. Dr. Martin Kocher: Wir haben im Rahmen des RRF Mittel in Höhe von 277 Millionen Euro im Arbeitsmarktbereich beantragt, das sind Mittel, die vor allem für Qualifizierungsmaßnahmen zur Verfügung stehen.

Ich glaube, der entscheidende Punkt ist: Wenn die Mittel kommen – wir wissen noch nicht genau, wie viel das dann wirklich sein wird, das hängt davon ab, wie hoch das Wirtschaftswachstum Österreichs dieses Jahr sein wird; davon wird die Gesamtsumme abhängen, und dann hängt es davon ab, welche Programme von der Europäischen Kommission prioritär bewertet werden –, haben wir damit einen budgetären Spielraum für andere Maßnahmen, wie das Programm Sprungbrett, um eben am Arbeitsmarkt weitere Unterstützungsmaßnahmen, Integrationsmaßnahmen zu setzen. Das ist sicher neu, das ist, glaube ich, auch ein guter Aspekt dieses Aufbau- und Resilienzplans, um eben am Arbeitsmarkt den Wiederaufbau, die Erholung zu unterstützen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordnete Fiona Fiedler, BEd (NEOS): Als Sprecherin für Menschen mit Behin­derung interessiert mich natürlich, ob auch Maßnahmen für einen inklusiven Arbeits­markt geplant sind.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Arbeit Mag. Dr. Martin Kocher: Ja, natürlich, wie immer ist das ein Zielprogramm, ein Zielbereich. Wir werden in diesem Bereich auch weitere


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll99. Sitzung, 22. April 2021 / Seite 30

Maßnahmen setzen. Wir haben auch das Budget dafür aufgestockt – das ist ein ganz wichtiger Punkt. Man muss vielleicht auch dazusagen, dass der Anstieg der Arbeitslosig­keit von Menschen mit Behinderung und gesundheitlichen Einschränkungen glücklicher­weise nicht so stark war wie am Arbeitsmarkt insgesamt, aber wir wissen, dass das, was da passiert, sich leicht verfestigt. Ich stimme völlig zu, dass es da auch einen Fokus und eine Schwerpunktsetzung geben muss.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die 11. Anfrage stellt Abgeordnete Salzmann. – Bitte sehr.

09.50.51


Abgeordnete MMMag. Gertraud Salzmann (ÖVP): Guten Morgen, Herr Bundesminis­ter Kocher! Vielen Dank für die Möglichkeit, Ihnen heute am Beginn des Plenartages Fragen stellen zu dürfen. Wir haben in mehrere Bereichen, die wichtig sind, bereits gesehen, wie sehr uns eigentlich die Pandemie seit einem Jahr herausfordert. Ich möchte gerne den Blick auf die Familien lenken, und dabei insbesondere auf die Eltern, die Kinder in den Schulen und in den Kindergärten haben – die sind ja ganz besonders gefordert worden.

68/M

„In welchem Umfang wurde und wird die Freistellung wegen Sonderbetreuungszeit in Anspruch genommen?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Arbeit Mag. Dr. Martin Kocher: Wir haben die Sonderbetreuungs­zeit seit dem Frühjahr 2020 – das ist die Möglichkeit, Sonderbetreuungszeit zu nehmen, wenn Schulen oder Kinderbetreuungseinrichtungen behördlich geschlossen werden. Den Unternehmen werden dann die Kosten erstattet. Insgesamt haben über 6 000 Un­ternehmen Anträge gestellt, das sind 30 000 freigestellte Personen für ungefähr 35 000 betreute Personen. Das ist die Gesamtsumme über diese vier Phasen hinweg, die wir bisher hatten.

Wir haben zwei Modelle – ich glaube, das ist auch wichtig dazuzusagen –: ein An­spruchsmodell und ein Vereinbarungsmodell. Beide sind ungefähr gleich stark nachge­fragt. Durchschnittlich – auch das würde ich gerne ergänzen, weil die Frage letzte Woche im Ausschuss gekommen ist – war die Bearbeitungsdauer der Anträge 26 Tage. Es ging also auch relativ rasch, dass die Zusagen gemacht werden konnten.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordnete MMMag. Gertraud Salzmann (ÖVP): Herzlichen Dank für diese Antwort, Herr Minister. Ich denke, dass die Sonderbetreuungszeit ein ganz wichtiges Instrument für die Eltern war, aber natürlich auch für die Betriebe, um rasch helfen zu können.

Als Zusatzfrage zu Ihren Ausführungen, Herr Minister, würde mich jetzt noch inter­essieren, wie bei der Inanspruchnahme der Sonderbetreuungszeit das Verhältnis zwi­schen Frauen und Männern war und wie dieser Rechtsanspruch seit November ange­nommen wurde.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


 



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll99. Sitzung, 22. April 2021 / Seite 31

Bundesminister für Arbeit Mag. Dr. Martin Kocher: Wir haben uns das auch angesehen, weil uns im Ministerium das natürlich auch selbst interessiert hat. Es hängt ein bisschen von den Phasen ab: In der Phase eins waren es zwei Drittel und ein Drittel: Frauen ungefähr zwei Drittel, Männer ungefähr ein Drittel. Im Durchschnitt waren es 73 Prozent Frauen und 27 Prozent Männer. Das ist im Vergleich zu vielen anderen Maßnahmen im Familienbereich, zum Beispiel der Karenz oder dem Bereich des Pensionssplittings, eine sehr hohe Männerbeteiligung – vielleicht nicht hoch genug, aber sehr hoch. Das ist, glaube ich, erfreulich zu sagen.

Was den Rechtsanspruch betrifft, der seit 1. November besteht, haben wir insgesamt 56 Prozent der Fälle, in denen der Anspruch schlagend geworden ist, und in 44 Prozent der Fälle wurde es zwischen den Arbeitgebern/Arbeitgeberinnen und Arbeitneh­mern/Arbeit­nehmerinnen vereinbart.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage, 72/M, stellt Frau Ab­geordnete Heinisch-Hosek. – Bitte sehr.

09.53.47


Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Guten Morgen, Herr Bundesminister! Mich interessiert Ihre Haltung zu Frauenarbeitsstiftungen. Die Frauenarbeitsstiftung Steyr gibt es ja seit über 30 Jahren. Das ist nur ein Beispiel, es gibt ja einige Frauen­arbeitsstiftungen. Weil immer von der sehr viel gelobten, gepriesenen, angekündigten Coronaarbeitsstiftung die Rede ist, Herr Bundesminister: Wie schaut es da mit den Mitteln für Frauen aus? Welche konkreten neuen Maßnahmen speziell für Frauen und Alleinerziehende werden aus dieser Coronaarbeitsstiftung womöglich ausgeschüttet? Um welche Art von Stiftung – Implacement, Outplacement, Mischformen – geht es? Können Sie uns da ein bisschen Auskunft geben?

*****

Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 72/M, hat folgenden Wortlaut:

„Welche konkreten neuen arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen werden Sie speziell für Frauen und Alleinerziehende umsetzen?“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Arbeit Mag. Dr. Martin Kocher: Vielen Dank für die Frage. Natür­lich ist das auch in der Coronaarbeitsstiftung ein Schwerpunktbereich. Wir haben auch da klargestellt – das ist auch wichtig zu ergänzen –, dass gerade Alleinerziehende in dieser Coronaarbeitsstiftung eine Zielgruppe sind. Die Erhöhung des Bildungsbonus von 60 auf 180 Euro unterstützt das noch einmal, weil damit auch die Lebenshaltungskosten besser abgedeckt sind.

Wir haben vor ein paar Wochen, glaube ich, die Zahlen ausgewertet: Es sind im Moment mehr Frauen als Männer in der Coronajoboffensive, in der Coronaarbeitsstiftung in Unterstützung. Mehr als 50 Prozent sind also Frauen. Wir werden das weiterverfolgen.

Es gibt darüber hinaus – das ist noch wichtig – eine Reihe von anderen Maßnahmen wie die Schwerpunktprogramme Frauen in Handwerk und Technik, den Bereich der spe­zifischen Mittel für Frauen im AMS, die aufgestockt wurden. Ich glaube, dass da viel passiert. Wie gesagt – ich habe es zur Frage davor schon gesagt –: Wir werden jetzt sehr genau beobachten, wie sich die Lage am Arbeitsmarkt entspannt, wenn der Tourismus und die Gastronomie aufsperren können, und wie sich dann insbesondere


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll99. Sitzung, 22. April 2021 / Seite 32

auch die Frauenarbeitslosigkeit entwickelt. Es wird sehr, sehr wichtig sein, das zu verfolgen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte sehr.


Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Mich interessiert: Herr Bundesminister, Sie haben gesagt, es gibt 400 Millionen Euro AMS-Budget für heuer. Wenn man 50 Prozent für Frauen aufwendet – oder sogar mehr als 50 Prozent, die 3,5 Prozent darüber –, müssten das ja mehr als 200 Millionen Euro sein. Sie reden immer von den 60 Millionen Euro Frauenförderbudget. Damit ich korrekt argumentieren kann: Kommt das zu den 200 Millionen dazu, oder wie setzt sich das zusammen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Arbeit Mag. Dr. Martin Kocher: Vielen Dank für die Nachfrage, das ist ganz wichtig. Die Coronajoboffensive ist bei uns unabhängig von den anderen arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen budgetiert. Die 60 Millionen Euro kommen zu den Mitteln für die Coronajoboffensive dazu. Bei der Coronajoboffensive sind es dieses Jahr 428 Millionen Euro. Bisher haben das mehr Frauen als Männer in Anspruch genommen. Wir werden das weiterverfolgen, aber es werden in dem Rahmen auf jeden Fall 200 Millionen Euro oder mehr für Frauen sein. – Danke.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Eine Zusatzfrage stellt Frau Abgeordnete Pfurtscheller. – Bitte sehr, guten Morgen.


Abgeordnete Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller (ÖVP): Guten Morgen, Herr Minister! Sie haben jetzt schon sehr viele Details aus der Coronajoboffensive erläutert. Es sollen 100 000 Menschen wieder in Beschäftigung gebracht werden. Ich möchte jetzt gerne im Detail von Ihnen wissen, wie Frauen innerhalb dieser Offensive ganz be­sonders berücksichtigt werden.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Arbeit Mag. Dr. Martin Kocher: Wie schon erwähnt sind es mehr Frauen als Männer, die im Moment in dieser Coronajoboffensive Qualifikations­program­me durchlaufen. Eines habe ich übrigens noch nicht gesagt, deswegen ergänze ich es jetzt noch: Es sind auch mehr Frauen als Männer, die den Bildungsbonus erhalten. Den Bildungsbonus bekommt man, wenn man mindestens vier Monate in einer geförderten Qualifikationsmaßnahme ist. Das zeigt auch, dass es nicht nur kürzere Kurse sind, die Frauen jetzt absolvieren, es sind tatsächlich substanzielle Qualifikationsprogramme.

Ein Grund dafür ist sicher auch, dass ein Schwerpunkt der Bereich Gesundheit und Pflege ist, in dem Frauen natürlich überrepräsentiert sind. Wir haben den Bereich der Mittel für Frauenprogramme, die 60 Millionen Euro – da kommt zum Beispiel Frauen in Handwerk und Technik. Klarerweise ist weiter das Ziel – auch ein wichtiges Ziel –, dass Frauen insgesamt bei allen arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen um 3,5 Prozentpunkte mehr gefördert werden, als ihr Anteil an der Arbeitslosigkeit ist. Das gilt weiterhin als generelle Zielvorgabe für das AMS.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Eine Zusatzfrage stellt Frau Abgeordnete Brandstötter. – Bitte sehr.


Abgeordnete Henrike Brandstötter (NEOS): Guten Morgen, Herr Bundesminister! Österreich hat ja eine sehr hohe Teilzeitquote von 47,6 Prozent. Das ist deutlich mehr als der EU-Schnitt von 30,8 Prozent. In Österreich werden vor allem Frauen, allen voran alleinerziehende Frauen, dazu gezwungen, in Teilzeit zu arbeiten, weil es an leistbaren Kinderbetreuungsplätzen fehlt, vor allem an Ganztagesbetreuung.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll99. Sitzung, 22. April 2021 / Seite 33

Wie werden Sie dazu beitragen, dass das Arbeitsmarktpotenzial von Alleinerziehenden besser genutzt wird und somit einerseits die Produktivität und das langfristige inklusive Wachstum gestärkt werden und andererseits auch alleinerziehend zu sein nicht auto­matisch bedeutet, dann altersarm zu sein?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Arbeit Mag. Dr. Martin Kocher: Ich habe immer wieder versucht, das auch zu problematisieren: Tatsächlich ist Altersarmut einer der Punkte, die da eine Rolle spielen. Wir haben natürlich auch immer – das liegt nicht im meinem Ressort – gesagt, dass Vereinbarkeit von Familie und Beruf wichtig ist und dass es ein Angebot an Kinderbetreuungseinrichtungen geben muss. Wir sehen aber auch, dass es einfach aufgrund der Traditionen in Österreich auch dann, wenn es diese Kinderbetreuungs­einrichtungen gibt, immer noch eine verstärkte Teilzeitquote bei Frauen gibt.

Ich glaube, es wird ein gesamtgesellschaftlicher Auftrag sein, zu schauen, dass Verein­barkeit von Beruf und Familie nicht nur eine Frauenangelegenheit, sondern auch eine Männerangelegenheit ist und dass sich die Männer da angemessen beteiligen. Das Problem in Österreich ist nicht die Teilzeitquote an sich, sondern es ist die spezifische Teilzeitquote bei Frauen – also sehr stark bei Frauen und weniger stark bei Männern – und dass eben auch nach einer Zeit der Kinderbetreuung die Teilzeit meistens nicht aufgestockt wird, was dann dazu führt, dass Pensionsansprüche von Frauen zum Teil viel geringer sind als von Männern.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Zusatzfrage stellt Frau Abgeordnete Disoski. – Bitte sehr.


Abgeordnete Mag. Meri Disoski (Grüne): Guten Morgen, Herr Bundesminister! Covid-19 hat uns jetzt sehr eindringlich vor Augen geführt, dass Frauen besonders häufig in gesellschaftstragenden, in systemrelevanten Berufen tätig sind. Das sind vor allem solche Berufe, die sehr arbeitsintensiv und auch schlecht bezahlt sind.

Welche Maßnahmen planen Sie denn, um dieses Missverhältnis nachhaltig zu ändern?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Arbeit Mag. Dr. Martin Kocher: Was natürlich das Arbeits­minis­terium über das, was gesellschaftlich notwendig ist, hinaus tun kann – es ist, glaube ich, eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe –, ist, dass wir versuchen, Frauen zu unter­stützen, in Branchen tätig zu sein, in denen das Lohnniveau eben höher ist, und es ist ja bekannt, dass insbesondere Mint-Fächer, Digitalisierung und Naturwissenschaften Be­reiche sind, in denen das Lohnniveau höher ist und Frauen massiv unterrepräsentiert sind. Wir unterstützen daher jede Maßnahme, die es gibt, um Frauen dafür zu inter­essieren. Wir unterstützen gemeinsam mit dem Frauenressort die dortige Eingliederung.

Wir haben uns jetzt bei der Entwicklung der Richtlinie für mehr Lohntransparenz auf EU-Ebene natürlich auch sehr stark eingebracht. Ich glaube, das wird auch ein wichtiger Bestandteil sein, um die Lohnschere zwischen Frauen und Männern in Österreich zu verringern.

Insgesamt, glaube ich, braucht es aber auch einen gesellschaftlichen Konsens und Anstrengungen auf allen Ebenen, vom Bildungssystem hin bis zum Arbeitsmarkt, um die Lohnschere wirklich zu schließen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die letzte Anfrage stellt Frau Abgeordnete Grünberg. – Bitte.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll99. Sitzung, 22. April 2021 / Seite 34

10.01.39


Abgeordnete Kira Grünberg (ÖVP): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Menschen mit Behinderungen haben es nach wie vor ungleich schwieriger als nicht behinderte Men­schen, am Ersten Arbeitsmarkt eine Anstellung zu finden. Auch bereits vor der Coronakrise ist die Arbeitslosenquote von Menschen mit Behinderung stetig gestiegen und auch im Verhältnis zu den nicht behinderten Menschen um einiges höher gewesen.

69/M

„Was kann das AMS dazu beitragen, die Beschäftigung von Menschen mit Behinderung besser zu ermöglichen?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Arbeit Mag. Dr. Martin Kocher: Wir haben – das habe ich schon kurz angesprochen – in der Coronajoboffensive einen Schwerpunkt für die Zielgruppe Menschen mit Behinderung geschaffen, besondere Unterstützungsmöglichkeiten für sie geschaffen.

Es gibt darüber hinaus natürlich auch ganz generell im AMS Menschen mit Behinderung als Zielgruppe. Das ist, glaube ich, jetzt besonders wichtig, auch wenn – das habe ich auch schon kurz ausgeführt – die Arbeitslosigkeit bei den Menschen mit Behinderung nicht ganz so stark gewachsen ist. Die Arbeitslosenquote ist bei begünstigt behinderten Menschen um 0,8 Prozent gewachsen – das ist um einiges weniger als im Durchschnitt.

Eine große Herausforderung – deswegen ist die Coronajoboffensive so wichtig – ist, dass der Anteil von Menschen mit Behinderung, die arbeitslos sind und nur Pflicht­schulabschluss haben – maximal Pflichtschulabschluss –, mit 48,7 Prozent höher ist als der Durchschnitt mit 44 Prozent. Es geht also auch um Qualifikationsmaßnahmen, es geht auch um die Verzahnung mit dem Bildungssystem, um eben dort die Voraus­setzungen dafür zu schaffen, am Arbeitsmarkt erfolgreich zu sein.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage, Frau Abgeordnete? – Bitte.


Abgeordnete Kira Grünberg (ÖVP): Wie funktioniert die Schnittstelle und die Zusam­menarbeit mit dem Sozialministeriumservice, um die Beschäftigung von Menschen mit Behinderung zu unterstützen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Arbeit Mag. Dr. Martin Kocher: Wir haben eine gut abgestimmte Zusammenarbeit zwischen dem AMS und dem Sozialministeriumservice. Es gibt Zusammenarbeitsvereinbarungen auf Bundes- und Landesebene. Es gibt auch ganz spezifische Programme für Jugendliche, die wir gemeinsam ausarbeiten, das Jugend­coaching und Ausbildungsfit ist sind solche Programme.

Durch die Novelle des Bundesministeriengesetzes sind wir als Ministerium aus dem Bundesbehindertenbeirat gefallen, und ich hoffe, dass das bald repariert werden kann, dass das Arbeitsressort da auch wieder drinnen sein kann. Wir wären froh, auch da direkt integriert zu sein. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf mich ganz, ganz herzlich bei Herrn Bundesminister Kocher bedanken. Vielen herzlichen Dank!


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll99. Sitzung, 22. April 2021 / Seite 35

Alle Anfragen sind zum Aufruf gekommen, daher darf ich die Fragestunde für beendet erklären.

10.04.16Einlauf und Zuweisungen


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegen­stände und deren Zuweisungen darf ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung verweisen.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

Schriftliche Anfragen: 6344/J bis 6397/J

B. Zuweisungen in dieser Sitzung:

zur Vorberatung:

Budgetausschuss:

Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzrahmengesetz 2021 bis 2024 und das Bun­desfinanzgesetz 2021 geändert werden (811 d.B.)

Justizausschuss:

Strafrechtliches EU-Anpassungsgesetz 2021 – StrEU-AG 2021 (808 d.B.)

*****

Fristsetzungsantrag


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Vor Eingang in die Tagesordnung darf ich mit­teilen, dass die Abgeordneten Steinacker, Prammer, Kolleginnen und Kollegen bean­tragt haben, dem Justizausschuss zur Berichterstattung betreffend „Strafrechtliches EU-Anpassungsgesetz 2021“ in 808 der Beilagen eine Frist bis zum 18. Mai zu setzen.

Der gegenständliche Antrag wird am Ende zur Abstimmung gebracht.

Absehen von der 24-stündigen Aufliegefrist


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Um den Punkt 17 der Tagesordnung in Ver­handlung zu nehmen, ist es notwendig, gemäß § 44 Abs. 2 der Geschäftsordnung von der 24-stündigen Aufliegefrist abzusehen.

Dabei handelt es sich um den Bericht des Immunitätsausschusses über das Ersuchen des Magistrats der Stadt Wien um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abge­ordneten zum Nationalrat Herbert Kickl (810 der Beilagen).

Ich darf jene Damen und Herren, die der Abstandnahme von der Aufliegefrist für diesen Ausschussbericht ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen ersuchen. – Das ist einstimmig angenommen.

Behandlung der Tagesordnung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Es ist vorgeschlagen, die Debatten über die Punkte 1 und 2, 3 bis 5 sowie 13 und 14 der Tagesordnung jeweils zusammenzufassen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll99. Sitzung, 22. April 2021 / Seite 36

Gibt es dagegen einen Einwand? – Das ist nicht der Fall.

Redezeitbeschränkung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zwischen den Mitgliedern der Präsidialkonferenz wurde Konsens über die Dauer der Debatten erzielt. Demgemäß wurde eine Tages­blockzeit von 4,5 „Wiener Stunden“ vereinbart. Die Redezeiten verteilen sich wie folgt: ÖVP 88, SPÖ 61, FPÖ 50, Grüne 45 und NEOS 36 Minuten.

Gemäß § 57 Abs. 7 der Geschäftsordnung beträgt die Redezeit für die gesamte Tages­ordnung von Abgeordneten, die keinem Klub angehören, 18 Minuten. Die Redezeit je Debatte wird auf 5 Minuten beschränkt.

Wir kommen zur Abstimmung über die Redezeiten.

Wer mit dieser Redezeitvereinbarung einverstanden ist, den bitte ich um ein ent­sprechen­des Zeichen. – Auch das ist einstimmig.

Damit können wir in die Tagesordnung eingehen.

10.06.311. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 1277/A(E) der Abgeordneten Heike Grebien, Kira Grünberg, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Ausbau der Chancen am Arbeitsmarkt für Menschen mit Behinderungen“ (790 d.B.)

2. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Bürgerinitiative Nr. 1/BI: Bürgerinitiative betreffend „der Diskriminierung von Menschen mit Behinderung durch die österreichische Gesetzgebung“ (791 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen zu den Punkten 1 und 2 der Tagesordnung, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Grünberg. – Bitte sehr.


10.07.22

Abgeordnete Kira Grünberg (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kolle­ginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Gleich zu Beginn möchte ich des verstorbenen Präsidenten des Österreichischen Behindertenrates Herbert Pichler ge­denken. – Lieber Herbert, vielen Dank für deinen unermüdlichen Einsatz für die Behin­dertencommunity, für deine tolle Freundschaft und auch für deinen politischen Einsatz! Danke schön! (Allgemeiner Beifall.)

Menschen mit Behinderungen haben es in ihrem Leben und auch am Arbeitsmarkt nicht unbedingt einfach. Für sie ist es schwieriger, einen Job zu finden, schwieriger vielleicht auch, in der Gesellschaft akzeptiert zu werden, und es ist wirklich eine Herausforderung, eine Anstellung auf dem Ersten Arbeitsmarkt zu finden.

Doch dann gibt es auch jene Menschen mit Behinderung, denen bereits im Jugendalter, direkt nach der Schule, eine Arbeitsunfähigkeit attestiert wird. Damit sind sie ihr ganzes Leben lang de facto vollständig vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll99. Sitzung, 22. April 2021 / Seite 37

Österreich verfügt über sehr viele wirksame Instrumente wie etwa die Neba-Dienst­leistungen, sozialökonomische Betriebe oder auch integrative Betriebe, die Menschen mit Behinderung unterstützen und auch Unternehmen dabei unterstützen, Menschen mit Behinderung zu beschäftigen.

Die Maßnahmen sind aber, wie bereits erwähnt, nicht allen Menschen mit Behinderung zugänglich, denn wenn einmal eine Arbeitsunfähigkeit attestiert wird, kommt man da fast nicht mehr heraus und kann all diese tollen Maßnahmen, die Österreich bietet, eben nicht in Anspruch nehmen. Das bedeutet schlussendlich, dass man ein Leben lang auf die Unterstützung der Länder angewiesen ist. Man arbeitet in Tagesstrukturen, in Werk­stätten und dort nur für ein Taschengeld.

Deshalb fordern wir im vorliegenden Entschließungsantrag, das Vorgehen der Attestie­rung der Arbeitsunfähigkeit zu prüfen und bis Ende des Jahres ein Gesamtkonzept vorzulegen. Es sollen vor allem die Kompetenzen der Personen und auch die Unter­stützungsmöglichkeiten, wie etwa die persönliche Assistenz am Arbeitsplatz, die zum Beispiel auch ich in Anspruch nehme, miteinfließen.

Auch Studien, wie zum Beispiel die Studie der OECD „Sickness, Disability and Work: Breaking the Barriers“, zeigen auf, dass es wirtschaftlich sinnvoll ist, so viel wie notwendig zu investieren, damit Menschen mit Behinderung eine gute Berufsausbildung erhalten und Arbeit finden können. Dadurch sind sie ihr Leben lang selbstständiger, auf weniger Unterstützung angewiesen und können auch ein selbstbestimmteres Leben führen.

Schauen wir auch in Österreich auf all das, was Menschen können, auf ihre Fähigkeiten, auf das, was sie in der Gesellschaft beitragen können, anstatt immer nur auf die Defizite zu schauen! – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS.)

10.10


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Abgeordnete Wimmer ist zu Wort gemeldet. – Bitte.


10.10.54

Abgeordnete Petra Wimmer (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Es freut mich, dass wir mitten am Tag das Thema Ausbau der Chancen am Arbeitsmarkt für Menschen mit Behinderungen dis­kutieren. Es sollte selbstverständlich sein, dass Menschen mit Behinderungen auch mitten in unserer Gesellschaft leben und nicht durch gesetzliche Rahmenbedingungen, durch bauliche Hürden oder auch durch Hürden in den Köpfen der Menschen behindert werden.

Der Sonderbericht der Volksanwaltschaft aus dem Jahr 2019 zeigt, dass es besonders am Arbeitsmarkt viele Hürden für Menschen mit Behinderung zu bewältigen gibt. In dem Bericht steht zum Beispiel: „Menschen mit Behinderung und einer Arbeitsfähigkeit unter 50 Prozent können in Österreich nicht arbeiten wie alle anderen. Sie bekommen keine Unterstützung vom Arbeitsmarktservice [...]. Sie werden [...] nicht an Arbeitgeber ver­mittelt. Manchmal bekommen sie einen Platz in einer Werkstätte.“

In diesen Werkstätten erhalten sie dann – wie wir schon ganz oft hier im Hohen Haus besprochen haben – keinen Lohn, sondern ein sogenanntes Taschengeld. Sie haben also keinen Anspruch auf eine entsprechende Entlohnung, auf Urlaub, auf Kran­ken­stand, auf Arbeitnehmerschutz, auf betriebliche Mitbestimmung oder auf die Unterstüt­zung durch das Arbeitsmarktservice.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll99. Sitzung, 22. April 2021 / Seite 38

Besonders schwierig wird die Situation, wenn das Arbeitsamt bei der Pensionsver­sicherung ein Gutachten beauftragt, um die Arbeitsfähigkeit eines Menschen mit Behinderung festzustellen. Wird durch den Arzt die Arbeitsunfähigkeit festgestellt, hat das ganz gravierende Auswirkungen. Wer als arbeitsunfähig gilt, bekommt keine wei­teren Unterstützungen vom AMS, bekommt keine Kurse vom AMS, kann sich nicht weiterbilden, wird nicht an Arbeitgeber vermittelt und erhält auch kein Arbeitslosengeld – unabhängig davon, was diese Person leisten kann oder leisten will.

Diese Personen können sich zwar selbst einen Job suchen, aber das ist aufgrund der Einstufung als arbeitsunfähig sehr schwierig, und meistens landen sie dann in betreuten Werkstätten.

Auch die Bürgerinitiative betreffend „Diskriminierung von Menschen mit Behinderung durch die österreichische Gesetzgebung“, die wir im Ausschuss behandelt haben und die die Obfrau des Vereins Vianova Austria ins Leben gerufen hat, prangert genau dieses Problem an.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, über alle Parteigrenzen hinweg besteht Einvernehmen darüber, dass wir schnellstmöglich eine Lösung für das Problem Lohn statt Taschengeld erwirken müssen – und dafür braucht es eine gemeinsame Kraftanstrengung. Es braucht auch die Kraftanstrengung, alle Stakeholder einzubinden – die Sozialversicherungen, die Bundesländer –, damit wir rasch eine Lösung finden.

Der vorliegende Antrag ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung. Er sollte aber keine Willensbekundung bleiben, sondern auch tatsächlich umgesetzt werden, denn auch Menschen mit Behinderung haben es verdient, dass wir uns hier für sie einsetzen. Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

10.14


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Ragger. – Bitte sehr.


10.14.14

Abgeordneter Mag. Christian Ragger (FPÖ): Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzter Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren des Hauses! Ich glaube, dass der heutige gemeinsame Antrag der Grünen und der ÖVP als Regierungsparteien sicherlich ein erster Schritt ist, trotzdem möchte ich aber meiner Enttäuschung darüber, dass die Wertigkeit der Menschen mit Beeinträchtigung letztendlich nicht wahrgenommen wird, Ausdruck verleihen. Es gibt eine UN-Behindertenrechtskonvention aus dem Jahr 2008, die in Gesetzesform umgesetzt worden ist. Die Umsetzung dieser Behinder­tenrechts­konvention, auch jene in Österreich, wurde in Genf einer Prüfung unterzogen, und wir sind dahin gehend – mit einem Satz – längst säumig.

Wir haben uns erlaubt, ein Gutachten bei der Fakultät Innsbruck zu beauftragen. Auf über 248 Seiten ist darin sehr detailliert aufgeführt, welche Rechte für Menschen mit Behinderungen in der österreichischen Gesetzgebung umgesetzt werden sollten. Übrig bleibt heute ein leerer Entschließungsantrag der Regierungsparteien, die sich wiederum auf die UN-Konvention stützen.

Wenn Sie das wirklich ernst nehmen wollen und wenn Sie allen Menschen mit Behin­derungen in Österreich wirklich Wertigkeit geben wollen, dann seien Sie so gut und stimmen Sie heute bei unserem Entschließungsantrag mit, der verlangt, dass wir Men­schen mit Beeinträchtigungen Lohn geben – Lohn! (Beifall bei der FPÖ) –, denn letzt­endlich ist es der Lohn, der auch die Selbstbestimmung jedes Menschen und deren Wertigkeit hebt.

Ich darf daher folgenden Entschließungsantrag verlesen:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll99. Sitzung, 22. April 2021 / Seite 39

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Lohn- und Sozialversicherungspflicht statt Taschengeld in Behindertenwerkstätten“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird ersucht, dem Nationalrat unverzüglich eine Regierungs­vor­lage zuzuleiten, die folgende Inhalte umfasst:

- Die Einführung eines verpflichtenden Mindestlohns für Beschäftigte in Behinderten­werkstätten

- Die Einführung einer verpflichtenden Sozialversicherung, neben Kranken-, Unfall- und Arbeitslosenversicherung insbesondere auch zur Pensionsversicherung, für Beschäf­tigte in Behindertenwerkstätten“.

*****

Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

10.16

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abg. Mag. Christian Ragger, Dr. Dagmar Belakowitsch, Peter Wurm 

und weiterer Abgeordneter

betreffend Lohn- und Sozialversicherungspflicht statt Taschengeld in Behinderten­werk­stätten

eingebracht im Zuge der Debatte über den Tagesordnungspunkt 1.) Bericht des Aus­schusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 1277/A(E) der Abgeordneten Heike Grebien, Kira Grünberg, Kolleginnen und Kollegen betreffend "Ausbau der Chancen am Arbeitsmarkt für Menschen mit Behinderungen" (790 d.B.) in der 99. Sitzung des Nationalrats am Donnerstag, dem 22. April 2021.

Aktuell wird in vielen sogenannten Behindertenwerkstätten den beschäftigten Personen lediglich ein Taschengeld ausbezahlt. Dies ist weder wertschätzend noch entspricht es der tatsächlichen Abgeltung der dort geleisteten Arbeit und des besonderen Engage­ments, das dort Personen mit besonderen Bedürfnissen an den Tag legen.

Deshalb sollte ein tatsächlicher Lohn und vor allem eine entsprechende Sozial­versiche­rung durch diese Werkstätten bezahlt werden, damit die dort beschäftigten Personen die Möglichkeit haben, Versicherungszeiten, etwa in der Pensionsversicherung zu erwer­ben, um dann darauf auch eine entsprechende Altersversorgung aufsetzen zu können, die natürlich entsprechend auch durch die Leistung Dritter mit Zuschüssen auf öffent­lichen Mitteln dann im Sinne einer Mindestpension usw. gestaltet sein muss.

Im Regierungsprogramm der aktuellen schwarz-grünen Bundesregierung 2020-2024 findet sich zu dieser Thematik folgender Satz: „Lohn statt Taschengeld-Gemeinsame Erarbeitung der Umsetzungsschritte mit den Stakeholdern“

Daher stellen die unterzeichnenden Abgeordneten folgenden


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll99. Sitzung, 22. April 2021 / Seite 40

Entschließungsantrag

Die Bundesregierung wird ersucht, dem Nationalrat unverzüglich eine Regierungs­vor­lage zuzuleiten, die folgende Inhalte umfasst:

- Die Einführung eines verpflichtenden Mindestlohns für Beschäftigte in Behinderten­werkstätten

- Die Einführung einer verpflichtenden Sozialversicherung, neben Kranken-, Unfall- und Arbeitslosenversicherung insbesondere auch zur Pensionsversicherung, für Beschäf­tigte in Behindertenwerkstätten

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, aus­reichend unterstützt und steht somit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Grebien. – Bitte sehr.


10.16.33

Abgeordnete Heike Grebien (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundes­minister! Wertgeschätzte KollegInnen und wertgeschätzte ZuseherInnen zu Hause! Wie Sie den Reden meiner VorrednerInnen entnehmen können, haben wir im Bereich der Arbeitsmarktpolitik für Menschen mit Behinderungen dringenden Bedarf, die grundlegen­den Barrieren seitens der Gesetzgebung des Bundes zu beseitigen. Daher haben wir auf Initiative von uns Grünen diesen Antrag auch in der letzten Sitzung des Sozial­aus­schusses eingebracht, er wurde einstimmig beschlossen, und heute bitte ich auch um Ihre Zustimmung.

Der Antrag enthält aus unserer Sicht wesentliche erste Schritte, um sich einem inklusi­ven Arbeitsmarkt anzunähern. Das bedeutet, wir versuchen, einen Paradigmenwechsel einzuleiten – und ja, werte KollegInnen der Opposition, dafür wird es wirklich viele von uns brauchen, einen nationalen Kraftakt, so hat das Kollegin Wimmer in der letzten Sitzung des Sozialausschusses genannt, und ich hoffe daher auf Ihre Unterstützung. Das beinhaltet, dass Sie sich auch gerne mit den LänderkollegInnen vernetzen können und mit ihnen sprechen sollen. Es gibt auf Länderseite zwar das Bekenntnis: Ja, das ist sehr wichtig!, das hat sich aber für Menschen mit Behinderungen bis jetzt leider nicht in den Ländergesetzen abgebildet.

Wir wollen weg vom Bild von Menschen mit Behinderungen als BittstellerInnen, hin zu einem Bild als TrägerInnen von Rechten. Wir wollen weg vom medizinischen Modell, das Behinderung als defizitär, als Leid, als nicht normal betrachtet; wir wollen hin zum sozialen Modell, das die Fähigkeiten und Ressourcen des Individuums betrachtet und das Umfeld und die Umwelt miteinbezieht. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Grünberg.)

Wir wollen auch weg von der paternalistischen Vorstellung, die Menschen mit Behin­derungen den Kinderstatus zuschreibt, und hin zu Selbstbestimmung. Daher arbeiten wir auch bundesweit an einer persönlichen Assistenz. Auch das ist ein Riesenprojekt, eine Riesenreform. Es braucht sehr viele, die da mitgehen – wirklich viele!

In Gesprächen, die ich seit Einbringen des Antrages mit SelbstvertreterInnen, aber auch mit Organisationen für Menschen mit Behinderungen führe, zeigt sich große Sorge über die jeweiligen Ländergesetze und darüber, dass ein Mindestlohn letztendlich zu Armut führt – zum Beispiel aufgrund von wegfallender Landesleistung in der Behindertenhilfe – und dass er Menschen mit Behinderungen in die Werkstatt zementiert. Das sage ich jetzt


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll99. Sitzung, 22. April 2021 / Seite 41

bewusst in Bezug auf die Anträge der FPÖ, sowohl auf jenen in der letzten Sozial­ausschusssitzung in Bezug auf den Mindestlohn als auf den heutigen.

In Deutschland ist das nämlich gerade Thema. Dort arbeiten Menschen mit Behin­derungen in Massenwerkstätten – ich glaube, Sie können sich das nicht vorstellen, außer Sie wissen es –, das ist kein Vergleich zu unseren Werkstätten, es sind riesige Massenwerkstätten. Dort gibt es einen Mindestlohn: Ja, das ist billiger für alle. Behinderte Menschen bleiben schön in den Werkstätten, sie bleiben schön exkludiert, es gibt fast keine Durchlässigkeit zum Ersten Arbeitsmarkt mehr – und das, sehr geehrte Damen und Herren von der FPÖ, wollen weder Menschen mit Behinderungen noch wir Grüne. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Was Menschen mit Behinderungen wollen, ist, anerkannt zu werden. Sie wollen sich – wie alle anderen Menschen auch – eine Arbeit aussuchen können, die sie interessiert, die ihnen Sinn gibt, und so auch einen Teil zu dieser Gesellschaft beitragen können. Ja, viele Menschen mit Behinderungen wollen sich beweisen, nicht vor einer Person eines medizinischen Berufs, die ihnen sagt, was möglich ist und was nicht. Sie wollen sich am Arbeitsmarkt beweisen. Mit den Worten der SelbstvertreterInnen der Menschen mit Lernschwierigkeiten in Österreich und international: Richtiges Geld für richtige Arbeit! – Das ist ihre Forderung.

Wir sollten auf sie hören. Wir können noch so oft vom inklusiven Arbeitsmarkt sprechen, aber die Haltung, die dahintersteht, verrät, ob es auch eine Bereitschaft der Länder, der Sozialversicherungen, des AMS, des Arbeitsministers, des Finanzministers, der Wirtschafts- und Digitalisierungsministerin – es gibt so viele Bereiche –, des Bildungsministeriums, nicht nur des Sozialministeriums gibt, hier Grundlegendes zu verändern. Für mich ist Inklusion vor allem eines: eine Haltung. Zeigen Sie mit Ihrer Zustimmung bitte auch Haltung! – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

10.21


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Fiedler. – Bitte sehr.


10.21.28

Abgeordnete Fiona Fiedler, BEd (NEOS): Herr Präsident! Hohes Haus! Werter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe ZuseherInnen zu Hause! (Die Be­grüßung auch in Gebärdensprache ausführend:) Liebe gehörlose Menschen! Artikel 27 der UN-Behindertenrechtskonvention besagt, dass die „Vertragsstaaten“ – und damit auch die Republik Österreich – „das Recht von Menschen mit Behinderungen auf der Grundlage der Gleichberechtigung mit anderen auf Arbeit“ anerkennen. Was beinhaltet dieser Artikel? – Er „beinhaltet das Recht auf die Möglichkeit, den Lebensunterhalt durch Arbeit zu verdienen, die in einem offenen, integrativen und für Menschen mit Behin­derungen zugänglichen Arbeitsmarkt und Arbeitsumfeld frei gewählt oder angenommen wird. Die Vertragsstaaten“ – und demnach auch Österreich – haben sich verpflichtet, die „Verwirklichung des Rechts auf Arbeit“ zu fördern.

Die UN-Behindertenrechtskonvention wollte damit sicherstellen, dass es für Menschen mit Behinderungen ihren Fähigkeiten und Interessen entsprechende Arbeitsmög­lich­keiten auf einem inklusiven Arbeitsmarkt gibt. Die Staaten – und so auch Österreich – haben sich verpflichtet, alles zu unternehmen, damit Menschen mit Behinderungen ohne Diskriminierung aufgrund ihrer Behinderungen genauso wie alle anderen BürgerInnen einen Zugang zu Arbeit und Unternehmertum finden können.

Darüber hinaus muss Arbeit in österreichischen Tageswerkstätten so entlohnt werden, dass man seinen Lebensunterhalt bestreiten kann. Rund 24 000 Menschen in Österreich


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arbeiten in Beschäftigungswerkstätten und verdienen – nein: erhalten! – je nach Bun­desland zwischen 5 und 200 Euro Taschengeld monatlich. So mancher Jugendlicher bekommt mehr Taschengeld, und ein Friseurtermin für den Kanzler geht sich damit leider auch nicht aus.(Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Abgesehen davon, dass man mit 150 Euro im Monat seinen Lebensunterhalt nicht bestreiten kann und die momentane Situation in Tageswerkstätten keinesfalls der UN-Behindertenrechtskonvention entspricht, verdienen Menschen mit Behinderungen mehr: Sie verdienen eine sozialversicherungsrechtliche Absicherung. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der Grünen.)

Weiters hat diese offensichtliche Schlechterstellung auch negative Auswirkungen für das Leben im Alter. In Beschäftigungswerkstätten arbeitende Menschen haben keinen An­spruch auf eine eigene Pension, da sie nicht pensionsversichert sind. Das Ad-hoc-Komitee der UN-Behindertenrechtskonvention verweist in diesem rechtlichen Zusam­men­hang auf die Gefahr der Ausbeutung und Aussonderung durch besondere Maß­nahmen, womit die Beschäftigung in Werkstätten ohne Entlohnung und sozialver­sicherungsrechtliche Absicherung gemeint ist.

Weiters wird seitens des Komitees ergänzend angemerkt: Je mehr die Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen in Werkstätten als individuelle Förderung mit dem Ziel der Prüfung realistischer Alternativen erfolgt und in ein umfassendes Betreuungskonzept mit dem gleichzeitigen Aufbau eines inklusiven Arbeitsmarktes eingebunden ist, desto weniger wird man von Missbrauch sprechen können.

Unser Ziel ist es also, möglichst vielen Menschen den Zugang zu einer existenz­sichern­den Arbeit am allgemeinen Arbeitsmarkt mit den notwendigen Unterstützungsleistungen zu gewähren. Aus diesem Grund unterstützen wir den Antrag von Heike Grebien und Kira Grünberg, der sich des Themas der Attestierung der Arbeitsunfähigkeit und des Übergangs von Beschäftigungswerkstätten zu einem allgemeinen Arbeitsmarkt annimmt.

Ich denke, wir sind hier auf dem richtigen Weg in die richtige Richtung, und ich gehe davon aus, dass ein Antrag, der seitens der Regierungsparteien gestellt wird, auch wirklich zur Umsetzung kommt.

Dieser Antrag ist leider nicht die Lösung aller Probleme. Der Missstand in der Mitte unserer Gesellschaft, dass Menschen weder Entlohnung noch Pension bekommen, kann uns doch nicht kaltlassen. Hier spreche ich Sie, Herr Minister Kocher, ganz direkt an: Das muss schleunigst behoben werden.

Wir hatten dieses Thema auch letzte Woche im Ausschuss im Zuge eines Antrages der Abgeordneten Dagmar Belakowitsch. In ihrem Antrag wurde unter anderem ein Min­destlohn für Menschen mit Behinderungen in Tageswerkstätten gefordert. Wir haben auf das Problem, das eine pauschale Mindestlösung bringt, hingewiesen, da die Anfor­derungen für Menschen mit Behinderungen verschiedener nicht sein könnten. Was wir wollen, ist eine pauschale sozialversicherungsrechtliche Absicherung für alle Menschen und auch Lohn statt Taschengeld, aber die Löhne können wir nicht pauschal für alle festlegen.

Ich sehe hier ein Problem, das viel tiefer geht und nicht mit der Einführung eines Min­destlohns gelöst werden könnte. Als Beispiel sei genannt, dass Menschen, die in Tageswerkstätten arbeiten, vom AMS als arbeitsunfähig eingestuft werden. Es liegt also auf der Hand, dass man sich hier mit dem Arbeitnehmerbegriff auseinandersetzen muss.

Aus diesem Grund fordern wir keine halbherzigen Lösungen, sondern den Start eines Prozesses, in dem politische EntscheidungsträgerInnen gemeinsam mit VertreterInnen der Menschen mit Behinderungen sowie Trägerorganisationen an Lösungen arbeiten.


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Ziel sollte es sein, dass Personen in Beschäftigungswerkstätten angemessen entlohnt werden und selbstverständlich in der Sozialversicherung voll versichert sind.

Hier richte ich mich auch wieder an Sie, Herr Minister Kocher: Bitte starten Sie einen derartigen Prozess, weil Inklusion ein Menschenrecht ist! – Danke. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der Grünen.)

10.26


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Scheucher-Pichler. – Bitte sehr.


10.26.47

Abgeordnete Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler (ÖVP): Herr Präsident! Geschätztes Hohes Haus! Herr Bundesminister! Frau Kollegin Fiedler, ich schätze unsere gemein­same Arbeit und das gemeinsame Anliegen, sich für Menschen mit Behinderung ein­zusetzen, aber bei einem so wichtigen Thema hier mit einer derartig flapsigen Aussage gegenüber dem Bundeskanzler aufzutreten, halte ich wirklich für stillos. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich weise das ganz entschieden zurück, denn Tatsache ist, dass sich diese Bundes­regierung ganz klar zur Inklusion bekennt und auch im Regierungsprogramm ganz klar festgelegt hat, dass es Ziel ist, Menschen am Ersten Arbeitsmarkt unterzubringen. (Zwischenruf der Abg. Rendi-Wagner.) Dieser Entschließungsantrag, Frau Kollegin Rendi-Wagner, stellt auch sicher, dass bis zum Ende des Jahres entsprechende Maßnahmen gesetzt werden, und da vertraue ich auch dem neuen Bundesminister, der sich ganz klar dazu bekennt. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Mir ist es auch wichtig – das ist, glaube ich, das Wichtigere, denn wir können so viele Maßnahmen setzen –, dass wir eine weitere Sensibilisierung der Gesellschaft erreichen, dass wir ein Umdenken in den Köpfen der Menschen erreichen, aber auch ein Spüren im Herzen. Darauf kommt es eigentlich an, nämlich dass die Barrieren in der Gesell­schaft wirklich fallen.

Die Volksanwaltschaft hat sich damit auseinandergesetzt, es gibt auch eine Bürger­initiative, und fast alle Anliegen haben wir in diesem gemeinsamen Antrag – und ich finde es gut, dass wir diesen gemeinsamen Antrag haben – untergebracht. Danke auch dafür, dass es da eine gemeinsame Zielsetzung gibt. Wir wollen vor allem auch – das ist heute auch ein ganz wichtiger Punkt –, dass es nicht zu einer Feststellung der Arbeitsun­fähig­keit vor dem 25. Lebensjahr kommt, weil das viele Nachteile hat, wie etwa keinen Zu­gang mehr zu Rehabilitationsmaßnahmen zu haben und von berufsstützenden Maßnah­men für den Ersten Arbeitsmarkt ausgeschlossen zu sein.

