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Plenarsitzung
des Nationalrates


Stenographisches Protokoll

 

105. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

Mittwoch, 19. Mai 2021

 

XXVII. Gesetzgebungsperiode

 

 

 

Großer Redoutensaal

 


Stenographisches Protokoll

105. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXVII. Gesetzgebungsperiode                        Mittwoch, 19. Mai 2021

Dauer der Sitzung

Mittwoch, 19. Mai 2021: 9.05 – 19.48 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Erste Lesung: Volksbegehren „TIERSCHUTZVOLKSBEGEHREN“

2. Punkt: Erste Lesung: Volksbegehren „FÜR IMPF-FREIHEIT“

3. Punkt: Erste Lesung: Volksbegehren „Ethik für ALLE“

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bankwesengesetz, das Börsegesetz 2018, das Finalitätsgesetz, das Finanzmarkt-Geldwäsche-Gesetz, das Sanierungs- und Abwick­lungsgesetz, das Wertpapieraufsichtsgesetz 2018 und das Zentrale Gegenparteien-Voll­zugsgesetz geändert werden

5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzrahmengesetz 2021 bis 2024 und das Bundesfinanzgesetz 2021 geändert werden

6. Punkt: Bericht über den Antrag 574/A der Abgeordneten Alois Stöger, diplômé, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Finanzausgleichs­ge­setz 2017 geändert wird

7. Punkt: BESCHLUSS DES RATES vom 14. Dezember 2020 über das Eigenmit­tel­system der Europäischen Union, Nr. 2020/2053/EU, Euratom, ABl. Nr. L 424 vom 15.12.2020 (Eigenmittelbeschluss 2021)

8. Punkt: Übereinkommen zur Änderung des Übereinkommens über die Übertragung von Beiträgen auf den einheitlichen Abwicklungsfonds und über die gemeinsame Nut­zung dieser Beiträge

9. Punkt: Übereinkommen zur Änderung des Vertrags zur Einrichtung des Europä­i­schen Stabilitätsmechanismus

10. Punkt: Bericht über den Antrag 1559/A der Abgeordneten Gabriel Obernosterer, Dr. Elisabeth Götze, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über eine COVID-19-Investitionsprämie für Unternehmen (Inves­ti­tionsprämiengesetz – InvPrG) geändert wird

11. Punkt: Bericht über den Antrag 1560/A der Abgeordneten Gabriel Obernosterer, Dr. Elisabeth Götze, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz, mit dem die Begründung von Vorbelastungen durch die Bundes­ministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort genehmigt wird, geändert wird


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll105. Sitzung, 19. Mai 2021 / Seite 2

12. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Heizkostenabrechnungsgesetz geändert wird

13. Punkt: Bericht über den Antrag 1245/A(E) der Abgeordneten Mag. Philipp Schrangl, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Evaluierung von Möglichkeiten der Beaufsich­tigung von Wiener Wohnen durch den Bund im Sinne der Transparenz

14. Punkt: Bericht über den Antrag 1189/A(E) der Abgeordneten Mag. Philipp Schrangl, Kolleginnen und Kollegen betreffend die erforderliche Evaluierung der Vergabe sozial gebundenen Wohnraumes an Drittstaatsbürger

15. Punkt: Bericht über den Antrag 1186/A(E) der Abgeordneten Mag. Philipp Schrangl, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Zielsetzungen der EU-Kommission zur Mas­senmigration in den sozialen Wohnbau

16. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend E-Mobilität – Reihe BUND 2020/28

17. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Klimaschutz in Österreich – Maß­nahmen und Zielerreichung 2020 – Reihe BUND 2021/16

18. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Bahnprojekt: Brenner Basistunnel; Follow-up-Überprüfung – Reihe BUND 2020/17

19. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Traunseetram – Reihe BUND 2020/34

20. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Forschungsförderungsprogramm COMET – „Competence Centers for Excellent Technologies“ – Reihe BUND 2018/38

21. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend COMET-Zentren; ACIB GmbH und Linz Center of Mechatronics GmbH – Reihe BUND 2019/3

22. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Graz-Köflacher Bahn und Bus­be­trieb GmbH; Follow-up-Überprüfung – Reihe BUND 2019/16

23. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Flächennutzung im Bereich der Neuen Donau, der Donauinsel und des Donaukanals; Follow-up-Überprüfung – Reihe BUND 2019/26

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Inhalt

Personalien

Verhinderungen .............................................................................................................. 14

Ordnungsruf .................................................................................................................. 122

Ruf zur Sache ............................................................................................................... 125

Geschäftsbehandlung

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfrage­beantwor­tung 5715/AB gemäß § 92 Abs. 1 GOG .................................................................................................................... 36

Durchführung einer kurzen Debatte gemäß § 57a Abs. 1 GOG ................................. 114

RednerInnen:

Christian Hafenecker, MA ...................................................................................... ... 114

Bundeskanzler Sebastian Kurz ............................................................................. ... 118

Mag. Klaus Fürlinger .............................................................................................. ... 119

Kai Jan Krainer ....................................................................................................... ... 120


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll105. Sitzung, 19. Mai 2021 / Seite 3

Mag. Christian Ragger ............................................................................................... 121

Mag. Agnes Sirkka Prammer ................................................................................. ... 122

Dr. Helmut Brandstätter ......................................................................................... ... 123

Antrag der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, MMMag. Dr. Axel Kassegger, Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen, dem Geschäftsord­nungs­ausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 421/A der Abgeordneten Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc, Herbert Kickl, Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betreffend „ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) und das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975) geändert werden“, gemäß § 43 Abs. 1 GOG eine Frist bis 15. Juni 2021 zu setzen – Ablehnung ................................................................................  36, 198

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 5 GOG      ............................................................................................................................... 37

Unterbrechung der Sitzung .................................................................  73, 114, 126, 144

Wortmeldungen im Zusammenhang mit einem von Präsidenten Mag. Wolfgang Sobotka erteilten Ruf zur Sache:

Dr. Nikolaus Scherak, MA ...................................................................................... ... 126

Mag. Jörg Leichtfried ............................................................................................. ... 126

Verlangen auf Durchführung einer namentlichen Abstimmung .................................. 143

Aktuelle Stunde (21.)

Thema: „Österreich verdient mehr als ein Comeback. Sorgen wir für einen echten Neustart für Wirtschaft und Arbeitsplätze, Frau Bundesministerin.“ ............................................. 14

RednerInnen:

Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES ......................................................................... ..... 14

Bundesministerin Dr. Margarete Schramböck .................................................... ..... 17

Martina Kaufmann, MMSc BA ............................................................................... ..... 20

Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc .................................................................................. 22

MMMag. Dr. Axel Kassegger ................................................................................. ..... 23

Lukas Hammer ........................................................................................................ ..... 24

Josef Schellhorn ..................................................................................................... ..... 26

Joachim Schnabel .................................................................................................. ..... 28

Dr. Christoph Matznetter ........................................................................................ ..... 30

Erwin Angerer ......................................................................................................... ..... 31

Dr. Elisabeth Götze ................................................................................................. ..... 33

Mag. Felix Eypeltauer ............................................................................................. ..... 34

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 14

Ausschüsse

Zuweisungen .....................................................................................................  50, 62, 70

Verhandlungen

1. Punkt: Erste Lesung: Volksbegehren „TIERSCHUTZVOLKSBEGEHREN“ (771 d.B.)     ............................................................................................................................... 37

RednerInnen:

Franz Leonhard Eßl ................................................................................................ ..... 37

Dietmar Keck ........................................................................................................... ..... 38


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll105. Sitzung, 19. Mai 2021 / Seite 4

Alois Kainz ............................................................................................................... ..... 39

Mag. Faika El-Nagashi ............................................................................................ ..... 40

Fiona Fiedler, BEd .................................................................................................. ..... 41

Dipl.-Ing. Georg Strasser ....................................................................................... ..... 42

Cornelia Ecker ......................................................................................................... ..... 43

Peter Schmiedlechner ............................................................................................ ..... 44

Dipl.-Ing. Olga Voglauer ......................................................................................... ..... 45

Mag. Hannes Amesbauer, BA ............................................................................... ..... 46

Clemens Stammler ................................................................................................. ..... 47

Mag. Ulrike Fischer ................................................................................................. ..... 48

Pia Philippa Strache ............................................................................................... ..... 48

Zuweisung des Volksbegehrens 771 d.B. an den Gesundheitsausschuss .................. 50

2. Punkt: Erste Lesung: Volksbegehren „FÜR IMPF-FREIHEIT“ (773 d.B.) ................ 50

RednerInnen:

Gabriela Schwarz .................................................................................................... ..... 50

Rudolf Silvan ........................................................................................................... ..... 51

Mag. Gerhard Kaniak .............................................................................................. ..... 52

Ralph Schallmeiner ................................................................................................ ..... 53

Mag. Gerald Loacker .............................................................................................. ..... 54

Dr. Josef Smolle ...................................................................................................... ..... 55

Mag. Gerald Hauser ................................................................................................ ..... 56

Dr. Dagmar Belakowitsch ...................................................................................... ..... 58

Mag. Hannes Amesbauer, BA ............................................................................... ..... 59

Philip Kucher ........................................................................................................... ..... 61

Zuweisung des Volksbegehrens 773 d.B. an den Gesundheitsausschuss .................. 62

3. Punkt: Erste Lesung: Volksbegehren „Ethik für ALLE“ (772 d.B.) ........................... 62

RednerInnen:

Mag. Dr. Rudolf Taschner ...................................................................................... ..... 62

Petra Vorderwinkler ................................................................................................ ..... 63

Hermann Brückl, MA .............................................................................................. ..... 64

Mag. Sibylle Hamann .............................................................................................. ..... 65

Mag. Martina Künsberg Sarre ............................................................................... ..... 66

MMMag. Gertraud Salzmann ................................................................................. ..... 67

Klaus Köchl ............................................................................................................. ..... 68

Nurten Yılmaz .......................................................................................................... ..... 69

Zuweisung des Volksbegehrens 772 d.B. an den Unterrichtsausschuss ..................... 70

4. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (663 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Bankwesengesetz, das Börsegesetz 2018, das Finali­tätsgesetz, das Finanzmarkt-Geldwäsche-Gesetz, das Sanierungs- und Abwick­lungs­gesetz, das Wertpapieraufsichtsgesetz 2018 und das Zentrale Gegenparteien-Vollzugsgesetz geändert werden (831 d.B.) ......................................... 70

RednerInnen:

Karlheinz Kopf ......................................................................................................... ..... 70

Peter Haubner ......................................................................................................... ..... 72

Annahme des Gesetzentwurfes in 831 d.B. .................................................................. 73

5. Punkt: Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (811 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzrahmengesetz 2021 bis 2024 und das Bundesfinanzgesetz 2021 geändert werden (844 d.B.) ........................................................................................................... 73


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll105. Sitzung, 19. Mai 2021 / Seite 5

RednerInnen:

Mag. Selma Yildirim ................................................................................................ ..... 74

Gabriel Obernosterer .............................................................................................. ..... 75

Gabriele Heinisch-Hosek (tatsächliche Berichtigung) ................................................. 76

MMag. DDr. Hubert Fuchs ...................................................................................... ..... 76

Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA ................................................................................. ..... 77

Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer ................................................................................. ..... 79

Bundesminister Mag. Gernot Blümel, MBA ......................................................... ..... 81

Andreas Ottenschläger .......................................................................................... ..... 84

Michael Bernhard .................................................................................................... ..... 84

Mag. Martina Künsberg Sarre ............................................................................... ..... 85

Mag. Gerald Loacker .............................................................................................. ..... 86

Annahme des Gesetzentwurfes in 844 d.B. ................................................................ 143

6. Punkt: Bericht des Budgetausschusses über den Antrag 574/A der Abgeord­neten Alois Stöger, diplômé, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Finanzausgleichsgesetz 2017 geändert wird (840 d.B.) ............................................... 87

RednerInnen:

Andreas Kollross .......................................................................................................... 88

Ing. Manfred Hofinger .................................................................................................. 89

Erwin Angerer ......................................................................................................... ..... 90

Dr. Elisabeth Götze ................................................................................................. ..... 91

Elisabeth Feichtinger, BEd BEd ............................................................................ ..... 92

Bundesminister Mag. Gernot Blümel, MBA ......................................................... ..... 93

Angela Baumgartner .............................................................................................. ..... 93

Kai Jan Krainer (tatsächliche Berichtigung) ................................................................. 94

Maximilian Lercher ................................................................................................. ..... 95

Christoph Zarits ...................................................................................................... ..... 96

Klaus Köchl ............................................................................................................. ..... 97

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 840 d.B. ..................................................... 143

Gemeinsame Beratung über

7. Punkt: Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (809 d.B.): BESCHLUSS DES RATES vom 14. Dezember 2020 über das Eigenmittelsystem der Europäischen Union, Nr. 2020/2053/EU, Euratom, ABl. Nr. L 424 vom 15.12.2020 (Eigenmittelbeschluss 2021) (841 d.B.) ...... 97

8. Punkt: Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (751 d.B.): Übereinkommen zur Änderung des Übereinkommens über die Übertragung von Beiträgen auf den einheitlichen Abwicklungsfonds und über die gemeinsame Nutzung dieser Beiträge (842 d.B.) ...... 97

9. Punkt: Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (752 d.B.): Übereinkommen zur Änderung des Vertrags zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (843 d.B.)    ............................................................................................................................... 98

RednerInnen:

Petra Steger ............................................................................................................. ..... 98

Dr. Reinhold Lopatka .............................................................................................. ... 102

MMMag. Dr. Axel Kassegger ................................................................................. ... 104

Ing. Reinhold Einwallner ........................................................................................ ... 106

Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA ................................................................................. ... 108

Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer ................................................................................. ... 109

Bundesminister Mag. Gernot Blümel, MBA ......................................................... ... 110


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll105. Sitzung, 19. Mai 2021 / Seite 6

Mag. Dr. Rudolf Taschner ...................................................................................... ... 111

Katharina Kucharowits .............................................................................................. 112

Ing. Klaus Lindinger, BSc ...................................................................................... ... 127

Eva Maria Holzleitner, BSc .................................................................................... ... 127

Entschließungsantrag der Abgeordneten Petra Steger, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend „Österreich darf nicht Teil einer Schuldenunion werden“ – Ableh­nung .............  100, 146

Genehmigung des Beschlusses des Rates in 841 d.B. (namentliche Abstimmung) ... ... 143

Verzeichnis des Ergebnisses der namentlichen Abstimmung .................................... 144

Genehmigung der beiden Staatsverträge in 842 und 843 d.B. ................................... 146

Gemeinsame Beratung über

10. Punkt: Bericht des Budgetausschusses über den Antrag 1559/A der Abgeord­neten Gabriel Obernosterer, Dr. Elisabeth Götze, Kolleginnen und Kollegen be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über eine COVID-19-Inves­titionsprämie für Unternehmen (Investitionsprämiengesetz – InvPrG) geändert wird (845 d.B.) ................................................................................ 128

11. Punkt: Bericht des Budgetausschusses über den Antrag 1560/A der Abgeord­neten Gabriel Obernosterer, Dr. Elisabeth Götze, Kolleginnen und Kollegen betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz, mit dem die Begründung von Vorbelastungen durch die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschafts­standort genehmigt wird, geändert wird (846 d.B.) .... 128

RednerInnen:

Dr. Christoph Matznetter ........................................................................................ ... 129

Peter Haubner ......................................................................................................... ... 130

MMag. DDr. Hubert Fuchs ...................................................................................... ... 131

Dr. Elisabeth Götze ................................................................................................. ... 132

Josef Schellhorn ..................................................................................................... ... 133

Bundesministerin Dr. Margarete Schramböck .................................................... ... 134

Ing. Klaus Lindinger, BSc ...................................................................................... ... 136

Erwin Angerer ......................................................................................................... ... 137

Mag. Dr. Maria Theresia Niss, MBA ...................................................................... ... 141

Gabriel Obernosterer .............................................................................................. ... 142

Entschließungsantrag der Abgeordneten Erwin Angerer, Kolleginnen und Kol­legen betreffend „Österreich zuerst! Vorrang für unsere Betriebe bei Versorgung mit Werk-, Bau- und Rohstoffen Qualifizierungsoffensive für unsere Jugend Entlas­tungsoffensive für unsere Betriebe“ – Ablehnung       138, 146

Annahme der beiden Gesetzentwürfe in 845 und 846 d.B. ........................................ 146

12. Punkt: Bericht des Ausschusses für Bauten und Wohnen über die Regierungs­vorlage (768 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Heizkostenabrechnungsgesetz geändert wird (855 d.B.)                    147

RednerInnen:

Mag. Ruth Becher ................................................................................................... ... 147

Johann Singer ......................................................................................................... ... 157

Mag. Philipp Schrangl ............................................................................................ ... 158

Mag. Nina Tomaselli ................................................................................................... 159

Mag. Felix Eypeltauer ................................................................................................ 160

Mag. Johanna Jachs ............................................................................................... ... 160


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll105. Sitzung, 19. Mai 2021 / Seite 7

Annahme des Gesetzentwurfes in 855 d.B. ................................................................ 173

13. Punkt: Bericht des Ausschusses für Bauten und Wohnen über den An­trag 1245/A(E) der Abgeordneten Mag. Philipp Schrangl, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend die Evaluierung von Möglichkeiten der Beaufsichtigung von Wiener Wohnen durch den Bund im Sinne der Transparenz (856 d.B.) ...................................................................................................................... 161

RednerInnen:

Mag. Philipp Schrangl ............................................................................................ ... 161

Andreas Ottenschläger .......................................................................................... ... 162

Dr. Harald Troch ...................................................................................................... ... 163

Mag. Nina Tomaselli ............................................................................................... ... 164

Mag. Philipp Schrangl (tatsächliche Berichtigung) ................................................... 164

Mag. Maria Smodics-Neumann ................................................................................. 165

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 856 d.B. ..................................................... 174

Gemeinsame Beratung über

14. Punkt: Bericht des Ausschusses für Bauten und Wohnen über den An­trag 1189/A(E) der Abgeordneten Mag. Philipp Schrangl, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend die erforderliche Evaluierung der Vergabe sozial gebundenen Wohnrau­mes an Drittstaatsbürger (857 d.B.) ......... 166

15. Punkt: Bericht des Ausschusses für Bauten und Wohnen über den An­trag 1186/A(E) der Abgeordneten Mag. Philipp Schrangl, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend die Zielsetzungen der EU-Kommission zur Massenmigration in den sozialen Wohnbau (858 d.B.) .................... 166

RednerInnen:

Peter Wurm ........................................................................................................  166, 172

Joachim Schnabel .................................................................................................. ... 168

Mag. Philipp Schrangl ............................................................................................ ... 169

Maximilian Lercher ................................................................................................. ... 170

Mag. Nina Tomaselli ................................................................................................... 170

Mag. Felix Eypeltauer ................................................................................................ 171

Kenntnisnahme der beiden Ausschussberichte 857 und 858 d.B. ............................. 174

Gemeinsame Beratung über

16. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend E-Mobilität – Reihe BUND 2020/28 (III-167/823 d.B.) .................................................... 174

17. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungs­hofes betreffend Klimaschutz in Österreich – Maßnahmen und Zielerreichung 2020 – Reihe BUND 2021/16 (III-292/826 d.B.) ................................................................................................................ 174

RednerInnen:

Johann Singer ......................................................................................................... ... 174

Mag. Ruth Becher ................................................................................................... ... 175

Alois Kainz ............................................................................................................... ... 176

Hermann Weratschnig, MBA MSc ......................................................................... ... 177

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff .......................................................................... ... 178

Franz Hörl ................................................................................................................ ... 179

Andreas Kollross .................................................................................................... ... 181

Peter Schmiedlechner ............................................................................................ ... 182

Lukas Hammer ........................................................................................................ ... 183

Michael Bernhard .................................................................................................... ... 184


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll105. Sitzung, 19. Mai 2021 / Seite 8

Ing. Martin Litschauer ............................................................................................ ... 185

Rechnungshofpräsidentin Dr. Margit Kraker .......................................................... 186

Kenntnisnahme der beiden Berichte III-167 und III-292 d.B. ...................................... 198

Gemeinsame Beratung über

18. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend Bahnprojekt: Brenner Basistunnel; Follow-up-Überprü­fung – Reihe BUND 2020/17 (III-132/824 d.B.) ....................................................................................................................................... 188

19. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend Traunseetram – Reihe BUND 2020/34 (III‑182/825 d.B.) ............................................. 188

20. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend Forschungsförderungsprogramm COMET – „Competence Centers for Excellent Technologies“ – Reihe BUND 2018/38 (III‑9/827 d.B.) ..................................................................................... 189

21. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend COMET-Zentren; ACIB GmbH und Linz Center of Mecha­tronics GmbH – Reihe BUND 2019/3 (III-20/828 d.B.) .................................................................................................................. 189

22. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend Graz-Köflacher Bahn und Busbetrieb GmbH; Follow-up-Überprüfung – Reihe BUND 2019/16 (III-31/829 d.B.) .................................................................................................................. 189

23. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend Flächennutzung im Bereich der Neuen Donau, der Do­nauinsel und des Donaukanals; Follow-up-Überprüfung – Reihe BUND 2019/26 (III-41/830 d.B.) ................................................ 189

RednerInnen:

Hermann Gahr ......................................................................................................... ... 189

Melanie Erasim, MSc .............................................................................................. ... 190

Hermann Weratschnig, MBA MSc ......................................................................... ... 191

Mag. Felix Eypeltauer ............................................................................................. ... 192

Laurenz Pöttinger ................................................................................................... ... 193

Michael Seemayer ................................................................................................... ... 195

Mag. Eva Blimlinger ................................................................................................ ... 195

Dr. Johannes Margreiter ........................................................................................ ... 196

Kenntnisnahme der sechs Berichte III-132, III-182, III-9, III-20, III-31 und III‑41 d.B. ...... ... 198

Eingebracht wurden

Anträge der Abgeordneten

Mag. Ruth Becher, Kolleginnen und Kollegen betreffend Aufbrechen der Oligopol­stel­lung globaler Ablesekonzerne bei der Bereitstellung von Wärme, Kälte und Warmwasser (1588/A)(E)

Mag. Ruth Becher, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kosten- und Abfallvermeidung bei der Wassermengenerfassung (1589/A)(E)

Rudolf Silvan, Kolleginnen und Kollegen betreffend Übernahme des nationalen Impf­plans in das Leistungsportfolio der gesetzlichen Krankenversicherung (1590/A)(E)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll105. Sitzung, 19. Mai 2021 / Seite 9

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schaffung von Rehabilitations-Kapazitäten für die Behandlung von Long-Covid-Patienten (1591/A)(E)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen betreffend Impfaktion für Jugendliche vorbereiten (1592/A)(E)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bekämpfung des Personalmangels im Gesundheitswesen (1593/A)(E)

Dr. Ewa Ernst-Dziedzic, Nico Marchetti, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schutz von intergeschlechtlichen Kindern und Jugendlichen vor medizinisch nicht notwendigen Behandlungen an den Geschlechtsmerkmalen (1594/A)(E)

Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend individueller Anspruch auf Karenz für jeden Elternteil (1595/A)(E)

Henrike Brandstötter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Neukonzeption EZA-Mittel Äthiopien (1596/A)(E)

Mag. Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen betreffend Hotlines und Beratungs­stellen für LGBTIQ-Jugendliche (1597/A)(E)

Mag. Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einrichtung queerer Jugend­zentren in Österreich (1598/A)(E)

Mag. Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sensibilisierungs­maßnah­men und interministerielle Kampagne gegen Homophobie (1599/A)(E)

Mag. Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen betreffend Konversionstherapien stop­pen – einstimmigen Entschließungsantrag aus 2019 endlich umsetzen (1600/A)(E)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Job Offensive Neustart: Eingliederungsbeihilfe (1601/A)(E)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Joboffensive Neustart: Weiterbildung neu denken (1602/A)(E)

Mag. Martina Künsberg Sarre, Kolleginnen und Kollegen betreffend Geschlechter­sensible Evaluierung von Lern- und Lehrmaterialien (1603/A)(E)

Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betreffend Zukunfts­konvent Österreich (1604/A)(E)

Mag. Martina Künsberg Sarre, Kolleginnen und Kollegen betreffend Strukturierte Doktoratsprogramme und Transferable Skills in Doktorand_innenausbildung (1605/A)(E)

Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verlustkompensation: einfach, einheitlich und transparent (1606/A)(E)

Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen betreffend Gewerbeordnung NEU: moder­ne Rahmenbedingungen statt altem Korsett (1607/A)(E)

Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Overhead-Finanzierung von Forschungsprojekten (1608/A)(E)

Dr. Johannes Margreiter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Gewalt gegen Frauen (1609/A)(E)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll105. Sitzung, 19. Mai 2021 / Seite 10

Henrike Brandstötter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Informationskampagne und Sensibilisierungsmaßnahmen gegen Gewalt an Frauen (1610/A)(E)

Henrike Brandstötter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einrichtung von Gewalt­ambulanzen in allen Bundesländern (1611/A)(E)

Mag. Martina Künsberg Sarre, Kolleginnen und Kollegen betreffend Geschlechter­sensible Bildung als präventive Maßnahme gegen Gewalt an Frauen (1612/A)(E)

Henrike Brandstötter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Aufbrechen von Ge­schlechterstereotypen zur Gewaltprävention bei Männern (1613/A)(E)

Mag. Martina Künsberg Sarre, Kolleginnen und Kollegen betreffend Coronafolgen-Hilfsfonds für Kindergärten (1614/A)(E)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen betreffend Mittelverwen­dung Digitalisierungsfonds (1615/A)(E)

Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Reformpaket Eigen­kapital: mehr Spielraum und Resilienz für österreichische Unternehmen (1616/A)(E)

Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen betreffend Neustart: rasches Gründen ohne Stolpersteine (1617/A)(E)

Dr. Johannes Margreiter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Neustart: rasches Gründen ohne Stolpersteine (1618/A)(E)

Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller, Mag. Meri Disoski, Kolleginnen und Kollegen betreffend der Erhebung über Geldmittel, die der Bund für Maßnahmen in Bezug auf den Abbau von Gewalt gegen Frauen und Kinder, sowie für die Präventionsarbeit, inklusive Täterarbeit in den einzelnen Ministerien aufwendet (1619/A)(E)

Dr. Christoph Matznetter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Rettung der öster­reichischen Veranstaltungswirtschaft (1620/A)(E)

Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen betreffend Förderung der digitalen Medientransformation (1621/A)(E)

Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmenpaket gegen Altersarmut von Künstler*innen und Kulturarbeiter*innen (1622/A)(E)

Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen betreffend Fair Pay in der Kultur­branche (1623/A)(E)

Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Versagen des Vertrauens gegen­über dem Bundeskanzler (1624/A)(E)

Rudolf Silvan, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird (1625/A)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen betreffend Reparieren statt Wegwerfen: Öster­reichweite Förderung von Reparaturen-Umsetzung bis zum 31.12.2021 (1626/A)(E)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bundesreparaturbonus (1627/A)(E)

Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Österreich zuerst! Vorrang für unsere Betriebe bei Versorgung mit Werk-, Bau- und Rohstoffen Qualifizierungs­offen­sive für unsere Jugend Entlastungsoffensive für unsere Betriebe (1628/A)(E)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll105. Sitzung, 19. Mai 2021 / Seite 11

Mag. Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schaffung entsprechen­der One-Stop-Shops für Menschen mit Behinderungen (1629/A)(E)

Petra Vorderwinkler, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schlüsselrolle von Schulen beim Thema Gewaltschutz (1630/A)(E)

Petra Vorderwinkler, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kostenersatz des Mehr­auf­wandes durch Homeschooling (1631/A)(E)

Petra Vorderwinkler, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schulpaket für den Herbst: was Kinder im nächsten Schuljahr brauchen (1632/A)(E)

Katharina Kucharowits, Kolleginnen und Kollegen betreffend flächendeckende und niederschwellige Kurse für digitale Kompetenz (1633/A)(E)

Kira Grünberg, Heike Grebien, Fiona Fiedler, BEd, Mag. Verena Nussbaum, Mag. Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Entwicklung eines kom­petenzorientierten Lehrplans zur Österreichischen Gebärdensprache (1634/A)(E)

Anfragen der Abgeordneten

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesund­heit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend der physischen Auswirkungen des Personals im Gesundheits- und Pflegebereichs sowie in der mobilen Betreuung (6612/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesund­heit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Förderregime im privaten Pflege- und Betreuungsbereich (6613/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betref­fend Förderregime im privaten Pflege- und Betreuungsbereich (6614/J)

Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend Warum unterschreibt österreichische Botschaft nicht offenen Brief für Ratifizierung der Istanbul Konvention? (6615/J)

Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Wie begegnen internationale Entwicklungs- und Umweltfonds der globalen Krise? (6616/J)

Lukas Brandweiner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klima­schutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Infrastruk­turpaket für das nördliche Niederösterreich (6617/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Auftragsvergabe für PCR-Tests an HG Pharma (6618/J)

Andreas Ottenschläger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klima­schutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend europäische Standards für die Schiene als Grundlage der Wettbewerbsfähigkeit unserer Bahn (6619/J)

Henrike Brandstötter, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Digitalisie­rung und Wirtschaftsstandort betreffend Werbesendungen im ORF (6620/J)

Mario Lindner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Jugend und Integration betreffend Sinn einer Studie zu „kulturell bedingter Gewalt“ (6621/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll105. Sitzung, 19. Mai 2021 / Seite 12

Mario Lindner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesund­heit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Gesundheitsversorgung von transiden­ten Personen (6622/J)

Alois Stöger, diplômé, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Digita­lisierung und Wirtschaftsstandort betreffend dem Einsatz und der Vergabe von Pro­dukten des Volkswagenkonzerns in Österreich (6623/J)

Alois Stöger, diplômé, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landes­verteidigung betreffend dem Einsatz und der Vergabe von Produkten des Volkswagen­konzerns in Österreich (6624/J)

Alois Stöger, diplômé, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend dem Einsatz und der Vergabe von Produkten des Volkswagenkonzerns in Österreich (6625/J)

Alois Stöger, diplômé, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend dem Einsatz und der Vergabe von Produkten des Volkswagenkonzerns in Österreich (6626/J)

Alois Stöger, diplômé, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend dem Einsatz und der Vergabe von Produkten des Volkswagenkonzerns in Österreich (6627/J)

Alois Stöger, diplômé, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klima­schutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend dem Einsatz und der Vergabe von Produkten des Volkswagenkonzerns in Österreich (6628/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport betreffend Sozialversicherung: Einhaltung des Bezügebegrenzungsgesetzes (6629/J)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen (5813/AB zu 5847/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen (5814/AB zu 5827/J)

des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung auf die Anfrage der Abgeordneten Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen (5815/AB zu 5814/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Nurten Yılmaz, Kolleginnen und Kollegen (5816/AB zu 5815/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen (5817/AB zu 5860/J)

des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Martina Künsberg Sarre, Kolleginnen und Kollegen (5818/AB zu 5829/J)

des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen (5819/AB zu 5836/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll105. Sitzung, 19. Mai 2021 / Seite 13

des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung auf die Anfrage der Abgeordneten Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen (5820/AB zu 5851/J)

des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung auf die Anfrage der Abgeordneten Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen (5821/AB zu 5864/J)

der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Tech­nologie auf die Anfrage der Abgeordneten Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kolle­gen (5822/AB zu 5857/J)

des Bundesministers für europäische und internationale Angelegenheiten auf die An­frage der Abgeordneten Henrike Brandstötter, Kolleginnen und Kollegen (5823/AB zu 5821/J)

des Bundesministers für europäische und internationale Angelegenheiten auf die An­frage der Abgeordneten Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen (5824/AB zu 5849/J)

des Bundesministers für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport auf die Anfrage der Abgeordneten Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen (5825/AB zu 5858/J)

des Bundesministers für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport auf die Anfrage der Abgeordneten Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen (5826/AB zu 5845/J)

des Bundesministers für europäische und internationale Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen (5827/AB zu 5862/J)

der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Tech­nologie auf die Anfrage der Abgeordneten Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kolle­gen (5828/AB zu 5844/J)

der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen (5829/AB zu 5870/J)

der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen (5830/AB zu 5873/J)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen (5831/AB zu 5868/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kollegin­nen und Kollegen (5832/AB zu 5869/J)

der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort auf die Anfrage der Abgeordneten Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen (5833/AB zu 5878/J)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Christoph Matznetter, Kolleginnen und Kollegen (5834/AB zu 5874/J)

 


 


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll105. Sitzung, 19. Mai 2021 / Seite 14

09.05.19Beginn der Sitzung: 9.05 Uhr

Vorsitzende: Präsident Mag. Wolfgang Sobotka, Zweite Präsidentin Doris Bures.

09.05.20*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf Sie, werte Abgeordnete, recht herzlich begrüßen und darf Sie ersuchen, Platz zu neh­men. Mein Gruß gilt den Vertretern der Medien und unseren Zusehern vor den heimi­schen Bildschirmen.

Die 105. Sitzung des Nationalrates ist eröffnet.

Die Amtlichen Protokolle der 103. und der 104. Sitzung vom 17. Mai sind in der Parla­mentsdirektion aufgelegen und wurden nicht beanstandet.

Als verhindert gemeldet sind heute die Abgeordneten Claudia Plakolm, Dr. Christian Stocker, Mag. Karin Greiner, Julia Elisabeth Herr, Ing. Norbert Hofer und Michel Reimon, MBA.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Für den heutigen Sitzungstag hat das Bundes­kanzleramt über Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung, die sich in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union aufhalten, folgende Mitteilung gemacht:

Bundesministerin für EU und Verfassung Mag. Karoline Edtstadler wird durch Bun­desministerin für Frauen, Familie, Jugend und Integration MMag. Dr. Susanne Raab ver­treten.

*****

Ich darf bekannt geben, dass ORF 2 diese Sitzung wie üblich bis 13 Uhr überträgt, ORF III bis 19.15 Uhr, und anschließend wird die Sitzung in der TVthek kommentiert übertragen.

Für den Zeitraum von 10 bis 12 Uhr wird die Übertragung in ORF III für das WDR-Europaforum unterbrochen.

09.06.44Aktuelle Stunde


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen nun zur Aktuellen Stunde mit dem Thema:

„Österreich verdient mehr als ein Comeback. Sorgen wir für einen echten Neustart für Wirtschaft und Arbeitsplätze, Frau Bundesministerin.“

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Klubobfrau Meinl-Reisinger. Bei ihr steht das Wort. – Bitte sehr.


9.07.02

Abgeordnete Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES (NEOS): Einen wunderschönen guten Morgen! Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll105. Sitzung, 19. Mai 2021 / Seite 15

Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer und Unternehmerinnen und Unter­nehmer, die heute einen sehr freudigen Tag haben! Es hat heute schon zahllose Ge­spräche gegeben, Kolleginnen und Kollegen haben gesagt, sie waren schon auf einen Kaffee, sie haben mit einem Cafetier gesprochen, sie waren schon in einem Lokal. Das ist natürlich für viele ein wirklich sehr freudvoller Tag, nach so langer Zeit des Lockdowns endlich wieder die Pforten öffnen zu können, und auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, endlich wieder tatkräftig anpacken zu können. – Alles Gute heute! (Beifall bei NEOS und Grünen sowie bei Abgeordneten von ÖVP und SPÖ.)

Ich bin richtig aufgeregt, ich werde heute mittagessen gehen, es wird richtig aufregend werden.

Meine Damen und Herren, es gibt sehr viel zu tun. Die aktuelle Krise, die ÖVP-Krise in unserem Land sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass sehr viel Arbeit zu erledigen ist – gerade jetzt, vielleicht gerade zum idealen Zeitpunkt, dem Tag der Öffnungen. Ich habe in den vergangenen Tagen sehr viele Appelle gehört, man möge doch bitte zur Sachpolitik zurückkehren. Da kann ich Ihnen sagen: Die Sachpolitik haben wir nie ver­lassen (Abg. Gödl: Anzeigen über Anzeigen! – weitere Zwischenrufe bei der ÖVP), wir haben kontinuierlich Vorschläge eingebracht. (Beifall bei den NEOS.)

Heute wieder: Heute geht es darum, tatsächlich darauf zu schauen, was die Wirt­schafts­politik in Österreich braucht. Es ist sehr spannend, denn ich war vor Kurzem in einer Runde von Journalistinnen und Journalisten, wir haben so ein bisschen diskutiert, und dann war die Frage, was ich eigentlich von der Wirtschaftspolitik der Regierung halte. Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen, ich konnte nicht sagen, welche Wirtschaftspolitik. Es findet in meinen Augen keine Wirtschaftspolitik statt – und das ist nicht nur der Pandemie geschuldet. Das ist nicht nur eine Lähmung der letzten Monate, sondern das ist eine Lähmung der vergangenen Jahre, da Sie eigentlich niemals eine tatkräftige Wirtschafts­politik in unserem Land gemacht haben.

Jetzt ist die Rede von einem Comeback, und das klingt ja toll, oder? Comeback – man erinnert sozusagen an gehabte schöne Zeiten. Es ist aber genau der falsche Weg, zu sagen: Wir kehren zurück zum Alten! Wann, wenn nicht jetzt? Wann, wenn nicht jetzt ist der Zeitpunkt, tatsächlich über einen Neustart nachzudenken und die vielen offenen Baustellen in unserem Land endlich anzugehen, gerade auch in der Wirtschaftspolitik?

Ich weiß, Sie rühmen sich sehr gerne, dass Österreich so gut durch die Krise gekommen sei. Das ist Humbug, das ist einfach nicht wahr – weder gesundheitlich, wenn Sie auf die Übersterblichkeit schauen, noch wirtschaftlich. Wir stecken noch immer in einer tiefen Rezession, Österreich hat eine der größten Rezessionen in Europa. Wir sind das viert­schlechteste Land, hinter uns sind nur Italien, Spanien und Malta. Vergleichbare Volks­wirtschaften haben es wesentlich besser durch die Krise geschafft.

Jetzt kommt sozusagen das zweite Problem: Sie rühmen sich, so viel Geld in die Hand genommen zu haben. Das stimmt, Österreich ist ausgabenseitig, was die Ausgaben zur Bekämpfung der Pandemie angeht, unter den Spitzenreitern. Das ist aber keine gute Nachricht, meine Damen und Herren, insbesondere von der ÖVP, weil es ja nur eines zeigt: dass Ihre Wirtschaftshilfen nicht treffsicher, nicht effizient und definitiv nicht wirk­sam eingesetzt wurden. (Beifall bei den NEOS.)

Geld scheint sowieso abgeschafft zu sein. Da braucht es nicht die ÖVP in der Regierung, das könnte man mit einer linken Regierung genauso haben. Der Schuldenstand ist durch diese Krise um zusätzliche 7 000 Euro pro Kopf angewachsen – ein Schuldenberg, der abgetragen werden muss. Das wird mit einem Comeback sicherlich nicht passieren, das wird sicherlich nur passieren, wenn Sie die Ärmel hochkrempeln und endlich wirklich Reformen angehen. (Zwischenruf des Abg. Hörl.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll105. Sitzung, 19. Mai 2021 / Seite 16

Ich möchte Ihnen ein paar Leitgedanken mitgeben, die unserer Meinung nach – das ist natürlich eine liberale Überzeugung – wesentlich für einen Neustart sind. Das ist zum einen das Thema Eigenverantwortung. Ich glaube, gerade die letzten Monate haben gezeigt, dass diese Regierung – erstaunlicherweise auch die ÖVP – einen sehr stark bevormundenden Von-oben-herab-Ansatz fährt. Diese monatelange Bevormundung kann sich natürlich niederschlagen, darf es aber nicht. Unser Land lebt von den groß­artigen Menschen mit ihrem Engagement und von der Eigenverantwortung der Men­schen, die dieses Land tragen. Das wieder zu stärken wird eine der ganz zentralen Auf­gaben sein.

Der zweite Leitgedanke, den ich Ihnen mitgeben möchte, ist, dass Sie endlich von die­sem Klientelismus, diesem Klientelprotektionismus, den die ÖVP jahrzehntelang an den Tag gelegt hat, abkehren. Damit muss Schluss sein, gerade wenn man darauf schaut, wo man den Staat noch so massiv drinnen hat. In der Frage der Hilfen muss man doch genau und präzise – messerscharf – analysieren, wo diejenigen sind, die die Leidtra­genden der Krise waren, und wo man einfach mit der Gießkanne – insbesondere in Rich­tung Ihrer eigenen Klientelen – Begünstigungen vergibt.

Der dritte Leitgedanke ist der Wettbewerb. Wettbewerb ist etwas ganz Wesentliches, um unsere Wirtschaft nach vorne zu bringen, und auch da sind protektionistische Tendenzen und Abschottungstendenzen nicht gut. Frau Minister, gerade in Ihre Richtung – wir haben das schon ein paarmal diskutiert, zum Beispiel auch beim Investitions­schutzge­setz –: Die Abschottung Österreichs, einer Wirtschaft, die so offen ist, die so nach außen gerichtet ist, wo es so viel Export gibt, ist genau das Falsche. (Zwischenruf des Abg. Hörl.) Ein Bekenntnis zu Internationalität und damit auch zu den Instrumenten der inter­nationalen Handelspolitik, wie zum Beispiel Handelsabkommen, tut not. (Beifall bei den NEOS.)

Ein weiterer Gedanke ist die notwendige Liberalisierung: Wann, wenn nicht jetzt? Ich gebe Ihnen auch ein Beispiel mit, die Gewerbeordnung: Wie viel Engagement, wie viel Eigenverantwortung, wie viel Risikoaffinität würgen Sie mit einer Regulierung, die zuschnürt, die es nicht ermöglicht, den Menschen den Weg zu ebnen, selbstermächtigt etwas zu schaffen, ab?

Die Gewerbeordnung gehört schon lange reformiert, das wissen Sie. Sie packen es nie an, weil Sie auch da durch Ihren Klientelismus gebunden sind. Das muss reformiert werden. Jetzt sind die nötigen Liberalisierungsschritte zu setzen, weil wir diese Men­schen brauchen, weil wir das Engagement und die Eigenverantwortung dieser Men­schen brauchen. Sie werden uns nach vorne bringen. Es sind nämlich nicht Sie, die Regierung, die unser Land nach vorne bringt, sondern die Menschen in Österreich. (Abg. Hörl: Immer wieder diese ...!)

Ein weiterer Leitgedanke ist jener der Nachhaltigkeit, und der hat für uns zwei Tangen­ten. Da geht es zum einen – das habe ich schon angesprochen – um die Schuldenberge, die Sie den kommenden Generationen hinterlassen. Irgendwann werden Sie sich die Frage stellen müssen, wie Sie ausgabenseitig weitertun sollen. Es ist dringend notwen­dig, Reformen anzugehen – das hat die ÖVP versprochen, aber niemals eingehalten –, in Bezug auf die Nachhaltigkeit und auf die Finanzierbarkeit unseres so wichtigen Sozial­systems, aber selbstverständlich auch in Bezug auf die Nachhaltigkeit in ökologischen Fragen. Das muss zusammenpassen: Wirtschaft und Umwelt zu verbinden ist unsere Überzeugung. (Beifall bei den NEOS.)

Kommen wir zu den To-dos: Ich habe die Gewerbeordnung schon angesprochen, Sepp Schellhorn wird im Detail darauf eingehen, welche Themen da am Tisch liegen, doch auch hier skizziere ich die wesentlichen Bereiche.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll105. Sitzung, 19. Mai 2021 / Seite 17

Es braucht, Frau Minister, dringend eine Neuordnung der Hilfsmaßnahmen. Es ist ein Stückwerk, und nicht wenige Unternehmer sagen Ihnen – nicht einmal mehr hinter vorgehaltener Hand –: Während Sie am Beginn der Krise mit Bürokratismus und der Angst vor Mitnahmeeffekten alles verhindert haben, damit man wirklich rasch und unbürokratisch hilft, haben Sie im Herbst das Füllhorn ausgeschüttet. Das hat in manchen Bereichen natürlich zu einer Überförderung geführt.

Treffsicherheit: Es gibt Branchen, die mehr als gut durch die Krise gekommen sind, die geradezu boomen, aber es gibt Bereiche, die wirklich hart getroffen sind. Diese Treff­sicherheit muss wiederhergestellt werden.

Das zweite Thema, das ich ansprechen möchte, ist Eigenkapitalausstattung. Frau Minis­ter, wie viele Monate – in Wahrheit: wie viele Jahre – reden wir Liberale davon, wie wich­tig es ist, dafür zu sorgen, dass die Eigenkapitalbasis unserer Unternehmen eine bes­sere wird, dass es möglich sein muss, entsprechende Maßnahmen zu setzen, damit es Anreize gibt, dieses Eigenkapital auch aufzubauen? Tun Sie etwas, anstatt ständig nur Schlagzeilen zu produzieren! Das, was Sie machen, ist keine Politik, sondern eine Schlagzeilen- und PR-Politik. (Beifall bei den NEOS.)

Damit einhergehend braucht es auch eine Reform des Insolvenzrechts: eine zweite Chance ermöglichen, sanieren statt schließen. Sie haben jetzt die Chance dazu, es steht ja auch eine Novelle an. Nehmen Sie sich das Chapter 11 der USA zum Vorbild! Geben wir Menschen und Unternehmen, Betrieben, die an sich gesunde Unternehmen waren und nur durch Ihre Maßnahmen der Pandemiepolitik an den Rand des Ruins gedrängt worden sind, eine zweite Chance!

Last, but not least: Die Langzeitarbeitslosigkeit wird uns noch viele, viele Jahre begleiten, und das ist dramatisch. Sie ist gestiegen und sie ist weitaus diverser, als sie es bisher war. Wir haben dazu einen ganz konkreten Vorschlag auf den Tisch gelegt, die Job­offensive Neustart für bis zu 50 000 neue Arbeitsplätze. Es ist nicht ganz unähnlich dem, was von Martin Kocher präsentiert wurde, aber es ist doch ein bisschen anders, weil wir uns auch um jüngere Langzeitarbeitslose kümmern und darum, ihnen den ersten Job zu ermöglichen. Packen wir dieses wesentliche Thema gemeinsam an! Auch da müssen Sie handeln und nicht nur reden! – Danke. (Beifall bei den NEOS.)

9.17


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesministerin Schramböck. Bei ihr steht das Wort. – Bitte sehr.


9.17.31

Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Dr. Margarete Schramböck: Herr Präsident! Hohes Haus! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Heute ist ein ganz besonderer Tag, auch ich möchte kurz darauf eingehen. Es ist der Tag der Öffnungen, und ich wünschen allen Unternehmen, allen Unternehmerinnen und Unternehmern, ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, alles Gute für diesen ganz besonderen Tag, dass sie ihn genießen, dass sie wieder voll in ihr Geschäft einsteigen können – natürlich immer unter Einhaltung der Schutzbestimmungen –, dass sie wieder öffnen können. Das ist ein ganz besonderer Tag für Österreich. Danke allen, die dazu beigetragen haben, das zu ermöglichen! (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Abgeordneten der NEOS.)

Die Coronakrise hat weltweit, in Europa und so auch in Österreich, wirtschaftliche Verwerfungen erzeugt. Es sind wirtschaftliche und soziale Folgen, um die wir uns kümmern und die gerade in dieser Phase des Aufsperrens und des Wiederöffnens besonders wichtig sind. Wir haben in dieser Krise rasch und richtig reagiert, wir haben einen ganzen Instrumentenkoffer an Wirtschaftsmaßnahmen entwickelt. Es wurde also


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll105. Sitzung, 19. Mai 2021 / Seite 18

nicht mit der Gießkanne über alle Unternehmen verteilt, sondern es waren unterschied­lichste Maßnahmen zu den richtigen Zeitpunkten. Mir war ganz wichtig, dass es nicht nur die Leitbetriebe sind, sondern dass es gerade unsere KMUs, unsere mittelstän­dischen Unternehmen, unsere Familienbetriebe, unsere Start-ups, die Kleinen, die EPUs sind, die wir unterstützt haben, und eben nicht nur größere Unternehmen. Diese Maß­nahmen sind ein wichtiger Punkt. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Wir sind mit diesen Hilfsmaßnahmen klar auf Platz eins in Europa (Abg. Kassegger: Falsche Disziplin!), das muss man immer wieder sagen und das kann man nicht wegreden. Wir sind in vielen Ländern mit Instrumenten wie dem der Kurzarbeit bekannt geworden. Viele Länder haben sie dann auch eingeführt, weil das ein Instrument ist, das es den Unternehmen ermöglicht, ihre Fachkräfte über diesen Zeitraum entsprechend durchzubringen.

Wenn wir uns anschauen, wie viel wir da zum Einsatz gebracht haben, so sind es 36 Milliarden Euro. Das ist viel für Österreich, wir sind auf Platz eins, wir haben in dieser Krise also das Richtige getan.

Was zeigt uns das? – Das zeigt uns, dass gerade in dieser Krise die Insolvenzen stark zurückgegangen sind. Das heißt, wir haben es geschafft, die Unternehmen über diese Phase drüberzubringen. Mit dem Comeback, mit den richtigen Maßnahmen ist es wichtig, dass sie jetzt wieder in ein Wachstum kommen, dass sie wieder wachsen kön­nen, wieder Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in die Betriebe bringen können und dass sie ordentlich durchstarten können. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Nach der Bewältigung dieser Krise ist aus meiner Sicht die Devise: freie Bahn für Unternehmen, freie Bahn für neue Arbeitsplätze, freie Bahn für den Aufschwung und somit für ein Comeback Österreichs.

Die richtigen Weichen zu stellen ist jetzt – da gebe ich Ihnen vollkommen recht – die entscheidende Frage. Die richtigen Weichen sind in den unterschiedlichen Bereichen zu stellen. Ich wurde einmal gefragt: Na gibt es nicht eine Maßnahme, die für alles hilft? – Nein, es gibt keine alleinige Maßnahme, die für alles hilft. Es gibt aber unterschiedliche Maßnahmen, die Arbeitsplätze sichern können und Arbeitsplätze schaffen können.

Da sind mir drei ganz wichtig: Das Erste sind Investitionen, das Zweite sind Exporte – Sie haben es gesagt – und das Dritte ist das Thema der Digitalisierung. Die weitreichen­den Öffnungen, die jetzt da sind, helfen allen Unternehmen, vor allem im Tourismus und in der Gastronomie. Wir müssen aber auch klar sagen, dass zum Beispiel die Industrie und auch die Gewerbebetriebe, jene, die produzieren, die gesamte Zeit offengehalten haben. Denen möchte ich auch noch einmal ganz besonders danken, dass es ihnen gelungen ist, in dieser Phase durchzuhalten und jetzt stärker zurück zu sein als je zuvor. Sie haben international hohe Auftragszahlen, sie kommen teilweise nicht mehr nach, die Aufträge abzuarbeiten – und das ist gut so. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Der Staat hat also eine entscheidende Rolle in dieser Phase gespielt. Jetzt ist es aber auch Zeit, den Unternehmerinnen und Unternehmern zusätzlich zu den Hilfen wieder zu ermöglichen, dass sie selbst anpacken und dass die Konjunktur angekurbelt wird. Der erste Hebel, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist ganz klar das Thema der Investitionen. Wenn wir in andere Länder schauen, so sind diese Länder, inklusive Deutschland, nicht so rasch dabei gewesen, Investitionen zu fördern. Wir waren unter den Ersten. Wir waren schon im September so weit und haben die Investitionsprämie aufgelegt. Das spricht eine klare Sprache. Die Unternehmen haben das intensiv ange­nommen. Es ist der größte Investitionsschub, den wir je mit einer Einzelmaßnahme auslösen konnten. Mit 5 Milliarden Euro Liquidität, die zur Verfügung gestellt werden, sind es 55 Milliarden Euro, und das wird in den nächsten fünf Jahren circa 800 000 Jobs


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absichern und auch neue Jobs schaffen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ein ganz wichtiger Punkt dabei ist, dass wir uns anschauen, dass die Hälfte aller Anträge, die für die Investitionsprämie hereingekommen sind, genau für Zukunftsthemen sind, nämlich für Digitalisierung und für Ökologisierung. Das heißt, der Steuerungseffekt hat funktioniert. Ich möchte Ihnen auch mitgeben: 94 Prozent sind KMUs und Kleinst­betriebe, die diese Maßnahme genutzt haben. Es sind also nicht nur die Leitbetriebe und die Großen, es haben alle davon profitiert und es haben das auch alle entsprechend genutzt, denn: Investieren statt resignieren und stagnieren!, das ist jetzt die Devise. Mit diesem Instrument sind wir in ganz Europa top. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Der zweite Punkt ist der Export. Da gebe ich Ihnen auch vollkommen recht: Die Wert­schöpfungsketten waren unterbrochen, die Betriebe haben uns klar signalisiert, sie erreichen ihre Märkte dort, wo sie hinmüssen, nicht. Die österreichischen Betriebe sind ja Exportweltmeister. Denken wir daran, dass jeder zweite Arbeitsplatz im Export ist und dass auch jeder zweite Euro, also 6 von 10 Euro, im Bruttoinlandsprodukt durch den Export kommt! Wir sind Exportstars und das sollen wir bleiben und das werden wir auch bleiben.

Wir haben deshalb auch die Exportmaßnahmen wieder eingesetzt und entsprechend ins Leben gerufen. Wir haben das Thema Go-International wieder neu aufgelegt. Das sind 25,6 Millionen Euro, die wir in die Vororthilfe investieren, um den Unternehmen den Zugang zu Märkten zu ermöglichen. (Zwischenruf des Abg. Kassegger.) Das gilt sowohl für die Wachstumsmärkte Asiens als auch für die USA als wichtigen Partner, aber auch für Deutschland als ganz, ganz wichtigen Partner und wichtigen Exportmarkt innerhalb der Europäischen Union. Ich freue mich, dass die österreichischen Unternehmen solche Erfolgsgeschichten im Export schreiben und diese Möglichkeiten, die wir ihnen bieten können, entsprechend nutzen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Der dritte Punkt, der dritte wesentliche Hebel ist die Digitalisierung. Auch dort ist es uns gelungen, dass wir mit der Coronakrise diese Chance nutzen, denn wenn in etwa 25 Pro­zent der Investitionsprämie speziell für das Thema Digitalisierung ausgegeben werden, so zeigt das, dass auch die kleinen Betriebe gerade diese Chance nutzen und dass sie da ansetzen. Jetzt, gerade zum richtigen Zeitpunkt, ist es wichtig, dass wir sie in dieser Phase weiter unterstützen. Darum gibt es viele unterschiedliche Förderungen, die in die­sem Zusammenhang zur Verfügung stehen. Ich möchte nur auf ein paar wenige einge­hen, zum Beispiel den Digischeck, mit dem kleine Unternehmen, KMUs bis zu 10 000 Euro bekommen können (Abg. Scherak: Fällt der ÖVP was anderes außer ... auch noch ein?! – Abg. Meinl-Reisinger: Irgendwas Neues, irgendwas ...!), oder auch Hubs, die Zugang bieten und wo die KMUs den entsprechenden Zugang haben.

Das sind eine Reihe von Maßnahmen, ein Teil von Maßnahmen, die wir schon auf den Weg gebracht haben. (Abg. Loacker: Man könnte so ein Kaufhaus Österreich machen, online!) Es ist wichtig, dass wir da dranbleiben, und darum haben wir den Kick-off für eine Standortstrategie gegeben. (Abg. Meinl-Reisinger: Es ist ein Drama ...!) Sie haben recht, wenn ich zurückblicke und schaue, in den letzten Jahrzehnten brauchte es immer wieder eine neue Positionierung, so auch jetzt, für Österreich, für den Standort, sodass wir genau sehen, in welche Branchen, in welche Bereiche wir jetzt investieren müssen. Die sind teilweise sehr, sehr klar.

Wir haben deshalb den Kick-off gegeben und werden viele einbinden, auch Sie. Für Feedback bin ich auch entsprechend dankbar. Wir bringen die Inputs von Unterneh­merInnen, von Unternehmen, auch von Ihnen mit ein, auch von den Sozialpartnern, und entwickeln eine Gesamtstrategie. Diese wird auf sieben Säulen ruhen, und nur einige wenige möchte ich hier erwähnen.


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Eine davon ist sicher der Bereich der Pharma. Wir haben gesehen, wie wichtig das Thema Lifescience in Österreich ist. Da haben wir eine Stärke, die wir auch für die Zukunft nutzen können.

Ein zweites Thema ist natürlich das Thema Ökologisierung – weil es angesprochen wurde –: Auch wir vertreten das im Rahmen der ökosozialen Marktwirtschaft schon seit vielen Jahren. Es ist ja nicht so, dass die Familienbetriebe und die österreichischen Un­ternehmen damit neu beginnen würden, die tun da ja schon sehr, sehr viel. Wir können sie aber noch stärker unterstützen, was Green Materials betrifft, was die Energiewende betrifft. Auch dort können wir punkten und vor allem durch unsere Fähigkeiten und unsere neuen Innovationen am internationalen Markt entsprechend auftreten. (Beifall des Abg. Lukas Hammer.)

Das sind nur zwei der wesentlichen Themen der Standortstrategie. Zwei weitere möchte ich Ihnen noch mitgeben. Das eine ist das Thema Dienstleistungen. Österreich ist ein Dienstleistungsland. Auch dort ist es nicht so, dass man stehen bleiben kann, sondern dass sich auch Dienstleistungen verändern müssen. Denken Sie an die Plattformökono­mien, denken Sie an die unterschiedlichen Möglichkeiten! Auch dort müssen wir ganz weit vorne sein. Ein weiterer Eckpfeiler wird natürlich das Thema Lebensqualität, Kre­ativität, Kultur und Kunst sein. Das ist ein wichtiger Punkt der österreichischen Wirt­schaft, auch das dürfen wir nicht vernachlässigen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der Grünen.)

Ja, es ist richtig, es ist viel zu tun. Darum packen wir es mit unserem Comeback für Österreich an. Ich bin davon überzeugt, dass die österreichischen Betriebe noch über sich hinauswachsen können. Ich möchte Ihnen nur eines mitgeben: Wir glauben, wir sind nicht so gut durch diese Krise gekommen. – Ich gebe Ihnen eine entsprechende Kennzahl, die Zahl der Gewerbeanmeldungen, weil es angesprochen worden ist, des ersten Quartals dieses Jahres: Sie hat zum ersten Mal die 9 000 überschritten, es sind 9 250. Das ist eine Steigerung gegenüber dem ersten Quartal des vorigen Jahres von über 16 Prozent; und 78 Prozent derer, die ein Gewerbe angemeldet haben, haben es digital gemacht.

Ich wünsche allen diesen neuen Unternehmerinnen und Unternehmern, die mutig waren, gerade in dieser Krise ein Unternehmen zu gründen, alles Gute für die Zukunft. Unsere Unterstützung ist Ihnen sicher. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwischenruf des Abg. Kassegger.)

9.30


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Kaufmann. Bei ihr steht das Wort. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.


9.30.32

Abgeordnete Martina Kaufmann, MMSc BA (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen hier im Hohen Haus! Vor allem aber auch: Liebe Zuseherinnen und Zuseher zu Hause! 7,8 Milliarden Euro für die Kurzarbeit, 4,6 Milliarden Euro Umsatzersatz beziehungsweise Ausfallsbonus, 1,5 Milliarden Euro für den Härtefallfonds, die direkte Unterstützung der Unternehmerinnen und Unterneh­mer, 50 Millionen Euro für den Lehrlingsbonus, 7,8 Millionen Euro für die Investitions­prämie, was uns in Summe ein Investitionsvolumen von 55 Milliarden Euro in Österreich bringen wird. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenruf des Abg. Wurm. – Abg. Loacker streicht mit der rechten Hand mehrmals schnell über die geöffnete linke Hand und wendet sich dabei in alle Richtungen.)

Wie die Frau Ministerin schon angesprochen hat: Das sind über 30 Milliarden Euro, die wir auf die Beine gestellt haben (Abg. Loacker: Woher kommt denn das Geld?), um in


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der Zeit der Pandemie die Wirtschaft zu stärken und zu unterstützen und damit die Arbeitsplätze in Österreich zu halten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ich weiß, und das kommt wie das Amen im Gebet, für die Opposition ist das immer noch zu wenig, ganz egal, wie viel wir ausgeben werden. (Rufe bei der FPÖ: Nein! Zu viel!)