Diese Einstufung ist ganz wichtig, ebenso wichtig ist es, neue Aspekte stärker mitzu­berücksichtigen: weitere Ressourcen, das soziale Umfeld, soziale Kompetenzen und auch die persönliche Assistenz, Frau Kollegin Kira Grünberg hat es schon gesagt.

Es ergeben sich meiner Ansicht nach auch viele Chancen aufgrund der Digitalisierung und der neuen Möglichkeiten im Homeoffice. Es gibt so viele Innovationen, ich nenne nur zwei: Innomake, ein vibrierender Schuh für blinde Menschen, von einem öster­reichi­schen Start-up mit einem Kärntner aus dem Lavanttal an Bord, oder Orcam, eine Brille, die blinden Menschen vorliest und Orientierung bringt. Wir müssen diese technischen Tools viel stärker in der Arbeit mit Behinderten einsetzen und nützen.

Ja, die UN-Behindertenrechtskonvention, die auch von Österreich ratifiziert wurde, verpflichtet uns zur Inklusion, aber ich denke, wir alle wollen es auch, und das ist das viel Entscheidendere.


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Mit dem heutigen Beschluss kommen wir einen ganz, ganz entscheidenden Schritt weiter. – Danke für diese gemeinsame Vorgangsweise. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Disoski.)

10.30


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wie vereinbart verlege ich die Abstimmung an das Ende der Verhandlungen über jene Tagesordnungspunkte, die im Sozialausschuss beraten wurden.

10.30.273. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 1477/A der Abgeordneten August Wöginger, Mag. Markus Koza, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert wird (792 d.B.)

4. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 651/A(E) der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend COVID-19-Aufzahlung für Notstandshilfebezieher durch AMS (793 d.B.)

5. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 1000/A(E) der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Evalu­ierung von Lehrabbrüchen (795 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen nun zu den Tagesordnungspunkten 3 bis 5.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Muchitsch. Bei ihm steht das Wort. – Bitte sehr.


10.31.20

Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ): Geschätzter Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Ich darf nun zu den Tagesordnungspunkten 3 bis 5 Stellung beziehen (eine Tafel mit der Aufschrift „40.000 Jobs in Gemeinden und sozialen Einrichtungen“ mit einer Flasche Desinfektionsmittel stabilisierend auf das Rednerpult stellend). – Praktiker! – Es geht um Arbeitslosigkeit (Heiterkeit des Abg. Scherak – Abg. Kickl: Jetzt sieht man dich nicht mehr!), es geht um die Notstandshilfe betreffend Aufstockung. (Das Desinfek­tionsmittel und die Tafel fallen vom Rednerpult. – Heiterkeit und Rufe bei ÖVP und FPÖ: Praktiker! – Weitere Zwischenrufe bei ÖVP, FPÖ, Grünen und NEOS. – Der Redner stellt die Tafel neuerlich auf das Rednerpult und hält sie mit einer Hand fest.)

Das Thema ist eigentlich nicht zum Lachen, weil seit Beginn der Pandemie die Zahl der Arbeitslosen, vor allem bei der Langzeitarbeitslosigkeit, massiv ansteigt, Herr Bun­desminister, von 105 000 Langzeitbeschäftigungslosen auf knapp 147 000, und sie wird auch weiter ansteigen. Seit Monaten bringt die SPÖ Vorschläge ein, um die Regierung zu überzeugen, endlich Maßnahmen zu setzen. (Beifall bei der SPÖ. – Abgeordnete der SPÖ halten Tafeln mit den Aufschriften „Her mit der Aktion 40.000“, „Neue Jobs schaffen


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statt PR-Shows für Kanzler Kurz!“, „40.000 Jobs in Gemeinden und sozialen Ein­richtungen“ und „146.000 Langzeitarbeitslose sind zu viel. Her mit der Aktion 40.000!“ in die Höhe.)

Es ist uns leider bis dato nicht gelungen, die Regierungsparteien davon zu überzeugen, wie wichtig es ist, dass wir jetzt schon Maßnahmen diskutieren, jetzt schon Maßnahmen erarbeiten, um diese langzeitbeschäftigungslosen Menschen endlich wieder in Jobs zu bringen. Sie haben zwar jetzt in der Regierungsklausur ein Programm, Sprungbrett, präsentiert, aber es war wieder nur eine Überschrift. Herr Bundesminister, es ist nichts Konkretes. Seit Monaten bringen wir als SPÖ Vorschläge ein, seit Monaten werden diese vertagt, werden diese abgelehnt, und das ist gegenüber diesen Menschen, die es da getroffen hat, nicht würdig. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn wir von der Aktion 40 000 sprechen, weichen Sie immer gleich in die Aktion 20 000 ab. Die Aktion 40 000 ist etwas anderes als die Aktion 20 000, denn da geht es darum, Menschen unter neuen Richtlinien und Kriterien endlich auch im öffentlichen Bereich Jobs anzubieten, in dem Hilfsorganisationen, soziale Einrichtungen und Gemeinden einen Bedarf haben. Reden Sie mit den Bürgermeistern, ob sie nicht gerade jetzt in dieser Pandemie zusätzliches Personal brauchen, aufgrund all der Maßnahmen, die sie im Zuge dieser Pandemie zusätzlich zu leisten haben!

Es geht aber auch um Folgendes – weil auch die Kritik gekommen ist, warum nur in den öffentlichen und nicht auch in den privaten Bereichen –: Wir werden heute als SPÖ einen Unselbständigen Entschließungsantrag einbringen, den wir wirklich mit Ihnen, Herr Bundesminister, und mit allen Parteien diskutieren wollen. Es geht dabei um einen Coronabeschäftigungsbonus. Es geht darum, dass wir auch für Firmen in der Privat­wirtschaft Anreize schaffen, Langzeitarbeitslose zu beschäftigen. Dazu braucht es An­reize, dazu braucht es ein Modell, und einen Vorschlag für dieses Modell werden wir heute einbringen. Diesen wollen wir mit Ihnen diskutieren – zwei ganz konkrete Vor­schläge, zwei ganz konkrete Maßnahmen dafür, wie wir diese Menschen in Jobs bringen können und wollen und werden.

Herr Bundesminister, was ich wirklich kritisieren muss – Sie sind zwar erst seit Jänner im Amt –: Seit Monaten fragen wir die Regierungsparteien und die Bundesregierung: Wo ist Ihr Fahrplan zur Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit? Wo sind Ihre Konzepte – außer Überschriften? Wo sind überhaupt Ihre Emotionen zu diesem Thema? – Die sind überall nicht da. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie lassen da eine Gruppe zurück. Das Einzige, das Sie machen: Wenn die SPÖ immer wieder Druck macht und sagt: Vergesst bitte nicht auf diese Gruppe, auf diese Betroffenen!, dann gibt es befristete Maßnahmen wie zum Beispiel die Erhöhung oder die Aufstockung der Notstandshilfe auf das Arbeitslosengeld. (Ruf bei der ÖVP: Das haben wir ja eh gemacht!) Das haben wir im März bereits gefordert. Herr Bundesminister, warum nicht gleich? (Zwischenruf des Abg. Hörl.) Die Menschen müssen mit 27 Euro Notstandshilfe am Tag auskommen – 27 Euro am Tag!

Wir haben Sie im März gefragt: Wird das jetzt verlängert oder nicht?, und Sie brauchen wieder Wochen, um eine Entscheidung zu treffen, dass es befristet bis Ende Juni verlängert wird. Wir hätten Ihnen da auch unser ganzes Vertrauen entgegengebracht, Herr Arbeitsminister, indem wir gesagt hätten: Machen wir es gleich per Verordnung, damit Sie es verlängern dürfen – nicht dass die Leute wieder zittern müssen, ob das dann am 30. Juni zu Ende ist und ihr euch vielleicht dann einmal im Juli bewegt und wieder einen neuen Antrag beschließt! So geht man mit diesen betroffenen Menschen nicht um! (Beifall bei der SPÖ.)

Jenen Menschen, die nun arbeitslos geworden sind, geht es nicht gut; sie sind seit Monaten in Arbeitslosigkeit und sie müssen mit dem Arbeitslosengeld auskommen.


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Wissen Sie, wir werden nicht müde werden, Sie davon zu überzeugen, dass es eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes braucht! (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn gestern der Präsident der Caritas in der „ZIB Nacht“ ganz klar gesagt hat: Wir brauchen eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes!, muss man sagen, geht es nicht darum, welche Partei das zuerst gefordert hat, sondern es geht darum, dass wir der Sozialkrise zu begegnen haben. Das ist die Botschaft.

Aus diesem Grund bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Erhöhung der Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Arbeit wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend eine Regierungsvorlage zu übermitteln, mit der eine Er­höhung des Arbeitslosengeldes auf 70 Prozent des zugrundeliegenden Einkommens erfolgt. Weiters soll mit Stichtag des Inkrafttretens auch eine Neuberechnung für alle BezieherInnen bereits laufender Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung erfolgen.“

*****

Wenn Ihnen diese Menschen wirklich wichtig sind, wenn Ihnen diese Menschen nicht egal sind, dann stimmen Sie heute bitte unserem Antrag zu. (Beifall bei der SPÖ.)

10.37

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Muchitsch,

Genossinnen und Genossen

betreffend Erhöhung der Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 3 Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 1477/A der Abgeordneten August Wöginger, Mag. Markus Koza, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosen­versicherungsgesetz 1977 geändert wird (792 d.B.)

Rund 460.000 Menschen waren Ende März in Österreich arbeitslos. Ihr durch­schnitt­liches Arbeitslosengeld liegt bei rund 30 Euro am Tag, das sind zirka 900 Euro im Monat – oft ist es auch weit darunter.

Darüber hinaus steigt die Langzeitbeschäftigungslosigkeit. Etwa 150.000 Personen, mehr als die Hälfte als vor der Corona-Pandemie, sind bereits länger als 12 Monate arbeitslos. Dazu kommen noch rund 40.000 Langzeitarbeitslose in Schulungen. Öster­reich hat somit rund 190.000 Langzeitbeschäftigungslose. Ein Höchststand!

Diese Menschen müssen mit weniger als der Hälfte ihres aktiven Einkommens aus­kommen.

Der durchschnittliche Bezug ist auch deshalb so niedrig, weil in der Corona-Krise vor allem Menschen ihren Job verloren haben, die ohnehin schon wenig verdient haben:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll99. Sitzung, 22. April 2021 / Seite 47

Jobs wurden vor allem in der Gastronomie, im Tourismus und im Handel gestrichen. Auch viele Reinigungskräfte haben ihren Job verloren.

Das Durchschnittseinkommen im Handel liegt bei rund 1.500 Euro, im Tourismus und der Gastronomie überhaupt nur bei 750 Euro, wie das Momentum Institut errechnet hat. Diese Menschen haben schon Geldsorgen, wenn sie Arbeit haben – wenn sie die Arbeit verlieren, reichen 55 Prozent des letzten Einkommens bei weitem nicht mehr aus, um die wichtigsten Kosten des Lebens abzudecken.

Bei 1.500 Euro netto Letzteinkommen bleibt ein Arbeitslosengeld von etwa 825 Euro übrig. Davon ist es schwer, die Miete, das Essen und Reparaturen zu bezahlen oder gar Kreditraten auf die Wohnung oder das Haus.

Seit über einem Jahr fordern Gewerkschaften, SPÖ, FPÖ und Arbeitsmarkt-ExpertInnen daher die Erhöhung des Arbeitslosengelds auf 70 Prozent des Einkommens. Denn von 900 Euro oder weniger im Monat kann niemand leben – besonders dann nicht, wenn die Arbeitslosigkeit völlig unvorhergesehen auf einen zukommt, wie es in der Corona-Krise bei vielen der Fall war. Die niedrige Ersatzrate von 55 Prozent in Österreich stammt aus einer Zeit der Vollbeschäftigung, als Menschen nur sehr kurz arbeitslos waren. Für längere Phasen der Arbeitslosigkeit ist der Satz zu niedrig.

Andere europäische Staaten, wie die Schweiz (79%), Portugal (76%), Dänemark (74%) oder die Niederlande (74%), haben deutlich höhere Nettoersatzraten.

Entgegen aller Bedenken überlegen die Regierungsparteien weiterhin schrittweise Kürzungen des Arbeitslosengeldes einzuführen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachfolgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Arbeit wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend eine Regierungsvorlage zu übermitteln, mit der eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes auf 70 Prozent des zugrundeliegenden Einkommens erfolgt. Weiters soll mit Stichtag des Inkrafttretens auch eine Neuberechnung für alle BezieherInnen bereits laufender Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung erfolgen.“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Zopf. – Bitte sehr.


10.38.11

Abgeordnete Bettina Zopf (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher zu Hause vor den Fernsehbildschirmen! Arbeitsfähig, arbeitswillig und trotzdem arbeitslos: Arbeits­losigkeit und Notstand sind die harte Realität zu einem Zeitpunkt, an dem drei Krisen gleichzeitig Österreich und die Welt belasten. Die Gesundheitskrise hat eine Wirt­schaftskrise und eine Arbeitskrise zur Folge. Sie haben uns in eine außergewöhnliche Situation gebracht. Das heißt, es sind mehr Menschen langzeitarbeitslos oder beziehen eben bereits die Notstandshilfe und sind somit in einer nicht selbst verschuldeten Krisensituation. Genau um diese Notstandshilfe geht es heute.


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Kein Job bedeutet kein eigenes Einkommen und kein Beitrag zum Sozialstaat. Das ist belastend für jene, die sich in dieser Notlage befinden, und auch belastend für den Staat. Aus meiner Sicht und aus Sicht der Bundesregierung ist es jetzt noch der richtige Zeitpunkt, die Notstandshilfe an die Höhe des Arbeitslosengeldes anzupassen. Diese soziale Leistung ist jetzt noch ein notwendiges Hilfsmittel, um diese Frauen und Männer finanziell über Wasser zu halten. Das kann und wird aber keine Dauerlösung sein. Es muss unser Ziel sein, in den kommenden Wochen Arbeit wieder attraktiv zu machen – aus Verantwortung für Österreich. (Beifall bei der ÖVP.)

Daher ist es für uns oberste Priorität, Arbeitslose mit einem Job wieder in die Unab­hängigkeit zu bringen. Natürlich ist es keine Frage, Betroffenen in diesen schwierigen Zeiten unter die Arme zu greifen und diese zu unterstützen.

Meine Devise in der Thematik war schon immer: Hilfe zur Selbsthilfe. Natürlich ist der Staat in Verbindung mit Wissenschaft und Gesellschaft der wichtigste Player. Nur ge­meinsam können wir Österreich sozial, ökologisch zukunftsfähig und nachhaltig ent­wickeln. Dafür braucht es aber jeden und jede von uns – aus Verantwortung für Österreich. (Abg. Angerer: Bravo! – Abg. Bösch: Das war ein guter Schlusssatz!)

Der Staat ist nur durch diese Steuern und Abgaben in der Lage, das ausgezeichnete Gesundheitssystem und alle sozialen Beihilfen zu finanzieren. Wir vonseiten der Politik schaffen Rahmenbedingungen. Die Wirtschaft, also jeder einzelne Unternehmer und jede einzelne Unternehmerin, schafft Jobs und zahlt Steuern, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer leisten durch ihre Arbeit Abgaben an den Staat – aus Verantwortung für Österreich. (Ruf bei der FPÖ: Weil’s wahr ist!)

Für einen guten Weg aus der Krise braucht es eine florierende Wirtschaft und eine groß angelegte politische Initiative. Mit der heutigen Erhöhung der Notstandshilfe bis Ende Juni wollen wir allen Menschen, die sich bereits in einer schwierigen Lage befinden, helfen. Diese Maßnahme ist sozial und vor allem jetzt noch notwendig. Unser lang­fris­tiges Ziel ist es aber, Arbeit zu schaffen und attraktiv zu gestalten – aus Verant­wortung für Österreich. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe der Abgeordneten Belakowitsch und Matznetter.)

10.41


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Abgeordnete Belakowitsch ist zu Wort ge­meldet. – Bitte.


10.41.46

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen! Nach dieser Kabaretteinlage kommen wir wieder zurück zu dem Thema, um das es heute eigentlich geht. (Rufe bei der ÖVP: He! Hallo! Kabarett?! Entschuldigung?!) Am 31. März ist ausgelaufen - - (Abg. Kirchbaumer: Kabarett machen ...! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Ich weiß jetzt eigentlich nicht, warum Sie so unruhig sind. Bitte, Herr Präsident, vielleicht könnten wir da Ruhe hineinbringen! Ich weiß nicht, warum diese Aufregung herrscht. (Abg. Steger: Herr Präsident ...! – Zwischenruf des Abg. Hafenecker.) Am 31. März des heurigen Jahres war für viele Menschen, die derzeit Notstandshilfe beziehen, ein Tag, an dem sie nicht gewusst haben, ob sie in Zukunft wieder erniedrigte Notstandshilfe bekommen werden oder eben nicht.

Wir sind in einer Situation, in der viele Bürgerinnen und Bürger aufgrund des Versagens dieser österreichischen Bundesregierung unverschuldet in Arbeitslosigkeit gekommen sind. Man muss das deutlich sagen und kann es nicht oft genug wiederholen: Ihre sinnentleerten Maßnahmen und Ihr mutwilliges Zerstören des Arbeitsmarktes haben


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll99. Sitzung, 22. April 2021 / Seite 49

dazu geführt, dass wir so hohe Arbeitslosenzahlen und so hohe Beschäftigungslosen­zahlen haben wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr. (Beifall bei der FPÖ.)

Die einzige Antwort, die Sie gehabt haben, war, einmal nichts zu tun und abzuwarten. Sie sind dann draufgekommen, dass es vielleicht doch nicht so gut ankommt, wenn man die Leute alle im Stich lässt. Wir stehen heute da, um die Erhöhung der Notstandshilfe auf die Höhe des Arbeitslosengeldes zu beschließen, und zwar rückwirkend gültig ab 1. April.

Heute, am 22. April, stehen wir hier. Sie haben drei Wochen gebraucht, bis Sie über­haupt draufgekommen sind, dass man das rückwirkend beschließen muss. Meine Damen und Herren, das ist weder großartig sozial, wie meine Vorrednerin gesagt hat, noch besonders weitblickend. Das hätte man rechtzeitig machen müssen, damit es einen fließenden Übergang gibt. Genau so würde ich mir das auch erwarten, wenn die Erhöhung am 30. Juni ausläuft. Es ist nämlich nicht zu erwarten, dass am 1. Juli plötzlich die Arbeitslosenzahlen sinken und das große Wirtschaftswunder über Österreich hereinbricht. Das würden Sie sich wünschen, das weiß ich schon, mit irgendwelchen Comebackplänen oder Sonstigem. Das wird nicht funktionieren, meine Damen und Herren, und ich halte es für dringend notwendig, den Schaden, den Sie bei jedem Ein­zelnen verursacht haben, indem Sie die Unternehmen zerstört haben, indem Sie als Regierung Arbeitslosigkeit geschaffen haben, bei den Menschen auch wiedergutzu­machen. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir haben aber noch einen Antrag, über den, wie ich glaube, noch gar nicht gesprochen wurde, nämlich einen Antrag der NEOS, in dem es darum geht, zu evaluieren, warum junge Menschen ihre Lehre abbrechen. Das heißt, wir haben viele junge Menschen, die ihre Lehre abbrechen. Dafür gibt es ganz unterschiedliche Gründe: Vielleicht war es der falsche Beruf, vielleicht wechseln sie, vielleicht sind sie einfach irgendwie in einer schwierigen Situation, vielleicht ist eine Suchtkrankheit die Ursache. All diese Gründe zu kennen, wäre wichtig, weil wir jeden einzelnen Lehrling, den wir heute verlieren, irgendwann später im Sozialsystem haben werden. Daher wäre es klug, bei den jungen Menschen nachzuschauen und vielleicht mit ihnen gemeinsam auch die richtige Berufs­wahl zu treffen, um einen Beruf zu finden, bei dem sie durchhalten und den auszuüben ihnen auch ihr ganzes Leben Spaß machen wird. Es ist mir vollkommen unverständlich, warum man eine Evaluierung eines Problems, das es offensichtlich gibt, ablehnt. Es ist für mich nicht nachvollziehbar. (Beifall bei FPÖ und NEOS.)

Sie, meine Damen und Herren von der ÖVP, nennen sich Wirtschaftspartei. Sie be­klagen einen Fachkräftemangel. Das sind auch Ursachen eines Fachkräftemangels. Bitte evaluieren wir das gemeinsam! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

10.45


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Koza. – Bitte sehr.


10.45.36

Abgeordneter Mag. Markus Koza (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte ZuseherInnen zu Hause! Ja, ich war sehr erfreut, als ich im Rahmen der Regierungsklausur gehört habe, dass nun ein umfassendes Maßnahmenpaket zur Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit mit dem Ziel geschnürt werden soll, bis Ende 2022 50 000 Menschen in Langzeit­arbeitslosigkeit, in Langzeitbeschäftigungslosigkeit wieder Jobperspektiven, Einkom­mens­perspektiven und Perspektiven auf eine bessere Zukunft zu geben.


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Ich halte es zudem für sehr intelligent, dass auch aus den Erfahrungen mit früheren Maßnahmen gelernt worden ist – der Aktion 20 000, Eingliederungsbeihilfen und an­deren Schritten – und dass man gesagt hat, man versucht, das alles miteinander zu kombinieren. Man versucht einerseits, im Bereich der privaten Unternehmen Schritte zu setzen, um Menschen, die langzeitbeschäftigungslos sind und lange vom Arbeitsmarkt weg gewesen sind, in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Genauso aber versucht man, den gemeinnützigen Bereich, den öffentlichen Bereich und die sozialökonomischen Projekte zu berücksichtigen. Das ist eigentlich das, was wir hier seit Wochen, seit Monaten ständig sagen: dass es dieses breite Bündel braucht, dass alle Sektoren in der Wirtschaft ihre Verantwortung im Kampf gegen Langzeitarbeitslosigkeit haben und dass die öffent­liche Hand diesbezüglich – ich möchte sagen – endlich in Bewegung kommt und endlich auch etwas tut.

Auf jeden Fall bin ich schon sehr gespannt auf die Ausarbeitung, und ich bin mir auch sicher: Es wird ein Programm werden, das wirken wird. Es wird vor allem auch ein Programm werden, das wirken muss, weil Langzeitarbeitslosigkeit ein dramatisches Schicksal ist. Langzeitarbeitslosigkeit ist für die unmittelbar Betroffenen eine Situation, die in Armut treibt, die in Prekarität treibt, die in Perspektivenlosigkeit treibt. Aus dieser Situation müssen wir die Menschen herausholen, die nichts dafür können, dass dieses Virus über uns hereingebrochen ist, und die nichts dafür können, dass weltweit leider Maßnahmen notwendig waren, um dieses Virus zu bekämpfen, die uns leider auch in diese ökonomische Situation gebracht haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist aber auch immer interessant, sich an­zuschauen, wie denn die Maßnahmen tatsächlich gewirkt haben, weil immer wieder gesagt wird, diese hätten nicht gewirkt, sie wären zu wenig gewesen – zu viel sagen wenige – und kämen zu langsam, hätten nichts genützt. Die Frage ist, ob es denn tatsächlich einigermaßen valide Zahlen gibt, die uns zumindest einigermaßen einen Überblick darüber geben können, ob der Sozialstaat funktioniert hat, ob das, was regierungsseitig gemacht worden ist, funktioniert hat, ob das, was hier vom Parlament hinsichtlich der Verminderung der Armutsgefährdung, hinsichtlich der Sicherung von Einkommen, hinsichtlich der Eröffnung von Perspektiven und zur Sicherung von Beschäftigung beschlossen worden ist, auch funktioniert hat.

Es ist interessant, dass die Statistik Austria vor Kurzem Zahlen veröffentlicht hat – ich bin Ökonom, ich bin ein Freund von Zahlen, Daten und Fakten –, die uns einen sehr guten Überblick darüber geben, ob denn die Maßnahmen auch tatsächlich etwas bewirkt haben. Es ist schon interessant: Wir hatten im letzten Jahr tatsächlich einen massiven Einbruch der Ökonomie weltweit und auch in Österreich.

In Österreich ist die Wirtschaft um 5,5 Prozent eingebrochen. Interessanterweise ist es aber gelungen, die Einkommen der Privathaushalte in dieser Situation einigermaßen zu stabilisieren. Sie sind bei Weitem nicht in dem Ausmaß eingebrochen wie etwa die Ökonomie, sondern tatsächlich haben die Privathaushalte 1,9 Prozent verloren.

Das ist ein Verlust, aber es ist ein Verlust, der dank der Maßnahmen glücklicherweise weitgehend abgefangen wurde. Auch Studien aus dem Herbst 2020 bestätigen uns ja, dass es gelungen ist, die soziale Krise noch – sage ich auch – bestmöglich abzufangen. Wir werden noch einiges tun müssen, damit nach der Gesundheitskrise nicht die soziale Krise ausbricht. Diesbezüglich sind wir, glaube ich, auf einem sehr guten Weg. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Zuletzt noch: Die Sozialleistungen sind im Jahr 2020 um 9 Prozent gestiegen. Das zeigt, der Sozialstaat wirkt in der Krise. Kollege Loacker kann noch fünfmal die Hände vor dem Kopf zusammenschlagen: Zahlen, Daten, Fakten sagen etwas anderes als manche


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Gefühlswelten, auch in neoliberalen Welten, aus. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie der Abgeordneten Schnabel und Steinacker.)

10.50


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Loacker. – Bitte sehr.


10.50.24

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Nach den Grüßen aus dem ganz linken Eck jetzt wieder aus der wirklichen Welt (Zwischenruf des Abg. Koza): Natürlich ist es wichtig, dass jene Menschen, die aufgrund überzogener Maßnahmen der Regierung ihren Job verlieren, das dann auch ausgeglichen bekommen. Das, was hier gemacht wird, geht aber natürlich weit darüber hinaus. Es gibt in Österreich viele Menschen, die auch ohne Coronakrise fünf, zehn, 15 Jahre in der Notstandshilfe sind, und diese be­kommen jetzt auch schon wieder die Notstandshilfe erhöht. Da wird auch nicht auf den Bedarf geschaut, denn wenn jemand einen gut verdienenden Partner hat, bekommt er jetzt auch die Notstandshilfe erhöht. Was wir uns wünschen, ist, Hilfe für die, die sie brauchen – treffsicher, zielsicher –, aber nicht die Gießkanne über alle drüber. (Beifall bei den NEOS.)

Ein weiterer Antrag, den wir leider hier im parlamentarischen Aufwaschen in einem verhandeln und den die Mehrheit im Nirwana versenken wird, ist unser Antrag zu den Lehrverhältnissen. Ich habe die Wirtschaftsministerin gefragt, wie viele Lehrverhältnisse vorzeitig aufgelöst werden, und da kommen erschreckende Zahlen ans Licht. Da gibt es Branchen, in denen weit über 30 Prozent der Lehrverhältnisse vorzeitig aufgelöst werden. Daher hätten wir gerne eine Analyse darüber, wo das der Fall ist, warum das der Fall ist und was man machen könnte, um die Situation zu verbessern, weil eben Lehrlinge die Fachkräfte von morgen sind und weil es sogar jetzt, in der Coronakrise, einen Fachkräftemangel gibt, wie eine Erhebung der Wirtschaftskammer ergeben hat. 61 Prozent der Betriebe, die einen Fachkräftemangel beklagen, sagen auch, dass dieser Mangel an Fachkräften zu Umsatzeinbußen führt. Wir könnten also viel mehr Wirt­schafts­wachstum haben, wenn wir den Fachkräftemangel beseitigen.

Dann kommt Kollege Schnabel und sagt: Ja, es gibt eh einen 250-Seiten-Bericht des Wirtschaftsministeriums, die Analyse braucht es nicht. – Ja, in den 250 Seiten gibt es ein paar Seiten, in denen um es um Lehrabbruch geht, aber das Problem wird dort nur beschrieben, jedoch nicht analysiert, und es werden keine Schritte überlegt, wie man das bekämpfen könnte.

Das ist ÖVP – vom Tisch wischen, das Problem gibt es nicht, wir machen Sonnen­scheinpolitik. Es ist alles super! Hurra! Und Sebastian Kurz ist der Größte von da bis Texas. – Das ist zu wenig. (Beifall bei den NEOS.)

10.52


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister Kocher ist zu Wort gemel­det. – Bitte, das Wort steht bei Ihnen.


10.53.00

Bundesminister für Arbeit Mag. Dr. Martin Kocher: Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben immer noch eine schwierige Lage am Arbeitsmarkt, im Moment sind es 436 000Personen, die Arbeit suchend sind. Das sind glücklicherweise um 100 000 Personen weniger als Anfang des Jahres und um 180 000 Personen weniger als vor einem Jahr, als die Krise am Arbeitsmarkt den negativen Höhepunkt erreicht hat. Gleichzeitig sind es aber immer noch um ungefähr


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll99. Sitzung, 22. April 2021 / Seite 52

70 000 Personen mehr als vor zwei Jahren, 2019, vor der Krise, einer Zeit, in der die Konjunktur gut war und die Beschäftigungsquote einen Rekord erreicht hat.

Es ist eine schwierige Lage am Arbeitsmarkt, der Arbeitsmarkt ist zwiegespalten. Es gibt Bereiche des Arbeitsmarktes, in denen eine recht gute Dynamik entstanden ist – in der Industrie, im Bereich der Exportwirtschaft, am Bau; jeder, der im Moment Handwerker sucht, weiß, dass das gar nicht so einfach ist –, es gibt aber auch Bereiche, in denen praktisch keine Dynamik existiert – der Bereich des Tourismus, der Bereich der Gastro­nomie – und in denen die Menschen natürlich große Schwierigkeiten haben, weil sie zum Teil sehr lange in Arbeitslosigkeit sind, weil es keine offenen Stellen gibt, weil sie Angst vor der Zukunft haben und von der Lage, die sie nicht selbst beeinflussen können, betroffen sind.

Heute diskutieren wir eine Maßnahme, die zumindest ein bisschen diese große Heraus­forderung, diese Schwierigkeit für diese Menschen abfedert, und das ist die Erhöhung der Notstandshilfe auf das Niveau des Arbeitslosengeldes. Diese Erhöhung ist aus meiner Sicht auf jeden Fall notwendig, solange es großflächige behördliche Schließun­gen gibt. Anfang April hat sich herausgestellt, dass vor allem im Osten von Österreich noch ein harter Lockdown notwendig ist, um die Intensivstationen zu entlasten, und dass in ganz Österreich Öffnungsschritte erst im Laufe des Mai möglich sein werden. Des­wegen haben wir den Vorschlag gemacht, die Notstandshilfe aufzustocken.

Was bedeutet das für die Betroffenen? – Normalerweise beträgt die Notstandshilfe 92 bis 95 Prozent des Arbeitslosengeldes, durch die Aufstockung erhalten die Men­schen, die in Notstandshilfe sind, 100 Prozent des Arbeitslosengeldes. Das sind unge­fähr 55 Euro zusätzlich pro Monat, und davon profitieren 220 000 Menschen in Öster­reich.

Ich bin grundsätzlich zuversichtlich, dass, wenn sich die gesundheitliche Lage ent­spannt, und die Zahlen deuten im Moment darauf hin, weitere Öffnungsschritte möglich sind und dass dann auch die Beschäftigung in den Bereichen, in denen noch keine Dynamik am Arbeitsmarkt existiert, wieder zurückkommen wird, dass die Beschäftigung dort auch wieder leichter möglich sein und die Höhe der Arbeitslosigkeit zurückgehen wird. Bis dahin unterstützen wir die Menschen, die von Arbeitslosigkeit betroffen sind, mit der erhöhten Notstandshilfe. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

10.56


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Fürlinger. – Bitte sehr.


10.56.19

Abgeordneter Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP): Hohes Präsidium! Herr Bundesminister! Ich halte manchen Abgesang auf den Sozialstaat, der hier stattgefunden hat, für etwas überzogen. Lassen Sie mich vielleicht drei Zahlen bringen, nämlich drei Maßnahmen, die dieser Staat immer und zu jeder Zeit setzt, um zu helfen!

Da ist das Arbeitslosengeld, das man im Schnitt rund 50 Wochen – je nach Einzahl­dauer – bekommt. Das sind 55 Prozent des letzten Einkommens, Nettoersatzrate plus mögliche Zulagen, meine Damen und Herren.

Dann gibt es die Notstandshilfe: Herr Bundesminister Kocher hat gerade richtig ge­schildert, wie die Notstandshilfe ausgestaltet ist. Diese ist zeitlich unbegrenzt.

Als Drittes, meine Damen und Herren, haben wir natürlich auch noch die Sozialhilfe, vormals Mindestsicherung. Dafür braucht man nicht einmal Versicherungszeiten, darf dafür aber kein allzu großes Vermögen angehäuft haben.


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Ich halte daher diese ein bisschen depressive Kritik von manchem Redner hier, dass wir im Sozialstaat nicht genug und nicht schnell genug arbeiten, für völlig verfehlt. Ich habe einen Freund, den seit Langem zum ersten Mal in seinem Leben die Arbeitslosigkeit ereilt hat. Dieser hat mir bass erstaunt mitgeteilt, wie viel man da tatsächlich bekommt und dass er nach einem halben Jahr nicht einmal einen Antrag braucht, weil er so lange eingezahlt hat; und man kriegt das Ganze und kann noch Zulagen beantragen. Es war ihm irgendwie fast peinlich, dass er so viel bekommt, und er wird sich natürlich bemühen, Arbeit zu finden.

Wir sind guten Mutes, meine Damen und Herren, dass wir diese Arbeit in den nächsten Wochen und Monaten schaffen können. Sieht man sich die Statistik an, dann sind wohl in jenen Branchen, die zurzeit noch von Schließungen betroffen sind, die größten Arbeitslosenraten und -quoten zu finden, aber wenn Gastronomie und Tourismus wieder öffnen, dann werden wir uns hier in den nächsten Wochen über sehr gute und positive Dinge unterhalten können und hoffentlich auch gemeinsam freuen. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Schallmeiner.)

Ich möchte einen abschließenden Satz zu den wunderbaren Taferln der sozial­demo­kratischen Fraktion mit 40 000 sagen: Früher war es die Aktion 20 000, da hat das Taferl hier oben noch gehalten, bei 40 000 ist es schon vorne hinuntergekippt, weil es zu schwer war. Wir werden, meine Damen und Herren, nicht mit irgendwelchen Uralt­rezepten, wonach der Staat Arbeitsplätze schafft, durchkommen. Das kann er nicht, das vermag er nicht zu leisten. Wir haben schon bei der Aktion 20 000 gesehen, dass der vierte Stellvertreter des Bademeisters im öffentlichen Bad wenig eingesetzt worden ist. Es ist Arbeit, die Sinn gibt, und nicht Arbeit, die keinen Sinn gibt oder nicht vorhanden ist. (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)

Meine Damen und Herren, wir müssen gemeinsam den Österreicherinnen und Öster­reichern eine Perspektive aufzeigen, ihnen sagen, ja, wir werden die Rahmenbedin­gungen schaffen, damit sie genug Arbeitsplätze haben und sich diese im Sommer auch wieder aussuchen können. In diese Richtung müssen wir arbeiten, und das tun wir, das macht die Bundesregierung mit ihrem Comebackplan sehr gut. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Maurer und Rössler.)

10.59


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Michael Seemayer. – Bitte.


10.59.41

Abgeordneter Michael Seemayer (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Kolleginnen und Kollegen! Kollege Fürlinger, wenn du dich herausstellst und sagst, das Arbeitslosengeld ist so hoch, dass man sich schämen muss, dass man so viel Geld kriegt (Abg. Höfinger: Das hat er auch nicht gesagt, aufpassen!), dann glaube ich nicht, dass du schon einmal arbeitslos warst. Im Bereich des Tourismus bekommt man ein Arbeitslosengeld in der Höhe von 800 bis 900 Euro, und das mittlerweile über Monate hinweg. Damit muss man seinen Lebensunterhalt bestreiten. Es ist eigentlich eine Verhöhnung, was man da jetzt mit den Kolleginnen und Kollegen macht. (Beifall bei der SPÖ.)

Ein Antrag, der auch unter dem aktuellen Tagesordnungspunkt behandelt wird, be­inhaltet die Forderung nach einer ordentlichen Evaluierung von Lehrabbrüchen. Das ist ein ganz wichtiges Thema, auch für uns: 2019 wurden insgesamt 16 Prozent der Lehrverhältnisse vorzeitig abgebrochen; im ersten Lehrjahr wurde sogar ein Drittel aller Lehrverhältnisse abgebrochen.


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Zwischen den Branchen gibt es da einen groben Unterschied: Während im Tourismus und in der Freizeitbranche 30 Prozent aller Lehrverhältnisse vorzeitig beendet wurden, sind es in der Industrie nur ganz, ganz wenige. Es ist bei diesem Thema aber sehr, sehr wichtig, dass man sich nicht nur die Zahlen anschaut – und so ist ja im Ausschuss argumentiert worden: dass es ja die Zahlen gebe, wie viele abgebrochen hätten –, sondern auch die Ursachen ganz genau untersucht. Für mich ist das nicht nachvollziehbar, dass man sich einer solchen Evaluierung entziehen will.

Eine ordentliche Analyse ist auch deswegen wichtig, weil man ganz genau weiß, dass Menschen, die keine Berufsausbildung haben, ein weitaus höheres Risiko haben, irgendwann im Laufe ihres Lebens arbeitslos zu werden. Das zeigen die aktuellen Arbeitslosenzahlen, auch da sind die Bereiche Tourismus und Gastronomie besonders stark betroffen.

Noch etwas haben wir ja in der Fragestunde schon diskutiert, Herr Minister Kocher: die Tatsache, dass Fachkräfte in andere Branchen abwandern und dadurch im Tourismus und in der Hotellerie eventuell ein Arbeitskräftemangel entsteht. Werte Kolleginnen und Kollegen, das liegt auch daran, dass es sich die Leute nicht mehr leisten können, monatelang mit 55 Prozent Nettoersatzrate auskommen zu müssen.

Das Problem werden wir auch nicht verhindern können, indem man vonseiten des AMS keine Schulungen aktiv anbietet – vielmehr wird es notwendig sein, die Bereiche Tourismus und Gastronomie für Arbeitnehmer attraktiv zu gestalten. Dazu gehört, dass man Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ein gutes Arbeitsumfeld bietet; dazu gehören geregelte Arbeitszeiten, um Arbeit und Familie unter einen zu Hut bringen. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Strache.)

Dazu gehört ganzjährige Beschäftigung; dazu gehört aber auch, dass man nicht ständig von Arbeitslosigkeit bedroht ist, und es gehört eine ordentliche Entlohnung dazu! Ich kenne kaum noch Eltern, die ihren Kindern empfehlen, eine Lehre im Tourismus, im Handel oder in der Gastronomie zu machen – genau das Gegenteil ist der Fall!

Wichtig wird sein, Herr Minister, dass man den Arbeitsmarkt nicht nur aus Expertensicht, sondern auch aus Sicht der Arbeit suchenden Menschen betrachtet. Wir werden nicht erfolgreich sein, wenn wir versuchen, Menschen zu zwingen, jede Arbeit anzunehmen – wir werden dann erfolgreich sein, wenn man Arbeit so gestaltet, dass sie gerne gemacht wird, und das beginnt schon bei der Lehre. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Strache.)

11.03


Präsidentin Doris Bures: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Josef Muchitsch zu Wort gemeldet. – Bitte. (Ruf bei der ÖVP: Oh je!)


11.03.14

Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ): Frau Präsidentin! Abgeordneter Fürlinger hat behauptet, die Aktion 40 000 der SPÖ wäre ein Uraltkonzept.

Ich stelle richtig: Die Aktion 40 000 ist ein neues Konzept mit neuen Richtlinien, mit einer neuen Zielgruppenausrichtung – für alle Altersgruppen –, mit einer neuen Art der Ko­finanzierung durch die Fördernehmer, die den Staat lediglich 400 Euro pro Kopf und Monat kostet. Bitte schaut euch unsere Anträge genauer an! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

11.03


Präsidentin Doris Bures: Nun ist Herr Abgeordneter Joachim Schnabel zu Wort gemeldet. – Bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll99. Sitzung, 22. April 2021 / Seite 55

11.03.52

Abgeordneter Joachim Schnabel (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren vor den Fernsehbild­schirmen! Herr Kollege Loacker hat mich in seiner Rede schon zitiert, ich nehme auch kurz zu seinem Entschließungsantrag betreffend „Evaluierung von Lehrabbrüchen“ Stellung und dazu, warum wir diesem nicht zustimmen: Es gibt alle zwei Jahre einen wirklich umfassenden Bericht des IBW für das Wirtschaftsministerium, in dem untersucht wird, wie es im Bereich der Lehrausbildung aussieht, und ein Teil dieses Berichtes ist natürlich auch den Lehrabbrüchen gewidmet.

Darüber hinaus, auch wenn die NEOS sie nicht so gerne haben, gibt es auch von der Wirtschaftskammer einen implementierten Prozess zum Qualitätsmanagement in der Lehrausbildung, bei dem fortlaufend immer wieder Daten erhoben werden, wie es im Bereich der Lehre aussieht. Auch im Berufsausbildungsgesetz ist ein Beirat fixiert, der mit den Sozialpartnern jährliche Analysen durchführt, was die Lehre betrifft.

Zwei Zahlen noch zu den Abbrüchen, Herr Kollege Loacker. Erstens: Sie verschweigen, dass wenn jemand in der überbetrieblichen Lehrausbildung, der ÜBA, eine Lehre beginnt und dann in eine Lehrausbildung in die freie Wirtschaft wechselt, dies in der Statistik als Lehrabbruch gewertet wird. Das macht summa summarum 41 Prozent der Lehrabbrüche aus – das ist natürlich eine große Zahl und relativiert dann auch die vielen Lehrabbrüche.

Die zweite Zahl, die Sie nennen, sind die Rückgänge bei den Lehranfängern – da muss man schon das Gesamte sehen, nämlich die Demografie. Es gibt in diesem Land 18 Prozent weniger Geburten, gleichzeitig gibt es bei den Lehranfängern einen Rück­gang von nur 17 Prozent – und sogar einen gegenteiligen positiven Trend, weil jetzt wieder verstärkt Menschen in die Lehre gehen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Loacker: Das sollten Sie vielleicht ... und vorgefertigte Reden herunterspulen!)

Was tun wir alles, damit junge Menschen ihr Talent erkennen und ihren Lehrberuf fin­den? – Ich nehme das Beispiel der Steiermark her: Unser Wirtschaftskammerpräsident Josef Herk ist wirklich ein Fighter für die Lehre. Wir haben in Graz das Talentcenter installiert, eine Institution, die für das beste Bildungsprojekt, mit dem junge Menschen ihre Talente finden und in die Berufsausbildung hinüberbegleitet werden, als Weltmeister ausgezeichnet wurde. Viele von Ihnen haben das sicher nicht gewusst, dass wir in der Steiermark dieses weltmeisterliche Projekt zur Lehrausbildungsfindung haben.

Ich bin ein Kind der Lehre, aber ähnlich sieht es auch in einem anderen Punkt aus: Wir reden hier viel über das duale System, wissen aber nicht, was für einen Schatz wir in Österreich haben.

In Kürze findet in Graz die Euroskills statt, der Wettbewerb der besten Lehrlinge. Wir werden dort wieder Europameisterinnen und Europameister in den Lehrberufen her­vorbringen, und das sind für mich dann die Lehrlingsbotschafter, die wir brauchen, um die Lehre und den Facharbeiterberuf weiterhin aufzuwerten. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Maurer.)

11.07


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Damit ist diese Debatte geschlossen.

Wünscht einer der Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wie vereinbart verlege ich die Abstimmungen über diese Tagesordnungspunkte an den Schluss der Verhandlungen über die Vorlagen des Ausschusses für Arbeit und Soziales.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll99. Sitzung, 22. April 2021 / Seite 56

11.07.35 6. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Bürgerinitiative Nr. 14/BI: Bürgerinitiative betreffend „‚Nachtgutstunden‘ für alle Arbeitneh­merIn­nen in Pflegeeinrichtungen“ (794 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen nun zu Punkt 6 der Tagesordnung.

Auch da wurde auf eine mündliche Berichterstattung verzichtet.

Erste Rednerin: Frau Abgeordnete Elisabeth Scheucher-Pichler. – Bitte.


11.08.02

Abgeordnete Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Bun­desminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Bei der vorliegenden Bürgerinitiative handelt es sich, wie schon erwähnt, um das Anliegen einer Ausdehnung der Zeit­gutschrift für Nachtdienste in der Gesundheitsvorsorge für sämtliche Pflegeeinrich­tun­gen und Pflegetätigkeiten.

Die Novelle des Nachtschwerarbeitsgesetzes von 1992 schafft derartige Ausgleichs­maßnahmen, eben Zeitgutschriften und Maßnahmen der Gesundheitsvorsorge für Arbeitnehmer, die in Krankenanstalten oder Pflegestationen in Pflegeheimen beschäftigt sind. Das wird als nicht praxistauglich beschrieben. Es geht bei dieser Bürgerinitiative darum, die Gleichstellung von Pflegeeinrichtungen mit und ohne Pflegestation zu erreichen.

Die Realität ist, dass es in den Landesgesetzen unterschiedliche Definitionen von Pfle­geheimen und Pflegestationen gibt, daher liegt der Wunsch vor, den Anwendungs­bereich auf „Pflegeeinrichtungen gemäß dem jeweiligen Landesgesetz“ zu ändern.

Ich denke, da gibt es Abstimmungsbedarf, das muss man sicher überdenken – denn derzeit gibt es nicht einmal in allen Abteilungen von Akutspitälern derartige Regelungen. Die Definition muss nachgeschärft werden, und ich denke, dass wir da offen sein sollten. Es ist ein höchst unübersichtliches System, das ganz bestimmt reformbedürftig ist. Trotz­dem muss aber festgestellt werden, dass schon jetzt in Anwendung des Nacht­schwer­arbeitsgesetzes dieser Zeitausgleich festgelegt oder auch im Kollektivvertrag vereinbart werden kann. Eigentlich braucht es da also keine eigene gesetzliche Regelung, inhaltlich sollte man sich aber damit auseinandersetzen.

Ich denke, es handelt sich um eine typische Sozialpartnermaterie, die in der Regel nicht ohne Konsens der Sozialpartner gesetzlich geregelt wird. Es sollte daher in jedem Fall der Dialog gesucht werden. Vor allem auch im Rahmen der Pflegereform haben wir viele Möglichkeiten, diese Dinge mit den Ländern zu besprechen. Da gibt es ja viele Bereiche, in denen der Dialog, der Diskurs mit den Ländern – mit den unterschiedlichen Landes­gesetzgebungen – notwendig sein wird.