Heute ist aber ein ganz besonderer Tag. Wir starten in eine neue Phase – in eine neue Phase der Hoffnung, der Zuversicht, in eine positive Zukunft. Heute ist nämlich der Tag, an dem wieder Öffnungsschritte möglich sind. Heute ist der Tag, an dem sich die harte Arbeit der letzten Wochen und Monate der Unternehmerinnen und Unternehmer, der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausgezahlt hat, die nämlich investiert haben – in ihr Wirtshaus, in ihren Hotelbetrieb, in ihr Fitnessstudio –, die sich in den letzten Wochen und Monaten Gedanken gemacht haben, wie sie sich modernisieren, erneuern, digita­lisieren, wie sie auch neue Geschäftsmodelle entwickeln können, damit sie mit dem heu­tigen Tag zukunftsfit und motiviert für ihre Kundinnen und Kunden wieder da sind. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

An dieser Stelle, liebe Kolleginnen und Kollegen, erlauben Sie mir, all den Unterneh­merinnen und Unternehmern, die mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern genau das gemacht haben, Danke zu sagen. Sie haben nämlich an die Maßnahmen und die Unterstützungen, die wir gemeinsam, der Bundeskanzler mit der Bundesregierung, wir hier im Nationalrat mit den Rahmenbedingungen gesetzt haben, an die Veränderungen, die sie selbst in den Unternehmen mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern umgesetzt haben, geglaubt, sie haben an dieses Österreich, an diesen Standort geglaubt, und wir werden jetzt aus dieser Krise gemeinsam noch viel stärker herauskommen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ich bin seit 20 Jahren politisch aktiv – ich bin erst 35, keine Sorge, aber einfach schon so lange politisch interessiert – und für mich war Politik immer der Wettbewerb der besten Ideen. Liebe Zuseherinnen und Zuseher, in dieser Legislaturperiode vermisse ich diesen Wettbewerb der besten Ideen in der Politik. (Rufe bei der SPÖ: Ja, wir auch! Vertagungen im Ausschuss!) Es geht seit Beginn dieser Legislaturperiode nur darum, andere anzupatzen (Ruf bei den NEOS: Na geh, jetzt hör auf!), zu sagen, welche Dinge zu wenig, zu schlecht sind oder welche Institution nicht ausreichend genug ist, aber es geht nie um die besten Ideen. (Abg. Kickl: Sie patzen sich selber an! – Abg. Belakowitsch: Sogar der Präsident lacht Sie schon aus!)

Hand aufs Herz, liebe Kolleginnen und Kollegen: Ich kenne mittlerweile ja doch einige von Ihnen, und es gibt viele von Ihnen, die denken genau so, wenn es darum geht, wirklich die Ideen zur Umsetzung zu bringen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, besinnen wir uns doch wieder darauf! (Abg. Meinl-Reisinger: Ja, aber dann machen Sie es endlich! Nur Mut!) – Ja, Frau Kollegin, gerade im Untersuchungsausschuss, von dem ich seit einem Jahr auch ein Teil sein darf (Abg. Meinl-Reisinger: Kehren Sie zur Sach­politik zurück! – Abg. Schellhorn: Was hat das jetzt mit der Wirtschaftspolitik zu tun?), geht es nicht darum, die besten Ideen einzubringen, sondern es geht seit über einem Jahr, Frau Kollegin Beate Meinl-Reisinger von den NEOS, darum, andere Leute anzu­patzen, Auskunftspersonen das Wort im Mund umzudrehen, es geht darum, Politik mit Anzeigen zu machen, und nicht darum, für die besten Ideen zu arbeiten. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Meinl-Reisinger: Kehren Sie zur Sachpolitik zurück! – Abg. Loacker: Redezeit! Herr Präsident! Die ÖVP hat ...! – Abg. Schellhorn: Herr Präsident, die Minuten krieg ich auch! – Abg. Loacker: ... weiterreden, oder was? Herr Präsident!)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Schlusssatz bitte!


Abgeordnete Martina Kaufmann, MMSc BA (fortsetzend): Werte Kolleginnen und Kollegen, wir alle sind gewählt worden, um das Beste für unser Land zu machen, und


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darauf sollten wir uns alle gemeinsam besinnen. Schauen wir positiv in die Zukunft und gehen wir gemeinsam in diese Richtung, damit wir Österreich und den Standort Öster­reich voranbringen! (Ruf bei den NEOS: 2 Minuten drüber!) – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

9.36


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Meine sehr geehrten Abgeordneten, ich habe bei jedem, bei dem das Lämpchen geleuchtet hat, darum gebeten, den Schlusssatz zu beginnen, auch bei allen anderen. Auch bei der Erstrednerin waren es 11 Minuten.

Bitte, der nächste Redner ist Herr Abgeordneter Kassegger. – Nein, Entschuldigung, Frau Klubobfrau Rendi-Wagner, Herr Abgeordneter Kassegger in Warteposition. – Bitte sehr, Frau Klubobfrau.


09.36.39

Abgeordnete Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Schallplatte am Schluss kennen wir, die hätten Sie sich jetzt zu diesem Thema sparen können, meine ich, denn es ist ernst. Das Thema ist ernst. Unsere heimische Wirtschaft befindet sich nicht nur in der größten Wirtschaftskrise – Sie haben es auch gesagt – seit 1946, mit einer Rekord­arbeitslosigkeit, nein – und das ist wesentlich –, unsere heimische Wirtschaft befindet sich auch in einer wichtigen Phase des Wandels und der Transformation, und das ist eine doppelte Herausforderung, die besonders schwierig ist – für die großen Industrie­betriebe unseres Landes, aber natürlich auch für kleinere Unternehmen in Österreich.

In dieser doppelt schweren Zeit gibt es jetzt zwei Möglichkeiten: Entweder man sagt, der Markt regelt alles, man liefert Überschriften und viele Ankündigungen und gibt viele Pres­sekonferenzen, oder man sagt, man übernimmt jetzt als Staat, als Bundesregierung Verantwortung und Mitverantwortung, und unterstützt nicht mit Gießkanneninvestitionen, sondern mit nachhaltigen, gezielten, klugen Investitionen den notwendigen Wirtschafts­aufschwung, den unsere heimischen Unternehmen und damit auch unsere Arbeitsplätze so dringend benötigen. (Beifall bei der SPÖ.)

Damit würde man auch erzielen, dass man die wirtschaftliche Entwicklung in die richtigen Bahnen lenkt, Richtung Zukunft. Es ist klar, wofür wir stehen: Wir stehen für Verantwor­tung, denn eines hat uns Corona gezeigt: Wirtschaft und Staat müssen zusammen gedacht werden. Das ist kein Widerspruch. Überwinden wir dazu doch endlich diese alten, verstaubten ideologischen Feindbilder und alten Gräben! Sorgen wir gemeinsam für einen Aufschwung der Wirtschaft, für eine Sicherung der Arbeitsplätze, die bei allen in Österreich ankommt, nicht nur bei einigen wenigen! Das muss unser gemeinsames Ziel in dieser doppelt schweren Zeit sein. (Beifall bei der SPÖ.)

Das schaffen wir, indem wir erstens die Kaufkraft in Österreich nachhaltig stärken und Einkommen stabilisieren und zweitens natürlich nachhaltige Investitionen tätigen, die Transformation der Wirtschaft aktiv mitbegleiten, Frau Bundesministerin, und nicht nur zuschauen.

Es ist Ihnen der Fall VW/MAN in Steyr nicht unbekannt, nehme ich an. Ich denke, da kann die ÖVP beweisen, ob sie eine Wirtschaftspartei ist, ob sie nur Ideen und Ankün­digungen äußert und Pressekonferenzen gibt oder ob es wirklich um eine aktive Beglei­tung, Unterstützung und Umsetzung ihrer Wirtschaftsideen geht, denn da geht es um 2 300 Beschäftigte, die vor einer unsicheren Zukunft stehen. Es geht um 8 000 Arbeits­plätze in der Region. Ich war vor zwei Wochen dort, und eines ist klar: Eine Schließung wäre eine Katastrophe – für die Region, für die einzelnen Menschen, aber natürlich für ganz Oberösterreich.


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Was dort niemand wusste, ist, Frau Bundesministerin, was Ihnen diese 8 000 Arbeits­plätze eigentlich wert sind, wie viel Ihnen als zuständiger Wirtschaftsministerin der Standort Steyr, die Zukunftstechnologie der E-Motoren eigentlich wert ist. Davon hat man nichts gehört, nichts gelesen. Man hat Sie dort auch nicht gesehen, Frau Bundesministerin, auch den Bundeskanzler hat dort niemand gesehen (Beifall bei der SPÖ), und das ist ein Problem, denn in dieser schwierigen Zeit braucht es eine starke industriepolitische Positionierung Ihrerseits – auch die fehlt, auch die kennen wir nicht.

Ich bin überzeugt, was Steyr betrifft, wird es eine Lösung geben, muss es eine Lösung geben. 8 000 Arbeitsplätze dürfen uns nicht egal sein. (Beifall bei der SPÖ.)

Es kann uns nicht egal sein, dass Millionen Euro an öffentlichen Förderungen in den letzten Jahren dort in MAN investiert wurden und jetzt, wenn es um die Schließung geht, der freie Markt entscheidet und Sie sich komplett aus Ihrer Verantwortung nehmen. Frau Bundesministerin, bringen Sie sich aktiv ein! Die Regierung hat Mitverantwortung für die Zukunft von MAN. (Beifall bei der SPÖ.)

Ja, in der Digitalisierung, in der Ökologisierung liegt die Zukunft, und die Chancen auf eine Zukunft sollten auch die Beschäftigten in Steyr haben. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

9.41


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Als Nächster zu Wort gemeldet ist nun Herr Ab­geordneter Kassegger. – Bitte.


09.41.21

Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ja, Frau Bundesminister, Sie haben wie alle Ihre Kolleginnen und Kollegen gesagt: Wir sind am besten durch die Krise gekommen und wir haben keinesfalls Gießkannenpolitik gemacht. Aber selbst dann, wenn Sie hundertmal etwas Falsches wiederholen, wird es nicht wahr – offensichtlich wird es leider, sage ich, in unserer Medienlandschaft dann teilweise wahr und geglaubt.

Das ist überhaupt nicht der Fall, dass Sie keine Gießkannenpolitik gemacht haben. Die Kurzarbeit ist das beste Beispiel dafür. Kollegin Kaufmann hat ganz stolz verkündet: 7,8 Milliarden Euro – 7 800 Millionen Euro! – haben wir ausgegeben, 4,6 Milliarden Euro haben wir für den Umsatzersatz ausgegeben, natürlich nach dem Gießkannenprinzip, nicht differenziert nach Branchen – aus unserer Sicht viel zu lange, viel zu teuer, nach der Gießkanne. Ihr Kollege Kocher druckst ohnehin schon herum, wenn es um das Thema Verlängerung der Kurzarbeit und so weiter geht. Also das ist ja alles andere als ein differenziertes, zielorientiertes, sorgsames Vorgehen nach dem ökonomischen Prin­zip.

Sie haben überhaupt die falschen Ziele. Sie von der ÖVP stellen sich hierher und sagen: Wir sind die Testweltmeister! – Was ist das für ein Ziel? In dieser Disziplin will ich nicht Weltmeister sein. (Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.) Wir sind die Testwelt­meis­ter! – Das kostet ein Vermögen, der Nutzen ist schwerst überschaubar.

Wir sind die Weltmeister bei den Staatshilfen, wir sind die Weltmeister beim Ausgeben. (Beifall bei FPÖ und NEOS.)

Das sind Disziplinen, in denen ich nicht Weltmeister oder Europameister sein will. Wir sind aber leider Europameister beim Anstieg der Arbeitslosigkeit. (Beifall des Abg. Loacker.) Wir sind leider Europameister bei den Budgetdefiziten. Wir sind leider Europa­meister beim Wirtschaftseinbruch et cetera. Es sind die falschen Disziplinen, in denen wir Europameister sind. (Beifall bei FPÖ und NEOS.)


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Wenn ich mir Ihre – unter Anführungszeichen – „Wirtschaftspolitik“ in der Krise an­schaue: Für mich war das planlos, sprunghaft und eben mit der Gießkanne. Wir ver­gessen: Das Ganze hat mittlerweile 60 Milliarden Euro gekostet! Die haben wir uns auf Kosten unserer Kinder und Kindeskinder aufgenommen. Das sind – nur zum Vergleich, Sie wissen das – ungefähr zehn große Steuerreformen, die wir jetzt schon in den Wind geschossen haben. Diese Handlungsfreiheiten haben wir jetzt nicht mehr und irgend­wann geht sich das dann nicht mehr aus. Die eierlegende Wollmilchsau wird es nicht geben.

Das heißt, ohne – und das ist eigentlich der Auftrag für die Zukunft – Strukturreformen, nämlich nachhaltige Strukturreformen, wird es nicht gehen. Kollegin Meinl-Reisinger hat es schon angesprochen: Es ist nichts geschehen, Sie haben diese Krise in keiner Weise als Chance erkannt. Das hätte man ja machen können. Man hätte die Gewerbeordnung ändern können, das kostet auch gar nichts, die Gewerbeordnung aus dem 19. Jahr­hundert ins 21. Jahrhundert bringen, am besten durch eine Neukodifikation. Da bremsen natürlich Ihre Freunde von der Wirtschaftskammer, die wollen das nicht, weil dann eben die Einnahmen ausfallen und, und, und. (Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.) Es gibt viele, viele Dinge, die Sie ohne Weiteres hätten machen können. Was haben Sie gemacht? – 60 Milliarden Euro ausgegeben! Das ist wirklich keine großartige Leistung.

Wir sind also in den falschen Disziplinen Europameister oder Weltmeister. Schauen wir, was mit Ihrem Comebackplan kommen wird, ich bin schon sehr darauf gespannt. Die Freiheitliche Partei wird sich in den nächsten Wochen und Monaten intensiv Gedanken darüber machen, wie man einen wirklichen Comebackplan macht. Wir werden diesen natürlich nicht Comebackplan nennen, da wird uns etwas Besseres einfallen, und da geht es um diese nachhaltigen Strukturreformen.

Schauen wir uns doch an, wie wir es schaffen, dass wir in folgenden Disziplinen Euro­pameister oder Weltmeister werden: in der Disziplin niedrigste Lohnnebenkosten, in der Disziplin niedrigste Steuerbelastung, in der Disziplin bestes Bildungssystem, wo Sie ja schwerste Schäden angerichtet haben, in der Disziplin größte Innovationskraft – bestes Land zu werden, was die Innovationskraft betrifft –, wo Sie durch das überschießende Zusperren von Schulen und Universitäten schwerste Schäden angerichtet haben, in der Disziplin effizienteste und effektivste Verwaltung, in der Disziplin größtes Wirtschafts­wachstum – das ist ja dann eine resultierende –, in der Disziplin bestes, zielsicherstes Sozialsystem, in der Disziplin niedrigste Arbeitslosigkeit und in der Disziplin höchstes kaufkraftbereinigtes Pro-Kopf-Einkommen. Das sind die Disziplinen, in denen wir Euro­pameister sein sollten. (Beifall bei der FPÖ sowie der Abg. Meinl-Reisinger.)

Schlusssatz: Da sind wir derzeit für die Europameisterschaft nicht einmal qualifiziert. Ich sehe auch niemanden in der schwarzen ÖVP und schon gar nicht in der türkisen, neuen ÖVP, der in der Lage ist, dieses Programm umzusetzen beziehungsweise diese Ziele in diesen Disziplinen anzugehen. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Loacker.)

9.46


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Hammer. – Bitte.


9.46.20

Abgeordneter Lukas Hammer (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, jetzt, da unser Land langsam wieder auf die Beine kommt und alles wieder aufsperren wird, geht es natürlich darum, dass wir uns über­legen: Wie kommen wir wieder auf die Beine? – Wir putzen uns ab – und jetzt geht es


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nicht darum, da gebe ich Ihnen, Frau Klubobfrau von den NEOS, recht, wieder zurück zum Alten zu kommen, und nicht darum, wieder im selben alten Trott weiterzumachen.

Wie war das System vorher? – Der Weg vor der Krise war so, dass die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter aufgegangen ist, und – aus unserer Sicht besonders essenziell – der Weg hat uns dahin geführt, dass wir unsere Lebensgrundlagen ver­nichtet haben. Wir haben eine Art zu wirtschaften, die uns in den ökologischen Abgrund führt, und in dieses System wollen wir sicher nicht zurück.

Es geht jetzt darum, dass wir klare Richtungsvorgaben machen. Ich glaube, darin sind wir uns einig. Wir können wahrscheinlich darüber streiten, welche das sein sollen. Eine davon ist aus unserer Sicht die klare Richtungsvorgabe, die auch im Regierungs­pro­gramm steht: Ausstieg aus Öl, Gas und Kohle. Es wird immer wieder kleingeredet und auch heute habe ich in den Reden der Abgeordneten der Oppositionsparteien noch kein wirklich substanzielles Wort dazu gehört, außer so ein bisschen als Beiwagerl: Ja, eh, ein bisserl Ökologie!

Der Ausstieg aus Öl, Gas und Kohle – wenn wir das für Österreich sehen – wird der größte Umbau unserer Wirtschaft seit der industriellen Revolution. (Beifall bei den Grü­nen.)

Das wird unser Land besser und noch lebenswerter machen und wird Zigtausende Arbeitsplätze schaffen. Weil es in den letzten Wochen auch immer wieder in der Diskus­sion war – es gibt immer noch Institutionen, Menschen, die vor zu viel Klimaschutz warnen, das sei schädlich für die Wirtschaft –: Wir wissen und wir haben mittlerweile sehr, sehr viele Studien, die das belegen: Klimaschutz ist der kraftvollste und nach­haltigste Jobmotor, den wir haben. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Die Frage ist jetzt: Wie kommen wir da hin? Das sind politische Aufgaben, die es da zu lösen gilt. Auch hier, glaube ich, gibt es sehr viele Ideen von den verschiedensten Parteien. Ich sehe es nicht so, dass es hier nur mehr ein Hickhack geben würde, sondern ich sehe schon, dass es auch in den Ausschüssen einen Wettbewerb der besten Ideen gibt. Wir haben unsere Ideen auch gemeinsam im Koalitionsabkommen festgehalten.

Wir stehen in diesem Bereich aus meiner Sicht vor vier wesentlichen Aufgaben: Die erste ist, dass wir mit klaren politischen Zielen und Reformen für Investitionssicherheit sorgen, gerade im Bereich des Klimaschutzes. Dafür werden wir dieses Jahr ein neues Klima­schutzgesetz beschließen – mit einem ganz klaren CO2-Reduktionspfad –, damit alle Menschen, alle Betriebe genau wissen, wohin die Reise geht. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir sorgen mit einer ökosozialen Steuerreform dafür, dass sich die Investitionen in klimafreundliche Technologien auch rechnen. Wir werden die Wirtschaft nicht mit dem erhobenen Zeigefinger in eine Klimaschutzrichtung lenken können, sondern nur mit grundlegenden Reformen unseres Steuer- und Abgabensystems.

Das Zweite, das wir brauchen, ist der Ausbau von erneuerbaren Energien bei gleichzeitig reduziertem Energieverbrauch. Sie wissen, wir arbeiten intensiv an einem Erneuer­baren-Ausbau-Gesetz, auf dessen Grundlage wir jedes Jahr 1 Milliarde Euro zusätzlich zum Budget in den Ausbau von Ökostrom investieren, und es wird dieses Jahr auch ein Energieeffizienzgesetz geben, mit dem wir erreichen werden, dass unser Energiever­brauch gesenkt wird.

Wichtig ist, und das wurde auch schon von der Frau Ministerin erwähnt: Wir investieren uns mit Klimaschutz heraus aus dieser Krise. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeord­neten der ÖVP.)


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Da ist es uns wichtig, nicht nur das Richtige zu tun, sondern auch das Falsche zu unterlassen, und da ist uns, glaube ich, etwas gelungen, das sich wie ein grüner Faden durch alle Wirtschaftshilfen, die wir bisher beschlossen haben, und durch alle Wirt­schaftshilfen, die jetzt noch kommen werden, zieht, nämlich so vorzugehen wie etwa bei der Investitionsprämie, bei der Investitionen in Klimaschutz die doppelte Investitions­prämie erhalten, aber explizit klimaschädliche Investitionen nicht unterstützt werden – und das ist der Weg in die Zukunft! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Was aus unserer Sicht besonders wichtig ist, und das soll nicht unerwähnt bleiben: Wir sorgen – viertens – in dieser Transformation für einen gerechten Übergang, damit kein Mensch zurückbleibt. Das heißt, Sozialsysteme auszubauen, das heißt, unser Gesund­heitssystem noch besser zu machen, aber vor allem Qualifizierungs- und Umschu­lungsmaßnahmen zu setzen. Der größte Hemmschuh für diesen Umbau wird aus meiner Sicht nicht sein, dass es zu wenige Arbeitsplätze geben wird – also diese Nachfrage wird es geben –, sondern dass wir auch genügend qualifizierte Arbeitskräfte haben. Das heißt, wir müssen massiv in Ausbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen investieren, und das tun wir mit 700 Millionen Euro für dieses und für nächstes Jahr alleine für diesen Bereich. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Schlusssatz!


Abgeordneter Lukas Hammer (fortsetzend): Schlusssatz: Wir stehen vor enormen Herausforderungen. Die anstehende Wirtschaftskrise, aber vor allem die Klimakrise ver­langen entschlossenes Handeln, und ich bin davon überzeugt, wir können und wir werden sie beide gemeinsam lösen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

9.52


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Schellhorn. Er wird auch genügend Redezeit haben. – Bitte.


09.52.27

Abgeordneter Josef Schellhorn (NEOS): Herr Präsident! Geschätzte Frau Minister! Eigentlich bin ich mit dem Vorsatz hergekommen, einmal konstruktiv und positiv (Heiter­keit bei Abgeordneten der FPÖ sowie des Abg. Zarits) – zu 100 Prozent konstruktiv und positiv – zu sein, aber es fällt mir wirklich schwer, denn wenn ich der Frau Minister so zuhöre, dann müsste ich das, was Beate Meinl-Reisinger gesagt hat – nämlich: „wann, wenn nicht jetzt?“ –, fast umformulieren und sagen: Wer, wenn nicht Sie, müssten wis­sen, wie Wirtschaft funktioniert?

Wirtschaft funktioniert nicht durch staatliche Eingriffe, Wirtschaft funktioniert nicht mit der Gießkanne, sondern Wirtschaft funktioniert nur mit der Schere, nämlich in dem Sinn mit der Schere, dass man entbürokratisiert, dass man die Gewerbeordnung reformiert, die alten Zöpfe wegschneidet und eine Gewerbeordnungsreform aufsetzt. Der Punkt ist nämlich schon – und da gebe ich meinen Vorrednern recht –, nie gab es so viel zu tun wie jetzt, aber so, wie es ist, darf es nicht bleiben. Sie aber haben uns vorgeredet, wie es bleiben darf, nämlich mit staatlichen Eingriffen, mit Fördertöpfen, mit der Insolvenz­statistik. Das, was Sie gesagt haben, ist wirtschaftspolitisch hanebüchen! (Beifall bei den NEOS.)

Sie wissen, dass das ein Verzögerungsmechanismus ist! Sie wissen, dass die Insol­venzen im Herbst steigen werden, wenn die Überbrückungshilfen, wenn die Stundungen auslaufen. Sie wissen, was dann passieren wird.

Sie können nicht sagen: Wir sind die Besten! – Ja, Sie sind die Besten in der Ineffizienz! Ja, Sie sind die Besten in der Nichttreffsicherheit! Sie haben immer oben drüber hinweg


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gezielt und nie getroffen. (Beifall bei den NEOS.) Das ist nicht nur für einen Jäger fatal, das ist auch für eine Wirtschaftsministerin fatal. Was müsste also passieren, damit es für Österreich zu einem Neustart kommt und nicht zu einem Comeback? – Sie müssten ermöglichen! Sie müssten Arbeitsplätze ermöglichen. Wie ermöglicht man Arbeits­plätze? – Indem man den Kostenfaktor Arbeit senkt. Die Mitarbeiter müssen mehr verdienen und weniger kosten.

Sie müssen entbürokratisieren. Sie müssen die Gewerbeordnung reformieren, sodass es nur mehr 25 reglementierte Gewerbe gibt und nicht 76 – Kollege Haubner, Sie erinnern sich, darüber diskutieren wir schon lange. Sie müssten auch Eigenkapital stärken. Wenn ich Ihre Worte – schon seit 2019 – darüber höre, was Sie alles vorhaben, und mir dann ansehe, was Sie umgesetzt haben, dann fällt mir relativ wenig ein, das Sie umgesetzt haben – und das ist das Thema. Das ist das Thema auch dieser Bundes­regierung: eine Ankündigungspolitik zu betreiben und eine PR-Show zu machen. Wenn wir einen Neustart einleiten wollen, dann müssen wir aber Reformen einleiten!

Ich als Unternehmer – auch im Tourismus, der heute aufsperrt –, der bald einmal über­geben wird, denke an meine Kinder, an meine Söhne, und die denken sich: Wenn ich übernehme, dann habe ich als Allererstes einmal die BH im Haus, die mich von oben bis unten durchkontrolliert. (Zwischenruf des Abg. Weidinger.) Gabriel Obernosterer weiß, wie das bei einer Betriebsübergabe funktioniert. (Zwischenruf des Abg. Obernosterer.) Diese bürokratische Hürde ist kein Ermöglichen! Sie müssen es entbürokratisieren. Sie müssen ermöglichen und nicht behindern. – Das ist Punkt eins. (Beifall bei den NEOS.)

Punkt zwei: Wann, wenn nicht jetzt, wären diese großen Reformen möglich? Wann, wenn nicht jetzt, da sich alle politischen Parteien in diesem Nationalrat einig sind, dass jetzt dieses Zeitfenster ist, in dem wir über unsere ideologischen Barrieren springen könnten und gemeinsam für unsere Kinder – auch für meine Kinder, die bald einmal übernehmen werden – diese Hürden überwinden könnten? Das heißt: Wenn wir jetzt keine große Pensionsreform ansetzen, hat die nächste Generation diese Schwierig­kei­ten.

Wenn wir jetzt nicht stabilisieren, wird es für meine Kinder wahrscheinlich eine Erb­schaftssteuer geben. Warum gibt es für sie diese Erbschaftssteuer? – Weil wir nicht reformfreudig sind, weil wir keine Transparenzdatenbank ermöglichen, weil wir keinen effizienten Staat ermöglichen. Nein, wir haben einen Förderalismus und einen Föderalis­mus, der nicht gelebt wird.

Ich erinnere noch einmal an Schelling, der sagte: Wir leben in einem Land, in dem jeder für etwas zuständig, aber niemand für etwas verantwortlich ist. – Diese Verantwort­lichkeit müssen wir entweder leben oder auflösen und nicht, so wie Sie sagen, mit Ein­griffen des Staates, mit der Gießkanne, mit Eingriffen des Staates zur Stabilisierung agieren – und gleichzeitig darauf vergessen, ein modernes Insolvenzrecht umzusetzen –, mit Eingriffen des Staates auch in der Kurzarbeit agieren, ohne den Wiedereinstieg in der Form zu ermöglichen, dass die Menschen wieder in den 100-prozentigen Arbeits­einsatz kommen.

Das müssten Sie jetzt ermöglichen, aber mir fehlen die Konzepte von Ihrer Seite, und das tut mir als Unternehmer weh, das tut Tausenden Unternehmern in diesem Land weh – bis auf ein paar. Ich gebe ja ganz ehrlich zu: Heute in der Früh bin ich bei einem Gastro­nomen vorbeigegangen, und ich scheue mich nicht, zu sagen, dass er mir gesagt hat - -


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Schlusssatz!


Abgeordneter Josef Schellhorn (fortsetzend): Nein, ich habe jetzt auch 2 Minuten, Herr Präsident, genauso wie Kollegin Kaufmann. Das mache ich jetzt absichtlich, bis Sie mir das Mikrofon abdrehen. (Abg. Steinacker: Entschuldigung, das ist aber nicht lustig!)


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Dieser Gastronom hat gesagt, er hat den besten Urlaub seines Lebens gehabt, und ich glaube, das ist die Ineffizienz, von der wir sprechen. Vielleicht hat den auch Herr Ho gehabt; ich weiß es nicht, aber es kann natürlich sein.

Ich meine, hier müssen Sie treffsicher sein, und das beste Prinzip jetzt ist nicht nur, noch einmal über die Cofag nachzudenken, sondern das beste Prinzip jetzt wäre: Machen wir uns doch jetzt schleunigst Gedanken darüber und reformieren wir auch diese Maß­nahmen, indem wir die Verlustkompensation ansetzen!

Was würden Sie davon halten, über Ihre ideologischen Barrieren zu springen und zu sagen: Das, was die NEOS schon seit 2018 vorschlagen, nämlich Reformen, nicht ablehnen, sondern Reformen, die von der Opposition vorgeschlagen werden, auch mit der Opposition umsetzen!? (Beifall bei den NEOS.)

9.58


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter, kein Kommentar.

Nächster Redner ist Abgeordneter Schnabel. – Bitte.


9.59.03

Abgeordneter Joachim Schnabel (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geschätzte Frau Bun­desministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher vor den Monitoren! Comeback oder Neustart? Anfangs dachte ich: Egal, das ist ja inhalt­lich fast dasselbe, und wichtig kann nur sein, eine positive Wirtschaftsentwicklung zu haben. Es ist aber nicht egal, ob es Comeback oder Neustart heißt, vor allem nicht, wenn die Wortwahl von der selbst ernannten Partei der Semantik, genauer gesagt der Partei der Wortklauberei, den NEOS, kommt. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich habe mich gefragt: Warum braucht es jetzt einen Neustart, wenn der Konjunk­turmotor wieder lauter brummt? – Einen laufenden Motor kann man nicht neu starten, sondern müsste man davor abwürgen oder gar abstellen.

Am heutigen Öffnungstag, den die Österreicherinnen und Österreicher – und ich danke allen recht herzlich – mit einer unglaublichen Kraftanstrengung ermöglicht haben, macht uns ein Vergleich mit den Nachbarländern, mit unseren europäischen Partnern sicher, dass unsere Bundesregierung – die ÖVP mit den Grünen gemeinsam – den richtigen Weg gewählt hat. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Ruf bei der FPÖ: Geh bitte!)

An der Spitze unserer Bundesregierung steht unser Bundeskanzler Sebastian Kurz, der dieses Land in den letzten 15 Monaten (Zwischenruf des Abg. Amesbauer) mit viel Einsatz und viel Leadership geführt hat und schon vor einem Jahr angekündigt hat (Zwischenruf des Abg. Deimek), dass diese Normalität in diesem Sommer wieder eintreten wird. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Amesbauer: Er hat das Land in den Abgrund geführt!)

Geschätzte NEOS! Neustart geht nicht, weil wir nicht stehen, deswegen gibt es ein Comeback – ein Comeback, wie im Spitzensport. Da nenne ich als Beispiel einen erfolgreichen Südsteirer namens Thomas Muster. Thomas Muster hatte gerade den Finaleinzug in Key Biscayne, den Sprung in die Top Ten der Weltelite geschafft, als ein Autounfall mit Rissen des Seitenbandes und des Kreuzbandes zu einer Verletzungs­pause und Krise führte. Trotzdem war ihm klar, für den Sport muss er weiterarbeiten. Viele von Ihnen kennen die Bilder davon, als er mit noch eingebundenem Bein am Ten­nisplatz Bälle schlug, um in Form zu bleiben.

2019 war Österreich beim BIP pro Kopf weltweit an der 14. Stelle. Die Zäsur und die Auswirkungen der Coronakrise haben wir mannigfaltig diskutiert, unsere Hilfen wurden von der Frau Minister und vorhin auch von den Kollegen angesprochen. (Zwischenruf


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der Abg. Meinl-Reisinger.) Es ist schon interessant, wenn Kollege Schellhorn heraus­kommt – und auch Sie, Frau Beate Meinl-Reisinger – und sagt: Das ist alles zu viel, viel zu viel! Vor Monaten ist Kollege Schellhorn nämlich hier gestanden und hat gesagt: Wir brauchen mehr, wir brauchen mehr! (Zwischenruf des Abg. Schellhorn.) – Genau so war es, jetzt wollen Sie aber davon nichts mehr wissen. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Schellhorn.) In der Nachschau der Geschichte ist es natürlich so, dass wieder alles besser gewusst wird.

Frau Meinl-Reisinger, ich habe mir Ihre Pressekonferenz angesehen. Gestern haben Sie wieder ein neues, düsteres, grau-schwarzes Bild von Österreich gezeichnet, doch die Maßnahmen, die wir gesetzt haben und auch weiterhin setzen werden, greifen, die Wirt­schaftsprognosen zeigen alle nach oben und der Rückgang der Arbeitslosenzahlen lässt sich ablesen. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe der Abgeordneten Loacker und Meinl-Reisinger.)

Die Gemeinden investieren, die Betriebe investieren mit der Investitionsprämie bis zu 80 Milliarden Euro, und auch im ökologischen Sektor wird sehr viel gemacht. Sprechen Sie mit der Bauwirtschaft, denn dort herrscht Hochkonjunktur, keine Depression! (Abg. Meinl-Reisinger: Ja, eben ...!) Dort gibt es Lieferengpässe und vor allem einen Mangel an Arbeitskräften. Das ist nicht nur in der Bauwirtschaft, sondern auch im Automotive Sector und in anderen Branchen so. (Abg. Meinl-Reisinger: Das ist Gießkanne!) – Das ist nicht Gießkanne, weil wir in diesem Bereich ein Problem haben, das ist der Mangel an Arbeitskräften. Mit dem Programm Sprungbrett von Minister Kocher wird da einge­griffen (Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger), aber auch im Bereich des Arbeitslosen­geldes – und darüber müssen wir diskutieren, wir haben da den Diskussionsprozess gestartet – muss etwas gemacht werden, damit die Menschen mit Arbeit und gerechter Entlohnung am wirtschaftlichen Comeback partizipieren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ich möchte nur ganz kurz etwas zu Reformen sagen: Entbürokratisierung werden wir mit der Digitalisierung aktiv angehen, aber auch an die Gewerbereform müssen wir mit Vorsicht herangehen. Deutschland hat das 2004 mit dem Ergebnis gemacht: weniger Fachkräfte, ein Weniger an Qualität und auch ein Weniger an Lehrausbildung. Nach 15 Jahren hat man wieder zurückgekurbelt. (Zwischenrufe bei den NEOS.) – Das ist so, das ist de facto so. Ich muss auch sagen, Sie machen da noch zusätzlich etwas, Sie senken den Stellenwert der Facharbeiter und der dualen Ausbildung. In diesem Land ist für mich ein Akademiker, eine Akademikerin gleich wichtig und gleich viel wert wie jede ausgelernte Facharbeiterin und jeder ausgelernte Facharbeiter. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Die Zeit ist zu kurz, um die vielen Dinge, die auf Schiene sind, zu nennen. Die Moder­nisierung des Insolvenzrechts, aber auch die Stärkung des Eigenkapitals stehen an. Es muss eine CO2-Bepreisung im Gesamtpaket geben, um Österreich auch für die Heraus­forderung des Klimaschutzes zu rüsten. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Den Schlusssatz bitte!


Abgeordneter Joachim Schnabel (fortsetzend): Wie für Thomas Muster gilt auch für Österreich: Nach einem Unfall gilt es, stärker zurückzukommen. An diesem Comeback arbeiten wir. Er hat - - (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Schlusssatz bitte! Das geht nicht, wir können nicht permanent die Zeit überziehen, Herr Kollege. (Heiterkeit und Zwischenrufe bei der SPÖ.)



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Abgeordneter Joachim Schnabel (fortsetzend): Wir brauchen ein Comeback aus Leis­tungs­bereitschaft mit unternehmerischer Leidenschaft, ein Comeback mit gesellschaft­lichem Einsatz, sodass wir alle gemeinsam das Coronavirus besiegen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

10.05


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Matznetter. – Bitte.


10.05.19

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundes­minis­terin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Damen und Herren, die uns zuhören! Leider scheint das Thema der wirtschaftlichen Erholung für die ÖVP nicht so wichtig zu sein. Das haben Sie schon an den Worten der Frau Bundesministerin gemerkt, aber auch daran, dass uns gerade Kollegin Kaufmann und Kollege Schnabel geschickt wurden (Beifall bei SPÖ und NEOS) und sich Letzterer darin ergeht, wie es Thomas Muster vor Jahren ging. (Heiterkeit des Abg. Loacker.) Ehrlich gesagt ist das Thema ernster und ist das Thema wichtiger. (Zwischenruf des Abg. Ottenschläger.)

In sechs Wochen bekommen nach einem extrem schwierigen Schuljahr die Mädchen und Buben, die jungen Damen und Burschen ein Zeugnis in der Schule. (Zwischenrufe der Abgeordneten Schnabel und Steinacker.) Es war ein extrem schwieriges Jahr mit Homeschooling und anderem, aber sie müssen sich mit der Note, die im Zeugnis steht, auseinandersetzen. Es ist eine Summe dessen, was geleistet wurde. (Abg. Strasser: Ist das die moralische Überhöhung der ...?)

Kollegin Meinl-Reisinger hat eingangs schon darauf hingewiesen, wo wir im Bereich Wirtschaftswachstum liegen, also genauer gesagt: Schrumpfung in der EU. Am 12. Mai hat die EU-Kommission ihre Prognose für 2021 bekannt gegeben. Nach der wird Österreichs Wirtschaft heuer um 3,4 Prozent wachsen, sie war aber im Vorjahr mit minus 6,6 Prozent bereits extrem schlecht unterwegs. Schaut man sich jetzt die gesamte Pandemiezeit an, also 2020 und 2021, erkennt man, dass wir knapp vor Spanien, Italien, Griechenland und Portugal liegen – liebe Beate, Malta macht es sogar besser, weil es voriges Jahr weniger Schrumpfung hatte. Wir liegen also mit diesen vier Ländern, die einen viel höheren Tourismusanteil als wir und damit einen viel stärkeren Einbruch erlebt haben, auf den letzten Plätzen der EU. (Zwischenrufe der Abgeordneten Obernosterer und Ottenschläger.) Dann kommt eine Regierung, die in ihrer Selbstgefälligkeit nichts anderes zu tun hat, als sich auf die Schulter zu klopfen, weil sie so toll bei den Wirt­schaftshilfen sei, weil sie auf Rang zwei – (in Richtung Bundesministerin Schramböck) oder haben Sie Rang eins gesagt? – bei der Wirtschaftshilfe liegt.

Frau Bundesministerin, jetzt frage ich Sie aber: Wenn wir auf Platz eins oder zwei bei der Summe der Ausgaben für die Hilfen sind, aber auf den letzten Plätzen der EU-27, wer ist daran schuld? (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ sowie Beifall bei Abgeordneten der NEOS.) Sind es die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die Unternehmerin­nen und Unternehmer? – Das kann ich mir nicht vorstellen. (Zwischenruf des Abg. Obernosterer.) Die waren wirklich in verzweifelter Lage. Ich war ein Vierteljahrhundert als Steuerberater aktiv tätig, ich habe mir viel Jammern anhören müssen – das Jammern ist des Kaufmanns Kunst –, aber dass Menschen, die seit Jahren einen Betrieb führen, heulen und mit tränenerstickter Stimme sagen: Ich kann nicht mehr weiter, ich kriege meine Hilfe nicht!, habe ich bis dahin noch nicht erlebt; aber in diesem Jahr habe ich es erlebt. (Beifall bei der SPÖ.)

Das war der Grund dafür, warum wir uns für die Menschen, die nicht mehr weiterkönnen, eingesetzt haben. Wir haben die Homepage Blackbox Cofag gemacht, auf der Leute die


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Erfahrungen, die sie gemacht haben, wenn sie einen Antrag gestellt und kein Geld bekommen haben, das sie aber brauchen, posten konnten. Ergebnis davon - - (Abg. Steinacker: Die schauen wir uns dann alle an!) – Ja, Frau Kollegin, Ihre Kollegen, nämlich der Österreichische Wirtschaftsbund, sagen in ihrer Aussendung nicht, dass es ihnen leidtut und man das ändert – nein! –, sondern den Unternehmerinnen und Unternehmern, die dort ihre Erfahrungen gepostet haben, wird unterstellt, dass sie, wenn sie etwas posten, nicht begreifen können, dass es öffentlich ist. So muss man erst einmal auf die Menschen herabschauen und von oben herab tätig sein.

Aussendung Wirtschaftsbund: Es werden Daten veröffentlicht, was die Leute nicht wollen, die diese selbst gepostet haben. – Das bringt Ihre gesamte Meinung gegenüber der Unternehmerschaft zum Ausdruck: Sie wollen sie bevormunden, Sie halten sie für Kinder, die nicht wissen, was sie posten. Schande über Sie! (Zwischenruf des Abg. Deimek.) Eine Entschuldigung von Herrn Wirtschaftsbundgeneralsekretär Egger habe ich bis heute nicht gehört, und zwar nicht bei mir, sondern bei den Hunderten Unternehmerinnen und Unternehmern, die die Sorgen haben. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

Zurück zur Lage: Das Zeugnis, das Sie hier in Form der EU-Kommission und ihrer Wirt­schaftserwartung bekommen, und der Effekt, dass Sie die höchsten Wirtschaftshilfen ausgezahlt haben, beweisen, dass es einen Fehler im System gibt. Dieser Fehler hat einen Namen: österreichische Wirtschaftspolitik unter der Führung der ÖVP. (Zwi­schenruf der Abg. Salzmann.) Es tut mir leid für Österreich, es tut mir leid für die Unter­nehmerinnen und Unternehmer. Das Geld ist leider in Möbelmärkte, Mediamarkt, Star­bucks und die Glücksspielindustrie geflossen, statt zu denen, die es brauchen. Hoffent­lich machen Sie es bei der nächsten Krise besser! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

10.10


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Angerer. – Bitte.


10.10.42

Abgeordneter Erwin Angerer (FPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Geschätzte Frau Minister! Geschätzte Damen und Herren vor den Bildschirmen! Geschätzte Unternehme­rinnen und Unternehmer! Für uns und vor allem für die Unternehmer in diesem Land gelten immer noch die 3G, die uns weiterhin in unserem Tun und in unserem unter­nehmerischen Handeln einschränken. Für diese Bundesregierung gelten die 3A: die drei Ausreden.

Die erste Ausrede betrifft den massiven Wirtschaftseinbruch. Kollege Matznetter hat es schon auf den Punkt gebracht: Es wird immer darauf hingewiesen, dass wir so einen großen Anteil beim Tourismus haben. Wenn man genauer hinschaut, zeigt sich, dass der Tourismusanteil am BIP in Österreich 7,3 Prozent beträgt, er ist also überschaubar.

Zweite Ausrede: Es gibt keine Alternative zum Lockdown. – Selbstverständlich hätte es Alternativen zum Lockdown und dem ständigen Auf- und Zusperren gegeben. Andere Länder haben es vorgezeigt, zum Beispiel Schweden, das mit seinem Gesundheits­system besser durch die Gesundheitskrise gekommen ist, eine niedrigere Gesamtsterb­lichkeit als Österreich hat und wesentlich besser durch die Wirtschaftskrise gekommen ist – mit einem Wirtschaftsrückgang von knapp 3 Prozent, wir dagegen verzeichnen über 7 Prozent.

Die dritte Ausrede betrifft die drohende Überlastung des Gesundheitssystems, die uns immer vor Augen geführt worden ist. Ich habe eine Anfrage zu einer Beschaffung, die


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Sie, Frau Minister, im Herbst gemacht haben, eingebracht. Es ging um die Beatmungs­geräte, die nach Tschechien verliehen worden sind. Die Anfrage wurde vom Gesund­heitsministerium beziehungsweise vom Innenministerium, das diese Geräte verliehen hat, dahin gehend beantwortet, dass im Vorfeld mit dem Gesundheitsministerium abge­klärt wurde, dass es durch das Verleihen dieser 45 Beatmungsgeräte zu keinerlei Über­lastung des österreichischen Gesundheitssystems kommt.

Sie stellen sich immer hierher und behaupten, dass Sie alles richtig gemacht haben. Wenn jemand etwas falsch gemacht hat, dann waren es die Unternehmer, die die Fehler gemacht haben, oder die Bevölkerung, die die Fehler gemacht hat, aber diese Regierung hat immer alles richtig gemacht.

Ich habe das bisher als Managementversagen bezeichnet. Mittlerweile muss ich aber sagen: Was in Österreich regiert, ist Dilettantismus. Die Hilfsmaßnahmen – Sie haben sie heute schon erwähnt und wieder gelobt – beinhalten überbordende Richtlinien, über­bordende Vorschriften. Die Unternehmer waren kaum darauf vorbereitet, diese Hilfs­maßnahmen in Anspruch zu nehmen, haben für alles ihre Steuerberater gebraucht. Manche Branchen waren bis zum heurigen Frühjahr nicht einmal anspruchsberechtigt. Unser Gerald Hauser hat ein Jahr lang dafür gekämpft, dass die Privatzimmervermieter anspruchsberechtigt sind, andere indirekt Betroffene haben das gesamte Jahr über keine Ansprüche gehabt.

Sie nennen die Digitalisierung. – Ich erinnere Sie an das Kaufhaus Österreich, eine Blamage für diese Bundesregierung. Wir haben einen Finanzminister, der sehr vergesslich ist – wie offensichtlich mittlerweile die gesamte Bundesregierung –, der im Budget Nullen vergisst, der sich an nichts erinnern kann, was er in den letzten Jahren gemacht hat. Sie haben bei der Impfstoffbeschaffung versagt. Sie haben bei allen Maßnahmen, die Sie im letzten Jahr gesetzt haben, versagt. Jetzt kommen Sie mit einem Comebackplan – nichts als Überschriften!

Das Einzige, was Sie immer erwähnen, ist die Investitionsprämie, in deren Rahmen Unternehmen, Betriebe, großteils wieder die Industrie, die eigentlich relativ gut durch die Krise gekommen ist, Investitionen aus der Zukunft vorziehen und kaum neue Inves­titionen gemacht werden. Das ist jetzt das große Paket, das Sie als Wirtschaftsstütze in Österreich sehen. Sie haben – das wurde heute schon mehrfach von den Kollegen Schellhorn, Kassegger und von anderen erwähnt – keinerlei Maßnahmen gesetzt, um die entsprechenden Reformen einzuleiten und die Gewerbeordnung zu reformieren, unseren Föderalismus zu reformieren, eine Aufgabenreform einzuleiten. Nichts von alldem liest man in Ihrem Programm.

Aktuell gibt es eine Entwicklung, die Sie schon wieder verschlafen: Seit Wochen und Monaten – darauf habe ich in den Ausschüssen schon mehrfach hingewiesen – haben wir die Entwicklung bei Baustoffen, Werkstoffen und Rohstoffen, dass die Preise explodieren. Die Bundeswettbewerbsbehörde könnte ja vielleicht einmal nachschauen, woran das liegt. Liegt das wirklich nur daran, dass die Nachfrage aus dem Ausland so groß ist, dass in China oder in Amerika die Wirtschaft schon wieder boomt, oder wird diese Preiserhöhung künstlich herbeigeführt? Da nehmen Sie die Bundeswett­bewerbs­behörde aber an die Kandare und wollen eine Berichtspflicht einführen, gegen die wir uns schon klar ausgesprochen haben und gegen die wir auch einen weiteren Antrag einbringen werden.

Frau Minister, es braucht daher keinen Comebackplan, sondern für die heimische Wirt­schaft braucht es den Plan: Österreich zuerst. Ich werde heute noch einen ent­sprechenden Antrag einbringen, der verlangt, dass der heimischen Wirtschaft bei der Belieferung mit Werk-, Bau- und Rohstoffen Vorrang gegeben wird, dass Sie endlich die Arbeitsplätze und die Ausbildung von Facharbeitern und Lehrlingen attraktivieren – der


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Faktor Arbeit ist, wie heute auch schon erwähnt wurde, immer noch zu hoch – und dass die Lohnnebenkosten endlich gesenkt werden.

Neben der Umsetzung der Steuerreform, die unter unserer Regierungsbeteiligung schon begonnen wurde, sind das die drei wesentlichen Punkte, auf die Sie sich beschränken sollten. Dazu wird es heute noch einen Antrag geben. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

10.16


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Götze. – Bitte.


10.16.35

Abgeordnete Dr. Elisabeth Götze (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minis­terin! Wertes Publikum! Was braucht die Wirtschaftspolitik in Österreich? – Es ist wichtig, dass wir das heute hier diskutieren. Ich stimme aber nicht damit überein, dass es nur um einen Neustart geht. Reset wäre zu wenig, was wir brauchen ist eine echte Trans­for­mation: Neustart und Transformation. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Saxinger.)

Daher haben wir Ende April zeitgerecht unsere Reformvorhaben im Rahmen des Aufbau- und Resilienzplans bei der EU eingereicht. Die EU stellt 750 Milliarden Euro aus dem Fonds, aus dem Projekt Next Generation EU für ein Comeback, für einen Neustart und für eine Transformation der Wirtschaft zur Verfügung und das nehmen wir in Anspruch. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir werden etwa 3,5 bis 4 Milliarden Euro bekommen. Der genaue Betrag steht noch nicht fest, er hängt auch von der Wirtschaftsentwicklung des heurigen und des letzten Jahres ab. Das heißt, wir wissen erst 2022, wie viel es genau sein wird. Wir wissen aber, was wir damit machen wollen. Die Vorgabe der EU ist es, dass mindestens ein Drittel in den Klimaschutz fließt – und wir übertreffen das. (Beifall bei den Grünen und bei Abge­ordneten der ÖVP.)

Wir haben im Ausmaß von 46 Prozent Projekte für den Klimaschutz, für Ökologisierung eingereicht, weil wir das dringend brauchen, um in dem Bereich aufzuholen, um für unsere zukünftigen Herausforderungen gerüstet zu sein. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.) Auch das Do-no-significant-Harm-Prinzip – wir dürfen keine schädlichen Maßnahmen einreichen – hilft uns übrigens dabei.

Was wir damit erreichen, ist Folgendes: Wir stärken die österreichische Wirtschaft, wir stärken die österreichischen Unternehmen, wir stärken den Wirtschaftsstandort und wir sichern langfristig Arbeitsplätze. Selbstverständlich sind es neue Maßnahmen, zu einem großen Teil noch nicht budgetierte Maßnahmen. Laut Vorgabe der EU dürfen die Maß­nahmen vor Corona noch gar nicht begonnen worden sein. Damit ist unser Aufbauplan ein Treiber für Neustart und für Transformation in vier Bereichen: Er ist nachhaltig, also ökologisch, digital, wissensbasiert und – auch ganz wichtig! – gerecht. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich werde zu diesen vier Pfeilern kurz etwas sagen und ein paar Beispiele bringen:

Nachhaltiger Ausbau heißt: grüne Investitionen, beispielsweise Transformation der Wirt­schaft, Transformation der Industrie; Dekarbonisierung, dafür braucht die Industrie unsere Unterstützung, und die geben wir ihr. (Beifall bei den Grünen und bei Abge­ordneten der ÖVP.) Dazu zählt auch die Kreislaufwirtschaft, und die müssen wir be­schleunigen, die werden wir beschleunigen. Abfälle vermeiden, auch das ist für uns gut, das ist auch für die Wirtschaft gut, und dadurch bewahren wir gleichzeitig die Bio­diver­sität.

Es werden neue Arbeitsplätze entstehen, sogenannte Green Jobs, die wir natürlich aber auch durch entsprechende Schulungsmaßnahmen unterstützen müssen. Digitaler Aufbau –


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wir haben schon ganz viel über die digitalen Herausforderungen gesprochen –, ich gebe hier nur zwei Stichworte: Breitbandausbau und Digitalisierung von Unternehmen, der öffentlichen Verwaltung, aber auch von Schulen.

Ein Punkt, der mir besonders wichtig ist, ist der wissensbasierte Aufbau. Wir wissen alle, dass wir gut qualifizierte Fachkräfte brauchen, die den neuen Herausforderungen ge­wachsen sind, das heißt, wir brauchen Aus- und Weiterbildung für Menschen, auch für Unternehmerinnen und Unternehmer, und auch Forschung und Innovationen, so investieren wir beispielsweise im Bereich Ipcei, den Important Projects of Common European Interest, in Wasserstofftechnologien, aber auch in die Mikroelektronik­for­schung.

Zum letzten Punkt, gerechter Aufbau: Da geht es um das Gesundheitswesen, um die Pflege, um die Kinderbetreuung, die auszubauen ist, also all das, was das Leben auch lebenswert macht. In diesem Zusammenhang möchte ich erwähnen, dass es bei­spielsweise auch um die Graceperiod geht, die Betriebsübergabe – was Kollege Schellhorn offenbar noch nicht gesehen hat –, die wir neu gestalten und die wir so gestalten, dass Nachfolgerinnen, Nachfolger gerne ein Unternehmen übernehmen, ohne überbordende Hürden. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

5 Minuten Redezeit sind eindeutig zu kurz für das, was wir alles vorhaben. Ich nenne noch ganz schnell einige wesentliche, riesige Projekte, über die wir auch ganz lange sprechen könnten, wie zum Beispiel die ökosoziale Steuerreform, das Programm Sprungbrett, um Langzeitarbeitslose wieder in Betriebe zu bringen, zur Unterstützung der Langzeitarbeitslosen. Das Insolvenzrecht wird neu gestaltet, es geht stärker in Richtung Restrukturierung, Neustart von Unternehmen und auch eine Möglichkeit der zweiten Chance für Unternehmerinnen und Unternehmer, und letztendlich noch Start-ups, da kommt eine neue Gesellschaftsform.

Zusammenfassend: Es gibt viel zu tun und ich lade alle hier ein, sich an diesen Diskussionen auch zu beteiligen. Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeord­neten der ÖVP. Zwischenruf des Abg. Matznetter.)

10.23


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Eypeltauer. – Bitte.


10.23.43

Abgeordneter Mag. Felix Eypeltauer (NEOS): Herr Präsident! Hohes Haus! Frau Bundesministerin! Ja, die Wirtschaft hat im letzten Jahr enormen Schaden genommen, das haben wir alle erlebt und das hat verschiedenste Gründe: der Zickzackkurs der Bundesregierung, das ständige Improvisieren und die überdurchschnittlich langen Schließungen, aber auch – und das ist mir heute besonders wichtig, zu erwähnen – weil steuerliche Belastungen schon lange viel zu schwer auf den Schultern der Unter­nehmerInnen lasten. (Beifall bei den NEOS.) Und da sage ich Ihnen, auch im Namen aller jungen Menschen in Österreich: Das muss sich ändern, und es muss sich noch viel mehr ändern!

Der Standort Österreich braucht all diese Reformen, von denen die VorrednerInnen meiner Fraktion gesprochen haben, denn auch ohne Krise – denken wir uns einmal die letzten eineinhalb Jahre weg – sind diese dringend notwendig. Wir brauchen einen echten Neustart für Innovation und für die Zukunft unseres Wohlstandes, denn das Morgen dämmert heute schon.

Die UnternehmerInnen, die ForscherInnen, die GründerInnen, die Fachkräfte sind schon längst an der Arbeit, sie sind der Grund, warum es noch halbwegs läuft. Die Bundes­regierung, aber auch die Landesregierung bei mir in Oberösterreich, immerhin dem


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Industriebundesland, schlummern noch gemächlich dahin, und das zeigen auch die Zahlen.

Schauen wir uns das European Innovation Scoreboard 2020 an, da ist Österreich auf Platz acht! Jetzt könnte man sagen: Na, ist ja eh gut! – Warum aber ist Österreich auf Platz acht?

Besonders gut ist Österreich in folgenden Bereichen: „F&E-Ausgaben des privaten Sektors, KMU mit Marketing- und organisatorischen Innovationen [...], Öffentlich-private Co-Publikationen [...] und Schutzanmeldungen von geistigem Eigentum“ – fair enough.

Besonders schlecht, Frau Ministerin, schneidet Österreich aber bei folgenden Punkten ab: innovationsfreundliche Umwelt – schlecht; Impact auf den Arbeitsmarkt – schlecht; Finanzierung und Support – schlecht.

Österreich, auch Oberösterreich, wo die Industrie daheim ist, ist nicht unter den inno­vativsten Regionen der EU, wir sind unter ferner liefen, Frau Ministerin. (Beifall bei den NEOS.)

Unter den Top 15 sind wir auch nicht, da sind andere: Baden-Württemberg, Barcelona, Zuid-Nederland, Oxfordshire, Südschweden, Bayern – die sind dort. Und ich frage Sie eines: Wo gehen die jungen Talente von Europa oder der ganzen Welt in Zukunft denn hin? – Nach Österreich, wie es momentan ausschaut, nicht!

Die Zahlen, Frau Ministerin und Kolleginnen und Kollegen vor allem von der ÖVP, zeigen im Kontrast zu Ihrer meisterhaften Show unbestechlich, dass Wirtschafts- und Innova­tionspolitik schlicht und ergreifend nicht stattfindet und dass die Politik dabei versagt (Beifall bei Abgeordneten der NEOS), die Rahmenbedingungen für unser Morgen zu schaffen. Das erschüttert mich, denn das geht vielleicht noch fünf Jahre oder zehn Jahre gut, aber die Jungen, meine Generation und die Generationen danach, werden es am Arbeitsmarkt und im internationalen Wettbewerb immer schwerer haben, weil Sie nur Showpolitik machen (Beifall bei den NEOS), weil sich die Bundesregierungen seit 2008 ja immer wieder durchaus richtige Punkte in die Programme schreiben, aber sie nicht umsetzen, weil sich die Bundesregierungen und die Landesregierungen – bei mir im Industriebundesland Oberösterreich – auf alten Lorbeeren ausruhen, während das Morgen schon dämmert.

Und das sage ich Ihnen: Was jahrzehntelang gut funktioniert hat – das ist ja fast eine Binsenweisheit, aber Sie scheinen es nicht zu realisieren –, das garantiert uns in Zukunft keinen Wohlstand mehr, das wird durch die digitale Revolution, das wird durch den Strukturwandel innerhalb kürzester Zeit über den Haufen geworfen, und viele der Geschäftsmodelle, die die letzten Jahrzehnte gut funktioniert haben, hervorragend funktioniert haben, werden künftig plötzlich wegbrechen.

Neues muss entstehen können. Es wurde schon MAN in Steyr, in Oberösterreich angesprochen. Da sehen wir das, das ist ein erster Vorbote dieses neuen Morgens, das, worauf wir uns einstellen müssen. Die gesamte Region dort war jahrzehntelang erfolg­reich in der Produktion von Verbrennungsmotoren und mit viel Wohlstand ausgestattet – und jetzt steckt sie in der Krise. Und erst jetzt, Frau Bundesministerin, erst jetzt, um fünf nach zwölf, wacht die Landespolitik auf und vielleicht auch einmal die Bundespolitik. Das ist ganz einfach viel zu spät! Was hier passiert ist, darf nie mehr wieder so passieren, wir müssen diese Weichen jetzt endlich stellen.

Ich komme zum Schluss: Unsere Zukunft mit Innovation, mit Wohlstand und mit Nach­haltigkeit braucht jetzt die richtigen Grundlagen. Das müssen Bundes- und Landespolitik gemeinsam anpacken – entlasten, deregulieren, den Innovationsturbo starten, mit der Show aufhören, damit aufhören, die Menschen einzulullen, und stattdessen endlich


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wirklich entschlossen einen Neustart mit uns gemeinsam durchführen. – Danke. (Beifall bei den NEOS.)

10.28


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

10.28.18Einlauf


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungs­gegen­stände verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Schriftliche Anfragen: 6612/J bis 6629/J

2. Anfragebeantwortungen: 5813/AB bis 5834/AB

*****

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 5715/AB


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Vor Eingang in die Tagesordnung darf ich mit­teilen, dass das gemäß § 92 der Geschäftsordnung gestellte Verlangen vorliegt, eine kurze Debatte über die Beantwortung 5715/AB der Anfrage 5761/J der Abgeordneten Hafenecker, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Reduzierung der Steuernachfor­derungen der Republik Italien gegenüber Novomatic 2017 auf mögliche Intervention des damaligen Außenministers hin“ durch den Herrn Bundeskanzler abzuhalten.

Diese kurze Debatte findet gemäß § 57a Abs. 4 der Geschäftsordnung nach Erledigung der Tagesordnung, jedoch spätestens um 15 Uhr statt.

Fristsetzungsantrag


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Weiters darf ich mitteilen, dass die Abgeordneten Leichtfried, Kassegger und Doppelbauer beantragt haben, dem Geschäftsordnungs­aus­schuss zur Berichterstattung über den Antrag 421/A eine Frist bis 15. Juni 2021 zu set­zen.

Der gegenständliche Antrag wird dann geschäftsordnungsgemäß nach Beendigung der Verhandlungen in dieser Sitzung zur Abstimmung gebracht.

Behandlung der Tagesordnung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Es ist vorgeschlagen, die Debatten über die Punkte 7 bis 9, 10 und 11, 14 und 15, 16 und 17, 18 bis 23 der Tagesordnung jeweils zusammenzufassen.

Wird dagegen ein Einwand erhoben? – Das ist nicht der Fall.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll105. Sitzung, 19. Mai 2021 / Seite 37

Redezeitbeschränkung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zwischen den Mitgliedern der Präsidialkonferenz wurde Konsens über die Dauer der Debatten erzielt. Die Tagesblockzeit beträgt 7,5 „Wiener Stunden“, die Redezeiten sind daher: ÖVP 146, SPÖ 101, FPÖ 83, Grüne 75 sowie NEOS 60 Minuten. Wie üblich beträgt die Redezeit von jenen Abgeordneten, die keinem Klub angehören, für die gesamte Tagesordnung je 30 Minuten; pro Debatte ist deren Redezeit auf 5 Minuten begrenzt.

Wir kommen gleich zur Abstimmung.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein dementsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen. – Ich danke.

Wir gehen nun in die Tagesordnung ein.

10.30.271. Punkt

Erste Lesung: Volksbegehren „TIERSCHUTZVOLKSBEGEHREN“ (771 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen zum 1. Punkt der Tagesordnung.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Eßl. Bei ihm steht das Wort. – Bitte sehr, Herr Abgeordneter.


10.30.48

Abgeordneter Franz Leonhard Eßl (ÖVP): Herr Präsident! Meine geschätzten Damen und Herren! Auch in Zeiten der Pandemie gibt es Positives zu vermelden, und so erleben wir heute die Öffnungsschritte, die die Regierung gesetzt hat, als große Erleichterung. (Beifall bei der ÖVP.)

Mit dem Tierschutzvolksbegehren behandeln wir ein weiteres Thema, das große Reso­nanz in der Bevölkerung gefunden hat. In einem ersten Schritt wurden über 210 000 Un­terstützungserklärungen abgegeben und in einem zweiten Schritt knapp 206 000 Ein­tragungen getätigt. Es ist also eine beachtliche Zahl an Personen, die dieses Volks­begehren, das von Herrn Dr. Sebastian Bohrn Mena initiiert wurde, auch tatsächlich unterstützt haben. (Beifall der Abgeordneten Fischer und Voglauer.)

Fünf Ziele sind vorrangig aufgelistet, und ja, mit diesen Zielen kann sich die ÖVP identifizieren. Es bleibt nur die Frage der Umsetzung: Wie kommen wir dort hin? Es gibt dort und da natürlich Unterschiede. Andere Parteien sind der Meinung, die Gesetzes­keule, Vorschriften, Gebote und Verbote sind das Richtige, um dieses Ziel zu erreichen. Wir, die ÖVP, halten Information, Motivation und Anreize auch für geeignete Mittel, um ans Ziel zu kommen.

Branchenvereinbarungen, Vereinbarungen mit den Produzenten sind aus unserer Sicht ein richtiger Weg, um dort hinzukommen. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.) Der Tier­halter selbst muss die Überzeugung und den Willen haben, das Beste für seine Tiere zu tun. Dazu gehört natürlich auch fachliche Kompetenz als Grundausstattung. Wenn sich jemand ein Tier aneignet, muss er oder sie wissen, was das Tier braucht, welche Grundbedürfnisse, welche Vorlieben das Tier hat – das wird wohl bei einem Pferd anders sein als bei einem Kanarienvogel.

Im landwirtschaftlichen Bereich wird die Haltungsform am öftesten diskutiert, und im Volksbegehren gibt es dazu auch zwei Zielpunkte: „Für eine tiergerechte und zukunfts­fähige Landwirtschaft“ und „Öffentliche Mittel sollen das Tierwohl fördern“. Ja, dazu gibt es auch im Regierungsprogramm bereits konkrete Ansätze, und die werden wir als


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Koalition auch umsetzen. Betreffend öffentliche Mittel verweise ich auf den Tierwohlpakt von Frau Bundesministerin Köstinger, der bereits 120 Millionen Euro zur Förderung von besonders tierfreundlichen Haltungsformen bereitstellt und damit einen Anreiz zur Ver­besserung bietet. Öffentliche Unterstützung darf aber keine Umschichtung von einem Bauern zum anderen Bauern bedeuten, sondern es braucht auch frisches Geld von außerhalb der Landwirtschaft.

Es gibt also, meine geschätzten Damen und Herren, genügend Diskussionsstoff. Des­halb werden wir dieses Volksbegehren im Gesundheitsausschuss auch ausführlich be­handeln, ein eigenes Expertenhearing, das auch öffentlich sein wird, abhalten und dann die nötigen Schritte setzen. Wir als ÖVP wollen wie gesagt, dass es den Menschen in unserem Land gut geht, wir als ÖVP wollen, dass es den Tieren in unserem Land gut geht. Tierwohl ist uns ein wichtiges Anliegen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

10.34


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Keck. – Bitte.


10.34.33

Abgeordneter Dietmar Keck (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Eßl, würdest du all das, was du hier am Rednerpult gesagt hast, auch in Umsetzung bringen, würden wir dieses zweite Tierschutzvolksbegehren, das nun in Österreich eingebracht wurde, nicht brauchen. (Beifall bei der SPÖ.)

Das erste Tierschutzvolksbegehren, meine Damen und Herren, wurde 1996 gestartet und erhielt knapp 460 000 Unterschriften, und bis zur Umsetzung, also bis das Bundestierschutzgesetz umgesetzt wurde, dauerte es hier in diesem Haus neun Jahre – mit langen, schwierigen Verhandlungen, die geführt wurden –, bis man endlich auch den Forderungen des ersten Tierschutzvolksbegehrens gerecht wurde.

Es gab seitdem auch zwei Novellierungen, 2012 und 2017. Unter Ministern der Sozial­demokratie wurde zur damaligen Zeit im Tierschutz viel weitergebracht. Ich war bei den Verhandlungen über das erste Bundestierschutzgesetz dabei, ich war auch bei den Verhandlungen zu den Novellierungen dabei, und ich habe wirklich versucht, viel, viel rüberzubringen, aber einer der – das muss ich da sagen – Stolpersteine oder eines der Hindernisse, die wir gehabt haben, war immer die ÖVP. Mit der ÖVP über den Tierschutz zu verhandeln ist also sehr schwierig. Ich wünsche euch alles Gute – ich komme auch noch zu den Grünen –, ich wünsche euch alles Gute dafür. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

Meine Damen und Herren, wenn es wirklich so wäre, wie Kollege Eßl gesagt hat, dann müssten wir schnellstens und heute noch handeln, denn in diesem Haus wurden 15 An­träge zum Tierschutz eingebracht, die teilweise schon Jahre hier liegen, hier im Plenum abgelehnt und in den Ausschüssen x-mal vertagt wurden. (Zwischenruf des Abg. Lukas Hammer.)

Da geht es um eine Änderung des Tiertransportgesetzes. Das wurde hier im Plenum mehrheitlich – und mehrheitlich heißt immer, von den Regierungsparteien, das heißt, von Grün und von Türkis – abgelehnt und im Ausschuss schon dreimal vertragt. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

Es geht zum Beispiel um den Antrag „Stopp den Tierqualen durch Tiertransporte“: hier im Plenum abgelehnt, im Ausschuss schon dreimal vertagt.

Es geht um den Antrag betreffend „mehr Kontrollen von Lebendtiertransporten am Transportweg zur Verhinderung unnötigen Tierleids“. Er wurde hier im Plenum abgelehnt und im Ausschuss schon dreimal vertagt.


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Es geht um „Berichtspflicht über die Haltung und den Transport von Kälbern aus der AMA Rinderdatenbank“. Das wurde auch hier im Plenum abgelehnt und im Ausschuss schon dreimal vertagt.

Es geht um „Tierschutz-Check für Agrarfördermaßnahmen“. Das wurde im Ausschuss schon zweimal vertragt.

Es geht um eine Änderung des Tierschutzgesetzes, nämlich um den Antrag betreffend „Verbot des Tötens männlicher Küken“. Er wurde hier im Plenum abgelehnt und im Ausschuss schon zweimal vertagt.

Es geht um das Verbot der Vollspaltenböden. Das wurde im Ausschuss schon zweimal vertagt.

Es geht – und jetzt kommt für mich wirklich die Krux, wie man die Quadratur des Kreises schafft – um die „Kastrationspflicht für alle Katzen, die mit freiem Zugang zur Natur gehalten werden“. Das wurde von den Regierungsparteien hier im Plenum schon abge­lehnt, es wurde im Ausschuss schon zweimal vertagt, einmal wurde der Vertagungs­antrag auch von den Grünen gestellt, und siehe da, jetzt kommt auf einmal eine Petition. Liebe Kollegin El-Nagashi, sag mir bitte, wie ihr die Quadratur des Kreises schafft, Anträge, die die Kastration von Freigängerkatzen wollen, im Ausschuss abzulehnen, aber gleichzeitig eine Petition mit demselben Inhalt einzubringen! Also meine Damen und Herren, das ist wirklich eine Sensation, das muss man einmal schaffen.

Das Nächste ist der Antrag betreffend „einheitliche Regelungen für die Hundehaltung“. Er ist im Ausschuss schon zweimal vertagt worden.

Es geht um „Maßnahmen gegen den illegalen Welpenhandel“, was wichtig ist – hier im Plenum schon einmal abgelehnt, im Ausschuss schon zweimal vertagt

Und es geht um „klare Vorgaben für den Vollzug, um das im Tierschutzgesetz vorge­gebene Verbot der Qualzucht zu erreichen“. Da sind die Verhandlungen noch nicht ein­mal aufgenommen worden.

Sprich wenn diese 15 Anträge, die teilweise schon Jahre in diesem Haus liegen, wirklich fair behandelt worden wären und wenn wir diese Anträge beschlossen und umgesetzt hätten, würden wir dieses Tierschutzvolksbegehren nicht brauchen, denn all die Punkte, die in diesem Tierschutzvolksbegehren enthalten sind, behandeln diese Anträge, die schon längst in diesem Haus liegen.

Das ist speziell an die ÖVP gerichtet, lieber Georg (in Richtung Abg. Strasser): Wir haben mit dem früheren Bauernbundvertreter Jakob Auer wirklich immer sehr, sehr viel gemein­sam gehabt und viel durchsetzen können. Jetzt auch an dich: Schau bitte, dass diese Anträge, die zum Wohl der Tiere sind, schnellstens umgesetzt werden und nicht wieder zwei, drei Jahre oder länger im Ausschuss herumgehandelt und mit den wirklich wider­sinnigsten Argumenten vertagt werden! Schauen wir, dass wir diese Anträge beschließen! Damit würden wir all jenen, die das Tierschutzvolksbegehren unterschrieben haben, recht geben und es umsetzen, und mehr würden wir in diesem Haus nicht mehr brauchen. (Beifall bei der SPÖ.)

10.39


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Kainz. – Bitte.


10.39.29

Abgeordneter Alois Kainz (FPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kolle­gen! Werte Zuseher zu Hause vor den Bildschirmen! Der Tierschutz ist uns wichtig und fängt bei jedem Einzelnen von uns an. Tiere können nicht für sich selbst sprechen und sind daher auf uns Menschen angewiesen.


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Wir sind verantwortlich dafür, dass die richtigen Rahmenbedingungen geschaffen wer­den, und es ist unsere Pflicht, uns dafür einzusetzen, dass alle Tiere artgerecht leben dürfen und geachtet werden. Das Tierschutzvolksbegehren, das von Herrn Dr. Se­bastian Bohrn Mena initiiert wurde, wurde von 416 229 Österreicherinnen und Öster­reichern unterstützt. Diese hohe Unterstützungsrate zeigt, wie wichtig der Tierschutz den Menschen in unserem Land ist. Gemeinsam fordern die Unterstützer des Tierschutz­volksbegehrens, dass Tierleid beendet wird und Alternativen gefördert werden sollen. Diese sollen heimische Bauern stärken und sich positiv auf Gesundheit, Umwelt, Klima und auf die Zukunft unserer Kinder und Enkelkinder auswirken.

Meine Damen und Herren, der Tierschutz geht über Parteigrenzen hinaus. Daher unterstütze auch ich im Sinne der Tiere das Tierschutzvolksbegehren. Ein besonderes Anliegen ist mir vor allem aber auch, dass Lebenstiertransporte weitgehend gestoppt werden und Transporte nur noch bis zu den nächstgelegenen Schlachthöfen erfolgen dürfen. Dadurch können wir den Tieren viele Qualen ersparen. Wir brauchen aber sowohl einen nationalen als auch einen europäischen Schulterschluss, um da etwas zu erreichen. Ich hoffe daher, dass wir alle zum Wohle der Tiere gemeinsam arbeiten und eine echte Verbesserung erzielen können. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

10.41


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Abgeordnete Faika El‑Nagashi ist zu Wort gemel­det. – Bitte.


10.41.41

Abgeordnete Mag. Faika El-Nagashi (Grüne): Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Tierschutz ist ein Volksbegehren – der Tierschutz, nicht die Profite der Wirtschaft, nicht die Interessen der Parteien. Tierschutz ist ein Volksbegehren – mit diesem Satz wurde für die Unterstützung des Tierschutzvolks­be­gehrens geworben, und es stimmt: Tierschutz ist ein Volksbegehren. Und dass es so ist, verdanken wir all jenen, die das Volksbegehren unterschrieben haben, über 400 000 Menschen, und dem Team dahinter rund um Sebastian Bohrn Mena, der so engagiert daran geglaubt und dafür gekämpft hat, und der aktiven und unbeugsamen Tierrechts- und Tierschutzszene in Österreich. (Beifall bei den Grünen.)

Diese sorgt nämlich seit Jahren, seit Jahrzehnten mit ihrer Arbeit, mit ihrer Aufklärungs- und ihrer Aufdeckungsarbeit dafür, dass wir uns überhaupt ein Bild davon machen können, was für ein Leben Tiere in Österreich führen. Ihre Aufnahmen aus Tierfabriken zeigen die Haltungsbedingungen, die sonst unentdeckt bleiben würden. Ihre Studien belegen den Gesundheitszustand oder vielmehr den Krankheitszustand der soge­nannten Nutztiere in konventioneller Haltung. Die Statistiken, beispielsweise von Impor­ten und von Exporten lebender Tiere zur Schlachtung, sind skandalös. Sie zeigen hin auf Zuchttiere, die so schlecht beieinander sind, dass ihnen alleine schon das Wachsen ihrer Körper Schmerzen bereitet, wie beispielsweise bei Hunderassen, die nicht mehr genug Luft zum Atmen bekommen; Haltungsbedingungen, die jedem humanistischen Zugang zu anderen Lebewesen widersprechen.

Wie in der Schweinehaltung: Fünf Millionen Schweine werden in Österreich jedes Jahr geschlachtet. Für die meisten von uns sind sie während ihrer Lebenszeit nicht sichtbar: gehalten im Kastenstand, betroffen von betäubungsloser Ferkelkastration, routinemäßi­gem Kupieren von Schwänzen, Leben auf Vollspaltenböden, Leiden an Gelenksentzün­dungen, Atemwegserkrankungen, Antibiotikaresistenzen; Futtermittelimporte aus Regen­waldrodungen, Export der kalkulierten Überproduktion nach China.

In Biohaltung leben in Österreich nur 2 Prozent dieser fünf Millionen. Das ist ein System, das für uns alle schlecht ist und das durch finanzielle Anreize alleine nicht verbessert


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werden kann. – Ja, wir brauchen gesetzliche Neuregelungen. (Beifall bei den Grünen sowie der Abgeordneten Brandweiner und Saxinger.)

Tierschutz ist ein Volksbegehren – das zeigt jede Umfrage, die nach dem Stellenwert des Tierschutzes für die Menschen fragt. Das zeigen all die Initiativen, in denen sich Menschen für tierische Lebewesen, für Fiakerpferde, für Stadttauben, für Wildtiere, oder für Streunerkatzen engagieren – Vereine und Initiativen, die ich vor Kurzem auch per­sönlich kennenlernen durfte. Da engagieren sich Menschen ehrenamtlich neben ihrer Vollzeitberufstätigkeit mit großem Engagement. Sie haben in den letzten Jahren und über mehrere verschiedene Regierungen hinweg über 40 000 Unterschriften gesam­melt, um endlich Aufmerksamkeit auf ein Thema zu lenken, bei dem Handlungsbedarf besteht. Sie haben es selbst in die Hand genommen, das zu tun, was getan werden muss.

Immer mehr Menschen entscheiden sich für eine Ernährungsweise ohne Fleisch oder tierische Produkte, und sie tun es wegen der Tiere, wegen des Klimas, wegen der Umwelt, wegen der Gesundheit, wegen der Zukunft. Es ist kein Verzicht, anderen Lebe­wesen und letztlich sich selbst gegenüber Empathie zu zeigen. Die Menschen wollen und fordern Tierschutzpolitik von der Politik. Sie sind es leid, diejenigen zu sein, die allein mit ihrem Konsumverhalten das System verändern sollen. Sie sind es leid, wieder und wieder in den Medien die unerträglichen Bilder aus den Betrieben, von den Lebend­tiertransporten zu sehen. Sie erwarten, dass dieses System der Massenausbeutung von Lebewesen für den Profit, für die Unternehmen, für die Konzerne, gegen unsere Umwelt, gegen unsere Gesundheit und gegen die Interessen der Bauern beendet wird.

Dieses Volksbegehren ist ein Begehren an uns hier, an das Hohe Haus, dem Tierschutz jene Priorität zu geben, die er verdient, und im Sinne der Betroffenen, nämlich der Abermillionen Lebewesen, der Tiere, hier ernst zu nehmende Verbesserungen auf den Weg zu bringen. (Beifall bei den Grünen sowie der Abgeordneten Eßl und Saxinger.)

Ich hoffe, dass wir dabei über Parteigrenzen hinweg zusammenarbeiten können. Ich danke noch einmal den InitiatorInnen, den UnterzeichnerInnen und der Tierrechts­com­munity, die es sich oft zur Lebensaufgabe gemacht haben, ihre Stimme den Stimmlosen zu geben, und die dieses Volksbegehren hierher gebracht haben. Und ich danke den TierschutzsprecherInnen aller Fraktionen und auch der fraktionslosen Kollegin, die hier ihr Commitment gegeben haben, um es nun verantwortungsvoll weiterzutragen. Tier­schutz ist ein Volksbegehren – gehen wir es an! (Beifall bei den Grünen und bei Abge­ordneten der ÖVP.)

10.47


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Fiedler. – Bitte.


10.47.26

Abgeordnete Fiona Fiedler, BEd (NEOS): „Du bist zeitlebens für das verantwortlich, was du dir vertraut gemacht hast“, sagte der Fuchs zum kleinen Prinzen. Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher zu Hause! (Die Begrüßung auch in Gebärdensprache ausführend:) Liebe gehörlose Menschen!

Was heißt „vertraut gemacht“? – Ein Landwirt macht sich seine Schweine, seine Kühe, seine Schafe, seine Hühner vertraut. Je nach Größe der Landwirtschaft kennt er die Tiere beim Namen und/oder versieht sie mit einer Nummer. Die Tiere vertrauen darauf, gefüttert, gepflegt und beschützt zu werden. Ein Hundehalter macht sich seinen Hund vertraut, weil er ihn hegt wie ein Familienmitglied. Eine Katzenhalterin macht sich ihre Katze vertraut, weil sie ihr jeden Wunsch von den Augen abliest. Ein Pferd wird von


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seinem Besitzer gestriegelt und umsorgt und wird so vertraut gemacht. Ich könnte die Liste ewig weiterführen.

Doch worum geht es eigentlich? – Tiere haben hier im Nationalrat durch uns Tierschutz­sprecherInnen eine Stimme. Ohne uns werden ihre Anliegen nicht gehört. Zusätzlich gibt es aber unter den Bürgerinnen und Bürgern Österreichs über 416 000 Unterstützer, denen das Tierwohl auch besonders am Herzen liegt. Von den zahlreichen sinnvollen Forderungen aus diesem Tierschutzvolksbegehren möchte ich besonders darauf ein­gehen, dass es seit unserer Gründung ein Kernanliegen von NEOS ist, die Land­wirt­schaft tiergerecht und zukunftsfähig zu machen. Wir sind immer noch bereit, über die Parteigrenzen hinaus zusammenzuarbeiten. Dass das funktionieren kann, hat man kürzlich beim gemeinsamen Antrag zur stressfreien Schlachtung gesehen.

Genau diese Zusammenarbeit ist ein wichtiges Zeichen für die vielen Menschen, die dieses Volksbegehren trotz der herausfordernden Zeiten unterstützt haben. Zeigen wir, dass wir in der Lage sind, für die Sache zu arbeiten und Verbesserungen zu erreichen! Für eine tiergerechtere Landwirtschaft, aber auch für unsere Umwelt braucht es weitere Maßnahmen, um Tiertransporte zu minimieren. Dafür sind auch strengere Kontrollen notwendig. Stark unterstützen möchte ich eine Umgestaltung unserer Förderpolitik in der Landwirtschaft zugunsten des Tierwohls. Ich erinnere daran, dass dieses Jahr die nationale Umsetzung der europäischen Landwirtschaftspolitik ansteht und wir einigen Spielraum haben, eine schonendere und tiergerechtere Landwirtschaft zu fördern.

Ein zentraler Teil unserer Arbeit muss sein, KonsumentInnen zu sensibilisieren und besser zu informieren, um Tierwohl zu gewährleisten. Da spreche ich zum einen vom AMA-Gütesiegel, das beim Tierschutz nur das gesetzliche Minimum darstellt, aber auch vom Thema der Qualzuchten, denen unbedingt ein Ende gesetzt werden muss.

Über 416 000 Österreicherinnen und Österreicher haben gesagt, Tierwohl ist uns ein zentrales Anliegen. Es ist auch unsere Pflicht, für Tierwohl in Österreich zu sorgen. Die Tiere brauchen eine starke Stimme. Wir können ihnen unsere Stimme geben, um Öster­reich wieder einmal zu einem Vorreiter und zu einem Vorbild beim Tierschutz zu machen. – Danke. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und Grünen.)

10.50


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Strasser. – Bitte.


10.50.49

Abgeordneter Dipl.-Ing. Georg Strasser (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Kolle­ginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Liebe Konsumentinnen und Konsumen­ten zu Hause! Die österreichische Landwirtschaft ist bereit, Schritte in die Zukunft zu machen. Das ist keine Frage. Warum? – Weil die Basis eine gute ist. Wir sind im Animal Protection Index top. Ich möchte aber nichts schönreden: Dort, wo in österreichischen Betrieben Gesetze gebrochen werden, muss dies abgestellt werden.

Zweiter Punkt: Die österreichische Landwirtschaft investiert in moderne Tierhaltungs­systeme, und wir wollen, dass es unseren Tieren gut geht, aber – und das definiert auch das Volksbegehren von Sebastian Bohrn Mena – die Bauern und Bäuerinnen, die Be­triebe dürfen nicht auf den Kosten sitzen bleiben; für diese Aussage bedanke ich mich herzlich. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Wir brauchen aber Partner auf diesem Weg, und ich sage ganz offen: Ich rede da über politische Verantwortung. Ich rede über die Verantwortung der Wirtschaft und des Han­dels und ich rede über die Verantwortung der Konsumentinnen und Konsumenten. Wir brauchen nämlich entlang der Wertschöpfungskette Partner, die den Weg gemeinsam


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mit uns gehen, damit Kosten, aber auch Erfolge gerecht entlang der Wertschöpfungs­kette, entlang der Lebensmittelversorgungskette geteilt werden können.

Reden wir von der politischen Verantwortung! Erstes Projekt: der Tierwohlpakt. Ein herzliches Dankeschön, Frau Bundesministerin Elli Köstinger: 120 Millionen Euro wer­den in Zukunft pro Jahr in besonders tierfreundliche Haltungssysteme investiert.

Zweiter Verantwortungsbereich: die öffentliche Beschaffung. Wir arbeiten an diesem nachhaltigen Beschaffungsplan. Gemeinden, Länder und auch der Bund sind in der Verantwortung, wenn sie Bioschweine bestellen, diese Bioschweine auch zu kaufen.

Und letztendlich, politische Verantwortung: gesetzliche Standards. Ich sage in aller Offen­heit, das, was uns bei den Puten 2013/14/15 passiert ist, das sollte uns nicht noch einmal passieren. Das heißt, gesetzliche Standards sind so zu adaptieren, dass sie der EU-Gesetzgebung, dem Level in der EU entsprechen. Und ich setze auf privatwirt­schaftliche Branchenvereinbarungen, um weitere Schritte in die Zukunft zu machen.

Ich rede vom Handel und der Gastronomie. Auch dort liegt jede Menge Verantwortung am Weg. Es werden schöne Bilder erzeugt: tolle Mädels im Dirndl, Burschen in Leder­hosen, schöne Landschaften aus unserem wunderschönen Land, und es werden Erwar­tungshaltungen erzeugt. Und ich sage Ihnen ganz offen: Ein Bauernhof ist kein Streichel­zoo. 340 Millionen Euro Werbeausgaben im Lebensmitteleinzelhandel, das ist ein Zeichen von Macht und das ist ein Zeichen von Verantwortung.

Ich möchte an dieser Stelle wirklich darum ersuchen, da auch der Handel und die Gastronomie Verantwortung haben, erstens, dass die Erwartungen der Konsumentinnen und Konsumenten erfüllt werden, und zweitens, zu bedenken, dass dort entschieden wird, was jeden Tag in den bäuerlich geführten Betrieben in Österreich produziert wird. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Ich komme zum Schluss. Jeden Tag findet eine Volksabstimmung statt, und zwar beim Blick in die Speisekarte und beim Griff ins Regal, und das ist die Verantwortung von uns Konsumentinnen und Konsumenten, von uns Bürgerinnen und Bürgern. Ich sage in aller Offenheit: Auch dort wird jeden Tag entschieden, zu welchen Bedingungen welche Produkte in Österreich oder in der Welt produziert werden.

Ich lade Sie ein: Nehmen wir unsere Verantwortung wahr, und machen wir uns gemein­sam auf den Weg! Die Entscheidung der Bürgerinnen und Bürger im täglichen Konsum, die Volksabstimmung, die es jeden Tag gibt, die ist mächtig, und ich bitte Sie: Gehen wir diesen Weg gemeinsam! Im Namen der österreichischen Bäuerinnen und Bauern darf ich Sie darum ersuchen. – Danke schön. Alles Gute! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

10.55


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Ecker. – Bitte.


10.55.15

Abgeordnete Cornelia Ecker (SPÖ): Es freut mich wirklich sehr, dass wir mit der ersten Lesung des Tierschutzvolksbegehrens nun endlich auch im Hohen Haus eine ausführ­liche Debatte über Tierwohl und artgerechte Haltung führen können. Ich möchte mich eingangs auch bei den OrganisatorInnen bedanken, bei den 416 000 Unterzeich­nerin­nen und Unterzeichnern des Volksbegehrens und vor allem für diese Initiative.

Ich unterstütze die darin enthaltenen Forderungen und werde mich aktiv dafür einsetzen, damit daraus auch konkrete Gesetzesanträge werden. Diese Gesetze sind auch drin­gend notwendig. Als Landwirtschaftssprecherin meiner Fraktion beschäftige ich mich intensiv mit dem Tierwohl und mit der Tierhaltung auf unseren heimischen Bauernhöfen.


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Ich möchte mich an dieser Stelle auch bei den Bäuerinnen und Bauern bedanken, die bereits in den vergangenen Jahren große finanzielle Anstrengungen geleistet haben, um für höhere Tierwohlstandards auf den Bauernhöfen zu sorgen. (Beifall bei der SPÖ.)

Leider gibt es aber einen wesentlichen Bereich in der Nutztierhaltung, in dem punkto Tierwohl meist nur gesetzliche Mindeststandards erfüllt werden. Ich schaue bewusst in Ihre Richtung, Herr Strasser. Mindeststandards können nicht unser erklärtes Ziel sein. Ich spreche von der Schweinehaltung. Die Hochschule für Agrar- und Umweltpädagogik hat im Rahmen einer Studie 450 Mastschweinbetriebe untersucht: 80 Prozent, also mehr als zwei Drittel, halten ihre Schweine auf Vollspaltenböden. Was diese Haltungs­form mit den Tieren macht, das haben wir ja schon gehört, meine VorrednerInnen haben das schon ausführlich kundgetan.

Das ist uns, aber auch der Bevölkerung bewusst, und zwar durch umfassende Aufklä­rung von zahlreichen NGOs. Hier möchte ich mich besonders beim Verein gegen Tier­fabriken bedanken. Es braucht endlich ein Verbot für Vollspaltenböden in der Landwirt­schaft. Das fordere nicht nur ich, sondern das fordern 80 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher in einer Umfrage von 2019.

Die Landwirtinnen und Landwirte sind da nicht die Bremser, können sich doch viele von ihnen vorstellen, in diesem Bereich zu investieren. Doch sie brauchen dafür eine staat­liche Unterstützung. Da bin ich bei Ihnen, Herr Strasser, nur in der GAP, die wir gerade verhandeln, finde ich diesbezüglich leider nichts; also das sind wieder einmal nur Wort­hülsen, die wir von Ihnen hören. Aber auch die Konsumentinnen und Konsumenten müssen bereit sein, ein paar Euro mehr fürs Schnitzel zu zahlen. Daher fordere ich die Ministerin und auch den Gesundheitsminister auf, sie sollen sich zusammensetzen und endlich konkrete Lösungsvorschläge präsentieren, denn in diesem Bereich gibt es große Versäumnisse, hier drängt die Zeit. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Landwirtschaft wird sich auch darauf einstellen müssen, dass sie in der Nutztier­haltung langfristig gesehen mehr Tierwohl gewährleisten muss. Es braucht auch drin­gend – das haben wir von den VorrednerInnen auch schon gehört – eine Reform des AMA-Gütesiegels, weil es nicht sein kann, dass wir in den Regalen in Österreich Fleisch mit dem AMA-Gütesiegel drauf vorfinden, das von Schweinen stammt, die auf Voll­spaltenböden gehalten wurden. Das ist eine Irreführung der Konsumenten, und das sehen wir als Sozialdemokraten als sehr bedenklich an. (Beifall bei der SPÖ.)

Daher mein Appell: Setzen wir hier im Hohen Haus schnellstmöglich die Forderungen des Tierschutzvolksbegehrens um, damit wir das Tierwohl in diesem unseren Land stär­ken können! – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

10.58


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Abgeordneter Schmiedlechner ist zu Wort gemel­det. – Bitte sehr.


10.59.01

Abgeordneter Peter Schmiedlechner (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Zuseher! Gerade beim Tierschutz entsteht schnell der Eindruck, dass jeder Experte ist – nur die­jenigen, die täglich, 365 Tage im Jahr, mit den Tieren arbeiten, nicht.

Tierschutz geht uns alle an. Dieses Volksbegehren spricht berechtigterweise mehrere Fehlentwicklungen in der Landwirtschaft an und zeigt Fehler im System auf. Die oft gezeigte Idylle ist nicht mehr vorhanden. Wachsen oder weichen, schneller, besser, größer, so lautet die Devise für die Landwirte. Mit der Überschuldung und Überforderung von Betrieben geht das Bauernsterben Hand in Hand – die Folge: Tierleid.


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Die österreichische Landwirtschaft wird zwischen Handel, Niedrigstpreisen, Billigimpor­ten, Richtlinien und immer strengeren Auflagen aufgerieben. Ein Systemwechsel wäre längst notwendig, leider wird dieser stets von der ÖVP blockiert. Gegen viele Fehlent­wicklungen, die bereits mehrmals von verschiedenen Seiten aufgezeigt wurden, liegen entsprechende Anträge in den Ausschüssen. Es braucht nur den Willen der Mehrheit, diese im Parlament zu beschließen: Qualzucht verbieten, Tiertransporte reduzieren, Schächten verbieten, mobile Schlachthöfe, Hofschlachtungen ermöglichen, Vollmilch­kalbprämie, Bonus für freiwillige Strohhaltung als Tierwohlmaßnahme, Wiederein­füh­rung der Mutterkuhprämie, lückenlose Herkunftskennzeichnung von Lebensmitteln, Re­form des AMA-Gütesiegels. Das alles sind Ansätze, Vorschläge, die daliegen. Leider werden sie blockiert.

Unser Ansatz ist: Tierschutz mit Hausverstand, bei dem wir die Bauern nicht vergessen, und Anreize schaffen, damit die Haltung der Nutztiere noch verbessert wird. Österreich ist in puncto Tierschutz bereits Spitzenreiter. Im Tierwohlranking der Tierschutz­organi­sation World Animal Protection haben Österreich und Schweden gemeinsam den besten Platz erreicht. Natürlich: Das ist kein Grund, sich auszuruhen. Eines sollte uns aber bewusst sein: Wer das zulässt (eine Tafel mit Werbung einer Lebensmittelhandelskette hochhaltend): Extremaktion, minus 46 Prozent auf bestes österreichisches Schweine­fleisch, oder auch wer das zulässt (die Tafel umdrehend und eine weitere Werbung einer Lebensmittelhandelskette zeigend): AMA-Gütesiegel-Schnitzel, beste österreichische Qualität, minus 36 Prozent, braucht sich nicht zu wundern und darf sich auch nicht (eine weitere Tafel hochhaltend, auf der Schweine in Massentierhaltung zu sehen sind) darüber beschweren. Es muss uns allen bewusst sein: Wenn wir dem Handel nicht einen Riegel vorschieben, damit solche Aktionen, solche Schleudereien nicht mehr passieren, wird sich am anderen Ende für die Bauern nichts ändern.

Abschließend: Natürlich, Tierschutz ist wichtig, Klimaschutz ist extrem wichtig, aber es ist höchste Zeit, über Bauernschutz zu sprechen. (Beifall bei der FPÖ.)

11.02


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Voglauer. Bei ihr steht das Wort. – Bitte sehr.


11.02.37

Abgeordnete Dipl.-Ing. Olga Voglauer (Grüne): Herr Präsident! Spoštovana Visoka Hiša! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es scheint für viele Bäuerinnen und Bauern nicht denkbar, dass eine Lebenslandwirtschaft mit Tierwohl, ohne Vollspaltenböden, wettbe­werbsfähig zu gestalten sei. Es scheint für viele Betriebe eine Bedrohung zu sein, wenn zukünftig von einem reduzierten Fleischkonsum gesprochen wird, und es scheint für viele undenkbar, dass eine tiergerechte Landwirtschaft zeitgemäß und leistbar sei. Fakt ist: Für all diese Ängste bietet das Tierschutzvolksbegehren, eingebracht von Sebastian Bohrn Mena, die Lösungsansätze. (Beifall bei den Grünen.)

Wofür steht das Begehren? – Das Begehren steht für eine zukunftsfähige tiergerechte Landwirtschaft. Es steht für öffentliche Mittel, die für Tierwohl eingesetzt werden, und für mehr Transparenz für KonsumentInnen. All das sind Anliegen, die wir Bäuerinnen und Bauern selbst klar formulieren.

Wir sind überzeugt: Jetzt ist die Chance, gemeinsam mit Bäuerinnen und Bauern die Zukunftsweichen zu stellen und den Systemwandel mit einem entsprechenden ge­sellschaftlichen Beitrag zu schaffen (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP) – weg vom Anprangern, hin zum Schaffen von Angeboten, zum Gestalten und Auf­zeigen von Optionen und letztendlich zu der gesellschaftlichen Vereinbarung, neue Wege auch gesetzlich zu verankern. Einiges haben wir bereits am Weg. Morgen beschließen


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wir in diesem Haus einen Antrag: Raus aus der gentechnikveränderten Fütterung. Das heißt, dieses Ziel wird morgen definiert. Ein zweites Ziel wird auch morgen definiert: das AMA-Gütesiegel beim Tierwohl weiterzuentwickeln. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es wird aktuell die Gemeinsame Agrarpolitik verhandelt und gestaltet. Gerade da liegen die großen Möglichkeiten, die Transformation einzuleiten und aktiv zu unterstützen, damit niemand zurückbleibt. Das heißt, der Weg zum Tierwohl kann nur ein gemein­samer sein; mehr Tierwohl bedeutet gleichzeitig mehr Klimaschutz, also eine Land­wirtschaft im Sinne des Green Deals. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es ist der neue österreichische Weg, weg vom alten Denken, hin in die neue Zeit des Tierwohls, und der beginnt jetzt. Vom Hof auf den Teller mit aller Transparenz. Mit mehr Tierwohl gewinnen wir alle. – Danke schön, hvala. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

11.05


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Amesbauer. – Bitte.


11.05.44

Abgeordneter Mag. Hannes Amesbauer, BA (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren! Ja, Volksbegehren sind ein wichtiges Instrument der direkten Demokratie. Dieses Tierschutzvolksbegehren haben mehr als 416 000 Men­schen unterschrieben. Auch ich habe dieses Volksbegehren aus tiefer Überzeugung unterschrieben, weil es mir auch inhaltlich gefallen hat. Es ist gut aufgearbeitet, es ist gut argumentiert, und im Gegensatz zu anderen Tierschutzorganisationen, die zur Durchsetzung ihrer Anliegen oft auch sehr radikal vorgehen, arbeitet dieses Tier­schutzvolksbegehren nicht mit Schuldzuweisungen gegenüber der Landwirtschaft oder auch gegenüber den Jägern – das ist mir besonders wichtig –, sondern mit konkreten Lösungsvorschlägen.

Ich bin davon überzeugt, dass einerseits in der Landwirtschaft die große Masse aller Bäuerinnen und Bauern eine enge und gute Beziehung zu ihren Tieren – die ja nicht nur Nutztiere sind, sondern auch fühlende Wesen – hat. Natürlich gibt es überall schwarze Schafe und natürlich haben wir vor allem auch im Bereich der industriellen Massen­tierhaltung, der Massenfleischproduktion Mängel, die behoben werden müssen. Das sind wir den Tieren schuldig.

Andererseits werden auch im Bereich der Jagd – das freut mich auch – nicht die Jäger als Sündenböcke hingestellt, wie das andere Tierschutzorganisationen tun. Ich bin selbst Jäger und ich bin überzeugt davon, dass die Jagd, wenn sie höchsten weidmännischen und jagdethischen Ansprüchen gerecht wird, einen wesentlichen Beitrag zum Tierschutz in diesem Land leistet, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Insbesondere bei den Lebendtiertransporten muss etwas passieren. Da muss auch auf europäischer Ebene etwas passieren, denn wir können es ethisch nicht verantworten, dass Tiere Hunderte, Tausende Kilometer quer durch Europa bis in den Nahen Osten, bis nach Nordafrika transportiert und so Höllenqualen ausgesetzt werden.

Wir können es auf Dauer auch nicht akzeptieren – und die FPÖ hat dazu seit Jahren eine klare Haltung –, dass männliche Lebendkücken zu Milliarden geschreddert oder erstickt werden. Das kann eine zivilisierte Gesellschaft so nicht wahrhaben wollen. Darum bin ich froh, dass dieses Volksbegehren parteiübergreifend Zuspruch findet. Ich hoffe auch – das ist ja die erste Lesung heute, das geht in den Ausschuss –, dass das Volksbegehren ordentlich diskutiert wird und dass es nicht das Schicksal von vielen


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll105. Sitzung, 19. Mai 2021 / Seite 47

Volksbegehren in diesem Land erleidet, dass es dann ein parlamentarisches Begräbnis erster Güte bekommt, sondern dass wir die Forderungen, die gestellt werden, wirklich weitestmöglich umsetzen. Ich freue mich schon auf den weiteren parlamentarischen Prozess. Tierschutz ist keine ideologische Frage, Tierschutz ist keine Frage der Partei­farbe, Tierschutz und der Umgang mit unseren Mitgeschöpfen geht uns alle etwas an. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

11.08


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Stammler. – Bitte.


11.08.42

Abgeordneter Clemens Stammler (Grüne): Herr Präsident! Hohes Haus! Dieses Tier­schutzvolksbegehren zeichnet sich meines Erachtens vor allen Dingen dadurch aus, dass es sehr lebensnah verfasst ist. Es versteht nämlich nicht nur, dass Schweine Leid ausgesetzt sind, wenn sie auf Vollspalten leben müssen, sondern auch, dass die Änderung dieses Umstandes eine Finanzierung braucht, und zwar nicht nur im Rahmen einer Investitionsförderung, sondern langfristig, denn wer Schweine auf Stroh hält, hat einen höheren Aufwand.

Das unterscheidet das Tierschutzvolksbegehren wesentlich von den 15 Anträgen der SPÖ, die zwar jedes Mal Tierschutz einfordert, sich aber auch einmal im Jahr im Rahmen einer Erhebung der Arbeiterkammer darüber mokiert, dass Lebensmittel in Österreich teurer sind als sonst wo auf der Welt. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Tierwohl ist viel mehr, als nur den Bäuerinnen und Bauern auszurichten, dass sie ihre Tiere besser halten sollten. Ich habe knapp 20 Jahre in der Zertifizierung von Biobe­trieben gearbeitet und habe dabei sehr viele Betriebe bei der Umstellung von konven­tioneller auf biologische Landwirtschaft begleitet. Eines – und zwar Wunderbares – konnte ich da immer wieder beobachten, nämlich dass die geänderten Haltungssysteme in den Ställen nicht nur bei den Tieren Tierwohl ausgelöst und ausgeglichene und zufriedene Tiere gebracht haben, sondern dass sich das eins zu eins in der Bauernstube, bei der Bauernfamilie widergespiegelt hat.

Ja, Tierschutz fängt bei der Zucht an, und die Abwärtsspirale dabei ist schier nicht enden wollend. In den USA wird zum Beispiel gerade thematisiert, dass Rinderzucht fast nur noch über Embryotransfer stattfindet. De facto züchten zwei große Firmen die Rinder Amerikas, das heißt, es gibt nur noch wenige Kuhfamilien, auf die man zurückgreifen kann oder auf die die Zucht zurückgeht. Das heißt, die Abwärtsspirale ist schier nicht enden wollend und im Endeffekt nur ein Ausdruck dafür, dass es auf dieser Welt eine Landwirtschaft gibt, die nach Luft ringt.

Das ist ein gesellschaftliches Problem. Das können wir lösen, aber nicht mit den Unter­schriften allein – und da auch die Bitte an die Unterzeichner, nicht bei den Unterschriften aufzuhören –, sondern eben auch, wie es Kollege Strasser schon gesagt hat, mit dem Griff in den Kühlschrank. Das ist nicht die Abgabe von Verantwortung eines Politikers, wie ich einer bin, sondern es bringt zum Ausdruck, dass es beides braucht: Wir schauen, dass die Rahmenbedingungen stimmen, wir schauen, dass der Inhalt des Kühlschranks stimmt, dann stimmen auch die Stallhaltungssysteme. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

11.12


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Fischer. – Bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll105. Sitzung, 19. Mai 2021 / Seite 48

11.12.22

Abgeordnete Mag. Ulrike Fischer (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Uns allen ist es nicht egal, was wir essen. Wir als Konsumentinnen und Konsu­menten wollen informiert sein, daher ist es wichtig, dass es eine transparente Kenn­zeichnung gibt. Dafür setze ich mich ein. Dabei geht es nicht nur darum, dass ich weiß, wie weit das Tier gereist ist, sondern es ist auch ganz wichtig, zu wissen, wie es diesem Lebewesen ergangen ist, wie produziert wird.

Es geht hier nicht um Sachen, sondern es geht um Tiere, es geht um Lebewesen, bei denen wir, wenn wir ihnen in die Augen schauen, sehen, ob es ihnen gut geht oder nicht. Wir als Konsumentinnen und Konsumenten wollen, wenn wir ein Schnitzel auf dem Teller haben, wissen, ob das Tier vorher ein würdiges Leben gehabt hat oder nicht. Deswegen ist die Kennzeichnung in der Tierproduktion und auch bei der Verarbeitung sehr wichtig, damit man auch in der Gastronomie erkennen kann, woher das Ei kommt, ob das vielleicht ein Flüssigei aus Übersee ist oder von heimischen Hühnern stammt.

Eines ist mir ganz wichtig: Ich habe mir in letzter Zeit viele Hofläden angeschaut. Im Hofladen in Neidling hat man mir gesagt: Wenn man in der Region produziert, dann gibt es die Mundpropaganda, dann gibt es keinen Tiertransport, denn regional zu produ­zie­ren heißt, ohne Tierleid zu produzieren. Auf diese Mundpropaganda können wir aber, wenn wir im städtischen Raum sind, nicht vertrauen, daher braucht es eine Kennzeich­nung, damit wir unsere Konsumenten und Konsumentinnen ernst nehmen. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

11.14


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Strache. – Bitte sehr.


11.14.44

Abgeordnete Pia Philippa Strache (ohne Klubzugehörigkeit): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Heute ist es endlich so weit: Das Tierschutzvolksbegehren ist im Parlament angekom­men. Ich habe lange mit mir gerungen, wie viel Kritik heute angebracht ist, weil es ja eigentlich ein Tag der Freude für den Tierschutz ist, denn ich gebe Ihnen, Kollege Eßl, recht: Es gibt noch sehr viel Diskussionsbedarf, wenn es um den Bereich Tierschutz geht.

Ich hoffe, dass es das Tierschutzvolksbegehren geschafft hat, den notwendigen Druck auf politischer Ebene auszuüben. Tierschutz sollte auch immer überparteilich sein. Tierschutz hat viele Facetten, wenn es um Tierheime geht, die sich täglich zahlreicher Notfälle annehmen, aber noch mehr gilt das für die Vereine und deren Mitglieder, die tagtäglich aufopfernd für Tiere unterwegs sind, Menschen, die völlig selbstlos, nur aus Interesse am Schutz anderer Lebewesen handeln.

Trotzdem ist gerade der Tierschutz ein Bereich, bei dem leider immer mehr Menschen oder Menschen von Haus aus genervt sind, wenn man erklären möchte, worum es eigentlich geht. Daher bin ich ehrlich gesagt sehr froh über diese Initiative, die es ermöglicht, Tierschutz mehr Gewicht zu geben, denn leider ist die Situation in sehr vielen Bereichen den sonst so hochgesteckten Standards in Österreich noch immer nicht gerecht geworden – siehe allein den Begriff der Nutztierhaltung, bei dem man durchaus schon einmal über die Begrifflichkeit diskutieren kann. Da liegt auch abseits von Voll­spaltenböden, Ferkelkastration oder der Situation für die männlichen Kücken noch eini­ges im Argen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll105. Sitzung, 19. Mai 2021 / Seite 49

Wo man aber eigentlich relativ rasch Maßnahmen ergreifen könnte – Deutschland ist uns da schon Riesenschritte voraus –, ist dort, wo es zum Beispiel um die In-Ei-Erken­nung geht, und wenn es Deutschland schaffen kann, seinen Handel umzustellen und tatsächlich ab 2022 oder 2024 kein männliches Kücken mehr töten zu müssen, dann wird Österreich da wohl auch aufschließen können. Es wird vielleicht kein Vorreiter mehr sein, aber zumindest aufschließen können.

Das ist gerade beim Punkt Ei eigentlich schade, weil Österreich bei der Eikennzeichnung 2004 eine Vorreiterrolle eingenommen hat, und es uns gelingen muss, Österreich in diesem Bereich auch zukunftsfit zu machen, auch für den Handel – Stichwort Konsum­verhalten. Rund ein Drittel der Eier, die in Österreich verbraucht werden – 1,8 Milliarden sind es jährlich –, sind ein sogenannter anonymer Rohstoff. Das heißt, es besteht über­haupt keine Transparenz, wenn es um die Herkunft geht, wenn es um die tierschutz­gerechte Haltung geht. Leider stammt eben ein Großteil dieser verarbeiteten Eier immer noch aus einer Käfig- oder einer Bodenhaltung. Dabei muss eben seit 2004 in Österreich auf jeder Verpackung stehen, wie die Henne gehalten wurde, es ist also im Idealfall relativ leicht, sein Biofreilandei rasch zu erkennen. Da hat Österreich genau das ge­schafft und die Vorreiterrolle übernommen, also kann uns das auch bei der In-Ei-Erken­nung gelingen.

Die Kennzeichnung von verarbeiteten Eiern zum Vorteil der Tiere als auch der Konsu­menten fehlt, dabei wäre sie eben auch gerade für die Landwirtschaft wichtig, denn das Gebot, wenn es um den Schutz der Landwirtschaft geht, heißt ebenfalls: Investition in die Nachhaltigkeit. Eine nachhaltige Umwelt- und Landwirtschaftspolitik ist eben auch eine tierschutzgerechte Politik, diese kann aber auch nicht ohne ausreichend finanzielle Mittel, die gerecht und effizient verteilt werden, umgesetzt werden.

Gerade bei einem Thema, bei dem es auch um das Leben künftiger Generationen geht, muss mehr getan werden. Der weltweite Handel mit Lebensmitteln nimmt weiterhin rasant zu. Sich hier schützend vor österreichische Qualität und österreichische Produkte zu stellen schafft also nicht nur die notwendige Transparenz, sondern es ist auch unsere Verantwortung, wenn es um Tierschutzstandards oder eben Konsumenteninformation geht, den Lebensmittelproduzenten auch zur Seite zu stehen, weil das für ihre Existenz wichtig ist.

Nahrungsmittel werden billiger, die Herstellung wird aber nicht nachhaltiger. Die Verän­derung kostet Geld, aber es geht um Existenzen. Ob das gelingen wird, ist die Frage, auf die wir politisch Antworten geben müssen.

Ja, die Liste im Bereich Tierschutz wäre noch sehr, sehr, sehr lange, und gerade auf euch, liebe Grüne, ruht wahnsinnig viel Hoffnung von zahlreichen Vereinen, die sich wirklich erwarten, dass da etwas weitergeht, dass da etwas getan wird. Es gab 15 An­träge, die leider alle vertagt oder im Plenum abgelehnt wurden. Tierschutz darf aber kein Bereich mehr sein, bei dem Entscheidungen aufgeschoben werden, bei dem Entschei­dungen als nicht wichtig erachtet oder bei irgendwelchen hundertsten Round-Table-Gesprächen vertagt werden. Tierschutz sollte kein Bereich mehr sein, bei dem es eben reicht, einmal im Jahr irgendeinen Preis zu vergeben, und danach ist wieder alles gut und bleibt alles wie gehabt.

Wir leben in einer Zeit des systemischen Wandels. Viele, viele Menschen haben sich zu dem Tierschutzvolksbegehren bekannt, über 400 000 Menschen haben ihre Stimme ab­gegeben, haben ihr Ja zu mehr Tierwohl, zu mehr Tierschutz gegeben, und es wird Zeit, auch endlich politisch Antworten zu liefern und zu handeln.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Schlusssatz bitte!



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll105. Sitzung, 19. Mai 2021 / Seite 50

Abgeordnete Pia Philippa Strache (fortsetzend): Ich danke heute allen Menschen in Österreich, die sich tagtäglich für den Tierschutz engagieren, denen das ein Anliegen ist. Ich danke jeder Einzelnen/jedem Einzelnen, die/der ihre/seine Unterschrift gegeben hat. Und ich danke vor allem dem Initiator des Tierschutzvolksbegehrens und freue mich, wenn da jetzt einiges vorangeht. – Danke. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

11.20

11.20.35


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ich darf das Tierschutzvolksbegehren, 771 der Beilagen, dem Gesundheitsausschuss zuweisen.

11.20.492. Punkt

Erste Lesung: Volksbegehren „FÜR IMPF-FREIHEIT“ (773 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen zum 2. Punkt der Tagesordnung.

Wir gehen gleich in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Gabriela Schwarz. Ich darf ihr das Wort er­teilen. – Bitte sehr.


11.21.09

Abgeordnete Gabriela Schwarz (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus! Werte Zusehe­rinnen und Zuseher! Das, was ich hier in der Hand halte (ein kleines Kärtchen in die Höhe haltend), ist die Bestätigung dafür, dass ich vor zwei Wochen meine erste Teilimp­fung gegen Covid erhalten habe, und ich kann Ihnen nur sagen, es war ein Gefühl der Erleichterung. (Zwischenruf des Abg. Zanger.) Noch größer war allerdings meine Erleichterung, als meine über 80-jährige Mutter zum zweiten Mal geimpft wurde, und ich wusste, dass sie nun nicht mehr schwer erkranken wird. Es ist wirklich ein beruhigendes Gefühl, das ich jetzt mit mehr als 3 Millionen Menschen in Österreich teile, die diese erste Teilimpfung erhalten haben. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Ich war jetzt wegen einer Schulterverletzung sechs Wochen ambulant auf Reha, und da war natürlich das Impfen auch ein großes Thema, auch Sätze, die so gefallen sind und die immer wieder für Aufmerksamkeit sorgen, wie zum Beispiel jener des bekannten Infektiologen Primarius Wenisch, der gesagt hat: „Wenn Sie sich nicht impfen lassen, ist ihr Risiko 100 Prozent, also ganz garantiert, dass Sie die Krankheit kriegen werden irgendwann in Ihrem Leben“, oder auch jener von Professor Kollaritsch, der gesagt hat: „Wenn Sie die Impfung nicht mögen, versuchen Sie es mit der Krankheit!“ (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) – Darauf haben immer weniger Menschen in Österreich Lust, und das ist auch gut so. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Wenn Sie immer noch glauben, wir haben es mit einer harmlosen Krankheit zu tun, mit einer Grippe, dann empfehle ich Ihnen und schreibe Ihnen das ins Stammbuch: Reden Sie mit Genesenen, die ein halbes oder Dreivierteljahr später immer noch mit schwer­wiegenden Beeinträchtigungen zu tun haben, mit chronischer Müdigkeit, mit Schwäche, mit Konzentrationsschwierigkeiten, oder reden Sie mit Menschen, die auf einer Intensivstation arbeiten! Einer meiner behandelnden Ärzte bei meiner Reha hat gefragt, ob man sich das vorstellen kann, was das bedeutet, wenn die Menschen, die auf einer Intensivstation behandelt werden und dort leider Gottes versterben, in den letzten Tagen ihres Lebens nur Maskierte gesehen haben und nicht ihre Angehörigen. Reden Sie mit


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den Menschen, vielleicht wird es dann für Sie erklärbarer, warum wir für das Impfen eintreten, für jede Art von Schutz, die uns durch diese Pandemie weiter begleitet! (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Die Impfstoffe, die in Österreich zugelassen sind, sind sicher, sind überprüft und sind zuverlässig, darauf können Sie sich verlassen. Glauben Sie nicht all das, was an Un­wahr­­heiten und wirklicher Gefährdung im Netz kursiert (Zwischenruf des Abg. Amesbauer), sondern glauben Sie Ihrer Hausärztin, Ihrem Hausarzt, da sind Sie auf jeden Fall besser beraten! (Abg. Belakowitsch: Sagen sie irgendwas zum Volksbegehren?)

Ich möchte an dieser Stelle noch eines sagen: Es haben sehr, sehr viele Menschen in dieser Zeit unter erschwerten Bedingungen gearbeitet. Ich hatte schon früher einen Impf­termin aufgrund meiner ehrenamtlichen Tätigkeit beim Roten Kreuz, habe mich aber nicht getraut, weil ich mir gedacht habe, es wird mir als Politikerprivileg ausgelegt. Gerade in der Krisenintervention, wo wir zwar geschützt sind, aber doch mit sehr vielen Menschen zu tun haben, die im Fall der Trauer natürlich nicht so geschützt sind wie wir, möchte ich allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, vor allem den ehrenamtlichen, wirklich meinen Dank aussprechen. Ihr macht einen super Job, und das ist in Zeiten der Krise extrem wichtig. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Einen Appell lassen Sie mich zum Schluss auch noch aussprechen: Niemand muss, alle können und viele wollen sich impfen lassen. Das ist für mich auch ein Zeichen der Freiwilligkeit, das ist für mich ein Zeichen der Solidarität und des Verantwortungs­be­wusstseins. (Abg. Amesbauer: Und alle anderen sind unsolidarisch! – Abg. Belakowitsch: So viel zum Thema Freiwilligkeit!) Das sollte uns vor allem als gutes Vorbild auszeich­nen.

Ich sage Ihnen, ich als Risikopatientin freue mich, wenn ich am 17. Juni meine zweite Teilimpfung bekomme, und ich richte auch einen Appell an alle Jungen: Geht impfen, nehmt die Möglichkeit wahr, es ist auf jeden Fall eine gute Entscheidung! – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

11.24


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Silvan. – Bitte.


11.24.51

Abgeordneter Rudolf Silvan (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren zu Hause! Wenn man sich die Forderungen des Volksbegehrens Für Impf­freiheit durchliest und genau durchliest, dann weiß man, die Initiatoren haben sehr viele Befürchtungen formuliert, zum Beispiel dass grundlegende Bürgerrechte an Zwangsimp­fungen gebunden werden könnten oder dass es in absehbarer Zeit soziale Pflicht werden könnte, sich einen Chip zu implantieren oder ständig eine Trackingapp mitzuführen.

Da stellt sich für mich die Frage: Woher kommen diese Ängste, woher kommen diese Befürchtungen? – Dieses Volksbegehren haben zumindest 259 000 Menschen unter­schrieben, und das ist nicht so wenig. Wenn man sich die Kommunikation der Bundes­regierung in den letzten 15 Monaten angesehen und angehört hat, dann weiß man, wodurch diese Ängste und dieses Misstrauen entstanden sind.

Nur ein paar Beispiele dazu: Ich erinnere an die Diskussion voriges Jahr rund um die Corona­app. Die Bundesregierung gibt in Zeiten der Pandemie Milliarden an Steuer­geldern aus – und just bei der Entwicklung und der Erstellung der Coronaapp bindet sie eine private Versicherung, nämlich die Uniqa, ein, aus der der ehemalige Finanzminister Löger kommt? Da stellt sich für mich und auch für viele andere schon die Frage: Welches Interesse hat eine private Aktiengesellschaft an einer Coronaapp – an der Entwicklung einer Coronaapp?


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Oder: Herr Präsident Sobotka hat voriges Jahr in einem Interview in der „ZIB 2“ gemeint, die Coronaapp müsse verpflichtend kommen.

Das schafft kein Vertrauen, liebe Kolleginnen und Kollegen! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der FPÖ. – Zwischenruf bei der ÖVP.) Das war voriges Jahr.

Wenn Kanzler Kurz – und das schafft auch kein Vertrauen – in einer allgemein bekann­ten Rede nach einer Chinareise vor Wirtschaftskammerfunktionären eine gewisse Sym­pathie für das chinesische Wirtschaftssystem oder für die chinesische Staatsform erken­nen lässt, dann ist interessant, dass ein westlicher Politiker mit einer kommunistischen Diktatur liebäugelt und gleichzeitig das österreichische Parlament nicht ernst nimmt. Darüber sollte sich die ÖVP einmal Gedanken machen. Österreich befindet sich in einer Wirtschaftskrise, in einer sozialen Krise und in einer Gesundheitskrise, mit der sich die Bundesregierung beschäftigen sollte; aber die Bundesregierung beschäftigt sich mit der Krise der ÖVP.

Die österreichische Sozialdemokratie ist gegen einen Impfzwang beziehungsweise gegen eine Impfpflicht. Wir sind für eine verantwortungsvolle und vertrauensvolle Aufklä­rung über Nutzen und Risken der Impfungen, wobei der Nutzen gegenüber den Risken wesentlich überhandnimmt. Wir sind gegen eine Angstmache, und wir müssen endlich einen niederschwelligen Zugang zu Impfungen ermöglichen, wie es auch in anderen EU-Staaten schon längst üblich ist. – Danke schön. (Beifall und Bravoruf bei der SPÖ.)