Wir sind vonseiten unserer Fraktion offen. Ich denke, wir brauchen in jedem Fall best­mögliche Rahmenbedingungen für den Pflegebereich, für die Pflegekräfte. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

11.10


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Christian Drobits. – Bitte.


11.10.44

Abgeordneter Mag. Christian Drobits (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Nun, die Forderung dieser


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll99. Sitzung, 22. April 2021 / Seite 57

Bürgerinitiative nach Nachtgutstunden oder Zeitguthaben für alle ArbeitnehmerInnen in Pflegeeinrichtungen ist ja selbstredend.

Es ist für mich nicht nachvollziehbar, Herr Bundesminister, dass ich bei Ihnen keine Emotion sehe, dass Sie nicht sagen: Das gehört sofort umgesetzt! – Es ist für mich auch nicht nachvollziehbar, dass die Kollegin von der ÖVP sagt: Wir müssen das überdenken, wir müssen offen sein! – Nein, das gehört jetzt geändert! Wir haben eine Pandemie! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir haben eine Pandemie, in der das Pflegepersonal wirklich nicht mehr kann. Es ist müde. Der Virus ist nicht müde. Das Pflegepersonal braucht jetzt volle Unterstützung. Es braucht nicht nur in Bezug auf bessere Bezahlung Unterstützung, sondern auch was die Arbeitsbedingungen betrifft. Wenn man zu den Nachtgutstunden, zum Zeitguthaben Nein und nicht gleich Ja sagt, ist man am falschen Platz und unterstützt diese Per­sonengruppe nicht.

Ich sage Ihnen, Herr Bundesminister, ich bin wirklich enttäuscht von Ihnen. Ich denke mir, Sie hätten jetzt die Möglichkeit, da zu reagieren. Viele warten darauf, dass Sie jetzt Entscheidungen treffen, und es kommt nichts. Bitte warten! Es wird gesagt: Wir machen eine Pflegereform, und dann kommt das eh! – Ich erwarte mir jetzt von Ihnen, dass Sie diese Schritte setzen und diese Personengruppe nicht allein lassen. (Beifall bei der SPÖ.)

Warum? – Das Gesetz ist derart antiquiert, dass es nur Pflegestationen betrifft. Wir haben neue Formen von Pflegeeinrichtungen. Warum soll das Personal dafür büßen, dass nicht klar geregelt ist, dass alle Pflegeeinrichtungen umfasst sind und dass das Personal überall die gleichen fairen Rechte hat? Diejenigen, die das ausnützen, die Heimbetreiber, die das ausnützen, sind diejenigen, die wie Dagobert Duck Dollarzeichen in den Augen haben und im Endeffekt klar das Geld vor den Schutz der Arbeitneh­merin­nen und Arbeitnehmer stellen. Das wollen wir sicherlich nicht! (Beifall der SPÖ.)

Wir wollen, dass das Pflegepersonal gut bezahlt wird, dass mehr Personal kommt und dass die Maßnahmen zum Schutz weiterhin erhalten werden, damit die Pflegerinnen und Pfleger lange und gesund in diesem Beruf arbeiten können. Ein erster wichtiger Schritt – und da unterstützen wir die Bürgerinitiative der Gewerkschaft sehr stark – ist, dass man fair miteinander umgeht und schnell handelt. Herr Bundesminister, Reden ist zu wenig, Tun ist angesagt!

In einem Märchen heißt es: „Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die Schönste im ganzen Land?“ – Für die Politik, würde ich meinen, heißt es: Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist der Ehrlichste und Glaubwürdigste im ganzen Land? (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Obernosterer.) – Das wird sich dann beim Abstim­mungsverhalten über diese Bürgerinitiative und über unseren Entschließungsantrag, den ich jetzt einbringen werde, zeigen: wer in der Politik wirklich ehrlich und glaubwürdig mit dem Pflegepersonal und mit der derzeitigen Situation des Pflegepersonals in der Pandemie umgeht.

In diesem Sinne bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Klarstellung der Rechtslage betreffend Schutzmaßnahmen für Pflegepersonal in Pflegeeinrich­tun­gen“

Der Nationalrat wolle beschließen:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll99. Sitzung, 22. April 2021 / Seite 58

„Der Bundesminister für Arbeit wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend eine Re­gierungsvorlage zu übermitteln, mit der eindeutig klargestellt wird, dass die Schutzmaß­nahmen für das Krankenpflegepersonal aus der“ Nachtschwerarbeitsgesetz-Novelle von 1992 „auch auf das Pflegepersonal in Pflegeeinrichtungen anzuwenden sind.“

*****

Herr Bundesminister, wir bitten um unverzügliche Handlung. Das haben sich die vielen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Pflegebereich verdient. – Danke für die Auf­merksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

11.14

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Muchitsch, Genossinnen und Genossen

betreffend Klarstellung der Rechtslage betreffend Schutzmaßnahmen für Pflegepersonal in Pflegeeinrichtungen

Mit der Novelle zum Nacht-Schwerarbeits-Gesetz 1992 sollten zusätzliche Schutzmaß­nahmen für ArbeitnehmerInnen in Krankenanstalten und Pflegeheimen, die Nacht­schwerarbeit erbringen müssen, sichergestellt werden. Eine dieser Arbeitsstätten, die der Gesetzgeber hierbei als exemplarisch für Nachtschwerarbeit ansah, waren ,,Pflegestationen in Pflegeheimen".

Als Schutzmaßnahme sah der Gesetzgeber zusätzliche 2 Stunden Zeitguthaben pro Nachtdienst vor, der eben unter solche erschwerten Bedingungen zu leisten war.

Das derzeitig sowohl in Art V § 1 Abs. 1 wie auch in § 2 Abs. 1 Z 11 NSchG-Nov 1992 normierte Abgrenzungskriterium ,,Pflegestationen in Pflegeheimen" führt allerdings zu Problemen, da einige Heimbetreiber anführen, keine Pflegestationen zu betreiben.

Allerdings erscheint diese Begründung angesichts der Tatsache, dass in Pflegeheimen überwiegend Pflegepersonen ab Pflegegeldeinstufung 4 aufgenommen werden, nicht treffend. Pflegegeldstufe 4 bedeutet einen anerkannten Pflegebedarf von über 160 Stunden. Zudem braucht es bis zu fünf Zeitpunkte am Tag, an denen Pflegeleistungen erbracht wird.

Hinzukommt, dass in Einrichtungen der stationären Langzeitpflege der Anteil an Menschen mit Demenz dramatisch zu nimmt. Expertinnen sprechen von 70 bis 80 Pro­zent der Bewohnerinnen. Zudem erfolgt die Aufnahme in die Pflegeheime heute viel später als früher. Das zeigt sich an der stetig steigenden durchschnittlichen Pflegegeld­stufe in den Pflegeheimen, die derzeit meist schon über der Stufe 4 liegt.

Aufgrund der unklaren Bestimmungen gewähren manche Unternehmen ihren Arbeit­nehmern eben nicht die 2 Stunden Zeitausgleich. Dies ist nicht nur unfair gegenüber den Arbeitnehmern, sondern auch gegenüber denjenigen Unternehmen, die diese Bestim­mung im Sinne des Arbeitnehmerschutzes auslegen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachfolgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll99. Sitzung, 22. April 2021 / Seite 59

„Der Bundesminister für Arbeit wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend eine Regie­rungsvorlage zu übermitteln, mit der eindeutig klargestellt wird, dass die Schutzmaß­nahmen für das Krankenpflegepersonal aus der NSchG-Nov 1992 idF BGBl I 2001/98 auch auf das Pflegepersonal in Pflegeeinrichtungen anzuwenden sind.“

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Dagmar Belakowitsch. – Bitte.


11.14.49

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Frau Präsident! Herr Bundesminister! Ich möchte gleich bei meinem Vorredner anschließen. Ja, das ist eine Bürgerinitiative, und es ist eigentlich traurig, dass es eine Bürgerinitiative gebraucht hat, um dieses Thema wieder aufs Tapet zu bringen. Wir sehen nämlich ganz eklatante Unterschiede in den Landesgesetzen. Vor allem in den ÖVP-geführten Ländern ist es nämlich so, dass man sich diese zwei zusätzlichen Gutstunden gerne spart, meine Damen und Herren. Das passt schon auch ein bisschen in die ÖVP-Tradition, und weil mich Kollege Gödl jetzt so böse anschaut, als wichtiger Pflegemanager der Steiermark - - (Abg. Gödl deutet auf seine Maske) – ach so, das ist die schwarze Maske. Ja, es ist halt aufgrund eurer Masken schwierig, jedes Mal eure Gesichtsausdrücke genau zu erkennen und zu inter­pretieren. (Abg. Schmidhofer: Setzt ihr die Maske auf! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Das zeigt ja ein Gesamtbild innerhalb dieser Österreichischen Volkspartei. Wir haben es ja vor der letzten Nationalratswahl im Jahr 2019 geschafft, hier herinnen gemeinsam mehrheitlich die jährliche Anpassung des Pflegegeldes zu beschließen. Es war damals der ÖVP-nahe Finanzminister Müller, der alle Fraktionen angerufen hat, damit das nur ja nicht kommt, weil die ÖVP offensichtlich ein Problem hat, wenn man das Personal in der Pflege ordentlich bezahlt, wenn man pflegenden Angehörigen, den zu Pflegenden ein ordentliches Pflegegeld bezahlt.

Das ist immer ein Willkürakt. Jeder, der einen Angehörigen hat, der Pflegegeld bezieht, weiß, wie das ist: Alle zwei Jahre geht es einmal rauf, dann wieder runter. Das ist ein Willkürakt, die Leute werden als Bittsteller dargestellt; und das sind sie nicht. Es gibt einen Rechtsanspruch – und das möchte ich noch einmal sagen – für Pflegebedürftige, das Pflegegeld zu bekommen. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich glaube, das müssen wir auch endlich den Leuten so weitergeben und nicht perma­nent knausern, wenn es darum geht, dass Bedürftige Hilfe brauchen, denn eine Gesell­schaft wird auch daran gemessen, wie sie mit ihren Schwächsten umgeht.

Für uns ist klar: Das muss jetzt sehr, sehr rasch angegangen werden, Herr Bundes­minister. Eigentlich hätten wir uns erwartet, dass Sie vielleicht schon mit einem Vor­schlag in den Ausschuss kommen, da diese Bürgerinitiative schon dagelegen ist. Das hätte ich mir von einem aktiven Arbeitsminister eigentlich erwartet. Es ist ein Bereich mit sehr, sehr schweren Arbeitsbedingungen, die immer noch schwerer werden. Wir wissen: Es gibt einen großen Bedarf an Pflegepersonal. Das liegt auch an den sehr schwierigen Arbeitsbedingungen und an der mäßigen Bezahlung. Wir kennen auch Ihre Aussagen dazu, die auch nicht besonders erfreulich sind.

Wir sind der Ansicht, dass die Pflege ein Beruf mit Zukunft ist. Das Pflegepersonal aber braucht nicht nur soziale Anerkennung und Applaus, sondern auch eine gerechte Entlohnung, nämlich eine, die der tatsächlichen Arbeitsleistung entspricht. In diesem


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll99. Sitzung, 22. April 2021 / Seite 60

Sinne, Herr Bundesminister, würde ich mir wirklich wünschen, dass Sie auf Ihre Fraktion Einfluss nehmen, dass Sie jetzt dem Entschließungsantrag zustimmen und uns dem­nächst eine Regierungsvorlage für diesen Bereich vorlegen. (Beifall bei der FPÖ.)

11.17


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Bedrana Ribo. – Bitte.


11.17.50

Abgeordnete Bedrana Ribo, MA (Grüne): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Zunächst einmal möchte ich mich bei den InitiatorInnen der BürgerInneninitiative bedanken. Ihr habt ein wichtiges Thema aufgegriffen, und als Pflegesprecherin unterstütze ich das Anliegen sehr, ebenso natürlich meine Fraktion. Worum geht es? Meine VorrednerInnen haben es eh schon erwähnt: Die Petition fordert eine gesetzliche Klarstellung, damit Menschen, die in Pflegeheimen Nachtdienste nach dem Nachtschwerarbeitsgesetz leis­ten, diese Dienste anerkannt bekommen. Das ist derzeit nur in den Pflegeheimen mit Pflegestationen möglich.

Seit dem 1992 novellierten Gesetz hat sich vieles geändert. Man sieht an diesem Bei­spiel sehr gut, dass viele Gesetze in der Pflege neu gedacht werden müssen. Aufgrund einer unglücklich gewählten Formulierung im Gesetz fallen Menschen, die in der Pflege regelmäßig in der Nacht Schwerstarbeit leisten, nicht unter das Nachtschwerarbeits­gesetz. Das ist ein Problem. Das muss gelöst werden, und das kann auch gelöst werden.

Wir sind momentan mitten in der Pflegereform und werden uns auch mit unserem Koalitionspartner ausführlich über das Thema unterhalten. Wir werden uns das Thema genau anschauen und uns dafür einsetzen, dass es zu einer Gesetzesreparatur in diesem Bereich kommt, denn das Gesetz ist überholt und gehört geändert. (Beifall bei den Grünen.)

Pflegetätigkeiten – das haben wir heute auch mehrmals gehört – sind nicht nur mental, sondern auch körperlich sehr herausfordernd. Das hat uns auch die derzeitige Gesund­heitskrise sehr deutlich vor Augen geführt. Nur 38 Prozent der Personen in den Pflege­berufen halten es für wahrscheinlich, dass sie bis zur Pension in ihrem Beruf durchhalten, obwohl viele dieser Personen sich mit dem Beruf identifizieren, obwohl sie den Beruf sehr gerne ausüben – zu Recht, schließlich ist es ein unglaublich sinnstiften­der Beruf. Es kann also nicht sein, dass Personen, die gesellschaftlich eine so wichtige und wertvolle Arbeit leisten, aufgrund von Rahmenbedingungen den Job, den sie lieben, nicht ausführen können, obwohl sie es wollen, oder dass es da aufgrund von unglück­lichen Gesetzesformulierungen zu einer Ungleichbehandlung kommt.

Wir müssen also etwas ändern. In der Pflegereform sind die Themen Personal, Rahmen­bedingungen und Attraktivierung des Pflegeberufes prominent vertreten. Rudolf Anschober hat da bereits vieles ausgearbeitet, und ich bin mir sicher, dass der neue Gesundheits­minister Dr. Mückstein den Pflegereformprozess nach bestem Wissen und Gewissen fortführen wird. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

11.21


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Fiona Fiedler. – Bitte.


11.21.05

Abgeordnete Fiona Fiedler, BEd (NEOS): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Werter Minister! Kolleginnen und Kollegen! Liebe ZuseherInnen zu Hause! (Die Begrüßung auch in Gebärdensprache ausführend:) Liebe gehörlose Menschen! Diese Bürgerinitia­tive fordert die Gleichstellung aller ArbeitnehmerInnen, die in Pflegeeinrichtungen Nacht­arbeit ver­richten. Die bisherige Regelung, nach der nur das Personal von Pflegestationen in


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Pflegeheimen einen Zeitausgleich von 2 Stunden für die geleistete Nachtschwerarbeit erhält, hat sich nicht als praxistauglich erwiesen.

Der übliche Weg in Österreich ist eine Sozialpartnerregelung. Warum wurde da nicht versucht, eine Einigung mit den Arbeitgebervertretern zu erreichen?

Zudem hat die Coronakrise die Wichtigkeit der Pflege und die Wichtigkeit der Reform des Pflegesystems aufgezeigt. Wir wissen allerdings seit Jahren, dass der Pflegebedarf in Zukunft enorm steigen wird, und dennoch haben die vergangenen Bundesregierungen geschlafen. Es gibt keine bundesweit einheitlichen Pflege-, Personalausstattungs- und Qualitätsstandards. Da muss sofort gehandelt werden.

Oft wird über das Thema Pflege diskutiert, zu oft lediglich über die Finanzierung oder unkoordinierte, teils populistische Einzelmaßnahmen, ohne dass vorab die relevanten Fragen gestellt werden: Was muss die Pflegeversorgung leisten können? Was wollen wir von der Pflegeversorgung? Wie wollen wir alt werden?

Wir sehen nicht einmal mehr: Österreich ist auf die demografische Veränderung in Bezug auf Pflege nicht ausreichend vorbereitet. Bereits jetzt suchen Spitäler, Heimträger und mobile Pflegedienste nach MitarbeiterInnen, BetreuerInnen, PflegeassistentInnen und diplomiertem Gesundheits- und Krankenpflegepersonal. In Österreich leben heute 437 000 Menschen, die älter als 80 Jahre sind. Um die Jahrhundertmitte werden es 1,2 Millionen sein. Daraus lässt sich ableiten, dass auch die Zahl der Pflegebedürftigen rasant steigen wird.

Neben einem stärkeren Fokus auf Um- und Weiterbildung im Pflegebereich braucht es mehr Prävention, damit die Menschen ein möglichst langes, möglichst gesundes Leben führen können. Regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen, körperliche Fitness sind das A und O.

Herr Minister, wir müssen arbeitsmarktpolitisch einen viel stärkeren Fokus auf die Pflege legen. Wir können und dürfen nicht länger warten. – Danke. (Beifall bei den NEOS.)

11.23


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Ernst Gödl. – Bitte.


11.23.23

Abgeordneter Mag. Ernst Gödl (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine geschätzten Damen und Herren! Hohes Haus! Ja, tatsäch­lich ist die Unterstützung von pflegebedürftigen Menschen eine ganz große gesell­schaftliche Aufgabe, und tatsächlich ist es auch eine politische Herausforderung, die Zukunft in diesem Bereich zu gestalten.

Wir haben heute auch schon in der Fragestunde gehört: Es gibt einen großen Mangel an Pflegefachkräften. Tatsächlich rechnen wir damit, dass wir in den nächsten Jahren, bis 2030, so zwischen 70 000 und 80 000 neue Beschäftigte brauchen werden, um den Bedarf zu decken. Das ist Faktum. Daher muss man sich natürlich überlegen: Wie kom­men wir dorthin? Welche Maßnahmen müssen wir jetzt setzen, um diesen Pflegekräfte­bedarf dann tatsächlich decken zu können?

Da wurde jetzt schon vieles Richtige angesprochen. Ich möchte in meiner kurzen Rede­zeit zumindest ein paar Überschriften erwähnen. Es geht einmal um die Attraktivierung des Pflegeberufs, der Pflegeberufe an sich. Frau Kollegin Bedrana Ribo hat es auch konkret erwähnt. Ja, da muss man sich natürlich viele Dinge anschauen. Da geht es einerseits um Entlohnung – das hat Frau Kollegin Belakowitsch erwähnt –, da geht es um Fragen der Belastung in den Berufen, und da geht es eben auch um diesen Punkt, den wir bei der Bürgerinitiative sehen: wie das Arbeitsrecht ausgestaltet sein soll.


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Ich möchte aber der Vollständigkeit halber schon anführen: In sehr vielen Pflegeheimen in Österreich werden diese Nachtgutstunden abgegolten, weil es ja sehr wohl einen Kollektivvertrag gibt, den die Kollektivvertragspartner ausgehandelt haben, in dem ge­nau diese Maßnahme gesetzt wird. Sehr viele sind also mit diesen Nachtgutstunden im Sinne der Bürgerinitiative bedient.

Natürlich kann man überlegen, ob man nicht trotzdem eine gesetzliche Regelung an­strebt, aber das ist sicher ein Punkt der Pflegereform, in der wir uns gerade befinden und die Gust Wöginger gemeinsam mit Rudi Anschober an der Spitze der Regierung feder­führend zu verhandeln begonnen hat.

Dann brauchen wir im Bereich der Pflege natürlich eine markante Joboffensive. Da müssen wir uns an mehrere Zielgruppen richten, zum Beispiel an die Zielgruppe jener, die sich im zweiten oder dritten Bildungsweg beruflich verändern wollen, indem wir die Pflege dafür attraktiv machen, oder an die Zielgruppe von Angehörigen, die Pflege­erfahrung haben, sodass sie auch eventuell in eine weitere Ausbildung und dann in den Pflegeberuf einsteigen, oder auch an die Zielgruppe der jungen Menschen. Die Pflege­lehre ist auch so ein Punkt, den wir uns in der Pflegereformgruppe anschauen und bei dem wir einiges probieren möchten.

Dann gibt es den Adressatenkreis Arbeitslose, Langzeitarbeitslose – ja, natürlich. Da wurde schon vieles vom Herrn Minister und auch von seiner Vorgängerin, von Christine Aschbacher, angestoßen: 700 Millionen Euro für Ausbildungsmaßnahmen über das AMS zur Verfügung gestellt, und davon natürlich auch einen Teil für Pflegeausbildungen. Der Herr Bundesminister hat es in der Fragestunde heute schon erwähnt: Auch in den Bundesländern passiert sehr viel. Ich glaube, Sie haben heute in der Früh gesagt, 10 600 Personen sind in Pflegestiftungen in den verschiedenen Bundesländern und werden auf diesen Beruf vorbereitet. Also diese Joboffensive muss es geben.

Dann möchte ich auch noch ganz konkret Migrantinnen und Migranten ansprechen. Auch da gibt es ein Projekt, das schon einige Jahre läuft, Migrants care, in dem fach­spezifische und sprachspezifische Ausbildungsprogramme angeboten werden, damit Migranten, die einen Aufenthaltsstatus in Österreich haben, in die Pflegeberufe einstei­gen können.

Dann, nicht zuletzt – das möchte ich auch erwähnen, weil es ganz aktuell ist –, haben Sie, Herr Bundesminister, vor einigen Tagen den Zugang zur Rot-Weiß-Rot-Karte der­artig erleichtert, dass Pflegefachkräfte aus anderen Ländern während des Nostrifizie­rungsverfahrens bei uns mit der Arbeit beginnen können, wenn ein Arbeitskräftebedarf besteht. Ein Bündel an Maßnahmen brauchen wir also, damit wir die Pflegereform, damit wir die Pflege der Zukunft gestalten können.

Was ganz sicher ist: Die Pflege kann für viele Menschen das Sprungbrett aus einem derzeit etwas krisenhaften Arbeitsmarkt hinaus sein, sie ist nämlich ein Beruf der Zukunft, und diesen Beruf der Zukunft müssen wir aktiv gestalten. Das Anliegen der Bürgerinitiative kann eine Maßnahme sein – die werden wir auch sehr gut im Allge­meinen diskutieren –, aber wie gesagt: Es braucht ein Bündel an Maßnahmen. Dann werden wir mit der Pflegereform eine gute Zukunft im Bereich der Pflege schaffen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

11.27


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Auch da verlege ich wie vereinbart die Abstimmung an den Schluss der Verhandlungen der Vorlagen des Kapitels Arbeit und Soziales.


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11.28.097. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 1475/A der Abgeordneten Maria Großbauer, Mag. Eva Blimlinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Errichtung eines Fonds für eine Überbrückungsfinanzierung für selbständige Künstlerinnen und Künstler erlassen wird und Bundesgesetz, mit dem das COVID-19-För­de­rungsprüfungsgesetz geändert wird (22. COVID-19-Gesetz), geändert wird (789 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen zum 7. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Erste Rednerin ist Frau Abgeordnete Maria Großbauer. – Bitte.


11.28.40

Abgeordnete Maria Großbauer (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Frau Staatssekretärin! In einer Krise kann man Kulturpolitik auch wie ein Musikstück sehen, und in diesem kulturpolitischen Musikstück braucht es mehrere Wiederholungen, vielleicht sogar viele Wiederholungen, Wiederholungen von guten Teilen – in der Popmusik würde man vielleicht sagen: mit einer guten Hookline, also mit einem einprägsamen Thema –, Wiederholungen von Teilen, die gut funktionieren.

Das tun wir: Wir wiederholen heute die neuerliche Aufstockung der Überbrückungs­finanzierung für selbstständige Künstlerinnen und Künstler mit 20 Millionen Euro auf mittlerweile 140 Millionen Euro. Wir wiederholen eine unbürokratische Unterstützung, wir wiederholen eine rasche Überweisung, wir wiederholen einen neuerlichen Lockdown­bonus für März und April, und wir wiederholen ein tiefes Bekenntnis zur Wichtigkeit von Kunst und Kultur in und für Österreich. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Voglauer.)

Abgesehen von der Überbrückungsfinanzierung für selbstständige Künstlerinnen und Künstler haben wir auch schon viele andere Unterstützungsmaßnahmen wiederholt ver­längert: den Fonds des KSVF, den Härtefallfonds, die Kurzarbeit, den Umsatzersatz, die Unterstützung für gemeinnützige Vereine in Kunst und Kultur, für Produktionen in Film und TV, die Senkung der Mehrwertsteuer auf 5 Prozent. Insgesamt gibt es schon 13 Un­terstützungsmaßnahmen für Kunst und Kultur – und mit diesen 13 Unterstützungsmaß­nahmen haben diese Bundesregierung und unsere Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer in dieser Krise bereits über 1 Milliarde Euro für Kunst und Kultur in die Hand genommen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wir wiederholen also so lange, bis wir hoffentlich bald zum Schlussteil dieses Stückes kommen – voraussichtlich Mitte Mai, wenn die Kultur auch wieder öffnen kann –, aber auch in diesem Schlussteil begleiten wir Kunst und Kultur mit den schon bekannt ge­gebenen Neustartpaketen, und auch der heute aufgestockte Fonds läuft mindestens bis Ende Juni weiter. Wir schaffen einen guten Übergang für Kunst und Kultur. Nun brauchen wir aber auch gesundheitspolitische Maßnahmen für den Herbst und für das nächste Jahr, damit wir dieses Coronamusikstück nicht wieder von vorne wiederholen müssen. Wir wollen eine neue Seite aufschlagen: ein neues kulturpolitisches Musikstück, das nicht von Wiederholungen, sondern von kräftigen, vielstimmigen Akkorden geprägt ist.

Das ist das Ende meiner Rede. Ich muss aber noch eine Coda anfügen, und diese Coda gilt exklusiv der FPÖ. Der Kultursprecher der FPÖ, Volker Reifenberger, hat nämlich nach der letzten Kulturausschusssitzung eine schriftliche Anfrage an meine Kollegin Eva Blimlinger von den Grünen gestellt; sie ist die Ausschussvorsitzende im Kulturaus­schuss. Sie haben in dieser schriftlichen Anfrage tatsächlich nach dem Zuckerl gefragt,


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das sie in der Sitzung im Mund gehabt hat, und Sie bezeichnen das in Ihrer Anfrage als „überdimensionales Zuckerl“ – ich weiß nicht, haben Sie ihr in den Mund hinein­geschaut? Sie fragen in der Anfrage sogar, ob das ein Medikament war – ich weiß nicht, ob Sie das etwas angeht –, und Sie fragen sogar wortwörtlich, ob das „ein nachhaltig erzeugtes, zuckerfreies Fairtrade-Produkt“ war. Das ist eine Farce – das ist nicht Politik, das ist eine Farce. (Beifall bei ÖVP und Grünen.) Ich weiß nicht, ob Sie nun gerade in der Pandemie nichts Besseres zu tun haben. Ja, die Frau Kollegin musste kurz den Saal verlassen, aber nur sehr kurz. Wissen Sie was? – Bei den meisten kommt die Flatulenz hinten heraus, aber mit dieser Anfrage ist sie bei Ihnen leider wieder vorne heraus­gekommen. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf bei der FPÖ. – Abg. Kickl: Frau Prä­sidentin! Frau Präsidentin!)

11.32


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek. – Bitte. (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.)


11.32.55

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Ich würde mich gerne für einige Sekunden der Wiederholung von Fehlern der Bundesregierung Kurz widmen, denn hätten Sie nicht so viele Fehler wiederholt, hätten wir mittlerweile genug Impfstoff und wären auch schon viele Schritte weiter, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf bei der ÖVP.)

Nun zur Sache, zur Aufstockung des Überbrückungsfonds für selbstständige Künstle­rinnen und Künstler: Frau Staatssekretärin, Sie haben uns im Ausschuss gesagt, dass mit Stand Ende März schon über 100 Millionen Euro beantragt waren und dass schon 88,5 Millionen Euro – es werden schon ein paar mehr sein – ausbezahlt worden sind. Das ist eine wichtige und richtige Sache, aber lassen Sie mich noch zwei, drei Gedanken zur Kulturpolitik insgesamt formulieren. Es gibt eine wirklich gute, fortschrittliche Reso­lution des EU-Parlaments, in der gefordert wird, dass die Kreativwirtschaft, die freischaf­fenden Künstler und Künstlerinnen nicht nur auf ihre wirtschaftliche Erholung hoffen dürfen sollen, sondern auch auf die Verbesserung der Arbeitsbedingungen – nämlich nach dieser Krise. Wir erfahren inoffiziell sukzessive, was für den Wiederaufbaufonds der EU im Bereich der Kunst und der Kultur eingereicht wurde, und das ist verstaubt, altmodisch und nicht innovativ und nach vorne gerichtet, weil natürlich Sanierung von Ateliers und Gebäuden wichtig ist, aber ohnehin ansteht und gemacht werden muss. Wenn es stimmt, Frau Staatssekretärin, dass die Hälfte des Budgets für diese Bau­sanierungen verwendet wird, dann bleibt für Innovation und Kreativität leider nicht mehr viel übrig.

Der letzte Gedanke, weil wir nicht so oft die Gelegenheit haben, über Kultur zu sprechen: Wenn wirklich wieder aufgesperrt wird – Herr Arbeitsminister, Sie waren heute sehr zögerlich, nicht so klar wie der Herr Bundeskanzler, der sagt: Ganz klar, Mitte Mai wird wieder aufgesperrt! – und auch die Kulturbetriebe wieder aufsperren werden – nehme ich an –, dann, glaube ich, werden wir alle gemeinsam sehr, sehr achtsam sein müssen und, wenn mit der Hälfte der Besucherinnen und Besucher wieder aufgesperrt werden soll, alle miteinander auch darauf schauen müssen, dass sie auch aufsperren können (Zwischenruf bei der ÖVP), denn die Nebenkosten und alles, was so anfällt, werden für kleinere Einrichtungen wahrscheinlich eine große Hürde darstellen.

Nun zurück zum Überbrückungsfonds: Der Förderdschungel ist da, die Krise wird noch einige Zeit dauern. Wiederholen wir die Fehler nicht, schaffen wir doch eine einzige Stelle, von der ausbezahlt wird und bei der alles zusammenfließt – eine Forderung, die wir schon öfter aufgestellt haben, eine One-Stop-Shop-Lösung –, denn gerade Künstlerinnen


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und Künstler müssen, wie auch andere Leute in diesem Land, bei sieben, acht oder neun Stellen ansuchen, und das ist nicht immer so einfach. (Beifall bei der SPÖ.)

11.36


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster ist Herr Abgeordneter Volker Reifenberger zu Wort gemeldet. – Bitte.


11.36.19

Abgeordneter Ing. Mag. Volker Reifenberger (FPÖ): Hohes Haus! Laut eigener Aussage der Regierungsparteien rechnen Sie damit, dass erst Mitte des Jahres alle Ver­anstaltungen im Kunst- und Kulturbereich langsam wieder stattfinden können. Das bedeutet weitere Einnahmenausfälle für unsere Künstler, und die Vergangenheit hat bereits wiederholt gezeigt, dass wir den terminlichen Ankündigungen unserer Bundes­regierung nicht glauben können. Ich sage nur: Die nächsten Wochen werden entschei­dend sein – was mich an den Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“ erinnert. (Zwi­schenruf bei der ÖVP.) Im Gegenteil: Es ist schon erstaunlich, was sich aus einem ursprünglichen zweiwöchigen Wellenbrecherlockdown so alles entwickeln konnte.

Meine Damen und Herren! Die Kunst- und Kulturbranche liegt immer noch am Boden. Es ist zwar nett, dass Sie den Fonds für die Überbrückungsfinanzierung heute auf­stocken – wir werden diesem Antrag daher auch unsere Zustimmung erteilen –, ich darf aber zum wiederholten Mal klarstellen, dass ohne Ihre sinnlose Lockdownpolitik die Hilfen, zumindest in diesem Ausmaß, erst gar nicht notwendig wären. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Zarits.) Was die Künstler wirklich brauchen, sind erstens Veranstaltungen, zweitens Publikum und drittens Einkünfte – aber selbst erwirtschaftete Einkünfte. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Trotz der von Ihnen herbeigetesteten Pandemie mit angeblich 100 000 Toten, die es zum Glück nicht einmal annähernd gegeben hat, ist es Ihnen bis zum heutigen Tag nicht gelungen, die Risikogruppen wirklich zu schützen: zusätzliche Intensivbetten – Fehlan­zeige. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Sie haben das Gesundheitssystem nicht hochge­fahren, Sie haben es nicht einmal versucht, und dass die Intensivbetten im über­durch­schnittlichen Ausmaß von Menschen mit Migrationshintergrund in Anspruch genommen werden, ist hierzulande ein Tabuthema und wird totgeschwiegen. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Zarits.)

Impfung? – Nicht unter Schwarz-Grün, da wurde zuerst einmal aus Kostengründen massenhaft der falsche Impfstoff bestellt, und der nicht einmal in ausreichender Menge.

Apropos Impfen: Die Kultursprecherin der ÖVP, Frau Kollegin Großbauer, hat sich öffentlich über die Impfvorreihung der Wiener Philharmoniker beschwert. Das ist insofern ziemlich spannend, als der Ehegatte von Frau Großbauer selbst Mitglied der Wiener Philharmoniker ist, seine Chance genützt hat und sich vorzeitig hat impfen lassen. Ich hoffe, der Haussegen im Hause Großbauer hängt nun deswegen nicht allzu schief. (Beifall bei der FPÖ.)

Frau Kollegin Großbauer, zu Ihren Anwürfen, die Sie in Ihrer Rede vorhin an meine Person gerichtet haben: Wir können im nächsten Kulturausschuss gerne inhaltlich dar­über reden, aber ein bisschen mehr Humor hätte ich Ihnen schon zugetraut, der würde Ihnen guttun. (Abg. Belakowitsch: Nein, ich nicht!)

Was macht die Politik wirklich? – Sie erlässt einen sinnlosen Maskenzwang auf öffent­lichen Plätzen, also im Freien, und sperrt die Bevölkerung weiter ein, entgegen jeglicher Evidenz und Vernunft. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Der von Ihnen zugefügte volks­wirtschaftliche Schaden geht ins Unermessliche, und wir werden Sie stets daran erinnern, dass nicht das Coronavirus, sondern die Maßnahmen dieser Regierung dieses Land ins Chaos gestürzt haben. (Beifall bei der FPÖ.)


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Darum fordern wir Sie abermals auf: Beenden Sie unverzüglich diesen Dauerlockdown, öffnen Sie die Kunst- und Kulturbranche und ermöglichen Sie unseren Bürgern wieder ein normales Leben! (Beifall bei der FPÖ.)

11.39


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Eva Blimlinger– Bitte.


11.40.01

Abgeordnete Mag. Eva Blimlinger (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen! Wir werden heute wieder eine Aufstockung des Überbrückungsfonds beschließen. Mir wäre es ein Herzensanliegen, dass es die letzte Aufstockung wäre, denn dann wäre klar, dass es tatsächlich losgehen kann. Ich fürchte nur, wir werden in Zukunft noch das eine oder andere Geld brauchen, denn einfach aufzusperren, so wie sich die FPÖ das vorstellt, geht natürlich nicht, sondern wir brauchen Sicherheitskonzepte, wir brauchen Vorkehrungen, damit wir Schritt für Schritt den Zugang zu Kunst und Kultur wieder ermöglichen, wonach wir uns, glaube ich, fast alle sehnen. Es soll ja auch Menschen geben, die sich nicht dafür interessieren.

Ein Wort zu Kollegin Heinisch-Hosek: Eine Stelle für die Auszahlung, das ist natürlich eine vollkommene Fiktion, weil es derartig unterschiedliche Lebenssituationen von Künstlern und Künstlerinnen gibt, dass das natürlich mit einer Stelle, die haltlos über­fordert wäre, nicht möglich ist. So ist gewährleistet, insbesondere durch den Über­brückungsfonds, durch die SVS, dass alle möglichst schnell etwas bekommen, was in diesem Zusammenhang außerordentlich wichtig ist.

Wir haben die Bandbreite von einzelnen KünstlerInnen bis zu Gruppen, bis zu Vereinen, die über den NPO-Fonds, der übrigens auch hervorragend arbeitet, Anträge stellen können. Die Vielfalt der Kunst bildet sich also auch in der Vielfalt der Maßnahmen ab.

Zum Nachher: Ja, wir planen ohnehin schon seit einem Jahr für nachher, seien es die Verhandlungen zum Kollektivvertrag der Bundesmuseen, aber auch zu Fair Pay, gestern hat es im Österreichischen Filminstitut eine geschlechtergerechte Vergabe der Förde­rungen gegeben. Die SPÖ hätte lange Zeit gehabt, das zu tun, das hat sie alles nicht gemacht Kollektivvertrag nicht, alles nicht; wir machen es jetzt –, 40 Jahre würde ich sagen, aber gut, Kulturpolitik war nie das Interesse der SPÖ (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek); in den Achtzigerjahren, in den Siebzigerjahren, aber dann war es vorbei.

Nein, wir investieren in die Zukunft. Wenn wir ins Volkskundemuseum investieren (Zwi­schenruf des Abg. Matznetter), dann ist das die Zukunft, denn ein Museum der Stadt Wien verfällt das Museum gehört ja der Stadt Wien, nicht dem Bund , aber wir sind es, die sich darum kümmern, dass aus dem was wird, weil dort gemeinsam mit dem Bund etwas Neues (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch), etwas Zukunftsträchtiges entstehen soll.

Sie sagen, na ja, die Praterateliers hätte man eh herrichten müssen: Ich weiß nicht, ob Sie schon jemals dort waren. Dort sind Künstler und Künstlerinnen (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek), die im Winter kaum arbeiten können, weil sie frieren. Auch da hätte es schon lange die Möglichkeit gegeben, das zu machen – nun wird es saniert.

Dann gibt es 15 Millionen Euro für Infrastruktur der kleineren, der freien Gruppen, 15 Millionen Euro für Digitalisierung. Also wenn das nicht in die Zukunft gerichtet ist, dann weiß ich nicht so recht. (Beifall bei Grünen und ÖVP. Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)


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Sollten Sie die Gelegenheit haben, mit Ende Mai nach Italien fahren zu können: In Venedig eröffnet die Architekturbiennale, das ist für mich schon ein erstes Zeichen, bei dem ich mir denke: Super, es beginnt, es wird geöffnet! Also wenn Sie die Möglichkeit haben Österreich ist dort wunderbar vertreten , schauen Sie es sich an, kann ich nur sagen, um mit Karl Farkas zu sprechen.

Im Übrigen bin ich noch immer dafür, dass die Windisch-Kaserne in Richard-Wadani-Kaserne umbenannt wird. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

11.44


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Josef Schellhorn. – Bitte.


11.44.13

Abgeordneter Josef Schellhorn (NEOS): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Staats­sekretär! Herr Minister! Ja, es geht hier um die Verlängerung der Hilfen, weil wir noch immer nicht wissen, wie es weitergeht, aber vor allem weil die Kunst- und Kulturbranche auch noch nicht weiß, welche Kriterien gesetzt werden, damit sie aufsperren können.

Vor kurzer Zeit ist mir die Dankesrede von Thomas Bernhard von 1968 zu seiner Staatspreisverleihung wieder in die Hände gekommen – sie ist aktueller denn je. Ich glaube, das wird jetzt eine kleine Lesung, aber das ist ganz gut, und es ist aktueller denn je, wenn er sagt:

„[...] verehrte Anwesende, es ist nichts zu loben, nichts zu verdammen, nichts anzu­klagen, aber es ist vieles lächerlich; es ist alles lächerlich, wenn man an den Tod denkt.

Man geht durch das Leben, beeindruckt, unbeeindruckt, durch die Szene, alles ist aus­tauschbar, im Requisitenstaat besser oder schlechter geschult: ein Irrtum! Man begreift: ein ahnungsloses Volk, ein schönes Land – es sind tote oder gewissenhaft gewissenlose Väter, Menschen mit der Einfachheit und der Niedertracht, mit der Armut ihrer Bedürfnisse [...] Es ist alles eine zuhöchst philosophische und unerträgliche Vorge­schichte. Die Zeitalter sind schwachsinnig, das Dämonische in uns ein immerwährender vaterländischer Kerker, in dem die Elemente der Dummheit und der Rücksichtslosigkeit zur tagtäglichen Notdurft geworden sind. Der Staat ist ein Gebilde, das fortwährend zum Scheitern, das Volk ein solches, das ununterbrochen zur Infamie und zur Geistes­schwäche verurteilt ist. Das Leben Hoffnungslosigkeit, an die sich die Philosophien anlehnen, in welcher alles letztenendes verrückt werden muß.

Wir sind Österreicher, wir sind apathisch; wir sind das Leben als das gemeine Des­interesse am Leben, wir sind in dem Prozeß der Natur der Größenwahn-Sinn als Zukunft. Wir haben nichts zu berichten, als daß wir erbärmlich sind durch Einbildungskraft einer philosophisch-ökonomisch-mechanischen Monotonie verfallen. Mittel zum Zwecke des Niedergangs, Geschöpfe der Agonie, erklärt sich uns alles, verstehen wir nichts. Wir bevölkern ein Trauma, wir fürchten uns, wir haben ein Recht, uns zu fürchten, wir sehen schon, wenn auch undeutlich im Hintergrund: die Riesen der Angst.

Was wir denken, ist nachgedacht, was wir empfinden, ist chaotisch, was wir sind, ist unklar. Wir brauchen, uns nicht zu schämen, aber wir sind auch nichts und wir verdienen nichts als das Chaos.“

Ich glaube, aktueller kann es gar nicht sein, wenn es um dieses Chaos geht, zu wissen, wie wir aufsperren können, wie die Kunst- und Kulturbranche aufsperren kann. Das sollten sie jetzt wissen. Bereinigen Sie dieses Chaos! (Beifall bei den NEOS.)

11.47



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll99. Sitzung, 22. April 2021 / Seite 68

Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich Frau Staatssekretärin Andrea Mayer zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Staatssekretärin.


11.47.51

Staatssekretärin im Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport Mag. Andrea Mayer: Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich hätte mir nie träumen lassen, einmal nach Thomas Bernhard sprechen zu dürfen. Das ist wahrscheinlich nicht ganz leicht, aber ich werde mich bemühen.

Keine Unterstützungsleistung der Welt kann ein weitgehendes Veranstaltungsverbot im Kulturbereich kompensieren. Mir ist es daher auch in der aktuellen epidemiologisch nach wie vor angespannten Phase ein großes Anliegen, an einer Öffnungsperspektive, an einer naheliegenden Öffnungsperspektive zu arbeiten.

Die von Regierung, Sozialpartnern und Vertretern der Länder und Gemeinden besetzte Öffnungskommission wird noch Ende dieser Woche einen Plan vorlegen, der uns auch eine Perspektive für einen Neustart im Veranstaltungsbetrieb bieten wird. Zudem haben wir gerade ein Neustart-Kultur-Paket mit einer Gesamtdotierung von 20 Millionen Euro an den Start gebracht. Dieses wird neue Impulse für das Wiederaufleben der Kultur bringen.

Detto auch die Projekte, die gerade jetzt in der Endverhandlung mit der Europäischen Kommission sind: Österreich hat den Auftrag, dass auch ein gewisser Prozentsatz aus diesem Recoveryfund für Kunst und Kultur aufzubringen ist, sehr ernst genommen. Frau Abgeordnete Blimlinger hat sich damit schon sehr ausführlich beschäftigt, ich möchte von meiner Warte aus nur versichern, dass wir ausschließlich Projekte machen werden, die das Kulturleben in Österreich zusätzlich bereichern und auch für Innovation sorgen werden. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Aktuell gilt aber nach wie vor, dass die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie freischaffende Künstlerinnen und Künstler in ihrer Arbeitstätigkeit massiv einschränken. Die Überbrückungsfinanzierung bei der SVS ist der zentrale Eckpfeiler im sehr eng­maschigen Netz an Hilfsinstrumenten, um diese so hart betroffene und getroffene Gruppe in der Krise zu unterstützen.

Als wir dieses Instrument vor fast einem Jahr ins Leben gerufen haben, war das Ziel eine einmalige Auszahlung von 6 000 Euro für ein halbes Jahr, um dann wieder zu einem gewohnten Veranstaltungsbetrieb überzugehen. Wie so viele Einschätzungen zu Beginn der Pandemie war leider auch diese nicht richtig, aber wir haben gehandelt. Wir haben mehrmals verlängert, nachgebessert, zuletzt mehrere Sonderzahlungen für den erneuten Lockdown ermöglicht.

Wir müssen den Fonds ein weiteres Mal aufstocken, weil nach wie vor ein Veranstal­tungsverbot im Kulturbereich gilt. Wir haben in der SVS-Überbrückungsfinanzierung aktuell einen Auszahlungsstand von knapp über 100 Millionen Euro. Die gesetzliche Gesamtdotierung steht bei 120 Millionen Euro. Wenn wir davon ausgehen, dass die Zahl der Antragsteller konstant bleibt, müssen wir jetzt noch einmal nachjustieren und auf eine Höhe von 140 Millionen Euro gelangen. Damit wird sichergestellt, dass bis Ende Juni – so lange laufen die aktuellen Richtlinien – genug Geld zur Verfügung steht, um alle Anträge auch in der bewährten Geschwindigkeit von nur einigen Werktagen bearbeiten zu können.

Ich hoffe ebenso, dass dies die letzte Änderung ist, die an diesem Gesetz vorgenommen werden muss, weil wir dann österreichischen Künstlerinnen und Künstlern im Sommer wieder ermöglichen können, dass sie umfassend quer durchs Land auftreten und in ihrem gewohnten Rahmen und mit ihrer gewohnten Berufstätigkeit Geld verdienen


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können. Das ist unser aller gemeinsames Ziel, und ich hoffe sehr, dass das durch eine gemeinsame Kraftanstrengung auch sehr, sehr bald gelingt. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

11.52


Präsidentin Doris Bures: Danke.

Nun gelangt Herr Abgeordneter Laurenz Pöttinger zu Wort. – Bitte.


11.52.49

Abgeordneter Laurenz Pöttinger (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Staatssekretärin! Geschätzter Herr Minister! Geschätzte Damen und Herren! Welchen Stellenwert haben Kunst und Kultur in Österreich beziehungsweise was bedeuten Kunst und Kultur für Österreich? – Die österreichische Kultur hat international gesehen seit Jahrhunderten immer Höchstleistungen hervorgebracht, ob Orchester oder Gesang, ob Oper oder Schauspiel, ob Malerei oder Grafik, ob Festspiele, Festivals, ob Konzerte ober Kabaretts, um nur einiges zu nennen – ja, Kunst und Kultur sind für Österreich, insbesondere auch als Tourismusland, ein sehr, sehr wertvolles Gut. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

In dieser Pandemiezeit ist es auch für die Künstlerinnen und Künstler in unserem Land eine echte Herausforderung, sich zu motivieren. Die Kulturbranche ist eine der am schwersten von den behördlichen Schließungen betroffenen Branchen. Als Betreiber der Galerie Schloss Parz in Grieskirchen und auch als ehemaliger Kultur- und Wirtschafts­stadtrat kenne ich die Situation der Kulturschaffenden in diesem Land sehr, sehr genau.