11.27


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Kaniak. – Bitte.


11.27.55

Abgeordneter Mag. Gerhard Kaniak (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Abgeordnetenkolleginnen und ‑kollegen! Das, was wir heute von Abgeordneter Schwarz gehört haben, war ein bisschen eine Themenverfehlung, wenn man sich das Volksbegehren Für Impffreiheit genauer anschaut (Beifall bei der FPÖ), denn es geht hier nicht um eine Debatte über die aktuelle Coronaimpfung, es geht nicht um die De­batte, welche Impfstoffe für wen geeignet sind – das sind Themen, die wir besser den Hausärzten überlassen –, sondern es geht darum, dass es einen weitergehenden oder klarer definierten Schutz der körperlichen Unversehrtheit der österreichischen Staats­bürger in der Verfassung geben soll.

Wenn man es genau nimmt, haben knapp 260 000 Menschen dafür unterschrieben, dass in Artikel 17 der österreichischen Bundesverfassung festgeschrieben werden soll, dass Menschen, die sich keiner biologischen, chemischen oder hormonellen Behand­lung unterziehen wollen oder die auch keine mechanischen oder elektronischen Implan­tate tragen beziehungsweise sich einsetzen lassen wollen, im Vergleich zu anderen Menschen in Österreich nicht benachteiligt werden dürfen und dass es auch diese Be­handlungen oder diesen Tragezwang in Österreich nicht geben darf.

Das soll in die Verfassung geschrieben werden. Ich glaube, das ist ein Ansinnen, das normalerweise über die Grundrechte schon abgedeckt sein sollte. Die letzten Monate haben aber gezeigt, dass es nicht so selbstverständlich ist, dass die Grundrechte in Österreich durchaus ernster genommen werden müssen und dass es auch gewisse Nachschärfungen in der österreichischen Bundesverfassung braucht.

Ich möchte nur ein paar Beispiele nennen, mein Vorredner hat ja auch schon ein paar Punkte angesprochen: Wer hätte vor zwei Jahren noch gedacht, dass das Epidemie­gesetz so missbraucht werden kann, dass auch vollkommen Gesunde, nicht Getestete und Personen, die nie einen Arzt gesehen haben, als krankheitsverdächtig oder krank unter Quarantäne gestellt und abgesondert werden? Wer hätte vor zwei Jahren gedacht, dass die österreichische Bevölkerung flächendeckend zum Tragen von FFP2-Masken


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gezwungen wird, was in der Arbeitsmedizin vollkommen undenkbar gewesen wäre, aus gesundheitlichen Gründen? Wer hätte sich gedacht, dass es tatsächlich zu einem ver­pflichtenden Testzwang für praktisch die gesamte Bevölkerung kommt, was vor knapp einem Jahr vonseiten der Bundesregierung noch als vollkommen utopisch verneint wur­de?

Wer hätte gedacht, dass wir jetzt bereits einen indirekten Impfzwang in Österreich haben, zumindest für manche Berufsgruppen? Auch die Lockerungsverordnungen des Herrn Gesundheitsministers weisen immer stärker in Richtung eines indirekten Impfzwangs. Ich frage mich, wann wir dann den direkten Impfzwang haben werden. All das ist nur eine Frage der Zeit! (Beifall bei der FPÖ.)

Ich wiederhole mich ganz gerne: Es geht nicht um Sinnhaftigkeit und Nutzen einer Impfung. Es geht darum, den Menschen das Recht auf körperliche Unversehrtheit ein­zuräumen. Es geht darum, die Menschen in ihrer freien Entscheidung zu unterstützen. Wir haben in Österreich mehr als genügend Beispiele von Schutzimpfungen, bei welchen eine sehr hohe Durchimpfungsrate erzielt wurde, und zwar vollkommen ohne jeglichen Zwang.

Meine lieben Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, von ÖVP und Grünen! Gehen Sie bitte in sich! Sorgen Sie dafür, dass die bisherigen Lippenbekenntnisse Ihrer Regierungsmitglieder keine Lippenbekenntnisse bleiben, sondern dass die Impffreiheit auch tatsächlich verfassungsgemäß festgeschrieben wird. Als Obmann des Gesund­heitsausschusses freue ich mich darauf, dass wir in Kürze – voraussichtlich noch im Juni – ein Expertenhearing und eine breit angelegte Diskussion zu diesem Thema und zu diesem Volksbegehren im Gesundheitsausschuss haben werden. Ich hoffe, dass auch Ihre Fraktionen hier einer konstruktiven Lösung im Sinne der Grundrechte der österreichischen Bevölkerung zustimmen werden. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

11.31


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Schallmeiner ist zu Wort ge­meldet. – Bitte.


11.31.39

Abgeordneter Ralph Schallmeiner (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren zu Hause an den Bildschirmen! Dieses Volksbegehren für Impffreiheit kommt aus meiner Sicht ein bisschen wie eine Mogel­packung daher, weil es in Zeiten wie diesen, in Zeiten einer gewissen Aufgeregtheit auch in unserem Land suggeriert, dass es hier in Österreich so etwas gäbe wie eine Impf­pflicht, ob eine direkte oder indirekte, sei dahingestellt, aber es suggeriert eben, dass es diese Impfpflicht geben würde. (Abg. Belakowitsch: Gibt es sie denn nicht?!)

Das Ganze geht von Machern beziehungsweise von einer Organisation aus, die auch in der Vergangenheit schon immer wieder mit etwas dubiosen – wie ich es jetzt einmal nenne – Volksbegehren aufgefallen ist. Ich nenne beispielsweise den Versuch, das Recht auf Abtreibung in Österreich abschaffen zu lassen; das sei jetzt aber dahingestellt.

Wie schon gesagt: Wir reden hier über dieses Volksbegehren, das aus meiner Sicht wie eine Mogelpackung daherkommt. (Abg. Wurm: Das ist sehr abschätzig!) So ehrlich muss man nämlich auch sein: Ja. Es gibt in gewissen Gesundheitsberufen eine Vorgabe, beispielsweise dass man sich gegen Hepatitis C prophylaktisch impfen lässt, und es ist auch gut so, dass es das gibt. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Ansonsten würde man nämlich in den Krankenhäusern ganz schön blöd dreinschauen, wie man bei uns in Oberösterreich so schön sagt. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Wurm.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll105. Sitzung, 19. Mai 2021 / Seite 54

Außerdem gibt es auch § 17 Abs. 4 des Epidemiegesetzes, der übrigens 2012 einstim­mig mit den Stimmen aller damals im Nationalrat vertretenen Parteien beschlossen wurde, der sozusagen eine Rückfallposition im Falle einer auftretenden schweren Krank­heit vorsieht, dass dann eine Bezirksbehörde als allerletzte Konsequenz, als Ultima Ratio, prophylaktisch eine Abgabe von Medikamenten anordnen kann. Ansonsten gibt es nichts anderes hier in diesem Land. Es gibt keine Impfpflicht, ganz im Gegenteil: Es gibt übrigens auch keine Schlechterstellung ungeimpfter Menschen, wie immer wieder getan wird. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Wir haben es ja mit der Gleichstellung gemäß 3G-Regel – genesen, getestet und ge­impft – geschafft, dass ungeimpfte Menschen auch zukünftig am gesellschaftlichen Leben problemlosest teilnehmen können. Auch wenn es die Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ nicht hören wollen, ich wiederhole es gerne noch einmal: Das Testen tut nicht weh. Das Testen ist nicht schlimm. Das Testen ist kein Eingriff in Ihre persönliche Integrität. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Kommen wir jetzt aber zu einem anderen Punkt, zu etwas, was die Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ auch noch nicht ganz kapiert haben: Eine ansteckende Krankheit ist keine Privatsache. Eine ansteckende Krankheit hat sehr wohl Auswirkungen, und zwar direkte und indirekte. Direkte Auswirkungen bestehen darin, dass man andere Menschen ansteckt, und indirekte darin, dass man beispielsweise dazu beitragen kann, dass das Gesundheitswesen überlastet wird, so wie wir es jetzt ja gehabt haben. Nicht umsonst hat die WHO die Covid-19-Pandemie als Pandemie definiert.

Selbst ein robustes Gesundheitswesen wie das österreichische kann dabei entsprechend in die Knie gehen. Von daher ist Impfen durchaus ein Akt der Solidarität. (Abg. Wurm: Schwache Rede!)

Ich rede jetzt nicht nur zum Beispiel von der Masernimpfung oder von der HPV-Impfung, sondern ich rede jetzt eben auch von der Covid-19-Impfung. Ich persönlich freue mich darauf. Ich werde am Freitag geimpft, ich habe für Freitag meinen Impftermin bei uns in Oberösterreich bekommen. Ich werde diesen natürlich gerne wahrnehmen, und ich fordere auch alle hier vertretenen Abgeordneten dazu auf, es ebenso zu machen und damit ein positives Vorbild für die Bevölkerung zu sein, damit wir gemeinsam endlich diese Krankheit besiegen können! (Abg. Amesbauer: Dieses Recht haben Sie nicht! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Da können Sie sich aufregen, soviel Sie wollen, Kollege Amesbauer! Impfen ist gescheiter, als diese Krankheit zu haben. (Beifall bei den Grünen.)

In diesem Sinn sage ich: Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Amesbauer. – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

11.35


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Sie können sich bitte melden, Herr Abgeordneter. Jeder kommt dran.

Herr Abgeordneter Loacker ist der Nächste. – Bitte sehr.


11.35.30

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Wir haben da jetzt ein Volksbegehren für Impffreiheit. Ganz viele Menschen haben allerdings Angst vor der Impfung. – Ich sage denen, die Angst haben: Blicken Sie nach England! Dort hat man sehr zackig mit Astra Zeneca durchgeimpft, was ja angeblich ganz schlimm ist. In England haben sie jetzt aber nicht das Problem, dass ihnen die Leute vom Impfen sterben, sondern die Leute sind gesund und fit und wollen wieder Bier trinken gehen, doch in den Pubs geht ihnen das Bier aus. So schaut es aus! (Abg. Zanger: Sehr gut! Genau das!)


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Ja. Ich wäre auch froh, würden wir die Impfung nicht brauchen. Wir haben aber gerade eine Pandemie, und jetzt brauchen wir die Impfung, denn sonst können wir die Pandemie nicht überwinden. Viele Bürger schreiben uns Mails: Die einen wollen die Impfungen nicht, die anderen wollen die Tests nicht und wieder andere wollen die Masken nicht. Ja. Das Ganze geht uns allen schon gewaltig auf die Nerven, und es geht auch mir auf die Nerven, aber ohne Impfung, ohne Test, ohne Maske, ohne all das wird es nicht gehen. (Abg. Belakowitsch: Warum nicht?) Nichts von alledem: Das kann man sich wünschen, wie man sich auch warme Eislutscher wünschen kann. Das wird aber nicht gehen! Schön wäre, wenn es ginge! (Abg. Belakowitsch: Natürlich geht es!)

Was wir allerdings tatsächlich brauchen, ist ein Blick voraus. Jetzt kommen wir mit dem Impfen endlich ein Stück weit voran. Ich wüsste jetzt gerne von dieser Regierung, die den Menschen am liebsten den ganzen Tag eine Maske ins Gesicht pappen würde: Wie schauen wir denn im Herbst aus? Wenn die Eltern der Kinder alle geimpft sind, wenn sie es wollten, wenn die Lehrer alle geimpft sind, wenn sie es wollten: Müssen wir dann immer noch die Kinder dreimal in der Woche testen und mit Maske in die Schule schicken? Oder kann man das dann vielleicht irgendwann auch lassen? Wo ist die Perspektive, wenn wir einen guten Impffortschritt haben, dass wir dann den Menschen auch die Freiheit wieder zurückgeben, dass wir die Restriktionen zurückfahren, dass die zahlenmäßigen Grenzen in den Gasthäusern wieder wegfallen?

Ich nenne zum Beispiel nur die Maskenpflicht in Freibädern oder die Testpflicht für Kinder, die ins Freibad wollen: Was ist den Leuten da eingefallen? Wir müssen froh sein, wenn sich die Kinder bewegen und an der frischen Luft sind, und wir dürfen ihnen nicht noch einen Test vorschreiben, wenn sie an die frische Luft gehen! (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Wie sieht also der Weg in die Freiheit aus? – Diesbezüglich lässt die Regierung nichts verlauten. Beim Zusperren ist man schnell, beim Vorschriftenmachen ist man schnell, aber wenn es dann wieder in Richtung Freiheit geht, ist man nicht so schnell. Daher ist es wirklich mein Wunsch, dass sich sehr viele Menschen impfen lassen, denn je schneller wir eine hohe Durchimpfungsrate haben, umso weniger Ausreden hat diese Regierung, die Freiheiten weiter zu beschränken, und umso schneller muss uns diese bevormundende Regierung mit ihrem autoritären Stil die Freiheiten wieder zurückgeben. (Beifall bei den NEOS.)

11.38


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Smolle. – Bitte.


11.38.23

Abgeordneter Dr. Josef Smolle (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kollegin­nen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Impfen ist eine höchstper­sönliche Entscheidung, und das wird auch so bleiben – das ist insofern sozusagen eine offene Türe.

Ich möchte auf zwei Punkte eingehen, die in dem Volksbegehren angesprochen werden. Erstens wird auch gefordert, dass nicht zwangsweise elektronische Chips implantiert werden können. – Das ist völlig aus der Luft gegriffen! Das lässt an Verschwörungs­theorien denken. (Abg. Belakowitsch: Na, na, na!) Das bedaure ich, denn das entwertet das Grundanliegen des Volksbegehrens ein wenig, und das ist schade. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Der zweite Punkt, der hervorgehoben wird und der mir ganz wichtig zu sein scheint, ist, dass darin das Recht auf körperliche Unversehrtheit betont wird. – Dazu betone ich: Jede Krankheit, gegen die wir impfen können, birgt ein hohes Risiko, die körperliche


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Unversehrtheit zu gefährden, und das trifft auf Covid-19 ganz besonders zu. Die größte Chance auf körperliche Unversehrtheit hat man, wenn man sich gut vor Krankheiten schützt und sich in jenen Fällen, in denen Impfung möglich ist, auch tatsächlich impfen lässt. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Wie sich das auswirkt, kann man in Österreich mittlerweile schon an den Zahlen ablesen: Während die Sterblichkeit, also das Risiko einer Covid-infizierten Person, daran zu versterben, monatelang etwa bei 2 Prozent gelegen ist, ist sie nun durch den zunehmen­den Schutz der Risikopatientinnen und -patienten durch die Impfung auf 0,6 Prozent zurückgegangen, das heißt, um zwei Drittel reduziert worden. Das ist ein enormer Erfolg, der in Österreich bereits deutlich ablesbar ist. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Es freut mich, dass es hier im Wesentlichen breiten politischen Konsens gibt. Nicht nur die Regierungsparteien, auch Sozialdemokratie und NEOS sprechen sich explizit für die Impfung aus. Und es freut mich, dass auch die FPÖ – von einzelnen Redebeiträgen abgesehen, die ein bisschen Kategorie Panikmache sein könnten – zu einem durchaus pragmatischen Zugang gefunden hat. (Abg. Wurm: ... pragmatisch! Haben Sie was ...?) Auch das ist sehr positiv. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mehr als 250 000 Menschen haben dieses Volksbegehren unterschrieben und bringen dabei Sorgen und Bedenken zum Ausdruck. Wir nehmen diese Sorgen und Bedenken ernst und werden uns hier im Hohen Haus intensiv damit auseinandersetzen.

Ich sage jetzt aber auf Grundlage von 40 Jahren ärztlich-wissenschaftlicher Erfahrung eines dazu: Ich freue mich über jeden Einzelnen, jede Einzelne in Österreich, jede Per­son, die sich gut informiert, sich verantwortungsbewusst und vernünftig für die Impfung entscheidet, damit sich selbst schützt und etwas zum Schutz von uns allen beiträgt. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

11.41


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Hauser. – Bitte. Es geht Schlag auf Schlag. (Abg. Hauser – auf dem Weg zum Rednerpult –: Passt schon!) – Bitte sehr.


11.42.14

Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (FPÖ): Herr Präsident! An sich war vor mir noch jemand eingemeldet. Gut, ich danke fürs Wort. Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Also zuerst ein Wort zum besonderen Tag heute: Ich finde es wirklich schade, dass unsere Hotellerie und Gastronomie und die Tourismuswirtschaft heute nicht voll und ganz ohne Fesseln öffnen können. (Beifall bei der FPÖ.)

Es ist ein Aufsperren mit Beschränkungen, mit maximaler Bürokratie. Deswegen ist es meiner Meinung nach nur ein eingeschränkt besonderer Tag, weil viel mehr möglich ist und viel mehr auch notwendig ist, nach sieben Monaten Lockdown, verordnet von dieser Regierung. Vernichtete Arbeitsplätze, Betriebsinhaber, die verzweifelt sind und auf För­derungen hoffen müssen, die unterschiedlich verteilt werden – das ist ein anderes Thema.

Zum Volksbegehren an sich: Ich bedanke mich bei den Initiatoren, bei den 260 000 Per­sonen, die unterschrieben haben. Ich darf auf die Begründung im Volksbegehrenstext eingehen. Impffreiheit muss deswegen sein, und das ist unsere Meinung, weil – und ich zitiere aus der Begründung –: „Noch dazu, wo die Gefahren“ – einer Impfung – „völlig unabschätzbar sind, die von dem möglichen Corona-Impfstoff ausgehen, der jetzt im Eilverfahren, womöglich ohne ausreichende Tests und klinische Studien auf den Markt gebracht werden soll.“


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Vollkommen richtig: Alle Coronaimpfstoffe sind notfallzugelassen. Die klinischen Studien laufen bis 2023. Über die Impfungen passiert momentan die größte menschliche Studie, ohne dass man weiß, ob diese Impfstoffe tatsächlich valide sind. (Beifall bei Abgeord­neten der FPÖ.)

Deswegen an die Unterstützer dieses Volksbegehrens: Hut ab vor all jenen, die das unterschrieben haben!

Sie wissen, ich habe in vielen meiner Reden schon darauf hingewiesen, dass die EMA keine Institution ist, die Impfstoffe unabhängig zugelassen hat. Sie wissen, dass wir in Österreich 106 Todesfälle im Zusammenhang mit der Coronaimpfung haben, in Europa weit über 7 000, dass es schwere und leichte Nebenwirkungen gibt. Das darf und kann man nicht ausblenden! 

Geschätzte Kollegen, speziell von den Regierungsparteien! Noch ein Hinweis: Bion­tech/Pfizer hat seine Zulassung in Indien zurückgezogen, weil das indische Gesund­heitsministerium weitere Unterlagen und Informationen haben wollte. Aufgrund dessen wird Biontech/Pfizer in Indien zum Beispiel nicht verimpft. Das sollte Ihnen wirklich zu denken geben!

Dass es auch eine Öffnung ohne Handbremse geben kann, das beweist Amerika. (Der Redner stellt eine Tafel mit der Überschrift „22 US-Staaten verbieten Impfpass“ auf das Rednerpult.) Aktuell ist es in Amerika so, dass der Impfpass mittlerweile in 22 Bundes­staaten verboten ist. Es ist auch das Tragen von Masken nicht mehr vorgeschrieben. Denken Sie einmal darüber nach!

Präsident Biden, ein demokratischer Präsident, hat erkannt, dass das Öffnen einer Wirt­schaft mit angezogener Handbremse, mit dem Drangsalieren der Bevölkerung nicht funktionieren kann, vor allem weil Testungen, Impfungen et cetera nicht valide sind. Bitte gehen Sie in sich! Wir sagen, Impffreiheit, natürlich Impffreiheit, aber bitte schenken Sie der Bevölkerung komplett reinen Wein ein! (Beifall bei der FPÖ.)

Wissen Sie, in der Kürze der Zeit ist es mir ein besonderes Anliegen, auf Folgendes hinzuweisen (eine weitere Tafel mit der Überschrift aus „Medonline“ „Wie viele Kinder und Jugendliche sind bisher an/mit/nach COVID-19 gestorben?“ auf das Rednerpult stellend): Wir verstehen überhaupt nicht, dass man darüber nachdenkt, Kinder zu impfen. Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Kinder können sich nicht wehren! „Medonline“, das Fachmagazin in Österreich für Fachärzte und Ärzte, hat eine Umfrage gemacht. Fünf österreichische Bundesländer, die 80 Prozent der Bevölkerung abdecken, haben geantwortet. Es gibt bitte kein einziges Kind, das an Corona gestorben ist. Ein einziger Jugendlicher ist bedauerlicherweise an Corona gestorben. Wie kann man unter diesen Voraussetzungen über eine Impfpflicht von Kindern nachdenken? Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Das geht nicht, verhindern Sie das bitte! (Abg. Wurm: Bravo!) Das ist ein Anschlag auf unsere Kinder und auf unsere Jugend. (Beifall bei der FPÖ.)

Noch zwei Sätze zur heute hier immer wieder deklarierten und vorgebrachten Impf­freiheit. (Der Redner stellt eine weitere Tafel aus „Spiegel Politik“ mit der Überschrift „Prämie oder Prügel?“ auf das Rednerpult.) Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ihre Worte sind heiße Luft. Die Wahrheit ist, dass man versucht, jetzt schon über die mediale Berichterstattung, beginnend gestern mit dem „Spiegel“ über heute in der „Presse“, der Bevölkerung einzuimpfen: Wenn ihr euch nicht impfen lasst, dann werdet ihr Nachteile haben! Es ist für mich unbegreiflich, wie ein sogenanntes Qualitätsmedium wie „Der Spiegel“ das so titeln kann: „Aber natürlich werden“ Personen, die sich nicht impfen lassen, „soziale Nachteile haben.“ Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Es ist er­schreckend, was hier abläuft. Das darf nicht sein.


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Kollege Smolle und Kollegen der ÖVP! Wenn Sie hier sagen, natürlich gibt es die Impffreiheit, so entgegne ich (eine weitere Tafel mit der Überschrift „Neue Betriebs­vereinbarung:“ auf das Rednerpult stellend): Mir wurde vorgestern ein Dokument einer österreichischen Firma mit einer Betriebsvereinbarung zugespielt – bitte, SPÖ, Augen und Ohren auf! –, die auch der Betriebsrat mit unterschrieben hat. Wissen Sie, was in dieser Betriebsvereinbarung drinnen steht? Sie lesen es hier (auf die Tafel weisend): dass eine Impfung zukünftig bei Mitarbeitern als Qualifikationskriterium herangezogen wird. Umkehrschluss: Wenn in dieser Firma jemand nicht geimpft ist, bedeutet das, er ist nicht qualifiziert, er verliert seinen Arbeitsplatz. Bitte wehret den Anfängen! (Beifall bei der FPÖ.) Bitte schaut drauf, dass das nicht Schule macht, denn sonst ist die Ankündigung, dass es keinen Impfzwang gibt, ein inhaltloses, leeres Versprechen, heiße Luft!  Ich danke. (Beifall bei der FPÖ.)

11.48


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Belakowitsch. – Bitte.


11.48.12

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Herr Präsident! Werte Damen und Herren vor den Bildschirmen! Wenn Sie heute die Diskussion gehört haben, dann haben Sie die ÖVP-Gesundheitssprecherin gehört, die kein Wort zum Volksbegehren gesagt hat, die sich hierhergestellt und reine Propaganda für eine Impfung gemacht hat. Das ist nicht die Art von Information, die wir gerne für die Bevölkerung hätten. Das ist auch nicht der Zugang, den wir als Freiheitliche Partei haben. Das, was wir wollen, ist die Freiheit, die Freiheit des Einzelnen, zu wählen, ob er sich impfen lassen möchte oder ob er das eben nicht möchte.

Jetzt kann man sagen, na ja, es gibt ja keinen Impfzwang, es steht ja nirgends, alle müssen geimpft werden! – Ja, da haben Sie recht, meine Damen und Herren von der ÖVP! Aber Sie handeln anders. Was Sie machen, ist: Wir haben jetzt einen Testzwang, den gibt es in Österreich bereits, nirgends kann man hingehen, ohne sich testen lassen zu müssen. Unsere Schulkinder werden nach wie vor dreimal wöchentlich getestet. Schulpflichtige Kinder, die 14-Jährigen müssen trotz negativem Test eine FFP2-Maske tragen.

Im Übrigen sind das strengere Bestimmungen, als wir sie in der Gastronomie haben. Bei den Mitarbeitern in der Gastronomie reicht der Mund-Nasen-Schutz. Unseren Kindern kann man es ja antun, die haben keine Lobby – und das, obwohl es überhaupt gar keinen Grund mehr gibt. Man hätte die Schulen schon längst öffnen können, ohne die Kinder zu testen. Das ist die Wahrheit, meine Damen und Herren, denn die Kinder sind weder die großen Infektionstreiber, noch sind sie diejenigen, die schwer erkranken. Daher macht auch eine Impfung für Kinder überhaupt keinen Sinn, weil nämlich der Schaden ein größerer wäre als der Nutzen.

Meine Damen und Herren! Im Übrigen handelt es sich hierbei nicht um einen normalen Impfstoff, wie wir ihn kennen, der längst zugelassen ist – nein, er befindet sich nach wie vor in der Studienphase drei, das bedeutet, jeder, der heute geimpft wird, ist Teil eines großen Studienprojekts. Das sollten wir alle nicht vergessen.

Dennoch gibt es dann Aussagen vom Arbeitsrechtsexperten, der sagt: Na, selbst­verständlich darf der Arbeitgeber jemanden kündigen, wenn er sich weigert, sich impfen zu lassen, und selbstverständlich darf der Arbeitgeber den Impfstatus der Mitarbeiter erfragen! Meine Damen und Herren, das ist ein Bruch mit all dem, was wir bisher gehabt haben. Wenn man krank ist, wenn man sich eine Krankschreibung beim Arzt holt, steht darauf, dass man krank ist, aber nicht, welche Krankheit man hat, weil das den


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Arbeitgeber nämlich nichts angeht, meine Damen und Herren! Genau das war auch eine ganz große Diskussion bei Elga: Dürfen die Arbeitsmediziner, dürfen die Betriebs­mediziner hineinschauen? – Nein, sie dürfen es eben nicht, damit im Betrieb nicht bekannt wird, ob jemand vielleicht eine schwere Krankheit, eine chronische Erkrankung hat und damit arbeitsrechtliche Konsequenzen zu befürchten sind.

Bei Corona ist alles ausgesetzt, bei Corona soll es eine Impfpflicht geben, und die kommt durch die Hintertür, meine Damen und Herren! Sie von der ÖVP und Sie von den Grünen haben das heute hier ja dargelegt, dass genau das passieren wird. Ihre Redebeiträge, in denen Sie eben nicht auf das Volksbegehren eingehen, haben das genau belegt. Sie wollen die Impfpflicht, koste es, was es wolle!

Das sage ich Ihnen: Das wird es mit uns nicht geben, meine Damen und Herren von der Österreichischen Volkspartei, weil wir zur Freiheit der Entscheidung des Einzelnen stehen. Diese muss unter allen Umständen gegeben sein, denn es kann niemand gezwungen werden, sich einen Impfstoff spritzen zu lassen, von dem er nicht weiß, ob er ihn verträgt oder ob er ihn nicht verträgt.

Ein Wort zum grünen Gesundheitssprecher hätte ich schon noch gerne gesagt, der gemeint hat, niemand werde in Österreich diskriminiert. Das ist falsch, Herr Schallmeiner! Richten Sie es ihm aus, auch wenn er jetzt nicht da ist: Das ist falsch! (Zwischenruf des Abg. Schallmeiner. – Abg. Grebien zeigt auf den neben ihr sitzenden Abg. Schallmeiner.) Es gibt nämlich – Entschuldigung; na ja, wenn Sie den Platz wechseln! – eine ganz große Gruppe von Personen in Österreich, die sich aus Gesundheitsgründen nicht imp­fen lassen können, die aber aufgrund einer Behinderung auch gar nicht getestet werden können. (Zwischenruf des Abg. Schallmeiner.) Diese Gruppe schließen Sie vom sozi­alen Leben aus, meine Damen und Herren, das tun Sie bereits heute.

Sie wollen jetzt einem Drittel der Menschen, denjenigen, die sich nicht impfen lassen, weil sie sich informiert haben, weil sie dem Impfstoff eben kritisch gegenüberstehen und weil es in Österreich schon 106 Verstorbene im Zusammenhang mit dieser Impfung gibt, das soziale Leben verwehren, meine Damen und Herren! Das ist unredlich und dagegen werden wir ankämpfen. (Beifall bei der FPÖ.)

11.52


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Kollege Amesbauer. – Bitte.


11.52.20

Abgeordneter Mag. Hannes Amesbauer, BA (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren! Es ist bemerkenswert, dass sich bei diesem Thema die Wortmeldungen aus den Reihen der Koalitionsparteien sehr in Grenzen halten, aber die Redebeiträge, die wir jetzt gehört haben, haben es in sich. Frau Schwarz hat eine totale Themenverfehlung betreffend dieses Volksbegehrens, das ja auch von vielen Bürgern unterschrieben wurde, abgeliefert, denn es steht explizit in der Begründung, bei diesem Volksbegehren geht es nicht um eine Diskussion über die Vor- und Nachteile einer Coronaimpfung, über die Sinnhaftigkeit der Coronaimpfung und dergleichen. (Abg. Gabriela Schwarz: Es geht auch um die Freiheit der Entscheidung, Herr Amesbauer!) Es geht um Grundsätzliches, es geht um eine verfassungsrechtliche Verankerung einer Impffreiheit in Österreich. Das ist einmal der eine Punkt, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Ich möchte da auch anknüpfen: Ich will hier auch keine Diskussion über das Für und Wider betreffend Impfen führen, das soll bitte jeder für sich selbst entscheiden. Ich bin grundsätzlich ein Impfbefürworter. Ich war vor mittlerweile 20 Jahren mit dem österreichi­schen Bundesheer im Kosovo auf Auslandseinsatz und habe da, glaube ich, an einem


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Tag sechs oder sieben Impfungen bekommen. Der Unterschied zur jetzigen Situation ist aber erstens, dass ich mich damals freiwillig dafür entschieden habe, ich habe gewusst, unter welchen Bedingungen man diesen Auslandseinsatz beim Bundesheer antritt, und der wesentlichere Unterschied ist zweitens, dass das alles langjährig erprobte und vollständig zugelassene Impfstoffe waren, was jetzt bei Corona nachweislich – und das wissen Sie alle – nicht der Fall ist, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Zwischenruf der Abg. Gabriela Schwarz.) – Das ist das eine.

Sie behaupten immer, es gibt keine Diskriminierung. Sie kommen immer mit ihren 3G daher – getestet, genesen, geimpft –, und wenn man eines dieser Gs erfüllt, dann wird man ja nicht diskriminiert. Was, wenn man aber das vierte und wesentliche G erfüllt, wenn man nämlich gesund ist und sich eben aus welchen Gründen auch immer diesem Testzwang und Testwahnsinn, der in Österreich um sich greift, nicht unterwerfen will?

Sie schrecken jetzt nicht einmal davor zurück, dass Sie einen Ninja-Testpass für Kinder ab zehn Jahren einführen: „Eins, zwei, drei ... ich bin coronafrei!“ (Zwischenruf des Abg. Taschner), „frei“ fett geschrieben. Eins, zwei, drei, coronafrei, meine Damen und Herren, und Kinder dürfen nur mehr mit diesem Testnachweis ins Schwimmbad, ins Freibad, in den Eissalon, auf den Fußballplatz. Meine Damen und Herren, was ist da los mit Ihnen? – Das ist Konditionierung. (Beifall bei der FPÖ.)

Das ist soziale Ungleichbehandlung. Wenn man bedenkt, was Sie seit über einem Jahr mit den Kindern in den Schulen aufführen, ist jetzt mit diesem Ninja-Testpass für mich der vorläufige Höhepunkt der Perversität Ihrer Coronapolitik erreicht. Hören Sie auf, sich an unseren Kindern zu vergreifen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das kann es nicht sein! (Beifall und Bravorufe bei der FPÖ.)

Ein weiteres wichtiges G in Ihrer 3G-Politik, das Sie vollständig vergessen, ist das G für Grundrechte. Grundrechte sind unteilbar, meine Damen und Herren, sie sind unver­äußerlich und nicht konditionierbar. Wer anfängt, Grundrechte zu teilen, handelt in Wahrheit gegen unser demokratiepolitisches Verständnis, denn Grundrechte hat man grundsätzlich, sie sind kein Privileg, das man vom Staat nur für ein vom Staat er­wünschtes Wohlverhalten zugesprochen bekommt. Das kann es nicht sein, das ist spalterisch, das ist ein massiver gesellschaftlicher und sozialer Druck.

Zu Kollegen Schallmeiner: Teile Ihrer Rede waren wirklich unerhört. Sie sagen, Sie fordern uns auf, uns impfen zu lassen. (Zwischenruf des Abg. Ofenauer.) Sie fordern uns auf quasi, weil wir ja sonst nicht solidarisch sind. Dieses Recht, irgendjemanden aufzufordern, haben Sie nicht, Herr Schallmeiner. (Abg. Taschner: Warum nicht?) Das ist die Entscheidung jedes Einzelnen mit dem Arzt seines Vertrauens. Der Arzt wird das gegebenenfalls empfehlen, aber er wird sich nicht hinstellen und sagen: Ich fordere dich auf! – Lassen Sie den Menschen die Wahlfreiheit! Freuen Sie sich, dass es eine hohe Impfbereitschaft in Österreich gibt!

Mich würde aber nachdenklich stimmen, dass die Impfbereitschaft nicht ausschließlich deshalb steigt, weil sich die Menschen schützen wollen, sondern weil der soziale, politische und gesellschaftliche Druck auch am Arbeitsplatz – wo schon darüber dis­kutiert wird, dass man die Arbeit verliert, wenn man sich nicht impfen lässt – immer mehr steigt. Ob das einer ordentlichen Debatte über die Impfthematik zuträglich ist, müssen Sie selbst beantworten – ich glaube es nicht. (Beifall bei der FPÖ.)

11.56


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Kucher ist zu Wort gemeldet. – Bitte.



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11.56.50

Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kolle­gen! Kollege Amesbauer, du hast dich jetzt wortreich beschwert und gesagt, es ist eine Themenverfehlung, weil es ja nicht um pro und contra Impfen geht, um dann selbst wortreich deine Meinung bezüglich pro und contra Impfen zum Besten zu geben, das war schon sehr intensiv jetzt. (Abg. Amesbauer schüttelt den Kopf.) Ich möchte nur grundsätzlich noch ein paar Dinge klarstellen, weil wir die Debatten hier zum Corona­management ja jetzt schon viele Monate führen.

Wir haben am Beginn der Krise immer gesagt: Das Wichtigste in der Krise ist das Ver­trauen der Bevölkerung, dass wir die Krise miteinander meistern und dass die Maßnah­men der Regierung evidenzbasiert und unter breiter Einbindung der Wissenschaft erfol­gen. Ich sage sehr offen – Kollegin Schwarz wird das mitbekommen haben –, ich war nicht glücklich darüber, als Sebastian Kurz gesagt hat: Man muss die Menschen anlügen und sagen, dass Oma und Opa vielleicht sterben werden und dass 100 000 Tote zu befürchten sind! (Abg. Gabriela Schwarz: Vorsicht mit dem Wort Lüge!), weil wir natürlich auch wissen, dass es vielleicht kurzfristig funktioniert, den Menschen Angst einzujagen, dass aber langfristig dadurch Vertrauen kaputtgemacht wird. (Abg. Gödl: Letztklassig! Letztklassig!)

Das haben wir ja gemeinsam kritisiert, dass, wenn man Menschen Angst macht und Unwahrheiten erzählt, das Vertrauen eben verloren geht. Das haben wir ja miteinander auch erlebt und das war ja auch ein Feedback in einem Hearing des Gesundheits­aus­schusses, wo Ärzte zu uns gesagt haben, dass sie deswegen den Krisenstab verlassen haben, weil inzwischen mehr Marketingmitarbeiter von Sebastian Kurz drinnen geses­sen sind und die mehr zu reden gehabt haben. (Abg. Gödl: Letztklassig! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Die Experten sind hier in diesem Haus gesessen und haben gesagt, dass sie rausgegangen sind, weil die Ärzte plötzlich weniger zu reden gehabt haben als die PR-Experten von Sebastian Kurz.

Aber regen Sie sich nicht so auf! Es ist ja leider so, dass es da inzwischen zwei Seiten gibt. Es gibt auf der einen Seite die ÖVP, die versucht, so eine Art Krisenmarketing zu machen, im Rahmen dessen Sebastian Kurz versucht, die Krise zu nutzen. Was jetzt aber leider auch von der FPÖ gekommen ist: So geht es halt dann auch nicht! Es gibt auch genug Bereiche – leider –, in denen Österreich wirklich schlecht durch die Krise gekommen ist, in denen die Regierung wirklich viel kaputtgemacht hat, nicht deswegen, weil sie es nicht besser kann, sondern weil Marketing und Inszenierung wichtiger waren als Krisenmanagement.

Die Freiheitlichen – als ob die Kritik nicht schon reichen würde, die Wahrheit nicht schon schlimm genug wäre – drucken dann aber noch Gschichtln und erzählen irgendwelche Coronageschichten und Impfgeschichten. Also was Kollege Hauser da erzählt hat: Fantasiezahlen, dass man glauben könnte, er ist sozusagen der Impfexperte weltweit, dieselbe Geschichte, die ich bei Kurz und Schramböck kritisiert habe, als sie gesagt haben: Wir brauchen keine EMA für die Arzneimittelzulassung, das machen wir gleich in Österreich! Frau Schramböck hat gesagt: Das ist alles viel zu bürokratisch! Ich meine, die kennt sich da aus. Dass ihr aber jetzt den gleichen Weg geht und sagt: Ob eine Impfung gut ist oder nicht, das entscheidet Herr Hauser!, das ist doch bitte kein solider Zugang und das verunsichert natürlich die Bevölkerung. (Beifall bei der SPÖ.)

Ja, und leider sind wir so weit: Wir haben die Polarisierung von Sebastian Kurz, der Gott und der Welt erzählt, er ist der Messias und der große Krisenmanager, der uns durch diese Krise gebracht hat, und auf der anderen Seite haben wir dann die Freiheitlichen, die mit Halbwahrheiten, Unwahrheiten und irgendwelchen Impfverschwörungen hantie­ren. Bitte wirklich, hört doch damit auf! (Zwischenruf des Abg. Wurm.) Es geht um die


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Gesundheit der Menschen. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Schauen wir, dass wir aus dieser Krise rauskommen, dass wir in Österreich wirklich wieder einen guten Weg gehen können, dass die Menschen wieder Arbeit haben und dass wir endlich diese Coronakrise hinter uns lassen!

Es gibt genug Kritik, die ihr an die ÖVP richten könnt – Sebastian Kurz hat viel kaputt­gemacht –, da braucht man keine Verschwörungstheorien. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

12.00

12.00.04


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ich weise das Volksbegehren Für Impffreiheit, 773 der Beilagen, dem Gesundheitsaus­schuss zu.

12.00.163. Punkt

Erste Lesung: Volksbegehren „Ethik für ALLE“ (772 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 3.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Taschner. – Bitte.


12.00.32

Abgeordneter Mag. Dr. Rudolf Taschner (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus! Nach diesen Redebeiträgen, die doch irgendwie sehr eigenartig und ziemlich irrational waren, versuche ich, bei dem Volksbegehren, das jetzt zur Sprache kommt, wieder in die rationale Phase zurückzukehren. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Die Anliegen des Volksbegehrens Ethik für alle sind auf den ersten Blick eigentlich sehr gut nachvollziehbar und klingen vernünftig, aber wenn man es genauer betrachtet, ergeben sich doch Gedanken, die zur Skepsis Anlass geben. Ich möchte Ihnen zwei dieser Gedanken nahebringen. (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)

Der erste Gedanke, der Skepsis nahelegt, betrifft die Erfahrung, die man damit hat, wenn man den Religionsunterricht aus der Schule zu verdrängen versucht oder ihn dort überhaupt nicht zulässt, wie es zum Beispiel im laizistischen Frankreich der Fall ist. Im laizistischen Frankreich wird in etwa das durchgeführt, was das Volksbegehren inten­diert. Es zeigt sich, dass die Erfahrungen, die man daraus gewonnen hat, nicht gut sind, denn was sich ergibt, ist, dass trotzdem – aber dann nicht in der Schule, sondern in Hinterhöfen – Religion unterrichtet wird, zum Teil auch eine Religion, die völlig missio­narisch abseits der Ideale der Aufklärung indoktriniert. Das ist etwas, das wir nicht haben wollen, das soll in Österreich nicht der Fall sein. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Der andere Gedanke ist mehr prinzipieller Natur. Diejenigen, die dieses Volksbegehren eingebracht haben, sind einem Verein nahe, der formuliert: „Religion ist Privatsache“. – Das klingt interessant, ist aber vielleicht ein Missverständnis. Religion ist nicht Privat­sache, sondern der Glaube; dieser ist sicher Privatsache. Was jemand glaubt – egal ob er an die Natur glaubt, wie es ein paar grün motivierte Menschen sicherlich tun, ob er an die Geschichte glaubt, wie es Georges Danton getan hat, der ja davon gesprochen hat, er werde „im Pantheon der Geschichte“ verewigt, oder ob er an den Weingott Bacchus glaubt, wie es einst ein Wiener Bürgermeister getan hat –, all das, woran man glaubt, geht niemanden etwas an.


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Es gibt aber Glaubensweisen, bei denen sich Menschen zusammenfinden, die sozu­sa­gen denselben Glauben haben. Die bilden dann eine Religionsgemeinschaft, und eine Religionsgemeinschaft ist politischer Natur. Sie kann gar nicht unpolitisch sein, sie ist ja in der Öffentlichkeit. So tut der Staat gut daran, zu entscheiden, dass gewisse Religions­gemeinschaften anerkannte Religionsgemeinschaften sind. Warum anerkannt? – Weil sie erstens mit den Idealen der Aufklärung kompatibel sind, jedenfalls so, wie sie sich jetzt darstellen, und weil sie zweitens auch mit der Verfassung des Staates kompatibel sind, der ja völlig unabhängig vom Glauben des Einzelnen ist, der ja ganz privat ist.

Es ist daher im Interesse des Staates, nicht nur solche Religionsgemeinschaften anzuer­kennen, sondern auch zuzulassen, ja sogar zu fördern, dass diese Religionen in den Schulen unterrichtet werden, weil dann nämlich die Möglichkeit besteht, dass man das kontrolliert. Diese Kontrolle ist entscheidend dafür, zu sehen, ob dieser Unterricht nicht missionarisch erfolgt, sondern wirklich, wie ich schon sagte, „kompatibel mit den Idealen der Aufklärung“ ist.

Dieser Gedanke ist für mich sehr wesentlich, wenn man die Anliegen des Volksbe­gehrens betrachtet. Wir werden dann in der Diskussion, die im Ausschuss erfolgen wird, sehen, wie diese, meine Gedanken mit den Vorstellungen, die die Befürworter des Volks­begehrens haben, zusammenpassen werden. Ich bin sehr gespannt auf diese Diskussion. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP und bei Ab­geordneten der Grünen.)

12.04


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Petra Vorderwinkler. – Bitte.


12.04.45

Abgeordnete Petra Vorderwinkler (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrtes Hohes Haus! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Herr Dr. Taschner, eines möchte ich richtigstellen, und zwar: Der Ethikunterricht, wie er im Volksbegehren gefordert wird, soll nicht den Religionsunterricht ersetzen, sondern zusätzlich stattfinden. (Beifall bei Abge­ordneten der SPÖ.)

Was ist Ethik überhaupt? – Ethik umfasst die Begriffe Gerechtigkeit, Moral, Werte, Kom­munikation, Würde, Verantwortung. Das alles umfasst Ethik, und die Ethik befasst sich mit dem menschlichen Handeln, mit gutem und schlechtem Handeln und mit dessen Bewertung.

Ganz früh lernen Kinder die goldene Regel: Was du nicht willst, dass man dir tu, das füg auch keinem andern zu! – Bereits mit circa zehn Jahren können sie gut zwischen dem, was sie tun sollen und müssen, und dem, was in einem geordneten Zusammenleben – über die Familie hinaus – einfach nicht tragbar ist, unterscheiden. Das lernen sie meis­tens in der Familie, aber über die Familie hinaus brauchen sie Gelegenheiten und Mög­lichkeiten, Erfahrungen zu sammeln, wie sie ihre eigenen Gefühle einschätzen, wie sie mit Wut und Aggression umgehen können, wie sie die eigenen Grenzen und die des anderen akzeptieren lernen und auch wie sie Konflikte gewaltfrei lösen können.

Ich erinnere daran, dass heuer in Österreich bis zum heutigen Tag bereits 14 Frauen ermordet worden sind. Gewalt ist also ein Thema. Konzepte für Opferschutz und Tätertherapien sind wichtig, notwendig und richtig, aber wir müssen bereits in der Schule und bei den Kindern anfangen.

Da komme ich zum Ethikunterricht. Ein Schulfach Ethik würde genau dieser Prävention Raum geben. Es wäre die Zeit und es wäre der Raum, um wirklich eine Wertevermittlung vorzunehmen. Es wäre auch der Raum für alle Themen, die die Kinder und Jugendlichen


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beschäftigen. Ich erinnere auch an die hohen psychischen Belastungen, die derzeit vor­herrschen.

Wir können jetzt den Samen für eine friedlichere Gesellschaft von morgen säen, wenn wir jetzt die notwendigen Rahmenbedingungen dafür setzen. Der Vorschlag der Regie­rungsparteien für den Ethikunterricht ab Herbst hat, mit Verlaub, schwerwiegende Mängel und ist diskriminierend, weil er nur für jene, die sich vom Religionsunterricht abgemeldet haben, und für jene Kinder, die kein Religionsbekenntnis haben, gilt, und das alles auch nur in der Oberstufe. Ich frage an dieser Stelle: Warum dürfen andere Kinder nicht die Chance bekommen, einen ordentlichen Werteunterricht zu haben? (Beifall bei der SPÖ.) Wir wollen Ethik für alle.

Eine fortschrittliche Regierung, der wirklich an Frieden, an Gesundheit, an echter Ge­waltprävention gelegen ist, investiert jetzt in die heranwachsende Generation. Es werden gerade Lehrpläne überarbeitet, und es gäbe jetzt die echte Chance, eine Ände­rung im Bildungssystem vorzunehmen. Im § 2 Schulorganisationsgesetz, bei der „Auf­gabe der österreichischen Schule“, steht sogar der Auftrag dazu, wonach die Schule „Freiheits- und Friedensliebe“ zu fördern hat. Denken Sie bitte darüber nach! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

12.07


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Hermann Brückl. – Bitte.


12.08.00

Abgeordneter Hermann Brückl, MA (FPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren! Hohes Haus! Beinahe 160 000 Menschen haben diese Initiative, das Volksbe­gehren Ethik für alle unterschrieben. Sie haben damit ein deutliches Zeichen gesetzt, dass ihnen dieses Thema wichtig ist.

Es ist aber genauso wichtig, dass wir gerade in Zeiten wie diesen, in denen alle Schein­werfer in Wirklichkeit auf ein Geschehen gerichtet sind, nämlich auf die Coronapan­demie, die anderen Bereiche in der Bildung nicht vergessen. Schon alleine deswegen freue ich mich auf interessante, spannende und angeregte Ausführungen im Ausschuss, auch auf ein gutes Expertenhearing.

Wir leben in Zeiten einer zunehmend pluralistischen Gesellschaft, und es ist dringend geboten, dass wir von der europäischen Tradition stammende Werte und Normen auf ein gemeinsames Fundament stellen, weil gerade die Schulzeit jene Zeit ist, die unsere Jugend massiv prägt.

Unser freiheitlicher Zugang zum Thema Ethikunterricht in den Schulen ist bekannt. Es gibt dabei aber auch einige Grundsätze, die es für uns einfach einzuhalten gilt, die wir auch weiterhin verfolgen werden, was uns jedoch nicht in unserer Kompromissfähigkeit in der weiteren Diskussion und Debatte beeinträchtigen soll.

Vorweg: Auch für uns ist klar, der Ethikunterricht kann keine Konkurrenz zum Religions­unterricht darstellen und darf diesen auch nicht aus den Schulen verdrängen. Bei all der breit gefächerten Diskussion ist es uns auch ganz besonders wichtig – und das muss auch jedem klar sein –, dass Kindererziehung nicht Aufgabe der Schule ist, sondern dass Kindererziehung Aufgabe der Eltern ist. Das ist Sache der Familien, und das muss auch so bleiben. Das ist eine Grundvoraussetzung auch für die Diskussion über den Ethikunterricht.

Uns ist wichtig, dass der grundlegende Zugang für Ethikunterricht in den Schulen die Philosophie bleibt. Die Wissensvermittlung muss darauf abzielen, dass unsere Jugend zu einem eigenständigen Denken angehalten und animiert wird, damit ihnen dieses


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ethisch-moralische Handeln, das wir alle voraussetzen und haben wollen, einfach möglich ist. Die Bereitschaft der Jugend, einerseits für sich selbst, andererseits aber auch für die Gesellschaft Verantwortung zu übernehmen, muss massiv gestärkt werden.

Herr Prof. Taschner, Sie haben vorhin von der Religion in den Hinterhöfen gesprochen, die die Jugend indoktriniert. Wir dürfen das Kind auch beim Namen nennen, es geht dabei um den Islam. Es geht um eine Radikalisierung junger Menschen im Sinne des politischen Islam. Auch das lehnen wir natürlich massiv ab, und auch das muss im Ethikunterricht entsprechenden Anklang finden.

Ethikunterricht an den Schulen ist wichtig. Wohin man sich entwickeln wird, wie die künftige Form dieses Unterrichts aussehen wird, wer an welchen Schulen unterrichten wird, das gilt es jetzt zu diskutieren.

Bei all diesen Diskussionen dürfen wir aber auf die wichtigsten Fragen im Bildungs­bereich in der jetzigen Phase nicht vergessen: Unsere Kinder müssen die Grundkom­peten­zen in Rechnen, Schreiben und Lesen beherrschen, und daher lehnen wir grund­sätzlich auch diesen Ethikunterricht in den Volksschulen ab. Die Politik darf unsere Kinder nie mehr aus den Schulen aussperren, und der Unterricht mit Test und mit Maske – es ist ja völlig widersinnig, zuerst zu testen und dann dennoch die Maske zu tragen – muss ein Ende haben. Ich lehne es zutiefst ab, wenn ich höre, wie der Wiener Vizebürgermeister in einer heutigen Pressekonferenz meint, der Testwahnsinn, das Pickerlsammeln wird im Herbst weitergehen. Diese Testerei und dieser Masken­wahn­sinn machen krank. (Beifall bei der FPÖ.)

Das macht unsere Kinder krank, und das muss ein Ende haben – keine Tests, keine Masken mehr! Es gibt Alternativen, die das völlig unnötig machen. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf der Abg. Steinacker.)

12.12


Präsidentin Doris Bures: Frau Abgeordnete Sibylle Hamann gelangt als Nächste zu Wort. – Bitte.


12.12.27

Abgeordnete Mag. Sibylle Hamann (Grüne): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Initiatoren und Initiatorinnen dieses Volksbegehrens! Liebe alle und viele Menschen, die dieses Volksbegehren unterschrieben haben! Sie haben vollkommen recht: Ethik brauchen wir alle, und zwar im Alltag, im Wirtschaftsleben und – ich sage das auch hier jetzt noch einmal deutlich – auch in der Politik. Weil man damit früh anfangen muss, brauchen wir selbstverständlich auch Ethik in der Schule, und zwar für alle Kinder und irgendwann einmal auch ab der 1. Klasse und – so weit würde ich gehen – sogar schon im Kindergarten. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Deswegen gilt mein Dank den InitiatorInnen dieses Volksbegehrens dafür, dass Sie dieses Ziel formuliert haben. Dieses Ziel verbindet Sie mit uns Grünen, und es sind ganz sicher auch ganz viele von unseren WählerInnen und SympathisantInnen bei den Unterzeichnern dabei.

Jetzt geht es allerdings um den Weg dorthin. Ja, diesen Weg gehen wir gemeinsam mit der ÖVP. Das ist nicht genau derselbe Weg, den wir vielleicht alleine gegangen wären, er führt aber in die richtige Richtung, und wir gehen mit großen Schritten voran. Ich umreiße diese Schritte, die wir in die richtige Richtung machen.

Erster Punkt: Nach 20 Jahren Schulversuch verankern wir jetzt endlich Ethik in den Lehrplänen als Pflichtfach ab dem Schuljahr 2021/22. (Beifall bei den Grünen und bei


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Abgeordneten der ÖVP.) Ja, wir beginnen in der Oberstufe, wir werden das Schritt für Schritt auf immer weitere Schulstufen ausweiten.

Zweitens: Wir etablieren eine fundierte Pädagogikausbildung für das Fach Ethik. Das betrifft nicht nur die bestehenden Lehrgänge, sondern wir bauen selbstverständlich auch ein vollwertiges Lehramtsstudium auf. Darauf freuen wir uns.

Dritter Punkt: Da gibt es vielleicht einen Dissens zu den InitiatorInnen des Volksbe­gehrens, diese wollen nämlich Religionslehrkräfte grundsätzlich davon ausschließen, dieses Fach zu unterrichten. Das wollen wir nicht, und ich sage hier ausdrücklich: Viele Religionspädagogen und -pädagoginnen leisten auch in diesem anderen Fach, in beiden Fächern großartige Arbeit. Das sind aufgeschlossene, verbindende, integrative Persön­lich­keiten, die gute Arbeit machen. Wir werden aber selbstverständlich auch ganz gezielt um möglichst viele Lehrkräfte aus unterschiedlichsten Fächern mit verschiedensten Hintergründen werben, die wir für dieses Fach gewinnen wollen, denn je mehr Vielfalt, desto besser – das ist überhaupt ein grüner Grundsatz.

Viertens: Wir werden alles tun, damit dieses Fach Ethik verbindend wirkt, auch in den Schulen und im Schulalltag. Wir haben dazu eine schöne Möglichkeit geschaffen. Die Religionsstunde soll im Regelfall gleichzeitig mit der Ethikstunde stattfinden. Das öffnet die Tür für gemeinsame Projekte, gemeinsamen Unterricht, gemeinsame Diskus­sio­nen – das wollen wir in jedem Bereich fördern.

Fünfter Punkt: Wir haben – das vielleicht an Kollegin Vorderwinkler – unter breiter Be­teiligung von Experten und Expertinnen aus verschiedensten Disziplinen und Bereichen bereits großartige Lehrpläne ausgearbeitet. Es werden alle wichtigen Fragen des Lebens thematisiert, der Umgang der Menschen miteinander, untereinander, mit ande­ren, der Umgang mit der Natur, mit dem Körper, mit Ökonomie, mit Politik, mit Verschie­denheit und auch mit Konflikten. Schauen Sie sich das an, diese Lehrpläne waren schon in Begutachtung und sind öffentlich zugänglich! Ich hätte all das, was da gelehrt und gelernt wird, wahnsinnig gerne selbst in der Schule gehabt. Ich freue mich, dass es ab dem kommenden Schuljahr noch wesentlich mehr Kinder als zuvor lernen werden, und ich freue mich darauf, dass am Ende alle Kinder Ethik in der Schule lernen werden. – Herzlichen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

12.16


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Martina Künsberg Sarre. – Bitte.


12.16.40

Abgeordnete Mag. Martina Künsberg Sarre (NEOS): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Werte Zuschauerinnen und Zuschauer! Zuerst bedanke ich mich auch bei den Initia­torinnen und Initiatoren des Volksbegehrens und vor allem auch bei den zahlreichen Unterstützern, die für einen Ethikunterricht für alle an den Schulen unterschrieben haben.

Warum ist dieses Volksbegehren so wahnsinnig wichtig? – Weil die türkis-grüne Regie­rung es leider letzten Herbst verabsäumt hat, diese historische Chance am Schopf zu packen und endlich einen Ethikunterricht für alle einzuführen. Stattdessen ist ein diskri­minierender Ethikunterricht für alle gekommen, die keiner Religion angehören bezie­hungsweise sich vom Religionsunterricht abmelden, und das auch erst ab der Oberstufe. (Abg. Taschner: Das ist nicht diskriminierend!)

All die Geschehnisse, beispielsweise der Amoklauf am 2. November letzten Jahres, aber auch die vielen Frauenmorde, die Gewalt in der Familie, die im letzten Jahr wieder zuge­nommen haben, verdeutlichen ja noch mehr, wie wichtig ein gemeinsamer Ethikunter­richt wäre. (Beifall bei den NEOS.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll105. Sitzung, 19. Mai 2021 / Seite 67

Sie setzen Ethikunterricht immer mit so etwas wie Religionsunterricht gleich. Das stimmt einfach nicht, denn im Ethikunterricht geht es um die gemeinsame Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Werthaltungen, Standpunkten, um ergebnisoffenen Diskurs. Das fördert das Gefühl von Toleranz, das fördert das Gefühl von Verständnis und fördert auch, eine pluralistische Gesellschaft besser zu verstehen. (Abg. Taschner: Das gelingt auch im Religionsunterricht!) – Ja, ich weiß nicht, Sie fürchten sich halt immer vor allem Neuen. Es heißt ja nicht, dass das eine wegkommen muss, wenn das Neue kommt, aber die ÖVP sieht das offensichtlich so.

Dass der Religionsunterricht und der Ethikunterricht zeitgleich stattfinden sollen, finde ich gut, es ist eine hehre Aufgabe. Aus den Schulen hört man aber natürlich schon auch, dass die Organisation, den Religionsunterricht und den Ethikunterricht zeitgleich statt­finden zu lassen, wenn es mehrere Klassen betrifft, natürlich nicht so einfach ist. (Abg. Taschner: Na, bitte!)

Sie haben sich halt für eine typisch österreichische Lösung entschieden: quasi ein bisschen etwas vom Neuen und das Alte ja nicht loslassen. Zu den Grünen muss ich jetzt einmal sagen: Ich kann es, ehrlich gesagt, schon nicht mehr hören. Es kommt immer diese Ausrede: Wir würden ja gerne, aber mit der bösen ÖVP kann man das alles nicht machen. – Wenn man weiß, wie schleppend und langsam sich das österreichische Bildungssystem entwickelt und wie wenig Innovation dort hineinkommt, können Sie doch nicht sagen, wir gehen mit großen Schritten zu einem Ethikunterricht für alle. Sie machen es sich leicht! Sie sitzen dann immer im Ausschuss und sagen: Wir würden eh gerne, es geht aber leider nicht.

Also ich freue mich auf den Austausch in der nächsten Sitzung des Unterrichts­aus­schusses. Da können Sie endlich auch einmal Farbe bekennen, wenn schon so viele Unterzeichner von Ihnen dabei sind. (Beifall bei den NEOS.)

12.20


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Gertraud Salzmann. – Bitte.


12.20.12

Abgeordnete MMMag. Gertraud Salzmann (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher daheim vor den Bildschirmen! Ja, meine Damen und Herren: Wir wollen Ethik für alle in den Schulen. Ja, wir wollen diese ethische Grundbildung für alle Schülerinnen und Schüler, das ist für uns von der ÖVP klar.

Wir diskutieren heute das Volksbegehren Ethik für alle, das in erster Lesung im Natio­nalrat vorliegt. Es ist uns wichtig, diese Volksbegehren – es ist ja das dritte, das wir heute diskutieren und debattieren – ernst zu nehmen, weil sie ein direktes demokratiepoliti­sches Instrument sind, mit dem sich die Menschen direkt zu Wort melden können. 160 000 Unterzeichner zeigen, dass dieses Thema wichtig ist und vielen unter den Nägeln brennt.

Wir wollen diese ethische Grundbildung für alle Schülerinnen und Schüler, weil sie wichtig und weil sie notwendig ist. Wir als ÖVP bekennen uns zu einer verpflichtenden Werteerziehung in den Schulen, weil sie wichtig ist. Sie stärkt in einem Umfeld, das immer stärker multikulturell geprägt ist, die Kinder und Jugendlichen in ihrer Werte­erzie­hung. Sie befähigt sie, Handlungsoptionen zu erwägen, ethische Entscheidungen zu treffen, eine Orientierung für ein gelingendes Leben zu geben und die Gesellschaft mit­zugestalten.

Ja, wir wollen diese ethische Bildung in den Schulen. Als Pädagogin sehe ich, dass der schulische Religionsunterricht seit vielen Jahren hervorragend funktioniert, dass er ein


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wesentlicher Beitrag zur Menschen- und zur Persönlichkeitsbildung in den Schulen ist und dass der Lehrplan des Religionsunterrichtes viele ethische Themen beinhaltet. Sie wurden gerade erst ausgewählt und auch klargemacht. (Beifall bei der ÖVP.)

Den Religionsunterricht in den Schulen zu halten gewährleistet aus unserer Sicht, dass wir die Auswahl, die Ausbildung der Lehrerinnen und Lehrer gut im Blick haben und dass wir auch die Inhalte, die dort gebracht werden, gut im Blick haben können. Wir wollen nicht, dass der Religionsunterricht an den Rand gedrängt wird oder gar in den Hinterhöfen stattfindet und so ein Einfluss auf die junge Generation genommen wird, den wir ablehnen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ein Ethikunterricht für all jene, die nicht im konfessionellen Religionsunterricht sind, und für all jene, die ohne Bekenntnis sind, ist aus meiner Sicht wertvoll. Ich komme aus einer Schule, in der der Ethikunterricht seit vielen Jahren als Schulversuch Praxis ist. Frau Kollegin Künsberg Sarre von den NEOS: Ich verstehe nicht, warum das organisatorisch nicht gehen soll. Ich verstehe auch nicht, dass ihr mit dem Ethikunterricht politisches Kleingeld schlagen wollt. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Künsberg Sarre.)

Eine Auseinandersetzung mit den ethischen Themen leistet einen wichtigen Beitrag für die Demokratieerziehung, aber auch für die Fundamentalismusvermeidung. Wir als ÖVP bekennen uns zu einem konfessionellen Religionsunterricht, wie er auch im Staats­grundgesetz und im Konkordat verankert ist. Wir wollen auch den Ethikunterricht für all jene, die nicht im konfessionellen Religionsunterricht sind, weil wir uns für die ethische Bildung aller Schülerinnen und Schüler engagieren. Daher werden wir diesen Ethik­unterricht für diejenigen, die nicht im konfessionellen Unterricht sind, auch ab Herbst 2021 in den Schulen umsetzen. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Hamann.)

12.24


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Klaus Köchl. – Bitte.


12.24.23

Abgeordneter Klaus Köchl (SPÖ): Geschätzte Frau Präsidentin! Geschätzte Kollegin­nen und Kollegen! 160 000 Personen haben dieses Volksbegehren unterschrieben. Ich glaube, dass das sehr, sehr in Ordnung ist. Die Ethik ist ja jener Teilbereich der Philo­sophie, der sich mit den Voraussetzungen und der Bewertung von menschlichem Handeln befasst, er betrifft das methodische Nachdenken über die Moral.

Ich glaube, das ist ganz wichtig, auch für viele, die heute hier anwesend sind. Ich glaube, dass das irrsinnig wichtig ist, und das zeigen auch die Frauenmorde in letzter Zeit. Ich glaube nicht, dass Menschen den Unterschied zwischen Religionsunterricht und Ethik­unterricht nicht so genau nehmen, wie Frau Nationalrätin Salzmann meint. Ich bin ein sehr gläubiger Mensch, ich glaube an Gott, und das ist mir sehr, sehr wichtig, aber ich glaube, dass in einer Gesellschaft, in der verschiedene Religionen zusammenkommen, schon im Kindergarten mit dem Ethikunterricht begonnen werden muss – für alle gleich, nicht geteilt in katholischen Religionsunterricht und in irgendeinen anderen Unterricht, was es halt auch gibt; bei uns Kärnten gibt es ja fast nur katholischen Religionsunterricht.

Das gehört umgesetzt, und dann wird es ein Gemeinsames und ein Miteinander geben. Nur so wird man, glaube ich, in Zukunft diese schlimmen Dinge verhindern können. Wir machen das ja nicht nur bei den Kindergartenkindern und bei den Volksschulkindern noch nicht, sondern wir vergessen es – das sage ich als Lehrlingssprecher ganz klar – auch bei den Lehrlingen. Deshalb ist uns Sozialdemokraten wichtig, dass man dafür eintritt, dass alle Menschen – und das früh genug – Zugang zum Ethikunterricht bekom­men.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll105. Sitzung, 19. Mai 2021 / Seite 69

Manche Menschen brauchen kirchliche Strukturen, und viele Menschen brauchen in der Gesellschaft ein gleichgestelltes Miteinander, ohne Gewalt wollen sie leben. Gegenüber Schwächeren sollte man Akzeptanz und Toleranz zeigen. Das kann meines Erachtens nur sichergestellt werden, wenn man früh genug mit dem Ethikunterricht beginnt. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Künsberg Sarre.)

12.26


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Nurten Yılmaz. – Bitte.


12.26.53

Abgeordnete Nurten Yılmaz (SPÖ): Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich weiß jetzt nicht mehr, wie oft wir Ethik für alle, Ethikunterricht für alle hier im Par­lament schon diskutiert haben, hier im Plenum beziehungsweise im zuständigen Aus­schuss, im Unterrichtsausschuss. Es ist den Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP noch nicht gelungen, mir zu erklären, warum sie den Ethikunterricht als Konkurrenz zum Religionsunterricht sehen; und das tun Sie, weil Sie ab dem Herbst 2021 Ethikunterricht für jene ermöglichen, die keinen Religionsunterricht besuchen. Sie ermöglichen nur der Oberstufe einen Ethikunterricht, nicht der Unterstufe, nicht den Volksschülern, nicht den Lehrlingen, nicht jenen, die einen polytechnischen Lehrgang besuchen.

Sie erreichen mit dieser Maßnahme, auf die Sie stolz sind, also nicht einmal 10 Prozent der Schülerinnen und Schüler in Österreich. Das ist uns zu wenig! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Künsberg Sarre.)

Wir haben die historische Chance, jetzt damit zu beginnen und Ethikunterricht für alle – dieses Volksbegehren heißt ja auch so: Ethik für alle – und nicht für Handverlesene, die den Religionsunterricht nicht besuchen, zu ermöglichen. Dass das nicht passiert, finde ich besonders schade. Ich glaube, dass es alle Jugendlichen und Kinder in unserem Land verdienen, sich mit ihrem Dasein, mit den Werten der anderen, mit den Werten ihrer Eltern oder ihrer Freundinnen und Freunde zu beschäftigen und darüber in einem sicheren Raum, wie es das Klassenzimmer sein kann, mit einer Ethiklehrerin oder einem Ethiklehrer zu diskutieren. (Abg. Taschner: Im Religionsunterricht geht das genauso!) – Wieso sehen Sie das immer als Konkurrenz? Das ist es nicht! Es bedingt nicht das eine das andere. Das ist die Sackgasse. Aus dieser Sackgasse werden Sie nicht rauskom­men, solange Sie Religions- und Ethikunterricht immer gegenüberstellen. Das ist nicht der Fall. (Abg. Taschner: Parallel! Parallel!)

Haben Sie keine Angst! Sie brauchen keine Angst zu haben. Ich sage Ihnen: Wir werden davon profitieren, wenn sich unser Nachwuchs schon im Kindesalter, im jugendlichen Alter mit Unrechtsbewusstsein auseinandersetzt. (Zwischenruf des Abg. Taschner.) Das ist nämlich das, was der jetzigen Regierung fehlt – das Unrechtsbewusstsein. (Abg. Zarits: Das ist ein Wahnsinn! – Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Taschner.) – Das ist ein Wahnsinn? Ich finde das auch! Das empfinden sehr viele Wählerinnen und Wähler, die darunter leiden. Was ist Unrecht und was ist Recht? Diese Unterscheidung fehlt Ihnen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich finde, wir können uns im Ausschuss noch einmal mit den Forderungen des Volksbe­gehrens auseinandersetzen. Immerhin haben es 160 000 Menschen unterschrieben, und es ist es wert, dass wir ernsthaft darüber diskutieren – nicht nur im Hinblick auf 10 Prozent der Schülerinnen und Schüler unseres Landes. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

12.30

12.30.25



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll105. Sitzung, 19. Mai 2021 / Seite 70

Präsidentin Doris Bures: Zu Tagesordnungspunkt 3 ist nun niemand mehr zu Wort gemeldet.

Damit ist diese Debatte geschlossen.

Ich weise das Volksbegehren Ethik für alle, 772 der Beilagen, dem Unterrichtsausschuss zu.

12.30.464. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (663 d.B.): Bundes­ge­setz, mit dem das Bankwesengesetz, das Börsegesetz 2018, das Finalitäts­ge­setz, das Finanzmarkt-Geldwäsche-Gesetz, das Sanierungs- und Abwicklungsge­setz, das Wertpapieraufsichtsgesetz 2018 und das Zentrale Gegenparteien-Vollzugsge­setz geändert werden (831 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir zum 4. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Karlheinz Kopf. – Bitte.


12.31.13

Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir tun gut daran, das Geld der Menschen, das auf dem Kapitalmarkt oder bei Banken im Umlauf ist, durch entsprechende Regulatorien und auch durch eine ent­sprechende Aufsicht über das Bankwesen und den Kapitalmarkt zu schützen. Wir tun gut daran, aus Ereignissen, die halt – in Gottes Namen, hätte ich gesagt – passieren und immer wieder einmal vorkommen, zu lernen, sodass dies in unseren Regulatorien letzten Endes auch Berücksichtigung findet. Am besten ist es, wenn dies auch noch auf ge­samteuropäischer oder internationaler Ebene passiert, damit die Spielregeln möglichst einheitlich sind.

Wir tun dies jetzt in Umsetzung des – nach EU-Vorgaben – sogenannten Pakets über risikoreduzierende Maßnahmen. Wir ändern dazu das Bankaufsichts- und Bankabwick­lungsrecht gemäß der vorliegenden Regierungsvorlage, schließen regulatorische Lücken, erweitern die Handlungsfähigkeit der Behörden und steigern durch diese Geset­zesvorlage auch deren Effektivität. Mit diesem Vorhaben setzten wir zumindest einen Teil der Empfehlungen des Abschlussberichtes der Arbeitsgruppe Bankenaufsicht aus Anlass der Vorkommnisse bei der Commerzialbank Mattersburg um.

Zu all dem habe ich noch einen Abänderungsantrag einzubringen, den ich in seinen Grundzügen erläutern darf: Es geht vor allem um eine Änderung zum Beispiel zu Ziffer 24 in § 3 Abs. 7 lit. c, die Rückführung einer Ausnahme, die im Begutachtungs­entwurf enthalten war, nämlich das Ganze auf die betrieblichen Vorsorgekassen bei­spielsweise nicht anzuwenden. Dies ist sehr positiv und war im Begutachtungsentwurf enthalten, ist aber in der vorliegenden Regierungsvorlage weggefallen. Diese Ausnahme wird jetzt wieder, neben ein paar anderen auch diese Materie betreffenden Abände­run­gen, verankert.

*****

Ich darf Sie daher bitten, dieser Gesetzesvorlage in der Form des Abänderungsantrages der Abgeordneten Karlheinz Kopf und Nina Tomaselli zuzustimmen und gemeinsam mit unseren Stimmen zu beschließen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

12.34


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll105. Sitzung, 19. Mai 2021 / Seite 71

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Karlheinz Kopf, Mag. Nina Tomaselli,

Kolleginnen und Kollegen

zum Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (663 d.B.) betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bankwesengesetz, das Börsegesetz 2018, das Finali­tätsgesetz, das Finanzmarkt-Geldwäsche-Gesetz, das Sanierungs- und Abwicklungs­ge­setz, das Wertpapieraufsichtsgesetz 2018 und das Zentrale Gegenparteien-Vollzugsge­setz geändert werden (831 d.B.)

Der Nationalrat wolle in 2. Lesung beschließen:

Der dem Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (663 d.B.) betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem das Bankwesengesetz, das Börsegesetz 2018, das Finalitätsgesetz, das Finanzmarkt-Geldwäsche-Gesetz, das Sanierungs- und Abwick­lungsgesetz, das Wertpapieraufsichtsgesetz 2018 und das Zentrale Gegenparteien-Vollzugsgesetz geändert werden (831 d.B.) angeschlossene Gesetzentwurf wird wie folgt geändert:

1. In Artikel 1 wird in Z 18 (§ 3 Abs. 1 Z 7) nach der Wortgruppe „der §§ 22 bis 24d,“ die Wortgruppe „39 Abs. 2d in Verbindung mit 69 Abs. 3,“ eingefügt.

2. In Artikel 1 wird in Z 21 (§ 3 Abs. 1 Z 11 lit. b) die Wortgruppe „§§ 38 bis 39b“ durch die Wortgruppe „§§ 38 bis 39b mit Ausnahme des § 39 Abs. 2d in Verbindung mit § 69 Abs. 3“ ersetzt.

3. In Artikel 1 wird in Z 24 (§ 3 Abs. 7 lit. c) nach der Wortgruppe „dieses Bundesgesetzes und“ die Wortgruppe „Art. 89 bis 91 sowie“ eingefügt.

4. In Artikel 1 wird in Z 48 (§ 23e Abs. 7) die Wortgruppe „unter 3vH“ durch die Wortgruppe „bis zu 3vH“ ersetzt.

5. In Artikel 1 lautet in Z 97 in § 70b Abs. 7 der zweite Satz:

„Um das Risiko einer übermäßigen Verschuldung abzudecken, hat das Kreditinstitut oder das gemäß § 30 Abs. 6 verantwortliche Unternehmen die gemäß § 70 Abs. 4a Z 1 vorgeschriebene zusätzliche Eigenmittelanforderung mit Kernkapital einzuhalten.“

6. In Artikel 1 lautet in Z 102 der § 74 Abs. 4:

„(4) Die Oesterreichische Nationalbank hat zu den Meldungen gemäß Art. 430 Abs. 1 lit. a, c und d der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 gutachtliche Äußerungen zu erstatten.“

Begründung

Zu Art 1 (Bankwesengesetz):

Zu Z 18 und 21 (§ 3 Abs. 1 Z 7 und 11):

Die Änderungen stellen klar, dass die Vorgaben zur Erfassung und Begrenzung des Zinsänderungsrisikos nicht auf Rechtsgeschäfte im Rahmen der Ausfuhrförderung der Oesterreichischen Kontrollbank Aktiengesellschaft, der Entwicklungszusammenarbeit der Oesterreichischen Entwicklungsbank AG und auf Rechtsgeschäfte von Kreditinstitu­ten, die Fördergesellschaften sind und daher Förderungen durch Gebietskörperschaften oder Einrichtungen der Europäischen Union vergeben und verwalten, anzuwenden sind.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll105. Sitzung, 19. Mai 2021 / Seite 72

Zu Z 24 (§ 3 Abs. 7 lit.c):

Die Änderung dient der Beseitigung eines redaktionellen Versehens zur Beibehaltung der Nicht-Anwendbarkeit der Art. 89 bis 91 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 bei Weiterführung des Status quo.

Zu Z 48 (§ 23e Abs. 7):

Die Formulierung stellt klar, dass das Verfahren des Abs. 7 bis zu einer Kapitalpuffer­anforderung inklusive 3vH Anwendung findet.

Zu Z 97 (§ 70b Abs. 7):

Abs. 7 setzt Art. 104a Abs. 4 erster und zweiter Unterabsatz der Richtlinie 2013/36/EU in der Fassung der Berichtigung der Richtlinie (EU) 2019/878 um. Es wird zur klargestellt, dass die gemäß § 70 Abs. 4a Z 1 vorgeschriebene zusätzliche Eigenmittelanforderung mit Kernkapital (und nicht nur mit hartem Kernkapital) einzuhalten ist.

Zu Z 102 (§ 74 Abs. 4):

Es wird klargestellt, dass die OeNB nicht dazu verpflichtet werden soll, zum gesamten Meldewesen gutachtliche Äußerungen vorzunehmen.

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Abänderungsantrag ist ausreichend unterstützt, er wurde in den Grundzügen erläutert und wird soeben verteilt.

Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Nina Tomaselli. – Sie ist nicht im Raum. Dann erteile ich Herrn Abgeordneten Peter Haubner das Wort. – Bitte, Herr Abgeordneter.


12.34.43

Abgeordneter Peter Haubner (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Bundesminister! Meine werten Kolleginnen und Kollegen! Die österreichische Wirtschaft ist sehr eng mit den Banken verbunden. Die österreichische Wirtschaft ist stark banken­finanziert, und so sind die Banken auch ein Partner der österreichischen Unternehmen. Das österreichische Bankensystem weist eine große Vielfalt auf und zeichnet sich vor allem durch eine starke regionale Struktur aus, was jetzt in der Krise ganz gut war, denn die regionalen Bankinstitute kennen ihre regionalen Unternehmer und konnten sie bei den Abwicklungen der Kreditgarantien entsprechend unterstützen.

Meine Damen und Herren, wir beschließen heute mit diesem Gesetz auch eine Stärkung der Widerstandsfähigkeit von Banken in Krisenzeiten durch Anpassung der Berech­nungsformeln und der Anrechnungskriterien bei den von Kreditinstituten vorzuhaltenden anrechenbaren Eigenmitteln und Verbindlichkeiten, nämlich MREL. Zudem wurde auch das Nachrangerfordernis bei sehr großen Banken – die großen, internationalen Banken sind ja seinerzeit der Auslöser der Bankenkrise gewesen – mit entsprechenden Kriterien versehen.

Wir setzen mit diesem Gesetz eine europäische Richtlinie um, die es in Kraft zu setzen gilt. Wir tun das Notwendige, und ich denke, dass wir mit der Zustimmung aller rechnen dürfen. – Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

12.36

12.36.48



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll105. Sitzung, 19. Mai 2021 / Seite 73

Präsidentin Doris Bures: Nun ist Frau Abgeordnete Tomaselli zu Wort gemeldet. Ist sie im Raum? – Nein. Wenn sie nicht im Raum ist, schließe ich jetzt die Debatte.

Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Bevor wir zur Abstimmung kommen, frage ich die Fraktionen, ob wir gleich fortfahren können. – Es wird eine Sitzungsunterbrechung gewünscht, bevor wir zur Abstimmung kommen.

Ich schlage vor, die Sitzung für 2 Minuten, bis 12.40 Uhr, zu unterbrechen. Die Sitzung ist unterbrochen.

*****

(Die Sitzung wird um 12.37 Uhr unterbrochen und um 12.39 Uhr wieder aufge­nom­men.)

*****

Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 663 der Beilagen. Hierzu haben die Abgeordneten Kopf, Tomaselli, Kolleginnen und Kollegen einen Abände­rungsantrag eingebracht, der zur Verteilung gelangt ist.

Ich werde daher zunächst über die vom erwähnten Abänderungsantrag betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Kopf, Tomaselli, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abände­rungsantrag betreffend Artikel 1 eingebracht.

Wer sich hierfür ausspricht, den bitte ich um ein zustimmendes Zeichen. – Das ist ein­stimmig so angenommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung der Regierungs­vor­lage.

Wer spricht sich dafür aus? – Auch das ist einstimmig so angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Zustimmung in dritter Lesung? – Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung einstimmig angenommen.

12.40.395. Punkt

Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (811 d.B.): Bundes­gesetz, mit dem das Bundesfinanzrahmengesetz 2021 bis 2024 und das Bundes­finanzgesetz 2021 geändert werden (844 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Damit kommen wir zum 5. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Erste Rednerin: Frau Abgeordnete Selma Yildirim. – Bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll105. Sitzung, 19. Mai 2021 / Seite 74

12.41.12

Abgeordnete Mag. Selma Yildirim (SPÖ): Frau Präsidentin! Werter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Zuseherinnen und Zuseher vor den Bildschirmen! Die SPÖ wird der vorliegenden Novelle des Bundesfinanzgesetzes 2021 und des Bundesfinanzrahmengesetzes 2021 bis 2024 nicht zustimmen. Sie wird nicht zustimmen, weil die Novelle, so wie sie uns zur Beschlussfassung vorgelegt wurde, nicht transparent und nicht ausgewogen ist. Was mich ganz besonders stört, ist, dass frauenspezifische Maßnahmen nicht berücksichtigt wurden. (Beifall bei der SPÖ.)

Erinnern wir uns an die unfassbaren Gewalttaten an Frauen, die in diesem Jahr in Österreich stattgefunden haben! Bis Mitte Mai gab es bereits 14 Morde an Frauen durch ihre Partner oder Ex-Partner. Mein Mitgefühl gilt allen Angehörigen, die in ihrer Trauer und Verzweiflung alleine gelassen werden und leiden. Keine Frage also, dass wir in der Politik handeln müssen. Es ist auch die Aufgabe der Politik, die Opferschutz­einrich­tungen anzuhören und deren Vorschläge ernst zu nehmen. Diese haben unlängst 228 Millionen Euro jährlich mehr für den umfassenden und effektiven Gewaltschutz in Österreich gefordert.

Jetzt werden Sie sich vielleicht fragen, wie viel von den 5,45 Milliarden Euro, die in der heute zur Beschlussfassung vorliegenden Budgetnovelle für das heurige Jahr vorge­sehen sind, in den Gewaltschutz fließen wird oder dem Frauenbudget zugutekommt. Die Antwort lautet: Es sind genau 0 Euro – 0! Das ist für den Umgang gerade der ÖVP mit dem Thema bezeichnend: Nach jeder Tragödie gibt es einen öffentlichen Aufschrei, diesem öffentlichen Aufschrei folgen ein paar Pressekonferenzen, ein schnell einbe­rufener Sicherheitsgipfel, medienwirksame Beteuerungen, wie wichtig das Thema ist, wie wichtig uns Gewaltschutz ist, und dann die Ankündigung, die wir von Türkis-Grün gewohnt sind, dass es zumindest einmal ein Zehntel – also 24,6 Millionen Euro – (Zwischenruf bei der ÖVP) mehr für den Gewaltschutz in diesem Jahr geben wird. Schauen wir uns den Entwurf an: 0 Euro budgetiert – 0! (Beifall bei der SPÖ.)

In dieser vorliegenden Novelle sind also weder für den Gewaltschutz noch für Frauen­angelegenheiten im Allgemeinen Mittel vorgesehen, und das, obwohl Frauen von der Coronakrise ganz besonders betroffen sind. Sie haben öfter ihren Job verloren, sie profitieren weniger von der Kurzarbeit, mussten außerdem allein den Großteil der unbe­zahlten Betreuungs- und Bildungsarbeit schultern. Das aktuelle Frauenbudget kennen wir ja, es beläuft sich bundesweit, also österreichweit, auf 14,6 Millionen Euro. Zum Ver­gleich: Das aktuelle Frauenbudget des SPÖ-geführten Wien macht mehr als 10 Millionen Euro aus und die Stadt Wien gibt alleine für die Frauenhäuser 6 Millionen Euro aus. Das ist der Unterschied zwischen einer SPÖ-Regierung und einer ÖVP-dominierten Regie­rung. (Beifall bei der SPÖ.)

Statt transparenter Budgetierung gibt es eine weitere türkis-grüne Ankündigung, nämlich dass für den Gewaltschutz 24,6 Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden. Niemand weiß so genau, wann und vor allem woher das Geld kommen wird. Antigewalttrainings wären so wichtig, dafür soll es 300 000 Euro geben, für Gewaltschutzeinrichtungen sind immerhin 5 Millionen Euro angekündigt, eine Infokampagne um 500 000 Euro ist angekündigt. Wissen Sie, wie viel uns diese Regierung tagtäglich mit ihrer PR-Show, mit ihren Inseraten kostet? – 200 000 Euro kostet es die Österreicherinnen und Österreicher, dass Sie sich in einem schönen, guten Licht darstellen können; für eine Infokampagne für den Gewaltschutz gibt es insgesamt 500 000 Euro.

Es bleibt also, wie es ist, für den Schutz von Frauen vor Männergewalt fehlt in Österreich vor allem eines: das Geld. Während die Gesetzeslage gut ist, fehlen sowohl für den Opferschutz als auch für Täterarbeit und Prävention die finanziellen und personellen


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Mittel. Es ist unsere Pflicht, das zu ändern. Deswegen werden wir dieser Novelle so nicht zustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

12.46


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Gabriel Obernosterer. – Bitte.


12.46.47

Abgeordneter Gabriel Obernosterer (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Finanzminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren zu Hause vor den Bildschirmen! Frau Kollegin von der SPÖ (Ruf bei der SPÖ: Yildirim!): Ganz kurz eine Antwort auf Ihre Ausführungen. Ich als Wirtschaftler bin es gewohnt, dass man sich an Fakten hält und nicht an Geschichten. (Abg. Yildirim: Wir auch!) Faktum ist, dass das aktuelle Frauenbudget, so wie es vom Finanzminister aufgestellt wurde und im Budgetausschuss auch beschlossen wurde, das höchste in der Zweiten Republik ist. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wissen Sie, Frau Kollegin von der SPÖ, was noch Faktum ist? – Dass das Frauenbudget der Stadt Wien unter einem SPÖ-Landeshauptmann in Koalition mit den NEOS gekürzt wurde. – Das sind die Fakten. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Abg. Yildirim: Stimmt nicht!)

Jetzt aber nochmals allgemein zum Budget: Dieser Regierung und unserem Finanz­minister ist es gelungen, in dieser Krise ein Budget, das diese Krise bewältigt, aber gleichzeitig auch in die Zukunft investiert, aufzustellen. Ohne jetzt alles einzeln anzu­führen: Wir wissen, dass der Arbeitsmarkt zu stärken ist, dass er von der Wirtschaft durch diese Krise geführt werden muss. Es fließt so viel Geld wie noch nie in die Unterstützung der krisengebeutelten Wirtschaft und auch in den Arbeitsmarkt. Auch in die Zukunft gerichtet werden Forschung, Entwicklung, Umwelt ordentlich budgetiert, wie es in der Vergangenheit noch nie möglich war.

Damit wir diese Krise gut überstehen, dürfen wir jetzt natürlich auch nicht vergessen –deshalb wurde ja jetzt auch nachbudgetiert –, dass wir die Unternehmen auf den letzten Metern nicht alleine lassen dürfen. Wir wissen, das hat viel Geld gekostet, 5,5 Milliarden Euro werden heuer mehr ausgegeben – das ist auch notwendig –, und wir haben nun ein Minus von 30,7 Milliarden Euro. Wir können uns das aber deshalb leisten, weil in der Vergangenheit ordentlich gewirtschaftet wurde. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Wir waren 2014/15 schon auf dem Schuldenstand – der danach abgebaut wurde –, auf dem – auf dieser Höhe – wir heute, nachdem wir diese vielen Mittel zur Verfügung stellen, um diese Krise zu meistern, wieder stehen.

Ich sage es hier noch einmal: Welches Land kann Folgendes behaupten: Alle Unter­nehmen, die bis zum 15. März des letzten Jahres zahlungsfähig gewesen sind, sind es auch heute noch!? – So wurden diese Hilfen aufgestellt. Ich kann mich noch gut erinnern, als es vor einem Jahr geheißen hat: Macht das, bitte schön, so wie die Schweizer! Macht das so wie die Südtiroler!, oder: Macht es so wie die Deutschen! Holt euch die Unter­nehmer und die Mitarbeiter vom Arbeitsmarkt, holt sie euch her und fragt sie wirklich: Was haben diese Staaten umgesetzt und was hat Österreich umgesetzt?

Bei uns wird schneller ausgezahlt, das Wirtschaftsrad ist in Betrieb. Heute haben wir Gott sei Dank wieder aufsperren können. Ich sage euch ganz ehrlich, unsere Branche ist glücklich, auch wenn wir wissen, dass es noch gewisse Einschränkungen gibt. Wisst ihr auch, warum es diese Einschränkungen gibt? – Weil wir eine ordentliche Saison haben wollen, weil wir nicht haben wollen, dass unsere Mitarbeiter krank werden, dass der eine oder andere Betrieb wieder zusperren muss. Wir wollen einfach wieder einen


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Sommer in der Gastronomie, in der Hotellerie, im kulturellen und im sportlichen Bereich haben, so, wie wir es gewöhnt sind.

Ich würde euch wirklich um eines bitten: Erzählen wir hier heraußen keine Gschichtln! (Abg. Kassegger: Ja, aber selber auch daran halten! Selber auch daran halten! ... Gschichtln!) – Okay, ihr könnt ruhig Gschichtln erzählen, aber tut mir wenigstens einen Gefallen: Bitte schön, wenn ihr die Gschichtln erzählt, schaut, dass sie wahr sind! Die Gschichtln sind nicht wahr, die da in den Reden der Opposition zum Teil erzählt werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Österreich ist aufgrund dieser Mittel, die wir alle unter unserem Finanzminister zur Verfü­gung gestellt haben, gut aufgestellt. Andere schauen zu uns als wirklich beispielgebend. Es ist noch in keinem Land so viel Geld bei jedem Einzelnen wirklich angekommen wie bei uns in Österreich. Ich sage es euch noch einmal: Unsere Republik und alle, die wir hier wohnen, wir leben nicht von schönen Gschichtln (Zwischenruf bei der SPÖ), die zum Großteil überhaupt nicht wahr sind, wir leben von Fakten. (Zwischenruf der Abg. Steger.)

Eines weiß ich: dass wir diese Pandemie, diese Krise, die größte in der Zweiten Re­publik, in einer Art bewältigt haben, dass andere zu uns schauen und wir nicht zu anderen schauen müssen. Bitte schön, nehmt wenigstens einmal Fakten zur Kenntnis! – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenruf des Abg. Angerer.)

12.52


Präsidentin Doris Bures: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeord­nete Gabriele Heinisch-Hosek zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Abgeordnete.


12.52.34

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Herr Abgeordneter Obernosterer hat soeben behauptet, dass der Wiener Landeshaupt­mann gemeinsam mit den NEOS das Frauenbudget gekürzt hätte.

Ich berichtige tatsächlich: Das Wiener Frauenbudget wurde um keinen einzigen Cent gekürzt. (Beifall bei SPÖ und NEOS.)

12.52


Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Herr Abgeordneter Hubert Fuchs zu Wort. – Bitte.


12.53.00

Abgeordneter MMag. DDr. Hubert Fuchs (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Finanzminister! Hohes Haus! Geschätzte Österreicherinnen und Österreicher! Warum ändern wir heute eigentlich die Budgetgesetze, wodurch sich das Budgetdefizit 2021 um 8,1 Milliarden Euro auf fast 31 Milliarden Euro verschlechtert?

Wenn man sich die Gesetzesmaterialien ansieht – und ich darf daraus zitieren –, geht es um: „erhöhte Belastungen für das Bundesbudget, die aufgrund der anhaltend hohen Infektionszahlen sowie des erhöhten Gefährdungspotenzials der verschiedenen Mutatio­nen des Virus im Rahmen der Budgeterstellung im Herbst 2020 in diesem Umfang noch nicht absehbar waren.“

Das ist nur eine Scheinbegründung. In Wirklichkeit novellieren wir heute das Budget, weil die Bundesregierung nicht in der Lage ist, ordentlich zu budgetieren. Wir haben das Budget 2020/21 aufgrund einer Schlamperei der Regierungsparteien in dritter Lesung erst am 26. November 2020 hier im Hohen Haus beschlossen, und bereits damals war absehbar, dass das Budget 2021 nicht halten wird.


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Nicht einmal der zweite harte Lockdown war im Budget eingepreist, obwohl dieser da­mals bereits fix war. Auch war damals bereits absehbar, dass es zu weiteren harten Lockdowns kommen wird, aber dieses Szenario wurde leichtsinnig ausgeblendet, und heute, nach nicht einmal fünfeinhalb Monaten, ändern wir das Budget 2021. Das wäre nicht notwendig gewesen, wenn die Bundesregierung und da insbesondere der Finanz­minister hier ordentlich budgetiert hätten. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn man sich das geänderte Budget genauer ansieht, dann fällt einem auf, dass der Finanzminister mit der heutigen Novelle auch mit höheren Steuereinnahmen rechnet, und zwar bei der Normverbrauchsabgabe. Der Finanzminister kalkuliert im geänderten Budget mit 400 Millionen Euro Mehreinnahmen bei der NoVA. Das ist ein Wahnsinn, und daher ist den Beteuerungen dieser Bundesregierung, dass der Weg aus der Krise ohne Steuererhöhungen erfolgen soll, nicht zu trauen.

Der erste Teil der ökosozialen Steuerreform mit einer massiven Erhöhung der NoVA um 400 Millionen Euro ist der erste Vorgeschmack eines drohenden Sparpakets. Diese NoVA-Erhöhung betrifft insbesondere Kraftfahrzeuge von Kleingewerbetreibenden und von Familien, und diese Kleingewerbetreibenden und Familien sind die ersten Opfer der ökosozialen Steuerreform, die man eher als ökoasoziale Steuerreform bezeichnen sollte. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn man sich dann den österreichischen Aufbau- und Resilienzplan 2020 bis 2026 ansieht, dann weiß man, wer die nächsten Opfer der ökoasozialen Steuerreform sein werden: alle Autofahrer, insbesondere die Pendler, aber auch die Unternehmer. Die Bundesregierung umschreibt das im Aufbau- und Resilienzplan mit folgenden Schlagworten: „Ökologisierung und Erhöhung der Treffsicherheit des Pendlerpauscha­les“, „Ökologisierung des Dienstwagenprivilegs“, „Bepreisung von CO2-Emissionen außerhalb des Emissionshandels“ und „Weitere Maßnahmen gegen den ‚Tanktouris­mus‘“.

In Kraft treten sollen all diese Grauslichkeiten im ersten Quartal 2022. Für die FPÖ darf ich bereits heute festhalten: Ein automatischer Anstieg der Steuern auf fossile Energie­träger wäre eine massive Mehrbelastung für den Wirtschaftsstandort und für alle Auto­fahrer. Die FPÖ wird so einem standort- und arbeitnehmerfeindlichen Gesetz niemals zustimmen. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

12.57


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Jakob Schwarz. – Bitte.


12.57.44

Abgeordneter Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA (Grüne): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe ZuseherInnen zu Hause! Zuerst als Replik an Frau Kollegin Yildirim: Ich bin schon ein bisschen verwundert darüber, dass Sie sich immer so über diese Budgetzahlen im Zusammenhang mit dem Frauenbudget aufregen, denn die Bundesregierung hat es nach Jahrzehnten des quasi immer gleichen Budgets für Frauen – unter Frauenministerinnen der SPÖ – geschafft, das Frauen­budget in zwei Stufen um 40 Prozent von 10 Millionen Euro auf 14 Millionen Euro zu erhöhen. (Zwischenruf der Abg. Yildirim.) Das ist ein großer Erfolg dieser Bundesregierung. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir sehen weiters, dass die AMS-Mittel, die aktuell verwendet werden, zu 50 Prozent Frauen zugutekommen. Wir haben Schwerpunkte für Frauen (Abg. Yildirim: Wo?) im Bereich der Arbeitsstiftung. (Abg. Yildirim: Stimmt nicht!) – Ja, und wir haben zusätzlich außertourlich zum Budget und im Rahmen des kürzlich präsentierten Gewaltschutz­pakets noch einmal 25 Millionen Euro für Maßnahmen zum Schutz von Frauen vor Gewalt reserviert. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)


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Also ich glaube, wir haben in diesem Zusammenhang schon einiges auf den Weg ge­bracht, und das im Unterschied zu dem, was davor geschehen ist. (Abg. Yildirim – auf ein in die Höhe gehaltenes Schriftstück deutend –: Bitte zeigen Sie mir das! Zeigen Sie ...!) – Ja, kann man Ihnen gerne nachweisen, ich werde dann auch noch darauf zurückkommen.

Auf jeden Fall präsentiert oder zeigt diese Budgetnovelle aber vor allem zwei andere Dinge, nämlich wie wir mit der Coronakrise und der verschärften Coronakrise im Aus­laufen jetzt in den letzten Monaten umgegangen sind, die vor allem deshalb etwas schwerer ausgefallen ist, weil uns die britische Coronavirusmutation B.1.1.7 noch einmal zugesetzt hat, und dass die Regierung die notwendigen Mittel in die Hand genommen hat, um diese Krise abzufedern. Das ist – im Gegensatz zu dem, was Ihre Klubobfrau heute früh behauptet hat – tatsächlich eine gute Nachricht.

Was heißt das? (Abg. Doppelbauer: Ja wenn es etwas geholfen hätte, sagen wir ja nichts! Das Problem ist ...!) Zum einen ist es so, dass wir im Vergleich zu anderen Ländern mehr Mittel in die Hand genommen haben, zum anderen haben die Schweiz und auch andere – das ist auch schon von Kolleginnen und von Kollegen ausgeführt worden – vor allem auf Garantien und auf Fremdkapital gesetzt, was dazu führt, dass die Betriebe in diesen Ländern aus der Krise dann mit einem Schuldenberg und einer hohen Gefahr der Überschuldung herauskommen werden (Zwischenruf der Abg. Doppelbauer), während wir auf Zuschüsse gesetzt haben – neben Garantien und Fremdkapital –, und das heißt, dass die Betriebe jetzt auch in der Lage sind, Dinge wie die Investitionsprämie zu nutzen, um sich aus der Krise herauszuinvestieren. Ich glaube, das ist genau der richtige Zugang, den wir da bei den Coronahilfsmaßnahmen gewählt haben. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Das Zweite, das sich zeigt – heute in der Früh ist fälschlicherweise das Gegenteil be­hauptet worden –, ist, dass eben nicht mit der Gießkanne vorgegangen wird; genau das ist eben nicht der Fall. Sowohl beim Fixkostenzuschuss als auch beim Härtefallfonds als auch bei der Kurzarbeit geht es immer darum, wie stark das Unternehmen in Wahrheit betroffen ist. Das wird an unterschiedlichen Maßstäben bemessen, zum Beispiel am Umsatzverlust, an den Fixkosten, an anderen Parametern (Zwischenruf der Abg. Yildirim), aber es wird daran bemessen, wie stark das Unternehmen von der Krise betroffen ist, und entsprechend werden die Mittel zur Verfügung gestellt. Das ist treff­sicher und, ich glaube, das ist auch so, wie es sein soll.

Umgekehrt zeigt insbesondere der Finanzrahmen – als zweiter Teil davon –, dass wir auch sehr stark in den Wiederaufbau investieren, und das tut man nicht, um einfach wieder das Alte aufzubauen, gleich wie es vorher war, sondern Comeback heißt, einmal zurück auf die Füße zu kommen, und das ist die Voraussetzung dafür, dass man überhaupt irgendwo hingehen kann. Man muss ja dann nicht wieder in die gleiche Richtung loslaufen, aus der man gekommen ist, und das tun wir auch nicht, sondern zweckgerichtet, die Investitionsprämie ist das beste Beispiel, in Richtung Ökologisie­rung, in Richtung digitale Transformation. Und auch das ist genau so, wie es auch im Rahmen des RRF vorgesehen ist. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Auf diesen möchte ich jetzt auch noch eingehen, weil das auch in den Erhöhungen des Budgetrahmens abgebildet ist, nämlich die Ausgaben, die wir im Rahmen des Wiederaufbau- und Resilienzfonds tätigen. Da geht es auch darum, ähnlich wie bei der Investitionsprämie, nicht nur öffentliche Investitionen zu tätigen, sondern auch private anzustoßen. Das ist so bei den emissionsfreien Bussen, bei den Nutzfahrzeugen, die heute schon von der FPÖ thematisiert worden sind, wo es darum geht, Investitionen in emissionsfreie Antriebe zu fördern, das ist auch so im Bereich zielgerichteter Inves­titionen bei Leergutrückgabesystemen, die dazu führen sollen, dass wieder mehr


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Mehrwegflaschen in den Regalen zu finden sind, und das ist auch so bei den Investitio­nen in klimafitte Ortskerne.

Abschließend: Es gibt jetzt mittlerweile auch eine Studie des IHS, die zeigt, dass durch die Maßnahmen, die wir im Rahmen des Wiederaufbau- und Resilienzfonds setzen werden, 25 000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, und diese natürlich schwer­punktmäßig im Bereich Digitales und Ökologisierung.

Ich glaube, an diesen Maßnahmen, die hinter diesen geänderten Budgetzahlen von heute stecken, sehen wir schon, dass wir einerseits wirtschaftlich gut durch die Krise gekommen sind und dass wir uns andererseits auch rausinvestieren in eine nachhal­tigere wirtschaftliche Zukunft, und ich glaube, das ist genau richtig. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

13.02


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Karin Doppelbauer. – Bitte.


13.02.58

Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Herr Finanzminister! Kollege Schwarz, das Problem, das ich generell in der gesamten Arbeit sehe, ist, dass es immer heißt: Wir werden, wir werden, wir werden. – Das Prob­lem ist, es hatscht dann einfach immer bei der Umsetzung.

Da sind wir, glaube ich, auch sofort beim Punkt. Herr Finanzminister, Sie haben im letzten Winter ein Budget vorgelegt, das Budget 2021, und ein Bundesfinanzrahmen­gesetz für 2021 bis 2024, das wir, glaube ich, sehr ausführlich, auch sehr sachlich diskutiert und dann auch relativ stark kritisiert haben. Wir haben in inhaltlicher Hinsicht gesagt, dieses Budget ist halt kein Zukunftsbudget. Wir haben es No-Future-Budget ge­nannt, und zwar aus dem einfachen Grund, dass diese ganz, ganz wichtigen Investitio­nen in die Zukunft – in Bildung, Forschung, Digitalisierung – zu wenig abgebildet waren. Es war uninspiriert und mutlos, und deshalb haben wir es auch so genannt. – Das war das eine.

Auf der anderen Seite haben wir uns die Zahlen angeschaut – Kollege Fuchs hat das schon sehr gut ausgeführt –: Es war klar, dass diese Zahlen nicht halten werden. Es wurde schöngeredet, es waren falsche Annahmen, die dahintergestanden sind – und ich wurde dann dafür kritisiert, dass ich so etwas sage, dass ich an diese Zahlen nicht glaube. Und auch die Kollegen wurden kritisiert; Sie können sich ja anschauen, was Sie damals behauptet haben.

Fakt ist: Fünf Monate später stehen wir eben wieder hier und diskutieren die Sanierung des Budgets. Und ehrlich – das ist der nächste Punkt –: Wir diskutieren es ja eigentlich gar nicht. Das sieht man, wenn man sich die Rednerliste anschaut: Von der ÖVP reden zwei Abgeordnete zu diesem so wichtigen Thema, von den Grünen spricht ein Abge­ordneter zu diesem so wichtigen Thema. Von uns stehen vier Leute auf der Rednerliste, nicht deshalb, weil wir hier Zeit schinden wollen, sondern weil es uns einfach darum geht, dass das Budget die in Zahlen gegossene Politik ist – und deswegen ist es so wichtig, dass wir eben darüber reden. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ja, ich räume Ihnen nach wie vor ein, dass es natürlich schwierig ist, in einer Pandemie ein Budget zu machen, das hält, und natürlich verzögert die konjunkturelle Erholung dann auch die Zahlen und die Themen in einem Budget, und ja, es ist auch richtig, dass der Tourismus in Österreich halt sehr hart getroffen ist und dass er relativ eine größere Rolle spielt als in anderen Ländern der Europäischen Union, aber der Punkt ist halt auch, und das sagen einfach auch viele Ökonominnen und Ökonomen, dass es zwei Dinge gibt, warum wir so schlecht aus der Krise herauskommen: Der eine Punkt ist: Der


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Lockdown in Österreich war sehr, sehr lang und sehr, sehr hart. Die zweite Geschichte ist, dass die Wirtschaftshilfen natürlich völlig entglitten sind.

Es ist ein erratisches Krisenmanagement, das hier stattfindet, es wird reagiert, reagiert, reagiert, und dann gießt man wieder einmal das Füllhorn aus, und das ist einfach der Punkt: dass hier wirtschaftliche und soziale Folgen der Pandemie einfach verschärft worden sind, und das ist der Grund, warum Österreich zwar wahnsinnig viel Geld aus­gibt, aber schlechter aus der Krise herauskommt. – Herr Finanzminister, das ist Ihre Handschrift.

Vielleicht auch noch ein paar Zahlen dazu, denn wir sprechen ja heute hier über das Budget. Es war schon ein geplantes Rekorddefizit für 2021 ausgerufen und ausgeschil­dert, jetzt wird das Defizit noch einmal um 8 Milliarden Euro höher. Wir reden hier von einem Jahresdefizit von 30 Milliarden Euro, das muss man sich wirklich vorstellen! (Bei­fall bei den NEOS.)

Das ist aber noch nicht das Ende der Fahnenstange, denn Sie haben sich ja bereits letztes Jahr eine Mittelverwendungsüberschreitung, wie man so schön sagt – das ist Geld, das in Wahrheit vom Finanzminister recht freihändig ausgegeben werden kann, meine Damen und Herren –, von 5,5 Milliarden Euro zugestanden, und diese wird jetzt auch noch einmal erhöht, so lese ich: um 3,5 Milliarden Euro wird sie noch einmal aufgefettet. Das heißt, wir sprechen hier von 9 Milliarden Euro, und im Worst-Case-Szenario geht es um ein Defizit von knapp 40 Milliarden Euro in diesem Jahr, das die Republik da sozusagen erzeugt.

40 Milliarden Euro, das bedeutet eine Verschuldungsquote, die den 95 Prozent entge­gengaloppiert – 95 Prozent! Ich weiß nicht, aber ich glaube, ich kann mich vage daran erinnern, dass die ÖVP gesagt hat, sie ist angetreten, um das Budget zu konsolidieren und zu stabilisieren. (Abg. Pfurtscheller: Ja! Warum das jetzt nicht so ist, das verstehen Sie aber schon, oder? – Weiterer Zwischenruf bei der ÖVP.) – Ja, das ist schön, dass Sie mir das sagen. Sie nehmen mir da wirklich das Wort aus dem Munde: Ja, natürlich kann man in einer Krise nicht sparen – und das ist auch alles gut und richtig, das sehen wir genau so –, aber es geht schon darum, wie wir in die Zukunft gehen. Es geht schon darum, dass wir jetzt überlegen, wie wir diesen Budgetpfad auch wieder beschreiten können. Ich habe das den Herrn Finanzminister auch in der letzten Ausschusssitzung gefragt. Da kommt zwar ein Nicken, und dann heißt es aber: Na ja, es gibt ja auch ein Wachstum.

Herr Finanzminister, das wissen Sie aber so gut wie ich, und das wissen alle Experten, mit einem reinen Wachstum wird der Budgetpfad nicht wieder erreicht werden können. Wir kommen nicht mehr zurück zu den Maastrichtkriterien, das wird sich einfach nicht ausgehen, und deswegen wäre es einfach so wichtig, dass man auch diskutiert, wo aus­gabenseitig eingespart werden kann: eine Pensionsreform, eine Föderalismusreform – alles eine Fehlanzeige, wenn ich hier in den Finanzrahmen schaue.

Ja, und das ist gut, Sie reden von einer Bepreisung des CO2, und da haben wir zumindest noch Hoffnung, dass das im Herbst auch wirklich kommen wird, aber Ihre groß ange­kündigte Comebackstrategie, die ist für uns wirklich sehr, sehr schwierig nachzuvoll­ziehen. Es war eine uninspirierte und mutlose Politik vor dieser Krise und, ehrlich, dorthin müssen wir nicht mehr zurück. Was wir brauchen, ist ein Neustart, so wie wir das heute in der Früh auch gefordert haben.

Wir brauchen Investitionen in die Zukunft, um das System zu transformieren. Bildungs­system, Forschung und Entwicklung, Klimapolitik, Infrastruktur: Das sind die ganz, ganz wichtigen Themen. In all diesen Bereichen gibt es zwar viele Ankündigungen, aber wenn man dann wirklich genau ins Budget oder in den Finanzrahmen schaut, dann fehlt es halt.


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In meinen Ohren klingt dieses groß angekündigte Comeback ehrlich gesagt echt ein bisschen wie eine gefährliche Drohung. Was nämlich zu dieser mutlosen Politik, die wir schon vor der Krise gesehen haben, dazugekommen ist, ist, dass jetzt auch noch mit beiden Händen Geld ausgegeben wird – mit beiden Händen, als ob wir es im Keller drucken würden.

Es ist intransparent, es ist nicht treffsicher, und damit sind es ineffiziente Ausgaben für die österreichischen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler.

Noch einmal: Budget ist in Zahlen gegossene Politik – und die Zahlen lügen halt nicht. Die Wahrheit ist: Sie haben so viel Angst, dass Sie sich bei den Reformen die Finger verbrennen, dass Sie nicht einmal anfangen, diese anzugehen. Das, was Sie planen, und das, was Sie sagen, dass Sie tun werden, bringen Sie halt ganz oft nicht auf den Boden. Diese Regierung kann aus meiner Sicht einfach nicht regieren. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

13.09


Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich Herr Bundesminister Gernot Blümel zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Minister.


13.09.45

Bundesminister für Finanzen Mag. Gernot Blümel, MBA: Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Werte Zuseherinnen und Zuseher vor den Bildschir­men zu Hause! Es ist ziemlich genau ein Jahr her, dass Sie hier im Hohen Haus das Budget für 2020 beschlossen haben, und ich kann mich noch gut erinnern, wie turbulent die Debatten damals waren. Ich habe versucht, im Protokoll zu stöbern, und habe da auch die Aussage meinerseits darüber gefunden, was das Ziel in diesem Jahr der Pan­demie sein soll. Das Ziel haben wir damals so definiert, dass es entscheidend sein wird, wie viele Menschenleben gerettet werden, wie viele Arbeitsplätze gesichert werden und wie viele Unternehmen vor der Insolvenz bewahrt werden.

Mir ist durchaus bewusst, dass es in diesem Jahr viel – zum Teil auch gerechtfertigte – Kritik gegeben hat – diese haben wir, so schnell und so gut es gegangen ist, auch ein­gebaut –, aber ich glaube, das Erreichen dieser drei Ziele – Menschenleben zu retten, Arbeitsplätze zu sichern und Unternehmen vor der Insolvenz zu bewahren – ist uns gelungen. Das bestätigen uns auch alle Zahlen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Ich darf vielleicht ein wenig auf das eingehen, was die werten Abgeordneten vor mir gesagt haben.

Frau Abgeordnete Yildirim hat das Frauenbudget angesprochen. Der Herr Kollege hat es ja bereits dargelegt: Es ist um fast 50 Prozent gestiegen, und das nach sehr, sehr langer Zeit, in der auch die SPÖ in der Regierung war und in der diesbezüglich weniger passiert ist. Ich glaube, es ist eine klare Sprache, die diese Zahlen sprechen.

Der Herr ehemalige Staatssekretär Fuchs hat gemeint, es war klar, dass nicht genug budgetiert worden ist – ich glaube, auch Kollegin Doppelbauer hat in ein ähnliches Horn gestoßen: Es war irgendwie klar, dass das so nicht halten wird. Nun, bis zu einem gewissen Grad darf ich Ihnen da schon recht geben: Es ist in Zeiten hoher Volatilität nicht klar absehbar, einerseits wie die Einnahmensituation sein wird, andererseits wie die Ausgabensituation sein wird, wenn man eben die Pandemie mit diesen drei genannten Zielen bekämpfen möchte.

Ich kann mich erinnern, dass im Frühjahr letzten Jahres, als wir das Budget hier diskutiert haben, zum Teil auch zu Recht kritisiert worden ist, dass das Budget, das vorgelegt wurde, weder in den Wachstumsraten noch in den zu erwartenden Ergebnissen die Realität widergespiegelt hat – aufgrund der Tatsache, dass sich zwischen dem Einbringen des


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Budgets und der Diskussion natürlich massiv viel getan hat; ich glaube, das wird nie­mand in Abrede stellen. Wir haben versucht, auch aus dieser Kritik zu lernen, das mitzunehmen, und haben dann im Herbst beim Beschluss des Budgets für 2021 auf aktualisierte Wifo-Schätzungen abgestellt, um das Budget zu ändern. In dem einen Fall ist gesagt worden, man legt keine aktuellen Daten vor, im anderen Fall ist dann gesagt worden: Na, hättet ihr es nicht gleich anders machen können? – Das empfinde ich dann doch als eine etwas doppelbödige Argumentation.

Wir versuchen hier wirklich, das Aktuellstmögliche zu tun. Wir haben auch dieses Mal das Wirtschaftsforschungsinstitut ersucht, eine aktuelle Berechnung vorzulegen – Sie wissen, dass wir im Finanzministerium auch gesetzlich dazu verpflichtet sind, ein unabhängiges Institut, was die Wachstumsprognosen betrifft, heranzuziehen, um darauf die Budgetschätzung zu vollziehen –, und es ist nun einmal Tatsache, dass das Wifo in den letzten Monaten in der aktuellsten Schätzung gemeint hat, das Wachstum für heuer würde mit 1,5 Prozent nach unten korrigiert werden müssen. Das haben wir auch diesem Budget zugrunde gelegt.

Könnte es besser werden? – Nun, wir alle hoffen, dass es besser wird, und wenn ich mir die Prognosen ansehe, dann muss ich feststellen: Jede neue Prognose für dieses Jahr und für das nächste Jahr, die herauskommt, ist eine andere. Wir haben momentan Varianten von Budgetprognosen für das Jahr 2021 für Österreich, die von jener der OECD mit 1,2 Prozent bis hin zu jener, ich glaube, der Industriellenvereinigung, die bei 3,8 Prozent liegt, reichen. Letzte Woche ist die Europäische Kommission mit einer Prognose von 3,5 Prozent für das Jahr 2021 herausgekommen. Das heißt natürlich, da ist viel Platz zwischen 1,2 Prozent und 3,5 Prozent. Faktum ist, dass wir auf der Basis eines unabhängigen Instituts prognostizieren, und das ist auch die Grundlage für die budgetären Schätzungen, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Dass wir die drei Ziele – das Retten von Menschenleben, das Sichern von Arbeitsplätzen und das Bewahren von Unternehmen vor der Insolvenz – erreicht haben, wird sichtbar – ich habe es schon ausgeführt –, wenn man sich die Zahlen ansieht: Die Zahl der Insolvenzen im Jahr 2020 liegt knapp 40 Prozent unter jener des Jahres 2019, im ersten Quartal 2021 sind es sogar 57 Prozent weniger als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Wir haben auch im Vergleich zu anderen Staaten mehr Geld in die Hand genommen, und dieses Geld ist auch geflossen.

Wir sind, und das hat Kollegin Doppelbauer auch schon angedeutet, natürlich in manchen Sektoren unserer Wirtschaft härter von Corona betroffen als andere. Das macht einen Großteil der Unterschiede aus. Ich spreche auch immer von einer dreifach stärkeren Betroffenheit durch Corona. Warum? – Weil Corona ja nicht alle Wirtschaftsbereiche in gleicher Weise einschränkt. Es sind vor allem jene Bereiche besonders eingeschränkt, in denen es um zwischenmenschlichen Kontakt geht, also Dienstleistungsbereiche. Das sind wiederum jene Bereiche, die für Österreichs Wertschöpfung eine überdurch­schnitt­liche Relevanz haben, also Tourismus und Freizeitwirtschaft, die Gastronomie et cetera – wir wissen: 15 Prozent Beitrag zum BIP, und es gibt kaum Länder in Europa, in denen diese Bereiche eine höhere Relevanz haben.

Und der dritte Punkt ist, dass gerade jene Betriebe in Österreich, die besonders betroffen sind, eine unterdurchschnittliche Eigenkapitalausstattung haben. Diese dreifache Heraus­for­derung für die österreichische Wirtschaft haben wir aus meiner Sicht mit den Maß­nahmen, die wir aufgesetzt haben, wirklich sehr gut abgefangen. Ich darf mich auch bei allen, die daran mitgewirkt haben, bedanken, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll105. Sitzung, 19. Mai 2021 / Seite 83

Die heutigen Öffnungsschritte bringen natürlich einen neuen Schwung in Richtung Comeback. Wir haben ja das Wirtschaftsforschungsinstitut auch ersucht, zu prognos­tizie­ren, was das denn – unter der Voraussetzung, dass diese Öffnungsschritte auch fortgesetzt werden können – heißen wird, und da hat es zu einem Gutteil Überraschung gegeben, wie positiv diese Aussichten wirklich sind. Es gibt bereits jetzt einzelne Wirtschaftsbereiche, in denen im Wochenvergleich die wirtschaftliche Situation ident mit dem Vorkrisenniveau ist. Es gibt einige Bereiche, in denen das noch nicht der Fall ist – natürlich in der Gastronomie, Beherbergung et cetera –, aber auch für diese Bereiche ist es möglich, wenn die derzeitige Erwartungslage zutrifft, dass wir Richtung August wieder an das Vorkrisenniveau anknüpfen können. Das ist weit besser und weit schneller, als es in vielen Diskussionen von vielen Experten in den letzten Monaten und Jahren er­wartet worden ist.

Faktum ist aber auch, dass die längere Dauer von Corona, die Herausforderung bei der Impfstoffbeschaffung et cetera dazu geführt haben, dass in diesem Jahr weitere Maßnahmen getroffen werden mussten. Wir sind ja mittlerweile in Österreich Testwelt­meister. Das hat dazu geführt, dass wir früher als andere Länder Öffnungsschritte ein­leiten konnten. Mittlerweile läuft auch der Impfturbo, und deswegen ist die Aussicht eine positive. Dennoch war es bisher notwendig, mehr Geld in die Hand zu nehmen – im Gesundheitsbereich, aber auch im Bereich der Wirtschaftshilfen –, um die drei Ziele, die ich eingangs genannt habe, weiterhin zu erreichen. Im Übrigen sind wir nicht das einzige Land – bei Weitem nicht –, das eine Adaptierung des Budgets für 2021 aufgrund von Corona vornimmt. Deutschland hat das mit einem Nachtragshaushalt bereits getan, und auch die Schweiz hat das Ende März in sehr, sehr ähnlicher Art und Weise getan.

Wie setzen sich die wesentlichen Änderungen dieser Budgetnovelle zusammen? – Die 5,5 Milliarden Euro zusätzliche Ausgaben sind vor allem zurückzuführen auf, erstens, die direkt budgetierten Zahlungen aus dem Covid-19-Krisenbewältigungsfonds, da ins­besondere auf die gesundheitspolitischen Maßnahmen und die Teststrategien. Zweitens ist die Coronakurzarbeit um 2,2 Milliarden Euro erhöht worden. Ich glaube, es ist sehr, sehr wichtig, dass wir auch auf den letzten Metern die Unternehmen unterstützt und die Arbeitsplätze gesichert haben. Warum war das so wichtig? – Das Ziel all dieser Maß­nahmen war ja, dass der V-Effekt, der von vielen prognostiziert worden ist, das heißt nach einem scharfen Abfall der Wirtschaft dann bei Wegfall der einschränkenden Maß­nahmen ein scharfes Wiederansteigen, auch eintreten kann. Das ist natürlich nur dann möglich, wenn Unternehmen einfach aufsperren können, wenn die Arbeitneh­merinnen und Arbeitnehmer noch da sind, wenn das Unternehmen noch existiert. Dann kann dieser V-mäßige Aufschwung gelingen, und deswegen war es wichtig, dass wir auch auf den letzten Metern zusätzlich unterstützen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Der dritte Bereich sind konjunkturankurbelnde Maßnahmen. Wir haben gesagt, wir wol­len nicht nur das Ausdünnen der Pandemie und vielleicht die verdoppelte Sparquote und die Konsumfreudigkeit selbst wirken lassen, sondern wir wollen auch einen Turbo für den Aufschwung zünden, indem wir eine Investitionsprämie auflegen, die dafür sorgen soll, dass Investitionen, die in den nächsten Monaten oder Jahren geplant wären, vorge­zogen werden – das heißt, dass jetzt Geld in die Hand genommen wird, dass jetzt der Auftrag gegeben wird, dass jetzt die Auftragsbücher gefüllt werden und dass jetzt dadurch Arbeitsplätze gesichert werden.