Deshalb freue ich mich sehr, dass wir heute die Hilfen für selbstständige Künstlerinnen und Künstler mit diesem Gesetz zur Überbrückungsfinanzierung um weitere 20 Millionen Euro ausweiten dürfen und können – ein großes Dankeschön an alle Verantwortlichen und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der SVS, die für die unkomplizierte und rasche Abwicklung dieser Hilfsleistung gesorgt haben und nach wie vor sorgen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Für viele Künstlerinnen und Künstler sind die Wertschätzung, die Bewunderung, die Anerkennung und der Applaus ein wichtiger Bestandteil ihres Lohnes. Das Geld sichert jedoch das Überleben, und wir alle hoffen, dass wir nach den kommenden Öffnungs­schritten den gebührenden Applaus für den Kulturgenuss wieder in breiter Vielfalt spen­den dürfen.

In meinem Leben sind Kunst und Kultur eine echte Bereicherung, und ich danke allen Künstlerinnen und Künstlern für ihre unglaublich tollen Leistungen – danke dafür. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Ein Wort noch zur FPÖ und zu Kollegen Reifenberger: eine herbeigeführte Pandemie – das ist eigentlich unglaublich –; sinnloser Maskenzwang – das ist ebenfalls unglaublich. Ganz ehrlich: Ihre Partei fordert immer wieder, dass wir die Intensivbetten aufrüsten sollen. Sie wissen genau, dass ungefähr ein Drittel all jener, die auf einer Intensivstation liegen, diese Krankheit nicht überlebt. Das heißt, Ihre Aufstockung wäre dann in Wirk­lichkeit auch noch eine Erhöhung, eine wesentliche Erhöhung der Zahl der Toten in diesem Land. (Heiterkeit bei der FPÖ. – Zwischenrufe der Abgeordneten Kassegger und Belakowitsch. – Abg. Kickl: Wie kann man sich nur so blamieren?! Das ist ja unglaublich!) Ich finde es einfach unglaublich, wenn Sie in diesen Tagen auch noch der Kollegin Humorlosigkeit vorwerfen, so wie Sie das Parlament beschäftigen. Sie haben einen ganz, ganz schrägen Humor, der für Österreich eigentlich unglaublich und unsag­bar ist. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

11.57



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll99. Sitzung, 22. April 2021 / Seite 70

Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

11.57.21Abstimmung über die Tagesordnungspunkte 1 bis 7


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen nun, wie vereinbart wurde, zu den verlegten Abstimmungen.

Ich frage die Klubs, ob wir gleich fortfahren können. – Dann gehe ich auch so vor.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich würde Sie ersuchen, Ihre Plätze einzu­neh­men.

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 1: die dem Ausschuss­be­richt 790 der Beilagen angeschlossene Entschließung betreffend „Ausbau der Chancen am Arbeitsmarkt für Menschen mit Behinderungen“.

Wer dem seine Zustimmung gibt, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen. (171/E)

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Ragger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Lohn- und Sozialversicherungspflicht statt Taschengeld in Behindertenwerkstätten“.

Wer spricht sich für diesen Entschließungsantrag aus? – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Abstimmung über Tagesordnungspunkt 2: Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 791 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer ist für diese Kenntnisnahme? – Das ist einstimmig zur Kenntnis genommen.

Tagesordnungspunkt 3: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeits­losenversicherungsgesetz geändert wird, samt Titel und Eingang in 792 der Beilagen.

Wer spricht sich für diesen Gesetzentwurf aus? – Das ist die Mehrheit.

Somit kommen wir gleich zur dritten Lesung.

Wer in dritter Lesung seine Zustimmung gibt, den bitte ich um ein Zeichen. – Der Ge­setzentwurf ist in dritter Lesung mit Mehrheit angenommen.

Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Erhöhung der Leistungen aus der Arbeitslosen­versicherung“.

Wer ist für diesen Entschließungsantrag? – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Damit kommen wir zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 4: Antrag des Aus­schusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 793 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer ist für diese Kenntnisnahme? – Der Bericht ist mit Mehrheit zur Kenntnis ge­nommen.

Tagesordnungspunkt 5: Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 795 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer ist für diese Kenntnisnahme? – Das ist mit Mehrheit zur Kenntnis genommen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll99. Sitzung, 22. April 2021 / Seite 71

Abstimmung über Tagesordnungspunkt 6: Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 794 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer ist für diese Kenntnisnahme? – Das ist einstimmig zur Kenntnis genommen.

Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Klarstellung der Rechtslage betreffend Schutz­maßnahmen für Pflegepersonal in Pflegeeinrichtungen“.

Wer ist für diesen Entschließungsantrag? – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Abstimmung über Tagesordnungspunkt 7: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Errichtung eines Fonds für eine Überbrückungs­finan­zierung für selbständige Künstlerinnen und Künstler geändert wird, samt Titel und Eingang in 789 der Beilagen.

Wer spricht sich für diesen Gesetzentwurf aus? – Dieser Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen.

Wir kommen somit zur dritten Lesung.

Wer in dritter Lesung seine Zustimmung gibt, den bitte ich um ein Zeichen. – Der Ge­setzentwurf ist auch in dritter Lesung einstimmig angenommen.

12.01.08 8. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (631 d.B.): Verein­ba­rung zwischen der Republik Österreich und dem Vereinigten Königreich Groß­britannien und Nordirland über die Ausdehnung des Anwendungsbereichs des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen auf Gibraltar (785 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Wir kommen zum 8. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Ich begrüße Frau Bundesministerin Zadić in unserer Mitte und erteile als erster Rednerin Frau Abgeordneter Carina Reiter das Wort. – Bitte.


12.01.50

Abgeordnete Carina Reiter (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuschauerinnen und Zuschauer! Das Europäische Übereinkommen über die Rechtshilfe hat das Ziel, die Rechtshilfe zwischen Justiz, Polizei und Zoll­behörden in Strafsachen zu fördern und zu erleichtern. Ebenso ist es ein wichtiges Ziel, die Effektivität und Geschwindigkeit der Zusammenarbeit der Justizbehörden zu verbes­sern.

Es geht bei dieser Vereinbarung zwischen der Republik Österreich und dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland um die Ausdehnung des Übereinkommens über Rechtshilfe in Strafsachen auf Gibraltar. Die verstärkte Zusammenarbeit in Europa ist ein zentrales Thema. Darin sind wir uns alle einig.

Dieses Beispiel zeigt, dass es auch nach dem Brexit in vielen Bereichen eine notwendige Zusammenarbeit gibt. Die Vernetzung in den unterschiedlichen Bereichen ist von hoher Bedeutung. Die Kriminalität wird immer globaler, Terrorismus, Schlepperei und Schmug­gel nehmen zu, und auch die Pandemie zeigt, wie notwendig die transnationale Zusam­menarbeit ist.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll99. Sitzung, 22. April 2021 / Seite 72

Diese Vereinbarung, die wir heute beschließen, ist zwar nur ein kleiner Teil eines großen Ganzen, sie zeigt aber gut, dass miteinander kommuniziert wird. Im Großen wie im Kleinen gilt: Beim Reden kommen die Leut’ zsamm. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Prammer.)

12.03


Präsidentin Doris Bures: Zu diesem Tagesordnungspunkt ist nun niemand mehr zu Wort gemeldet.

Ich schließe die Debatte und verlege die Abstimmung an den Schluss der Verhand­lungen über die Vorlagen des Justizausschusses.

12.03.359. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (770 d.B.): Bundes­ge­setz, mit dem die Exekutionsordnung, das Einführungsgesetz zur Exekutionsord­nung, die Insolvenzordnung, das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Ge­richts­gebührengesetz, das Gerichtliche Einbringungsgesetz, das Unternehmens­gesetzbuch, das EWIV-Ausführungsgesetz, das Genossenschaftsgesetz, das GmbH-Gesetz, das Aktiengesetz, die Notariatsordnung, das Rechtsanwalts­tarif­gesetz, das Eingetragene Partnerschaft-Gesetz, das Urkundenhinterlegungs­ge­setz, das Rechtspflegergesetz, das Sicherheitspolizeigesetz, das Bundesgesetz, mit dem Verstöße gegen bestimmte einstweilige Verfügungen zum Schutz vor Gewalt und zum Schutz vor Eingriffen in die Privatsphäre zu Verwaltungs­übertretungen erklärt werden, das Asylgesetz 2005, das Niederlassungs- und Auf­enthaltsgesetz, das Mineralrohstoffgesetz und das Insolvenz-Entgeltsicherungs­gesetz geändert werden sowie die Anfechtungsordnung und das Vollzugs­ge­bührengesetz in die Exekutionsordnung übernommen werden (Gesamtreform des Exekutionsrechts – GREx) (786 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Wir kommen zum 9. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Erste Rednerin ist Frau Abgeordnete Ruth Becher. Ist die Frau Abgeordnete im Saal? – Das scheint nicht der Fall zu sein.

Dann erteile ich Frau Abgeordneter Agnes Sirkka Prammer das Wort. – Bitte.


12.04.23

Abgeordnete Mag. Agnes Sirkka Prammer (Grüne): Frau Vorsitzende! Frau Bundes­ministerin! Eine Gesamtreform des Exekutionsrechts steht an. Das klingt groß und ist es auch. Die Gesamtreform soll vieles von dem aufnehmen und nimmt vieles von dem auf, was sich in der Vergangenheit als nicht praktikabel oder teilweise kontraproduktiv erwie­sen hat. Es soll eine Vereinfachung, eine Straffung, eine Bündelung des Exekutions­verfahrens sein. Es soll vor allem auch Exekutionsschritte einsparen und dadurch rascher zu einem Ergebnis führen.

Was bringt das jetzt genau? – Es bringt allen am Verfahren Beteiligten etwas. Nicht nur – wenn auch nicht zuletzt – ist es für die Gerichte und für die mit der Exekutionsführung betrauten Rechtspfleger und Rechtspflegerinnen eine Vereinfachung, vor allem aber kommt es den Parteien zugute, und zwar allen am Verfahren beteiligten Parteien.

Einerseits ist es so, dass Exekutionsschritte zusammengefasst und gemeinsam be­antragt werden, sodass nicht durch viele, viele Antragstellungen ein erhöhtes Kosten­aufkommen entsteht, was sich letztlich in jenen Kosten widerspiegelt, die von den Ver­pflichteten zu zahlen sind. Das heißt, es kommt nicht zu einer Anhäufung von Schulden


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll99. Sitzung, 22. April 2021 / Seite 73

durch weitere und immer weitere Exekutionsschritte, die für den Gläubiger notwendig sind, da er sonst nicht erreicht, dass er seine Forderung erhält. Das ist ein ganz, ganz wichtiger Punkt.

In diesem Zusammenhang gibt es eine weitere sehr gute und wichtige Neuerung: Es kommt zu einer Anmerkung einer offenkundigen Zahlungsunfähigkeit von Schuldnern und Schuldnerinnen. Das ist ein sehr wichtiges Element. Es klingt schlimm, ist aber auch für die Schuldner und Schuldnerinnen ein riesengroßer Vorteil, weil dadurch verhindert wird, dass Exekutionsschritte gesetzt werden, die an und für sich gar nicht mehr not­wendig, möglich und zielführend sind. Damit kommt es auch diesbezüglich dazu, dass Kosten nicht entstehen beziehungsweise eingespart werden.

Es kommt weiters zu einer Erleichterung der Lohnpfändung für die ArbeitgeberInnen. Auch das klingt unvorteilhaft, ist aber für die Schuldner und Schuldnerinnen vorteilhaft, weil es den Arbeitsplatzwechsel und die Arbeitsplatzsuche massiv erleichtert, indem die abschreckende Wirkung einer anhängigen Gehaltsexekution für potenzielle Arbeitgeber weit nicht so hoch ist, wie es nach dem jetzigen Recht mit dem aktuell doch sehr großen Verwaltungsaufwand ist.

Ich freue mich auf die Gesamtreform des Exekutionsverfahrens und bin froh, dass sie jetzt umgesetzt werden kann. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

12.07


Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Frau Abgeordnete Ruth Becher zu Wort. – Bitte, Frau Abgeordnete.


12.07.40

Abgeordnete Mag. Ruth Becher (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Reform des Exekutionsrechts ist natürlich eine heikle Materie, denn es steckt immer sehr viel menschliches Leid dahinter, wenn der Exekutor vor der Türe steht oder wenn es zu Gehaltspfändungen kommt. Daher habe ich mir die Regierungsvorlage sehr genau angesehen und möchte vor allem auf zwei Punkte hinweisen.

Einerseits soll die Erfüllung von Forderungen und Vermögungsrechten erleichtert wer­den. Es soll ein Verwalter eingesetzt werden, der im Einzelfall die Situation prüft. Die Verfahren sollen gebündelt werden, was eine Vereinfachung bedeutet. Das ist ein sehr positiver Aspekt, weil es dadurch zu einer geringeren Anzahl von Verfahren kommt, und jede Entlastung der Gerichte ist immer positiv zu sehen.

Geradezu skandalös bei dieser Reform ist, dass diese Vereinfachung mit zusätzlichem Geld erkauft werden soll: Weil es weniger Verfahren gibt, werden die Gerichtsgebühren erhöht. Das ist fantasielos und aus meiner Sicht auch rechtswidrig, denn Gebühren dürfen nach der österreichischen Rechtsordnung nur zur Kostendeckung dienen, an­dernfalls muss es als Steuer ausgestaltet sein. Die Gerichtsgebühren sind zu hoch. Wir sprechen von über 1 Milliarde Euro im Jahr, mit der der Staat querfinanziert wird, und Gebühren erschweren auch den Rechtszugang. Recht und Gerechtigkeit sollten aber nicht verkauft werden. Das Recht sollte für alle gleich zugänglich und dementsprechend so ausgestaltet sein, dass es nicht zu einer Hürde kommt.

Ein zweiter Aspekt ist, dass diese Reform zu kurz greift und auch keine begleitenden Maßnahmen dazu gesetzt werden. Es wird den Gläubigern leicht gemacht, die Men­schen in eine Schuldenfalle zu treiben. Andererseits ist es auch so, dass es im Bereich der alltäglichen Konsumgüter den Menschen zu leicht gemacht wird, sich zu verschul­den. Besonders große Versandhäuser spielen da eine unrühmliche Rolle.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll99. Sitzung, 22. April 2021 / Seite 74

Ich fasse noch einmal zusammen: Die Regierung macht es den Gläubigern leicht, ihr Geld einzutreiben. Andererseits tut sie nichts, um die Menschen vor der Schuldenfalle zu bewahren. Auch erschwert sie den Zugang zu Recht durch eine höhere finanzielle Hürde. Das ist unserer Meinung nach zu wenig. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

12.10


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Abgeordneter Christian Ragger. – Bitte.


12.10.48

Abgeordneter Mag. Christian Ragger (FPÖ): Frau Präsidentin! Liebe Frau Ministerin! Ich darf vonseiten der FPÖ eine Stellungnahme zu deinem Reformpaket abgeben. Ich halte es für durchaus nachvollziehbar und sinnvoll, insbesondere weil ich als gelernter Anwalt das auch aus der Praxis nachvollziehen kann.

Ich selbst habe in jungen Jahren als Konzipient gelernt, einen Zahlungsbefehl zu machen und dann die Exekution durchzuführen. Dabei sind wir immer wieder auf die gleiche Problematik gestoßen: Wie führt man die Exekution durch – in einer Fahrnisexekution oder in einer Gehaltsexekution? Daher ist dieser erste Punkt deines Reformpaketes in diesem Exekutionspaket, in dem man alle drei Möglichkeiten, nämlich das Vermögens­verzeichnis, die Fahrnis- und Gehaltsexekution, durchführt, einfach nachvollziehbar und sinnvoll.

Ich halte auch das Zweite heute für sehr, sehr notwendig, nämlich diese Zusammen­fassung zwischen dem Exekutionsmittel und der Schnittstelle der Insolvenz zu finden. Wir gehen heute so vor, dass wir alle unsere MitarbeiterInnen angewiesen haben, dass, wenn eine Exekution durchzuführen ist, auch mit dem Bezirksgericht das Einvernehmen darüber zu erzielen ist, wie viele Exekutionen vorhanden sind. Es macht für den Gläu­biger überhaupt keinen Sinn, ständig Kosten zu produzieren, wenn man weiß, dass jemand bereits sechs, sieben oder acht Exekutionsmaßnahmen hat und daher auch die Einbringlichkeit der jeweiligen ausstehenden Summe nicht nachvollziehbar ist.

Ich erwarte mir daher eine Besserstellung und eine gute Entwicklung, insbesondere auch insofern, als es eine fließende Überleitung zum Insolvenzrecht geben wird, womit auch der Zinsstopp und der Kostenstopp einhergehen.

Mir ist nicht ganz klar gewesen, was Frau Kollegin Becher gemeint hat, als sie gesagt hat, dass es zu einer Erhöhung der Kostenstruktur kommen wird. Für mich ist klar ersichtlich, dass es eine Entlohnung des Verwalters in der Exekutionsordnung gibt, es gibt eine Entlohnung des Insolvenzverwalters in der IO, und dementsprechend ist halt jetzt das Vollzugsgebührengesetz in der Exekutionsordnung geregelt.

Was ich aber trotzdem anmerken möchte – und du bist ja selbst aus dem Anwaltsbereich gekommen –, ist, dass es in dieser Republik zu einer schleichenden Übertragung der Kosten auf die Anwälte kommt. Letztendlich haben wir die Arbeit der Justiz zu leisten. Da erwarte ich mir schon, dass es zu einer Entlastung der Rechtsanwälte kommt, denn mittlerweile sind wir nicht nur Rechtsanwälte, Errichter von einzelnen Kaufverträgen, sondern müssen auch wie die Notare die steuerliche Abführung machen. Daher wäre es angebracht, hier in neuen Novellen auch darüber nachzudenken, die Rechtsanwälte zu entlasten.

Alles in allem zusammengefasst halte ich es für ein sehr gut gelungenes neues Reform­paket und darf dir herzlich dazu gratulieren. (Beifall bei der FPÖ.)

12.13


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Christian Drobits. – Bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll99. Sitzung, 22. April 2021 / Seite 75

12.13.50

Abgeordneter Mag. Christian Drobits (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ge­schätzte Frau Bundesminister! Auch an meine Vorredner anknüpfend: Es ist grund­sätzlich ein gutes Exekutionspaket. Ich möchte betonen, dass gerade die Verfahrens­vereinfachung durch Zusammenlegung von Fahrnis- und Gehaltsexekution mit den Vermögensverzeichnissen durchaus positiv zu bewerten ist und dass damit auch Zinsen, Spesen und Kosten bei der Schnittstelle zur Insolvenz gespart werden.

Eine kleine Anmerkung zu einer vielleicht vertanen Chance Ihrerseits: Ich hätte von Ihnen mehr Mut erwartet. Ich hätte mir erwartet, dass Sie im Bereich der Digitalisierung versucht hätten, den allgemeinen Gerichtsstand auch auf die unbeweglichen Sachen zu stützen und damit einen einheitlichen zu machen. Heute haben wir zwei, den Buchgerichtsstand und den allgemeinen Gerichtsstand. Das ist eine kleine Note.

Wir haben diesem Teil des Exekutionspakets im Ausschuss auch zugestimmt. Was wir aber nicht durchsetzen konnten, ist die separate Abstimmung über die Gerichts­gebüh­ren­erhöhung. Wir wollten eine separate Abstimmung über die Gerichtsgebühren­erhö­hung, weil wir der Meinung sind, dass das nicht angemessen und nicht verhältnismäßig ist.

Frau Bundesminister, ich weiß, dass die Grünen sehr kritisch waren. Kollege Albert Steinhauser hat im Jahr 2010 in diesem Haus gesagt, das sei ein Raubzug gegen die Normadressaten, weil die Gerichtsgebühren steigen. Ich weiß auch, dass in den letzten Jahren diese Gerichtsgebührenerhöhungen in diesem Hohen Haus von allen Fraktionen vielfach sehr stark kritisiert worden sind. Ich weiß auch, dass wir Europameister bei den Gerichtsgebühren sind. Ich erlaube mir, das auch zu zeigen (ein Balkendiagramm mit der Überschrift „Gerichtsgebühren im EU-Vergleich in % des Justizbudgets“ in die Höhe haltend): Bei uns in Österreich werden momentan 111 Prozent des Justizbudgets durch die Gerichtsgebühren gedeckt. In Schweden ist es 1 Prozent, in Malta sind es 43 Pro­zent, und in der EU gibt es insgesamt 18 Prozent Deckung. Das heißt für mich: Wir machen als einziges Land in Europa Gewinn mit den Gerichtsgebühren – im Gegensatz zu den anderen Ländern, die durchschnittlich 18 Prozent haben.

Das bedeutet für mich: Ich halte eine Gerichtsgebührenerhöhung gerade jetzt, in Zeiten der Pandemie, für nicht notwendig. Ich sehe deshalb diesen Reformvorschlag, den Sie gemacht haben, einerseits als Zuckerbrot im Bereich dieses Exekutionspakets, ande­rerseits aber als klare Peitsche für die Normadressaten, wenn es um die Gerichts­gebührenerhöhung geht.

Ich weiß auch, Frau Bundesminister, dass in den vergangenen Jahren der jeweilige Bundesminister für Justiz gesagt hat: Ich kann nicht anders, der Finanzminister, das Haushaltsrecht gibt mir das vor. – Ich würde Sie wirklich bitten, aus diesem Würgegriff herauszukommen, die Position der Grünen, die sie jahrelang gepflogen haben, auch da einzunehmen und diese Gerichtsgebührenerhöhung in dieser Form nicht zu wählen.

Warum warne ich davor? – Ich warne davor, dass Leute wirklich Angst bekommen, Prozesse anzustrengen, das Gericht aufzusuchen. Es ist für mich ein wichtiges Bürger­recht, dass alle den gleichen Zugang zu Recht haben. Bei dieser enormen Summe an Gerichtsgebührenerhöhungen, obwohl wir im Verhältnis zu den anderen ohnehin Europameister sind, sehe ich wirklich Handlungsbedarf. (Beifall bei der SPÖ.)

Frau Bundesminister, diese Tabelle ist im Bericht des Europarates 2017 gewesen. Sie sagt viel aus. Das wurde in der „Wiener Zeitung“ publiziert. Ich würde Sie bitten, es sich an­hand dessen noch zu überlegen und vielleicht in der Zukunft Neuerungen zu machen. Das würden sich die Leute in der Pandemie verdienen. – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ.)

12.17



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll99. Sitzung, 22. April 2021 / Seite 76

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Christian Stocker. – Bitte.


12.17.28

Abgeordneter Dr. Christian Stocker (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Justizministerin! Hohes Haus! Meine geschätzten Damen und Herren zu Hause vor den Bildschirmen! Jeder, der einmal in der Situation war, dass er gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen musste, um seinen Anspruch durchzusetzen, weiß, dass das langwierig sein kann und sehr oft auch kostspielig ist. Manchmal machen diese Menschen dann auch die Erfahrung, dass die Entscheidung des Gerichtes gerade so viel wert ist, wie die Umsetzung in der Realität, wie die Einbringlichkeit ihres Anspruches dann ausmacht.

Damit komme ich zur Exekutionsordnung, dem Zwangsinstrument des Zivilrechtes. Frau Kollegin Becher, da darf man keinem Missverständnis unterliegen: Das ist ein Programm im Sinne der Gläubigerinteressen und kein Schuldnerschutzprogramm. Wir haben in dieser Exekutionsordnung natürlich auch Elemente für den Schuldnerschutz, aber letztlich geht es darum, dass die Gläubiger das, was ihnen gerichtlich bereits zuge­sprochen wurde, auch tatsächlich erhalten. Wie geht das? – Das geht mit Pfändungen, mit Verwertungen im Bereich der Fahrnisse, des beweglichen Vermögens, Forderungen, vor allem Arbeitseinkommen, und letztlich auch Liegenschaften. Das kann wieder kost­spielig und langwierig sein, denn für all diese Anträge benötigen sie jeweils gesonderte prozessuale Schritte.

Das soll mit dieser Novelle verändert werden. Es wird konzentriert. Es gibt zwei Exeku­tionspakete, die das vereinfachen sollen, die auch die Effizienz heben sollen, die aber von der Spezialität der Exekution bisher zu einer Generalität kommen, die ursprünglich eigentlich im Insolvenzrecht beheimatet ist.

Da sehe ich auch, sehr geehrte Frau Bundesministerin, eine gewisse Spannung, nämlich genau an dieser Schnittstelle zwischen Exekutionsrecht und Insolvenzrecht, denn eines soll diese Novelle meines Erachtens nicht beinhalten: dass es zu einer Entschuldung kommt, zu einer Restschuldbefreiung, obwohl in Wirklichkeit die Möglichkeiten nicht aus­gereizt sind und die Gläubiger jetzt in die Situation kommen, für die Fortsetzung nachweisen zu müssen, dass sich die Verhältnisse geändert haben und die Unein­bring­lichkeit nicht mehr besteht.

Das ist eine wesentliche Bürde, die da dem Gläubiger auferlegt wird, denn: Wie soll das gehen? Das geht wieder nur mit entsprechendem Geld, mit damit verbundenen Kosten, mit Verfahrensverlängerungen. Das heißt, diese Schnittstelle ist aus meiner Sicht ein Spannungsverhältnis, wiewohl der Systemwechsel begrüßenswert ist und aus meiner Sicht auch dazu führen wird, dass es straffere Verfahren gibt, ich hoffe, auch effizientere Verfahren. Die Praxis wird zeigen, wie das Spannungsfeld zum Insolvenzrecht aufgelöst wird. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Prammer.)

12.20


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Johannes Margreiter. – Bitte.


12.20.41

Abgeordneter Dr. Johannes Margreiter (NEOS): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! (Der Redner legt einen Stapel Papier auf das Rednerpult.) Dass diese Gesamtreform des Exekutionsrechtes doch als sehr gelungen bezeichnet werden kann, hat auch da­mit zu tun, dass es ein Begutachtungsverfahren gegeben hat, in dem sehr viele


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll99. Sitzung, 22. April 2021 / Seite 77

Stellungnahmen von den Praktikern, speziell auch vom Rechtsanwaltstag gekommen sind, die zu einem großen Teil in das Gesetzespaket eingeflossen sind. Das kann sich also durchaus sehen lassen.

Da wird die Exekutionsordnung wirklich viel praxisgerechter, auch im Interesse der betreibenden Gläubiger, da ja, wie Kollege Stocker richtig ausgeführt hat, doch auch deren Interessen zu schützen und zu wahren sind; sie haben einen Exekutionstitel in der Hand und haben Anrecht darauf, dass dieser Exekutionstitel auch erfüllt wird. Nur – und das ist in diesem Paket auch recht gut gelungen – halten wir die Verzahnung mit dem Insolvenzrecht, die jetzt erstmals sehr deutlich stattfindet, auch für sinnvoll, weil es letzt­lich sicherlich auch im Interesse der betreibenden Gläubiger gelegen ist, wenn die Zahlungsunfähigkeit schon zeitig, schon früh genug erkannt wird.

Wann ist der erste Augenblick, in dem man als Betreibendenvertreter erkennt, dass Zah­lungsunfähigkeit gegeben ist? Meistens noch vor dem Vermögensverzeichnis, wenn vom Drittschuldner im Zuge der Gehaltspfändung die Drittschuldnererklärung kommt und man sieht, dass es da schon eine Reihe von Vorgläubigern, die da betreiben, gibt. Dann weiß man meistens, dass diese Forderung zu diesem Zeitpunkt einmal nicht einbringlich ist. Und genau zu diesem Zeitpunkt, und das sieht diese Novelle auch vor, soll dann eben bereits die Situation eintreten, dass ein Verwalter bestellt wird, dass erste Insolvenzmaßnahmen gesetzt werden. So gesehen stimmen wir dem zu.

Was wir kritisch sehen – und da bin ich ganz auf der Seite von Kollegen Drobits und von Kollegin Becher –, ist, dass diese Novelle zum Anlass genommen wird, die Gebühren zu erhöhen. Aus der Wirkungsfolgenabschätzung im Gesetzestext sieht man sehr deutlich, dass mit einem Zurückgehen der Anträge und daher mit einem Gebührenentfall zu rechnen ist, und das nimmt man jetzt kaltschnäuzig her und sagt: Diesen Ge­bührenentfall, der wegen einer geringeren Zahl von Anträgen entstehen wird, kompen­sieren wir mit einer Gebührenerhöhung. So wird es nicht gehen.

Wir wissen – ich möchte daran erinnern – auch aus dem Bereich der Grundbuchs­ge­bühren, dass Gebühren dem Kostendeckungsprinzip unterliegen. Sie sollen nicht dazu da sein, dem Budget freie Mittel zuzuführen. Und wenn da der Versuch unternommen wird, jetzt, obwohl der Aufwand sinkt, weil es weniger Anträge geben wird, die Gebühren zu erhöhen, dann sprechen wir uns dagegen aus.

Alles in allem ist es aber doch ein schönes Paket, an dem man sieht, was alles möglich ist, wenn im Vorfeld ein ordnungsgemäßes und umfassendes Gesetzgebungsverfahren gemacht wird.

Ich appelliere an Sie, Frau Bundesministerin, machen Sie das bitte auch beim Polizei­lichen Staatsschutzgesetz, bei der Novelle der Strafprozessordnung, und machen Sie das bitte auch beim Entwurf des Terrorbekämpfungsgesetzes! Nehmen Sie die Stellung­nahmen, die im Begutachtungsverfahren eingegangen sind, ernst, dann werden auch diese Gesetzespakete gut werden und dann wird es keinen § 112a StPO geben!

Ganz wichtig ist: Bitte beherzigen Sie das auch bei dem Aus- und Fortbildungsprogramm für RichterInnen und StaatsanwältInnen im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen! Danke schön. (Beifall bei den NEOS.)

12.24


Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich Frau Bundesministerin Alma Zadić zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Ministerin.


12.24.40

Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Ich darf heute


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll99. Sitzung, 22. April 2021 / Seite 78

über die Gesamtreform der Exekutionsordnung sprechen, und ich muss sagen, dass es mir eine besondere Freude ist, diese Gesamtreform vorstellen zu dürfen.

Sie haben es vielleicht beim Vorredner gesehen – er hatte das dicke Gesetzespaket mit –: Diese Gesamtreform ist wirklich sehr umfassend. Es ist manchmal schwer, aus so einer Gesamtreform wirklich den Sukkus herauszugreifen und Ihnen das in der ge­samten Breite zu präsentieren, aber ich werde trotzdem versuchen, zwei, drei Punkte und insbesondere die Ziele dieser Gesamtreform hervorzustreichen.

Warum war diese Gesamtreform notwendig? Sie war notwendig, weil das Exekutions­recht doch recht veraltet ist, immer als sehr komplex gegolten hat, es war sehr büro­kratisch und es hat vor allem sehr lange gedauert, Forderungen tatsächlich einzutreiben. Wir haben im Ministerium eine Evaluierung durchgeführt, und es hat sich tatsächlich ein umfassender Reformbedarf ergeben, nicht nur im Exekutionsrecht, sondern auch im Insolvenzrecht.

Die Ziele der Reform waren, insbesondere für die Schuldner eine Erleichterung zu bringen, für die Schuldner auch eine Möglichkeit zu schaffen, das Anhäufen von Schul­den­bergen zu verhindern, aber auch für die Gläubiger Erleichterungen zu schaffen, damit diese ihre Forderungen schneller eintreiben können. Bevor ich auf diese zwei wesentlichen Ziele eingehe, möchte ich einen kleinen Punkt herausgreifen, der aber doch sehr entscheidend ist, und das ist ein Punkt, bei dem es um Opfer von häuslicher Gewalt geht.

Wir haben während der Pandemie die Möglichkeit geschaffen, dass Opferschutz­ein­richtungen Opfer von häuslicher Gewalt vertreten dürfen, insbesondere wenn es um einstweilige Verfügungen geht, und zwar dahin gehend, dass Opferschutzeinrichtungen diese einstweiligen Verfügungen für die Opfer einbringen dürfen. Das hat sich in der Praxis bewährt, und daher haben wir das auch zum Anlass genommen, in dieser Exe­kutionsordnung festzuschreiben, dass Opferschutzeinrichtungen, mit einer Vollmacht ausgestattet, für die Opfer – die sich vielleicht nicht trauen, das Haus zu verlassen und zum Gericht zu gehen – bei Gericht eine einstweilige Verfügung beantragen können. Das hat sich bewährt, und daher haben wir es jetzt als Dauerrecht festgeschrieben, und ich freue mich, dass das in diesem Rahmen auch gelingen konnte. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie der Abg. Meinl-Reisinger.)

Zum Thema einfache Entschuldung, das Anwachsen von Schuldenbergen: Wir wissen, dass, wenn man schon einmal so weit ist, dass eine Exekution geführt werden muss, man meist nicht nur eine unbeglichene Schuld hat, sondern meistens mehrere. Sehr oft passiert es dann, dass die Schuldnerinnen und Schuldner eigentlich schon insolvent sind – nur wissen es die meisten nicht. Jetzt ist durch diese Verzahnung mit dem Insolvenzrecht die Möglichkeit geschaffen worden, dass es einfach schneller zu einem Insolvenzverfahren kommt. Das heißt: Wenn wir bereits wissen, dass der Schuldner oder die Schuldnerin offenkundig insolvent ist, dann bedeutet das auch, dass ein Kostenstopp und ein Zinsenstopp wirksam werden. Dadurch wird dieses typische Anwachsen eines Schuldenbergs verhindert, und durch dieses rechtzeitige Eingreifen wird auch eine nachhaltige Entschuldung erleichtert.

Die Verfahren sollen auch besser vorbereitet werden. Inwiefern ist das möglich? – Das wird möglich, indem den Schuldnerberatungsstellen Einsicht in bestimmte Exekutions­daten ermöglicht wird. Dadurch können die Schuldner ihre Verfahren und die Schuldner­beratungsstellen als Stütze die Verfahren auch wesentlich besser vorbereiten.

Es soll auch verhindert werden, dass zahlungsunfähige Schuldner an Gläubiger zurück­zahlen und diese Gläubiger dann die beglichene Schuld wieder zurückzahlen müssen, wenn das Insolvenzverfahren eröffnet wird. Das heißt, diese komplexe und bürokra­tische Hürde ist jetzt durch diese Verzahnung genommen.


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Zum Thema Gläubiger: Es geht auch um leichtere Rechtsdurchsetzung für Gläubige­rinnen und Gläubiger. Häufig ist es so, und das haben wir in der Praxis sehr oft beob­achtet, dass sich die Stellung eines Erfolg versprechenden Exekutionsantrages mangels Einblicks in die Vermögenssituation des Schuldners als sehr aufwendig und auch sehr schwierig gestaltet. Das heißt, man war in der Praxis auch immer damit konfrontiert, dass man mehrere Exekutionsanträge stellen musste, mehrere Verfahren führen musste, um die Forderung überhaupt eintreiben zu können.

Das soll nun für die Zukunft auch wesentlich erleichtert werden, denn es gibt jetzt einen Verwalter, einen sogenannten Vermögensverwalter, der schon im Vorhinein Ver­mögens­objekte des Schuldners ermittelt und dann auch verwerten kann. Das erleichtert die Forderungseintreibung insgesamt, erleichtert die Stellung eines Exekutionsantrages und vermindert natürlich für die Gläubiger in Zukunft den Aufwand dieser Rechts­durchsetzung. Das Stellen von mehrfachen Exekutionsanträgen wird jetzt endlich be­schränkt, und dadurch dauern auch die Verfahren nicht so lange, sondern werden, ganz im Gegenteil, beschleunigt.

Vielleicht auch eine Anmerkung zu der geäußerten Kritik, dass man jetzt in diesem Zusammenhang die Gebühren erhöht hat: Ja, das stimmt, die Gebühren wurden leicht erhöht – wenn ich es recht in Erinnerung habe, sind es um die 5 Prozent. Das hat aber auch einen Hintergrund: Die Masse an Exekutionsanträgen, die man stellen musste, fällt auf jeden Fall weg, denn es reicht meistens nur ein Antrag. Insofern ist für den Gläubiger insgesamt betrachtet die Zahlung oder die Gerichtsgebühr, die er leisten muss, wesentlich geringer, trotz dieser geringfügigen Erhöhung der Gerichtsgebühr.

In diesem Zusammenhang glaube ich schon, dass diese Gesamtreform des Exekutions­rechts ein sehr modernes Gesetz ist, das versucht, auch die Ansprüche eines gerechten Miteinanders von SchuldnerInnen und GläubigerInnen und auch die unterschiedlichen Interessenlagen zu berücksichtigen.

Es freut mich wirklich sehr und es freut auch die Beamtinnen und Beamten in meinem Haus sehr, dass diese Gesamtreform, diese umfassende Reform des Exekutionsrechts auch auf breite Zustimmung gestoßen ist, und ich hoffe sehr, dass es auch hier im Nationalrat eine breite Zustimmung zu diesem Vorhaben geben wird. – Herzlichen Dank. (Beifall bei den Grünen, bei Abgeordneten von ÖVP und SPÖ sowie der Abg. Krisper.)

12.31


Präsidentin Doris Bures: Nun erteile ich Frau Abgeordneter Ulrike Fischer das Wort. – Bitte.


12.31.47

Abgeordnete Mag. Ulrike Fischer (Grüne): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Ich möchte mich an dieser Stelle ganz herzlich für diese umfassende Reform des Exekutionsrechts bedanken. Sie steht ja auch im Regierungsprogramm – wenn ich mich recht erinnere auf Seite 25 –, und dass es eine so umfassende Reform geworden ist, ist, glaube ich, in der Rechtsanwendung für uns alle gut.

Einen Punkt möchte ich besonders herausgreifen – dieses Thema wurde schon ange­sprochen –: Gewaltschutz, Opferschutz. Gerade in der Pandemie ist uns immer wieder bewusst geworden: Wenn viele Leute sich zu viel und nicht zu wenig sehen, wenn alle drei Kinder zu Hause sind, wenn der Mann oder die Frau vielleicht arbeitslos wird, wenn es Situationen der Bedrängnis gibt, dann werden Opferschutzeinrichtungen, die Frauen­helpline angerufen, mit dem dringenden Ersuchen: Ich brauche Hilfe, ich kann nicht mehr! – Es kommt vielleicht auch zu Beschimpfungen, zu Drohungen, zu Gewalt.

Da ist es wichtig, dass eine Exekutionsordnung praktikable, einfache Maßnahmen vorsieht. Wir haben im Rahmen der Pandemie gesehen, dass sich eines bewährt hat,


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll99. Sitzung, 22. April 2021 / Seite 80

nämlich die Möglichkeit, dass nach einer Wegweisung – das heißt, dass eine Wohnung, ein Arbeitsplatz, ein Kindergarten nicht mehr betreten werden dürfen – das Gericht unbürokratisch aufgesucht werden kann, dass Opferschutzeinrichtungen direkt Kontakt mit dem Gericht aufnehmen, damit einstweilige Verfügungen zum Schutz der Opfer erlassen werden.

Frauen und Kinder können in so einer Situation oft die Wohnung nicht verlassen, des­wegen ist es ganz wichtig, dass man Möglichkeiten schafft, um sicherzustellen, dass Gewalt nicht passiert, dass nicht ein Stalker oder jemand, der gewaltbereit ist, dann vielleicht außerhalb der Wohnung auflauert, sondern dass diese Opferschutzein­richtun­gen, die sich jetzt in der Pandemie sehr bewährt haben, die Möglichkeit haben, mittels einer Vollmacht gemäß § 382f der Exekutionsordnung Anträge einzubringen.

Das hört sich jetzt so fad an, aber es ist in Wirklichkeit von großer Wichtigkeit für alle, die jemals in einer Ausnahmesituation waren oder die das von Freundinnen oder von Freunden kennen und wissen: Man ist in Gefahr und man will die Wohnung einfach nicht verlassen. Da hilft dieses Exekutionsrecht. Daher herzlichen Dank an unsere Ministerin und alle, die daran gearbeitet haben! – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

12.35


Präsidentin Doris Bures: Zu diesem Tagesordnungspunkt ist niemand mehr zu Wort gemeldet. Damit schließe ich die Debatte.

Ich frage die Frau Berichterstatterin, ob sie ein Schlusswort möchte. – Das ist nicht der Fall.

Auch zu diesem Tagesordnungspunkt werde ich die Abstimmung an den Schluss der Verhandlungen über die Vorlagen des Justizausschusses verlegen.

12.35.1910. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (769 d.B.): Bundes­gesetz, mit dem das Gerichtsorganisationsgesetz, das Bundesverwaltungs­ge­richtsgesetz, das Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 und das Bundesfinanzge­richts­gesetz geändert werden (787 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Wir kommen nun zum 10. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Erste Rednerin: Frau Abgeordnete Agnes Sirkka Prammer. – Bitte.


12.35.54

Abgeordnete Mag. Agnes Sirkka Prammer (Grüne): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Was wir hier jetzt verhandeln, klingt schon wieder so sperrig und so trocken. Was wir tatsächlich machen, ist: Wir beseitigen ein weiteres übrig gebliebenes Stück Kakanien.

Wir schaffen zentrale Bürgerservicestellen in der Justiz, bei denen es möglich ist, schnell, niederschwellig und bürgerfreundlich Informationen von der und Zugang zur Justiz zu erhalten, einfache Klagen und Anträge aufnehmen zu lassen, Registerauszüge zu erhalten. Bisher war es nur möglich, Registerauszüge an jenem Gericht zu erhalten, das das Register geführt hat, obwohl das Register längst elektronisch zentral geführt wird. Wie gesagt, das sind unnötige bürokratische Hürden, die lange bestanden haben und bei denen es sehr wichtig ist, dass sie jetzt entfernt werden.


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Beglaubigungen können bei diesen Servicecentern gemacht werden, Registerauskünfte in Zivilrechtssachen können jetzt bei allen Zivilgerichten eingeholt werden, und die Servicestellen sind mit besonders geschultem Personal besetzt, sodass dort nicht nur die Kompetenz im juristischen Bereich und im Bereich des Gerichtswesens und der Justiz vorhanden ist, sondern eben auch Kompetenz im Umgang mit den Parteien, sodass es zu einer einfachen und bürgerfreundlichen Beratung und, wie der Name schon sagt, zu einem Service kommt.

Was wir im Rahmen dieser Novelle des Gerichtsorganisationsgesetzes auch machen, ist, festzulegen, dass nur speziell geschulte Richterinnen und Richter Zuständigkeiten in Strafsachen gegen die sexuelle Integrität haben dürfen. Das ist ein Punkt, der ganz besonders wichtig ist – ich werde auch später noch einmal darauf zurückkommen –, damit es im Umgang mit Gewaltopfern nicht zu Retraumatisierungen kommt, damit diese dort bestens aufgehoben sind und zu ihrem Recht kommen.

Wie gesagt, wir machen Service in zentralen Servicecentern, und darüber bin ich sehr froh. – Danke sehr. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

12.38


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Harald Troch. – Bitte.


12.38.22

Abgeordneter Dr. Harald Troch (SPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bun­des­ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir diskutieren hier unter anderem das Gerichtsorganisationsgesetz. Die Frage ist einmal: Sind auch normale Bürger vom Gerichtsorganisationsgesetz betroffen? – Klar: Ein Punkt darin ist die Einrichtung von neuen, zentralen Servicecentern, die nun für das ganze Bundesgebiet zuständig sein werden.

Ein Beispiel: Ein Pendler aus Oberwart, der einen langen Anreiseweg und wenig Freizeit hat, wird in Zukunft auch in Wien Anbringungen, Einbringungen in zivilrechtlichen Dingen vornehmen können, sei es die Scheidung betreffend – das ist wohl etwas Unerfreu­licheres –, aber auch Auszüge aus Registern, aus dem Grund- oder Firmen­buch wird man dann als Pendler – natürlich nicht nur als Pendler, auch in dem Bereich, in dem man arbeitet, in dem man beschäftigt ist – erhalten können. Das kann auch eine Zeit­ersparnis für viele Bürgerinnen und Bürger bedeuten.

Allerdings hat das auch eine Vorgeschichte. Die Vorgeschichte ist, dass die Justiz, die Struktur, die Infrastruktur der Justiz in den Bundesländern ausgedünnt wurde, Bezirks­gerichte sind aufgelassen und eingespart worden. Das war natürlich nicht bürger­freund­lich.

Die Sicherheitsbeauftragten werden nun auch gesetzlich fixiert. Das ist eine Praxis, die sich ja grundsätzlich bewährt hat. Allerdings stellt sich bei solchen Dingen, bei der Schaffung von Verantwortlichkeiten, ohne die Möglichkeit, zusätzliches Personal einzu­stellen, immer auch die Frage, ob dann einem Beschäftigten zu dem, was er eh schon alles macht, noch eine zusätzliche Aufgabe umgehängt wird. Da bin ich immer ein bisschen skeptisch.

Damit komme ich zum nächsten Punkt: Richter und Richterinnen der Bezirksgerichte sollen auch Aufgaben der internen Revision übernehmen. In § 78b Abs. 2 des Gerichts­organisationsgesetzes heißt es, dass zur Unterstützung des Visitators auch Richter und Richterinnen der Bezirksgerichte herangezogen werden können. Das ist eine Kontroll­funktion, dagegen ist nichts zu sagen, Leistung, Effizienz von Arbeit gehören kontrolliert. Es wird aber argumentiert, die Richter und Richterinnen hätten ja so viel Praxiserfahrung und das könne ja nur mit ihrer Zustimmung geschehen, dass sie eine zusätzliche Aufgabe bekommen – „jedoch ohne Anrechnung auf ihre Auslastung“.


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Bei den Richtern und Richterinnen, mit denen ich in den letzten Tagen gesprochen habe, hat das einen Lachsturm ausgelöst. Gott sei Dank haben Richter und Richterinnen in Österreich ihren Humor noch nicht verloren. Die Personalsituation an den österreichi­schen Gerichten ist ja bekannt: Es gibt eine extreme Überlastung. Noch lacht man, aber das kann ja wohl nur ein Scherz sein – ehrenamtlich weitere Aufgaben an das Personal der Justiz zu verteilen, das schon mehr als ausgelastet und eigentlich überlastet ist.

Da besteht Handlungsbedarf, denn von den Gerichten bis zur Justizwache ist die Per­sonalsituation extrem angespannt. Da gehört gehandelt. Besonders B- und C-Bediens­tete sind äußerst schlecht bezahlt. Das heißt, in Zukunft wird es in dieser Situation eine Negativauslese bei der Anstellung von Bediensteten geben, denn: Wer tut sich diese Arbeit für so eine schlechte Bezahlung noch an?

Das heißt, die SPÖ sagt klar: Wir wollen keine Kosmetik, um Probleme der Justiz, insbe­sondere Personalprobleme, zu lösen. Es gehört zusätzliches Personal angestellt, per­sonell aufgestockt, die Entlohnung, insbesondere der C- und B-Bediensteten, muss eine bessere werden, und die Arbeitsbedingungen gehören verbessert, insbesondere auch durch Einstellung qualifizierten Personals. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

12.42


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Christian Ragger. – Bitte.


12.42.52

Abgeordneter Mag. Christian Ragger (FPÖ): Geschätzte Frau Präsidentin! Liebe Frau Ministerin! Zum Gerichtsorganisationsgesetz vorausschickend zwei Punkte, wie man das auch einnahmenseitig regeln kann: Im Grunde genommen könnte man die Gerichts­gebühren wirklich effizient in der Justiz einsetzen. Heute haben wir die widerspenstige Situation, dass zwar die Gerichtsgebühren als Einnahmen verbucht werden, aber dann dem allgemeinen Budget und dem Finanzminister zugeführt werden. Es wäre sinnvoll, wenn die Justiz selbst ihr Geld verwenden dürfte, denn dann wäre auch die Möglichkeit vorhanden, dass man den Justizbereich personell dementsprechend ausstatten könnte. Das ist eine relativ einfache Sache.

Zur inhaltlichen Ausgestaltung dieser Vorlage: Ja, die gesetzliche Verankerung der Funktion des Sicherheitsbeauftragten, der in der Praxis ohnehin schon tätig gewesen ist, und die Schaffung von zentralen Anlaufstellen sind zu begrüßen. Es kommt jetzt im 21. Jahrhundert mittlerweile auch in der Justiz eine Effizienzsteigerung an.

Was mir vor allem auch wichtig ist, ist die Umsetzung der höchstgerichtlichen Recht­sprechung, nämlich dass man in erster Linie die Richter schult beziehungsweise für Verfahren, in denen es um Fragen der sexuellen Integrität geht, neu ausbildet, und das ist notwendig. So wie die Richter heute im Hinblick auf Wirtschaftsthemen adäquat auszubilden sind, so muss es ebenso selbstverständlich sein, dass die Richter auch für diese Bereiche, in denen es um sexuelle Übergriffe geht, dementsprechend geschult und ausgebildet werden.

Ein wesentlicher Punkt ist außerdem, dass man auch in der Justiz – so wie in jedem privatrechtlichen Unternehmen – ein Kontrollsystem einzieht. Das, was heute Standard und standardisierte Vorgabe in ganz Europa ist, nämlich ein IKS, ein internes Kon­trollsystem, sollte sich letztendlich auch in der Justiz wiederfinden.

Daher, glaube ich, sind diese notwendigen Maßnahmen ein erster Schritt, aber das hin­dert uns nicht daran, in der Justiz noch besser und effizienter zu werden. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

12.44



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll99. Sitzung, 22. April 2021 / Seite 83

Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Johanna Jachs. – Bitte.


12.45.11

Abgeordnete Mag. Johanna Jachs (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Wissen Sie, was ich in den letzten sieben Monaten neben der Politik gemacht habe? – Ich habe mein Gerichtspraktikum absolviert und habe dabei sehr viel gelernt, und das nicht nur fachlich.

Ich habe vor allem gelernt, dass es für die Menschen da draußen das Allerallerwichtigste ist, dass sie einen einfachen Zugang zum Recht haben. Denken wir dabei an die vielen unvertretenen Parteien, Menschen, die ohne Anwalt zu Gericht kommen und die Hilfe der Justiz suchen! Gerade diese Menschen sind es, die mit dem System oft überfordert sind, denn die Behörde, das Gericht, ist eigentlich etwas, mit dem man nicht unbedingt gerne in Kontakt kommt.

Wir tun heute etwas dafür, dass sich die Bürgerinnen und Bürger, die Parteien als Kun­den an den Gerichten fühlen. Wir tun aber auch etwas für die Sicherheit der Justiz­bediensteten. Für uns in Oberösterreich ist der Amoklauf am Bezirksgericht Urfahr immer noch präsent. Dabei sind auf tragische Art und Weise sechs Personen ums Leben gekommen, erschossen im Verhandlungssaal. Eine dieser Personen war der Vater meiner Ausbildungsrichterin.

Auch ich habe im Herbst während einer Verhandlung einen Alarm miterleben müssen. Wir saßen im Verhandlungssaal, die Sirene begann zu heulen, eine Durchsage kam und das Gerichtsgebäude musste evakuiert werden. Wir haben uns dann am Hauptplatz in Freistadt versammelt, und es hat sich Gott sei Dank relativ schnell herausgestellt, dass es nur ein Probealarm war – umso besser war das Gefühl danach, zu wissen, dass die Sicherheit an den Gerichten in der Praxis bereits jetzt ernst genommen wird. Daher ist es auch nur logisch, wenn wir heute die zentrale Anlaufstelle für Bedrohungsfälle in das Gesetz schreiben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Während meines Praktikums habe ich aber noch etwas gelernt. Ich war der Sexual­strafrechtsabteilung zugeteilt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Frau Bun­desminister, ich glaube, vor allem Sie verstehen es, wenn ich heute hier als Frau und Mutter vor Ihnen stehe und sage, dass Opfer von sexueller Gewalt durch Gerichtsver­fahren nicht zusätzlich belastet werden dürfen. Die Justiz muss die Opfer von sexueller Gewalt unterstützen, denn das Erlebte ist für die Opfer schon belastend genug. Daher ist es logisch, wichtig und selbstverständlich, dass nur besonders geschulte Richterinnen und Richter in diesen Verfahren zum Einsatz kommen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich weiß, diese Novelle erscheint vielleicht auf den ersten Blick etwas unscheinbar, aber ich verspreche Ihnen, sie wird in der Praxis spürbar sein, denn sie hilft allen: den Bediensteten in der Justiz und den Bürgerinnen und Bürgern. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

12.48


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Johannes Margreiter. – Bitte.


12.48.28

Abgeordneter Dr. Johannes Margreiter (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Wir stehen vor der Situation, dass wir ein Gesetz beschließen müssen, bei dem es darum


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geht, die Sicherheit in den Gerichtsgebäuden zu erhöhen. Das ist ein Anliegen, das durchaus unterstützenswert ist, eine Aufgabe, der wir uns stellen müssen.

Nur: Für mich stellt sich da immer eine Frage. Ich bin jetzt seit über 30 Jahren als Rechtsanwender, als Systempartner der Justiz tätig und frequentiere seither regelmäßig Gerichtsgebäude in ganz Österreich. Früher war es halt so, dass man in jedes Gerichts­gebäude hineingekommen ist, es waren alle Türen offen, teilweise gab es sogar mehrere Zugänge. Das Gerichtsgebäude in Innsbruck zum Beispiel hatte einen Zugang in der Schmerlingstraße, in der Maximilianstraße und in der Fallmerayerstraße – es war ein offenes Haus. Es gab sozusagen einen leichten Zugang zum Recht, die Gebäude waren für jeden Bürger und für jede Bürgerin leicht zugänglich.

Jetzt sind die Eingänge verbarrikadiert, man muss sich strengen Sicherheitskontrollen unterziehen. Das wird wohl alternativlos sein, nur muss man sich wirklich die Frage stellen, wo es doch in vielen Jahrzehnten vorher ohne diese Sicherheitsmaßnahmen gegangen ist: Wurde der Mensch um so viel schlechter oder was ist die tiefere Ursache dafür, dass sich die Gerichte jetzt so sehr schützen müssen?

Diese Frage müssen wir uns stellen, und ich glaube, die Antwort auf diese Frage wird nicht ganz einfach sein, sondern vielschichtig. Das wird aber möglicherweise auch damit zu tun haben, dass es halt doch immer wieder sogenannte Justizopfer gibt, Menschen, die einfach aus ihrer subjektiven Wahrnehmung heraus glauben, dass ihnen vor Gericht Unrecht angetan worden ist: Man hat einen Prozess verloren, obwohl man hundert­prozentig überzeugt war, dass man ihn gewinnt. Oder ein Verkehrsunfall, ein einfacher Verkehrsunfall: Man weiß selber ganz genau – und sagt das auch –: Ich bin mit meinem Auto gestanden!, und der Sachverständige im Prozess rechnet dann vor und sagt: Sie müssen noch mindestens mit 4 oder 5 km/h gefahren sein!, und der Richter stellt das entsprechend fest. Der Richter war nicht dabei, der Sachverständige war nicht dabei, die beiden Anwälte waren nicht dabei. Der Unterlegene kriegt also jetzt ein Urteil, er verliert, es steht auf dem Urteil unglaubwürdig – das macht natürlich böses Blut.

Es gibt eben Menschen, die mit einer solchen Situation sehr schwer zurechtkommen, und ich denke schon, ob es nicht überlegenswert wäre, auch im Bereich der Verfahrens­rechte Maßnahmen zu setzen. Unsere Zivilprozessordnung ist über 100 Jahre alt, war damals an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert ein Meilenstein der Gesetzgebung, ein modernes Gesetz. Heute wissen wir aus der Wahrheitspsychologie und aus vielen anderen wissenschaftlichen Erkenntnissen, dass es vielleicht nicht der Weisheit letzter Schluss ist, festzustellen: Du hast unrecht, du hast recht!, denn das Ganze ist sehr vergangenheitsbezogen; man versucht immer, zu rekonstruieren, was war. Meines Er­achtens sollte zivilprozessuale Konfliktlösung viel eher auf das gerichtet sein, was sein wird – zukunftsorientiert, Mediation, das sind die Themen. Ich denke, wenn man dies noch verstärkt forciert, dann wird es vielleicht einmal möglich sein, dass man die Sicherheitsvorkehrungen bei Gericht wieder etwas lockert. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der Grünen.)

12.51


Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich Frau Bundesministerin Alma Zadić zu Wort gemeldet. – Bitte.


12.52.03

Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren Abgeordnete! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Ich möchte mich auch kurz zu dieser kleinen Novelle des Gerichtsorganisationsgesetzes zu Wort melden. Es ist zwar eine kleine Novelle, die aber sehr große Wirkung hat. Abgeordnete Jachs und Abgeordnete Prammer haben das auch schon ausgeführt.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll99. Sitzung, 22. April 2021 / Seite 85

Mir ging es in allererster Linie darum, dass wir es in der Justiz eines schaffen: die Justiz bürgernäher und bürgerfreundlicher zu machen, dass Menschen, egal wo sie leben, schneller und einfacher zu ihrem Recht kommen. Mit diesen Änderungen schaffen wir es, diesem Ziel ein Stück mehr gerecht zu werden.

Mit der Einrichtung zentraler Justizservicecenter an Gerichten und Staatsanwaltschaften ist es nun möglich, unabhängig davon, wo man sich gerade befindet, Anträge zu stellen, einfache Eingaben zu machen, Formulare einzubringen. Das war bis jetzt nicht möglich; bis jetzt musste man tatsächlich zu dem Gericht, das zuständig ist, gehen.

Dazu möchte ich betonen, dass trotz der Einrichtung dieser zentralen Servicestellen an Gerichten und Staatsanwaltschaften die schon bestehenden Justizservicecenter, die bereits eingerichtet wurden, selbstverständlich bestehen bleiben, denn sie haben sich bewährt, sie sind ein bewährtes Instrument für ein zeitgemäßes und auch effektives Bürgerservice.

Einen weiteren Punkt würde ich gerne herausgreifen, weil das, glaube ich, sehr, sehr wichtig ist, insbesondere wenn es um strafbare Handlungen gegen sexuelle Integrität und Selbstbestimmung geht: In diesen Verfahren sollen künftig Richterinnen und Richter zuständig sein, die eine spezielle Ausbildung erfahren haben. Wir wissen, wie sensibel diese Verfahren sind. Wir wissen, wie schwierig diese Verfahren für die Opfer von sexueller Gewalt sind. Deswegen ist es umso wichtiger, dass diese Verfahren besonders sensibel geführt werden. Durch diese Änderung ist es daher ab jetzt möglich, dass einzelne Richter, die speziell geschult sind, immer für diese Verfahren zuständig sind. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Generell möchte ich betonen, wie Sie beim letzten Tagesordnungspunkt gesehen haben, bei diesem Tagesordnungspunkt sehen, aber auch beim nächsten Tagesordnungspunkt sehen werden: Ich schaue immer darauf und prüfe jedes Gesetz dahin gehend, ob wir Möglichkeiten haben, die Situation von Opfern von Gewalt, von Opfern von häuslicher Gewalt, aber auch von Opfern von sexueller Gewalt zu verbessern, sie besser zu schützen und ihnen die Möglichkeit zu geben, schneller zu ihrem Recht zu kommen und sich nicht einer Retraumatisierung vor dem Gericht aussetzen zu müssen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Vielleicht noch zu einem Punkt, den Abgeordneter Margreiter angeführt hat: Ich würde mir auch wünschen, dass wir keine Sicherheitsschranken bei Bezirksgerichten brauchen. Ich würde es mir wirklich wünschen. Die Realität ist aber eine andere. Wir haben ge­sehen, dass Richterinnen und Richter bedroht werden, insbesondere Familienrich­terIn­nen sind im Internet von sehr gezielter Androhung von Gewalt betroffen. Wir haben gesehen, dass tatsächlich auch etwas passieren kann. Es sind, wie Abgeordnete Jachs auch ausgeführt hat, Richter während ihrer Tätigkeit erschossen worden, und deswegen müssen wir diese Sicherheitsmaßnahme treffen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

12.55


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Damit schließe ich auch diese Debatte.

Ich frage die Frau Berichterstatterin, ob sie ein Schlusswort möchte. – Das ist nicht der Fall.

Die Abstimmung verlege ich an das Ende der Verhandlungen über die Vorlagen des Justizausschusses.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll99. Sitzung, 22. April 2021 / Seite 86

12.56.1511. Punkt

Bericht des Justizausschusses über den Antrag 1176/A(E) der Abgeordneten Mag. Selma Yildirim, Kolleginnen und Kollegen betreffend Aus- und Fortbildung von RichterInnen und StaatsanwältInnen in Bezug auf Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt (788 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir zum 11. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Frau Abgeordnete Selma Yildirim, Sie gelangen zu Wort. – Bitte.


12.56.48

Abgeordnete Mag. Selma Yildirim (SPÖ): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ich finde, dass der heutige Tag wirklich zu den guten Tagen gehört – zu den guten Tagen, weil wir einstimmig, alle gemeinsam, effektiv Gewalt bekämpfen, also mehr Gewaltschutz gewährleisten (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen), mit diesem Antrag, den die SPÖ hinsichtlich Aus- und Fortbildung von RichterInnen und StaatsanwältInnen initiiert hat, weil es einfach ein wichtiger Bereich ist.

Dafür möchte ich mich aber auch ganz besonders herzlich bei allen Kolleginnen und Kollegen der anderen Fraktionen bedanken, denn ohne diesen Zusammenhalt würden wir hier keinen Schritt weiterkommen. Bedanken möchte ich mich aber auch bei den vielen Frauen und Männern in diesem Land, die in diesen Bereichen tätig sind, ob in Einzelinitiativen, ehrenamtlich, in Einrichtungen, in Beratungsstellen, insbesondere in Gewaltschutzzentren, Interventionsstellen, Männerberatungsstellen, Polizeidienststellen. Überall dort gibt es couragierte, engagierte Männer und Frauen, die tagtäglich gegen Gewalt arbeiten. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

Wir alle kennen die dramatischen Zahlen: Jede fünfte Frau in Österreich ist zumindest einmal in ihrem Leben von körperlicher oder sexueller Gewalt betroffen. Die Täter sind leider häufig Familienangehörige. Auch heuer wurden in Österreich bereits sieben Frauen von ihren Partnern oder Ex-Partnern getötet. Einige der Verbrecher waren den Behörden bereits als Gewalttäter bekannt, und trotzdem war es leider nicht möglich, diese Gewaltspirale zu durchbrechen. Deswegen ist dieser Antrag, über den ich jetzt kurz reden werde, so wichtig.

Der Gewaltschutz kommt in der Ausbildung von RichterInnen und StaatsanwältInnen sehr wohl vor, allerdings nicht in ausreichendem Ausmaß und Umfang. Wie wirkt sich das aus? – Ein Beispiel: Antigewalttrainings, versichern uns all die Frauen und Männer, die in diesem Bereich arbeiten, sind ein Instrument, Gewaltspiralen zu durchbrechen. Es gibt sehr gute Erfahrungen. Wissen Sie, wie viele ein solches Antigewalttraining absolvieren? – Gerade einmal 1 Prozent, haben Sie geschätzt, Frau Ministerin; das hat mir das Justizministerium im Rahmen einer Anfragebeantwortung mitgeteilt. Das ist zu wenig. (Präsident Hofer übernimmt den Vorsitz.)

Die Justiz spielt deswegen eine ganz wesentliche Rolle bei der Bekämpfung von Gewalt, und diese sollten wir bestmöglich nutzen. Dazu braucht es eben Schwerpunkte in der Ausbildung, Fortbildung und Sensibilisierung.

Opfer schützen, die Täter zur Verantwortung ziehen und mittels Prävention und opfer­schutzorientierter Täterarbeit weitere Gewalt mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln verhindern: Das ist unser aller Ziel. Stoppen wir gemeinsam Gewalt gegen Frauen! – Ich danke Ihnen. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

13.00



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll99. Sitzung, 22. April 2021 / Seite 87

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Mag.a Agnes Sirkka Prammer. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


13.00.17

Abgeordnete Mag. Agnes Sirkka Prammer (Grüne): Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ich kann mich meiner Vorrednerin nur aus vollstem Herzen anschließen, sie hat schon sehr viele wichtige Dinge gesagt.

Es gibt sehr viele gute Regeln – wir haben es gerade gehört –: In der Exekutions­ord­nung, in der Geschäftsordnung wie auch in der Strafprozessordnung gibt es jetzt schon viele gute neue Regeln, die helfen, Opfern von Gewalt eine weitere Belastung durch gerichtliche Verfahren, die ihnen zu ihrem Recht verhelfen sollen, zu ersparen, die die Belastung durch das Verfahren verringern sollen. Ganz oft passieren da aber trotzdem Dinge, die nicht passieren sollten.

Es gibt zum Beispiel die Möglichkeit, dass eine abgesonderte Einvernahme vorge­nom­men wird, was bedeutet, dass das Opfer seine Aussage nicht in Gegenwart des Täters machen muss. Wenn nun aber eine Richterin sagt: Ich möchte gerne, dass der Täter im Raum bleibt, weil ich dessen Reaktion auf die Aussage des Opfers miterleben möchte!, ist das zwar aus Sicht der richterlichen Beweiswürdigung durchaus sinnvoll, aber für das Opfer ist es ein Horror, dem Mann in die Augen sehen zu müssen, während es die Geschichte des eigenen Leides, das es durch diesen Mann erfahren hat, noch einmal erzählen und noch einmal durchleben muss.

Genau deshalb gibt es diese Regeln und genau deshalb ist es so wichtig, dass alle Menschen, die mit diesen Regeln arbeiten, auch deren Hintergrund verstehen. Deshalb ist es in diesem Antrag unser aller gemeinsamer Wunsch, dass alle Menschen, die in diesem Bereich arbeiten, auch schon während der Ausbildung eine Zeit lang bei Opferschutzorganisationen arbeiten, dort mitarbeiten, dort genau diesen Arbeitsbereich kennenlernen, damit es zu solchen Situationen, die für die Opfer so sehr belastend sind, nicht mehr kommen kann. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Ich bringe Ihnen ein weiteres Beispiel: Eine Frau wurde vergewaltigt, und diese mutige Frau kämpft sich durch ein Verfahren bei der Polizei, durch eine kontradiktorische Ein­vernahme vor Gericht – das bedeutet, dass sie über Video einvernommen wurde und somit nicht dem Täter gegenübersitzen musste – und bekommt von allen, die mit ihr zu tun hatten, bestätigt: Ja, ich glaube Ihnen, ich glaube, dass das, was Sie erzählt haben, wahr ist und dass Sie das wirklich erlebt haben! Dann muss sie erleben, dass es zu keinem Verfahren kommt, weil die Entscheider nicht nachvollziehen können, warum sich diese Frau, die sich in Todesangst befunden hat, so verhalten hat, wie sie sich verhalten hat, um sich selbst, um ihr Leben zu schützen, um dieser Situation entfliehen zu können.

Die Entscheider konnten das nicht nachvollziehen, weil sie niemals zuvor in Situationen waren, in denen sie mit solchen Aussagen konfrontiert waren, in denen sie mit Situ­ationen konfrontiert waren, in denen sie erfahren mussten und erfahren konnten, welche Schutzmechanismen, welche psychischen Schutzmechanismen Opfer benutzen, in welche Starren Opfer verfallen, während sie solche traumatisierenden Erlebnisse haben, während sie in solch schlimmen Situationen sind. Deshalb haben sie so entschieden, wie sie entschieden haben, und das Opfer wurde ein zweites Mal zum Opfer.

Das darf nicht mehr geschehen – deshalb dieser Antrag, deshalb der Wunsch nach einer Verbesserung der Ausbildung. – Danke sehr. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Krisper.)

13.04


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Mag. Harald Stefan. – Bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll99. Sitzung, 22. April 2021 / Seite 88

13.04.22

Abgeordneter Mag. Harald Stefan (FPÖ): Sehr geehrte Frau Bundesminister! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Auch wir unterstützen diesen Antrag, der von den Regierungsfraktionen eingebracht wurde. Wir unterstützen aller­dings auch – oder hätten diesen auch unterstützt – den Antrag, den Frau Kollegin Yildirim hier eingebracht hat, weil er in Wirklichkeit schon all das, was da notwendig ist, ausdrückt, nämlich dass in der Richterausbildung besonderes Gewicht darauf gelegt wird, dass zukünftige Richter sensibilisiert sind, wenn es um Gewalt gegen Frauen, gegen Kinder, um häusliche Gewalt – also überhaupt um Gewalt gegen Menschen, die schwächer sind – geht und dass die Ausbildung darauf eben Rücksicht nimmt.

Warum der Antrag der Frau Kollegin Yildirim abgelehnt wurde, ist in Wahrheit sachlich nicht verständlich. Das kann nur darauf zurückzuführen sein, dass man als Regie­rungsfraktion grundsätzlich keinen Antrag der Opposition annimmt (Beifall bei Abgeord­neten der SPÖ), denn man hat ja dann ausdrücklich einen eigenen Antrag hier einge­bracht, der im Wesentlichen dasselbe besagt. Wir sind da nicht so kleinlich, wir haben dem einen zugestimmt, werden aber einfach auch dem Antrag der Regierungsfraktionen zustimmen, weil es ja keinen Sinn macht, aus einem Justamentstandpunkt dagegen zu sein. Ich überlasse es Ihnen, so zu handeln.

Tatsächlich ist das ein gesellschaftliches Problem, das ist völlig richtig. Wir sehen ja diese ganz traurigen Fälle der Frauenmorde, die eben oft aus einer Beziehung heraus zustande kommen. Ich bitte nur, zu berücksichtigen, dass man da auch auf den kulturellen Hintergrund schaut. Auch das ist ein wesentlicher Punkt, der in der Aus­bildung der Richter nicht zu kurz kommen sollte: dass sie darauf hingewiesen werden, warum derartige Frauenmorde passieren. Ich glaube, jeder, der zuhört, weiß, was ich meine, nämlich dass hier ein sehr hoher Prozentsatz eben aus einem Kulturkreis kommt, in dem Frauen anders bewertet werden, schlechter bewertet werden, oft auch als minderwertig angesehen werden und sich Männer im Recht fühlen, wenn sie mit Gewalt vorgehen, und das offenbar bis hin zum Mord.

Auch das sollte Bestandteil der Ausbildung sein, damit Richter, die ja zumeist auf Basis ihrer eigenen Lebenserfahrung mit solchen Dingen nichts zu tun haben, darauf hinge­wiesen und in ihrer Ausbildung entsprechend geschult werden.

Dies ist also eine wichtige und richtige Initiative, unseres Erachtens sollte die Ausbildung da aber noch weiter gehen. (Beifall bei der FPÖ sowie der Abg. Yildirim.)

13.07


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Frau Dr. Gudrun Kugler. – Bitte, Frau Abgeordnete.


13.07.06

Abgeordnete Dr. Gudrun Kugler (ÖVP): Herr Präsident! Frau Minister! Liebe Kolle­ginnen und Kollegen! Wir haben jetzt zum Thema Gewalt an Frauen schon sehr viel gehört und dazu, was wir mit diesem Antrag vorhaben, nämlich in der Ausbildung von Richtern und Staatsanwälten dafür Sorge zu tragen, dass man diese Dimension des Lebens von betroffenen Frauen und Mädchen besser versteht und in das richterliche und staatsanwaltliche Handeln miteinbezieht.

Wir haben gehört, dass es so viele Frauenmorde gibt, wir kennen diese traurigen Zahlen, aber die Morde sind nur die Spitze des Eisbergs. Wir hatten allein im Jahr 2020 10 000 Anrufe bei der Frauenhelpline, es gab 11 000 Annäherungs- und Betretungs­verbote, und dass man diese Dimension sieht und in das Handeln miteinbezieht, dafür wird dieser Antrag Sorge tragen. Das heißt, dass man als StaatsanwältIn, als RichterIn


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versteht, was es bedeutet, wenn jemand in der eigenen Familie von Gewalt bedroht ist, welche Folgen es hat, sich dagegen zur Wehr zu setzen, was Traumatisierung bedeutet, wie man Aussagen interpretieren muss – meine Kollegin Prammer hat es schon gut erklärt. Das alles muss mitgedacht werden.

Viele Richter stehen auch in regelmäßigem Kontakt mit Opferschutzorganisationen, aber derzeit sind das eigentlich Eigeninitiativen. Durch diesen Antrag wollen wir das auch vertiefen.

Kollege Stefan hat gefragt: Ja, warum braucht man da jetzt einen Regierungsantrag? – Ich kann es Ihnen schon sagen: Der Antrag der Kollegin Yildirim hat ganz detailliert vorgegeben, wie das umgesetzt werden soll; wir meinen, die Form soll im Justiz­minis­terium überlegt werden. Es hat darin auch geheißen, dass eine gesetzliche Regelung geschaffen werden muss; wir sprechen von einem Element in der geplanten Neuge­staltung der Ausbildung – das ist eine Nuance anders. Und auch die Grevio-Empfeh­lungen werden wir sehr ernst nehmen, aber wir werden sie nicht eins zu eins umsetzen, weil sie Empfehlungen sind, und als solche wollen wir sie auch behandeln.

Ich glaube, dass man, wenn man über Gewalt an Frauen spricht, ein Thema nicht vergessen darf, und das ist die Situation von Migrantinnen in Österreich. Ich habe drei Zahlen beziehungsweise drei Gedanken dazu mitgebracht: Die EU-Grundrechteagentur sagt, dass Frauen und Mädchen mit Migrationshintergrund einem erhöhten Gewaltrisiko ausgesetzt sind.

Ich habe auch mit einer Richterin über den heutigen Tagesordnungspunkt gesprochen, und sie hat mir gesagt, dass das, was vor sieben, acht Jahren Einzelfälle waren, jetzt zum Standard geworden ist. Wir müssen dort hinschauen. Der ÖIF hat gemeinsam mit dem Roten Kreuz und FEM Süd ein Handbuch herausgebracht, es heißt „Gegen Gewalt an Frauen und Mädchen“. Darin sprechen sie von einem erhöhten Vorkommen von ehrkultureller Gewalt, Zwangsheirat, Kinderehe, Mehrfachehe, Frauenhandel, FGM. Es heißt dort – ich zitiere –, dass Gewalt gegen Frauen mit Migrationshintergrund durch die jeweiligen Kultur- und Verhaltensregelungen, die von Generation zu Generation weiter­gegeben werden, legitimiert wird. – Zitatende. Der Verein Autonome Frauenhäuser sagt, dass sich die betroffenen Frauen und Mädchen mit Migrationshintergrund aus mehreren Gründen nur sehr schwer selber aus der Gewaltsituation befreien können.

Ich glaube, es ist wichtig, dass wir diese Frage nicht tabuisieren. Das ist ein Wunsch, den ich an die Stadt Wien und die SPÖ, die heute mit diesem wichtigen Antrag in Vorlage gegangen ist, habe: Sie soll das bitte auch in die Stadt Wien mitnehmen – mit tatkräftiger Unterstützung der NEOS –, denn es geht um den Schutz von Frauen und Mädchen gegen Gewalt. Das ist ein Problem, das wächst, bei dem wir hinschauen müssen, bei dem wir helfen müssen. Mit diesem Antrag tun wir das, und darum auch ein ganz großer Dank an Sie, liebe Frau Justizministerin, dass Sie das so tatkräftig unterstützen! (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Fischer und Rössler.)

13.11


Präsident Ing. Norbert Hofer: Frau MMMag. Gertraud Salzmann ist zu Wort gemeldet. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


13.11.43

Abgeordnete MMMag. Gertraud Salzmann (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen hier im Saal, aber auch liebe Zuseher daheim vor den Bildschirmen! In Österreich ist nach wie vor jede fünfte Frau von Gewalt betroffen. Ja, wir haben das heute schon gehört, aber man kann es eigentlich nicht oft genug wiederholen, weil man sich dessen auch bewusst sein muss. Es ist körperliche Gewalt, es ist psychische Gewalt, aber es ist auch sexuelle Gewalt, der Frauen in


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Österreich ausgesetzt sind. Bei Frauenmorden in Europa Spitzenreiter zu sein ist wirk­lich, wirklich tragisch.

Es liegt an uns, auch hier herinnen, Regelungen und Rahmenbedingungen zu schaffen, um der Gewalt Einhalt zu gebieten und für die Opfer möglichst gute Rahmenbedin­gungen zu schaffen, wenn es zu einer Anklage kommt. Viel zu oft werden an öster­reichi­schen Strafgerichten Anklagen verhandelt, die häusliche Gewalt, Gewalt an Kindern, Gewalt an Frauen als Strafdelikte beinhalten. Das Tragische bei diesen Fällen ist, dass die Täter ganz oft aus dem engen oder weiteren familiären Umfeld kommen. Er­schreckenderweise sind diese Gewalttaten zum Teil sehr massiv und halten tragi­scher­weise zum Teil auch über einen sehr langen Zeitraum an.

Wenn die Opfer nach so einem zum Teil sehr langen Prozess endlich Mut fassen und diese Taten und die Täter zur Anklage bringen, dann, meine Damen und Herren, liegt es wirklich auch an den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bei der Polizei und in der Justiz, eine möglichst einfühlsame Befragung, Verhandlung und Vernehmung durchzu­führen. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

Ich bedanke mich an dieser Stelle bei allen Polizistinnen und Polizisten, bei allen Richterinnen und Richtern und auch bei allen Staatsanwältinnen und Staatsanwälten, die tagtäglich gerade auch in diesen Fällen sehr sensibel und sehr engagiert die Verhandlungen und die Einvernahmen führen.

Wir haben uns im Regierungsprogramm 2020 bis 2024 ganz klar dazu bekannt, dass in Österreich Frauen „frei von Gewalt“ leben können sollen, und wir versuchen, das bestmöglich umzusetzen. Die Istanbulkonvention haben wir unterzeichnet, sie sieht auch eine Bewusstseinsbildung und Sensibilisierung in den betroffenen Berufsgruppen, die mit diesen Opfern regelmäßig Kontakt haben, vor. Ich bin sehr froh, dass zu dem nun vorliegenden, sehr geballten Entschließungsantrag, der auch auf den Antrag von Kolle­gin Yildirim Bezug nimmt und diesen noch einmal stärker ausbaut, ganz breite Zustim­mung vorhanden ist.

Meine Damen und Herren! Eines ist ganz klar – für mich hier vorne und hoffentlich für jeden hier im Raum –: Gewalt gilt es immer zu vermeiden, in welcher Form auch immer. Gewalt an den Schwächsten, an den Kindern, an den Frauen, und Gewalt in den Familien ist immer entschieden zu bekämpfen und zu verurteilen! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

13.15


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer Stellungnahme hat sich Frau Bundesministerin Dr.in Alma Zadić zu Wort gemeldet. – Bitte schön, Frau Bundesministerin.


13.15.46

Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich begrüße diesen fraktionsübergreifenden Antrag, und ich begrüße umso mehr, dass dieser Antrag im Ausschuss einstimmig angenommen wurde. Österreich hat eine sehr hohe Zahl an Frauenmorden, eine sehr hohe Zahl an Opfern von häuslicher Gewalt. Was wir auch immer wieder sehen – das wird auch im Grevio-Bericht näher ausgeführt –: Wir haben zwar viele Anzeigen, aber die Verurtei­lungsrate ist niedrig. Wenn man die Rate der letzten Jahre vergleicht, erkennt man, dass sie sogar sinkt. Das heißt, wir sind gefordert, etwas zu tun.

Ich möchte einen Punkt herausgreifen, der vielleicht ein bisschen untergegangen ist: Ich habe im Dezember einen Erlass überarbeitet und verabschiedet, bei dem es darum geht, die Strafverfolgungsbehörden besonders auf Opfer von häuslicher Gewalt zu sensi­bilisieren. Gerade wenn es um Opfer von häuslicher Gewalt geht, braucht es von vornherein Maßnahmen, um die Beweise besser zu sichern und natürlich auch die


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Ergebnisse der Strafverfolgung besser zu verwerten, um letzten Endes notwendige Schritte hinsichtlich dessen, wofür wir im Grevio-Bericht kritisiert wurden, zu setzen, damit die Anzeigen tatsächlich auch in Verurteilungen enden.

Zum Thema der Ausbildung der RichterInnen und StaatsanwältInnen möchte ich kurz noch einmal unterstreichen, dass wir uns im Regierungsprogramm darauf verständigt haben, dass wir generell die RichteramtsanwärterInnenausbildung überarbeiten. Ich bin sehr dankbar für diesen heutigen Antrag, denn ich werde mir das selbstverständlich genau anschauen und auch dafür sorgen, dass wir da Verbesserungen vornehmen. Wenn es um Fälle von häuslicher Gewalt geht, braucht es selbstverständlich ein beson­deres Feingefühl und auch besondere Sensibilität bei der Ausbildung von RichterInnen und StaatsanwältInnen.

Wir haben bereits ein sehr hohes Niveau, einen sehr hohen Standard in der Ausbildung von RichterInnen und StaatsanwältInnen, aber ich werde auch da Möglichkeiten schaf­fen, um diesen Bereich zu verbessern. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

13.18


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht Fall.

Wie vereinbart verlege ich die Abstimmungen an den Schluss der Abstimmungen über die Vorlagen des Justizausschusses.

13.18.18Abstimmung über die Tagesordnungspunkte 8 bis 11


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir kommen nun zu den verlegten Abstimmungen über die Berichte des Justizausschusses, die ich über jeden Tagesordnungspunkt getrennt vornehme.

Ich frage die Klubs, ob eine Unterbrechung gewünscht ist. – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 8: Antrag des Justizaus­schusses, dem Abschluss des Staatsvertrages: Vereinbarung zwischen der Republik Österreich und dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland über die Aus­dehnung des Anwendungsbereichs des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen auf Gibraltar, in 631 der Beilagen gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 Bundes-Verfassungsgesetz die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 9: Entwurf betreffend Ge­samtreform des Exekutionsrechts in 786 der Beilagen.

Hiezu liegt ein Verlangen auf getrennte Abstimmung der Abgeordneten Mag.a Yildirim vor.

Ich werde daher zunächst über den vom erwähnten Verlangen auf getrennte Abstim­mung betroffenen Teil und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Wir gelangen zur getrennten Abstimmung über Art. 5 Z 6 in der Fassung des Ausschuss­berichtes.


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Ich ersuche jene Mitglieder des Hohen Hauses, die diesem Teil des Gesetzentwurfes ihre Zustimmung geben, um ein bejahendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenom­men.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschuss­berichtes.

Wer hiefür ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Auch das ist ein­stimmig. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 10: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gerichtsorganisationsgesetz, das Bundesverwaltungs­ge­richts­gesetz, das Verwaltungsgerichtshofgesetz und das Bundesfinanzgerichtsgesetz geändert werden, samt Titel und Eingang in 769 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Auch das ist einstimmig. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen zu den Abstimmungen über Tagesordnungspunkt 11. Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Antrag des Justizausschusses, seinen Bericht 788 der Beilagen hinsichtlich des Entschließungsantrages 1176/A(E) zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Weiters gelangen wir zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 788 der Beilagen angeschlossene Entschließung betreffend „verstärkte Berücksichtigung des Themas ,Gewalt gegen Frauen‘ bei der RichterInnenausbildung“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen. (172/E)

13.21.3312. Punkt

Bericht des Ausschusses für Forschung, Innovation und Digitalisierung über die Regierungsvorlage (643 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Patentanwaltsgesetz geändert wird (776 d.B.)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nun gelangen wir zum 12. Punkt der Tagesordnung.

Auch da wurde auf eine mündliche Berichterstattung verzichtet.

Zu Wort gelangt nun Frau Mag.a Eva Blimlinger. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


13.22.23

Abgeordnete Mag. Eva Blimlinger (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrtes Hohes Haus! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen! Es geht heute um die Novellierung des Patentanwaltsgesetzes,


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das in der derzeitigen, noch nicht novellierten Form gegen die Dienstleistungs­richt­linie 2006/123/EG – freier Verkehr von Dienstleistungen – verstößt und daher geändert werden musste. Im Wesentlichen ging es dabei darum, den Gesellschafterkreis zu erweitern.

Wir hatten letztens beim Ziviltechnikergesetz eine ähnliche Thematik, bei der auch die Frage war, wie die unternehmerische Positionierung von Ziviltechnikern, Ziviltechnike­rinnen – jetzt eben Patentanwälten – geschehen kann. Die Novelle geht in die Richtung, dass es um eine Erweiterung um andere Berufe geht, dass also andere Berufe in einer Patentanwaltsgesellschaft vertreten sein können, was im zunehmenden Bereich unterschiedlicher Kenntnisstände da und dort sicher sehr sinnvoll ist, weil man sonst als Patentanwalt, -anwältin wirklich einen derartig riesigen Überblick über alle Materien haben muss, dass das vielleicht manchmal gar nicht möglich ist, weil die Entwicklungen so schnell sind.

Im Wesentlichen geht es mit dieser Maßnahme aber auch um den Schutz der Qualität der Dienstleistungen. Nach wie vor müssen 50 Prozent der GesellschafterInnenanteile von Patentanwälten und -anwältinnen sein, um genau diese Qualität zu gewährleisten.

Mehr ist zu diesem Gesetzentwurf eigentlich nicht zu sagen. Lassen Sie mich vielleicht abschließend ein Wort sagen: Wie Sie wissen, gibt es eine Initiative von über 170 Staats­chefs, die Patente für alle Impfmittel aufzuheben, und da geht es natürlich auch immer um die Frage: Wie gehen wir generell in Zukunft mit der Frage der Patente um, wer kann daraus Gewinn erzielen?

Im Übrigen bin ich dafür, dass die Windisch-Kaserne in Richard-Wadani-Kaserne um­benannt wird. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.24


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Katharina Kucharowits. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


13.25.03

Abgeordnete Katharina Kucharowits (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Werte Kollegen und Kolleginnen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Frau Kollegin Blimlinger hat bereits ausgeführt, was wir heute diskutieren: ein Gesetz, das im Wesent­lichen die Voraussetzungen für die Beteiligung an einer Patentanwaltsgesellschaft sowie die Tarife der PatentanwältInnen regelt.

Wir kommen da prinzipiell den Bestimmungen einer EU-Richtlinie nach. Offen ge­sprochen war das eh auch schon ein längerer Prozess, inklusive eines Vertragsverletzungs­verfahrens gegen Österreich und eines EuGH-Urteils. Das soll jetzt mit diesem Gesetz sozusagen behoben werden. In diesem EuGH-Urteil geht es vorwiegend um die interdisziplinäre Zusammenarbeit. Also gut, nun – geändert und richtlinienkonform formuliert – wird vor allem Bezug auf den Sitz, die Rechtsform sowie die Beteiligung am Gesellschaftsvermögen von Patentanwaltsgesellschaften genommen.

Ein Punkt, der für uns noch ein bisschen unausgegoren ist, sind im Konkreten die Bestimmungen über die Beteiligungen bei einer Patentanwaltsgesellschaft. Wir haben vernommen, dass es da das Verlangen auf eine getrennte Abstimmung geben wird, und werden deshalb auch diesem Punkt, so wie er im Gesetzentwurf jetzt vorliegt, nicht zustimmen. Ich kann aber die Intention, so wie das von der Frau Bundesministerin im Ausschuss auch erläutert wurde, nämlich möglichst diskriminierungsfrei zu sein, absolut und per se verstehen.

Apropos diskriminierungsfrei oder umfassender Diskriminierungsschutz: Ich möchte auf die Ausschusssitzung vergangene Woche auch noch einmal im Detail eingehen. Wir


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haben Anträge verfasst, die den umfassenden Diskriminierungsschutz von Menschen mit Behinderungen betreffen. Konkret haben wir erneut die Barrierefreiheit für alle Websites und Apps, die vom öffentlichen Dienst zur Verfügung gestellt werden, verlangt. Diese Barrierefreiheit gibt es nämlich bis heute nicht, obwohl wir dazu verpflichtet sind, auch vonseiten der Europäischen Union, weil wir Teil der UN-Behinderten­rechtskon­ven­tion sind, uns dieser verpflichtet haben.

Immer noch erleben wir aber die Tatsache – jetzt auch sehr aktuell –, dass Menschen mit Behinderungen nicht die Möglichkeit haben, 1450 zu kontaktieren, und gerade in der Coronakrise nicht die Möglichkeit haben, sich zu Impfungen anzumelden! Das ist wirklich fatal.

Was haben die Regierungsfraktionen ÖVP und Grüne gemacht? – Vertagt. Werte Kolle­gen und Kolleginnen, diese Vertagungsorgien kennen wir; wenn es aber um Barriere­freiheit geht, wenn es um Rechte für Menschen mit Behinderungen geht, gibt es keine Zeit mehr. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

Deshalb: Setzen wir endlich die Barrierefreiheit in allen Lebenslagen um, vor allem, wenn es um Notrufnummern, um Hotlines geht, wenn es auch um Leben und Tod gehen kann! Das ist unsere Verpflichtung, und darum geht es. Es ist ein Recht von Menschen mit Behinderungen. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

13.28


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Andreas Minnich. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.28.13

Abgeordneter Andreas Minnich (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staats­sekretär! Werte Kollegen! Liebe Zuseher! Erfindungen, Innovationen und Patente sind ein wichtiger Motor und Treiber für jedes Land. Von Viktor Kaplan, dem Erfinder der Schiffsschraube, bis zu Hedy Lamarr, Frequenzspreizung – das ist übrigens eine Erfindung, die wir heute auch in unseren WLANs verwenden –, von der Glühlampe über die Nähmaschine und die Erfindung des Stahlbetons bis hin zu vielen chemischen Erfindungen, die unseren Alltag bestimmen, haben diese Erfindungen alle eines gemeinsam: Sie sind in Österreich erfunden worden.

Wir brauchen Erfindergeist in unserem Land, um unsere Gesellschaft und Wirtschaft nach vorne zu bringen. Dieser Spirit, dieser Geist ist es, der unserem kleinen Land viel Anerkennung eingebracht hat.

Diesen Montag hat die Nasa von einem Gebrüder-Wright-Moment auf dem Mars ge­sprochen: dem ersten Flug eines Drohnenhubschraubers auf einem anderen Planeten, mit österreichischer Beteiligung. Stephan Weiss von der Universität Klagenfurt, der an der Entwicklung der Drohne Ingenuity beteiligt ist, hat perfekt beschrieben, welche komplexen Schwierigkeiten bei einer Mission 74 Millionen Kilometer von der Erde entfernt eintreten können, vom kleinsten Staubkorn, das zum Problem werden kann, bis zu vielem mehr – ein großartiger Erfolg, der uns alle stolz machen soll und zeigt, was mit Erfindergeist alles zu schaffen ist.

Mit dem heutigen Antrag zum Patentanwaltsgesetz kommen wir der Forderung des EuGH nach, das Patentanwaltsgesetz für die Zukunft innovativer zu gestalten und unseren Standort zu stärken. Helfen wir unseren Erfindern mit diesem Gesetz dabei, dass Österreich ein Hochtechnologieland bleibt und für die Zukunft bestens gerüstet ist! – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

13.30



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll99. Sitzung, 22. April 2021 / Seite 95

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Herr Dr. Helmut Brandstätter. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.30.25

Abgeordneter Dr. Helmut Brandstätter (NEOS): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Das Patenanwaltsgesetz ist wichtig, ja. Wir müssen eine europäische Richtlinie übernehmen, dafür sind auch wir. Allerdings fühlen sich die Patentanwälte – wir haben mit ihnen gesprochen – sehr, sehr stark eingeschränkt. Sie sehen nicht, dass jedes Unternehmen sich da beteiligen kann, und befürchten, dass es durchaus gefährlich sein kann, wenn Gesellschaftsanteile in dieser Art und Weise an jeden gehen können. Sie meinen, dass das nicht dem freien Markt überlassen werden soll. Wir haben deswegen diesbezüglich um eine getrennte Abstimmung gebeten.

Was aber sind Patente? – Patente sind die Ergebnisse von Forschungsarbeit. Wir reden immer davon, dass wir Innovationsführer werden wollen, meine sehr geehrten Damen und Herren, aber wir sind es leider nicht. Wenn wir uns anschauen, wie viele Patente in anderen, vergleichbaren Ländern angemeldet werden – in der Schweiz, in Dänemark, auch in Deutschland –, dann sehen wir, dass es dort deutlich mehr sind, deswegen müssen wir da etwas verbessern.

Wir haben dazu schon öfter Vorschläge gemacht, und ich möchte darauf wieder ein­gehen. Wenn wir wirklich Innovationsleader werden wollen, dann brauchen wir mehr heimische Spitzeneinrichtungen, dann müssen auch alle Möglichkeiten für Start-ups, Patente zu erarbeiten, verbessert werden. Die finanzielle Beteiligung an diesen Start-ups muss besser werden, und die Grundlagenforschung muss gestärkt werden. Für uns Nichtwissenschafter ist das immer schwer vorzustellen, und man muss auch gar nicht begreifen, was eine Genschere ist. Das ist eine der wesentlichen Erfindungen der letzten Jahre gewesen, und sie war nur möglich, weil GrundlagenforscherInnen sich mit dieser Crispr-Genschere beschäftigt haben und das dann dabei herausgekommen ist. Das heißt, wir brauchen deutlich mehr Geld für Grundlagenforschung, das wissen wir auch aus anderen Ländern.

Wir brauchen auch eine Reform des Stiftungswesens. Da wir von allen Institutionen wissen, dass wir zu wenig Geld investieren, brauchen wir ein besseres Stiftungswesen. Auch dazu haben wir mehrfach Vorschläge gemacht.

Wenn ich über Forschung nachdenke, dann muss ich immer an Franz Kreuzer – einen meiner vielen Lehrer, über den ich sehr froh war – und sein wirklich spannendes Buch über Bionik, also darüber, wie das Leben, wie die Natur die Wissenschaft beeinflussen, denken. Er hat das ganz wunderbar beschrieben. Das Buch heißt „Nobelpreis für den lieben Gott“ (das genannte Buch in die Höhe haltend), und er hat mir reingeschrieben: Der liebe Gott hat das Erfinden erfunden. – Damit meint er nicht den Gott mit dem weißen Bart, sondern er meint die Natur, die uns so viel gibt, und ihre Möglichkeiten.