All das trägt dazu bei, dass der Aufschwung stärker wird, als er vielleicht insgesamt vorher gesehen worden ist. Deswegen darf ich Sie guten Gewissens um Zustimmung zur vorliegenden Novelle des BFG und des BFRG bitten. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

13.19



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll105. Sitzung, 19. Mai 2021 / Seite 84

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Andreas Ottenschläger. – Bitte.


13.19.48

Abgeordneter Andreas Ottenschläger (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen hier im Hohen Haus! Werte Zuse­herinnen und Zuseher! Ja, grundsätzlich bin ich natürlich auch ein Fan eines ausge­glichenen Staatshaushaltes. Nicht nur dieses politische Ziel eint mich mit dem Finanz­minister, sondern wir würden uns natürlich auch wünschen, dass wir bald auf diesen Pfad zurückkommen können. Jetzt möchte ich aber schon ein bisschen auch auf die Kritik der Kollegin Doppelbauer von den NEOS eingehen. Ich schätze Sie sehr, aber erlauben Sie mir doch, auch ein paar Dinge klarzustellen.

Zunächst einmal ist es einfach so, dass es diese Pandemie, diese Krise nicht zulassen würde, dass wir da im Moment den Sparstift ansetzen (Zwischenruf der Abg. Doppelbauer), im Gegenteil: Es sind notwendige Maßnahmen im Budget. Wie Sie ja richtig gesagt haben, ist das Budget die in Zahlen gegossene Politik. Die Zahlen sind da abgebildet. Weil Sie immer wieder betonen, dass eben nur angekündigt wird, kann ich Ihnen eine lange Liste von Maßnahmen – sie ist nicht vollständig –, die nicht zuletzt auch in diesem Budget abgebildet sind, nicht ersparen.

Angekündigt und sehr rasch umgesetzt wurde in Österreich die Kurzarbeit. Der Härte­fallfonds: angekündigt und umgesetzt; der Ausfallsbonus, der Fixkostenzuschuss, der Umsatzersatz für die betroffenen Betriebe: angekündigt, umgesetzt und in Wirkung. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.) Die Investitionsprämie: ange­kündigt und umgesetzt. Sie erfreut sich großer Beliebtheit und ist übrigens einer der besten Hebel für zukunftsgerichtete Investitionen, Stichwörter Digitalisierung, Nach­haltig­keit, Ökologisierung. Wir haben also sehr wohl auch schon einiges für nachhaltige Entwicklung hier in Österreich, für den Standort getan.

Ich gehe weiter in der Liste: Die Umsatzsteuersenkung für touristische Betriebe wurde angekündigt und umgesetzt, so auch der Lehrlingsbonus. Der Verlustrücktrag ist noch gar nicht erwähnt worden: Das ist die Möglichkeit, Verluste 2020 mit Gewinnen 2019 gegenrechnen zu können. Das ist, glaube ich, auch eine Forderung der NEOS gewesen.

Es gibt die degressive Abschreibung. Es wurde Familien mit dem Familienbonus, mit dem Familienhärtefallfonds geholfen, die Steuer gesenkt; es wird in Bildung und in Klimaschutz investiert und so weiter und so fort. Viele Dinge wurden umgesetzt – und nicht nur angekündigt, wie Sie hier immer gerne behaupten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Meine Damen und Herren, wir sind ja guter Hoffnung, dass es jetzt wieder steil bergauf geht. Durch die Öffnungen und durch die tollen Leistungen unserer Unternehmerinnen und Unternehmer mit ihren Mitarbeitern sind wir sehr optimistisch, dass wir zu einem sehr soliden Wachstum kommen werden. Es gilt aber natürlich, weiter Geld in die Hand zu nehmen, um diese betroffenen Unternehmen zu begleiten. Dann, wenn diese Krise wirklich vorbei ist, werden wir auch wieder auf einen soliden Budgetpfad zurückkehren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

13.23


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Michael Bernhard. – Bitte.


13.23.27

Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Minis­ter! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mir bei der vorliegenden Novelle die


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll105. Sitzung, 19. Mai 2021 / Seite 85

Erhöhungen im Bereich der Umweltpolitik und auch der Mobilität angesehen. Darauf möchte ich jetzt auch im Detail eingehen.

Eines möchte ich vorwegschicken, und das ist ganz zentral: Das Wichtigste, das wir in der Umweltpolitik und auch in der Klimapolitik brauchen, ist ein langfristiger Plan, in welche Richtung es geht, damit es auch eine Planungssicherheit für die Wirtschaft gibt, welche Investitionen sie jetzt tätigen kann und welche sie lieber nicht mehr tätigen soll. Es braucht einen konkreten CO2-Preis, wodurch man auch weiß, mit welchen Kosten in Zukunft zu rechnen ist. Nimmt man Planbarkeit und Preissignal als die beiden Parameter oder Leitplanken, würden sich viele andere Investitionen in Wirklichkeit auch schon wieder in Luft auflösen. Das vorwegschickend möchte ich auch auf diese Themen eingehen.

Wo soll jetzt mehr Geld als bisher investiert werden? – Die Förderung des Austauschs von Öl- und Gasheizungen ist genau eines jener ganz konkreten Beispiele. Natürlich gehören Öl- und Gasheizungen ausgetauscht, aber – und das ist das Hauptthema bei diesen Heizungen – weil es eben keinen CO2-Preis gibt, sind sie weiterhin billiger als andere Formen, und daher ist der Umstieg nicht attraktiv. Hätte sich diese Regierung oder hätten sich frühere Regierungen bereits zu einem entsprechenden CO2-Preis ent­schließen können, hätten wir jetzt nicht die Notwendigkeit, Mittel deutlich aufzustocken.

Ein anderes Beispiel, bei dem es ganz konkret um die Planbarkeit geht, ist, dass jetzt ein Reparaturbonus für elektrische Geräte budgetiert ist. Auch da ist es so: Hätten wir eine ökosoziale Steuerreform, hätten wir einen CO2-Preis und würden wir das, was da mehr eingenommen wird, auch entsprechend für die Senkung der Lohnnebenkosten ausgeben, dann bräuchte es keinen Reparaturbonus. Es ist ja wirklich paradox: Warum werden Geräte nicht repariert? – Weil Arbeit in Österreich zu teuer ist. Anstatt Arbeit billiger zu machen, gibt man aber einen Bonus für die Reparatur. (Beifall bei den NEOS.)

Wir NEOS sagen bereits seit Jahr und Tag, dass es da einfach Klarheit braucht. Es braucht weniger Steuern und Abgaben auf Arbeit, natürlich sowohl für die Mitarbei­terinnen und Mitarbeiter – da muss einfach mehr Netto überbleiben – als auch für die Unternehmen, denn beides zahlt am Ende des Tages der Kunde – weniger Bonus, mehr Transparenz im Steuersystem.

Nun komme ich zum letzten Punkt: Ich war in Bezug auf die Prioritäten schon sehr über­rascht. Wir sprechen davon, dass die Industrie eine große Rolle bei der Transformation der Klimapolitik spielt. Wenn man schaut, was denn da 2021, 2022, 2023 und 2024 an zusätzlichen Mitteln geplant ist, dann sieht man, dass der Mehraufwand für die Industrie 30 Millionen Euro im Jahr ausmacht. Mit 25 Millionen Euro gibt es im gleichen Ausmaß – und das ist jetzt keine Geringschätzung der Biodiversität, ich bitte, mich nicht falsch zu verstehen – mehr für den Biodiversitätsfonds. Das heißt, das, was wir bis 2040 für die Klimaneutralität der Industrie investieren wollen, damit diese wirklich klimafit und innerhalb Europas und der Welt wettbewerbsfähig ist, entspricht im gleichen Maße den Mehrausgaben für den Biodiversitätsfonds. So ist es jetzt einmal in der Vorschau budge­tiert. Das wird nicht reichen.

Das ist vielfach einfach eine falsche Politik. Es braucht Investitionssicherheit, langfristige Planung, CO2-Preis und klare Priorisierung. All das fehlt, und daher werden wir auch nicht zustimmen. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

13.27


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Martina Künsberg Sarre. – Bitte.


13.27.29

Abgeordnete Mag. Martina Künsberg Sarre (NEOS): Frau Präsidentin! Herr Minister! Hohes Haus! Ja, im Bildungsbereich hat uns die Covid-Krise ja auch ganz besonders


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll105. Sitzung, 19. Mai 2021 / Seite 86

stark die Stärken und Schwächen dieses Systems aufgezeigt, die Resilienz des Systems gezeigt und auch die Krisenanfälligkeit aufgezeigt.

Im Bildungsbereich gab es ganz tolle Lehrerinnen und Lehrer, die ganz viel und Groß­artiges geleistet haben, wir wissen jedoch schon auch von Schulen, wo noch bis zuletzt der Fernunterricht aufgrund mangelnder Infrastruktur und Ausstattung, aber auch auf­grund fehlender Kompetenz und Ausbildung nicht wirklich funktioniert hat. Spätestens nach dem Covid-Jahr sollte uns allen hier und auch allen Mitgliedern der Bundes­regierung doch klar sein, dass wir in Bildung investieren müssen, dass wir das System stärken müssen, dass wir es aber auch reformieren müssen und vor allem zukunftsfit machen sollten.

Sie kennen auch die Baustellen: von der schlecht ausgebauten Elementarbildung über die verschlafene Digitalisierung – nicht nur in Bezug auf die Geräte, sondern vor allem auch in Bezug auf die Kompetenz – bis hin zur fehlenden Inklusion beziehungsweise nach wie vor fehlenden Chancengerechtigkeit.

Die EU hat mit dem Wiederaufbaufonds, mit diesen 750 Milliarden Euro, ein starkes Zeichen gesetzt. In den länderspezifischen Empfehlungen von 2020 für Österreich steht: Chancengerechtigkeit, „Chancengleichheit im Bildungswesen und im vermehrten digita­len Lernen“ sicherstellen. Was reichen Sie aber beim Aufbau- und Resilienzfonds ein? – Sie reichen die Bereitstellung von digitalen Endgeräten für Schülerinnen und Schüler in der Sekundarstufe I ein, weil Sie offensichtlich Digitalisierung mit Endgeräten und Breit­bandausbau und mit sonst nichts gleichsetzen.

Was finde ich noch in diesem Plan oder Ihrem Antrag? – Unter dem Titel „Zugang zu Bildung verbessern“ stehen das Förderstundenpaket mit einmaligen 101 Millionen Euro für 2021 und der Ausbau der Elementarpädagogik um 28 Millionen Euro. Wo bleiben aber die großen Punkte? Wo bleibt etwas, das endlich für Chancengerechtigkeit, für eine wahre Chancengerechtigkeit im System sorgen könnte? Wo bleibt beispielsweise die chancenindexbasierte Förderung von Schulen?

Noch einmal: Sie haben jetzt 10 Prozent, nämlich 300 Millionen Euro, für die Bildung und damit für wichtige Investitionen in unsere Zukunft eingeplant. Auch im Finanzrahmen bis 2024 ist aber nichts enthalten, was für all diese offenen Punkte, für die längst notwen­digen Reformschritte eingeplant werden könnte.

Wir wissen, dass wir einen eklatanten Fachkräftemangel haben. Wir wissen, dass wir ganz, ganz viele Absolventen in Mint-Fächern brauchen. Wir wissen, dass nach wie vor über 20 Prozent der 15-Jährigen nicht sinnerfassend lesen können. Sie machen hier nichts. Wo sind die 100 Millionen Euro zusätzlich für Förderstunden, die Sie nicht beim EU-Aufbauplan eingereicht haben? Wo sind die in Ihrem Finanzrahmen abgebildet? Sie planen also keine Einsparungen durch Strukturreformen, nehmen aber auch keine zu­sätzlichen Gelder für Zukunftsinvestitionen in die Hand. Die Vision fehlt, das Anliegen fehlt offensichtlich und der Reformgeist sowieso. (Beifall bei den NEOS sowie der Abg. Yildirim.)

13.31


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Gerald Loacker. – Bitte.


13.31.14

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! „Koste es, was es wolle“: Das Geld ist abgeschafft, der Kanzler hat gesprochen. Das ist aber ein Trugschluss. Die kommenden Generationen werden alles, was da jetzt hinausgeht, noch zahlen. There is no such thing as a free lunch – das gilt auch für das Budget.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll105. Sitzung, 19. Mai 2021 / Seite 87

Ein sehr eindrückliches Beispiel dessen, was an Kosten, an Lasten auf die jungen Ge­nerationen zukommt, ist der Pensionsteil im neuen Bundesfinanzrahmengesetz. Das Pensionsloch reißt von zuletzt 20 Milliarden auf jetzt 26,7 Milliarden Euro auf, um ein Drittel in vier Jahren. Das endet dann so, dass 28 Prozent der Gesamtausgaben für Pensionen aufgewendet werden müssen – zusätzlich zu den Beiträgen, die die Erwerbstätigen zahlen. Greta würde sagen: „How dare you?“ – Gibt es irgendeinen Plan dafür, wie wir diese Dynamik einbremsen oder wird das in diesem Tempo weiterwach­sen? Das wäre doch eine entscheidende Frage für die Zukunft.

Alles, was die SPÖ heute beigetragen hat, ist ein Lamentieren über das Frauenbudget, da reden wir über 14,6 Millionen Euro. Wenn wir bei den Pensionen nur um so viel (mit Daumen und Zeigefinger einen kleinen Abstand deutend) besser werden, dann können Sie die österreichischen Frauen mit Geld überschütten. Frau Heinisch-Hosek findet dann aus dem Berg von Geld gar nicht mehr heraus. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Wenn man nur einmal nachdenkt, wie man im Pensionsbereich ein bisschen – ein bisschen! – gegensteuert, dann muss man gar nichts kürzen, dann muss man das Pensionsalter überhaupt nicht erhöhen, man muss nur die Dynamik ein bisschen einbremsen. Geld spielt jedoch keine Rolle, man lässt die EZB drucken und macht ein bisschen Schulden; das heißt jetzt Modern Monetary Theory und hat ja in Simbabwe schon so super funktioniert, wir probieren das jetzt auch.

Die Probleme liegen ja nicht bei den Pensionen – die Pensionen sind sicher, heißt es, besonders von da drüben (in Richtung SPÖ weisend), aber die (in Richtung ÖVP weisend) schließen sich jetzt auch schon an. Der Anteil der Pensionsausgaben am Bruttoinlandsprodukt steigt von 14 auf 16 Prozent. Das klingt nicht nach viel, aber 2 Prozent des BIPs sind eine gewaltige Summe. Es kommt aber noch etwas dazu: Der Anteil der über 65-Jährigen an der Bevölkerung verdoppelt sich und die unter 65-Jähri­gen werden anteilig weniger. Das heißt, man muss einen annähernd gleichbleibenden Teil des Bruttoinlandsprodukts auf doppelt so viele Leute verteilen und von weniger Leuten finanzieren lassen.

Das sind die Lasten, die auf die jungen Menschen zukommen, das müsste man denen einmal ehrlich sagen. Es sind aber mehr Wähler über 70 als unter 30, und genau so machen Sie Politik. (Beifall bei den NEOS.)

13.34


Präsidentin Doris Bures: Dazu ist nun niemand mehr zu Wort gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wie vereinbart verlege ich die Abstimmung an den Schluss der Verhandlungen über die Vorlagen des Budgetausschusses und fahre in der Tagesordnung fort.

13.34.346. Punkt

Bericht des Budgetausschusses über den Antrag 574/A der Abgeordneten Alois Stöger, diplômé, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Finanzausgleichsgesetz 2017 geändert wird (840 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 6.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Andreas Kollross. – Bitte, Herr Abgeordneter.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll105. Sitzung, 19. Mai 2021 / Seite 88

13.35.05

Abgeordneter Andreas Kollross (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Minister! Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Bei diesem Tagesordnungspunkt geht es um die Gemeindefinanzen. Wir haben uns hier im Parlament schon des Öfteren darüber unterhalten und ich schicke einmal etwas Positives voraus: Nachdem wir im April des vorigen Jahres erstmals zum Thema gemacht haben, dass die Gemeinden finanzielle Hilfen brauchen, weil aufgrund der Coronakrise Ertragsanteile, Kommunal­steuer, Tourismusabgaben, Elternbeiträge in den Nachmittagsbetreuungseinrichtungen und so weiter einbrechen und die Gemeinden gleichzeitig nicht in der Lage sind, sich selbst aus der Krise herauszufinanzieren, weil sie da selbst keinen Spielraum haben, weil den Spielraum letztendlich ja der Bund, der Finanzminister vorgibt – dazu haben wir auch eine sehr interessante Debatte gehabt –, ist es positiv, dass irgendwann auch die Regierungsparteien erkannt haben – wir haben das wie gesagt seit April formuliert –, dass man etwas tun muss.

Das war es dann aber leider mit dem Positiven, weil das, was die Regierung bisher gemacht hat, natürlich für das, was die Gemeinden in Wirklichkeit brauchen, viel zu wenig ist. Ich fasse nochmals zusammen: Mittlerweile sind wir bei einem Fehlbetrag von 4 Milliarden Euro, die den Gemeinden aufgrund verschiedenster Einnahmenausfälle fehlen. Was hat die Regierung gemacht? – Zuerst war da so ein Husch-pfusch-Gesetz, das sich Kommunalinvestitionsgesetz nennt, in der Höhe von 1 Milliarde Euro, über das wir von Haus aus gesagt haben: Das bringt nichts, das brauchen wir nicht, weil es nicht berücksichtigt, dass den Gemeinden die Liquidität fehlt. Wenn man ein Finanzpaket schnürt, bei dem die Gemeinden selbst 50 Prozent aufbringen müssen, damit sie die Hilfe überhaupt in Anspruch nehmen können, dann funktioniert das nicht. (Beifall bei der SPÖ.)

Genau so war es ja auch, und das hat lange Zeit dazu geführt, dass die Gemeinden sich die Finanzmittel nicht abgeholt haben. Dann hat man korrigiert und gesagt: Okay, da brauchen wir ein zusätzliches Gesetz!, und hat dann noch einmal 1,5 Milliarden Euro beschlossen. Nur ist auch das eine Mogelpackung – das müsst ihr euch leider gefallen lassen. Es ist eine Mogelpackung, was da beschlossen worden ist. Es hat zwar dazu geführt, dass die Gemeinden kurzfristig Liquidität haben und sich das erste kommunale Hilfspaket abholen können, aber es führt gleichzeitig dazu, dass ihr die Gemeinden langfristig schädigt und dafür sorgt, dass sie keinen Spielraum haben, dass wir wahr­scheinlich sehr viele Gemeinden haben werden, die ihren Haushalt nicht ausgleichen können, dass wir sehr viele Gemeinden haben werden, die über Leistungskürzungen nachdenken müssen.

Warum ist es eine Mogelpackung? – Weil sich die Gemeinden 1 Milliarde von den 1,5 Milliarden Euro selbst zahlen müssen. Das ist nur ein Vorgriff auf Einnahmen, die die Gemeinden sowieso bekommen hätten und die sie dann ab 2023 wieder zurückzahlen müssen. Das heißt, in Wirklichkeit beschädigt ihr die Gemeinden und die Städte mit den Hilfsprogrammen, die ihr da entwickelt, nachhaltig. So kann man mit Gemeinden, mit Städten und mit den Bürgerinnen und Bürgern schlicht und einfach nicht umgehen! (Beifall bei der SPÖ.)

Ein letzter Punkt noch – die Redezeit ist leider gleich vorbei –: Was ihr überhaupt nicht berücksichtigt – und das ist jetzt an die angebliche Wirtschaftspartei ÖVP gerichtet –, ist, dass die Gemeinden und die Städte mindestens ein Viertel aller öffentlichen Aufträge vergeben. Sie sind Arbeitsplatzgeber für die Bauwirtschaft, für die klein- und mittel­ständische Wirtschaft und so weiter und so fort. Wenn ihr die Gemeinden nachhaltig schädigt, weil ihr nicht die notwendigen Schritte setzt, dann schädigt ihr auch den Wirtschafts- und Arbeitsplatzstandort Österreich nachhaltig. (Beifall bei der SPÖ.)


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Wir sehen es ja schon, schaut euch zum Beispiel den Blog Arbeit & Wirtschaft an, da haben sie es ausgerechnet: Statt 4 Milliarden Euro, die die Gemeinden und Städte in den letzten Jahren immer investiert haben, waren es im Jahr 2020 nur mehr 3,5 Milliar­den Euro, die die Gemeinden investiert haben.

Liebe Regierung, liebe ÖVP, Herr Finanzminister, liebe angebliche Wirtschaftspartei! (Zwischenruf bei der ÖVP.) Man kann sich aus der Krise nicht heraussparen, man muss sich aus der Krise herausinvestieren! Es ist höchste Zeit. Die Gemeinden und Städte würden dazu einen wesentlichen Beitrag leisten, dafür brauchen sie aber Finanzmittel, und deshalb: Beschließt endlich unseren Antrag! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

13.39


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Manfred Hofinger. – Bitte.


13.40.07

Abgeordneter Ing. Manfred Hofinger (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollross, ganz kurz zu Ihrer Rede: Wir kennen das von Ihnen. Es ist immer zu wenig. Sie haben 250 Euro pro Einwohner gefordert, wir sind jetzt bei 280 Euro pro Einwohner. Ich glaube, das kann sich sehen lassen. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Kollross.) Ich werde auf Ihren Antrag aber später noch etwas genauer eingehen.

Eine Frage stellt sich bei diesen Unterstützungsprogrammen für die Gemeinden aber schon: Wie kann man mit Geld die Lebensqualität der Bürger in den Gemeinden verbes­sern? – Wir, die beiden Regierungsparteien gemeinsam, haben diese zwei Gemeinde­pakete beschlossen. Genau mit diesen Projekten bringen wir mehr Lebensqualität in die Gemeinden.

Einige Beispiele dazu: In der Gemeinde Pattigham gab es am Freitag vor einer Woche den Spatenstich für einen Spielplatz. Die Großeltern, die Eltern und vor allem die Kinder freuen sich schon auf den Spielplatz. Es wird noch mehr Lebensqualität in Pattigham geben. Der Bürgermeister Johann Urwanisch hat gesagt, er war total überrascht, wie unkompliziert und schnell diese Fördermittel zu den Gemeinden gekommen sind.

Gemeinde Kirchdorf am Inn: Sie bauen einen Geh- und Radweg, der eine Ortschaft mit dem Hauptort verbindet. Die ältere Generation profitiert davon. Die jüngere Generation profitiert davon. Wir schaffen damit Verkehrssicherheit und Lebensqualität in der Ge­meinde Kirchdorf.

Die Gemeinde Andrichsfurt mit Bürgermeister Johann Brandstetter zum Beispiel macht die Fassade der Volksschule neu – ein Projekt, dass sie nie hätten umsetzen können. Nur durch die Gelder dieses kommunalen Investitionsprogramms können sie das Orts­bild verschönern und bringen mehr Lebensqualität in die Gemeinden. Das ist uns wichtig. Sie sehen, meine Damen und Herren, mit genau diesen Geldern dieser zwei kommu­nalen Investitionsprogramme können wir Lebensqualität bringen. (Beifall bei der ÖVP.)

Es wird aber nicht nur die Lebensqualität, sondern auch die Liquidität und die Pla­nungssicherheit der Gemeinden gestärkt, was für die Gemeinden – ich bin selbst Bürger­meister einer kleinen Gemeinde – enorm wichtig ist. Mit diesen 2,5 Milliarden Euro ins­gesamt können wir den Steuerentfall zum großen Teil ausgleichen. Wir haben mit diesen zwei Unterstützungspaketen das größte Unterstützungspaket für die österreichi­schen Gemeinden in der Geschichte zusammengebracht. – Einen herzlichen Dank, Herr Bundesminister! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Die Gemeinden sind ein wichtiger Anker in einer solchen Krise, sie vergeben Aufträge an die regionalen Firmen und sie sind einfach Ansprechpartner für die Bevölkerung. Ich


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möchte mich wirklich eindringlich bei allen Gemeinden, bei den Bediensteten, bei den Funktionären, bei den Bürgermeistern und allen Ehrenamtlichen recht herzlich dafür bedanken, dass sie sich vor allem in der Krise für die Bevölkerung ihrer Gemeinden und Städte eingesetzt haben. Herzlichen Dank! (Beifall bei der ÖVP.)

Nun noch ganz kurz zum Antrag der SPÖ: Es ist ein typischer Gießkannenantrag, bei dem jede Gemeinde irgendetwas bekommen soll. (Abg. Kollross: Das ist ...!) Er ist ungerecht und vor allem nicht treffsicher. Wir berücksichtigen hier schon, dass es kleine Gemeinden gibt, die finanzschwach sind. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Kollross.) Durch die Erhöhung der Strukturmittel können wir genau diesen Gemeinden besonders helfen.

Nochmals: Die SPÖ forderte 250 Euro pro Einwohner. Wir sind jetzt mit diesen zwei Gemeindepaketen bei über 280 Euro pro Einwohner. Ich glaube, das kann sich wirklich sehen lassen. Ich als Gemeindesprecher der ÖVP möchte schon eines sagen und ich habe es bei jeder Gemeinderede gesagt: Wir lassen unsere Gemeinden nicht im Stich – und daran halten wir uns auch. Es hat sich leider die Krise verlängert, und daher haben wir nochmals ein zweites Paket geschnürt. Ich glaube, das kann sich wirklich sehen lassen. Wir bringen mit diesen Gemeindepaketen Lebensqualität in unsere Gemeinden, und die Bevölkerung profitiert davon. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

13.44


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Erwin Angerer. – Bitte.


13.44.45

Abgeordneter Erwin Angerer (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Minister! Hohes Haus! Herr Kollege Hofinger, es grenzt schon an Zynismus, was Sie hier den Gemeinden vom Rednerpult aus ausrichten, denn wenn man jemandem zuerst 4 Milliarden Euro wegnimmt (Zwischenruf der Abg. Kirchbaumer) und dann sagt: Ihr bekommt eh 2,5 Milliarden Euro, seid zufrieden damit!, und: Wir wollen mehr Lebensqualität in die Ortschaften bringen!, dann ist das nichts als Zynismus. (Beifall bei der FPÖ.)

Es sprechen ja nach mir noch viele Gemeindevertreter: Frau Götze, Frau Feichtinger ist Bürgermeisterin, Frau Baumgartner ist Bürgermeisterin, Herr Zarits sitzt im Gemein­derat. (Abg. Zarits: Noch!) Ich gehe davon aus, dass Sie als Gemeinderat die neue VRV und die neuen gesetzlichen Grundlagen einhalten und auch in Ihrer Gemeinde schon den Rechnungsabschluss des letzten Jahres beschlossen haben, der bis 30.4. zu be­schließen war. Es würde mich einfach interessieren: Wie viel Abgang haben Sie in Ihrer Gemeinde? Oder haben Sie es noch geschafft, einen Überschuss zu erwirtschaften? Dann sind Sie eine der wenigen Ausnahmen (Abg. Kirchbaumer: Stimmt ja nicht!), denn über 50 Prozent der österreichischen Gemeinden haben einen Abgang und können ihn auch nicht ausgleichen.

Und wenn Sie noch so oft mit Ihren zwei Gemeindepaketen daherkommen: Das ist völlig unzureichend. Das erste Paket war ein Investitionspaket und das zweite Paket war nichts anderes als ein Ausgleich für die Ertragsanteile, die heuer im Vergleich zum Jahr 2019 fehlen, als Kredit, den die Gemeinden ab 2023 zurückzahlen müssen. Das ist überhaupt kein Hilfspaket, das ist nichts anderes als ein Kredit des Bundes. Der ist vom Finanz­minister, den es ja sowieso nicht interessiert, was die Gemeinden tun, großzügigerweise gewährt worden. (Beifall bei der FPÖ.) Man braucht ja nur auf ihn zu schauen: Es interessiert ihn ja nicht! Er wird sich zu diesem Tagesordnungspunkt auch nicht zu Wort melden, denn viel wichtiger ist es ja, dass wir den Zentralismus nach vorne treiben, dass wir als Österreich 12 Milliarden Euro Haftungen in Brüssel übernehmen, als dass man


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den Gemeinden 4 Milliarden Euro zur Verfügung stellt, damit sie ihren Hausaufgaben nachkommen können.

Da geht es nicht um Spielplätze. Da geht es um den Kindergarten, da geht es um das Seniorenheim, da geht es um die Bedürfnisse der Menschen in unseren Gemeinden. Das ist euch wurscht. Mich wundert das. Bei ihm (in Richtung Bundesminister Blümel weisend) wundert es mich nicht. Ihm ist es wurscht, das weiß ich. Er hat ganz andere Ideen, ganz andere Interessen: 12 Milliarden Euro nach Brüssel, jedes Jahr 400 Millio­nen Euro mehr nach Brüssel zahlen – wurscht. Jetzt sind für den EU-Wiederaufbaufonds 12 Milliarden Euro an Haftungen zu übernehmen – im besten Fall, wenn die anderen Länder in den nächsten Jahren auch in der Lage sind, das auszugleichen, denn sonst wird es für Österreich noch teurer werden. Die österreichischen Gemeinden werden hin­gegen hängen gelassen.

Also ich kann nur sagen: Das, was Kollege Kollross gesagt hat, kann man nur unter­streichen. Das ist einfach Faktum. Das, was ihr da von euch gebt, ist peinlich gegenüber den Gemeinden. Geht einfach heraus und sagt, wie eure Rechnungsabschlüsse aus­schauen! Seid einmal in eurem Leben ehrlich! Das würde ich euch als ÖVP einmal empfehlen. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Hofinger.)

13.47


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Elisabeth Götze. – Bitte.


13.47.51

Abgeordnete Dr. Elisabeth Götze (Grüne): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minis­ter! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Wir diskutieren wieder einmal über die Gemeinden. Es ist schon ganz viel gesagt worden. Worüber wir hier eigentlich auch diskutieren, ist ein Antrag der SPÖ von vor über einem Jahr, und seither ist bei den Gemeinden viel passiert. (Abg. Wurm: Was?)

Wir haben zwei Gemeindepakete beschlossen, ein erstes, bei dem wir alle – oder sehr viele – Investitionen der Gemeinden unterstützen: 50 Prozent Zuschuss, insgesamt 1 Milliarde Euro, die im vergangenen Jahr und heuer auf alle Gemeinden ausgeschüttet werden. Wir haben schon gehört, was da für tolle Projekte bereits entstanden sind oder auch entstehen. Das ist im Laufen, und übrigens: Das bringt den Gemeinden unmittelbar Liquidität, weil bereits zu dem Zeitpunkt, zu dem sich die Gemeinde entschließt, ein Pro­jekt zu machen – und das können alle Gemeindepolitikerinnen, -politiker bestätigen –, zum Zeitpunkt der Einreichung das Geld überwiesen wird. Das heißt, ich habe quasi eine Zwischenfinanzierung. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

In diesem Zusammenhang ist auch wichtig: Das sind Investitionen in die Zukunft der Gemeinden – ob Radwege, ob Sanierung des Kanals, ob Ausbau der Kinderbetreuung oder Ähnliches.

Und dann folgt ein zweites Gemeindepaket Anfang des Jahres, mit dem wir den Gemein­den noch einmal 1,5 Milliarden Euro mit den Ertragsanteilen auszahlen. Dazu ist zu sagen: 500 Millionen Euro sind echte Zuschüsse. Da wird zwischen allen Gemeinden und den strukturschwachen unterschieden. Die bekommen noch einmal extra mehr – also keine Gießkanne, sondern wirklich für die Gemeinden, die es brauchen, noch einmal extra mehr.

Und es gibt einen Vorschuss auf Ertragsanteile; Vorschuss – ja, der ist möglicherweise zurückzuzahlen (Ruf bei der SPÖ: ... das habt ihr schon beschlossen! weitere Zwi­schenrufe bei der SPÖ), aber es gibt einen Wachstumspfad. Das heißt, die Gemeinden werden über die kommenden Jahre jeweils 2 Prozent mehr Ertragsanteile bekommen (Beifall bei Grünen und ÖVP Abg. Kassegger: ... das ist ja ein Witz!), und erst wenn


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die Wirtschaftskraft in Österreich höher ist, also die Ertragsanteile höher ausfallen, dann wäre zurückzuzahlen. Insofern ist das wirklich etwas, was den Gemeinden extrem hilft (Ruf bei der SPÖ: Nein!), das weiß ich aus meiner Heimatgemeinde, das weiß ich aus vielen Gesprächen mit Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern. Es hilft den Gemeinden, weil sie absolute Planungssicherheit haben, und das Ausfallsrisiko übernimmt der Bund. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

In diesem Sinn: Wir sind uns einig, den Gemeinden ist zu helfen. Ja, wir haben den Gemeinden geholfen. Wir haben den Gemeinden vom Volumen her und auch von der Treffsicherheit her mehr geholfen als mit dem vorliegenden Vorschlag, und wir garan­tieren, dass in Zukunftsprojekte investiert wird. Das passiert in den Gemeinden. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP. Zwischenruf des Abg. Kollross.)

13.51


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Elisa­beth Feichtinger. – Bitte.


13.51.34

Abgeordnete Elisabeth Feichtinger, BEd BEd (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Corona hat uns nach wie vor sehr fest im Griff, und es hat natürlich auch nicht vor den Gemeinden haltgemacht. Die Einnahmen sind bei den Gemeinden im letzten Jahr massiv einge­brochen und ausgefallen. Man hat sich dann – letztes Jahr um diese Zeit – gefreut: Ja, jetzt gibt es das Gemeindepaket und es gibt Unterstützung. – So sah es auf den ersten Blick aus, aber wenn man dann genauer hingeschaut hat, hat man gesehen, dass es zuerst die Eigenmittel jeder Gemeinde braucht, um sich überhaupt diese Förderungen abholen zu können. Da gab es aber viele Gemeinden, die sich diese Förderungen gar nicht haben abholen können, weil sie einfach diese Finanzlage gar nicht gehabt haben, um ihre Eigenmittel zu stemmen. (Beifall bei der SPÖ.)

Das zweite Gemeindepaket ist eigentlich wie ein Kredit zu sehen. Man kriegt halt die Vorschüsse und irgendwann muss man sie wieder zurückzahlen, und dann kommt das böse Erwachen, in dem Fall 2023. Wir Bürgermeisterinnen und Bürgermeister müssen jetzt schon schauen, dass wir das dann sukzessive als Rücklage so quasi hinbiegen in unseren Budgets, damit wir es dann auch wieder schön zurückzahlen können. Also im Endeffekt haben wir nicht wirklich etwas davon.

Unser Antrag mit den 250 Euro pro Person direkt in jede Gemeinde hat ganz klar in die Gegenrichtung gezielt. Wir hätten schnell und unbürokratisch dieses Geld gehabt, hätten vor Ort einfach diese Projekte, die aktuell ein Thema sind, umsetzen können. Wie viele Projekte wären es jetzt, wenn wir das Geld gehabt hätten? Leider sind diese Gelder nie geflossen, und mir tut es wirklich im Herzen weh, wenn wir unseren Vereinen sagen müssen: Es tut uns leid, wir müssen die Projekte einfach ein bissel nach hinten ver­schieben, wir müssen schauen, dass wir unser Budget halbwegs in Schuss kriegen, und wir müssen abwarten, wie die Gelder fließen! – So muss man sich entscheiden zwischen Gehsteigen – ob man die neu macht – oder Straßenbeleuchtungen, Kindergartensanie­rungen, Schulbau. Das sind viele, viele Themen, die da auf uns zukommen. Und wir als Bürgermeisterinnen und Bürgermeister wissen nach wie vor nicht, wie wir das alles stemmen sollen. (Zwischenruf des Abg. Zarits.)

Wir sind immer da, wie bei den Massentestungen Ende letzten Jahres. Wir, die Gemein­den, sind auch jetzt bei den Eintrittstestungen wieder da. Wir erwarten uns aber einfach mehr Unterstützung. Wir Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sitzen alle im selben Boot, egal welcher Couleur. Ich brauche da nur an meine Bürgermeisterkolleginnen und -kollegen im Salzkammergut zu denken: Wir arbeiten alle überparteilich supergut


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zusammen. Wir haben alle dieselben Themen und Problematiken, was das Thema Finanzen betrifft. Darum finde ich es extrem schade, dass diese Initiative, also unser Antrag, nicht unterstützt worden ist. Mir ist einfach wichtig, dass wir auf unsere Ge­meinden nicht vergessen. (Beifall bei der SPÖ.)

13.54


Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich Herr Bundesminister Blümel zu Wort gemel­det. – Bitte.


13.54.13

Bundesminister für Finanzen Mag. Gernot Blümel, MBA: Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist schon viel Richtiges gesagt worden, von allen Rednerinnen und Rednern. Ich möchte auf ein paar Kritikpunkte eingehen: Ja, es ist richtig, dass wir dieses Paket in verschiedenen Tranchen gestaltet haben. Ja, es ist rich­tig, dass Abgeordneter Kollross und die SPÖ von Beginn an auch hier gefordert haben, was die Gemeinden kompensiert haben. Ja, es war von Beginn an klar, dass wir da helfen wollen.

Wir haben es auf zwei verschiedene Tranchen aufgeteilt: einerseits ein kommunales Investitionspaket, bei dem wir gesagt haben, 50 Prozent der Investitionen, die die Gemeinde in diesem Bereich tätigt, sollen vom Bund mitfinanziert werden können. Wir haben da auch eine relativ lange Abholfrist möglich gemacht, damit das in Umsetzung kommen kann, plus, wir haben, und das haben Sie auch angesprochen, Herr Kollege, auch sichergestellt, dass die Liquidität da ist. (Abg. Kollross nickt.) Sie haben völlig recht, wenn Sie gesagt haben, dass Sie bereits darauf hingewiesen haben, aber Sie haben auch zu Recht darauf hingewiesen, dass wir es dann auch umgesetzt haben.

Nun kann man sagen, es ist vielleicht noch nicht genug oder es sollte mehr oder anders sein (Abg. Kollross nickt) – das nehme ich zur Kenntnis, das ist legitim. Ich glaube aber auch, dass es legitim ist, zu sagen, dass diese Coronakrise an niemandem völlig spurlos wird vorübergehen können und dass wir alle unseren Beitrag geleistet haben. Das gilt natürlich auch für alle Gebietskörperschaften. Wir wollen aber einen Weg gehen, der volkswirtschaftlich sinnvoll ist und es möglich macht, dass die Arbeitsplätze in diesem Land möglichst erhalten werden. Da sind natürlich die Gemeinden wesentliche Partner, was die Investitionen vor Ort betrifft, deswegen bin ich froh, dass diese beiden Pakete auch hier mit breiter Mehrheit beschlossen worden sind. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

13.55


Präsidentin Doris Bures: Frau Abgeordnete Angela Baumgartner ist nun zu Wort ge­meldet. – Bitte.


13.56.07

Abgeordnete Angela Baumgartner (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Minister! Werte Zu­seherinnen und Zuseher! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Bau der neuen Turnhalle und die Renovierung der Volksschule in meiner Gemeinde Sulz im Weinviertel sind nur zwei Projekte von vielen, die ohne dieses Gemeindepaket, ohne die zwei Gemeinde­pakete nicht hätten umgesetzt werden können.

Die ÖVP hat schnell gehandelt, unser Herr Finanzminister hat die Mittel zur Verfügung gestellt. Die SPÖ kommt jetzt drauf, aber wir haben bereits eine bessere Lösung in Kraft. (Beifall bei der ÖVP. – Ruf bei der SPÖ: Was?! Geh bitte!)

126 000 Euro hat meine Gemeinde aus dem Kommunalinvestitionspaket bekommen. Ja, wir haben den gleichen Teil als Eigenmittel aufzubringen, aber wäre es ein Problem


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gewesen, dann hätte man den Vorschuss von den Ertragsanteilen aus dem zweiten Gemeindepaket dafür verwenden können.

Die zwei Gemeindepakete sind eine wichtige und große Hilfe für unsere Gemeinden, weil auch der Verwendungszweck so breitflächig ist, dass sicher jede Gemeinde ein Pro­jekt findet, das sie umsetzen kann. Sei es der Neubau, die Renovierung, sei es eine neue Straße oder ein neues Radwegenetz – für all diese Projekte können diese Mittel verwendet werden.

Zurückkommend zu meiner Volksschule: Ich habe auch Mittel aus dem Schul- und Kin­dergartenfonds beantragt. Dieser Zweckzuschuss schließt nämlich andere Förderschie­nen nicht aus.

Die Gemeindepakete wirken bereits bei den Gemeinden, weil die Beantragung sehr schnell und unkompliziert ist. Binnen drei Wochen hat man das Geld auf dem Konto. Die Gemeindepakete sind nicht nur eine große Hilfe für unsere Gemeinden, sondern auch für die regionale Wirtschaft: 2,5 Milliarden Euro, die direkt in die regionale Wirtschaft, direkt in regionale Infrastrukturen hineinfließen und dadurch die Region stärken und die Arbeitsplätze sichern. Sie kennen sicher den Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“ so fühle ich mich manchmal. (Abg. Wurm: Ich auch! – Zwischenruf des Abg. Kassegger.) Mittlerweile stehe ich das dritte Mal hier heraußen und versuche, der Opposition das Gemeindepaket zu erklären. Ich hoffe, Sie haben es jetzt verstanden.

Bei der SPÖ tue ich mir da ein bissel schwer. Ich glaube, Sie haben es nicht verstanden, speziell Kollege Lercher von der SPÖ. (Zwischenruf des Abg. Lercher.) Als ihm im Budgetausschuss die Argumente ausgegangen sind, hat er dann geglaubt, er muss in die tiefste Schublade greifen und mich beleidigen. Das ist Ihre Taktik. (Neuerliche Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich hoffe, Herr Kollege, Sie haben jetzt besser aufgepasst. Falls nicht, können wir das dann gerne bilateral besprechen (Abg. Lercher nickt), und ich erkläre es Ihnen noch einmal. (Zwischenruf des Abg. Lercher.) – Gerne. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Rössler und Voglauer. )

Ja, meine sehr verehrten Damen und Herren, die ÖVP ist die Bürgermeisterpartei und weiß, wo der Schuh drückt und wie sie den Gemeinden helfen kann. Bis die SPÖ überlegt hat, haben wir das schon umgesetzt. (Abg. Kollross: Geh bitte!) – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP. – Neuerliche Zwischenrufe bei der SPÖ.)

13.59


Präsidentin Doris Bures: Mir liegt nun eine Wortmeldung zu einer tatsächlichen Berichtigung vor. – Bitte, Herr Abgeordneter Kai Jan Krainer. (Ruf bei der SPÖ: Frau Kollegin, zuhorchen! Bitte jetzt zuhorchen! Da schaut sie gleich weg! Weitere Zwi­schenrufe bei der SPÖ.)


13.59.26

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Abgeordnete Baumgartner hat gerade behauptet, dass die SPÖ jetzt erst draufkäme, dass man etwas für die Gemeinde machen muss, aber die Regierung das doch schon vor Monaten erledigt hätte.

Ich berichtige tatsächlich (Ruf bei der ÖVP: Na!): Der Antrag der SPÖ, den wir jetzt gerade debattieren, wurde nicht jetzt eingebracht, sondern vor mehr als einem Jahr und wurde von der ÖVP ein Jahr lang von Sitzung zu Sitzung vertagt. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Abg. Baumgartner.)

Die Hilfe für die Gemeinden, die die ÖVP umgesetzt hat, bedeutet, dass die Gemeinden das gesamte Geld selber zurückzahlen müssen. Bei der SPÖ hätten sie es behalten


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll105. Sitzung, 19. Mai 2021 / Seite 95

dürfen. – Vielen Dank. (Beifall und Bravoruf bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Kassegger.)

14.00


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Max Lercher. – Bitte.


14.00.01

Abgeordneter Maximilian Lercher (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minis­ter! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Frau Kollegin, Sie haben ge­sagt, ich habe Sie auf das Tiefste beleidigt – ich habe Ihnen die Wahrheit gesagt. (Abg. Kollross: Das ist für die ÖVP eine Beleidigung! – Zwischenruf des Abg. Hofinger.) Das ist symptomatisch für die ÖVP: Wenn man euch die Wahrheit sagt, dann seid ihr beleidigt. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Michael Hammer.) Eine Demokratie lebt aber nicht davon, dass ihr von uns das bekommt, was ihr hören wollt, sondern dass ihr euch mit den Problemen auseinandersetzen müsst, die es in dieser Gesellschaft wirklich gibt. Fakt ist: Eure Pakete funktionieren nicht so, wie ihr ge­glaubt habt. (Zwischenrufe der Abgeordneten Kühberger und Lindinger.) Fakt ist: Die Gemeinden haben 4 Milliarden Euro verloren, und ihr gebt ihnen dieses Geld nicht. Fakt ist: Der Herr Finanzminister hat zugegeben, dass er nicht den politischen Willen hat, die Einnahmenverluste der Gemeinden und Städte auszugleichen. (Zwischenruf des Abg. Lindinger.) Erzählt uns bitte hier an dieser Stelle nicht, dass eure Pakete wirken, denn es ist zu wenig – es ist zu wenig! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Abg. Baumgartner.)

Wir reden von den Gemeinden. Die Gemeinden haben euch beim Testen gerettet. Sie haben euch beim Impfen gerettet. Sie sind immer da, wenn sie gebraucht werden (Zwischenruf des Abg. Michael Hammer), organisieren die Freiwilligenstruktur, organi­sieren alles, auf das wir in diesem Land so stolz sind, und die ÖVP macht eine Liquidi­tätsüberbrückung und einen Kredit für die Gemeinden, damit sie es dann selbst bedecken können, und verlangt dann auch noch, dass sie Danke sagen. Kollege Hofinger hat sich herausgestellt und gesagt: Danke an alle GemeinderätInnen, danke an alle Bürgermeisterinnen und Bürgermeister! – Ein Dank reicht nicht, wir brauchen Geld für die Kommunen, liebe Kolleginnen und Kollegen! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich sage es Ihnen ganz offen: Wenn man Gemeinden als Fundament in diesem Land begreift – und das tut die Sozialdemokratie (Heiterkeit bei der ÖVP) –, wenn man sie als die wichtigste politische Institution begreift, weil sie am nächsten bei den Bürgerinnen und Bürgern sind, dann haben sie sich nicht verdient, dass sie über ein Jahr lang vertröstet werden, und dann haben sie sich schon gar nicht verdient, dass sie dauerhaft zu ihren Paketen belogen werden, denn Fakt ist: Sie könnten heute mit uns darüber entscheiden, ob wir den Kommunen frisches Geld geben oder nicht. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Sie entscheiden sich dagegen. Das ist kein Gießkannenprinzip, sondern es entspricht in Wahrheit unserer Verfassung, wenn wir den Kommunen mit ihrer Auto­nomie das Geld geben, das ihnen schon so lange fehlt, denn der Druck steigt nicht nur durch die Coronakrise, sondern der Druck auf die Gemeinden steigt schon seit Jahren. Es wäre jetzt an der Zeit, dass wir ihnen geben, was ihnen zusteht.

Bei allen Paketen gibt es Milliarden, aber die 2,2 Milliarden Euro Cash, die wir heute für unsere Städte und Gemeinden verlangen, wollen Sie ihnen nicht geben, weil Sie auf das Geld vor Ort nicht die Hand draufhaben, weil Sie die Message nicht unter Kontrolle haben. Da können Sie sich schämen. Ich glaube, die Städte und Gemeinden hätten es sich dringend verdient. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Abg. Baumgartner. – Abg. Eßl: Ordnungsruf für die Lüge! Ordnungsruf!)

14.03



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll105. Sitzung, 19. Mai 2021 / Seite 96

Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Christoph Zarits, Sie gelangen zu Wort. – Bitte.


14.03.50

Abgeordneter Christoph Zarits (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Zwei Dinge sind wirklich unendlich: das Univer­sum und die Arroganz von Kollegen Lercher – das muss ich ganz ehrlich sagen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Kollross: Und die Präpotenz der ÖVP!) – Ich weiß ehrlich gesagt nicht, worauf Sie sich so viel einbilden: Die paar Monate, in denen Sie Bundesgeschäftsführer waren, haben Sie wirklich auch den Niedergang der SPÖ mitbegleitet. Herzliche Gratulation zu dieser katastrophalen Leistung! (Heiter­keit und Beifall bei der ÖVP.)

Ein Unterschied zwischen der SPÖ und der ÖVP ist, dass bei uns zehn Bürgermeister und eine Bürgermeisterin sitzen (Zwischenruf des Abg. Lercher), bei euch sind eine Bürgermeisterin und zwei Bürgermeister da. Daran sieht man schon, dass uns die Kommunalpolitik wichtig ist, dass bei uns die Expertinnen und Experten sitzen, die in den Kommunen auch Verantwortung tragen, und das ist gut und richtig so, denn die kennen sich aus. Wir sind in den Vereinen tätig, wir sind im ehrenamtlichen Bereich tätig – wir sind bei den Leuten. (Beifall bei der ÖVP.)

Manche von uns kommen aus kleinen Gemeinden, manche kommen aus großen Gemeinden, manche, wie ich, kommen aus einer Minderheitsgemeinde, in der ein SPÖ-Bürgermeister im Amt ist. Manche – zum Glück – kommen aus einer Gemeinde, in der ein ÖVP-Bürgermeister im Amt ist. (Abg. Kollross: Die Armen!) Manche – immer weni­ger – kommen aus einer Gemeinde, in der ein FPÖ-Bürgermeister im Amt ist. Auch grüne Bürgermeister, die einen sehr, sehr tollen Job machen, gibt es. Alle Gemeinden haben eines gemeinsam: Corona hat natürlich oft Auswirkungen auf die Gemeinde­kassa, da gebe ich Ihnen recht. (Abg. Rauch: ... super Beispiel ...!)

Wir haben aber, wie in vielen anderen Bereichen, immer eines getan, und diesem Motto sind wir in dieser Krisenbekämpfung treu geblieben: schnell und unbürokratisch zu helfen. (Abg. Kollross: Schnell!) Im Juni haben wir das Gemeindepaket eins aufgestellt, mit einem Volumen von 1 Milliarde Euro. Herr Kollege Kollross, 700 Millionen Euro sind mittlerweile auch ausbezahlt, sind bei den Gemeinden, sind in den Gemeinden auch investiert – das ist gut und richtig so, und das Geld ist in den Kommunen gut angelegt. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich wundere mich ja, dass Herr Kollege Köchl noch nicht ans Rednerpult gekommen ist. Der könnte Ihnen im Gespräch nämlich sagen, wie es möglich ist, das Geld abzuholen. Man muss für Straßensanierungen, für Fotovoltaikanlagen am Kindergarten und auf der Volksschule einfach Anträge stellen, und dann kommt das Geld auch in die Gemeinden.

Ich weiß, dass das Geld, das wir zur Verfügung gestellt haben, das der Finanzminister zur Verfügung gestellt hat, in den Gemeinden gut angelegt ist. Mit dem Gemein­de­paket zwei haben wir eines geschafft: dass weiterhin Geld zur Verfügung steht. Kollege Hofinger hat es angesprochen: Wir wollen nicht mit der Gießkanne über alle Gemeinden gehen, sondern wir wollen vor allem strukturschwache und finanzschwache Gemeinden unterstützen: mit einem Paket von 100 Millionen Euro (Zwischenruf des Abg. Kollross), mit 400 Millionen Euro zusätzlichen Ertragsanteilen für unsere Gemeinden, und 1 Mil­liarde Euro sind Vorschüsse aus den Ertragsanteilen. Das ist gut und richtig so. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Kollross: Also zahlen es sich die Gemeinden selbst!)

Wir haben das Ziel, gut durch diese Krise zu kommen. Die Gemeinden und die Bürger­meis­terinnen und Bürgermeister waren die starken Partner in dieser Pandemiebekämpfung.


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Kollege Lercher hat gesagt, sie waren unsere Retter. – Ja, auf euren Retter warte ich – den findet ihr wahrscheinlich lange nicht, denn der Sinkflug der SPÖ geht immer weiter. Ihr streitet ja untereinander: Burgenland mit dem Bund, dann richtet euch der Kollege aus Tirol etwas aus, also irgendwie funktioniert die Kommunikation intern schlecht. Darum lasst ihr es natürlich an uns, an der Bundesregierung aus. Ich sage aber eines: Wir werden stärker aus dieser Krise kommen, auch die Volkspartei wird stärker aus dieser Krise kommen, weil wir zusammenhalten und weil wir für dieses Land arbeiten. (Beifall bei der ÖVP.)

14.07


Präsidentin Doris Bures: Mir liegt nun eine Wortmeldung von Abgeordnetem Köchl vor. – Bitte. (Heiterkeit bei der ÖVP. – Abg. Kollross: ... Kollegen, da ist er schon!)


14.07.51

Abgeordneter Klaus Köchl (SPÖ): Geschätzte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Minis­ter! Die Gemeinde Liebenfels ist angesprochen worden. Ich darf mich für das Geld bedanken. Wir haben nur ein Problem – das haben wir von Anfang an gesagt – (Abg. Michael Hammer: Euch ist es immer zu wenig!): Die erste Milliarde war zu wenig, die zweite haben wir bekommen, damit haben wir dann Projekte gemacht, wie die Frau Bürgermeister richtig aufgezählt hat – einen Spielplatz –, aber wir haben in den nächsten paar Jahren ein Problem. Wir zahlen dann von den Ertragsanteilen immer wieder zurück. Uns fehlen 300 000 Euro, einer Gemeinde wie Liebenfels mit 6 Millionen Euro, und das zahlen wir jetzt in den nächsten Jahren kontinuierlich zurück.

Ich verstehe, wenn Sie sagen, dass auch Gemeinden einen Beitrag dazu leisten müs­sen, aber glauben Sie mir, Herr Minister, so können Sie das nicht machen. So werden die Gemeinden sich nichts mehr leisten können, außer irgendwelche Gemeinden in Niederösterreich, wo das Land anders besetzt ist oder wo sie es mit ÖVP-Politikern und -Bürgermeistern anders machen, aber im Grunde sind die Gemeinden in den nächsten Jahren nicht mehr zahlungsfähig. (Beifall bei der SPÖ.)

14.08


Präsidentin Doris Bures: Mir liegt nun zu diesem Tagesordnungspunkt keine Wort­meldung mehr vor. Daher schließe ich die Debatte.

Ich frage die Frau Berichterstatterin, ob sie ein Schlusswort möchte. – Das ist nicht der Fall.

Die Abstimmung verlege ich an den Schluss der Debatten über die Vorlagen des Budget­ausschusses.

14.09.15 7. Punkt

Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (809 d.B.): BESCHLUSS DES RATES vom 14. Dezember 2020 über das Eigenmittelsystem der Europäi­schen Union, Nr. 2020/2053/EU, Euratom, ABl. Nr. L 424 vom 15.12.2020 (Eigen­mittelbeschluss 2021) (841 d.B.)

8. Punkt

Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (751 d.B.): Überein­kom­men zur Änderung des Übereinkommens über die Übertragung von Beiträgen auf den einheitlichen Abwicklungsfonds und über die gemeinsame Nutzung dieser Beiträge (842 d.B.)


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9. Punkt

Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (752 d.B.): Überein­kommen zur Änderung des Vertrags zur Einrichtung des Europäischen Stabilitäts­mechanismus (843 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen nun zu den Punkten 7 bis 9 der Tagesordnung, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Da auf eine mündliche Berichterstattung verzichtet wurde, gelangt Frau Abgeordnete Petra Steger als Erste zu Wort. – Bitte.


14.10.11

Abgeordnete Petra Steger (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kollegen von der ÖVP und von den Grünen! Es ist so weit, mit dem heutigen Tag und Ihrer Zustimmung zum Eigenmittelbeschluss 2021 und damit zum 750 Milliarden Euro schweren EU-Wiederaufbaufonds sind wir endgültig in einem neuen europäischen Zeitalter angelangt, im Zeitalter einer europäischen Schuldenunion. Unter dem Deck­mantel von Corona wird damit einer der weitreichendsten Beschlüsse seit der Einführung des Euro mit fatalen Konsequenzen gefasst.

Ich gratuliere Ihnen. Dank Ihrer Zustimmung zahlen und haften wir in Zukunft für Schul­den anderer Staaten, die vor allem deswegen so schlecht dastehen, weil sie vorher schon schlecht gewirtschaftet haben. Schulden, Schulden und noch mehr Schulden, und umverteilen weg von den Österreichern, das ist die neue Devise.

Es ist für mich unbegreiflich, sehr geehrter Herr Finanzminister, warum Sie in der größten Gesundheits- und Wirtschaftskrise der Zweiten Republik, in der Zigtausende Menschen in Österreich dringend Hilfe benötigen würden, weil sie vor dem Nichts stehen, zustim­men, dass wir in Zukunft weitere Milliarden an die EU überweisen. Es ist für mich unbegreiflich, dass Sie zustimmen, dass die Interessen der österreichischen Steuer­zahler dermaßen verraten werden, und es ist für mich unbegreiflich, dass wir es zulassen, dass die EU diese Krise dermaßen missbraucht, um noch mehr Macht und Kompetenzen an sich zu ziehen, sehr geehrte Damen und Herren.

Sie ermöglichen heute mit dieser Zustimmung nicht nur eine Vergemeinschaftung der Schulden, eine Schulden- und Transferunion, eine Aushebelung der Fiskalregeln und der Maastrichtkriterien, einen Verlust unserer Budgethoheit, der Steuerhoheit, sondern auch einen großen Schritt in Richtung europäischer Staat, natürlich einhergehend mit einem gewaltigen Einschnitt in unsere nationalstaatliche Souveränität, sehr geehrte Damen und Herren.

Das Schlimmste ist: Obwohl dieser Beschluss dermaßen weitreichend ist, geht das aufgrund Ihrer unzähligen Korruptionsfälle der letzten Monate, mit deren Aufarbeitung man gar nicht mehr nachkommt, medial vollkommen unter. Das Einzige, was medial in irgendeiner Form berichtet wurde, war wieder einmal eine PR-Berichterstattung darüber, was wir nicht alles Tolles mit den EU-Geldern machen können.

Da wird gleich einmal weggelassen, dass es sich gar nicht um EU-Gelder handelt – nein, wir nehmen vielmehr neue Haftungen und Schulden auf, und zwar nicht für uns, sondern für die Pleitestaaten in Europa. Es wird fast totgeschwiegen, dass wir für wesentlich mehr haften und zahlen werden, als wir bekommen. Wir bekommen 3,7 Milliarden Euro und werden laut Ihren eigenen Berichten fast 12 Milliarden Euro zahlen müssen, wenn nicht vielleicht sogar noch mehr, falls die ganzen Mitgliedsländer ihre Darlehen nicht zurück­zahlen können, was ich schwer annehme. Ich halte das, sehr geehrter Herr Minister, ehrlich gesagt für unverantwortlich gegenüber den unzähligen Unternehmen in diesem Land. (Beifall bei der FPÖ.)


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Erklären Sie einmal, sehr geehrte ÖVP, warum Sie diesem gewaltigen Tabubruch, dass die EU das erste Mal Schulden aufnehmen darf und damit die größte Schuldenrakete der EU-Geschichte gezündet wird, zustimmen! Erklären Sie einmal, warum Sie zustim­men, dass die EU das erste Mal Anleihen ausgeben darf – etwas, das vor Kurzem noch ein absolutes Tabuthema war, Stichwort Eurobonds! Erklären Sie einmal, warum Sie zustimmen werden, dass das erste Mal Zuschüsse, das heißt Geldgeschenke, an Mit­gliedstaaten verteilt werden – etwas, was es laut Kurz niemals hätte geben dürfen! Spanien bekommt 140 Milliarden Euro, Italien sogar 191 Milliarden Euro – das ist nichts anderes als eine Umverteilung von wirtschaftlich starken zu wirtschaftlich schwachen Nationen. Das sieht man alleine schon daran, dass das Ganze an Kriterien geknüpft wird, die überhaupt nichts mit der Coronakrise zu tun haben, wie zum Beispiel die Arbeitslosigkeit im Zeitraum 2015 bis 2019. Schlechtes Wirtschaften wird in Zukunft belohnt, sehr geehrte Damen und Herren. Ich gratuliere Ihnen zu diesem großartigen Anreizsystem, das Sie da in der Europäischen Union schaffen! (Beifall bei der FPÖ.)