Zum Schluss noch ein Wort zu Kollegen Hanger, der mir öffentlich eine schwere psychische Krankheit unterstellt hat: Er hat sich dafür entschuldigt, und ich nehme das auch gerne an, weil zu meiner christlichen Erziehung auch Verzeihen und Barmherzig­keit gehören. Eines möchte ich aber schon sagen: Wenn es der neue politische Stil ist, dass man immer wieder in dieser Art austeilt, wollt ihr darauf hoffentlich kein Patent haben. (Abg. Eßl: Das ist schon vergeben!) Ich muss schon deutlich sagen: Dass Menschen herausgenommen und geohrfeigt werden, kann ich leicht ertragen; ich weiß aber, dass Sie das auch mit anderen machen, und ich fordere Sie dringend auf, damit aufzuhören. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ich habe es schon einmal gesagt und sage es noch einmal: Ich möchte weiterhin unser rot-weiß-rotes Österreich und kein türkis-


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mieses Österreich haben. – Danke schön. (Beifall bei den NEOS, bei Abgeordneten der SPÖ sowie der Abgeordneten Disoski und Weratschnig.)

13.33


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wie vereinbart verlege ich die Abstimmungen an den Schluss der Verhandlungen über die Vorlagen des Ausschusses für Forschung, Innovation und Digitalisierung und fahre in der Erledigung der Tagesordnung fort.

13.34.0213. Punkt

Bericht des Ausschusses für Forschung, Innovation und Digitalisierung über die Regierungsvorlage (632 d.B.): Erklärung europäischer Regierungen über die Phase des Einsatzes der Träger Ariane, Vega und Sojus vom Raumfahrtzentrum Guayana aus (777 d.B.)

14. Punkt

Bericht des Ausschusses für Forschung, Innovation und Digitalisierung über den Antrag 1057/A(E) der Abgeordneten Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Strategie für österreichische Weltraumtätigkeiten (778 d.B.)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen nun zu den Punkten 13 und 14 der Tagesordnung, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt nun Mag.a Dr. Petra Oberrauner. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


13.34.47

Abgeordnete Mag. Dr. Petra Oberrauner (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Kolle­ginnen und Kollegen! Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren zu Hause! Weltraumtechnologien sind die Schlüsseltechnologien des 21. Jahrhunderts und aus dem täglichen Leben nicht mehr wegzudenken. Sie ermöglichen satellitengestützte Infrastrukturen, und so könnte es in gar nicht so ferner Zukunft sein, dass ein Großteil des globalen Datenverkehrs über Satellitenkonstellationen, wie zum Beispiel Starlink von Elon Musk, erfolgt.

Staaten, die in diesem Bereich führend sind, werden den Aufbau des Internets und die Gestaltung des Datenschutzes zukünftig umfassend und maßgebend beeinflussen. Die EU hinkt leider noch ein bisschen hinterher, aber digitale Kommunikation ist eine hochkritische Infrastruktur in Wirtschaft, Verwaltung, Krankenhäusern und Kraftwerken. Wenn wir unabhängig bleiben und die Kontrolle behalten wollen, braucht Europa eine starke und konkurrenzfähige Raumfahrt, und Österreich braucht eine starke Stimme in Raumfahrtorganisationen und bei Projekten.

Österreich als Hightechstandort braucht aber noch etwas ganz Wesentliches, nämlich Möglichkeiten, die Beteiligungen von österreichischen Unternehmen und Forschungs­einrichtungen in diesem Segment zu sichern und so die Wertschöpfung in Österreich zu erhöhen. Österreich hat über 100 Organisationen und Betriebe, über 1 000 Arbeitsplätze in diesem Bereich und ist Technologieführer bei Leichtmaterialtanks für Trägerraketen


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und bei sicherheitskritischen Netzwerktechnologien zur ausfallsicheren Kommunikation in Raumfahrzeugen.

Die Raumfahrt stellt auch viele weitere systemkritische Infrastrukturen bereit. Wir verwenden sie täglich: Ortungs- und Navigationssysteme wie GPS, AIS und Galileo und Erdbeobachtungssysteme für Militär, Wetter, Umwelt- und Klimaschutz – sowie für die Zeitmessung, die genau sein sollte – wie Copernicus. Österreich ist da federführend, und ich nehme die Gelegenheit wahr, Dr. Aschbacher, der bei der Entwicklung dieses Systems maßgebend war, zu gratulieren, denn er wird mit 1. Juli Generaldirektor der ESA. (Beifall bei der SPÖ, bei Abgeordneten der ÖVP sowie des Abg. Weratschnig.) Er ist übrigens ein Tiroler, das wird die Kollegen freuen.

So gibt es also unsere Zustimmung zur Erklärung europäischer Regierungen über die Phase des Einsatzes der Träger Ariane, Vega und Sojus vom Raumfahrtzentrum Guayana aus und zur Aufforderung an die Ministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie, bis Ende Juli eine neue Weltraumstrategie für Österreich zu erarbeiten und dem Parlament vorzulegen.

Ich möchte dazu noch sagen, dass Österreich in diesem Bereich vom Europäischen Rechnungshof geprüft wurde und es keine Beanstandungen jeglicher Art für Österreich gab. Ich glaube, darauf können wir stolz sein. Wir sind als kleines Land führend in diesem Bereich. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.37


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Hermann Weratschnig. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


13.38.05

Abgeordneter Hermann Weratschnig, MBA MSc (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Werte Abgeordnete! Der Weltraum, unendliche Weiten; wir schreiben das Jahr 2021, 183 Abgeordnete und die Bundesregierung sind fünf Jahre unterwegs, um Welten zu entdecken. (Heiterkeit bei den Grünen.) Wir entdecken in der Koalition bereits neue Welten und stehen vor großen Herausforde­run­gen. (Zwischenruf des Abg. Hörl.) Wir stehen vor der Herausforderung, die Pandemie zu bekämpfen, und vor allem – jetzt komme ich zum Thema – vor der größten Heraus­forderung der Menschheitsgeschichte, nämlich jener, einen Klimakollaps zu vermeiden. Unsere Zivilisation zu schützen ist die zentrale Aufgabe, und dazu brauchen wir auch die Satellitenraumfahrt. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Trägerraketen wie Ariane 6 und Vega-C sind wichtige Träger für die europäische Satellitenraumfahrt. Die vorliegende Erklärung, die bis 2035 gilt, ist ein starkes europäisches Zeichen, ein starkes österreichisches Signal mit sehr vielen Firmen, die sich beteiligen. Alleine an dem Ariane-Projekt, werte Abgeordnete, sind 600 Unter­nehmen aus 13 EU-Staaten beteiligt. Es sind 350 KMUs, die da Forschungsarbeit betreiben.

Die Singlebodyrakete Vega-C ist vor allem für schwere Frachtmodule entwickelt worden. Vega-C soll im Juni/Juli 2021 als Träger für den Space Rider, das ist ein wieder­verwendbares – erstmalig ein wiederverwendbares – Weltraumlabor, das Forschungs­arbeiten sicherstellen sollte, bereitstehen.

Der Mehrwert für den Standort Österreich liegt auf der Hand: Er liegt in der Material­forschung, in der Entwicklung von Antriebstechnologien, in Digitalisierung, Big Data, Wetterdiensten und – zunehmend wichtiger – natürlich auch im Bereich der Klima­for­schung. Wir brauchen da unsere Weltraumstrategie.


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Die Bedeutung von Satelliten wird täglich wichtiger: Überwachung der Treibhaus­gas­inventur, Monitoring bei Eis und Schnee, Potenzialanalysen im Einsatz von erneuer­baren Energien – das ist, glaube ich, besonders wichtig –, Entfernung von Plastikmüll aus unseren Weltmeeren – auch da müssen wir auf Satellitendaten zurückgreifen –, Hochwassermanagement, Wasserversorgung, Schifffahrt und viele andere Bereiche.

Diese Woche gab es bereits, glaube ich, einen sehr wichtigen Termin zum Thema Weltraumschrott: die Konferenz, die sich mit dem Thema Weltraumschrott beschäftigt. Unser Generaldirektor der ESA Josef Aschbacher machte auf dieses Problem aufmerk­sam, ein sehr wichtiges Problem für unsere Sicherheit und für die Weiterentwicklung: 129 Millionen Trümmerteile sind im Weltraum unterwegs und stellen da ein großes Problem dar. Dazu ist eine europäische Mission unter Federführung der ESA notwendig.

Sehr geehrter Herr Staatssekretär, an dieser Stelle freut es mich, dass das BMK sich hier sehr stark engagiert. Das sollte auch der §-27-Antrag zum Ausdruck bringen. Die in Arbeit befindliche Weltraumstrategie sollte fertiggestellt und dem Nationalrat vorgelegt werden.

Letzter Satz: Wenn es um den Klimaschutz und um das Klimaschutzgesetz geht, sehen wir uns auf der Kommandobrücke tätig. Dazu lade ich alle Abgeordneten und die Bundesregierung ein. Es braucht viel Energie und – was den Klimaschutz betrifft – es braucht Lichtgeschwindigkeit! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.41


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Christian Hafenecker. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.41.53

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Ich habe Kollegen Weratschnig jetzt zugehört, und ich denke, ich muss mir das fast in den Kalender eintragen: Ich habe noch nie einen Grünen gehört, der so begeistert über Verbrennungsmotoren gesprochen hat, wie Sie gerade eben. Hier sind wir doch einer Meinung.

Wenn man über Weltraumstrategien spricht, dann stellt sich immer wieder die Frage: Was hat das österreichische Parlament mit Weltraum zu tun? Was hat Österreich mit Weltraum zu tun? – Wir sind kein Spieler, wir sind nicht die Nasa. Dem muss man aber entgegentreten, denn wir sind nicht nur seit 40 Jahren Mitglied der ESA, sondern haben seit Kurzem auch einen Österreicher als Generaldirektor der ESA, Herrn Dr. Aschbacher. Ich glaube, darauf sind wir alle sehr stolz. Ich denke, gerade als Österreich müssen wir das zum Anlass nehmen, unsere Tätigkeiten in diesem Feld entsprechend auszubauen. Ich glaube, es gibt keine bessere Gelegenheit, als das jetzt zu tun.

Was heißt Weltraumforschung in Österreich? – Es gibt durchaus 20 Patente, die jährlich aus österreichischen Wissenschaftsforschungen hervorgehen und im Bereich des Weltraums angesiedelt sind, und es gibt über 1 000 Publikationen, die sich mit diesem Thema auseinandersetzen. Es ist schon so: Wir sind zwar ein kleines Land, aber nichtsdestotrotz in diesem Bereich alles andere als untätig.

Wenn man sich die Prognosen dieses Marktes ansieht, sieht man, dass gerade diese Branche eine absolute Wachstumsbranche ist. Ich habe mir die Zahlen von 2019 herausgesucht: Es sind weltweit 260 Milliarden Euro für Weltraumaktivitäten ausge­geben worden, und die Prognosen sind atemberaubend, denn immerhin sollen bis 2040 2,7 Billionen Dollar in diesem Bereich investiert werden. Man sieht, wie wichtig es ist, dass man hier entsprechend am Puls der Zeit bleibt.


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In einer unserer letzten Sitzungen der EISC, der Europäischen Interparlamentarischen Weltraumkonferenz, hat mir auch einer der dort anwesenden Wissenschafter gesagt: Wir sind dazu verdammt, da die Forschung voranzutreiben, denn man kann sich nicht auf den Lorbeeren ausruhen, die man schon erreicht hat, weil das eben atemberaubend schnell weitergeht. Deswegen ist es auch wichtig, dass wir hier nicht nur entsprechende Mittel zur Verfügung stellen und diese auch erhöhen, sondern auch eine Weltraum­strategie dazu haben.

Wir haben es letztens im Ausschuss besprochen, und die Frau Bundesministerin, die heute leider nicht da ist, hat das befürwortet, dass wir hier sofort, nachdem die Corona­krise abgeschlossen ist, entsprechende Akzente setzen und auch die Weltraum­strategie Österreichs auf neue Beine stellen.

Kollege Weratschnig hat vorhin bereits erwähnt, worum es im anderen Geschäftsstück geht, und zwar im Wesentlichen um die Implementierung zweier neuer Trägerraketen. Das eine ist die Ariane 6, auch hier können wir sehr stolz sein, weil in der Ariane 6, der neuen Trägerrakete, Teile aus Österreich eingebaut sind. Die zweite Trägerrakete ist die Vega-C – das hat Kollege Weratschnig bereits erklärt. Das ist in Wahrheit ein Update des bisherigen Übereinkommens, was den Einsatz dieser Raketen betrifft, und das ist gut so.

Ich möchte zum Abschluss meiner Rede noch einen Appell an das Hohe Haus richten: Es geht darum, dass wir, wie ich gerade erwähnt habe, schon seit 2019 Mitglied in der Interparlamentarischen Weltraumkonferenz sind. Wir sind dort sehr aktiv und wir sind dort auch sehr positiv auf- und wahrgenommen worden. Ich würde wirklich darum bitten, dass wir hier, wenn wir dieses Bewusstsein schärfen, den nächsten Schritt gehen und uns auch für einen Vorsitz innerhalb dieser Konferenz bewerben. Die Coronakrise hat die Aktivitäten der Konferenz entsprechend durcheinandergeworfen, nichtsdestotrotz ist man bereits an uns herangetreten, ob wir nicht einen der nächsten Vorsitze übernehmen wollen.

Wir haben es bereits im Ausschuss besprochen, und ich habe es auch der Frau Bun­desministerin angekündigt: Als Obmann des FIT-Ausschusses wäre es mein Wunsch, dass wir uns überlegen, ob wir den Vorsitz dann im Jahr 2023 übernehmen könnten. Gerade im Hinblick darauf, dass wir jetzt den ESA-Generaldirektor stellen, im Hinblick darauf, dass wir hier Akzente setzen wollen, und im Hinblick darauf, dass Tausende Arbeitsplätze mittlerweile auch in Österreich an Weltraumforschung und Weltraum­technologie gekoppelt sind, wäre das, denke ich, ein kräftiges Zeichen. Wie gesagt, ich werde auf die einzelnen Fraktionen zukommen und bitte um entsprechende Unter­stützung. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

13.46


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag.a Dr.in Maria Theresia Niss. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


13.46.08

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Niss, MBA (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Der Weltraum ist mittlerweile zu einem großen Business geworden, sowohl im Wirtschafts- als auch im Wissenschaftsbereich. Die USA spielen hier klar die erste Geige, Länder wie China holen auf, Europa ist ein wesentlicher Player, aber auch Österreich trägt tatsächlich dazu bei, unseren Planeten durch Weltraumanwendungen, durch unsere Produkte für Satelliten und Trägerraketen klimafreundlicher, lebenswerter und vor allem sicherer zu machen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ich möchte hier vier Bereiche erwähnen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll99. Sitzung, 22. April 2021 / Seite 100

Erstens haben wir ganz tolle Unternehmen: Das sind größere Unternehmen wie die TTTech, Ruag, aber beispielsweise auch die AT&S, die Leiterplatten für Weltraum­anwendungen herstellt. Wir haben aber auch die typischen österreichischen Hidden Champions, wie eine Peak Technology in Oberösterreich, die dafür sorgen, dass Wertschöpfung generiert wird und Arbeitsplätze geschaffen werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Zweitens gibt es natürlich die Grundlagenforschung: Wir haben es schon gehört – diverse Universitätsinstitute, aber beispielsweise auch das Institut für Weltraum­forschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften; Topforscher, exzellente Leute dort –, wir sind da auch wirklich führend.

Drittens, das ist mir wichtig zu erwähnen, weil es viel zu wenige wissen: Wir sind auch bei internationalen Missionen führend. Beispielsweise gab es im Jahr 2018 die inter­nationale Marssimulation im Oman, bei der Österreich die Leitungsfunktion hatte.

Last, but not least, aber wirklich, wirklich wichtig: Wir haben Topleute! Das ist nicht nur Herr Dr. Aschbacher – natürlich ganz wichtig, herzliche Gratulation noch einmal dazu! –, wir haben in diversen Instituten und Unternehmen die Forscher, wir haben die Unter­nehmer und wir haben die Mitarbeiter. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wir brauchen uns also wirklich nicht zu verstecken, aber wir können unser Potenzial noch besser nutzen. Dafür, glaube ich, ist die Strategie eine gute Möglichkeit. Ich habe zwei Wünsche an diese Strategie.

Erstens: Wir müssen die Faszination Weltraum dafür nutzen, dass wir den Nachwuchs im Technikbereich wieder stärken. Wir haben einen akuten Fachkräftemangel, und das ist eine Möglichkeit. Ich erinnere an den ersten Mondflug: Damals sind die Absolventen- und vor allem auch die Inskribentenzahlen an den amerikanischen Universitäten im Technikbereich in die Höhe geschnellt. So etwas brauchen wir jetzt wieder! Wir brauchen Studentinnen und Studenten im Mint-Bereich. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Zweitens ist es ganz wichtig, dass die klugen Köpfe auch in Österreich bleiben und in Österreich gründen. Mir tut es weh, wenn ich höre, dass Unternehmen im Ausland gegründet werden, aber von Österreichern gegründet werden, beispielsweise Spire Global oder die ISA Technology: beide von Österreichern gegründet, aber leider nicht in Österreich. Wir müssen es schaffen, dass wir wieder vermehrt in Österreich gründen, dass wir hochtechnologische Arbeitsplätze in Österreich schaffen und dass wir die Technologie aus Österreich und nicht nur von Österreichern in die Welt exportieren. (Beifall bei der ÖVP, bei Abgeordneten der Grünen sowie der Abg. Oberrauner.)

Dafür brauchen wir einen verstärkten Wissenstransfer und die richtige Förderstruktur. Es ist wichtig, dass wir das auch in der nächsten Strategie so verankern.

Ich möchte diese Gelegenheit jetzt aber auch noch dafür nutzen, mich bei allen Unter­nehmen, bei allen Mitarbeitern und bei allen Forschern in diesem Bereich der Welt­raumforschung und der Weltraumanwendung ganz, ganz herzlich für ihre großartige Arbeit zu bedanken und ihnen ganz, ganz herzlich dazu zu gratulieren. – Danke sehr. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von Grünen und NEOS.)

13.50


Präsident Ing. Norbert Hofer: Herr Staatssekretär Dr. Magnus Brunner gelangt zu Wort. – Bitte schön, Herr Staatssekretär.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll99. Sitzung, 22. April 2021 / Seite 101

13.50.18

Staatssekretär im Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Nur ein paar Worte – es wurde viel Richtiges gesagt –: Die Bedeutung des Weltraums und der ganzen Wirtschaft, der Unternehmen, der Industrie dahinter wird total unterschätzt – das haben wir von den Rednerinnen und Rednern ja bereits gehört. Es wird komplett unterschätzt, was es alles für Möglichkeiten gibt; es geht um Telekom, es geht um Navigation, es geht um Umwelt, Klima, Erdbeob­achtung, also das ist wirklich ein unglaublicher Themenkomplex hinsichtlich unserer Weltraumtätigkeiten.

Österreich spielt eine Rolle, die man auch unterschätzt, Österreich spielt eine große Rolle. Es sind nicht nur die Personen, die angesprochen worden sind. Dr. Aschbacher ist wirklich beeindruckend; ich hatte das Vergnügen, vorletzte Woche mit ihm eine Videokonferenz zu haben – er wird da gerne auch Österreich unterstützen, wenn es um weitere Projekte geht, das hat er zugesichert –; sehr beeindruckend.

Es ist der Weltraumsektor überhaupt unterschätzt und auch das Potenzial, das er mit sich bringt. Ich bin froh – Frau Abgeordnete Niss hat es genau richtig gesagt –, dass an der Strategie extrem intensiv gearbeitet wird. Wir werden im Sommer einen ganz breiten Konsultationsmechanismus ins Leben rufen. Die Strategie ist wichtig – das ist schon die positive Nachricht, und da bin ich wieder bei Frau Abgeordneter Niss –, auch den Forschungsnachwuchs entsprechend zu unterstützen und österreichische Unternehmer wieder gründen zu lassen und auch zurückzuholen.

Ein anderes Telefonat war mit Greg Wyler, einem der großen Vorreiter eigentlich. Man kann jetzt sagen, der ist zum Teil verrückt, aber er hat natürlich in diesem Bereich auch Unglaubliches vorwärtsgebracht. In dem Bereich braucht es verrückte Typen, die vorangehen und die vielleicht Neues mitbringen. Greg Wyler hat bestätigt, dass Öster­reich eigentlich ein unglaublich spannender Markt ist und er selber auch bereit ist, in Österreich zu investieren, uns zur Seite zu stehen, auch mit Know-how zur Seite zu stehen, damit diese Strategie, die dann im Sommer in die breite Konsultation kommt, auch entsprechend vernünftig ist.

Wir müssen es also schaffen, diese Unternehmen zurückzuholen, damit wir dieses Know-how herbringen, wir müssen den Nachwuchs entsprechend unterstützen, damit es zu keinem Braindrain kommt, sondern wir die Leute im Land halten. Das ist sehr, sehr entscheidend.

Ich glaube, der Weltraum insgesamt, die Weltraumindustrie hat in Österreich eine wirk­lich rosige Zukunft, würde ich sagen, aber die Strategie müssen wir nun entsprechend beifügen. Da sind wir am Arbeiten. Wir werden sie dann im Laufe des Sommers auch dem Parlament vorlegen. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Rufe bei der ÖVP: Bravo!)

13.53


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Melanie Erasim. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


13.53.17

Abgeordnete Melanie Erasim, MSc (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ich freue mich sehr, dass ich meine erste Rede nach der Rückkehr ins Hohe Haus in einem sehr zukunftsweisenden Bereich, aber auch zu einem Konsensthema halten kann, denn von denen gibt es im Moment ja leider eher wenige.


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Auch wenn das Thema Weltraumfahrt, wie schon von vielen meiner Vorrednerinnen und Vorredner angeführt wurde, auf den ersten Blick nicht sofort mit Österreich in Verbindung gebracht wird, ist dieses Thema dennoch ein nicht außer Acht zu lassendes. Vor allem im Bereich der Datenübermittlung, aber auch im Bereich des Leichtbaus kann ein deutlicher Nutzen auch außerhalb der Weltraumforschung gewährleistet werden, sozusagen im besten Sinne des Wortes auf den Boden gebracht werden.

Meine Kollegin, Frau Abgeordnete Oberrauner, hat bereits sehr deutlich ausgeführt, welchen wirtschaftlichen Benefit diese Programme für unsere Volkswirtschaft haben. Gerade auch die Referenzen, die in diesem Bereich für tolle heimische Unternehmen auf dem Weltmarkt einen Vorsprung bedeuten, sind nicht außer Acht zu lassen. Genau aus diesen Gründen und weil eben die Weiterführung dieser Vereinbarung keinerlei zusätzliche Kosten für die Republik verursacht, werden wir als sozialdemokratische Parlamentsfraktion dieser Vorlage unsere Zustimmung erteilen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wenn wir schon beim Thema Zustimmung sind, möchte ich schon noch die Gelegenheit nutzen, um hier zu erwähnen, wie im Ausschuss – in diesem, wie auch in so vielen anderen – mit bitter notwendigen Anträgen umgegangen wird. Das beste Beispiel ist der Antrag von Sonja Hammerschmid betreffend „rasche Zurverfügungstellung von Budget­mittel zur Förderung der Corona-Begleitforschung“. Ich möchte Sonja Hammerschmid hier von dieser Stelle aus meinen großen Respekt zollen und ihr meinen Dank für das unermüdliche Engagement aussprechen, das sie auch im Bereich der Forschung geleistet hat. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Dieser Antrag betreffend die bitter notwendigen Mittel wurde jetzt bereits zum zweiten Mal vertagt. Gerade im Bereich der Coronaforschung zählt jeder Tag, und es ist ein denkbar schlechtes Thema, um auf Zeit zu setzen. Nur lächerliche rund 20 Millionen Euro wurden in der Vergangenheit für Grundlagenforschung für Medikamente und Vakzine zur Verfügung gestellt. Im Bereich der sozialen oder psychosozialen Forschung passiert leider fast gar nichts. Gerade jetzt sollte man sich mit Studien beschäftigen, die zum Beispiel darauf eingehen, wie Kinder und Jugendliche die Krise erleben, um dann noch zielgerichtet Maßnahmen setzen zu können.

Ich bitte Sie, Herr Staatssekretär, auch auf die Kolleginnen und Kollegen in der Regie­rung einzuwirken, dass da rasch gehandelt wird, sonst sind nämlich auch noch alle anderen Forschungsmittel, wie zum Beispiel jene der Nationalstiftung und des Österreich-Fonds – die laufen Ende 2022 aus –, auch zu Ende. Österreich, ein Land mit wenig Bodenschätzen, dessen wichtigste Ressource die Menschen sind, muss eben auch in diese – in Form von Bildung und im Bereich von Forschung – investieren. Tun Sie es nicht, wird die Rechnung eine bittere und sehr teure werden.

In diesem Sinne: Hören Sie bitte mit dem unnötigen Vertagen auf und setzen Sie den so oft angekündigten Schulterschluss um! Der Bereich der Forschung hinsichtlich Covid-19-Bekämpfung empfiehlt sich im höchsten Ausmaß dazu. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

13.57


Präsident Ing. Norbert Hofer: Abgeordneter Hoyos-Trauttmansdorff ist der nächste Redner. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


13.57.22

Abgeordneter Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS): Herr Präsident! Herr Staats­sekretär! Ich glaube, es haben so ziemlich alle Vorredner schon angesprochen, dass das Thema Weltraum eines ist, das sehr vielfältig ist und das gleichzeitig sehr wenig Behandlung hier im Hohen Haus findet. Es gibt einige positive Dinge. Es ist öfter Thema,


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als wir glauben, nur meistens wird es da falsch verwendet, nämlich wenn wir über Träger­raketen der Bundesregierung reden. Das war es dann eigentlich schon mit der Be­schäftigung des Parlaments mit dieser Thematik, die höchst relevant und höchst wichtig ist, wenn wir uns anschauen, wo wir heute stehen und was alles – das haben auch schon sehr viele Kolleginnen und Kollegen angesprochen – mit Weltraumtechnologie erst möglich gemacht wurde.

Sie alle haben Ihr Smartphone: Das ist, auf kleinstem Raum, voll mit Weltraum­tech­nologie. Wir erleben tagtäglich neue Errungenschaften. Gestern – auch angesprochen – ist ein kleiner Helikopter auf dem Mars geflogen. Das ist zwar im ersten Moment etwas wahnsinnig Kleines, aber man muss genauer hinschauen, was das technisch alles bedeutet und welche Technologien und Entwicklungen dadurch bei uns hier auf der Erde möglich sind! Gerade dieser Helikopterflug kann dazu führen, dass man mit diesen Erkenntnissen wieder Treibstoff sparen kann und so weiter. Da gibt es also sehr viel, was sich in diesem Bereich tut.

Das sehr Positive ist, dass Österreich bei all diesen Missionen seinen Beitrag leistet, einerseits über die ESA, bei der wir durchaus ein wichtiges Mitglied und auch sehr anerkannt sind, andererseits auch über einzelne Forscher und Forscherinnen, die ganz aktiv bei den letzten großen Projekten, allesamt, mitgearbeitet haben.

Wie zukunftsweisend gerade dieses Thema ist, sieht man nach meiner Wahrnehmung sehr gut im Bereich Umweltschutz – Kollege Weratschnig hat es angesprochen. Es gibt durchaus Möglichkeiten und es gibt auch jetzt schon aktiv Möglichkeiten, die Erd­veränderungen ganz genau zu beobachten – und all das passiert mit österreichischer Beteiligung. Es gibt die Missionen, bei denen es zum Beispiel darum geht, den Meeresspiegel zu beobachten und mit diesen Beobachtungen massive Aufschlüsse darüber zu bekommen, wie sich die Klimaveränderungen auf unseren Planeten aus­wirken.

Es gibt – weil Kollege Strasser in der ersten Reihe sitzt – gerade in der Forst- und Landwirtschaft ganz wichtige Maßnahmen, die nur mit Weltraumtechnologie möglich sind, nämlich wenn wir über die Trockenschäden in der Landwirtschaft diskutieren, wenn wir darüber diskutieren, wie wir den Borkenkäfer möglichst früh erkennen und regional eingrenzen können. Das alles sind Maßnahmen, die nur dank Weltraumtechnologie funktionieren und auch in Zukunft passieren werden.

Ich glaube, es muss uns auch als Parlament bewusster werden, dass uns – auch wenn wir über Forschungsförderungen sprechen – die Maßnahmen und das Geld, das wir in den Weltraum stecken, hier auf dem Planet Erde massiv unterstützen und unsere Zukunft auf diesem Planeten sichern. Das heißt, jeder Euro, den wir in Weltraum­forschung investieren, ist auch ein Euro, den wir in die Zukunft dieses Planeten inves­tieren. (Beifall der Abg. Oberrauner.) Ich glaube, daran sollten wir in Zukunft auch stärker arbeiten. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

14.00


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Peter Weidinger. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.00.40

Abgeordneter Peter Weidinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Staatssekretär Magnus Brunner! Werte Kolleginnen, werte Kollegen! Liebe Öster­reiche­rinnen, liebe Österreicher und alle Menschen, die in diesem Land leben! Bei dieser Materie geht es nicht darum, den roten Planeten zu besiedeln, sondern es geht darum, rot-weiß-rote Arbeitsplätze zu schaffen.


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Die Politik hat die Aufgabe, die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft zu schaffen, und die Wirtschaft schafft die Arbeitsplätze. Wir im Parlament und in der Bundesregierung stellen uns jeden Tag die Frage: Wie können wir die Lebensverhältnisse der Menschen verbessern? Der Comebackplan für Österreich hat genau dieses Ziel im Fokus.

Wie kann uns dabei eine neue Weltraumstrategie helfen, meine Damen und Herren? – Sie ist notwendig, weil die alte aus dem Jahr 2012 stammt. Die Welt hat sich verändert. Heute setzen wir auf Ökologisierung und Digitalisierung, und das, meine Damen und Herren, sind Grundpfeiler dafür, dass wir neue Arbeitsplätze für Österreich schaffen. Ich danke Frau Bundesministerin Margarete Schramböck und dem Herrn Staatssekretär. Sie haben aus der Krise gelernt. Wir brauchen in Europa und in Österreich eine Re­industrialisierung. Wir brauchen wieder eine Industrie, damit wir von den Wertschöp­fungsketten dieser Welt unabhängig sind, und wir brauchen die Privatwirtschaft, weil es die Privatwirtschaft ist, die die Wirtschaft besser versteht und Arbeitsplätze schafft. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Weratschnig.)

Die neue Strategie der ESA, der Europäischen Weltraumorganisation, setzt dabei darauf, dass sie ihre Rolle neu definiert: Nicht länger schafft und produziert eine staatliche Organisation Raketen- und Weltraumtechnologie alleine, nein, sie öffnet diesen Markt für die Privatwirtschaft. Sie schafft damit neue Möglichkeiten für die Wirtschaft, die Industrie und unsere KMUs.

Sie alle haben sich die Zahlen angesehen. Heuer und im nächsten Jahr wird alleine der Satellitenmarkt weltweit ein Auftragsvolumen von 400 Milliarden Dollar erreichen. Mit den neuen Rahmenbedingungen, die wir hier mit diesem Antrag schaffen, meine Damen und Herren, öffnen wir für die österreichische Industrie, für die Hochschullandschaft und für die KMUs, die etwa auch in meinem Bundesland Kärnten ganz wesentliche Bestandteile und Komponenten schaffen, neue Absatzchancen und Märkte.

Da wir heute auch den internationalen Girls’ Day begehen, meine Damen und Herren, möchte ich nicht anstehen festzustellen, dass das Setzen auf Digitalisierung und Ökologisierung vollkommen richtig ist, weil dadurch zukunftsfitte Jobs entstehen, bei denen wir alle Talente brauchen: Männlein, Weiblein; alle Generationen haben da eine neue Chance.

Sie sehen, meine Damen und Herren: Mit der neuen Weltraumstrategie, eingebettet in unseren Comebackplan für Österreich, schaffen wir neue Perspektiven. Drücken wir gemeinsam auf den Startknopf für dieses gemeinsame Unternehmen und starten wir das Comeback für Österreich! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

14.03


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Mag.a Carmen Jeitler-Cincelli. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


14.03.57

Abgeordnete Mag. Carmen Jeitler-Cincelli, BA (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! „Der Weltraum, unendliche Weiten. [...] Dies sind die Abenteuer des Raumschiffs Enterprise [...]. Viele Lichtjahre von der Erde entfernt, dringt die Enterprise in Galaxien vor, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat.“ – Mein Kollege hat es zitiert, ich habe es jetzt gegoogelt: Seit 55 Jahren ist die Faszination Weltraum ungebrochen. Ich habe nicht gedacht, dass es so alt ist – 55 Jahre! Generationen sind von Captain Kirk und seinem Team der Enterprise be­geistert. Die Faszination Weltraum ist ungebrochen, nur ist sie in den letzten Jahr­zehnten wesentlich realer in unser Leben gekommen.

Wieso brauchen wir als Österreich eine Strategie?, könnte man fragen. Sind wir nicht viel zu klein? – Für mich hat das drei Gründe. Einer wurde schon ausführlich beantwortet: Es


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ist ein Wirtschaftsfaktor. 125 Millionen Euro Jahresumsatz wird von 120 Unternehmen und Institutionen mit mehr als 1 000 Beschäftigten, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern geschaffen. Wer sind diese Menschen? – Das sind Ingenieure, das sind Mechatroniker, das sind zum Beispiel aber auch Modeschüler, die in der Ruag – das ist in meinem Wahlkreis in Berndorf – Ummantelungssysteme für Satelliten nähen. Es sind unglaublich viele Jobs, die da entstehen. Die besten Raketen und Satelliten der Welt haben Schlüsselkomponenten made in Austria. Darauf dürfen wir unglaublich stolz sein. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Sie – zum Beispiel Enpulsion, Peak Technology, Ruag ist jetzt genannt worden, und viele, viele mehr – schaffen dabei Produkte, ohne die unser Leben gar nicht mehr möglich wäre. Wir haben schon von Navigationssystemen gesprochen, unverzichtbar im Kampf gegen den Klimawandel sind aber eben auch Wetter- und Prognosesysteme. Da ist ein unglaubliches Werken an unserem Himmel, und nun muss man eben auch sagen, dass dadurch Probleme entstehen. Es entsteht Weltraummüll, und dabei ist die Frage zu klären: Wer ist die Müllabfuhr des Weltraums? – Auch da ist es notwendig, dass wir als kleines Land politisch mitmischen und mitreden.

Zu guter Letzt jedoch – und das ist mein Punkt drei – ist das Allerwesentlichste, glaube ich: Warum brauchen wir eine Weltraumstrategie? Warum müssen wir uns hier ein­mischen? – Weil es ein Zeichen ist. Es ist ein Zeichen, dass wir uns als Österreich und als Europa nicht aufgeben, dass wir weiterhin bereit sind, in diesem Kampf zwischen China und den USA groß zu denken, dass wir in dieser globalisierten Welt die Innovationskraft behalten wollen, dass wir weiterhin voll Zuversicht an unsere Menschen glauben, dass wir glauben, dass wir in dieser unendlichen Weite unsere Talente halten und wiederentdecken können und dass wir nicht irgendwann zurückbleiben und in ein paar Jahrzehnten zu einem Dritte-Welt-Kontinent werden. Manche sagen uns das voraus. Ich glaube es nicht. Ich bin zuversichtlich, dass wir weiter ganz vorn dabeibleiben. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

14.06


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Frau Mag. Corinna Scharzenberger. – Bitte, Frau Abgeordnete.


14.07.09

Abgeordnete Mag. Corinna Scharzenberger (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzter Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Ein „kleiner Schritt für einen Menschen, ein großer Sprung für die Menschheit“: In der aktuellen Debatte geht es heute darum, dass Österreich als Mitglied der ESA in der Weltraum­forschung weiterhin maßgebend sein kann.

Dazu ist es notwendig, dass wir einen Staatsvertrag unterzeichnen, der den Einsatz von Trägerraketen regelt. Warum aber ist das jetzt mitten in einer Pandemie für uns so wichtig? – Auch um das Comeback für Österreich zu schaffen, indem wir durch die Forschung hoch qualifizierte und zukunftsfitte Arbeitsplätze sichern. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wir haben gleichzeitig schon jetzt 150 Firmen in Österreich, die sich mit Weltraum­tech­nologie beschäftigen, viele davon in der Steiermark. Die Steiermark ist das Forschungs­land Nummer eins und das innovativste Bundesland der Republik. (Beifall bei Abge­ordneten von ÖVP und Grünen. – Abg. Matznetter: Niederösterreich! – Ruf bei der ÖVP: Vor allem mit dem Kernöl!) Als Steirerin bin ich stolz darauf, dass das Grazer Institut für Weltraumforschung eine Satellitenlaserstation betreibt, die zu den besten der Welt zählt. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)


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Vor allem in der Krise müssen wir an die Zukunft denken. So können wir diese Arbeits­plätze sichern und sogar noch weitere für die Zukunft schaffen.

Aber auch diejenigen, die beruflich nicht in diesem Bereich tätig sind, nutzen aktiv die Weltraumtechnologie – und das tagtäglich. Unsere genauen Wettervorhersagen zum Beispiel wären ohne den Einsatz von Satelliten nicht möglich, ebenso wenig Naviga­tions­systeme wie GPS, aber auch das Satellitenfernsehen. Es muss uns aber auch klar sein, dass wir in Österreich nicht die Einzigen sind, die in diesem Gebiet maßgebend sein wollen. Die Konkurrenz ist groß. Wir haben es schon gehört: China, Russland, die USA, aber auch viele private Firmen wie Amazon oder Tesla haben ambitionierte Ziele.

Wir müssen für uns einen Zugang zum Weltall sicherstellen. Das kann aber kein euro­päisches Land alleine schaffen, auch nicht Österreich. Das schaffen wir nur gemeinsam als Europa. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wir haben junge und motivierte Leute, die die Begeisterung und das Können mitbringen. Mit Unterzeichnung dieses Staatsvertrages bauen wir ein Grundgerüst, damit Österreich im Weltraum ganz oben mit dabei ist. (Beifall bei ÖVP und Grünen.) Das ist für uns im Parlament ein kleiner Schritt, aber ein großer Sprung für Europa. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

14.10


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wie vereinbart verlege ich die Abstimmungen an den Schluss der Abstimmungen über die Vorlagen des Ausschusses für Forschung, Innovation und Digitalisierung.

14.10.56Abstimmung über die Tagesordnungspunkte 12 bis 14


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir kommen nun zu den verlegten Abstimmungen über die Berichte des Ausschusses für Forschung, Innovation und Digitalisierung, die ich über jeden Tagesordnungspunkt getrennt vornehme.

Wünschen die Klubs dazu eine Unterbrechung? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 12: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Patentanwaltsgesetz geändert wird, in 643 der Beilagen.

Hierzu liegt ein Verlangen auf getrennte Abstimmung des Abgeordneten Dr. Helmut Brandstätter vor.

Ich werde daher zunächst über den vom erwähnten Verlangen auf getrennte Abstim­mung betroffenen Teil und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Wir gelangen zur getrennten Abstimmung über § 29a Z 1 lit. a in der Fassung der Regie­rungsvorlage.

Ich ersuche jene Mitglieder des Hohen Hauses, die diesem Teil des Gesetzentwurfes ihre Zustimmung geben, um ein bejahendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenom­men.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung der Regierungs­vorlage.


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Wer hierfür ist, den ersuche ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Auch das ist einstimmig. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 13: Antrag des Ausschusses für Forschung, Innovation und Digitalisierung, dem Abschluss des Staatsvertrages: Erklärung europäischer Regierungen über die Phase des Einsatzes der Träger Ariane, Vega und Sojus vom Raumfahrtzentrum Guayana aus, in 632 der Beilagen gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 Bundes-Verfassungsgesetz die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben, um ein ent­sprechen­des Zeichen. – Auch das ist einstimmig angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 14: Wir kommen zu­nächst zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Forschung, Innovation und Digitalisierung, seinen Bericht 778 der Beilagen hinsichtlich des Entschließungs­antrages 1057/A(E) zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben, um ein ent­sprechen­des Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Weiters gelangen wir zu Abstimmung über die dem Ausschussbericht 778 der Beilagen angeschlossene Entschließung betreffend „Österreichische Weltraum-Strategie“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mehrheitlich angenommen. (173/E)

14.13.3115. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Tätigkeitsbericht 2020 des Rech­nungshofes – Reihe BUND 2020/48 (III-213/774 d.B.)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir kommen nun zum 15. Tagesordnungspunkt.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Kühberger. – Bitte schön, Herr Kühberger.


14.13.57

Abgeordneter Andreas Kühberger (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Frau Rech­nungs­hofpräsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Österreicherinnen und Österreicher! Ich darf heute zum Tätigkeitsbericht des Rechnungshofes 2020 Stellung nehmen. Die weltweite Pandemie stellt ganz Österreich, aber auch sämtliche Institu­tionen sowie den Rechnungshof vor bisher nie gehabte Herausforderungen. Auf diese Herausforderungen musste sich natürlich auch der Rechnungshof einstellen, und er hat auch diesbezüglich reagiert.

Was hat er getan? – Er hat sein Prüfprogramm geändert und vermehrt auf Homeoffice umgestellt, vor allem während des Lockdowns, was eigentlich einfach war. Warum war das einfach? – Weil der Rechnungshof schon 2017 für die Mitarbeiterinnen und Mit­arbeiter ermöglicht hat, dass sie von zu Hause aus, quasi vom Homeoffice aus, arbeiten können.


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Schaut man sich die Berichte an, dann sieht man, dass sie, bedingt durch die Krise, im Vergleich zu den Vorjahren weniger geworden sind. Im Rahmen der Follow-up-Über­prüfungen sieht man schon, dass die Wirksamkeit der Empfehlungen einen hohen Wert hat, immerhin konnte mit drei Viertel der Empfehlungen eine Wirkung erzielt werden.

Zusätzlich hat der Rechnungshof die Aufgabe, Entwürfe von Gesetzen und Verord­nun­gen zu überprüfen, wofür die Bundesverwaltung vom Rechnungshof Stellungnahmen einholt.

Wie uns auch bekannt ist, hat der Rechnungshof außerdem die Aufgabe, die Finanz­gebarung des Bundes zu prüfen. Diesbezüglich hat der Rechnungshof bestätigt – darauf bin ich auch stolz –, dass die Bundesregierung unter unserem Bundeskanzler Kurz da sehr gute Arbeit geleistet hat. (Beifall bei der ÖVP.)

Warum sage ich das? – Meine Damen und Herren, wir haben 2018, nach 44 Jahren, wieder ein Plus im Budget gehabt, und auch 2019 haben wir ein Plus von 819 Millionen Euro gehabt. Schaut man sich die Schulden an, dann ist sieht man, dass es im Jahr 2019 um 2,8 Milliarden Euro weniger Schulden gab als im Vorjahr.

Warum betone ich das? – Weil es ganz wichtig ist. Wir haben voriges Jahr, das steht auch im Bericht, im Hohen Haus zwei Budgets beschlossen – 2020 und 2021 –, und das war ein wichtiges Fundament dafür, dass wir große Maßnahmenpakete – und wenn ich von groß spreche, dann rede ich von Milliardenbeträgen – geschnürt haben, damit wir dieser Krise entgegenwirken können. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren, ich möchte, diesen Bericht des Rechnungshofes noch einmal kurz zusammenfassend, zwei Dinge erwähnen: Zum einen ist es dem Rechnungshof trotz dieser Krise sehr gut gelungen, dem Prüfungsauftrag nachzukommen – an dieser Stelle, Frau Präsidentin, ein Danke an Sie und Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter! –, zum anderen hat man aber auch gesehen, dass die Maßnahmen unserer Bundes­regie­rung gezeigt haben, dass der Staat ein ganz, ganz wichtiger Stabilitätsfaktor in dieser Krise ist, wodurch Tausende Menschenleben und viele, viele Arbeitsplätze gerettet wurden. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Zanger: Das ist aber nicht im Bericht gestanden!)

14.17


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Mag.a Greiner. – Bitte, Frau Abge­ordnete.


14.17.41

Abgeordnete Mag. Karin Greiner (SPÖ): Herr Präsident! Frau Rechnungshof­präsiden­tin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, die Coronapandemie hat sich naturgemäß auch auf die Prüftätigkeit des Rechnungshofes ausgewirkt, sowohl personell als auch inhalt­lich; personell insofern, als der Informationsaustausch vorwiegend virtuell erfolgt und viele im Homeoffice sind. Inhaltlich geht es natürlich darum, die milliardenschweren Maßnahmenpakete der Bundesregierung zu überprüfen, insbesondere jene des Härte­fallfonds, hinsichtlich derer die SPÖ-Fraktion sehr dahinter war, dass wirklich auch gleich geprüft wird.

Was wird unter die Lupe genommen? – Einerseits die Finanzierungsströme, speziell auch aus dem Krisenbewältigungsfonds, und auch das Ausmaß der finanziellen Hilfs­maßnahmen in Bund und Ländern. Mit welchem Ziel? – Einerseits um Transparenz zu erhalten und andererseits um beurteilen zu können, ob das Zusammenspiel beispiels­weise zwischen den Gebietskörperschaften auch wirklich gut funktioniert hat.

Genau diese Ziele spiegeln einen weiteren Prüfschwerpunkt des Rechnungshofes wider, der auch weiterhin gilt, nämlich den Bürgernutzen. Wir wissen – auf Nachfrage von der


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Frau Präsidentin mitgeteilt –, dass die Berichte zu den Coronamaßnahmen bis zum Frühsommer vorliegen werden.

Die Impfstoffbeschaffungen an sich wurden noch nicht überprüft, das wird aber dann der Fall sein. Ich darf dazu festhalten, dass die SPÖ zusätzlich ein Verlangen auf Son­derprüfung durch den Rechnungshof in Zusammenhang mit Impfstoffbeschaffungen eingebracht hat; das ist gestern passiert.

Was ist der Gegenstand? – Die Grundfrage ist, wie es denn dazu kommen konnte, dass durch einen Finanzdeckel von 200 Millionen Euro seitens der Bundesregierung nicht ausreichend Impfstoff beschafft werden konnte. Man hat bewusst auf viele Impfdosen verzichtet, auf 700 000 Impfdosen von Biontech/Pfizer und auf 1,5 Millionen Impfdosen von Johnson & Johnson. (Zwischenrufe der Abgeordneten Gödl und Melchior.) Dem muss natürlich nachgegangen werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Gespart wurde da leider am falschen Platz; Impfstoff einzusparen ist Sparen am falschen Platz. Mit welchen Folgen? – Mit der Folge, dass im Juni (Ruf bei der ÖVP: ... keine Märchenstunde, Frau Greiner!) – das ist leider kein Märchen, Herr Kollege, das ist Faktum – leider erst 50 Prozent der ÖsterreicherInnen geimpft sein werden, während hingegen Dänemark eine 80-prozentige Impfrate aufweisen wird. Oder schauen Sie nach Israel, dort nimmt man 1,2 Milliarden in die Hand. (Beifall bei der SPÖ. – Zwi­schen­ruf des Abg. Melchior.)

Ein weiterer deutlicher Schwerpunkt – das hat sich auch durch die EU-Aussprache in der Sitzung des Rechnungshofausschusses bestätigt –, auch auf europäischer Ebene, wird die Impfstoffbeschaffung sein. Da wird die Impfstrategie überprüft, da geht es auch um Schutzausrüstungen, und, auch ganz essenziell, um die Verträge zu den Impfstoff­beschaffungen.

Was wird da wichtig sein? – Da wird es wichtig sein, eine gute Kooperation zwischen den nationalen Rechnungshöfen und dem europäischen Gremium zu haben, das hat auch die Frau Präsidentin des Rechnungshofes bestätigt. Das wird konsequent und vertiefend erfolgen, da man sich da ja wirklich auf kurzem Wege austauschen können muss.

Was ist das Ziel? – Dass man daraus europaweit Maßnahmen ableiten kann, um die Auswirkungen der Pandemie bestmöglich zu bewältigen: die gesundheitlichen, die wirtschaftlichen und die sozialen Auswirkungen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

14.21


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Wolfgang Zanger. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.21.21

Abgeordneter Wolfgang Zanger (FPÖ): Herr Präsident! Frau Präsidentin des Rech­nungshofes! Alle Jahre wieder gibt es einen Tätigkeitsbericht, vorgelegt von der Frau Präsidentin, und eines, das uns da schon Jahre verfolgt, ist die Wirksamkeit der Emp­fehlungen. Da haben wir schon seit Jahren dieses Verhältnis von 80 zu 20: 80 Prozent der Empfehlungen werden umgesetzt, 20 Prozent eher nicht – diese 20 Prozent sind allerdings jene, die eigentlich sehr essenzielle Empfehlungen sind.

Der Rechnungshof hat sich deswegen etwas einfallen lassen, nämlich in Nachfrage­verfahren auf jene Empfehlungen besonders hinzuweisen, deren Umsetzung zentrale Wirkung entfalten würde, und er wird diese in Zukunft mit einem Fazit versehen.

Interessant ist, das hat die Frau Präsidentin ja auch auf meine Frage geantwortet, dass rund 20 Prüfungen in den Jahren 2017 bis 2020 darauf zurückzuführen sind, dass Bürger Ideen und Anregungen eingebracht haben, was denn geprüft werden könnte. Ein


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wesentlicher Punkt, der daraus resultiert, ist die Prüfung des Härtefallfonds, die im Zuge der gesamten Anpassung des Prüfungsprogrammes sicherlich eine zentrale Prüfung sein wird.

Es ist dem Rechnungshof wirklich hoch anzurechnen, dass diese Anpassungen zahl­reiche Bereiche betreffen. Beim Härtefallfonds befindet man sich ja bereits im Stellung­nahmeverfahren, wie Sie ausgeführt haben, Frau Präsidentin, ebenfalls bei der Prüfung zu Struktur und Umfang der finanziellen Hilfsmaßnahmen im Rahmen der Pandemie.

Das Zusammenwirken der Behörden im Pandemiefall ist auch so eine Sache: Da hat man ja, wenn man die Erzählungen oder Berichte aus der Bevölkerung hört, den Eindruck, dass bei unseren Behörden die linke Hand oft nicht weiß, was die rechte tut und umgekehrt – auch da gibt es eine Prüfung. Der COVID-19-Krisenbewältigungsfonds wird ebenfalls geprüft, und auch bei der Kurzarbeitshilfe wurde die Prüfung eingeleitet.

Für uns Freiheitliche ganz wichtig ist – das war eine zentrale Forderung von mir und von Kollegen Angerer –, dass die Cofag, die Covid-19-Finanzierungsagentur des Bundes, geprüft wird. Da wird sich wahrscheinlich dann, wenn die Ergebnisse vorlegen, wieder eines herausstellen, das wir jetzt schon im Unterausschuss des Rechnungshof­aus­schusses bemerken konnten und das sich immer mehr und mehr manifestiert, dass nämlich die Profiteure dieser ganzen Pandemie in den Kreisen der ÖVP sitzen. Die ÖVP und ihre Netzwerke verdienen daran, und es wird sich auch herausstellen, was wir immer schon feststellen mussten: dass die ÖVP die Corona-Korruptionspartei dieses Landes ist. (Beifall bei der FPÖ.)

14.24


Präsident Ing. Norbert Hofer: Herr Abgeordneter David Stögmüller ist zu Wort ge­meldet. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.24.39

Abgeordneter David Stögmüller (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolle­ginnen und Kollegen! Frau Präsidentin! Es ist wieder so weit, wir haben auch dieses Jahr wieder den Tätigkeitsbericht des Rechnungshofes auf der Tagesordnung. Der Rech­nungshof hat mit seinem Bericht wieder einmal gezeigt, wie vielseitig seine Tätigkeit ist: von der normalen Prüftätigkeit über Sonderaufgaben für Minister und Nationalrat bis hin zu Sonderaufgaben wie der Erstellung des Einkommensberichtes und der Aufgaben nach dem Parteiengesetz.

Kollege Zanger hat es schon angesprochen: Aktuell ist ja ein Ständiger Unterausschuss des Rechnungshofausschusses eingesetzt, in dem die Vergaben rund um die Corona­pandemie untersucht werden. Dort haben wir auch ein wenig Einblick in die Prüfarbeit eines Rechnungshofes, wenn auch nur einen kleinen. Wir bekommen Akten, wir stu­dieren diese, wir befragen Auskunftspersonen – und wir erstellen eben einen Bericht, der dem Nationalrat und auch dem Rechnungshof zugeleitet wird.

Natürlich haben wir es als Parteien dabei ein bisschen leichter, denn wir können auch politische Positionen bewerten, was Sie ja nicht dürfen beziehungsweise weniger machen; Sie bereiten diese Berichte für uns ja so neutral wie möglich vor. Wir haben dadurch dennoch einen guten Einblick, wie umfassend die Arbeit des Rechnungshofes für so einen Bericht ist, und für diese wirklich großartige Arbeit gebührt Ihrem gesamten Team und Ihnen natürlich ein großer Dank! (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Wir sind dem Rechnungshof auch sehr dankbar dafür, dass er immer wieder seine Finger in die Wunden legt und dazu beiträgt, mehr Transparenz zu schaffen: Mehr Trans­parenz ist ein wichtiger Punkt, den wir gerade in der Politik brauchen. Wie notwendig Transparenz ist, haben wir ja durch das Ibizavideo und alle Causen in diesem Umfeld


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sehr gut gesehen, und aktuell noch mehr durch das, was durch die Ermittlungen ans Tageslicht gekommen ist.

Der Untersuchungsausschuss und seine Akten haben uns auch vor Augen geführt, wie plump beispielsweise der ehemalige Vizekanzler H.-C. Strache per SMS-Nachrichten ein Gesetz für eine Spende verkauft, wozu es nun auch bald ein Gerichtsverfahren geben wird.

Mit dem Informationsfreiheitsgesetz wird nun ein erster Schritt gemacht, der auch für den Rechnungshof extrem wichtig sein wird: Die Ausweitung der Prüfungskompetenz des Rechnungshofes auf Unternehmen, an denen der Staat mit mindestens 25 Prozent beteiligt ist, war eine jahrzehntelange Forderung aller Parteien hier im Haus. Diese wird jetzt endlich umgesetzt, das ist ganz wichtig und bringt mehr Kontrolle in diese Republik.

Das ist aber eben nur ein Anfang: Wir arbeiten auch an einer Änderung des Parteien­gesetzes, das ist ein weiterer großer Pfeiler des Transparenzpakets, und das ist gut so. Auch da ist wieder einmal der ehemalige Vizekanzler ein sehr gutes Negativbeispiel: Ich erinnere an die Spendencausa, zu der auch noch nicht alle Gerichtsverfahren abge­schlossen sind.

Wir haben also noch ganz viel vor, und es gibt keinen Grund, warum in Österreich bei der Verwendung von Steuergeld keine genaue Kontrolle stattfinden sollte. Das betrifft sowohl Parteien als auch Unternehmen, an denen der Staat beteiligt ist, und das muss auch weiterhin so fortgesetzt werden.

Wir Grüne setzen uns sehr klar und konsequent für mehr Transparenz und für die Verhinderung vor Korruption ein, um in Zukunft nicht mehr mitansehen zu müssen, was in Ibiza passiert und in welcher Regierungskonstellation auch immer versucht wird, die halbe Republik zu verschachern.

Frau Präsidentin des Rechnungshofes, vielen Dank Ihnen und dem gesamten Rech­nungshof für diese Berichte und für Ihre Arbeit im Rechnungshof! – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

14.28


Präsident Ing. Norbert Hofer: Herr Abgeordneter Hoyos-Trauttmansdorff ist der nächste Redner. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.28.43

Abgeordneter Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS): Herr Präsident! Frau Prä­sidentin des Rechnungshofes! Das letzte Jahr war für uns alle eine große Herausfor­derung, auch für die Prüfungstätigkeit des Rechnungshofes. Gerade Vor-Ort-Überprü­fungen waren natürlich wesentlich schwieriger durchzuführen, und es ist ja ein ganz zentraler Teil Ihrer Arbeit, wirklich vor Ort zu ein und sich dort anzusehen, was gut funktioniert hat, was weniger gut funktioniert hat.

Uns als Parlament, dem Sie dann die Berichte vorlegen, geben Sie damit ja auch Empfehlungen mit, wie man gewisse Dinge verbessern könnte. Ich glaube, es ist ein ganz essenzieller Teil des parlamentarischen Gedankens, dass wir Probleme von verschiedenen Seiten zugespielt bekommen – ob das BürgerInnen sind oder ob es der Rechnungshof ist – und versuchen, diese Dinge zu verbessern.

Gerade die Coronakrise hat aus meiner Sicht aber auch gezeigt, wie gut der Rech­nungshof aufgestellt ist und über die letzten Jahre auch Dinge vorbereitet hat. Es war nämlich durchaus beeindruckend zu sehen, wie in diesem Haus trotzdem die Arbeit nicht stehen geblieben ist, sondern wirklich weitergearbeitet wurde. Ich glaube, dass das durchaus auch zeigt, wie gut in den letzten Jahren weitergearbeitet wurde, um in Sachen IT-Infrastruktur und Digitalisierung Dinge vorzubereiten und aufzustellen.


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Die Arbeit des Rechnungshofes wird sich natürlich auch mit der Coronakrise beschäf­tigen müssen. Kollege Stögmüller und auch andere haben vorhin schon den Unteraus­schuss, den wir als Parlamentarier eingesetzt haben, thematisiert. Es gibt darüber hinaus aber auch schon diverse Prüfungen, die beim österreichischen Rechnungshof in Arbeit sind, in denen die Themen der Beschaffung et cetera wirklich genau angeschaut werden. Auch das Thema Impfstoffbeschaffung ist da ein ganz, ganz großes, weil mit dem Rechnungshof natürlich eine unabhängige Stelle klar die Fakten auf den Tisch legen kann und somit dann auch zeigt, welche Dinge in der Krise gut und welche weniger gut funktioniert haben und was wir langfristig daraus lernen können. Das, glaube ich, muss das gemeinsame Ziel sein, das wir da verfolgen. Dafür danke ich Ihnen und Ihrem ganzen Team, Frau Präsidentin.

Ich glaube, dieser Tätigkeitsbericht ist auch ein guter Anlass, zu schauen, was wir im letzten Jahr im Ausschuss gemacht haben. Das war ja auch für uns als Parlamentarier ein durchaus anstrengendes und aufreibendes Jahr. Wir haben mit zehn Sitzungen des Rechnungshofausschusses durchaus, glaube ich, eine beachtliche Anzahl hingelegt; dort haben wir 144 verschiedene Verhandlungsgegenstände behandelt. Ich glaube, dass wir dann durchaus auch zeigen können, wie wertvoll die Arbeit des Rechnungshofes ist, weil wir im Ausschuss diese verschiedenen Berichte relativ schnell behandelt und durch­aus über die Parteigrenzen hinweg immer sehr gute und offene Diskussionen gepflegt haben.

Ich möchte insbesondere den Rechnungshofsprechern der anderen Fraktionen für diese guten Debatten, die wir zu den verschiedenen Themen gehabt haben, danken, und natürlich auch den jeweiligen Fachreferenten, die das gut vorbereitet haben und uns gut zugearbeitet haben.

Ich glaube, dass diese Achse – auf der einen Seite ein starker Rechnungshof und auf der anderen Seite ein guter Ausschuss, in dem man einander schätzt und miteinander Dinge weiterbringt – ein Pfeiler des Parlamentarismus ist, den wir gemeinsam weiter stärken sollen, weil die Reformen, die durch den Rechnungshof angestoßen werden, durchaus wichtige sind, die wir auch beschleunigen sollten. Dafür braucht es diese gute Achse. – Danke schön. (Beifall bei den NEOS.)

14.32


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Hermann Gahr. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


14.32.24

Abgeordneter Hermann Gahr (ÖVP): Herr Präsident! Frau Präsident des Rechnungs­hofes! Geschätzte Damen und Herren! Der Tätigkeitsbericht 2020 legt Bilanz über die Arbeit des Rechnungshofes als Kontrollorgan dieses Parlaments. Es wurden insgesamt 62 Berichte – ein bisschen weniger als sonst, da aufgrund der Coronapandemie andere Schwerpunkte in der Rechnungshofarbeit nötig waren – vorgelegt.

Insgesamt, glaube ich, ist die Bilanz immer mit Blick auf die Umsetzung zu sehen. Da hat der Rechnungshof nachgefragt: Von 2 247 Empfehlungen wurden 79,9 Prozent um­gesetzt, und das zeigt schon, dass es wichtig ist, dass da mit Konsequenz gearbeitet wird, damit ebendiese Empfehlungen umgesetzt werden können.

Der Rechnungshof ist im Jahr 2020 natürlich mit neuen Herausforderungen konfrontiert worden, das haben meine Vorredner schon erwähnt. Es wurde auf Homeoffice umge­stellt, auch die Digitalisierung wurde weiter forciert, und ich glaube, das wird auch in Zukunft der Weg sein: Die Digitalisierung wird in der Prüftätigkeit verstärkt Einzug halten müssen.


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Der Fokus liegt immer auf dem Nutzen für die Bürger. Seit drei Jahren gibt es einen besonderen Schwerpunkt, und dieser wird ja, Frau Präsident, um ein weiteres Jahr verlängert, was aus unserer Sicht absolut in Ordnung geht. Durch diese Pandemie wird der Rechnungshof weitere Aufträge bekommen, durchaus, glaube ich, neue Heraus­forderungen, was die aktuellen Tätigkeiten betrifft. Der Rechnungshof ist ja bereits in acht Fällen dabei, intensiv zu prüfen.

Eines möchte ich aufgrund der Aktualität in Erinnerung rufen: Es hat immer wieder die Empfehlungen gegeben, die Akut- und Intensivbetten in Österreich zu reduzieren, das ist ein Thema, das uns schon sehr lange begleitet. Leider wurden wir da, sage ich, eines Besseren belehrt, und zwar dahin gehend, dass wir diese Intensivbetten in Österreich notwendig brauchen. Gerade im Jahr 2020 waren sie ein wichtiger Rückhalt, weil es, glaube ich, ganz wichtig war, dass wir damit Menschenleben retten konnten.

Es ist auch bereits erwähnt worden, dass vom Rechnungshof zukünftig auf Themen wie Nachhaltigkeit, aber auch Verfügbarkeit und Schutz unserer Systeme verstärkt Rück­sicht genommen werden wird, und ich glaube, die Empfehlungen sollten immer in die Richtung gehen: Was kann im Extremfall eintreten? In diesem Fall, glaube ich, war es richtig, dass wir in Österreich eine gute Struktur haben, was die Intensivbetten betrifft. (Beifall bei der ÖVP.)

Zusammenfassend möchte ich dem Rechnungshof, seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, für seine Arbeit danken. Es wird dort hochprofessionell gearbeitet. Mein Vorredner hat das ja schon erläutert. Ich glaube, wichtig ist, dass wir die Berichte möglichst zeitnah diskutieren und aufarbeiten und als Parlament damit unserem Auftrag nachkommen. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

14.35


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Abgeordneter Andreas Kollross. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.35.50

Abgeordneter Andreas Kollross (SPÖ): Herr Präsident! Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuhörerinnen und Zuhörer! Zuerst einmal, Frau Präsidentin, herz­lichen Dank für Ihre Arbeit – Ihnen persönlich und Ihrem ganzen Team! Wir diskutieren heute den Tätigkeitsbericht des Rechnungshofes, und dieser Tätigkeitsbericht zeigt sehr eindeutig, wie umfangreich und engagiert geprüft und gearbeitet wird, aber auch wie notwendig diese Berichte auch für das Parlament und für uns Abgeordnete sind, um eben auch ein Korrektiv zu haben und zu überprüfen, wie sich die politischen Entwick­lungen darstellen und wo man korrigierend eingreifen muss.

Deshalb, glaube ich – ich möchte das auch noch hervorstreichen –, ist es auch sehr positiv zu bewerten, dass wir heute den Bericht des Rechnungshofes eher zu einer unüblichen Zeit diskutieren. Normalerweise diskutieren wir um 14 Uhr nachmittags über sehr viel, aber nur sehr selten über Berichte des Rechnungshofes. Es wäre viel inter­essanter, das öfters so zu haben, wobei ich glaube, dass es heute möglicherweise weniger an der Wertschätzung, sondern eher an der Kürze der Tagesordnung liegt, dass wir uns heute die Rechnungshofberichte schon um diese Uhrzeit ansehen.

Es wäre aber umso erfreulicher und schön, wenn wir das auch hinkünftig nicht erst um Mitternacht täten, sondern wenn wir über die wichtigen Punkte, die sich der Rech­nungshof anschaut, auch etwas früher, wenn die Öffentlichkeit möglicherweise auch noch intensiver zuschaut, berichten und diskutieren könnten. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich glaube, worum es ebenfalls geht, ist, dass ja das Aufgabengebiet des Rechnungs­hofes immer umfangreicher und immer breiter wird, und wenn ich das richtig vernommen


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll99. Sitzung, 22. April 2021 / Seite 114

habe, plant ja die Regierung, das Prüfwesen zu erweitern, zum Beispiel auf Unterneh­men, die eine 25-prozentige Staatsbeteiligung haben.

Es ist ja prinzipiell nicht uninteressant, das zu tun, aber ich glaube, dann muss man auch so fair sein und sagen: Wenn man die Prüfaktivitäten erweitert, dann sollte man es nicht so machen wie zum Beispiel bei den Handelsangestellten – dass man zwar einmal klatscht, aber alles andere wieder vergisst. Man muss auch im Personalbereich irgend­wann die notwendigen Schritte einleiten, damit der Rechnungshof seiner Aufgabe in der üblichen Qualität nachkommen kann. Darum richte ich einen Appell an die Regierungs­parteien: Wenn man der Meinung ist – und ich würde das unterstützen –, dass der Rech­nungshof seine Tätigkeiten ausweiten sollte, dann sollte man als Regierungsparteien auch das Personal im Rechnungshof aufstocken. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

14.39


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Alois Kainz. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.39.07

Abgeordneter Alois Kainz (FPÖ): Herr Präsident! Frau Rechnungshofpräsidentin! geschätzte Kollegen und Kolleginnen! Sehr geehrte Zuseher zu Hause! Die Corona­pandemie hat von uns allen große Veränderungen gefordert. Auch der Rechnungshof musste seinen Prüfungsumfang den Coronamaßnahmen anpassen. An dieser Stelle möchte ich mich bei Ihnen, Frau Rechnungshofpräsidentin, und bei Ihrem Team für die unabhängigen Prüfberichte bedanken, die uns als Staat den Optimierungsprozess enorm erleichtern.

In seinem Tätigkeitsbericht für das Jahr 2020 greift der Rechnungshof beispielsweise die Pflege auf, welche mir persönlich ein großes Anliegen ist. Die Organisation und die Finanzierung der Pflege zählen zu den größten Herausforderungen unserer Gesell­schaft. Um das bewältigen zu können, müssen wir jetzt schon Maßnahmen ergreifen. Wir brauchen mehr Pflegeheimplätze und mehr Pflegepersonal, aber wir müssen auch die Pflege zu Hause attraktiver gestalten. Deshalb fordern wir Freiheitliche schon lange, dass Pflegebedürftige ab der Pflegestufe 3, die zu Hause gepflegt werden, um 50 Pro­zent mehr Pflegegeld erhalten. Dadurch können wir nicht nur die Pflegebedürftigen selbst massiv entlasten, sondern auch deren Angehörige und das Pflegepersonal.

Meine Damen und Herren! Auch der Rechnungshof empfiehlt, rechtzeitig Planungsmaß­nahmen zu treffen, um künftig eine gute Versorgung der Pflegebedürftigen zu gewähr­leisten. Unsere Bundesregierung ist mit der Bewältigung der Coronapandemie leider überfordert, was auch der vor Kurzem erfolgte Rücktritt von Gesundheitsminister Anschober zeigte. Im Bereich der Pflege ist seit Amtsantritt dieser Bundesregierung leider nicht wirklich etwas vorangegangen. Ich bin gespannt, wie der neue Herr Bundesminister für Gesundheit Dr. Mückstein die Aufgaben bewältigen wird.

Nur weil es jetzt das Coronavirus gibt, heißt das nicht, dass andere Themen einfach auf die lange Bank geschoben werden können. Ganz im Gegenteil: Es sollte uns noch mehr bewusst werden, wie wichtig die Gesundheit ist. Daher muss trotz der Coronapandemie die Pflege an oberster Stelle sein. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

14.41


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun die Präsidentin des Rechnungs­hofes, Frau Dr.in Margit Kraker. – Bitte schön, Frau Präsidentin.


14.41.50

Präsidentin des Rechnungshofes Dr. Margit Kraker: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Zur Debatte steht der Bericht über die


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Tätigkeit des Rechnungshofes über das Jahr 2020. Wir haben Ihnen diesen Bericht Ende 2020 vorgelegt. Es ist dies ein Bericht, der umfassend Rechenschaft über unsere Arbeit ablegt. Es handelt sich um einen Bericht, mit dem wir zeigen, was unsere Schwerpunkte sind, und er stellt dar, dass der Rechnungshof in Zeiten der Pandemie voll leistungsfähig geblieben ist. Dafür gebührt der Dank den Prüferinnen und Prüfern des Rechnungshofes.

Wir haben sehr viele Prüfungen trotz all der Widrigkeiten erledigen können, Ihnen, dem Hohen Haus, vorgelegt, auch den Landtagen vorgelegt, und wir haben unsere Organisation weiterentwickelt. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)

Ich möchte mich auch bei Ihnen sehr herzlich für die gute Zusammenarbeit mit dem Rechnungshof bedanken. Ich glaube, es wurde schon angesprochen: Ich denke doch, dass die Achse zwischen dem Parlament und dem Rechnungshof stimmt, und ich hoffe, dass Ihnen der Rechnungshof mit seinen Berichten auch wertvolle Inputs für die parlamentarische Kontrollarbeit geben kann und immer wieder gibt. Wir veröffentlichen ja nahezu wöchentlich Berichte.

Ich bedanke mich auch für Ihr Feedback in der Befragung zur Zufriedenheit der Abge­ordneten mit dem Rechnungshof, dafür, dass Sie sich die Mühe gemacht haben, die Fragen zu beantworten. Ihre Antworten sind sehr wertvoll für uns, auch für die zukünftige Ausrichtung unserer Arbeit.

Im Zuge dieser Debatte wurden schon zwei Punkte angesprochen, und ich möchte jetzt auf diese zentralen Punkte eingehen. Das war die Ausrichtung des Rechnungshofes im Zuge der Covid-19-Pandemie, und der zweite Punkt betrifft das Thema der Informations­freiheit; darauf möchte ich eingehen, weil dieser Gesetzentwurf ja mit einer Ausweitung der Kontrollrechte des Rechnungshofes einhergeht.

Ja, wir haben bereits im Frühjahr, nach Ausbruch der Covid-19-Pandemie, begonnen, den Prüfplan des Rechnungshofes anzupassen. Warum? – Weil die Hilfsmaßnahmen nicht nur finanziell relevant sind – aktuell machen sie rund ein Drittel der Auszahlungs­summe des Budgets aus –, sondern auch weil neue Fragestellungen und Risiken ins Zentrum der Politik gerückt sind. Wir sehen unsere Aufgabe da sehr verantwortungsvoll und haben damit das Prüfungsprogramm bereits auf zentrale Covid-19-Krisenbewälti­gungs­maßnahmen ausgeweitet.

Es wurde schon skizziert, dass wir eine Prüfung zu Struktur und finanziellem Umfang der Hilfsmaßnahmen gemacht haben, und zwar auf Bundes- und auf Landesebene, um eine Übersicht zu geben und Transparenz herzustellen. Diese Prüfung befindet sich im Stellungnahmeverfahren, wie auch die Prüfung zum Härtefallfonds, der von der Wirt­schaftskammer abgewickelt wird.

Wichtige Themenfelder stellen natürlich die Beziehung zwischen Bund und Ländern sowie die Funktionsfähigkeit des Staates in Krisenfällen dar. Ich gestehe zu, dass Krisen für alle – für den Staat und für die Gesellschaft – mit enormen Herausforderungen verbunden sind. Im Sinne eines Lerneffekts wollen wir aber in unserer Prüfung schauen, wie sich das Zusammenwirken von Bund und Ländern im Pandemiefall dargestellt hat.

Auch die Prüfung über die Bedeutung von Gesundheitsdaten für die Bewältigung der Pandemie ist eine wichtige Prüfung. Da geht es um die Aussagekraft der für das Gesundheitssystem wesentlichen Daten. Das werden wir uns anschauen.

Im Bundesrechnungsabschluss 2020 gehen wir auf die finanzielle Situation des Jahres 2020 und auf die Frage nach den Finanzierungsströmen innerhalb des Bundes­haushalts ein. Da spielt eben auch der Krisenbewältigungsfonds eine zentrale Rolle. Gerade in den vergangenen Tagen wurden ja wieder die finanziellen Mittel aufgestockt.


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Es soll eine Anpassung des Bundesfinanzgesetzes geben, und das hat Auswirkungen auf die zukünftige Schuldenentwicklung. Ich versichere Ihnen, dass das Schulden­mana­gement natürlich den Rechnungshof auch in den kommenden Jahren noch sehr stark beschäftigen wird.

Die Prüfungen, die wir in unserer Prüfstrategie haben, betreffen damit die großen Hilfsmaßnahmen. Sie betreffen die neu geschaffenen organisatorischen Einheiten zur Abwicklung dieser Maßnahmen, und sie betreffen Covid-Krisenbewältigungs­maßnah­men sowie Covid-Aspekte im weiteren Sinn, etwa im Bereich der Digitalisierung. Die Prüfungen zur Krisenfestigkeit und Funktionsfähigkeit der Verwaltungs- und Aufgaben­bereiche auf allen staatlichen Ebenen umfassen natürlich die Bereiche Gesundheit, Soziales und Pflege; das sind die hauptbetroffenen Bereiche.

Dem Rechnungshof ist ein qualitativ hochwertiges Gesundheitswesen ein Anliegen, und das haben wir auch im Tätigkeitsbericht betont. In den letzten Wochen und Monaten ist auch das Impfen in den Fokus gerückt, und nun haben wir auch ein Prüfungsersuchen dazu erhalten, dem wir dann, sobald es prüfungstechnisch möglich ist, auch nachkom­men werden. Wir haben somit aktuell 23 Covid-Prüfungen im Laufen bzw. in Planung.

Was die Wirksamkeit des Rechnungshofes betrifft – das wurde auch angesprochen –, gibt es das Nachfrageverfahren. Da liegt der allgemeine Umsetzungsgrad bei knapp 80 Prozent. Wir haben jetzt auch eine qualitative Auswertung vorgenommen, um noch einmal auf zentrale Punkte Bezug zu nehmen. Ich möchte nur ein Beispiel hervorheben: Wir haben bereits im Jahr 2019 einen Bericht zur Arzneimittelbeschaffung für ausge­wählte Krankenanstalten in Salzburg und Tirol vorgelegt. Da haben wir schon auf die Lieferproblematik von Arzneimitteln in Österreich hingewiesen. Das heißt also, wir haben schon vor der Pandemie Handlungsbedarf aufgezeigt. Daher lohnt es sich, sich mit den Empfehlungen des Rechnungshofes auseinanderzusetzen.

Ich komme noch ganz kurz auf den Entwurf zum Informationsfreiheitspaket zu sprechen. Diesem Vorhaben stehen wir sehr positiv gegenüber, weil mit ihm auch mehr Kontrolle einhergeht. Es geht um eine generelle Informationsverpflichtung. Wichtig erscheint uns, dass das Informationsregister ein echtes Informationstool wird. Nicht ganz nachvoll­ziehen können wir, dass nicht börsennotierte Unternehmen der Informationsver­pflich­tung unterliegen, aber börsennotierte Unternehmen diese Verpflichtung nicht haben. Da sehen wir eine Ungleichbehandlung in puncto Informationsbereich.

Wir glauben auch, dass es, um den Anwendungsbereich des Informationsfrei­heitsge­set­zes klarzustellen, wichtig wäre, dass dem Rechnungshof gemeldet wird, welche Unter­nehmen es überhaupt gibt, an denen die Gebietskörperschaften mit 25 Prozent und mehr beteiligt sind, damit kein Zweifel in puncto Informationsverpflichtung, aber auch in puncto unserer Prüfzuständigkeit besteht.

Wir haben ebenso in Erinnerung gerufen, dass man bei dieser Gelegenheit auch die Kompetenzgrundlage für die Transparenzdatenbank miterledigen könnte. Was die Prüf­kompetenz des Rechnungshofes für Unternehmen mit 25 Prozent-Beteiligung selbst betrifft, so muss ich sagen, dass diese oft heftig bekämpft wird, oft auch mit unzulässigen Argumenten. Ich kann aber nur sagen: Aus Sicht des Rechnungshofes ziehen eben staatliche Beteiligungen auch besondere Kontroll- und Transparenzerfordernisse nach sich. Wir greifen ja nicht in eine inhaltlich unternehmerische Gestion ein, auch Landes­rechnungshöfe haben 25 Prozent-Beteiligungen in ihrem Prüfportfolio, da gibt es eben Unterschiede. Manche Dinge dauern länger – es gab im Österreich-Konvent schon eine grundsätzliche Einigung darauf, nun sind wir wieder einen Schritt weiter.

Wir kritisieren in diesem Zusammenhang die Ausnahme für börsennotierte Unternehmen und damit auch die Ausnahme der Flughafen Wien AG, weil diese ja gerade im Jahr 2009 der Prüfkompetenz des Rechnungshofes unterliegen sollte. Es handelt sich


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dabei um rund 400 Unternehmungen, insbesondere aus dem Bereich der Daseins­vor­sorge wie Wohnbau, Gesundheit, Soziales, Energie und Verkehr, aber auch aus dem Bereich Forschung und Wissenschaft.

Wie gesagt, es sind Minderheitsbeteiligungen, aber es besteht ein öffentliches Inter­esse – denn sonst würde sich der Staat nicht daran beteiligen. Natürlich erfordert das einen zusätzlichen budgetären Mehrbedarf für den Rechnungshof.

Zwei weitere Punkte haben wir in unserer Stellungnahme angemerkt. Ein Anliegen wurde schon in vergangenen Perioden zwischen den Rechnungshofsprecherinnen und -sprechern diskutiert: die Verkürzung der Stellungnahmefrist für den Rechnungshof. Aufgrund der Informationsfreiheit gibt es eine vierwöchige Frist, bei uns beträgt die Stellungnahmefrist drei Monate – wir glauben, es gibt keinen Einwand dagegen, diese auch zu verkürzen.

Um bei der Einkommenserhebung die Managerbezüge darstellen zu können, würden wir uns vorstellen, dass sich dieser Bericht auf alle öffentlichen Unternehmungen, die der Rechnungshofkontrolle unterliegen, erstrecken könnte und dass man da auch auf die Daten der Statistik Austria zurückgreifen sollte.

Ja, und zum Abschluss: Natürlich fehlt der zweite Teil, das sind die Prüfungsrechte nach dem Parteiengesetz, da warten wir noch auf die Umsetzung.

In diesem Sinne hoffen wir, dass sich durch ein umfassendes Kontroll- und Trans­parenzpaket die Stellung Österreichs im internationalen Transparenzranking verbessern kann. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Allgemeiner Beifall.)

14.52


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Abgeordneter Laurenz Pöttinger. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.52.30

Abgeordneter Laurenz Pöttinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Prä­sidentin des Rechnungshofes! Ich möchte noch einmal zu den Intensivbetten Stellung nehmen. Ursprünglich, vor einigen Jahren, waren die Intensivbetten auch ein Kritikpunkt des Rechnungshofes, und deshalb passt das auch noch ganz gut zu diesem Tages­ordnungspunkt dazu.

Ich habe in meinem heutigen Redebeitrag gesagt, dass die FPÖ Intensivbetten fordert. Nun wird natürlich einiges verkürzt dargestellt. – Gemeint war: Es gibt Prävention, es gibt die Maskenpflicht, und Sie alle wissen, dass wir seitens der ÖVP und seitens der Regierung schauen, dass die Pandemie möglichst klein gehalten wird und dass die Infektionszahlen zurückgehen. Natürlich sind die Intensivbetten ganz, ganz wichtig, das ist überhaupt keine Frage, aber die Strategie der FPÖ dahin gehend, dass Sie Prä­vention eigentlich verhindern oder vermeiden wollen und teilweise noch vor der Impfung warnen, ist der falsche Zugang. Man sollte schließlich vermeiden, dass die Menschen krank werden. (Abg. Stefan: Geh, wirklich! Na, hören Sie auf! Ich hab’ ge­dacht, das geht ...!)

An all jene, die das anders verstehen wollen: Es ist ganz logisch und klar. Es ist mir klar, dass nicht die Intensivbetten schuld daran sind, dass dann mehr Menschen sterben – das ist überhaupt nicht gemeint –, sondern es ist klar, dass Prävention wichtig ist. (Beifall bei der ÖVP. – Präsident Sobotka übernimmt den Vorsitz.)

Glauben Sie mir eines: Wir kämpfen dafür, wir halten uns an die Regeln, und wir schauen, dass es den Menschen gut geht. Ich glaube, es stünde auch der FPÖ an, dass sie so agieren würde. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

14.54



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll99. Sitzung, 22. April 2021 / Seite 118

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort, Herr Abgeordneter Brandweiner? – Das ist nicht der Fall.

Wir verlegen die Abstimmung wieder an den Schluss der Verhandlungen über die Vorlagen des Rechnungshofausschusses.

14.54.5716. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Allgemeiner Einkommensbericht 2020 – Reihe Einkommen 2020/1 (III-209/775 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 16.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Schmidhofer. – Du bist jetzt am Wort, lieber Karl. Bitte sehr.


14.55.23

Abgeordneter Karl Schmidhofer (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Frau Präsidentin des Rechnungshofes! Werte Kolleginnen und Kollegen im Nationalrat! Liebe ZuseherIn­nen, die Sie die heutige Parlamentssitzung mitverfolgen! Ich darf zum Allgemeinen Ein­kommensbericht sprechen. Frau Präsidentin, dieser ist mit über 230 Seiten sehr, sehr gut dargestellt. In vielen Tabellen, in insgesamt sieben Kapiteln ist statistisch gut ables­bar, wie die Einkommen in Österreich aufgeteilt sind, sogar nach Bundesländern: Frauen und Männer, alle, die unselbstständig erwerbstätig sind, Pensionistinnen und Pensionis­ten und auch die Selbstständigen. Insgesamt gibt es 4,5 Millionen Menschen unselbst­ständig Beschäftigte in Österreich. Diese Zahl will ich deshalb herausheben, weil sie sich in den letzten zehn Jahren um 655 000 Österreicherinnen und Österreicher, Damen und Herren, erhöht hat. Es ist eine erfreuliche Entwicklung, dass es in zehn Jahren gelungen ist, so viel mehr Menschen in Erwerbstätigkeit zu bringen.

Nun ein Wort zu den Pensionistinnen und Pensionisten: Diese Bundesregierung aus ÖVP und Grünen hat garantiert, dass die Pensionistinnen und Pensionisten in ihrem Einkommen entsprechend abgesichert sind, dass auch die niedrigen Pensionen ange­hoben wurden – mehr als die höheren. Ich glaube, das ist auch ein ganz wichtiger Aspekt in diesem Bericht.

Alle, die noch Näheres erfahren wollen, denen empfehle ich, den Bericht, der ja öffentlich zugänglich ist, auch wirklich durchzusehen, und ich möchte noch ein paar Worte über die Zukunft sagen: Es ist ganz, ganz wesentlich, dass die Einkommen der Menschen in Österreich abgesichert sind, dass die Wirtschaft funktioniert, dass wir nun mit dem Comebackplan auch genügend Geld zur Verfügung stellen, damit Arbeitsplätze abge­sichert werden, damit der Wirtschaftskreislauf stimmt, damit wir für die Digitalisie­rung und auch für die Ökologisierung genügend Mittel zur Verfügung haben und es letztlich schaffen, dass wir, wenn der Rechnungshof in zwei, drei Jahren diesen Einkom­mens­bericht wieder vorlegt, hoffentlich wieder dahin zurückkommen, dass die Öster­reiche­rinnen und Österreicher in allen Gruppen gesicherte Einkommen zur Verfügung haben. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

14.58


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Ruth Becher. – Bitte sehr, Frau Abgeordnete.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll99. Sitzung, 22. April 2021 / Seite 119

14.58.36

Abgeordnete Mag. Ruth Becher (SPÖ): Herr Präsident! Frau Präsidentin des Rech­nungshofes! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mein Vorredner hat es schon gesagt: Es gab in dem Zeitraum über 4,5 Millionen unselbstständig Beschäftigte, und der Zuwachs bei den Beschäftigten beträgt zwar 1,5 Prozent, aber ich würde sagen, der Schein trügt, denn man muss sich auch die Qualität der Beschäftigung ansehen und den Trend beobachten.

Da zeigt sich Folgendes: dass der relative Zuwachs bei den ganzjährig Vollzeit­beschäf­tigten geringer ist als der Zuwachs insgesamt. Die Beschäftigung bei Männern hat in dem Zeitraum von 2010 bis 2019 um 11 Prozent zugelegt, entscheidend dabei ist, dass die Zahl bei den weiblichen ganzjährig Beschäftigten um 1 Prozent zurückgegangen ist. Das heißt, es gibt weniger Frauen mit vollem Verdienst, und das ist doch ein sehr ernüchterndes Ergebnis dieses Berichtes.

Nun stellt sich die Frage, wie der Bundesgesetzgeber in den letzten Jahren da gegen­gesteuert hat, etwa durch Bevorzugung der Vollzeitarbeit gegenüber Teilzeitarbeit, indem man diese steuerlich attraktiver macht. Ich kann es Ihnen sagen und die Antwort vorweg­nehmen: Da ist nichts geschehen.

Gesetzliche Regelungen bringen aber etwas, das zeigt sich daran, dass der Unterschied bei den Frauen- und Männereinkommen im öffentlichen Dienst nur 3 Prozent beträgt, also da ist der Unterschied doch wesentlich geringer. Über alle Berufsgruppen hinweg ist der Unterschied 36 Prozent, um die die Frauen weniger verdienen. Das heißt, bei jeder dritten Frau findet der Euro nicht den Weg in die Geldbörse. Es ist Zeit, dass diese Lücke geschlossen wird. Dafür braucht es gesetzliche Eingriffe (Beifall bei der SPÖ), doch dazu fehlt der ÖVP der Wille und den Grünen der Mut. Daher ist die Hoffnung der Frauen eine auf künftige Regierungen mit einer roten Beteiligung. (Beifall bei der SPÖ.)

15.01


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Schmiedlechner ist zu Wort gemeldet. – Bitte sehr.


15.01.10

Abgeordneter Peter Schmiedlechner (FPÖ): Herr Präsident! Frau Präsidentin! Sehr geehrte Zuseher und Zuseherinnen! Einkommensbericht 2020: Die mittleren Bruttoein­künfte lagen 2019 im Durchschnitt bei 29 458 Euro, die höchsten bei 59 145 Euro. Die niedrigsten Einkommen von allen unselbstständig Erwerbstätigen lagen bei den Arbei­terinnen und Arbeitern bei 21 961 Euro, nur 21 961 Euro. Das war 2019.

Die durch die schwarz-grüne Chaospolitik verursachte Krise hat uns mittlerweile 436 000 Ar­beitslose beschert. Es ist zu befürchten, dass die Einkommensschere zwischen den Niedrigstverdienern und den Menschen mit den höchsten Einkommen 2020 und 2021 jetzt massiv auseinandergeht. Da gilt es einzuschreiten und einzugreifen, damit es nicht zu weiteren Verlusten kommt. Ich denke einfach, die Niedrigstverdiener gehören entlastet und müssen unterstützt werden.

In diesem Zusammenhang will ich auch auf die Landwirtschaft hinweisen. (Der Redner stellt eine Tafel, auf der ein Säulendiagramm mit vier Säulen und der Überschrift „Durch­schnittliche Einkommen im Jahr 2019“ abgebildet ist, auf das Rednerpult.) Auf keinen Fall will ich die eine Gruppe und die andere Gruppe auseinanderdividieren oder gegen­einander ausspielen, aber als Bauer möchte ich auf die verheerende Situation im Bereich Landwirtschaft hinweisen. Die durchschnittlichen Einkünfte pro Betrieb lagen bei 27 966 Euro, also weniger als bei den Unselbstständigen, dafür aber mit vollem Unter­nehmerrisiko.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll99. Sitzung, 22. April 2021 / Seite 120

Wenn man es auf die Arbeitskraft hinunterrechnet, dann hat ein Bauer im Jahr durch­schnittlich 21 039 Euro verdient. Damit gehören die Bäuerinnen und Bauern zu den am schlechtesten bezahlten Menschen in Österreich. Viele Landwirte müssen mittlerweile schon in den Nebenerwerb gehen, um ihren Betrieb zu erhalten, um ein Einkommen zu erwirtschaften. Das ist sehr traurig, und meines Erachtens ist es eine Schande, wenn fleißige Menschen von ihrer harten Arbeit nicht mehr leben können. Schaut man sich die Leistung der Bäuerinnen und Bauern an, die sie für die Kulturlandschaft erbringen, ist das einfach unglaublich. 

Der Bericht, wie wir ihn regelmäßig im Parlament erhalten, demonstriert die Unter­schiede der einzelnen Berufsgruppen und ihrer Einkommen. Es wäre wünschenswert, dass alle Menschen, egal welchem Beruf sie nachgehen, von ihrer harten Arbeit gut in Österreich leben können. Wir brauchen keine Menschen zweiter Klasse. Diese gravierenden Unterschiede müssen wir abschaffen und jedem, der einer ehrlichen Arbeit nachgeht, ein Einkommen zum Auskommen ermöglichen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

15.04


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Götze. – Bitte sehr.


15.04.48

Abgeordnete Dr. Elisabeth Götze (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Prä­sidentin! Wertes Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Vielen Dank noch einmal für diesen Einkommensbericht, den Sie – also der Rechnungshof – bereits seit 20 Jahren erstellen, der wirklich, glaube ich, sehr wertvoll für uns alle ist, um zu sehen, wie sich die durchschnittlichen Einkommen in Österreich in diversen Bereichen alle zwei Jahre, also wirklich eine schöne Zeitreihe, entwickeln.

Ein besonderer Fokus liegt – wie schon angesprochen wurde – auf dem Vergleich Frauen und Männer, aber auch hinsichtlich Branchen, Berufsgruppen und Funktionen. Es sind sehr viele Zahlen, und ich möchte mich auf ein paar wenige Dinge konzentrieren, die mir da wichtig sind. Als Erstes wollte ich noch zur Methode sagen: Wie wir wissen, ist es ein Zusammentragen von Zahlen, die bereits vorhanden sind, also beispielsweise von der Statistik Austria, Lohnsteuerdaten, Sozialversicherungsdaten und so weiter, und es liegt keine Motivforschung zugrunde. Das heißt, die Daten sprechen sozusagen für sich, und wir wissen nicht, warum gewisse Dinge wie sind.

Das Erste, was mir auffällt oder was uns aufgefallen ist, ist die Zunahme einerseits der Beschäftigung, aber gleichzeitig auch die eklatante Zunahme der Teilzeitbeschäftigung, vor allem bei Frauen. Ich glaube, das ist etwas, das uns zum Nachdenken anregen muss, weil der Anteil der vollzeitbeschäftigten Frauen in diesem Zeitraum, in den letzten Jahren sogar abgenommen hat. Wir haben in den vergangenen zehn Jahren rund 11 Prozent mehr Männer, die vollzeitbeschäftigt sind, aber 1 Prozent weniger Frauen, die vollzeitbeschäftigt sind.

Wie gesagt, wir wissen nicht, warum das so ist. Man kann jetzt spekulieren, ob das die Frauen so wollen oder ob es die Umstände sind. Wenn es die Umstände sind, das ist natürlich eine Hypothese, aber es gibt dazu viele Informationen auch an anderen Stellen, dann müssen wir das ändern, denn die Konsequenz dieser Entscheidung, Teilzeit zu arbeiten, insbesondere bei den 30- bis 39-Jährigen – also während der Kinderbetreu­ungszeiten –, ist sehr eklatant. Die Konsequenz sind dann die niedrigen Pensionen.

Das ist auch eine Zahl, die ich noch nennen möchte: Der Unterschied zwischen Frauen und Männern beim durchschnittlichen Pensionseinkommen beträgt 8 000 Euro. Das heißt, es gibt da wirklich auch erhebliche Altersarmut. Politische Konsequenzen? –


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll99. Sitzung, 22. April 2021 / Seite 121

Beispielsweise ein verpflichtendes Pensionssplitting wäre eine Möglichkeit, da anzu­set­zen. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

15.07


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Eypeltauer. – Bitte sehr.


15.07.57

Abgeordneter Mag. Felix Eypeltauer (NEOS): Herr Präsident! Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Bürgerinnen und Bürger! Ja, der Einkommensbericht aus 2018 und 2019 betrifft natürlich eine Periode vor der Pandemie, aber er ist trotzdem auch jetzt noch und gerade jetzt relevant, weil er strukturelle Probleme aufzeigt. Kollegin Götze hat ja einen der Kernpunkte gerade angesprochen.