Was ich aber besonders bedenklich finde, werte ÖVP, ist, dass Sie ernsthaft der in Artikel 9 enthaltenen Nachschusspflicht zustimmen und damit ermöglichen, dass Öster­reich jederzeit, wenn ein Mitgliedstaat nicht zahlen kann oder möchte, für die Schulden dieses Mitgliedstaats herangezogen werden kann, ohne dass wir erneut gefragt werden, sehr geehrte Damen und Herren. Das ist ein absoluter Wahnsinn! Mir fehlt jedes Ver­ständnis dafür, dass Sie dieser Regel zustimmen.

Das ist ein Wahnsinn, der nur noch vom nächsten Wahnsinn übertroffen wird, und das ist die Einführung von europäischen Steuern. Damit erreicht die EU nun endgültig das, was sie schon seit Jahren haben möchte: eine eigene Steuerhoheit und endlich Unab­hängigkeit auch von den mühsamen Budgetverhandlungen. Natürlich waren das in der Vergangenheit Druckmittel gegenüber der Europäischen Union. Sie ermöglichen, dass die Europäische Union nun zusätzlich zu den Nationalstaaten in die Taschen der Bürger greifen kann.

Zuerst kommt die bereits beschlossene Plastikabgabe, dann kommt wahrscheinlich eine CO2-Steuer und dann – das kann ich versprechen – werden noch viele weitere Steuern folgen, bis wir endgültig unsere Steuerhoheit abgegeben haben und damit einen der größten Lenkungsmechanismen, die ein Staat hat. Sehr geehrte Damen und Herren, da kann ich nur sagen: Gute Nacht, österreichischer Staat! (Beifall bei der FPÖ.)

Besonders bedenklich finde ich auch, dass Sie all dem zustimmen, obwohl Sie genau wissen, dass die EU damit ihre eigenen Verträge bricht, nicht nur das Verbot eines defizitären Haushaltes und das wirtschaftliche Grundprinzip der gesunden öffentlichen Finanzen, sondern auch Artikel 125 – No Bail-out, keine Haftung für Schulden anderer Staaten –, den es genau deswegen gibt, weil das Einstehen für Schulden dazu führt, dass immer mehr Schulden gemacht werden. Dieser Wiederaufbaufonds widerspricht damit eindeutig europäischem Primärrecht, und weil er europäischem Primärrecht wider­spricht, hätte er zumindest im europäischen Primärrecht verankert werden müssen. Da das nicht geschehen ist, widerspricht das auch klar dem österreichischen EU-Beitritts-BVG.

Das heißt, dieser heutige Beschluss ist nicht nur ein Ausverkauf Österreichs nach Brüssel, sondern er ist auch klar EU-rechts- und verfassungswidrig und reiht sich damit in eine lange Liste von verfassungswidrigen Maßnahmen dieser Bundesregierung ein, und das ist eine Schande, sehr geehrte Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ.)

Und weil Sie immer mit Solidarität kommen: Auch wenn Sie solidarisch sein wollen, sehr geehrter Herr Minister, können Sie keine gültigen Gesetze außer Kraft setzen. Was ist, sehr geehrter Herr Minister, mit der Solidarität gegenüber der eigenen Bevölkerung? Was ist mit der Solidarität gegenüber den künftigen Generationen, denen mit solchen


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll105. Sitzung, 19. Mai 2021 / Seite 100

Schuldenprogrammen die Luft zum Atmen genommen wird? Sie belasten damit nicht nur unsere Enkel, sondern auch unsere Urenkel noch auf viele, viele Jahre.

In Wahrheit geht es aber gar nicht um Solidarität oder um Krisenbewältigung, in Wahrheit geht es nur um eine Umverteilung, um eine Änderung des Charakters der EU hin zu einem budgetierenden Staat; um nichts anderes geht es bei diesem Beschluss. Genau deswegen wird das Ganze auch auf Dauer eingerichtet werden. Jeder, der das Gegenteil behauptet, sagt entweder wissentlich die Unwahrheit oder ist schlicht und ergreifend naiv und unwissend, sehr geehrte Damen und Herren.

Aus diesem Grund bringe ich auch folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Petra Steger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Österreich darf nicht Teil einer Schuldenunion werden“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert den Beitritt zu einer Schuldenunion in Verbin­dung mit dem EU-Wiederaufbaufonds (NGEU) auf EU-Ebene abzulehnen und ein klares Bekenntnis für die finanzielle Unabhängigkeit Österreichs und gegen die Vergemein­schaftung von Schulden abzugeben.“

*****

Sehr geehrte Damen und Herren, Fakt ist, wenn dieser Wiederaufbaufonds kommt, wird eine Schuldenunion auf Dauer eingerichtet werden. Laut den Aussagen von Bundes­kanzler Kurz dürfen Sie niemals diesem Eigenmittelbeschluss zustimmen, doch ich fürchte, auch diesmal wird der Bundeskanzler wieder die Unwahrheit gesagt haben. In diesem Fall kostet es den Steuerzahler leider Gottes Milliarden Euro und einen gewal­tigen Einschnitt in die nationalstaatliche Souveränität Österreichs. (Beifall bei der FPÖ.)

14.18

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Petra Steger, Erwin Angerer

und weiterer Abgeordneter

betreffend Österreich darf nicht Teil einer Schuldenunion werden

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 7, Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (809 d.B.): BESCHLUSS DES RATES vom 14. Dezember 2020 über das Eigenmittelsystem der Europäischen Union, Nr. 2020/2053/EU, Euratom, ABl. Nr. L 424 vom 15.12.2020 (Eigenmittelbeschluss 2021) (841 d.B.)

in der 105. Sitzung des Nationalrates am 19. Mai 2021

Für den sogenannten Wiederaufbaufonds, auch NextGenerationEU oder NGEU ge­nannt, dotiert mit 750 Mrd. Euro nimmt die EU gemeinschaftliche Schulden auf. Diese Mittel werden als Zuschüsse und Darlehen an die Mitgliedstaaten weitergereicht. Von der türkis-grünen Bundesregierung ist das politisch gewünscht und wird auf EU-Ebene mitgetragen. Der dafür notwendige Eigenmittelbeschluss wurde auf EU-Ebene bereits angenommen. Der Wiederaufbaufonds ist vermeintlich als temporäres sogenanntes


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Notfallinstrument angelegt, um die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie in den EU-Mitgliedstaaten zu bekämpfen. Drohende Fehlentwicklungen und Risiken werden jedoch nicht breit diskutiert, sondern intransparent zurückgehalten. Lediglich der spät geplante Verteilungsschlüssel der Mittel wird ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt, um einzelne Projekte medienwirksam zu bewerben.

Erstmals in ihrer Geschichte wird die Europäische Union durch die Europäische Kom­mission über Anleihen erhebliche Mittel am Kapitalmarkt aufnehmen.  Insgesamt handelt es sich um 800 Milliarden Euro, die bis 2026 für den Aufbaufonds geliehen werden sollen. Mit 750 Milliarden wird folglich NGEU ausgestattet und mehr als die Hälfte dieser Schulden – 390 Milliarden Euro – werden nicht unmittelbar von den Empfängern, son­dern über den EU-Haushalt getilgt. Als Garantie für alle Schulden des Wiederauf­bau­fonds steht der EU-Haushalt. Damit haften die Mitgliedstaaten hierfür gemein­schaftlich über ihre künftigen Beiträge zum EU-Haushalt. Im Falle Österreichs würde es sich laut dem Brüsseler Thinktank Bruegel um rund 15 Milliarden Euro handeln, die insgesamt zurückzuzahlen wären, sollte man sich unter allen Mitgliedsstaaten auf keine neuen EU-Eigenmittel einigen. Für Österreichs Budget birgt der Wiederaufbaufonds somit erheb­liche Risiken. Seine Finanzierung bedeutet eine grundlegende Änderung der euro­pä­ischen Haushalts- und Finanzarchitektur. Denn ein solches Haftungsregime schließt die sogenannte „Nichtbeistandsklausel“ in den europäischen Verträgen grundsätzlich aus.

Fehlender Tilgungsplan

Für die Kredite, die aus dem EU-Haushalt getilgt werden sollen, gibt es keinen verbind­lichen Tilgungsplan. Österreich wird laut Zahlen des deutschen Bundesrechnungshofes voraussichtlich 5,9 Milliarden Euro mehr zahlen, als es selbst Zuschüsse bekommt. Klar ist bislang nur, dass die Kredite im Zeitraum 2028 bis 2058 über den EU-Haushalt zurückgezahlt werden. Offen ist aber, welcher Anteil dann auf welchen Mitgliedstaat ent­fällt. Diese Frage soll Gegenstand zukünftiger Verhandlungen sein. Was passiert, wenn sich die Mitgliedstaaten nicht wie angekündigt bis 2024 auf neue Eigenmittel einigen können oder wollen, bleibt gänzlich offen.

Wiederaufbaufonds ist übersichert

Die EU sichert die Schulden des Wiederaufbaufonds mit ihrem Haushalt ab. Um die Bonität zu gewährleisten, wird die sogenannte „Eigenmittelobergrenze“ erhöht. Das führt zu einem enormen Garantievolumen von mindestens 4 000 Milliarden Euro: fünfmal höher als das Volumen des Wiederaufbaufonds selbst. Eine Garantie in diesem Umfang wäre allein für diesen Zweck überschießend; beim Europäischen Stabilitätsmecha­nis­mus (ESM) wurden bereits 40 % als ausreichend erachtet. Dieser Spielraum befeuert Spekulationen über eine Verstetigung der Verschuldung und wird Begehrlichkeiten wecken, sowie dazu verleiten, den Tilgungsbeginn hinauszuzögern.

Kriseninstrument nicht als Dauereinrichtung

Die Praxis zeigt: In Krisenzeiten auf EU-Ebene eingeführte Instrumente verstetigen sich regelmäßig. So hat der ESM beispielsweise die zuvor eingerichteten temporären Ret­tungsschirme mittlerweile dauerhaft abgelöst. Dabei wird schlichtweg ausgeblendet, dass die Kosten und Risiken in der jeweiligen Krise gerechtfertigt sein mögen, nicht aber auf Dauer rechtfertigbar sind.

Fiskalregeln anwenden

Die Fiskalregeln begrenzen die nationalen Defizite und Schuldenstände. Sie gelten jedoch nicht für EU-Schulden. Die Mitgliedstaaten könnten sich also auf EU-Ebene theoretisch unbegrenzt verschulden und sich diese Mittel dann als Zuschüsse selbst zuweisen. Die enorme Übersicherung des Fonds setzt diesbezüglich bereits bedenkliche Anreize. Darunter wird die EU-Haushaltsdisziplin weiter leiden.


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Stabilität der Wirtschafts- und Währungsunion sichern

Der Wiederaufbaufonds will Voraussetzungen schaffen, unter denen die Mitgliedstaaten die negativen wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie abfedern können und bes­ser für zukünftige Krisen gewappnet sind. Mindestens 37 Prozent dieses Geldes müssen in Klimaschutzmaßnahmen fließen, 20 Prozent in die Digitalisierung, um so Strukturen in den Mitgliedstaaten widerstandsfähiger gegen Kriseneinflüsse zu machen. Gelingt dies nicht, droht eine langfristige Instabilität der Wirtschafts- und Währungsunion. Die Haftungsrisiken für Österreich würden schlagend werden. Inwiefern Investitionen in temporäre Projekte für Klimaschutzmaßnahmen die desaströsen wirtschaftlichen Folgen der Coronamaßnahmen konkret abfedern können sollen, bleibt fraglich. Ebenso unver­ständlich bleiben die Aufteilungsschlüssel der Auszahlungen für die einzelnen Mitglieds­staaten, denn lediglich 30 Prozent orientieren sich an den Folgen der Corona-Krise im jeweiligen Land, die restlichen 70 Prozent der Auszahlungen werden auf Basis von Wohl­stand, Arbeitslosigkeit und Bevölkerung errechnet.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert den Beitritt zu einer Schuldenunion in Verbin­dung mit dem EU-Wiederaufbaufonds (NGEU) auf EU-Ebene abzulehnen und ein klares Bekenntnis für die finanzielle Unabhängigkeit Österreichs und gegen die Vergemein­schaftung von Schulden abzugeben.“

*****


Präsidentin Doris Bures: Ich ersuche darum, dass wir uns im weiteren Verlauf der Debatte in der Ausdrucksweise wieder einigermaßen mäßigen. Der permanente Vorwurf des Wahnsinns (Zwischenruf des Abg. Wurm) gehört zum Beispiel zu dem, was ich bei der Aufforderung zur Mäßigung meine. (Abg. Kickl: Frau Präsidentin, uns gehen die Vokabeln aus bei diesen Zuständen!)

Ich gebe bekannt, dass der Entschließungsantrag Ihrerseits ordnungsgemäß einge­bracht ist.

Ich freue mich, die ehemalige Dritte Präsidentin des Nationalrates auf der Galerie zu begrüßen. – Schön, dass Sie der Debatte folgen, Frau Annemarie Kitzmüller! (Allge­meiner Beifall.)

Herr Abgeordneter Lopatka, Sie gelangen zu Wort. Bitte.


14.18.57

Abgeordneter Dr. Reinhold Lopatka (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist gut, dass ich direkt nach Abgeordneter Petra Steger zu reden komme. Warum? – Weil man der Verunsicherung der österreichi­schen Steuerzahler rasch ein Ende bereiten muss. Ihre Verunsicherung entbehrt jeder Grundlage. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Kickl: ... EU-Jesuiten so!)

Warum? – Sie müssen nur zuhören. Kollege Kickl (Abg. Kickl: EU-Jesuit!), 2008 haben Sie vom Rednerpult im Parlament aus schon das Ende des Euro gesehen und lautstark verkündet. Heute sehen Sie den Einstieg in die Schuldenunion. Beides ist gleich unrichtig. (Abg. Kickl: Künstliche Lebensverlängerung!) – Kollege Kickl, beides ist gleich unrichtig!


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Warum kann ich das jetzt so vollmundig sagen? – Solange es einen Bundeskanzler Kurz, einen Finanzminister Blümel geben wird (Abg. Wurm – erheitert –: Ist alles gut!), wird es mit uns keine Schuldenunion geben. (Beifall bei der ÖVP.)

Warum kann ich das sagen? – Weil es auf EU-Ebene Einstimmigkeit braucht, um eine Schuldenunion zu schaffen, was Sie uns heute hier einreden wollen. (Zwischenruf der Abg. Steger.)

Ja, Sie haben recht, die Antwort auf die Covid-Krise ist Neuland, das die Europäische Union da betreten hat, im doppelten Sinn (Abg. Wurm: Aha! Aha!) – Sie haben es ange­sprochen: In den USA hat man in einem viel größeren finanziellen Ausmaß reagiert als in der Europäischen Union. Man muss viel Geld in die Hand nehmen, um die Wirtschaft möglichst rasch wieder voll zum Laufen zu bringen. Es ist ohnehin erstaunlich, wie stark sich die Wirtschaft innerhalb kurzer Zeit auch in Österreich schon erholt hat. Die Wirtschaft ist entsprechend zu stützen, und daher hat die Europäische Union da etwas gemacht, was Neuland ist: Es werden von 2021 bis 2026 390 Milliarden Euro, eine rie­sige Summe an nicht rückzahlbaren Zuschüssen gegeben. Das ist das eine, und das Zweite: Die Eigenmittel haben in der EU bisher kaum eine Bedeutung gehabt, und jetzt gibt es diesen Beschluss, Eigenmittel der EU für die Rückzahlung von 2028 bis 2058 erstmals zur Verfügung zu stellen.

Ja, Sie haben recht, was die Aufteilung des Geldes betrifft: Man hat nicht nur die Betrof­fenheit durch die Covid-Krise als Parameter herangezogen (Zwischenruf der Abg. Steger), sondern es bekommen von diesen 390 Milliarden Euro, die zur Auszahlung kommen, natürlich die Staaten, die schon vor der Krise ärmer waren, mehr und jene, die eine höhere Arbeitslosigkeit hatten, noch einmal mehr. (Abg. Wurm: Also alles richtig, oder?) Das ist gelebte Solidarität in der Europäischen Union (Abg. Kickl: Aha, aha!), und das lehnen Sie ab! (Abg. Kickl: Mit unserem Steuergeld spielen Sie den Samariter!)

Diese Europäische Union lebt von zwei Grundsätzen: Das eine ist Solidarität und das andere ist, einen Kompromiss zu finden. Es ist vom Finanzminister, vom Bundeskanzler hart gekämpft worden, um die Interessen der österreichischen Steuerzahler auch zu berücksichtigen (Zwischenruf der Abg. Steger), aber wir brauchen innerhalb der Euro­päischen Union diese Solidarität! Ihnen ist das fremd – uns nicht! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wir waren auch in Österreich mit vielen Gruppen solidarisch. (Abg. Wurm: Soli­dar­ność!) – Nicht Solidarność, obwohl das eine gute Bewegung war, denn die hat zur Freiheit in Polen geführt und das kommunistische System überwunden! Ich hoffe, we­nigstens das ist den Freiheitlichen recht. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.) Nichts Schlechtes, Solidarność! (Abg. Kickl: Mit der Kirche waren Sie nicht so solidarisch!)

Diese 390 Milliarden Euro sind in Wirklichkeit eine Fortsetzung der Kohäsionspolitik. Dieser Kohäsionspolitik muss man nicht in allem mit großer Begeisterung seine Zustim­mung geben. Ich habe mir mehrere Studien angesehen, und ich nehme den deutschen Bundesrechnungshof sehr, sehr ernst, der in seinem Bericht ausführt, dass er erhebliche Zweifel an der Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit des Einsatzes der bisherigen Kohä­sionsmittel hat.

Selbst das Europäische Parlament, das für noch mehr finanzielle Mittel war, hat einen Auftrag an ein unabhängiges Institut, an das Bruegel-Institut, vergeben, um das zu unter­suchen. Auch dieses Institut kommt zum Ergebnis, dass man eigentlich kein Ergebnis in Bezug auf die Schlüssigkeit, was Kohäsionsmittel bewirken, erkennen kann. Es gibt Bereiche, in denen das sehr positiv wirkt, sagt das Institut. Es gibt Bereiche, wo man das neutral sehen kann. Es gibt aber auch Bereiche, wo leider Geld verloren gegangen ist.


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Und dann kommt noch etwas Neues dazu, und das soll einmalig bleiben: Die Euro­päische Union gibt tatsächlich nicht rückzahlbare Zuschüsse. Für uns soll das keine Dauereinrichtung bleiben. Da unterscheiden wir uns vom französischen Präsidenten Macron. Auf der anderen Seite hat die Europäische Union jetzt durch diesen Beschluss, der im Juli 2020 von den Staatschefs gefasst worden ist, eine Grundlage, um Abgaben einzuheben: Plastikabgabe, CO2-Grenzausgleich, Digitalabgabe, EU-Emissionshan­delssystem, Finanztransaktionssteuer, Binnenmarktabgabe.

Ob das tatsächlich kommen wird, wissen wir nicht, denn auch da braucht es Einstim­migkeit. Wenn ich mir zum Beispiel die großen Konzerne ansehe, wo die Kommission jetzt versucht hat, mehr Steuergerechtigkeit zu schaffen, da es Ungleichheiten gibt, aber zweimal vor dem Europäischen Gerichtshof damit gescheitert ist, wenn ich an Irland und Google denke oder an Luxemburg und die Besteuerung von Amazon, dem großen Gewinner in der Covid-Krise, dann muss ich festhalten, dass die Europäische Union, das heißt die Kommission, machtlos ist, weil eben im Finanzbereich die Nationalstaaten in ihrer Rechtsetzung sehr, sehr stark sind.

Das hat Vorteile, eben in dem Sinn, wie ich es gerade vorher gesagt habe: Mit uns wird es keine Schuldenunion geben, ganz sicher nicht! (Heiterkeit des Abg. Kickl.) Es hat aber auch Nachteile, nämlich dann, wenn einzelne Staaten – und ich bleibe bei diesen Beispielen Irland mit Google, Luxemburg mit Amazon – überhaupt nicht bereit sind, jene Solidarität aufzubringen, die wir als Österreicher sehr wohl leisten.

Also: Mit dem heutigen Beschluss, der hier gefasst wird, gibt es eine einmalige finanzielle Kraftanstrengung, um eben diese Krise zu bewältigen, mit hoffentlich besseren Ergeb­nissen, als wir sie bei den Kohäsionsmitteln hatten. Das werden wir ganz massiv von der Kommission einfordern, dass die Mittel tatsächlich zu dem führen, was wir alle wollen, nämlich wirklich einen großen Schritt nach vorne zu machen, wenn es um unsere Umwelt geht, wenn es um den Klimawandel geht, auch wenn es darum geht, dass Europa nicht den Anschluss bei der Digitalisierung verliert. Es geht darum, dass wir das schaffen. Wir sollten uns nicht immer beklagen, dass China und die USA hier dominant sind, sondern wir müssen da alles uns Mögliche machen und viel Geld einsetzen, dass wir wieder vorne mit dabei sind. Das ist es, worum es geht.

Das ist kein Einstieg in die Schuldenunion, sondern eine Chance, Europa fit zu machen, vor allem im Umweltbereich und im digitalen Bereich! (Zwischenruf der Abg. Steger.) – Sie sind schon beim Ende des Euro falsch gelegen, Kollegin Steger, Sie liegen auch heute falsch, wenn Sie die Schuldenunion ausrufen. Das ist kein Einstieg in die Schuldenunion! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenruf der Abg. Steger.)

14.26


Präsidentin Doris Bures: Ich muss mich selber tatsächlich berichtigen: Ich habe vorhin Frau Kitzmüller mit dem falschen Vornamen angesprochen. Sie heißt natürlich Anneliese Kitzmüller. Entschuldigen Sie vielmals!

Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Axel Kassegger. – Bitte.


14.27.05

Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundes­minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ja, Herr Kollege Lopatka, wunderbar, dass Sie jetzt mehrmals erwähnt haben, dass es sich hierbei um keine Schuldenunion handelt. Ob das jetzt Ministerin Edtstadler ist, der Herr Bundeskanzler, Kollege Lopatka, Sie alle stellen sich her und beteuern gebetsmühlenartig: Das ist keine Schuldenunion, und die ÖVP kämpft dafür, dass es keine Schuldenunion wird, das werden wir niemals zulassen!


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Was ist denn das, wenn die Kommission 750 Milliarden Euro am Kapitalmarkt aufnimmt und sagt, dieses Geld ist zwischen 2028 und 2058 zurückzuzahlen, und zwar anteilig von den Ländern? Und wenn ein Land das nicht zurückzahlen kann – und das steht sehr wohl drinnen –, dann müssen andere einspringen, die Haftung übernehmen. Was ist denn das? – Das ist eine Schuldenunion! (Beifall bei der FPÖ.)

Da können Sie hundertmal sagen, es ist keine! Aber das entspricht ja genau Ihrer Vor­gehensweise: in Österreich so reden und sich in Brüssel und in Berlin ganz anders verhalten. Ich komme später mit genauen Punkten noch darauf zu sprechen, es ist mir aber ein Bedürfnis, jetzt auf das einzugehen, was unter dem letzten Tagesordnungs­punkt hinsichtlich der Gemeinden diskutiert wurde.

Die Gemeinden sind ja durch den Ausfall der Ertragsanteile in ganz schwere finanzielle Nöte gekommen, ihnen gehen 3 bis 4 Milliarden Euro ab. Sie sprechen von gelebter Solidarität, Herr Kollege Lopatka. Es ist ja schön und gut, wenn wir 191 Milliarden Euro über dieses EU-Schuldenunionspaket nach Italien schicken. Davon sind die Hälfte verlorene Zuschüsse, dieses Geld ist weg, das sind Geschenke – das ist Ihre gelebte Solidarität. Wo ist denn Ihre gelebte Solidarität mit unseren österreichischen Gemeinden und deren Bürgermeistern und Bürgern? Die sind ein bisschen näher. (Beifall bei der FPÖ.)

Da endet Ihre gelebte Solidarität! Die sind Ihnen nicht einmal 2 Milliarden Euro wert. 191 Milliarden Euro werden nach Italien geschickt, die österreichischen Gemeinden sind Ihnen nicht einmal 2 Milliarden Euro wert. So viel zu Ihrer Solidarität. (Abg. Jakob Schwarz: Die 180 Milliarden schickt nicht die Regierung!) – Ja, schickt die EU nach Italien, ist schon klar, aber schauen Sie sich die Relationen an: 190 Milliarden zu 2 Milliarden.

Das Bombengeschäft dieser 750 Milliarden Euro schaut folgendermaßen aus: Wir bekommen 3,7 Milliarden und haben 12 Milliarden Euro zurückzuzahlen. Diese Zahlen sind nicht von mir, die sind von Ihren Beamten aus dem Bundesministerium für Finanzen. Dabei gibt es keine genauen Tilgungspläne, aber es geht ja nur um 750 000 Millionen Euro, da brauchen wir keine genauen Tilgungspläne.

Den genauen Tilgungsplan braucht der Häuslbauer, der einen Kredit von 20 000 Euro aufnehmen will. Der braucht einen, aber bei 750 000 Millionen Euro – das sind ja unvor­stellbare Zahlen! – brauchen wir das alles nicht. Jetzt frage ich Sie: Was ist denn das für ein tolles Geschäft, wenn wir 3,7 Milliarden Euro bekommen, aber 12 Milliarden Euro zurückzahlen müssen – und das auch nur für den Fall, dass keine Haftungen schlagend werden, denn dann wird das noch viel, viel mehr?!

Jetzt komme ich ganz grundsätzlich zur ÖVP, die immer sagt: Wir sind die Partei, die die Interessen der Österreicherinnen und Österreicher vertritt (Ruf bei der ÖVP: Richtig!), der Menschen in Österreich gegen eine zu starke, dominante EU. – Das ist das, was die ÖVP in Österreich sagt. Das passt aber nicht mit dem zusammen, was Sie dann in Brüssel, Berlin oder sonst wo tun. Sie sagen in Österreich: Natürlich sind wir gegen eine EU der Zuschüsse und der Umverteilungen!, Sie machen aber genau das jetzt, indem wir es heute beschließen. Wir könnten das verhindern, wenn die ÖVP sagen würde: Nein, wir machen das alles nicht! Dann ist die Einstimmigkeit nicht gegeben, dann kippt das in der ganzen EU. Das ist von Ihnen natürlich überhaupt nicht zu erwarten, weil Sie voll in line mit Brüssel, mit Berlin und mit den EU-Zentralisten sind. (Zwischenruf des Abg. Kickl.)

Sie genehmigen ein planwirtschaftliches Umverteilungsmodell über 750 Milliarden Euro auf Pump. Bitte schön, das ist genau das, wovon Sie in Österreich sagen, dass Sie es nicht wollen. Sie sagen: Wir sind gegen eine Schuldenunion! Ich habe schon erläutert: Das, was wir jetzt hier beschließen, ist nichts anderes als eine Schuldenunion. Sie


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sagen, Sie sind gegen EU-Steuern. – Kollege Lopatka bezeichnet das dann ganz gschamig als Eigenmittel. Was sind Eigenmittel? – Das sind Steuern! Das beschließen wir heute auch! Wir öffnen die Tür für neue EU-Steuern. Da wissen wir jetzt noch nicht ganz genau, welche Steuern, aber wir öffnen die Tür für neue EU-Steuern und haben dann neben der Geldpolitik, die durch die EZB betrieben wird, auch die Steuer- und Fiskalpolitik – ein ganz wichtiger Bereich, der jetzt noch mit Masse in nationalstaatlicher Hoheit war – nach Brüssel delegiert.

Da zitiere ich Parlamentspräsident Wolfgang – nicht Sobotka – Schäuble, der schon im August 2020 gegenüber der „Neuen Westfälischen Zeitung“ Folgendes gesagt hat: „Der Widerstand gegen Veränderungen wird in der Krise“ – gemeint ist die Coronakrise, die ja alles zudeckt – „geringer“. Wir können die Wirtschafts- und Finanzunion, die „‚wir politisch bisher nicht zustande gebracht haben‘, jetzt hinbekommen“. Und genau das passiert jetzt, das wird abgearbeitet. Wir sind jetzt bei den Tagesordnungspunkten 7 und 9: Irgendwann am Nachmittag reden wir über einen wahnsinnig wichtigen Punkt. Da geht es um irrsinnige Dimensionen. Das ist ja auch Absicht: Das ist nicht der erste Tages­ordnungspunkt, sondern wir dürfen halt irgendwann am Nachmittag darüber reden.

Sie wollen mehr Subsidiarität, also mehr Kompetenzen für Nationalstaaten, Sie machen aber das Gegenteil: Sie beschließen heute mehr Kompetenzen, nämlich insbesondere jene, Steuern einzuheben, für die Europäische Union. Sie wollen eine strengere Migra­tionspolitik im Rahmen der Europäischen Union. – Also bitte, da kommt mir jetzt fast schon ein Lächeln aus. Wir sind Europameister in der Disziplin: die meisten Asyl­anträge – wiederum eine Disziplin, in der ich nicht Europameister sein will. (Beifall bei der FPÖ.)

Die Nagelprobe kommt in dem Bereich mit dem EU-Migrationspakt, der jetzt auch so mehr oder weniger unter Ausschluss der Öffentlichkeit abgehandelt wird, ausverhandelt wird, der auf die gesamte Migrationspolitik der Europäischen Union massivste Auswir­kungen haben wird. Ich möchte darauf jetzt nicht im Detail eingehen, aber da stehen keine angenehmen, schönen Sachen drin. Wir lehnen den Migrationspakt so als Ganzes rigoros ab. Sie werden vielleicht in Österreich das eine oder andere kritische Wort dazu sagen, aber in Brüssel werden Sie brav zustimmen, da traue ich mich jetzt schon eine Wette abzuschließen.

Also alles in allem müssen Sie sich schon den Vorwurf gefallen lassen, dass man, wenn es darum geht, zu beurteilen, ob Sie tatsächlich die Partei der Österreicher, für die Österreicherinnen und Österreicher und die Menschen in Österreich sind oder ob Sie, so wie die Grünen, so wie die NEOS – da ist es wenigstens klar –, voll die Partei der Europäischen Union ohne Wenn und Aber sind, zweifeln muss. Ich glaube, Sie sind Zweiteres, und wenn ich recht habe, dann würde ich Sie bitten, das aber auch in Österreich so zu kommunizieren. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Martin Graf: Das war eine wahnsinnig gute Rede!)

14.34


Präsidentin Doris Bures: Als nächster Redner gelangt Herr Abgeordneter Reinhold Einwallner zu Wort. – Bitte.


14.34.28

Abgeordneter Ing. Reinhold Einwallner (SPÖ): Frau Präsidentin! Meine geschätzten Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen! Diese Regierungsvorlage betref­fend den Eigenmittelbeschluss 2021 ist eigentlich die Ratifizierung, dass dieser Eigen­mittelbeschluss dann möglich ist. Das ist ein wesentlicher Teil des zukünftigen Finanz­rahmens, das ist ganz richtig und korrekt geschildert worden. Nur wenn sich Herr Kollege Lopatka hier herausstellt und sagt: Verlassen Sie sich doch auf den Bundeskanzler und


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verlassen Sie sich auf den Finanzminister!, dann, muss ich Ihnen sagen (Ruf bei der ÖVP: Recht hat er!), wird das zu Zweifeln führen. Gerade wenn man sich in der Be­richterstattung der letzten Wochen die Verlässlichkeit des Bundeskanzlers anschaut, lässt einen das zweifeln, wie sehr man sich auf diesen Bundeskanzler auf europäischer Ebene noch verlassen kann. (Beifall bei der SPÖ.)

Im gleichen Ausmaß gilt das natürlich auch für den Finanzminister, der seine extreme Kompetenz in der Erstellung von Budgets schon bewiesen hat, indem er ein paar Nullen vergessen hat. Die Damen und Herren werden sich an diesen schweren Fauxpas des Finanzministers noch erinnern können.

Meine Damen und Herren, jetzt aber zurück zum eigentlichen Thema: Es geht einerseits darum, wie sich der österreichische EU-Beitrag entwickelt. Wir wissen, wir haben die letzten Jahre immer einen Beitrag in Höhe von in etwa 2,9 Milliarden Euro geleistet, der jetzt aber etwas ansteigen wird. Aufgrund des Ausscheidens des Vereinigten König­reiches werden wir natürlich einen höheren EU-Beitrag leisten, dieser wird bis circa 3,8 Milliarden Euro steigen.

Im Wesentlichen geht es bei diesen Beschlüssen jetzt um die Möglichkeit der Eigen­mittel, der Eigenmittelkategorien und der Eigenmittelbeschlüsse, die die Europäische Union fassen kann. Im Grunde sind es drei wesentliche Punkte, die es bisher schon gegeben hat. Das waren die traditionellen Eigenmittel – das sind Zölle und so weiter –, die Mehrwertsteuereigenmittel, auch bekannt, und die BNE-Eigenmittel, also der Teil auf Basis des Bruttonationaleinkommens, der eigentlich der größte Anteil der jetzigen Eigen­mittel ist.

Neu hinzu kommt die Möglichkeit, dass man auch Plastikeigenmittel einheben kann, und da, wenn man damit schon lenken möchte, vermisse ich bei dieser Abgabe ein bisschen das Verursacherprinzip, denn in Österreich wird das einfach aus dem globalen Budget heraus finanziert. Damit trifft es die Allgemeinheit und nicht entsprechend jene, die am meisten Plastikmüll verursachen.

Jetzt kann man bei diesem gesamten Thema der Europäischen Union eine Haltung haben, wie sie die Freiheitlichen haben, die, egal was es betrifft, einfach einmal grund­sätzlich alles ablehnen, was von der EU kommt und was mit der EU zu tun hat. (Abg. Kassegger: Das stimmt nicht!) Das ist nicht unser Ansatz, meine Damen und Herren. Ich glaube, es ist eher so, dass wir auch die Möglichkeiten und die Chancen sehen müssen (Abg. Steger: Ich finde, dass ...!), und diese Möglichkeiten und Chancen sollte man nutzen. Das gilt einerseits, wenn es neue Möglichkeiten wie diese Eigenmittel­abgabe im Bereich des Plastiks, wie ich sie aufgezeigt habe, gibt, aber es gilt ganz besonders, Chancen und Möglichkeiten zu nutzen, wenn es um EU-Gelder geht, die uns einen Schub geben könnten, damit wir aus der Krise kommen, und das ist aus meiner Sicht bei diesem Aufbau- und Resilienzfonds der Fall.

Das wären eigentlich zusätzliche Mittel gewesen, die wir für Innovation, für Weiterent­wicklung hätten nutzen können, aber was macht diese Bundesregierung? – Diese Bun­desregierung macht eigentlich genau das Gegenteil: Nur 4 Prozent – nur 4 Prozent! – der Projekte, die in diesem Aufbau- und Resilienzfonds angeführt sind, sind wirklich neue Projekte; 96 Prozent sind alte oder schon im Regierungsprogramm verankerte Projekte. (Zwischenruf des Abg. Jakob Schwarz.) Das ist also weit weg von Innovation, das ist weit weg von dem, was diese Mittel eigentlich bezwecken sollten, und es ist schade, dass das dieses Bundesregierung nicht schafft. (Beifall bei der SPÖ.)

Da stützt man sich lieber darauf, dass man ein paar Mittel aufstockt, die im Budget schon geplant waren, oder dass man alte Projekte anführt – das können alte Projekte sein, die durchaus Sinn machen. Das ganze Koralmbahnprojekt mit den Zufahrtsstrecken et cetera und der Koralmtunnel ist ja ein sinnhaftes Projekt, aber, meine Damen und


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Herren, das ist doch nicht der Zweck dieses Aufbaufonds! Da wäre die Möglichkeit ge­wesen, neue, innovative Projekte anzustoßen (Zwischenruf des Abg. Jakob Schwarz), die Innovationen und einen neuen Schub bringen.

Ich nenne nur ein Beispiel aus meinem Wahlkreis: In Bregenz gibt es ein Projekt. Man versucht, ein Projekt zu finanzieren, dass man die Bahn endlich unter die Erde bekommt, dass man die Straße unter die Erde bekommt, um mehr Raum für die Menschen, für die Fahrräder, für die Fußgänger zu schaffen. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Jakob Schwarz.) Für solche Projekte ist dann leider kein Geld da, weil man es eben in alte Projekte investiert.

Also: Frisches Geld in alte Projekte ist leider der falsche Ansatz. Gut wäre gewesen, wenn es ein bisschen mehr Innovation gegeben hätte, aber so viel darf man sich von dieser Bundesregierung ja leider nicht erwarten. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Loacker.)

14.39


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Jakob Schwarz. – Bitte.


14.39.41

Abgeordneter Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA (Grüne): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte nicht immer mit einer Replik auf meine Vorredner von der SPÖ beginnen, aber ich muss es leider schon wieder machen.

Herr Einwallner, über zwei Drittel der Mittel aus dem RRF werden für neue Projekte verwendet werden, und nur weil es schon im Regierungsprogramm steht, heißt das nicht, dass es ein altes Projekt ist. Die müssen auch finanziert werden, da sind sehr viele sehr nützliche und sinnvolle Projekte drin. Wir haben die Klimaquote übererfüllt, wir haben die Digitalisierungsquote übererfüllt. Das ist alles zukunftsorientiert und wichtig für die nachhaltige Entwicklung in Europa. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Ansonsten kann ich mich einigen Dingen, die Sie gesagt haben, anschließen. Für mich ist es auch ein guter Tag. Mit diesem Fonds wird erstmals in der Geschichte der Euro­päischen Union zur Bewältigung einer großen Krise, dieser Coronakrise, und zur Be­schleunigung der digitalen und ökologischen Transformation ein gemeinsamer Fonds geschaffen, der, zu entsprechend günstigen Konditionen für uns alle, auch gemein­schaftlich finanziert wird. Ich glaube, das ist wirklich ein historischer Schritt. Das regt die FPÖ offensichtlich auf, ist aber, glaube ich, genau die richtige Reaktion auf diese Krise, die es braucht. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Mit diesem Eigenmittelbeschluss machen wir eben für genau diesen RRF, den auch Abgeordneter Einwallner erwähnt hat, und das mehrjährige Budget der EU den Weg frei.

Ich möchte ergänzend zu den Punkten, die schon Abgeordneter Lopatka angeführt hat, nämlich die Solidarität und den Aspekt der Solidarität, der, glaube ich, wichtig ist, sagen: Wenn Sie sich darüber aufregen, dass wir mehr einzahlen, als wir über die Mittel des RRF zurückbekommen, dann muss ich sagen, dass das nicht ganz stimmt. Die Rech­nung geht so nicht auf. Selbst in einer rein volkswirtschaftlichen Betrachtung ist es so, dass die Vorteile aus dieser Vorgangsweise im Vergleich zu den Kosten wesentlich überwiegen, und zwar deshalb, weil einerseits unsere Nachbarländer durch diese Mittel eine Nachfragestärkung erfahren, die uns als Exportnation natürlich dabei hilft, unsere Produkte und Dienstleistungen abzusetzen, was die österreichische Wirtschaft stärkt. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Zweitens, ein etwas indirekterer Effekt: Wenn alle Länder in der Europäischen Union auf die Modernisierung ihrer Wirtschaft setzen, also in Richtung Digitalisierung und


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Ökologisierung gehen, dann hilft uns auch das, weil wir in verschränkten europäischen Wertschöpfungsketten sind. Das heißt, natürlich brauchen unsere Unternehmen, unsere Betriebe Partner in diesen Wertschöpfungsketten, und daher ist es wichtig, dass überall in den europäischen Ländern diese Modernisierung passiert.

Drittens: In der Klimafrage ist es immer wichtig, dass man nicht alleine agiert, sondern alle gemeinsam, dann ist die Kraftanstrengung, die wir unternehmen, am wirksamsten. Und das wird eben mit diesem Wiederaufbaufonds gemacht. (Abg. Steger: ... des­we­gen ... verfassungswidrige Beschlüsse!)

Letzter Punkt: Natürlich sprechen Sie von neuen Steuern, in Wahrheit ist es sozusagen eine Bemessungsgrundlage dafür, wie die Eigenmittel berechnet werden. Es gibt eine Abgabe auf Plastikmüll, auf nicht recycelten Plastikmüll. Das ist eine gute Sache, glaube ich. Das führt dazu, dass wir Anreize schaffen, dass in den europäischen Mitglieds­ländern der nicht recycelte Plastikmüll reduziert wird.

Ebenso positiv zu sehen ist die möglicherweise zukünftige CO2-Bepreisung oder die CO2-Zölle an den Außengrenzen, die dazu führen, dass wir eine CO2-Bepreisung ein­führen können, gleichzeitig aber nicht für Carbonleakage sorgen, für die Abwanderung unserer Industrie.

Das alles sind gute Maßnahmen, und mit diesem Beschluss können wir einen wichtigen Schritt in diese Richtung gehen. Ich hoffe auf breite Zustimmung. Von Ihnen (in Richtung FPÖ) wird sie wahrscheinlich nicht mehr kommen, aber vielleicht von allen anderen Fraktionen. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

14.43


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Karin Doppelbauer. – Bitte.


14.43.37

Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Herr Finanzminister! Es ist schon besprochen worden, es geht um die Regierungs­vor­lage zur Ratifizierung des Eigenmittelbeschlusses der Union für den Finanzrahmen bis 2027. Es geht dabei aus unserer Sicht um zwei wirklich sehr wichtige Dinge: das mehrjährige Budget der Europäischen Union und – und das hier zu sagen ist, glaube ich, wirklich wichtig – um die temporäre Aufnahme von gemeinsamen Schulden über die nächsten Jahre, um eben ein europäisches Investitions- und Wiederaufbauprogramm zu ermöglichen.

Vorab: Wir unterstützen diesen Eigenmittelbeschluss der Europäischen Union. Es ist aus unserer Sicht eben ein notwendiger und solidarischer Schritt in dieser Krise, dabei zu sein. Und angesichts der Schwere und der Tiefe, die wir ja sehen, stehen wir NEOS auch zum gemeinsamen europäischen Programm Next Generation EU, um eben Wir­kungen zu erzielen und Chancen für die Zukunft zu ermöglichen. Es geht um die kon­junkturelle Erholung unserer europäischen Volkswirtschaften, um die Stärkung des Bin­nenmarktes – ganz, ganz wichtig, wie mein Kollege auch schon angesprochen hat –, und es geht natürlich um die digitale und um die ökologische Transformation der euro­päischen Wirtschaft. Das gehört beschleunigt, und diese Chancen sehen wir eben auch.

Da spielt natürlich auch der Green Deal mit rein. Man kann sicher über sehr viele Details streiten, gut streiten, auch mit mir, aber die Richtung stimmt halt. Im Interesse der nächsten Generationen muss man einfach sagen, der Green Deal ist richtig und auch besonders wichtig.

Uns NEOS geht es nicht nur um die ökologische Transformation, es geht uns vor allem auch um die Bildung, damit einfach auch da die Potenziale gehoben werden können.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll105. Sitzung, 19. Mai 2021 / Seite 110

Und wenn man sich jetzt in der Krise anschaut, wie viele junge Menschen zum Beispiel arbeitslos sind, dann muss man sagen, ja, aus unserer Sicht ist es solidarisch, nötig, Förderungen zu schaffen, die die wirtschaftliche Krise abfedern können. Jugendliche, Personen, die besonders hart getroffen wurden, Kulturschaffende – es gibt so viele, da müssen wir eben helfen, und das kostet natürlich Geld, Geld, das wir aber, glaube ich, haben.

Wir haben uns das angeschaut: Ja, es geht in Richtung 3,8 Milliarden Euro pro Jahr, und das ist nicht nur der Inflation geschuldet – ich glaube, es ist auch schon vorgekommen –, natürlich ist Großbritannien ausgetreten, deswegen wird es einfach teurer für uns, und natürlich sind auch die Kosten zur Bekämpfung der Krise erfasst.

Wie gesagt, ich glaube, wir können uns das leisten und wir sollten uns das leisten. Ich habe es vorhin schon angesprochen: Angesichts dessen, wie viele Milliarden im Augen­blick aus unserer Sicht sehr ineffizient für Wirtschaftshilfen ausgegeben werden, halten wir das hier für einen guten Weg.

Noch einen Satz zur Eigenmittelkategorie, die geschaffen wird: Das sehen wir ein bisschen kritisch. Ja, das mit der Plastikabgabe kann man schon machen, was wir aber kritisch sehen, ist wahrscheinlich der Punkt, dass es in Österreich aus dem Budget bezahlt wird. Das hat aus unserer Sicht dann keinen Lenkungseffekt und hätte sicher besser gelöst werden können. Wofür wir weiterhin kämpfen, ist die europaweit einheit­liche CO2-Bepreisung, inklusive dieses Grenzausgleiches. Das wäre aus unserer Sicht der bessere Weg, der wirtschaftlich bessere Weg und vor allem der effektivste Hebel, um wirklich etwas zu erreichen.

Es gibt viel zu sagen. Ich sehe, meine Redezeit ist schon vorbei, ich möchte aber noch sagen: Ja, wir sind eine klar proeuropäische Partei – das ist schon gesagt worden –, und deswegen werden wir aus innereuropäischer Solidarität dieser Regierungsvorlage heute zustimmen. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

14.47


Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich Herr Bundesminister Blümel zu Wort gemel­det. – Bitte, Herr Minister.


14.47.12

Bundesminister für Finanzen Mag. Gernot Blümel, MBA: Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf zur aktuell diskutierten Vorlage Stellung neh­men. Vieles von dem, was von den Rednerinnen und Rednern aller Fraktionen gesagt worden ist, ist völlig richtig, ich habe nur das Gefühl, dass natürlicherweise jeder das so darstellt, wie es gerade für die Sichtweise seiner Partei am günstigsten ist, würde ich sagen.

Was sind die Fakten? – Um das möglichst objektiv, soweit das aus einer persönlichen Sichtweise möglich ist, darzulegen: Es ist ein Beschluss, der getroffen worden ist, um die Auswirkungen der Coronakrise in Europa bestmöglich zu bewältigen. Das heißt, es geht nicht um eine permanente neue Situation, es geht darum, die Krise, und die ist per definitionem ein abgeschlossener Zeitraum, mit einer einmaligen Maßnahme bestmög­lich zu bekämpfen.

Die FPÖ tut so, als ob es nun eine permanente Veränderung der Gesamtsituation und eine Schuldenunion werden würde – das ist natürlich nicht richtig –, die SPÖ tut so, als ob das Geld, das Österreich anteilsmäßig herausbekommen würde, zusätzliches Geld von der EU für Österreich wäre. Auch das ist nicht ganz richtig, die Wahrheit liegt natür­lich in der Mitte.


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Ja, es ist richtig, insgesamt haftet der österreichische Steuerzahler mit circa 12 Milliarden Euro für diesen gesamten Kuchen. (Abg. Steger: Mehr ist aber auch möglich!) Warum tun wir das? – Weil wir auch massiv davon profitieren, wenn es anderen Ländern in Europa besser geht, mit denen wir Handel treiben. Wir sind eine kleine, offene Volks­wirtschaft (Abg. Steger: Mehr ist auch möglich!) und profitieren deswegen massiv, wenn es Ländern wie Italien, Spanien, Frankreich besser geht, als es ihnen sonst gehen würde. Das ist einmal ein Faktum.

Zweitens: Es ist auch richtig, dass dieses Geld, das zum Teil nach Österreich zurück­fließt, natürlich de facto von den österreichischen Steuerzahlern nach Österreich zurück­fließt; ein kleinerer Teil, als wir hergeben, aber ja, der Teil fließt zurück. Wir haben Pro­jekte dafür eingereicht, wir werden uns jeden Euro, der uns zusteht, auch abholen. Dafür gibt es den Wiederaufbaufonds, den Plan, den wir eingereicht haben, wozu es viel Kritik gegeben hat, dass das zu spät gewesen wäre. Das war natürlich nicht der Fall, wir haben das zeitgerecht gemacht, im Gegensatz zu anderen Ländern in Europa.

Worin ich der FPÖ wiederum recht gebe, und da würde die Argumentation zutreffen: wenn es sich um eine ständige Vergemeinschaftung der Schulden handeln würde. Dann würde ich Ihnen in vielen Bereichen recht geben, denn dann wäre es wirklich so, dass es ein ineffizientes und aus meiner Sicht auch ungerechtes System wäre. Anhand eines einfachen Beispiels ist das klar darzulegen.

Stellen Sie sich vor, zehn Leute treffen sich zum Abendessen, und es gibt zwei ver­schiedene Möglichkeiten, zu zahlen: Einmal zahlt jeder für das, was er bestellt hat, beim anderen Fall wird alles in einen Topf geworfen und dann quasi gezehntelt. In welchem Fall, glauben Sie, wird der teurere Wein bestellt werden? – Daran sieht man sehr schön, eine Vergemeinschaftung von Schulden auf Dauer wäre ein ineffizientes System. Ins­gesamt ist es natürlich besser, wenn jeder für das aufkommt, was er selber ausgeben möchte.

Deswegen: Ja, wir sind gegen eine permanente Schuldenunion. Das ist aber von diesem Beschluss nicht umfasst. In diesem Fall geht es darum, die Krise in Europa zu bekämp­fen. Und auch Österreich profitiert auf viele verschiedene Arten und Weisen davon. Ich glaube daher, es ist eine gute Vorlage, die hier heute zur Abstimmung steht. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

14.50


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Rudolf Taschner. – Bitte.


14.50.45

Abgeordneter Mag. Dr. Rudolf Taschner (ÖVP): Sehr verehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich darf gleich an das anschließen, was Sie gesagt haben: Es ist tatsächlich so, dass wir unter Umständen sogar noch profitieren können, auch wenn wir nominell mehr zurückzahlen, viel mehr zurückzahlen, als wir bekommen – dadurch, dass mit anderen Staaten eine Win-win-Situation mit uns zusammen entsteht.

Ich erlaube mir, vielleicht doch noch ein paar Bemerkungen zu machen, weil ich die Skepsis der Freiheitlichen Partei ja auch irgendwie nachvollziehen kann – und sie ist nicht ganz ungerechtfertigt. Ich spreche von einem lateineuropäischen Staat, ich will nicht seinen Namen nennen. Er bekommt 140 Milliarden Euro, 70 Milliarden Euro davon geschenkt, und soll natürlich investieren. Er hat aber keine Garagenfirma, wo die ande­ren Leute sagen: Ah, da kommen die neuen Start-ups und da wird etwas entstehen! – Dieser Staat erklärt: Wir bauen durch unser Land hindurch, das recht groß ist, eine Eisenbahn! – Und es wäre natürlich sehr sinnvoll, wenn er die Eisenbahn mithilfe der


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ÖBB bauen würde, er macht das aber mit China. Das ist vielleicht nicht das Klügste. (Abg. Kassegger: Bravo! – Beifall bei Abgeordneten der FPÖ.)

Da sollte man sich überlegen, wie Europa diese Tatsache behandeln soll. Ich glaube, das ist wirklich wichtig. (Zwischenrufe der Abgeordneten Kassegger und Wurm.) Es ist in diesem Staate aber tatsächlich auch so, dass er ungefähr gleich groß wie Südkorea ist, wobei Südkorea 19 000 PCT-Patente im Jahr hat, und in diesem Staat gibt es nicht einmal ein Zehntel dieser Anzahl. Das liegt am dortigen Bildungssystem. In Südkorea sind bei Timss von 1 000 Getesteten ungefähr 403, glaube ich, mathematisch hoch­be­gabt, in diesem Staate sind es 34.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, es ist für uns eine wichtige Auf­gabe, auch in Europa, dass wir in der Infrastruktur mehr machen, als nur zu sagen, wir werden das Geld geben. Da ist mehr zu tun. Ich glaube, es ist wesentlich, dass wir nicht wie die FPÖ sagen, wir denken nur an uns und an die anderen nicht, sondern wir müssen an die anderen denken, aber in einer weiteren und tieferen Art und Weise. Das wäre richtiges europäisches Denken. (Abg. Kassegger: Aber zuerst ...!)

Ich möchte noch einen zweiten Punkt erwähnen, Herr Kollege Kassegger, weil wir hier in Österreich ja wirklich nicht dieser Staat sind, wir sind wirklich etwas Besseres, tatsächlich besser. Ein Investor, den ich zufälligerweise kennengelernt habe, hat gesagt, er investiert in ein Produkt, das von einer kleinen Firma erzeugt wird. Diese Firma bringt es zustande, einen Bleistift zu nehmen, ihn zu spitzen, ihn ganz fein zu spitzen, und auf dieser Bleistiftspitze schafft es diese Firma, mittels Laser ein kleines Modell des Eiffel­turms zu erstellen. Also die Streben sind dünner als ein hundertstel Haar. Sie bringen das zustande. Das ist etwas, was China interessanterweise nicht kann, das können nur wir. Wir können also wirklich etwas produzieren, wo etwas herauskommt.

Sie werden sagen: Na ja, gut, was habe ich denn davon? – Ich kann Ihnen dazu zwei Dinge sagen. Erstens einmal ist die Mechanik von diesen kleinen Dingen eine ganz andere als eine Mechanik von einem großen Ding. Also da gibt es ungeahnte Möglich­keiten. Und die nächste Frage ist: Was kann ich denn damit tun? – Als Faraday mit den Spulen, den Kondensatoren, den Widerständen und den paar Batterien, die gearbeitet haben, gekommen ist, ist sofort der dortige Finanzminister gekommen und hat zu Mister Faraday gesagt: Da muss ich ja ein paar Shilling investieren! Er fragte: Mister Faraday! What is this good for? Wozu braucht man das? – Faraday hat ihn angeschaut und hat dem Minister gesagt: Sir! What are babies good for? Wozu braucht man kleine Kinder?

Wir haben die Möglichkeit, Zukunft zu schaffen. Die werden wir auch in Österreich, aber hoffentlich auch in Europa – das ist unsere große Hoffnung, hoffentlich auch in Europa – schaffen können. Und dafür soll das Geld auch gut investiert sein. (Abg. Wurm: Hoffnung!) – Danke vielmals. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

14.54


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gemeldet: Frau Abgeordnete Katharina Kucharowits. – Bitte. (Abg. Loacker: Jetzt bin ich gespannt, wo du da anschließt! – Abg. Kucharowits – auf dem Weg zum Rednerpult, erheitert –: Ich auch!)


14.54.53

Abgeordnete Katharina Kucharowits (SPÖ): Frau Präsidentin! Werter Herr Bundes­minister! Geschätzte Kollegen und Kolleginnen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ich möchte einmal vorweg damit beginnen, dass der EU-Eigenmittelbeschluss, den wir heute fassen, Zustimmung vonseiten der Sozialdemokratie finden wird, weil wir es für ganz zentral halten, weil das eigentlich mit dem Beschluss einherginge, sich aus der Krise herausinvestieren zu können. Das ist ein Motor, der angekurbelt werden kann – ob, Herr Kollege Taschner, in die Richtung, die Sie gerade skizziert haben, das wage ich


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ein bisschen zu bezweifeln, aber das ist genau der Punkt. Es geht darum, in Bildung, in Digitalisierung, in echte Digitalisierung investieren zu können. (Zwischenruf des Abg. Wurm.)

Da möchte ich gerne einhaken, Herr Kollege. Ich möchte deshalb gerne einhaken, weil Ihre Investitionen, Ihre Projekte – der Herr Bundesminister ist darauf eingegangen –, die da jetzt im Rahmen des Recoveryfunds eingereicht wurden, sagen wir es einmal so, nicht wirklich neu und innovativ sind.

Schauen wir uns schlichtweg die Fakten an! Der Budgetdienst war so nett und hat eine Analyse erstellt, nämlich klar zum Nationalen Reformprogramm 2021 und eben zu dem Aufbauplan. Ich möchte einfach den Fokus auf den Digitalisierungsbereich richten, der ja auch ein bisschen durch Sie, Herr Kollege Taschner, angesprochen wurde.

Erstens, Breitbandausbau: Mit Verlaub, wir stecken, was den Breitbandausbau anbe­langt, im digitalen Mittelalter. Und das, by the way, 30 Jahre nach Erfindung beziehungs­weise Implementierung des Internets. Da können Sie ganz offen gesprochen noch einen weiteren Breitbandatlas oder sonstige Initiativen auf die Füße bringen: 891 Millionen Euro, die hier vorgesehen sind, reichen nicht. Das ist kein Motor, der hier angekurbelt wird. Das ist das Minimalmaß, das -erfordernis, das von einem Staat notwendig ist. Und das ist im Übrigen die Breitbandmilliarde, die schon mehrfach verkauft wurde.

Der zweite Bereich, Herr Kollege Taschner, Bildungssprecher der ÖVP: die Bereit­stel­lung von digitalen Endgeräten für SchülerInnen. Bitte was ist daran neu? Ganz ehrlich!? Setzen Sie es endlich um! (Zwischenruf der Abg. Salzmann.) Das wurde mehrfach angekündigt, wir alle warten eigentlich nur darauf, die Schülerinnen und Schüler warten darauf, Frau Kollegin!

Oder der dritte Bereich, der Digitalisierungsfonds in der öffentlichen Verwaltung oder auch für KMUs: Sorry, aber da stecken wir auch schon mittendrin, auch wenn natürlich die Umsetzung dezidiert nicht optimal ist, wenn ich daran erinnern darf, dass im öffent­lichen Dienst die Digitalisierung noch immer nicht einhellig Platz gegriffen hat, oder wenn ich daran denke, dass die Barrierefreiheit im digitalen Raum im öffentlichen Dienst bezie­hungsweise im öffentlichen Bereich noch immer nicht erfüllt wird, Stichwort Impfanmel­dungen, die für Menschen mit Behinderungen nicht barrierefrei sind – und vieles mehr.

Also werte Kollegen und Kolleginnen von ÖVP und Grünen! Das, was Sie da präsentiert haben, ist weder ein Comeback noch ein Wiederaufbau noch sonst irgendetwas. Das ist schlichtweg ein Umtopfen des Budgets, oftmals von bestehenden Projekten – ein Drittel von dem, was Sie da budgetiert haben, ist bestehend – hin zum Recoveryfund. Das ist ganz einfach ein neues Mascherl, das Sie da draufgegeben haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Werte Bundesregierung! Wir erwarten uns vor allem im digitalen Bereich ein wichtiges Zeichen in Richtung echter digitaler Souveränität. Sie wissen, wir sind im digitalen Be­reich abhängig – es ist heute angesprochen worden, auch aus den Reihen der ÖVP –, wir sind abhängig von Rieseninternetkonzernen, und wir bedienen uns dieser auch, Stichwort Microsoft, was die öffentliche Hand anbelangt, im Schulbereich, aber auch bei Cybercrime.

Es ist jetzt endlich Zeit, Österreich da auf innovative Füße zu stellen. Es braucht deshalb wirklich eine Politik der digitalen Souveränität, die Förderung von österreichischen und eu­ropäischen SoftwareentwicklerInnen, die ganz dezidiert Open-Source-Projekte auf die Füße bekommen, die auch dem Gemeinwohl zur Verfügung stünden. (Beifall bei der SPÖ.)

Also geben Sie sich einen Ruck! Stellen Sie diese Projekte endlich auf die Beine – die Gelder wären da –, damit digitale Souveränität gefördert wird! Es geht nicht mehr ums Können, sondern nur mehr um Ihr Wollen. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

14.59



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll105. Sitzung, 19. Mai 2021 / Seite 114

Präsidentin Doris Bures: Ich unterbreche nun die Verhandlungen über die Tagesord­nungspunkte 7 bis 9 bis 15 Uhr, weil wir in Kürze zur kurzen Debatte über eine Anfrage­beantwortung des Bundeskanzlers kommen.

Die Sitzung ist kurz unterbrochen.

*****

(Die Sitzung wird um 14.59 Uhr unterbrochen und um 15 Uhr wieder aufgenommen.)

*****

15.00.39Kurze Debatte: „Reduzierung der Steuernachforderungen der Republik Italien gegenüber Novomatic 2017 auf mögliche Intervention des damaligen Außenministers hin“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka (den Vorsitz übernehmend): Ich nehme die unter­brochene Sitzung wieder auf.

Wir gelangen jetzt zur kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung des Bundes­kanz­lers mit der Ordnungszahl 5715/AB.

Die erwähnte Anfragebeantwortung ist bereits verteilt worden, sodass sich eine Verle­sung durch den Schriftführer erübrigt.