2019 hatten wir in Österreich 2,1 Millionen ganzjährig Vollzeitbeschäftigte, 32 Prozent davon waren Frauen. Von den rund eine Million Teilzeitbeschäftigten waren 83 Prozent Frauen. Das zeigt uns, das wurde schon angesprochen, dass Frauen auch heute noch überproportional häufig in die Teilzeitfalle tappen, und da müssen wir gleichstellungs­politisch und familienpolitisch gegensteuern, denn das bedeutet weniger Lebens­ver­dienst, weniger Pension. Frauen sind überproportional häufig von Arbeitsarmut betrof­fen. Frauen gehen übrigens zu 80 Prozent wegen Betreuungspflichten in Teilzeit, Män­ner hingegen kaum, da sind die Hauptgründe Fort- und Weiterbildung.

Der größte Hebel, um das zu lösen, liegt nicht nur hier im Nationalrat, sondern liegt auch bei den Ländern, das ist nämlich ein flächendeckendes, ein qualitativ hochwertiges Kinderbetreuungsangebot, das zeigen alle Studien. Wer also mehr Gleichstellung möchte, wer mehr qualifizierte Arbeitskräfte möchte, wer mehr Chancengleichheit für Kinder und Familien möchte und wer Altersarmut bei Frauen gegensteuern möchte, der muss bei der Krabbelstube und bei der Kinderbetreuung ansetzen. Sie muss flächen­deckend, höchstwertig und ganztägig verfügbar sein. (Beifall bei den NEOS.)

Das sehen aber nicht alle so. ÖVP und FPÖ in meinem Heimatbundesland Ober­österreich haben den Rückwärtsgang eingelegt und haben die Gratisnachmittags­be­treuung ganz einfach gestrichen. Die Folge: Ganze Gemeinden konnten ihre Gruppen wegen Abmeldewellen gar nicht mehr finanzieren und mussten sie auflösen. Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist auch in diesem Jahrhundert noch eine erzkon­servative Retropolitik gegen die Gleichstellung, gegen die Chancen und auch gegen den Wirtschaftsstandort. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

In Salzburg und Wien dagegen, meine sehr geehrten Damen und Herren, sind wir in der Landesregierung und dort stellen wir die Kleinsten und die Kleinen immer an die oberste Stelle. Wir kämpfen seit Jahren für den klugen Kindergarten. Dort, wo wir in den Land­tagen sind, haben Kinder und Jugendliche, Schüler und Eltern endlich auch eine Stimme und Partner auf Augenhöhe. Ich persönlich freue mich, diese Stimme nicht nur hier im Nationalrat sein zu können, sondern nach den Landtagswahlen in Oberösterreich im September dann auch dort. – Danke. (Beifall bei den NEOS.)

15.10


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Singer. – Bitte sehr.


15.10.43

Abgeordneter Johann Singer (ÖVP): Herr Präsident! Frau Präsidentin! Geschätzte Kol­­leginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Meine Vorrednerinnen und Vorredner haben die Grundzüge des Einkommensberichtes schon entsprechend dargelegt.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll99. Sitzung, 22. April 2021 / Seite 122

Ich möchte mich auf einen kleinen Bereich konzentrieren, nämlich auf den Bereich der Lehre.

Im Jahr 2019 gab es in Österreich 106 800 junge Menschen, die in einem Lehrverhältnis standen. Davon war – ich sage: nur – ein Drittel weiblich, rund 36 000. Das mittlere Bruttojahreseinkommen der Lehrlinge betrug 10 745 Euro, netto waren das 9 440 Euro. Leider wurde auch bereits bei den Lehrlingen ein Unterschied im Verdienst zwischen weiblichen und männlichen Lehrlingen festgestellt. Der Nettoverdienst für weibliche Lehrlinge wurde mit 8 742 Euro ermittelt, jener der männlichen mit 9 897 Euro. Bereits bei den Lehrlingen ist eine Differenz von rund 12 Prozent aufgezeigt worden.

Wir alle wissen auch, dass sich die Verteilung der Lehrlinge auf wenige, ganz bestimmte Branchen konzentriert. Mit großem Abstand werden die meisten weiblichen Lehrlinge im Handel ausgebildet, das sind rund 12 000, gefolgt von 5 000 in der Herstellung von Waren – es geht um Lebensmittel, Textilien –, und in Gast- und Beherbergungsbetrieben waren es 4 000 Lehrlinge. Hingegen sind 20 000 männliche Lehrlinge im Bereich von Waren beschäftigt, hier sind die Metallberufe und die Automobilbranche inkludiert. An zweiter Stelle genannt sind rund 19 000 Lehrlinge am Bau, im Handel sind rund 15 500 aufgelistet.

Nun zu den Einkommen: Die höchsten Einkommen der Lehrlinge gab es in den Branchen Bergbau und Energieversorgung mit rund 13 700 Euro jährlich und Finanz- und Versicherungsdienstleistungen mit 12 800 Euro. Das sind Bereiche mit relativ wenigen Lehrlingen. Die mittleren Bruttojahreseinkommen in den Branchen mit vielen Lehrlingen bewegen sich zwischen 10 800 und 12 100 Euro.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Berufsausbildung durch Lehre ist eine sehr wertvolle und öffnet den jungen Menschen eine tolle berufliche Karriere. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ich darf erinnern, dass wir heute den Girlsʼ Day haben – leider in digitaler Form. Diesen Girlsʼ Day haben wir seit rund 20 Jahren auch hier im Parlament. An diesem Tag werden Mädchen eingeladen, die Vielfalt der Betriebe und Institutionen kennenzulernen, denn so vielfältig die Betriebe sind, so sind es auch die Lehrberufe.

Eine Erfolgsgeschichte ist aus meiner Sicht auch die Möglichkeit, die Lehre mit Matura abzuschließen. Diese duale Ausbildung eröffnet den Lehrlingen und den Betrieben viele Chancen.

Sehr geehrte Damen und Herren, die österreichische Lehrlingsausbildung ist für viele europäische Länder ein Vorbild. Rund 200 attraktive Lehrberufe werden angeboten. Ich lade an dieser Stelle junge Mädchen und Burschen ein, ihre Berufsausbildung über die Lehre zu wählen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

15.14


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Seemayer. – Bitte sehr.


15.14.33

Abgeordneter Michael Seemayer (SPÖ): Herr Präsident! Frau Rechnungshof­präsi­dentin! Kolleginnen und Kollegen! Einige Punkte aus dem sehr umfangreichen Bericht sind schon angesprochen worden. Neben dem noch immer sehr eklatanten Unterschied zwischen den Einkommen von Männern und Frauen sind aber auch noch andere Unter­schiede auffällig, nämlich jener Unterschied, der sich in der Entwicklung von hohen und niedrigen Einkommen, aber auch zwischen Arbeiterinnen und Arbeitern, Angestell­ten und Beamten auftut. Wenn man sich die Nettoeinkommensentwicklung seit 2011


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll99. Sitzung, 22. April 2021 / Seite 123

inflationsbereinigt anschaut, zeigt sich, dass Angestellte lediglich einen leichten Zu­wachs haben, während Arbeiterinnen und Arbeiter sogar einen Verlust hinnehmen mussten.

Noch größer ist der Unterschied, wenn man niedrige Einkommen mit den hohen Einkom­men vergleicht. Die Schere geht seit Jahren auseinander. Besserverdiener haben eine sehr gute Steigerung ihrer Einkommen, während Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer immer wieder mit geringen Einkommen konfrontiert sind, die auch noch unterhalb der Inflationsentwicklung liegen.

Das liegt nicht nur an der hohen Teilzeitquote. Wenn Abgeordnete Götze sich fragt, warum überhaupt eine so hohe Teilzeitquote in Österreich herrscht, dann geben wir sehr gerne Nachhilfe. Wir zeigen seit Jahrzehnten auf, dass die Kolleginnen und Kollegen – vor allem sind es Frauen – in Teilzeit gezwungen werden, weil die Kinderbetreu­ungs­möglichkeiten nicht vorhanden sind, weil es gar keine Alternative gibt. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist derzeit auch so brisant, weil die Menschen, die ein geringes Einkommen haben und bei denen die Einkommensentwicklung schlecht oder nicht so gut ist, genau die Menschen sind, die wir seit Monaten beklatschen und denen wir alle miteinander sagen, dass sie so wichtig für die Systemerhaltung sind. Es sind die Menschen, die seit Monaten den Betrieb in den Krankenhäusern und in den Pflegeeinrichtungen aufrechterhalten, es sind jene Menschen, die seit Beginn der Coronakrise die Grundversorgung aufrecht­erhalten. Es sind die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die seit Monaten in unseren Industrie- und Gewerbebetrieben Tätigkeiten verrichten, weil sie sich ihre Arbeit nicht mit ins Homeoffice nehmen können, denn eine Arbeit am Hochofen, eine Arbeit in der Tischlerei, aber auch eine Arbeit in der Pflege kann man nicht mit nach Hause nehmen. (Beifall bei der SPÖ.)

Auch unsere Forderung nach einer Coronaprämie oder einem Coronatausender für genau diese Leute ist bis heute nicht erfüllt worden. Wenn dann das Argument kommt, da müssen halt die Sozialpartner besser verhandeln, darf ich schon in Erinnerung rufen, wer für diese Leute oft ein Sozialpartner ist: Das ist nämlich oft die öffentliche Hand, das sind wir alle hier herinnen.

Der Einkommensbericht zeigt ganz deutlich auf, wie ungleich und unfair sich Einkommen in Österreich entwickeln. Für die künftigen Lohn- und Gehaltsverhandlungen erwarte ich mir schon, dass man sich wirklich gut in Erinnerung ruft, wer die Menschen sind, die das System aufrechterhalten, egal ob im Gesundheitsbereich, in der Grundversorgung oder in den unzähligen Betrieben. Sie haben es sich verdient, dass es eine Trendumkehr gibt. – Danke an den Rechnungshof für den Bericht. (Beifall bei der SPÖ.)

15.17


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Präsidentin Kraker. – Bitte.


15.17.56

Präsidentin des Rechnungshofes Dr. Margit Kraker: Herr Präsident! Hohes Haus! Lassen Sie mich auch noch ein paar Sätze zum Allgemeinen Einkommensbericht des Rechnungshofes anbringen. Es ist so, dass wir diesen Allgemeinen Einkommensbericht aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung aus dem Bezügebegrenzungsgesetz machen. Wir haben die durchschnittlichen Einkommen der gesamten Bevölkerung nach Branchen, Berufsgruppen und Funktionen getrennt darzustellen und haben darüber alle zwei Jahre dem Nationalrat, dem Bundesrat und den Landtagen zu berichten. Es ist dies eine Son­deraufgabe des Rechnungshofes, der wir in Kooperation mit der Statistik Austria nach­kommen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll99. Sitzung, 22. April 2021 / Seite 124

Wir versuchen, den Einkommensbericht auch grafisch ansprechend darzustellen. Es gibt einen sechsseitigen Übersichtsfolder, es gibt eine Kurzfassung mit den wesentlichsten Aussagen, und er soll eine Grundlage für Ihre politische Arbeit bilden.

Wir haben diesen Bericht, der sich auf die Jahre 2018 und 2019 bezieht, am 18. Dezem­ber 2020 vorgelegt und haben auch einige Neuerungen aufgenommen. Interessant er­scheint mir etwa das Kapitel zur Längsschnittanalyse zur Einkommensmobilität von un­selbstständig Erwerbstätigen. Was heißt das? – Wir konnten aufgrund der Lohnsteuer­daten personenbezogene Analysen im Zeitverlauf machen, also in etwa schauen, wie lange jemand etwa im untersten Einkommensdezil verbleibt. Wir haben den Bericht auch sprachlich überarbeitet und haben den statistischen Annex und den Tabellenteil kon­solidiert.

Der Bericht behandelt die Zeit vor der Covid-19-Pandemie und bezieht unterschiedliche Datenquellen mit ein: einerseits die Lohnsteuerdaten, die Daten des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger und Mikrozensusdaten. Als Grundlage haben wir das Median­einkommen genommen, das ist die Kennzahl für das durchschnittliche Einkommen. Es handelt sich um eine deskriptive Darstellung der Einkommen der österreichischen Bevölkerung. Einflussfaktoren und Ursachen von Veränderungen oder Entwicklungen von bestimmten Einkommen können wir aufgrund dieser Methodik nicht beurteilen.

Es wurde schon angesprochen: Es gab 2019 rund 4,5 Millionen unselbstständig Er­werbstätige. Das war ein Anstieg um 1,5 Prozent zum Vorjahr und im Vergleich zum Jahr 2010 ein Anstieg um 17 Prozent. Bei den vollzeitbeschäftigten Männern war in der Zeit zwischen 2010 und 2019 ein Zuwachs von 11,4 Prozent zu beobachten, bei den weiblichen ganzjährig Vollzeitbeschäftigten ein Rückgang von 1 Prozent.

Gestiegen ist die Anzahl der Teilzeit- und nicht ganzjährigen Beschäftigungsver­hält­nisse – bei Frauen um 26,7 Prozent und bei Männern um 29,5 Prozent.

Das mittlere Bruttojahreseinkommen lag bei 29 458 Euro, Frauen erreichten 64 Prozent des mittleren Männereinkommens. Ein Teil der Einkommensnachteile lässt sich auf die Teilzeitarbeit von Frauen zurückführen. Wenn man nur die ganzjährig Vollzeitbeschäf­tigten vergleicht, sieht man, dass der Median des Fraueneinkommens 86 Prozent des mittleren Männereinkommens erreicht.

Grundsätzlich: Von allen ganzjährig erwerbstätigen Frauen befanden sich 56 Prozent in einem Teilzeitarbeitsverhältnis. Bei Männern lag dieser Anteil bei 11 Prozent. Die Gründe für die Teilzeitbeschäftigung: Der häufigste Grund für Teilzeitarbeit war die Betreuung von Kindern oder pflegebedürftigen Erwachsenen. Rund 18 Prozent der Teilzeitbeschäftigten haben aber auch angegeben, dass sie eine Vollzeittätigkeit gar nicht gewünscht hätten, und 11 Prozent hätten eine Vollzeittätigkeit gesucht, aber nicht gefunden.

Die Gründe für die Teilzeitarbeit waren bei Frauen und Männern unterschiedlich: bei Frauen eben Betreuungspflichten in puncto Kinder und pflegebedürftiger Erwachsener. Bei Männern war das nur zu 6 Prozent ein Grund, für Männer war hauptsächlich die schulische oder berufliche Weiterbildung ein Grund für die Teilzeitbeschäftigung.

Die Einkommensunterschiede hingen sehr stark vom Wirtschaftsbereich, in dem die Person beschäftigt ist, ab. Zum Beispiel Energieversorgung: ein hohes mittleres Einkom­men mit hohem Vollzeitanteil und geringem Frauenanteil; anders im Gesundheits- und Sozialwesen: ein geringeres mittleres Einkommen mit geringstem Vollzeitanteil und höchstem Frauenanteil; bei Beherbergung und Gastronomie: geringstes mittleres Ein­kommen, geringer Vollzeitanteil und hoher Frauenanteil.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll99. Sitzung, 22. April 2021 / Seite 125

Was die Selbstständigen betrifft, so haben wir die Werte aus dem Jahr 2017 einbezogen. In diesem Bereich gibt es sehr unterschiedliche Typen von Erwerbstätigen: auf Werk­vertragsbasis, Personen mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung bis zu Selbst­ständigen mit Unternehmertätigkeiten. Es handelt sich dabei um einen Personenkreis von 868 521 Personen. Darunter sind ausschließlich selbstständig Erwerbstätige oder Mischfälle, die noch zusätzlich etwas verdienen. Frauenanteil: 43 Prozent; mittleres Brutto­jahreseinkommen: 24 978 Euro im Jahr 2017; bei den Mischfällen war es mehr: 32 446 Euro.

Bei den Pensionistinnen und Pensionisten hatten 2,1 Millionen Personen ihren Wohnsitz in Österreich. Da sind Frauen die Mehrheit, sie haben einen Anteil von 56 Prozent. Das mittlere Einkommen der Pensionistinnen und Pensionisten mit Wohnsitz in Österreich betrug 21 744 Euro brutto. Nach Abzug von Steuern und Krankenversicherung war es 19 226 Euro. Der Einkommensnachteil ist auch bei den Pensionistinnen erkennbar: Das Einkommen der Frauen betrug 69 Prozent der männlichen Vergleichsgruppe, anders bei der Witwen- und Witwerpension, wo das männliche Einkommen durchschlägt.

Die Höhe der Pension hing sehr stark von der Pensionsart ab, also Ruhegenuss bei Beamtinnen und Beamten oder Alterspension; die niedrigsten Einkommen haben Waisenpensionistinnen und -pensionisten.

Was die Einkommen aus land- und forstwirtschaftlicher Tätigkeit betrifft, so werden diese im Grünen Bericht dargestellt. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei ÖVP, FPÖ, Grünen und NEOS.)

15.25


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich danke.

Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist damit geschlossen.

15.25.15 Abstimmung über die Tagesordnungspunkte 15 und 16


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich frage die Klubs, ob es möglich ist, zu den Abstimmungen zu kommen. – Wir können gleich in den Abstimmungsvorgang eintreten.

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 15: Antrag des Rechnungs­hofausschusses, den Tätigkeitsbericht 2020 des Rechnungshofes in III-213 der Beila­gen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer dem zustimmt, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Abstimmung über Tagesordnungspunkt 16: Antrag des Rechnungshofausschusses, den Bericht des Rechnungshofs betreffend Allgemeiner Einkommensbericht 2020 in III-209 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist ebenfalls einstimmig angenom­men.

15.26.1117. Punkt

Bericht des Immunitätsausschusses über das Ersuchen des Magistrats der Stadt Wien (GZ: MBA/210000022864/2021) um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Herbert Kickl (810 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zum 17. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Yildirim. – Bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll99. Sitzung, 22. April 2021 / Seite 126

15.26.38

Abgeordnete Mag. Selma Yildirim (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Wie wir gehört haben, liegt uns ein Ersuchen des Wiener Magistrats zur Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Herbert Kickl vor. Wir haben gestern im Immunitätsausschuss darüber beraten, ob ein Zusammenhang zwischen der strafbaren Handlung und der politischen Tätigkeit des Abgeordneten besteht und ob die Zustimmung zur behördlichen Verfolgung erteilt werden soll.

Herbert Kickl wird beschuldigt, am 6. März 2021 bei einer Demonstration gegen Corona­regeln den notwendigen Abstand nicht eingehalten zu haben und keine FFP2-Maske getragen zu haben. Das würde einen Verstoß gegen Gesetze und Verordnungen dar­stellen.

Nun gehen unsere politischen Vorstellungen doch in den meisten Fällen sehr weit auseinander. Auch im Anlassfall kann ich die Vorgangsweise von Herrn Kickl nicht nur nicht teilen, ich finde sie schlichtweg verantwortungslos, darum geht es aber nicht, meine sehr geehrten Damen und Herren. Was wir im Immunitätsausschuss und heute im Hohen Haus zu beurteilen haben, ist ausschließlich, ob ein Zusammenhang zwischen dem Verhalten und der politischen Tätigkeit des Abgeordneten besteht.

Dazu sage ich: Wenn ein FPÖ-Politiker an einer Demonstration gegen Corona­vor­schriften teilnimmt und somit in der Öffentlichkeit die Parteilinie der FPÖ vertritt, handelt er im Sinne seiner Partei. Die Immunität schützt Abgeordnete vor Verfolgung aufgrund ihrer politischen Überzeugungen und Aktivitäten. (Beifall bei SPÖ, FPÖ und NEOS.)

Die SPÖ hat aus diesem Grund am Beginn dieser Gesetzgebungsperiode beispiels­weise auch gegen die Auslieferung der Abgeordneten Reimon und Stögmüller gestimmt, die ebenfalls im Zusammenhang mit ihrer Teilnahme an Protestkundgebungen ange­zeigt worden waren. (Beifall bei SPÖ, FPÖ und NEOS.)

Der Immunitätsausschuss hat sich in vergleichbaren Fällen also immer gegen eine Auslieferung ausgesprochen. Das muss auch im aktuellen Fall gelten. Wir werden dieser Praxis daher auch diesmal folgen. Das hat nichts damit zu tun, ob einem der Auftritt von Herbert Kickl bei diesen Demonstrationen gefällt oder nicht. Wir sehen darin einen Zusammenhang mit seiner politischen Tätigkeit. Demokratie, sehr geehrte Damen und Herren, darf nie situationselastisch sein. (Beifall bei SPÖ, FPÖ und NEOS.)

Es darf niemals der Standort den Standpunkt bestimmen. Das ist sehr wichtig, und daher lehnen wir den Antrag von ÖVP und Grünen bezüglich der Auslieferung des Abge­ordneten Kickl ab. (Beifall bei SPÖ, FPÖ und NEOS.)

15.30


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Ofenauer. – Bitte sehr. (Ruf bei der FPÖ: Jetzt bin ich gespannt, wie das der Abgeordnete des Ständestaates erklären wird!)


15.30.14

Abgeordneter Mag. Friedrich Ofenauer (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Kollegin­nen und Kollegen! Sehr verehrte Damen und Herren Zuseherinnen und Zuseher! Was hatten wir im Immunitätsausschuss zu beurteilen? – Herr Klubobmann Kickl hat an einer Versammlung teilgenommen und sich dabei weder an die Abstandsregeln gehalten noch eine Maske getragen. (Ruf bei der FPÖ: ...Video!) Das sind Maßnahmen im Sinne des Gesundheitsschutzes, die wir seit Monaten predigen, die seit Monaten helfen sollen, diese Pandemie einzudämmen, und an die sich alle halten sollen und halten müssen, weil sie eben für alle gelten.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll99. Sitzung, 22. April 2021 / Seite 127

Bei dieser Versammlung hat es wahrscheinlich mehrere Menschen gegeben, die sich nicht daran gehalten haben, und alle können verfolgt werden – alle, nur Herbert Kickl nicht, weil er immun ist. (Abg. Belakowitsch: Darum geht es ja nicht, es geht um einen politischen Zusammenhang! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Deshalb sind wir der Meinung, da das allgemeingültige Maßnahmen im Sinne des Gesundheitsschutzes für alle sind, dass kein Zusammenhang mit der politischen Tätigkeit besteht. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Ich verstehe auch die Argumentation der Kollegin Yildirim und der SPÖ nicht, die auf der anderen Seite wiederum fordert, das Unterlassen des Maskentragens hier im Parlament, wie es der Freiheitliche Klub seit Jahr und Tag tut, zu bestrafen, ja sogar die Masken­pflicht im Parlament in die Verfassung zu schreiben. Also diesen Widerspruch müssen Sie mir erklären! (Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ. – Abg. Wöginger: Er hätte die Rede schon halten können ...!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn es darum geht, die Immunität festzu­stellen, dann soll eine solche Immunität der Abgeordneten keine Privilegierung, keine privilegierte Stellung hervorrufen. (Abg. Stefan: Sondern?) Ich darf da an Ihren Parteichef Norbert Hofer erinnern, der selbst gemeint hat, das käme einer Selbst­überhöhung der Abgeordneten gleich. (Zwischenrufe bei FPÖ und NEOS.) Geschätzte Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ, ich kann Ihnen nur raten: Hören Sie ein wenig auf Ihren Parteichef! (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Abg. Deimek: Geben Sie Ihren Studienausweis zurück! – Abg. Zanger: Das ist ja lächerlich! – Zwischenruf des Abg. Amesbauer.)

Außerhalb dieses Hauses versteht niemand, dass sich alle an diese Maßnahmen halten müssen, alle bestraft werden können, nur einer nicht, weil er zufällig gerade immun ist. (Abg. Martin Graf: Du solltest deinem Kollegen ...! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Das wäre ungefähr so – am Beispiel Rauchverbot in Innenräumen –: Dürfte ich, wenn ich bei einer Veranstaltung eine politische Rede halte und dann dort rauche, nicht bestraft werden, bloß weil ich sage, dass das im Zusammenhang mit meiner politischen Tätigkeit steht? (Zwischenrufe bei SPÖ und NEOS.) Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, das wäre eine Privilegierung, die niemand versteht!

Deswegen sind wir der Meinung, dass in diesem Fall – das ist immer im Einzelfall zu beurteilen, diese Entscheidung ist nicht leicht – kein Zusammenhang mit seiner politi­schen Tätigkeit besteht. Wenn Sie eine Privilegierung haben wollen, dann mag das so sein, wir wollen das auf jeden Fall nicht. Deswegen stellen wir fest, dass kein Zusam­menhang mit seiner politischen Tätigkeit besteht. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

15.33


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Schrangl. – Bitte.


15.33.28

Abgeordneter Mag. Philipp Schrangl (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Was Sie jetzt gerade sehen konnten, war leider kein Lehr­stück in Verfassungsrecht, sondern eine absolute Nullnummer. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich möchte Ihnen, sehr geehrter Herr Kollege, nicht Unfähigkeit oder Unwissenheit vorwerfen, sondern ich glaube, Sie handeln hier im parteipolitischen Auftrag, einen missliebigen Abgeordneten durch das Magistrat verfolgen zu lassen.

Ich bin ein leidenschaftlicher Kämpfer für die parlamentarische Immunität, ein leiden­schaftlicher Kämpfer für die Demokratie und die Meinungsfreiheit in diesem Land, und diese kann nur geschützt werden, indem Abgeordnete, die für die Österreicherinnen und Österreicher hier im Hohen Haus ihre Stimme erheben (Zwischenrufe bei den Grünen)


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und für die Interessen der Österreicherinnen und Österreicher kämpfen, vor der Ver­folgung durch die Regierung geschützt sind. (Beifall bei der FPÖ.)

Immer wieder wird angenommen, dass der Abgeordnete geschützt wäre: Das ist nicht richtig, meine sehr verehrten Damen und Herren, auch zu Hause vor den Bildschirmen. In Wahrheit ist dieser Vertretungskörper geschützt. Dieses Parlament, das Gesetze beschließen muss, ist geschützt davor, dass die Regierung sich vielleicht durch Fest­nahmen eine Mehrheit erkauft, beziehungsweise davor, dass die Justiz für die Regierung eine Mehrheit durchsetzt. Davor ist dieses Hohe Haus geschützt.

Daher, meine sehr verehrten Damen und Herren von ÖVP und Grünen, unterliegen Sie einem doppelten Irrtum. Sie könnten nämlich sogar das, was Sie wollen, nämlich eine Verfolgung des Abgeordneten Kickl, durchsetzen und trotzdem den politischen Zusammenhang bejahen. Dass dieser politische Zusammenhang zu bejahen ist, sieht ja, glaube ich, jeder mit freiem Auge: Er hat bei einer Veranstaltung des Freiheitlichen Parlamentsklubs die Coronamaßnahmen abgelehnt, und es ist unsere Linie, dass wir sagen, die Zweckmäßigkeit dieser Coronamaßnahmen ist empirisch nicht bewiesen, wissenschaftlich nicht belegt, wir lehnen sie ab. Es ist daher ganz klar, dass da ein politischer Zusammenhang besteht.

Trotzdem hätten Sie den politischen Zusammenhang bejahen – wie es richtig gewesen wäre, das hätte der Immunitätsausschuss machen können – und ihn trotzdem ausliefern beziehungsweise einer Auslieferung zustimmen können. Dann hätten Sie Ihr Ziel trotz­dem erreicht und es wäre vielleicht auch noch halbwegs richtig gewesen.

Die Grünen, die ja normalerweise als die großen Verfechter der Meinungsfreiheit auf­treten, werden nachher vielleicht von diesem Pult aus sagen, dass es auch positive Beispiele gibt, Beispiele für Leute, die durch die parlamentarische Immunität sehr wohl hätten geschützt werden sollen, wie zum Beispiel Herr Vouk – der eine oder andere mag ihn noch kennen –, der gegen die Geschwindigkeitsregelungen verstoßen hat, weil er die einsprachigen Ortstafeln in Kärnten nicht haben wollte. Da hätten die Grünen sofort zugestimmt und gesagt, das sei von der parlamentarischen Immunität umfasst.

Ich glaube nicht, dass Herbert Kickl Unschuldige gefährdet hat, denn die, die sich in seiner Nähe aufgehalten haben, haben, glaube ich, alle genau gewusst, was sie tun. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Sie stellen die Prinzipien der parlamentarischen Immunität auf den Kopf, aber Sie geben uns damit die Möglichkeit, stellvertretend für die vielen Österreicherinnen und Öster­reicher aufzuzeigen, dass diese Coronamaßnahmen verfassungswidrig sind, und den Verfassungsgerichtshof dazu anzurufen. Da der Verfassungsgerichtshof schon ein paar Mal die Maskenpflicht als verfassungswidrig abgelehnt hat, werden wir, glaube ich, auch in diesem Fall obsiegen. (Beifall bei der FPÖ.)

15.37


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Bürstmayr. – Bitte.


15.37.57

Abgeordneter Mag. Georg Bürstmayr (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich hoffe, es gelingt mir in einigen Worten, das Vorurteil zu widerlegen, dass Anwälte sich nicht verständlich ausdrücken können.

Warum haben wir nach reiflicher Überlegung und nach einer ausführlichen und auch durch­aus respektvollen Diskussion im entsprechenden Ausschuss einen Zusammen­hang einer bestimmten Handlung mit der politischen Tätigkeit des Abgeordneten Kickl verneint? (Zwischenruf des Abg. Deimek. – Abg. Wurm: Politjustiz!) – Herr Kollege,


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wenn Sie mir zuhören, kann ich mein Argument vielleicht auch zu Ende führen. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Weitere Zwischenrufe des Abg. Deimek.)

Wir haben diesen Zusammenhang wegen der Art der Vorschrift, die Abgeordneter Kickl übertreten hat, verneint. (Abg. Belakowitsch: Auf einer politischen Kundgebung!) Kolle­gin Yildirim hat vorhin ausgeführt, Herbert Kickl hätte im Sinn seiner Partei gehandelt, seine Handlung wäre in diesem Sinne politisch beziehungsweise, wenn ich sie richtig verstanden habe, Äußerung einer politischen Gesinnung gewesen. (Abg. Deimek: ...wenn der Herr Stögmüller ...! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Nun, nehmen Sie an, Sie hätten die politische Gesinnung: Freie Fahrt für freie Bürger!, und würden sich daher daran stören, dass vor Schulen Tempo 30 gilt. Sie würden sich in einen Pkw setzen und mit Tempo 80 an einer Schule vorbeifahren. (Anhaltende Zwischenrufe bei der FPÖ. – Abg. Wurm: Es bleibt Politjustiz! Das muss Ihnen selber peinlich sein!) – Jetzt hören Sie mir bitte einmal zu, statt ständig reinzukeppeln! (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Tempo 30 reduziert die Gefahr von Unfällen, von schweren Unfällen, von Toten – das ist wissenschaftlich erwie­sen, diese Vorschrift schützt Leib und Leben (Abg. Wurm: Das muss Ihnen selber peinlich sein!), schützt die Gesundheit von unbeteiligten Menschen.

Wir sind nach reiflicher Überlegung der Meinung, dass es nicht Äußerung einer politi­schen Ansicht sein kann und nicht sein darf (Abg. Deimek: ... bist selber betroffen! – Ruf bei der FPÖ: Nicht sein darf!), bewusst gegen Vorschriften zu verstoßen (Abg. Wurm: Sie gefährden ...! Unglaublich! Zwischenruf des Abg. Amesbauer), die Leib und Leben von unbeteiligten Dritten schützen. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Neuerliche Zwi­schenrufe bei der FPÖ.)

Wenn Sie nämlich hergehen und sagen, es ist eine politische Äußerung (Abg. Hafenecker: Wenn der Herr Stögmüller vom Kran gefallen wäre ...! Abg. Belakowitsch: Auf einer politischen Kundgebung!), bewusst gegen Vorschriften zu verstoßen, die Leib und Leben unbeteiligter Dritter schützen (Abg. Amesbauer: ... Blödsinn! Abg. Deimek: Genau! Stögmüller ..., aber das waren die eigenen! – Zwischenruf des Abg. Hafenecker), dann können Sie als Nächstes eine politische Äußerung setzen, indem Sie sich mit 20 Men­schen und brennenden Zigarren in ein Wirtshaus setzen (Abg. Amesbauer: Ja, ja, genau ...! – Ruf bei der FPÖ: Darum geht es!) oder indem Sie ganz andere Vorschriften bewusst (neuerliche Zwischenrufe bei der FPÖ – Präsident Sobotka gibt das Glocken­zeichen) – ja, Ihnen würde das gefallen, Kollege Amesbauer (Abg. Amesbauer: Sicher, mit einer Pfeife dazu ...! Zwischenruf des Abg. Deimek) – missachten, die die Gesund­heit und das Leben von Dritten schützen. (Abg. Wurm: Es bleibt Politjustiz! Zwischen­ruf der Abg. Belakowitsch.) Und das kann nicht Form einer politischen Äußerung, einer politischen Willensbekundung sein. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Wäre Kollege Kickl belangt worden, weil er etwa an einer untersagten Demonstration teilgenommen hätte, dann hätte ich mit Vehemenz dafür gekämpft, dass er nicht aus­geliefert wird (Heiterkeit bei der FPÖ), dass die Immunität aufrechterhalten wird. (Abg. Wurm: Ein Wahnsinn!) Ich sage Ihnen auch, warum: weil es da um das Rechtsgut, um das geschützte Rechtsgut von Ruhe, Ordnung und Sicherheit geht (Zwischenrufe der Abgeordneten Belakowitsch und Martin Graf), nicht aber um das Rechtsgut Leib und Leben Dritter. – Das ist der Unterschied. (Abg. Wurm: Super erklärt ...!)

Wir können nicht zulassen, dass Gesundheitsgefährdung zu einer Form der politischen Willensäußerung wird (Abg. Wurm: Ein klassisches Eigentor ...!), und daher haben wir dies so entschieden. Danke fürs Zuhören, und Ihnen danke, dass Sie aufhören, mich zu unterbrechen. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Amesbauer.)

15.42



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll99. Sitzung, 22. April 2021 / Seite 130

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Scherak. – Bitte.


15.42.29

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Es geht hier nicht darum, die Taten von Herbert Kickl oder seine Politik gutzuheißen, und ich tue das auch nicht. Es geht bei der Frage der Immunität auch nicht darum, ob Herbert Kickl diese Strafe zahlen wird – das hat Kollege Ofenauer offensichtlich noch nicht verstanden –, die Immunität hemmt die Strafverfolgung, er wird seine Strafe zahlen, nur nicht jetzt.

Bei der Immunität geht es einzig und allein darum, dass man Abgeordnete vor der Willkür von Regierenden schützt, und es geht – Kollege Schrangl hat das schon ange­sprochen – um die Funktionsfähigkeit dieses Vertretungskörpers hier, dieses Parlaments. Wir müs­sen einzig und allein beurteilen, ob eine Handlung eines Abgeordneten offenkundig in keinem Zusammenhang mit seiner politischen Tätigkeit steht (Beifall bei NEOS, SPÖ und FPÖ), und wenn das so ist, dann müssen wir ihn ausliefern.

Es geht auch nicht darum – weil Kollege Bürstmayr das angesprochen hat –, dass man irgendeinen Freibrief hat und als Politiker auf einer Demo, bei einer Wahlkampf­ver­anstaltung machen kann, was man will, willkürlich Menschen gefährden. Natürlich gibt es da Grenzen. Die Grenze, und das ist das, was geschützt ist, ist einzig und allein die politische Tätigkeit des Abgeordneten.

Ich habe mir ein paar Beispiele aus den letzten Jahren angeschaut: Ein Abgeordneter, der zu schnell zu einer Wahlkampfveranstaltung fährt, ist natürlich nicht durch die Immunität geschützt. Wenn man aber, so wie Rudi Vouk das gemacht hat – er war kein Abgeordneter, nehmen wir aber an, er wäre einer –, zu schnell im Ortsgebiet fährt, um darauf aufmerksam zu machen, dass die zweisprachigen Ortstafeln nicht angebracht sind, dann wäre man natürlich durch sie geschützt.

Wenn die FPÖ bei einer Wahlkampfveranstaltung ein Lied abspielt, von dem sie keine Urheberrechte hat, dann ist das natürlich nicht von der Immunität geschützt. Wenn sie in dem Zusammenhang aber auf das veraltete Urheberrecht aufmerksam hätte machen wollen, dann wäre das wohl geschützt gewesen.

Wenn Abgeordnete der Grünen eine Sitzblockade machen oder irgendwo auf Kränen herumturnen und das politisch motiviert machen, dann ist das natürlich durch die Immu­nität geschützt, und genauso ist es durch die Immunität geschützt, wenn ein Abgeord­neter seinen Hauptwohnsitz im Wirtschaftsministerium anmeldet, um darauf aufmerk­sam zu machen, dass dieses System nicht funktioniert. (Heiterkeit bei Abgeordneten von NEOS und FPÖ.)

Herbert Kickl hat gegen die Maskenpflicht demonstriert, hat seine Meinung geäußert, und das Ganze ohne Maske und Abstand. Herr Kollege Bürstmayr, Sie wissen, die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte sieht die Mei­nungsäußerungsfreiheit sehr weit, auch bei solchen Zeichen. Und wenn Sie von unbeteiligten Dritten sprechen, dann ist das einigermaßen skurril, denn ich nehme an, dass die Menschen, die auf die Demo der FPÖ gehen, nicht unbeteiligt sind, sondern freiwillig dort auftauchen und genauso diese Regelungen nicht einhalten. (Beifall bei NEOS, SPÖ und FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Bürstmayr.)

Ein Abgeordneter einer Parlamentspartei organisiert eine Demo, geht dort hin, äußert dort seine Meinung, und Sie sind der Meinung, dass das offenkundig nicht in Zusam­menhang mit seiner politischen Tätigkeit steht. Ich frage Sie: Was ist denn Ihrer Meinung nach in diesem Zusammenhang dann überhaupt noch möglich und durch die Immunität geschützt? (Beifall bei NEOS, SPÖ und FPÖ.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll99. Sitzung, 22. April 2021 / Seite 131

Sie öffnen – ich komme zum Schlusssatz – damit der Willkür Tür und Tor. Sie ermög­lichen es, dass man als Abgeordneter willkürlich verfolgt wird. Und ich sage Ihnen eines: Schauen Sie in die Länder, wo das passiert ist! Schauen Sie in die Länder, in denen die Immunität der Abgeordneten willkürlich den Regierenden zur Verfügung gestellt wurde, in denen sie missbraucht wurde, und schauen Sie, was in diesen Ländern mit der Demokratie passiert ist! Schauen Sie, was mit dem Parlament passiert ist, und überlegen Sie vielleicht noch einmal, ob die Entscheidung, die Sie heute treffen, eine intelligente Entscheidung ist! (Beifall bei NEOS, SPÖ und FPÖ.)

15.46


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Abgeordneter Reifenberger ist zu Wort gemel­det. – Bitte.


15.46.14

Abgeordneter Ing. Mag. Volker Reifenberger (FPÖ): Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Ich glaube, es ist wichtig, den Zuschauern einmal zu erklären, warum es so etwas wie eine Immunität überhaupt gibt. (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Sinn und Zweck der Immunität ist es, Abgeordnete bei ihren politischen Handlungen und bei der politischen Meinungsäußerung vor einer Verfolgung durch die Regierung zu schützen. Es soll kein Privileg des einzelnen Abgeordneten sein, es wird vielmehr dieses Hohe Haus hier, das Parlament, geschützt, weil, wie heute schon erwähnt wurde, die Fristen für die Strafverfolgung nur gehemmt werden. Wenn der Abgeordnete nach Ende seiner Tätigkeit aus dem Hohen Haus ausscheidet, wird er der Strafverfolgung entsprechend unterzogen werden, dann werden die Strafverfahren eingeleitet werden und dann wird, wenn die Voraussetzungen gegeben sind, auch eine entsprechende Strafe verhängt werden.

Ein gutes Beispiel dafür ist Peter Pilz, der nach seinem Ausscheiden aus dem Hohen Haus mit zahlreichen Verfahren konfrontiert war. Solange man aber Abgeordneter hier im Hohen Haus ist, soll man eben nicht durch die Staatsgewalt eingeschüchtert werden können und nicht an der Ausübung seines freien Mandats gehindert werden können.

Jetzt kommen wir zum aktuellen Fall: Der freiheitliche Parlamentsklub, an dessen Spitze Klubobmann Herbert Kickl steht, hat eine Versammlung ordnungsgemäß angemeldet und ausgerichtet, und zwar am Heldenplatz, direkt vor dem Ausweichquartier des Parlaments. Bei dieser Versammlung, bei der die geltenden Coronaregeln kritisiert wurden, hat Herbert Kickl in seiner Funktion als Abgeordneter und Klubobmann teilge­nommen.

Genau die Coronaregeln, gegen welche Herbert Kickl verstoßen haben soll, also das Maskentragen und der Mindestabstand, waren der Anlass für diese politische Versamm­lung. Daher ist das Nichtmaskentragen und das Nichtabstandhalten im Rahmen einer solchen Veranstaltung geradezu offensichtlich etwas, was von der Form her durch die Immunität geschützt werden soll, nämlich eine politische Meinungsäußerung. (Beifall bei FPÖ und NEOS sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Einen größeren politischen Zusammenhang Kollege Scherak hat das perfekt auf den Punkt gebracht  kann es kaum geben. Wenn Klubobmann Kickl heute ausgeliefert wird beziehungsweise – korrekterweise – wenn festgestellt wird, dass diese Handlungen keinen politischen Zusammenhang darstellen, dann können Sie die Immunität gleich ganz abschaffen, denn entweder gilt sie für alle Abgeordneten oder für keinen! (Beifall bei FPÖ und NEOS sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich fühle mich an die Vorzeit der Demokratie erinnert, in der totalitäre Regime versucht haben, unangenehme Abgeordnete zu beseitigen. Beenden Sie diese Hexenjagd auf Herbert Kickl und brechen Sie nicht das Gesetz für eine billige politische Racheaktion!


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll99. Sitzung, 22. April 2021 / Seite 132

Dass die Schwarzen mit solch unlauteren Mitteln arbeiten, das wundert mich gar nicht (Zwischenruf des Abg. Hörl), dass sich aber auch die Grünen dazu hinreißen lassen, das Recht mit vorgeschobenen und haarsträubenden Argumenten  wir haben diese gerade gehört  zu brechen, dafür sollten sie sich wirklich schämen! (Beifall bei der FPÖ sowie bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS.)

Ich sage nur frei nach Gernot Blümel: Liebe Grüne, ihr gehört jetzt auch zur Familie. (Heiterkeit und Beifall bei FPÖ und NEOS sowie Beifall bei der SPÖ.) Der grüne Abgeordnete und Rechtsanwalt Georg Bürstmayr  wir haben seine skurrilen Argumente gerade gehört  wird seiner Rolle als Consigliere absolut gerecht. (Abg. Bürstmayr legt die rechte Hand auf seinen Brustkorb und neigt den Kopf.)

Der den Grünen politisch nahestehende ehemalige Abgeordnete Prof. Alfred Noll, der im Immunitätsausschuss stets pointiert, aber fachlich ausgezeichnet argumentiert hat, hätte sich für eine so durchschaubare politische Schmierenkomödie niemals herge­geben. (Beifall bei FPÖ und SPÖ sowie bei Abgeordneten der NEOS.)

Es sollte Ihnen auch zu denken geben, dass nicht nur die freiheitlichen Abgeordneten hier gegen eine Auslieferung von Herbert Kickl stimmen werden, sondern eben auch die Abgeordneten von NEOS und SPÖ, also die gesamte Opposition geschlossen (Zwischenruf bei der ÖVP); und glauben Sie mir eines: SPÖ und NEOS würden das nicht tun, wenn sie nicht absolut davon überzeugt wären, dass das juristisch richtig und korrekt ist. (Beifall bei FPÖ, SPÖ und NEOS.)

Ich darf Ihnen auch noch einmal das heute schon kurz erwähnte Beispiel des Abge­ordneten Loacker von den NEOS in Erinnerung rufen: Er hat einmal seinen Wohnsitz im Wirtschaftsministerium angemeldet und damit vorsätzlich gegen das Meldegesetz verstoßen, um eben zu demonstrieren, dass die technischen Möglichkeiten fehler­behaftet sind. Er hätte natürlich seine politische Meinung auch anders ausdrücken können, er hätte auf diese technischen Mängel auch anders hinweisen können. Damals gab es überhaupt keine Diskussion, der Immunitätsausschuss und dann das Hohe Haus haben eindeutig und einstimmig festgestellt, dass ein politischer Zusammenhang gege­ben war. Das war vollkommen korrekt und Kollege Loacker wurde nicht ausgeliefert.

Kollegen von den Regierungsfraktionen, Sie missbrauchen Ihre politische Mehrheit, die Sie hier in diesem Hohen Hause haben, für einen Gesetzesverstoß. Schämen Sie sich! (Beifall bei FPÖ, SPÖ und NEOS.)

Ich kann den Kollegen von den Regierungsfraktionen, denen trotz ihrer Masken auch die Schadenfreude anzusehen ist, aber eines versichern: Herbert Kickl freut sich auf seine Auslieferung, auch wenn diese gesetzwidrig erfolgt, und er wird den zu erwartenden Strafbescheid für die behauptete Verwaltungsübertretung wenn notwendig durch alle Instanzen bekämpfen. (Beifall bei FPÖ und NEOS.)

15.52

15.52.08


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Bevor wir zur Abstimmung kommen, darf ich fragen, ob wir sogleich abstimmen können. Sind die Fraktionen bereit? – Ja.

Dann gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Immunitätsausschusses in 810 der Beilagen, Folgendes zu beschließen:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll99. Sitzung, 22. April 2021 / Seite 133

„In Behandlung des Ersuchens des Magistrats der Stadt Wien [...] um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Herbert Kickl wegen einer Übertretung gemäß § 40 Abs. 2 Epidemiegesetz wird im Sinne des Art. 57 Abs. 3 B-VG festgestellt, dass kein Zusammenhang zwischen der inkriminierten Handlung und der politischen Tätigkeit des Abgeordneten zum Nationalrat Herbert Kickl besteht.“

Ich bitte die Damen und Herren, die sich diesem Antrag anschließen, um ein ent­sprechendes Zeichen der Zustimmung. (Rufe bei der FPÖ – in Richtung der sich, ebenso wie die Abgeordneten der ÖVP, von ihren Sitzen erhebenden Abgeordneten der Grü­nen –: Schande! Schande! Schämt euch!) – Das ist die Mehrheit, damit angenommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

15.53.17Abstimmung über einen Fristsetzungsantrag


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Steinacker, Prammer, Kolleginnen und Kollegen, dem Justizausschuss zur Berichterstattung über das Strafrechtliche EU-Anpassungsgesetz 2021 in 808 der Beilagen eine Frist bis zum 18. Mai zu setzen.

Wer dies tun will, den darf ich um ein entsprechendes Zeichen bitten. – Das ist mehr­heitlich angenommen.

15.53.44Einlauf


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf bekannt geben, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 1538/A(E) bis 1561/A(E) eingebracht worden sind.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die geschäftsordnungsmäßige Mitteilungen und Zuweisungen betreffen wird, berufe ich für 15.54 Uhr – das ist gleich im Anschluss an diese Sitzung – ein.

Diese Sitzung ist geschlossen.

15.54.11Schluss der Sitzung: 15.54 Uhr

 

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1017 Wien