Ich begrüße den Herrn Bundeskanzler und den Herrn Staatssekretär.

Wir gehen in die Debatte ein.

Ich darf darauf aufmerksam machen, dass gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung kein Redner länger als 5 Minuten sprechen darf, wobei dem Erstredner zur Begründung eine Redezeit von 10 Minuten zukommt. Stellungnahmen von Mitgliedern der Bundes­regierung oder zu Wort gemeldeten Staatssekretären sollen auch nicht länger als 10 Mi­nuten dauern.

Ich darf nun Herrn Abgeordneten Hafenecker als Unterzeichner des Verlangens ersuchen, die Debatte zu eröffnen. Die Redezeit beträgt 10 Minuten. – Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.


15.01.37

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Staatssekretär! Ich habe eigentlich am Anfang ein bisschen ein schlechtes Gewis­sen gehabt, als ich Sie da mehr oder weniger von Ihren veganen Stelzen und dann vielleicht auch noch vom alkoholfreien Bier aus dem Schweizerhaus weggeholt habe, aber man hat ja im Internet sehen können, dass Sie dort ausschließlich ausgepfiffen und mit Kurz-muss-weg-Rufen bedacht worden sind. Möglicherweise ist es hier jetzt sogar angenehmer für Sie, als noch im Schweizerhaus zu weilen. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Gerstl.)

Herr Bundeskanzler, wir haben vor zwei Tagen die Möglichkeit gehabt, Ihr weinerliches Statement hier zu hören, was die Anschuldigungen oder den Vorwurf der Justiz Ihnen gegenüber betrifft. Wir haben auch gesehen, wie dünnhäutig Sie sind, wenn Sie mit Kritik konfrontiert werden. Sie haben auch Ihr Mantra, das Ihnen niemand abkauft, immer wiederholt und gesagt, dass Sie natürlich mit dem Parlament zusammenarbeiten und dass Sie überhaupt niemanden behindern, und gefragt, wie man überhaupt nur auf die Idee kommen kann.


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Genau das, Herr Bundeskanzler, ist auch der Grund für die heutige Debatte: dass Sie damals wieder eine Falschaussage gemacht haben. Ihre Falschaussage war: Sie koope­rieren mit dem Parlament. (Abg. Eßl: Unterstellung!) Na, wenn ich mir anschaue, wie Sie mit dem Interpellationsrecht umgehen, dann ist die Falschaussage dadurch schon wieder determiniert, Herr Bundeskanzler, und ich möchte hier jetzt auch ins Detail gehen.

Es geht um eine Anfrage, die ich an Sie gestellt habe, die zum Thema hatte: „Redu­zierung der Steuernachforderungen der Republik Italien gegenüber Novomatic 2017 auf mögliche Intervention des damaligen Außenministers hin“. – Und nur zur Ergänzung: Das waren Sie, Herr Bundeskanzler.

Ich möchte vielleicht einmal mit der Chronologie dieser Anfrage einsteigen. Was hat dazu geführt, dass wir Sie zu diesem Thema befragt haben? – Schlicht und ergreifend eine SMS vom 10. Juli 2017, die im Untersuchungsausschuss zur Kenntnis gelangt ist. Novomatic-Chef Neumann hat dem jetzigen Herrn Finanzminister Blümel eine SMS geschrieben, in der drinnen gestanden ist: „bräuchte einen kurzen Termin bei Kurz“ – lustiger Wortwitz übrigens – „wegen Spende“ und wegen des „Problemes das wir in Italien haben“.

Wir haben uns natürlich im Untersuchungsausschuss damit auseinandergesetzt, was das Problem ist, das in Italien vorliegt. Da hat sich relativ schnell herausgestellt, dass die Novomatic damals mit einer Steuernachzahlung in Höhe von etwa 60 Millionen Euro konfrontiert war. Dann hat eben dieser Termin stattgefunden. Der Termin ist ja verbrieft, es hat auch die Kontaktaufnahme über Blümel gegeben, und kurz danach, Herr Bundeskanzler, sind Sie in Ihrer Funktion als Außenminister nach Italien gereist. Und siehe da: Ein paar Wochen später hat sich herausgestellt, dass Italien auf 40 Millionen Euro an Steuern gegenüber der Novomatic verzichtet, das heißt, Sie haben dort offen­sichtlich für die Novomatic einen Steuererlass von 40 Millionen Euro erreicht. (Ruf bei der ÖVP: Unterstellung!) Schlussendlich musste man nur mehr 20 Millionen Euro zahlen.

Das Brisante daran ist, dass ich auch eine zweite Anfrage an den Außenminister gestellt habe, denn irgendwoher muss man ja erfahren können, was da in Italien so abgelaufen ist. Der Außenminister hat bestätigt, Herr Bundeskanzler, dass Sie den italienischen Amtskollegen, Außenminister Alfano, damals getroffen und mit ihm auch ein Vieraugen­gespräch geführt haben. Es gibt – oh Wunder, da hat wahrscheinlich wieder der Schredder zugeschlagen! – im ganzen Außenministerium keinen Akt dazu, was dort eigentlich passiert ist.

Natürlich ist es legitim, Herr Bundeskanzler, dass ich Sie als damaligen Außenminister einfach dazu befrage: Was war Thema des Gesprächs? Worüber haben Sie dort ge­sprochen? Was haben Sie mit den Italienern auspaktiert? Im Übrigen seien Sie ver­sichert: Auch die Italiener interessiert es mittlerweile, warum Sie dafür gesorgt haben, dass italienische Steuergelder im Wert von 40 Millionen Euro nicht mehr geflossen, ja, man kann fast sagen, vom italienischen Staat veruntreut worden sind. (Hallo-Rufe bei der ÖVP.)

Das Brisante daran ist, Herr Bundesminister, dass genau diese SMS dazu geführt hat, dass der bis vor Kurzem anwesende Finanzminister mit einer Hausdurchsuchung be­dacht worden ist, weil sich der Kreislauf, der da funktioniert hat, einfach herstellen lässt: Auf der einen Seite sagt Neumann, es geht um eine Spende, auf der anderen Seite geht es um das Steuerproblem, das er hatte. Also es liegt wirklich die Vermutung nahe – und das sieht die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ja genauso –, dass es da sozusagen Gegenleistungen für politische Interventionen gegeben hat. Herr Bundes­kanzler, dann auf diese Anfrage einfach zu antworten: Ich bin nicht zuständig!, zeigt einmal mehr, dass Sie da etwas zu verbergen haben. Ich glaube schon, dass es dem Parlament zusteht, hier zu erfahren, was da genau passiert ist.


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Die Chronologie geht aber noch weiter. Es ist ja spannend, dass, kurz nachdem Sie den italienischen Außenminister getroffen haben, ein Termin im Kalender von Johann Graf, dem Novomatic-Gründer, steht, der nur mit „Kurz“ bezeichnet worden ist. (Abg. Melchior: Wer war’s? – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Jetzt hat zwar der Rechtsanwalt des Novomatic-Gründers gesagt, dass es seine Schwiegertochter gewesen wäre, aber, meine sehr geehrten Damen und Herren von der ÖVP, die jetzt schon wieder nervös werden und Schnappatmung bekommen: Ist es bei Ihnen üblich, dass Ihre Schwieger­tochter erstens einen schriftlichen Termin bei Ihnen beantragen muss und zweitens mit Nachnamen eingeschrieben wird? – Also die Geschichte, die Sie uns da schon wieder auftischen wollen, ist ja nicht lebensnahe! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Wenn man noch ein bisschen zurückgeht, dann weiß man ja auch, dass dieses Geld für die ÖVP wirklich notwendig gewesen ist. Sie waren damals im Jahr 2017 schwer ver­schuldet, Herr Bundeskanzler, Sie wissen es. Sie haben nicht gewusst, wie Sie Ihr Unter­nehmen Ballhausplatz finanzieren sollen. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Es hat ja dann auch noch diese Termine gegeben, die eingefädelt worden sind, die Großspender­früh­stücke, an denen Sie ja teilgenommen haben und wo Sie auch Ihren Großspendern entsprechend präsentiert worden sind.

Da ist mir etwas aufgefallen: Sie wiederholen ja immer mantraartig: Die ÖVP nimmt keine Spenden aus dem Glücksspielbereich, ich glaube, aus dem Tabakbereich und von der Waffenlobby. (Abg. Wöginger: Ja, das ist wegen ...!) Warum laden Sie dann bitte den Vorstand eines Glücksspielunternehmens zu Ihren Spenderfrühstücken ein, Herr Kol­lege Wöginger? Vielleicht melden Sie sich dann zu Wort und sagen mir das! Also wenn Sie den Konsens haben, dass Sie Glücksspiel nicht wollen, wozu brauchen Sie dann Herrn Neumann beim Frühstück, Herr Kollege Wöginger oder Herr Bundeskanzler Kurz? (Beifall bei der FPÖ.) Erklären Sie uns das einfach! (Zwischenruf der Abg. Gabriela Schwarz.)

Frau Spiegelfeld hat jedenfalls bestätigt, dass Herr Neumann und Bundeskanzler Kurz da auch immer wieder bei diesen Spenderfrühstücken zusammen waren. Es würde mich auch interessieren, was da so gelaufen ist.

Wenn man jetzt dann noch weiß – und mir geht ja schon fast wieder die Zeit aus –, wie die Verbindung zwischen Novomatic und ÖVP ist, dann ergibt das ja die endgültige Abrundung. Ich sage nur: Das Alois-Mock-Institut – der Herr hinter mir hat dieses Institut gegründet – ist im besten Einvernehmen mit der Novomatic (Zwischenruf der Abg. Gabriela Schwarz), es hat dort Spenden gegeben, des Weiteren das Institut für den Donauraum und Mitteleuropa, auch die haben Novomatic-Geld bekommen, die Julius-Raab-Stiftung spielt hier mit, das Europa-Forum Wachau, das Sommerfest des Vereins Wir Niederösterreicher in Wien und jetzt bin ich noch gar nicht beim Kammerorchester Waidhofen et cetera, et cetera. Also Sie werden doch nicht abstreiten, dass es hier ganz, ganz massive Verbindungen gibt, und es ist wirklich spannend, mit wie viel Mühe und Aufwand die ÖVP hier versucht, diese Verbindungen entsprechend als nichtig darzu­stellen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn wir dazu jetzt eine Anfrage an den Bun­deskanzler machen und wissen wollen, was da im Hintergrund gelaufen ist, und Sie schreiben allen Ernstes: Ich bin nicht zuständig! – entschuldigen Sie, Sie waren in dem Vieraugengespräch der Einzige neben dem italienischen Außenminister, der dort war –, dann ist das wieder einmal ein Sittenbild dafür, wie Sie mit dem Parlament umgehen, Herr Bundeskanzler, und da sieht man wieder einmal, welche Tricks und welche Schmähs Sie dauernd anwenden, um das Parlament ständig hinters Licht zu führen. (Abg. Wöginger: Genau!)


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Meine sehr geehrten Damen und Herren, die ÖVP spielt wieder einmal auf Zeit und dodelt das Parlament herunter. Das ist das, was wir erleben. Ich bin wirklich gespannt, wie Sie, Herr Bundeskanzler, uns dieses Vorgehen von Ihnen erklären werden. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich möchte mich jetzt, bevor der Herr Bundeskanzler die Möglichkeit hat, diese Fragen vielleicht dann doch noch unter Wahrheitspflicht zu beantworten (Zwischenruf des Abg. Wöginger), noch ganz kurz mit dem Untersuchungsausschuss und hier speziell mit den Grünen auseinandersetzen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren von den Grünen, was Sie jetzt mit dem Abdre­hen des Untersuchungsausschusses in vorauseilendem Gehorsam gegenüber der ÖVP zum Besten gegeben haben (Abg. Wöginger: Der wird nicht abgedreht!), damit haben Sie endgültig alles das, wofür Sie gestanden sind, ad acta gelegt, und der An­stand, den Sie immer wieder zitieren und bemühen, hat sich bereits mit Grausen abge­wendet.

Liebe Grüne, ihr habt heute einen Offenbarungseid geleistet, ihr habt definiert, dass ihr in Zukunft nur mehr das Beiwagerl der ÖVP sein wollt. Ihr seid sozusagen ein bisschen eine Öko-ÖVP mit Quasteln, das Ganze irgendwie ein bisschen netter aufgemacht, aber in Wahrheit seid ihr nichts anderes als die ÖVP. Ihr seid damit auch Beitragstäter, wenn es darum geht, die Taten der ÖVP in der Bundesregierung und in ihrem tiefen Staat mit zu vertuschen. Darauf kann man stolz sein! Am Ende des Tages habt ihr euch nur mit Pfründen, Posten und Geld kaufen lassen. (Beifall bei der FPÖ.)

Liebe Grüne, ihr habt euch selbst aufgegeben. Ich sage euch eines: Peter Pilz wird schon auf euch warten, Peter Pilz steht schon in den Startlöchern. Ich sage euch eines: Ihr seid wahrscheinlich die erste Partei, die es zwei Mal nacheinander schaffen wird, aus dem Parlament hinauszufliegen. Wenn Sie sich nur das „Standard“-Forum heute durch­lesen und wenn Sie sich anschauen, wie Sie da von Ihren eigenen Anhängern geprügelt werden – Frau Maurer ist heute zu der kurzen Debatte gleich gar nicht mehr gekommen; das verstehe ich vollkommen –, dann wissen Sie ganz genau, was Ihnen bei zukünftigen Wahlen ins Haus steht.

Vielleicht noch ein Wort: Mir tun wirklich die Kollegen Tomaselli und Stögmüller leid, die eine ehrliche, gute Aufklärungsarbeit im Untersuchungsausschuss geleistet haben und nur aufgrund der Gier der eigenen Partei diese Arbeit, die sie geleistet haben, jetzt schlussendlich in den Gully treten müssen. Tut mir leid! Ihr habt wirklich eine aufrichtige Arbeit geleistet, und auch danke dafür. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Krainer.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gibt einen pädagogischen Grundsatz, der heißt: Unerwünschtes Verhalten darf nicht zum Erfolg führen. (Zwischenruf des Abg. Wöginger.) Liebe ÖVP! Genau das schreibe ich Ihnen auch ins Stammbuch. Na selbstverständlich werden wir jetzt den Untersuchungsausschuss nicht verlängern, nachdem Sie das blockiert haben, aber wir werden halt einen neuen Untersuchungs­ausschuss beantragen. (Abg. Wöginger: Bitte!) Wir werden aber zu den Themen, die wir jetzt haben, vielleicht noch ein paar Themen dazunehmen, zum Beispiel die Beschaf­fungsvorgänge rund um Corona, dann Ihre freien Vergaben an BBG-Agenturen, Inse­rate, Medienkauf et cetera, et cetera. Bei den Grünen würde mir noch die Causa Chorherr ein­fallen. Auch darüber könnten wir noch reden. Vielleicht wäre auch die Personal­schacherei im Verkehrsministerium interessant. Insgesamt könnte man das unter den Namen eines neuen Untersuchungsausschusses subsumieren. Den könnte man dann schwarz-grüner Korruptionsuntersuchungsausschuss nennen. (Beifall bei der FPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das werden wir vorantreiben, daran werden wir arbeiten. Jetzt bin ich gespannt, ob sich der Herr Bundeskanzler wieder einmal die­sen Aussagen, die wir von ihm haben wollen, entzieht - -

15.11



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll105. Sitzung, 19. Mai 2021 / Seite 118

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Schlusssatz, bitte! Sie haben die Zeit verbraucht.

(Beifall bei der FPÖ für den das Rednerpult verlassenden Abg. Hafenecker. – Ruf bei der ÖVP: ... schwache Rede!)

Zu Wort gemeldet ist der Herr Bundeskanzler. – Bitte.


15.11.51

Bundeskanzler Sebastian Kurz: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Ab­ge­ordnete! Geschätzter Herr Staatssekretär! Vor allem: Sehr geehrter Herr Abgeord­neter Hafenecker! Nach deftiger Kost im Schweizerhaus freue ich mich, dass ich jetzt bei dieser Debatte hier im Parlament zu Gast sein darf. (Abg. Rauch: Herr Bundes­kanzler! Wie war die Stimmung im Schweizerhaus?) Es ist eine Kurzdebatte (Ruf bei der FPÖ: Eine Sebastian-Kurz-Debatte ist das eigentlich! – weitere Zwischenrufe bei der FPÖ), die mir die Möglichkeit gibt, auch auf Ihre Frage zu antworten. Ich versuche sozu­sagen, jetzt all das auszublenden (Zwischenruf des Abg. Kickl – Abg. Rauch: Wie war die Stimmung im Schweizerhaus?), was Sie da an Vorwürfen relativ pauschal in Rich­tung Volkspartei, Grüne und Sonstige erhoben haben, und komme zum Kern Ihrer Frage.

Ich habe in der Beantwortung Ihrer parlamentarischen Anfrage gemeint, dass das Thema nicht zum Vollzugsbereich des Bundeskanzleramts gehört. Wenn Sie sich das Bundes­ministeriengesetz ansehen, dann werden Sie merken, dass da die Zuständigkeiten klar geregelt sind. Es gehört unter anderem zum Bundeskanzleramt auch die allgemeine Regierungspolitik und selbstverständlich die gesamte Verwaltung des Bundes, sofern nicht ein anderes Ministerium dafür zuständig ist, also sofern es nicht in den Wirkungs­bereich eines anderen Ressorts fällt. Insofern – und das wissen Sie ja als erfahrener Generalsekretär und Parlamentarier sicher – ist meine Anfragebeantwortung korrekt gewesen, nämlich dass es nicht eine Vollzugsmaterie des Bundeskanzleramtes ist. Ich bitte Sie daher auch, diese korrekte Antwort zu respektieren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Was wir, glaube ich, beide wissen, Herr Generalsekretär, ist doch, dass der Grund, aus dem Sie mich heute gerne hier zu Gast haben, ein anderer ist. Da ich schon da bin, nehme ich die Gelegenheit wahr und sage vielleicht auch dazu noch zwei Sätze. Wenn es Sie interessiert, ob es in Italien Hilfeleistungen für die Novomatic gegeben hat, dann kann ich Ihnen nur sagen: Es ist in allen betroffenen Ministerien genau recherchiert worden, und es hat sich herausgestellt, dass es keine Hinweise auf eine Hilfeleistung für die Novomatic in Italien gibt. (Zwischenruf des Abg. Hafenecker.) Ich gehe sogar gerne noch einen Schritt weiter und sage Ihnen noch etwas dazu: Selbst wenn es eine gegeben hätte, wäre das alles andere als problematisch, sondern ganz im Gegenteil: Ich war jahrelang Außenminister; es gehört zur Kernaufgabe des österreichischen Außenminis­teriums, österreichische Unternehmen im Ausland zu unterstützen; das wird tausendfach pro Jahr gemacht. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich stehe auch dazu. Ich bin zwar nicht imstande, das alles in so schnellen Worten zu formulieren wie Sie, aber ich versuche trotzdem, es noch einmal korrekt zusammen­zufassen.

Erstens: Die Antwort war korrekt. Da es nicht zum Vollzugsbereich des Bundeskanzler­amts gehört, war die parlamentarische Anfragebeantwortung richtig so.

Zum Zweiten: Es gibt keine Hinweise auf Hilfestellung im Jahr 2017 für die Novomatic in Italien.

Zum Dritten: Selbst wenn es das gegeben hätte, wäre es im Interesse eines öster­reichi­schen Unternehmens und im Interesse von österreichischen Arbeitsplätzen vollkommen korrekt und auch ein eigentlich sonst sehr üblicher Vorgang gewesen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll105. Sitzung, 19. Mai 2021 / Seite 119

In diesem Sinne hoffe ich, Ihre Frage beantwortet zu haben, danke Ihnen für die Mög­lichkeit und hoffe, dass auch Sie in den Genuss kommen – wenn schon nicht zu Mittag, dann doch vielleicht am Abend oder morgen oder wann auch immer –, ins Schwei­zerhaus essen zu gehen. – Vielen Dank, Herr Generalsekretär. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Rauch: Die ÖVP muss umso lauter klatschen, weil die Grünen ...!)

15.15


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Fürlinger. – Bitte.


15.16.08

Abgeordneter Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren! Zu einer Antwort gehört auch eine gute Anfrage. Eine gute Anfrage ist zunächst an den Richtigen gerichtet, wenn man eine Antwort haben will. Wenn man sich vorher vielleicht auch noch berät – und, lieber Kollege Hafenecker, du hast ja eine echte Kapazität im Steuerrecht in deinem Klub sitzen –, wenn du vorher Herrn Staatssekretär außer Dienst Fuchs, den Steuerberater, gefragt hättest, dann hättest du dir diese inhaltsleere und doch unterstellende Anfrage ersparen können. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Maurer.)

Er hätte dir über die Doppelbesteuerungsabkommen erzählt. Er hätte dir erzählt, dass es die Möglichkeit gibt, dass ein Unternehmen, das in zwei Staaten einen Sitz hat, versehentlich von beiden für denselben Umsatz besteuert wird. Um das zu vermeiden, gibt es Abkommen, zum Beispiel zwischen der Republik Österreich und Italien, weil es EU-Staaten sind. (Zwischenrufe der Abgeordneten Belakowitsch und Hafenecker.) Wenn es passiert, dass ein österreichisches Unternehmen im Ausland zu Unrecht ein zweites Mal besteuert wird, wird ein Verständigungsverfahren eingeleitet.

Für alle Beteiligten ist der Titel des Gesetzes, das die EU uns gebracht hat, ein echter, herrlicher Zungenbrecher: das EU-Besteuerungsstreitbeilegungsgesetz. Ich hoffe auf eine gute Zensur, weil ich diesen Titel überhaupt fehlerfrei aussprechen konnte.

Dieses Verständigungsverfahren, meine Damen und Herren, ist etwas, das gesetzlich geregelt ist und das auf Ebene der Finanzbehörden beider Länder passiert. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Wenn dann herauskommt, dass 40 Millionen Euro zu viel Steuern bezahlt worden sind, dann ist da niemand durch Veruntreuung geschädigt, son­dern es wird ein gesetzlicher Zustand hergestellt, sodass ein österreichisches Unterneh­men nicht mehr Steuern bezahlt, weil es im Ausland auch eine Betriebsstätte hat. Das ist alles. (Beifall bei der ÖVP.)

Euch ist es aber halt auch lieber, über die Zeit, die wir gemeinsam regiert haben, irgend­welche zweitklassigen Krimis zu erzählen, irgendwelche unlogischen Verknüpfungen zu schaffen und Dinge zu kriminalisieren, die vollkommen normal sind. (Zwischenrufe der Abgeordneten Belakowitsch und Hafenecker.)

Jetzt muss man einmal ganz offen sagen: Man kann über das Glücksspiel denken, wie man will. Man kann es ablehnen, man kann es neutral finden, oder man kann es gut­heißen. Wenn aber ein österreichisches Glücksspielunternehmen auf legale Art und Weise sein Geld verdient, dann ist es völlig unzulässig, dass permanent aus diesem Untersuchungsausschuss Einzelne einen Arbeitgeber von 3 000 Arbeitnehmern dafür kriminalisieren, dass er das tut, was sein Unternehmensgegenstand ist. Auch wenn diese Firma Novomatic heißt, ist sie nicht der Inbegriff alles Bösen. (Beifall bei der ÖVP.)

Das Zweite ist: Ihr kriminalisiert einen völlig normalen, gesetzlich vorgeschriebenen Vor­gang. Das ist sozusagen die Spitze. Nach dem Gesetz gibt es ein Verständigungs­ver­fahren. Zwei Finanzverwaltungen einigen sich möglicherweise darauf, dass so und so


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viel Steuer dort und so und so viel da bezahlt wird. Das ist im Gesetz so festgeschrieben, und dieser Vorgang, lieber Kollege Hafenecker, wird hier kriminalisiert. – Ich verstehe die Welt nicht mehr.

Aber es ist ja klar, es passiert ja: Die ganze Zeit kommt es aus diesem Untersuchungs­ausschuss heraus, wird diese Geschichte erzählt, dass die Novomatic irgendwo eine Spende angeboten hat und die ganze ÖVP gekauft hat. – Es glaubt euch keiner, es gibt keinen Nachweis dafür, und die Geschichte wird nicht besser, wenn ihr sie ständig wie­derholt (Zwischenruf des Abg. Rauch), und richtig ist sie auch nicht. (Beifall bei der ÖVP.)

Sie könnten dem Herrn Bundeskanzler einen Vorwurf machen: Wenn er sich als Außen­minister oder Bundeskanzler nicht für jedes einzelne österreichische Unternehmen, ganz egal, ob es die Max Muster GmbH, ob es eine AG oder ein Einzelunternehmen ist, im Ausland einsetzt, dann hat er seinen Beruf verfehlt. Wenn er es tut, dann ist er ein guter Bundeskanzler und ein guter Außenminister. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Am Ende möchte ich auch mit der Legende aufräumen, dass dieser Untersuchungs­ausschuss abgedreht wird. Dieser Untersuchungsausschuss läuft am 1.7. aufgrund gesetzlicher Fristen aus. Das ist das, was du hier hättest dazusagen sollen. Es schadet nicht, ein bisschen bei der Wahrheit, ein bisschen bei den Fakten zu bleiben. Und ich persönlich sage dir ganz ehrlich: Ich bin heilfroh, dass ich nicht noch mehr Lebenszeit dort drinnen verschwenden muss, denn 15 Monate Verleumdung und 15 Monate Herab­setzung, 15 Monate Verächtlichmachung sind genug. (Zwischenruf des Abg. Kassegger.) Stattdessen gehe auch ich lieber ins Schweizerhaus auf Stelze und Bier. (Anhaltender Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

15.21


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Krainer. – Bitte.


15.21.32

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Bundeskanzler hat gerade gemeint, ihm darf man diese Frage nicht stellen, denn er ist ja nicht fürs Außenministerium zuständig, Sie haben ganz falsch gefragt.

Natürlich haben wir beim Finanzministerium nachgefragt, natürlich haben wir beim Außenministerium nachgefragt. Welche Auskunft haben wir dort bekommen? (Abg. Hafenecker: Keine Akten!) Wir haben dort die Auskunft bekommen, es gibt keine Aufzeichnungen, keine Unterlage für dieses Gespräch, kein Protokoll für dieses Ge­spräch, nicht einmal einen Aktenvermerk, dass dieses Gespräch stattgefunden hätte. Es gibt kein Foto von diesem Gespräch. Das Einzige, was es gibt, ist ein Exklusivartikel in der Zeitung „Kurier“, sonst gibt es dort nichts. Wir haben im Finanzministerium ange­fragt – Kollege Fürlinger hat gerade gemeint, es ist üblich, das passiert jeden Tag –: Es gibt dort keine Akten und keine Unterlagen zu diesem Vorgang. Es gibt dazu gar nichts!

Das zeigt, dass ÖVP-geführte Ministerien wahrscheinlich sehr gut beim Schreddern sind, aber nicht dabei, transparent zu zeigen, was sie machen und wie sie ihr Amt ausführen. (Beifall bei SPÖ und FPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Vom Außenministerium wird darauf verwiesen, dass es ein Vieraugentermin war, bei dem nur zwei Personen anwesend waren, nämlich der italienische Außenminister und der jetzige Bundeskanzler Kurz. An wen soll also ein Parlamentarier, an wen soll eine Parlamentarierin dieses Hauses eine Anfrage stellen, um zu wissen, was dort be­sprochen wurde, wenn nicht an Sie? Es gibt keinen anderen, der diese Frage beantworten


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kann. (Zwischenruf des Abg. Gerstl.) Wir nehmen zur Kenntnis, Sie kommen her und be­antworten die Frage noch immer nicht. Das ist Ihr Beitrag zu Transparenz und Auf­klä­rung – nämlich gar kein Beitrag. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Abg. Steinacker.)

Wir hatten vor zwei Tagen ja hier eine Debatte über den Untersuchungsausschuss, und ich habe dabei gesagt, dass Sie zwei Gesichter haben: das eine, das man im Fernsehen sieht, wenn die Kameras an sind, wenn die Mikrofone an sind, und das andere Gesicht, wenn keine Kameras dabei sind, keine Mikrofone dabei sind. Das sieht man am Beispiel der SMS zwischen Ihnen und dem damaligen ÖVP-Generalsekretär im Finanzminis­terium Schmid. (Abg. Steinacker: Der war nicht ÖVP-Generalsekretär!)

Ich habe damals gesagt, dass aus diesem Chat klar hervorgeht, dass Sie keinen Anstand, keinen Respekt und keine Moral haben. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Sie ha­ben sich darüber echauffiert. Da Sie Ihre SMS regelmäßig löschen oder löschen lassen, liegen Ihnen diese offenbar nicht vor. Ich habe Sie Ihnen hier mitgebracht (ein Schrift­stück in die Höhe haltend) und ich ersuche Sie, mir wirklich zu sagen, ob es da ein einziges SMS gibt – ein einziges, von allen, die Sie mit Herrn Schmid ausgetauscht haben –, das irgendetwas mit Respekt, irgendetwas mit Anstand oder irgendetwas mit Moral zu tun hat. Dann zeigen Sie mir das! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von FPÖ und NEOS. – Abg. Krainer legt ein Schriftstück vor Bundeskanzler Kurz auf die Regierungsbank.)

15.24


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ragger. – Bitte.


15.24.51

Abgeordneter Mag. Christian Ragger (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Herr Staatssekretär! Ich finde es absolut berührend, wenn die ÖVP intervenierend einwirkt und in ihrer Hochnervosität probiert, alle anderen Parteien in diesem Haus einfach niederzuschreien. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Da Sie aber im Grunde genommen – das sage ich meiner Enttäuschung Ausdruck verleihend – heute eine Stellungnahme zu einer Anfragebeantwortung vorgenommen haben, die Sie jeg­licher Lächerlichkeit preisgibt, werden wir versuchen, auch – wie hat es der Bundes­präsident gesagt? – die Schönheit der Verfassung zu nutzen und ein bisschen Licht in das Dunkel zu bringen.

Daher haben wir uns erlaubt, heute einmal über den Tellerrand – die ÖVP sagt uns ja immer nach, dass wir das nicht schaffen – hinauszuschauen. Wir haben uns ein bisschen informiert, wir haben uns in Italien informiert und haben festgestellt, dass es damals ein Verfahren gegeben hat, das ist richtig. Im Juni 2017 ist interveniert worden. Man hat begonnen, bei der Guardia di Finanza – das ist bei uns die Finanzamts­abteilung – zu intervenieren. Wer auch immer dort interveniert hat, wissen wir heute noch nicht, jedenfalls war der Betrag, der damals im Raum gestanden ist, 90 Millionen Euro.

Jetzt gestehe ich Ihnen zu, dass jeder, der hier herinnen sitzt, jeder, der in der Wirtschaft ist, jeden Tag intervenieren kann, wenn es sich um österreichische Unternehmen handelt. Wenn es da aber nicht um eine Intervention, sondern um eine verbotene Inter­vention geht, dann will das nicht nur der österreichische Steuerzahler wissen, sondern dann wird das auch der italienische Steuerzahler wissen wollen. Wenn sich nämlich herausstellt, mit dem Amtskollegen, mit dem Sie sich getroffen haben, der nämlich eh schon heißt wie einer der Mafiapaten, Angelino Alfano, gegen den übrigens ein Ver­fahren wegen - -



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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich würde Sie bitten, nicht einen ausländischen Politiker zu beleidigen und als Mafiapaten darzustellen. Nehmen Sie diese Aussage bitte zurück!


Abgeordneter Mag. Christian Ragger (fortsetzend): Ich kann diese Aussage nicht zurücknehmen. Wenn Sie die italienischen Medien lesen würden, würden Sie feststellen, dass er wegen mafiöser Tendenzen amtlich angeklagt ist, weil er an der Hochzeitsfeier des Mafiapaten von Neapel teilgenommen hat. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Kickl: Der kennt sich nicht aus!)

15.27.13*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich denke, es gilt genauso für einen italienischen Amtskollegen die Unschuldsvermutung. Sie sollten das als Rechtsanwalt genauso wis­sen. Ich erteile Ihnen einen Ordnungsruf.

*****

15.27.26


Abgeordneter Mag. Christian Ragger (fortsetzend): Dann halte ich fest, dass Sie das auch im „Standard“ nachlesen können.

Ich darf aber darauf hinweisen, dass die Guardia di Finanza in dieser Frage dann abrupt gestoppt worden ist. Die nächsthöhere Instanz ist nämlich die Agenzia delle Entrate, das ist sozusagen das Pendant zu Ihrem Finanzministerium, die das kontrolliert hat. (Ruf bei der FPÖ: Ah, die Familie!) Der Herr Klubobmann von der ÖVP wird uns wieder nieder­bügeln: Von heute auf morgen sind von mirakulösen 90 Millionen nur mehr 20 übrig geblieben, ohne ein Verständigungsverfahren, ohne dass Kollege Fürlinger auf einmal hier die Rechtswissenschaft in Anspruch nehmen muss, damit wir das wissen. (Ruf bei der ÖVP: Wie bei der Hypo!) – Wie die Hypo Alpe-Adria? – Hören Sie auf! Wenn Ihre Mizzi Fekter nicht die ersten 2 Milliarden versenkt hätte, hätten wir sogar ein Plus bei der Hypo gehabt. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.) Als Höhepunkt bleiben dann auf einmal 20 Millionen Euro über.

Wenn Sie uns schon keinen Untersuchungsausschuss in Österreich zulassen, unsere Freunde, die Fratelli d’Italia, die Lega haben uns gesagt: Wir helfen euch. Das heißt auf Italienisch dann comitato investigativo, bei uns heißt das Untersuchungsausschuss. In Italien heißt der Untersuchungsgegenstand dann Novomatic, und das wird sich in den nächsten Monaten in Italien abspielen.

Wenn wir herausfinden, dass es eine Querverlinkung nach Österreich gibt, dann werden auch wir uns erlauben, wieder einen Untersuchungsausschuss einzuberufen, genau zu dem Thema, bei dem uns der Herr Klubobmann immer niederbügeln möchte. – Ich dan­ke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwi­schenruf des Abg. Wöginger. – Abg. Hafenecker: Jetzt müssen sie in Italien schon Untersuchungsausschüsse für uns machen!)

15.29


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Abgeordnete Prammer ist zu Wort gemel­det. – Bitte.


15.29.09

Abgeordnete Mag. Agnes Sirkka Prammer (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundes­kanzler! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! (Zwischenrufe bei


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ÖVP und FPÖ. – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.) „Unsere Freunde, die Fratelli d’Italia“ – es ist immer wieder schön, nach den Abgeordneten der FPÖ zu sprechen.

Die parlamentarische Anfrage ist ein ganz wichtiges Kontrollinstrument des Parlaments. Die Anfrage geht an die Mitglieder der Bundesregierung, und die Mitglieder der Bun­desregierung haben auch die Verpflichtung, sie vollständig und ordnungsgemäß zu be­antworten.

Damit dieses Instrument funktioniert, ist es aber auch wichtig, dass man es richtig anwendet. Die Anfrage, die parlamentarische Anfrage der Abgeordneten geht an die Mitglieder der Bundesregierung in ihrer Funktion. (Abg. Hafenecker: Was haben die Grünen von der ÖVP gelernt!)

Das heißt, wenn Sie eine Anfrage an Herrn Bundeskanzler Sebastian Kurz stellen, dann geht sie an den Herrn Bundeskanzler, egal wie der jetzt heißt. Wenn Sie eine Anfrage an Herrn Sebastian Kurz stellen wollen, dann geht das nicht mit dem Instrument einer parlamentarischen Anfrage, das ist nicht deren Funktion. Sie können nicht mit einer parlamentarischen Anfrage an das Organ Bundeskanzler eine Frage stellen, die die Person, die dieses Amt gerade innehat, aus ihrer persönlichen Wahrnehmung beantworten müsste. (Abg. Deimek: ... Beamte ...!)

Das geht nicht, und deshalb ist diese Anfrage, so dürftig die Antwort auch ist, so kurz diese Antwort auch ist und so unvollständig sie vielleicht auf den ersten Blick erscheinen mag, vollkommen richtig und vollständig beantwortet. Da steht sinngemäß drinnen: Ich kann diese Frage nicht beantworten, ich bin nicht der Außenminister. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Wir als Parlamentarier haben eine ganz wichtige Kontrollfunktion. (Abg. Rauch: Bei Ihrer Rede muss sogar der Stögmüller rausgehen! – Präsident Sobotka gibt das Glocken­zeichen.) Wir haben unterschiedliche Instrumente, um diese Kontrollfunktion auszuüben, und eines davon ist, wie gesagt, die Anfrage. Es gibt ein weiteres Instrument, das ist der Untersuchungsausschuss. Ich schätze, dort haben Sie diese Frage nicht gestellt, denn sonst würden Sie sie nicht hier stellen. Sonst wäre sie Ihnen wahrscheinlich schon be­antwortet worden.

Es ist wichtig, dass wir unsere Kontrollinstrumente richtig ausüben und auch richtig zwischen ihnen unterscheiden können. Wenn wir das nicht können, wenn wir das nicht sorgfältig und ordentlich machen, dann sprechen wir uns selbst diese Kompetenz ab, und das dürfen wir auf keinen Fall. (Zwischenruf des Abg. Hafenecker.) Es ist wichtig, dass wir die Kontrollinstrumente, die uns zur Verfügung stehen, die uns die Verfassung gibt und die sehr, sehr wichtig sind, richtig anwenden und ordentlich auseinanderhalten. Auch diese mündliche Erörterung hier macht es weder klarer noch präziser noch rich­tiger. Es ist schade um das Instrument, wenn man es dafür verwendet, solche Inszenie­rungen aufzuführen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

15.32


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Brandstätter. – Bitte. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)


15.32.28

Abgeordneter Dr. Helmut Brandstätter (NEOS): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Il collega Ragger ha cominciato a parlare italiano – io comincio in inglese. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Im Mutterland der Demokratie spricht man von Her Majesty’s Most Loyal Opposition. Was will uns das sagen? – Das will uns sagen, dass zu einem funktionierenden Gemeinwesen,


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zu einem Staat natürlich eine Regierung gehört, aber auch eine Opposition, und das ist selbstverständlich. Jede kluge Regierung weiß: Man soll die Rechte der Opposition nicht zu stark einschränken, denn manchmal kann es ganz schnell gehen, und man sitzt auf der anderen Seite. Deswegen würde ich jeder Regierung raten: Respektieren Sie die Opposition!

Dazu gehört natürlich das Interpellationsrecht, das Fragerecht, und das soll man schon sehr anständig wahren, dafür möchte ich appellieren. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und FPÖ.)

Wir haben heute schon Beispiele gehört, wo das nicht gewahrt wurde. Ich kann ein anderes Beispiel nennen: Wir haben im Anschluss an die Befragung von Herrn Kurz und auch von Frau Wieser, seiner Mitarbeiterin, im Ausschuss etwas gefragt. Sie sagte sinngemäß, dass es eine rechtliche Expertise gegeben habe, wonach die dienstlichen Kalender nicht dem Staatsarchiv zu übergeben wären, und wir wollten wissen: Wo ist die Expertise?

Die Antwort war: Ich ersuche um Verständnis, eine Interpretation sinngemäßer Aus­sagen kann ich nicht machen. Da ging es doch um die Frage: Wer sagt, dass der Kalender nicht zu übergeben ist? Ich weiß von früheren Mitarbeitern des Staatsarchivs: Alle Bundeskanzler bisher haben das selbstverständlich gewahrt und die Kalender abgegeben.

Ein anderes Beispiel: Die Kollegen von der SPÖ haben am Montag gefragt – Frage 47 –: „Mit wem haben Sie Ihre Aussagen im Untersuchungsausschuss vorab abgesprochen?“ – Das war eine sehr kluge Frage. Warum?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter, darf ich Sie ersuchen, zum Gegenstand der Anfragebeantwortung zu reden? (Widerspruch bei NEOS und FPÖ.) Erläutern Sie, wie Sie dazu kommen!


Abgeordneter Dr. Helmut Brandstätter (fortsetzend): Gerade spreche ich von den Rechten der Opposition, und der Herr Präsident schafft mir an, was ich sagen soll. Das ist schon allerhand! (Beifall bei NEOS, SPÖ und FPÖ.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Nein, der Herr Präsident schafft Ihnen nicht an, was Sie zu sagen haben. Herr Abgeordneter, Sie sollten die Geschäftsordnung des Nationalrates kennen!


Abgeordneter Dr. Helmut Brandstätter (fortsetzend): Ich habe die zwei Bücher nicht mit, aber ich zitiere sie - - (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Die Intellektuellen- und Bücher­feindlichkeit dieser rechten Seite erstaunt mich auch immer wieder. (Beifall bei NEOS, SPÖ und FPÖ.)

Also gut; ich habe die zwei Bücher nicht mit, aber ich zitiere Timothy Snyder: „Der Weg in die Unfreiheit“. Ich zitiere Ziblatt: „Wie Demokratien sterben“. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Wie sterben sie? – Sehr einfach: Wer die Grundlagen und die Institutionen der Demokratie zerstört, der zerstört die Demokratie. (Beifall bei NEOS, SPÖ und FPÖ.) Das Interpellationsrecht des Parlaments ist ein ganz wesentlicher Punkt, und ich lasse mich nicht davon abhalten, darüber zu reden, dass die SPÖ gefragt hat: „Mit wem haben Sie Ihre Aussagen im Untersuchungsausschuss vorab abgesprochen?“ Die Antwort war: ja eigentlich gar nichts, er hat es nicht beantwortet!

Aber warum ist die Frage so gut gewesen? – Weil auf den 58 Seiten genau erklärt wird, dass Herr Schmid und Herr Kurz zu den gleichen Fragen wortgleiche Antworten gegeben


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haben. Daraus lernen wir, dass beide perfekt vorbereitet waren und dass sie genau gewusst haben, was sie dem Ausschuss sagen (Abg. Taschner: Unterstellungen! – Zwischenruf des Abg. Hanger): also nicht auf eine klare Frage eine klare Antwort zu geben, sondern das zu antworten, was man vorher auswendig gelernt hat, was man sich aufgeschrieben hat. Auch das ist eine Herabwürdigung des Parlaments und des Unter­suchungsausschusses. Warum? – Weil man eben nicht ehrlich auf eine Frage antwortet, sondern weil man etwas vorliest.

Es heißt aber andererseits auch, sehr gut vorbereitet ist der Vorsatz: Ich sage das, was ich mir vorgenommen habe!; und aus diesem Vorsatz kommen Sie nicht heraus. (Zwi­schenrufe der Abgeordneten Steinacker und Melchior.)

Jetzt möchte ich, weil mir der Herr Präsident gleich wieder das Wort wegnimmt, die Richterpräsidentin Matejka zitieren: Sie hat gesagt, diese ÖVP-Regierung hat das Vertrauen in die Justiz beschädigt. – Das ist ja nicht irgendjemand, das ist die Prä­sidentin der Richtervereinigung! (Abg. Gerstl: Hat sie nie gesagt! Unterstellung!) Sie von der ÖVP beschädigen das Vertrauen in die Justiz! Sie hat außerdem gesagt: Der Rechts­staat ist „nicht unzerstörbar“, er kann zerstört werden.

Ich habe so auf die Grünen gehofft, ich war so überzeugt davon. Kollege David Stögmüller und Kollegin Nina Tomaselli sind starke Kräfte, gescheite Leute, stellen gute Fragen, haben ordentlich gearbeitet, und wir sind uns einig, dass die Arbeit nicht abgeschlossen ist. – Kollege Stögmüller nickt, weil er ein ehrlicher Mann ist; du bist ein ehrlicher Mann! (Beifall bei NEOS, SPÖ und FPÖ. – Heiterkeit des Abg. Stögmüller.)

Wenn ihr aber ehrlich agiert, dann sagt ihr: Ja, die Arbeit in diesem Untersuchungs­ausschuss ist nicht abgeschlossen! Herr Kurz, das ist nicht lustig! (Rufe und Gegenrufe zwischen ÖVP und FPÖ.) Es ist das Recht der Opposition, zu untersuchen, was Sie gemacht haben. Und darüber lachen Sie? So groß kann die Maske vorm Gesicht nicht sein, dass sie Sie davor beschützt, Ihre - -


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Kommen Sie bitte zum Schluss! Sie haben die 5 Minuten überschritten!


Abgeordneter Dr. Helmut Brandstätter (fortsetzend): Ich bin wirklich sehr traurig und entsetzt darüber, die Häme des Kanzlers vorm Parlament beobachten zu müssen. Dass mir das noch passiert, tut mir sehr leid. – Danke schön. (Beifall bei NEOS, SPÖ und FPÖ.)

15.37

15.37.55*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Brandstätter, ich darf Sie darauf hinweisen, dass Sie nach § 101 GOG-NR zur Sache gerufen werden. Wenn Sie statt zu einem Gegenstand – der Anfragebeantwortung im Rahmen des Interpellations­rechts – vom Untersuchungsausschuss bis hin zu allen möglichen anderen Dingen sprechen, dann steht es dem vorsitzführenden Präsidenten zu, Sie zur Sache zu rufen. Das darf ich Ihnen ganz deutlich sagen. (Beifall bei der ÖVP.)

*****

Kollege Scherak hat sich zur Geschäftsordnung zu Wort gemeldet. Zuerst schließe ich aber die Kurzdebatte ab und bedanke mich beim Herrn Bundeskanzler und beim Herrn Staatssekretär.


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Bevor ich die Verhandlungen zur Tagesordnung wieder aufnehme, erteile ich Herrn Abgeordneten Scherak das Wort zur Geschäftsordnung. – Bitte.

*****


15.38.47

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Es steht Ihnen selbstverständlich frei, im Rahmen Ihrer Vorsitzführung den Ruf zur Sache zu tätigen. Nichtsdestotrotz verwundert mich das, wenn wir über eine parlamentarische Anfragebeantwortung diskutieren, die aus Sicht mehrerer Oppositions­politiker nicht ausreichend beantwortet wurde und wo das Interpellationsrecht offen­sichtlich nicht ausreichend geschätzt und gewürdigt wurde.

Wenn jemand grundsätzlich über die Frage diskutiert, wie denn mit dem Parlament umgegangen wird, wie mit den Institutionen umgegangen wird, wie Fragen nicht beant­wortet werden, erschließt sich mir nicht, wieso da ein Ruf zur Sache notwendig ist. Es geht um die grundsätzlichen Fragen, wie mit den Institutionen in Österreich umgegangen wird, und da kann man selbstverständlich auch ausholen. Insofern ist der Ruf zur Sache aus meiner Sicht hier nicht gerechtfertigt. (Beifall bei NEOS, SPÖ und FPÖ.)

15.39


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Kollege Leichtfried, zur Geschäftsordnung.


15.39.44

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsi­dent! Ich schließe mich erstens inhaltlich Kollegen Scherak an. Ich denke, dass das, was Kollege Brandstätter in seinem Redebeitrag gesagt hat, vom Diskussionsthema ins­gesamt und von der Sache, um die es geht, umfasst ist. – Das ist das Erste.

Das Zweite, das ich anmerken möchte, ist: Obwohl der Bundeskanzler in der Sitzung am Montag in seiner Rede vehement dafür plädiert hat, das Parlament zu respektieren – dass er das täte und ihm dies das wichtigste Anliegen überhaupt sei –, haben wir jetzt schon wieder erlebt, dass er eigentlich nicht bereit war, irgendetwas zu beantworten, dass er nicht bereit war, dieses Haus zu respektieren.

Ich hätte mir, anstatt dass Sie Kollegen Brandstätter zur Sache mahnen, eher erwartet, dass Sie als Präsident den Bundeskanzler auffordern, die Fragen zu beantworten. Das wäre Ihre Aufgabe gewesen. (Beifall bei der SPÖ.)

15.40


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich unterbreche für eine Stehung.

*****

(Die Sitzung wird um 15.40 Uhr unterbrochen und um 15.51 Uhr wieder aufge­nom­men.)

*****

15.51.39Fortsetzung der Tagesordnung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf die unterbrochene Sitzung und die Verhandlungen über die Punkte 7 bis 9 der Tagesordnung wieder aufnehmen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll105. Sitzung, 19. Mai 2021 / Seite 127

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Lindinger. – Bitte.


15.52.08

Abgeordneter Ing. Klaus Lindinger, BSc (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Ge­schätzter Herr Finanzminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Wir steigen wieder in die Debatte um den Eigenmittelbeschluss ein. Worum geht es da im Konkreten? – Es geht darum, einen Beschluss über einen Begleittext zum Mehrjährigen Finanzrahmen bis 2027 zu fassen.

Es geht um die Regelungen über das Eigenmittelsystem, um die Obergrenze der finanziellen Mittel, auf die die Europäische Kommission zugreifen kann. Bisher waren das 1,2 Prozent des Bruttonationaleinkommens der EU, neu sollen es 1,4 Prozent des Bruttonationaleinkommens sein.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Warum ist das notwendig? – Weil die Be­wältigung der Coronakrise uns allen ein Anliegen ist, weil wir da an einem Strang ziehen müssen, dass die 27 EU-Länder gemeinsam besser aus der Wirtschafts- und Arbeits­krise kommen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, 19 der 27 EU-Länder haben diesen Beschluss bereits gefasst, alle anderen, so auch Österreich, diskutieren ihn gerade. Wenn ihn 27 Mitgliedstaaten gefasst haben, gilt er rückwirkend mit 1. Jänner 2021. Es geht um ein maximales Gesamtvolumen von 750 Milliarden Euro, das zur Hälfte in Form von Zuschüssen und zur anderen Hälfte in Form von Darlehen zur Verfügung gestellt wird.

Eines möchte ich hier klarstellen – der Finanzminister hat es bereits erwähnt –: Es geht um keine Schuldenunion, da es zeitlich geregelt ist, bis wann diese Gelder zurück­zuzahlen sind, sondern um eine Unterstützung, von der alle 27 Mitgliedstaaten profitie­ren können, um besser, stärker aus der Coronakrise und somit aus der Wirtschafts- und Arbeitsmarktkrise zurückkommen, damit wir die Zukunft für unsere Kinder und Enkel­kinder absichern können. Genau darum geht es. – Ich bitte um Zustimmung. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Lukas Hammer und Maurer.)

15.54


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Abgeordnete Holzleitner ist zu Wort gemel­det. – Bitte.


15.54.43

Abgeordnete Eva Maria Holzleitner, BSc (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werter Herr Bundesminister! Wir haben jetzt die Chance, Investitionen in die Zukunft zu tätigen, Investitionen, die nachhaltig wirken, die visionär sind, die einen Neustart bieten. Jetzt ist die Möglichkeit, jungen Menschen zuzuhören, jungen Menschen, die seit Jahren Woche für Woche auf die Straße gehen, um sich für unser Klima einzusetzen und für Klimaschutz zu kämpfen, damit die Welt bestehen bleibt, damit sie gesund bleibt, besser bleibt, damit es Artenvielfalt gibt, damit es reine Luft zum Atmen gibt – ganz wesentliche Dinge eigentlich.

Sie setzen sich auch für eine faire Verteilung von Klimaschutzmaßnahmen ein. Wir dürfen nämlich nicht vergessen, Klimaschutz muss sozial gerecht sein. (Beifall bei der SPÖ.) Das ständige Abschieben auf die individuelle Verantwortung, auf jeden Einzelnen, die Verantwortung immer auf das einzelne Individuum zu schieben, ist keine Option, gerade nicht in unserer Verantwortungsrolle. Es ist nicht immer die Verantwortung von Konsumentinnen und Konsumenten, es ist nicht immer die Verantwortung von Einzel­nen, es ist unsere Verantwortung, das Problem am Schopf zu packen, zu inves­tieren und die großen Herausforderungen anzugehen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll105. Sitzung, 19. Mai 2021 / Seite 128

Wir brauchen einen sozial gerechten Klimaschutz, gerade wenn es um das Absichern von Arbeitsplätzen, das Schaffen von neuen Arbeitsplätzen, von grünen Arbeitsplätzen geht, die aber nicht durch irgendein Greenwashing entstehen – dass man sagt, irgend­etwas ist grün, aber eigentlich ist es das tatsächlich gar nicht –, sondern die wirklich sichere Arbeitsplätze in Zukunftsindustrien sind. Das erfordert natürlich massive Inves­titionen.

Der Rechnungshof hat es uns schwarz auf weiß vorgerechnet: Wenn wir diese massiven Investitionen nicht tätigen, dann zahlen wir 9 Millionen Euro Strafe. 9 Millionen Euro sind nicht nichts, diese 9 Millionen Euro könnten wir theoretisch auch jetzt schon nehmen und eben in Produktives, in Zukunftsträchtiges investieren, anstatt damit später Strafen zu zahlen.

Was mir in diesem grünen Übergang, der oftmals zur Sprache kommt, auch noch ein großes Anliegen ist: das Sustainable Development Goal 8, das sehr oft angesprochen wird. Da geht es um menschenwürdige Arbeit, und dazu kann ich nur eines sagen: Ja, der Kampf für menschenwürdige Arbeit ist extrem wesentlich, deshalb appelliere ich an Sie alle: Setzen wir uns für ein Lieferkettengesetz ein (Beifall bei der SPÖ)  unser Vorschlag der Kolleginnen Penny Bayr und Julia Herr liegt bereits am Tisch , denn es ist nicht zu akzeptieren, dass bei der Schokoladenproduktion, bei der Teppichproduktion, vielleicht sogar bei der Erzeugung von Grabsteinen, die auf unseren Friedhöfen stehen, ausbeuterische Kinderarbeit drinnen steckt, die absolut abzulehnen ist. Kinder haben nämlich das Recht auf Bildung, auf Gesundheit, auf Freizeit und Spiel, Kinder haben das Recht auf den Schutz vor ausbeuterischer Arbeit. Es ist auch da nicht die Verantwortung des Individuums, nachvollziehen zu können, woher die Schokolade kommt. Nein, wir sind in Verantwortung, sicherzustellen, dass es transparente und faire Lieferketten gibt, die ausbeuterische Kinderarbeit nicht zulassen. (Beifall bei der SPÖ.)

Solche Gesetze haben wir zu verabschieden, unser Vorschlag liegt am Tisch. Ich kann nur sagen: Stimmen Sie alle zu, wenn er dann behandelt wird! Setzen wir uns gemein­sam für Lieferketten ein, die das Recht der Kinder berücksichtigen und es beschützen!  Das ist unsere Verantwortung. (Beifall bei der SPÖ.)

15.58


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist damit geschlossen.

Wie vereinbart darf ich die Abstimmung an den Schluss der Debatten über die Vorlagen des Budgetausschusses verlegen.

15.58.5110. Punkt

Bericht des Budgetausschusses über den Antrag 1559/A der Abgeordneten Gabriel Obernosterer, Dr. Elisabeth Götze, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundesgesetz über eine COVID-19-Investitionsprämie für Unternehmen (Investitionsprämiengesetz – InvPrG) geändert wird (845 d.B.)

11. Punkt

Bericht des Budgetausschusses über den Antrag 1560/A der Abgeordneten Gabriel Obernosterer, Dr. Elisabeth Götze, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundesgesetz, mit dem die Begründung von Vorbelastun­gen durch die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort ge­nehmigt wird, geändert wird (846 d.B.)



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll105. Sitzung, 19. Mai 2021 / Seite 129

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen zu den Punkten 10 und 11 der Tagesordnung, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Matznetter. – Bitte sehr, Herr Abgeordneter.


15.59.39

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminis­terin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen hier im Plenum! Werte Zuhörerinnen und Zuhörer! Es war eine angeblich große Maßnahme, die die Regierung verkündet hat, ein Comebackplan – im Kern 5 Milliarden Euro Mittel –, damit die österreichische Wirtschaft aus dem Down herauskommt.

Bei genauerer Sichtung stellte sich heraus, dass diese 5 Milliarden Euro nicht, wie man vielleicht annehmen würde, dafür gedacht waren, neue Ideen zu fördern, neue Inves­titionen zu machen. (Bundesministerin Schramböck: Geh!)  Nein, das ist nichts ande­res als die fehlende budgetäre Bedeckung einer Maßnahme, die bereits Mitte vorigen Jahres eingeleitet wurde.

Die österreichischen Unternehmerinnen und Unternehmer mussten für diese Investi­tionsprämie bis zum 28. Februar ihre Projekte einreichen, und entgegen den Warnungen der Opposition, aller Oppositionsparteien, zweimal im vorigen Jahr, dass das nicht reichen wird, was als budgetäre Bedeckung vorgesehen ist, hat die Bundesregierung versäumt, diese herzustellen. Jetzt wird diese budgetäre Bedeckung nachgeholt, denn dadurch, dass die Frist der 28. Februar war, weiß man ja, wie viel schon beantragt wurde, und jetzt wird die budgetäre Bedeckung für diese Mittel nachgereicht.

Ehrlich: Das ist kein Comebackplan, das ist wie Nachsitzen in der Schule, und wenn man die Hausübung nicht gemacht hat, muss man sie halt noch einmal schreiben. Was ich nicht verstehe, ist diese Selbstgefälligkeit und die PR-Maschinerie dafür, so etwas als etwas Neues verkaufen zu wollen. – Warum macht das die Regierung und warum machen das die Regierungsfraktionen?

Warum geben Sie nicht ehrlich zu: Okay, wir haben es nicht zusammengebracht, zu wenig Bedeckung gehabt, müssen nachbedecken!, und machen lieber Vorschläge, wie wir neue Sachen aktivieren, wie wir junge Menschen, die vielleicht jetzt mit einem Start-up beginnen wollen, wie wir Unternehmen, die vielleicht nach Ende der Covid-Krise mit neuen Geschäftszweigen anfangen wollen, unterstützen und das Durchstarten erlau­ben? Nur: Wenn jetzt eine Unternehmerin, ein Unternehmer eine gute Idee hat, und sagt: Hey, da würde ich jetzt gern 500 000, 1 Million Euro investieren!, so und so viele Arbeitsplätze schaffen will, dann ist die Tür beim AWS geschlossen, denn die Frist war der 28. Februar, Punktum. Neue Idee? – Schmeck’s, mein Herzerl! Das ist falsch, meine Damen und Herren, wir sollten offen sein und unterstützen, wenn investiert wird, und nicht kleinlich-bürokratisch auf Fristen herumreiten!

Jetzt bin ich gleich wieder bei demselben Thema: Es reicht nicht, dass man das Projekt vorgelegt hat, es reicht ja auch nicht, dass man es bis Ende Februar beantragt hat, man muss jetzt bis Ende Mai – das ist schon einmal verlängert worden, gebe ich zu – die Bestellung nachweisen, die Beauftragung nachweisen, und jetzt hat uns Sepp Schellhorn von den NEOS schon mehrfach eindrucksvoll erläutert, warum das teilweise gar nicht geht, weil man zum Beispiel in Salzburg, wenn man Baumaßnahmen hat, derzeit kein Unternehmen findet, bei dem man rechtswirksam in der Frist bestellen kann. Da kann man maximal vorlegen: Ich habe eh jemanden gesucht, der mir ein Angebot liefert!, aber man kann nicht erwarten, dass er eine rechtswirksame Bestellung macht, wenn er keinen rechtsverbindlichen Kostenvoranschlag des liefernden oder leistenden Unternehmers hat. Das wird ja jeder verstehen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll105. Sitzung, 19. Mai 2021 / Seite 130

In der Situation versuchen wir, zu retten, was zu retten geht. Meine ursprüngliche Forderung war, dass man die Frist einfach verlängert und sagt: Dann machen wir es halt, was weiß ich, bis Ende Juli! – Na, nichts da, keinen Millimeter. Mein nächster Vorschlag war, dass wenigstens die, die ein Bemühen nachweisen können und sagen: Ich habe mich bemüht, es liegt nicht an mir als Unternehmerin, Unternehmer!, eine Nachsichts­möglichkeit bekommen und man sagt: Wenn du nachweist, dass es nicht dein Ver­schulden war, dann fliegst du nicht raus! – Aber nein, die fliegen raus.

Wenn jetzt wenigstens die budgetäre Bedeckung da das Ausmaß der Anträge umfassen würde, das sind nämlich 7,8 Milliarden Euro, wäre es ja auch noch leichter, aber nein, es sind nur 5 Milliarden Euro – auf dem Prinzip Hoffnung basierend, dass vielleicht etliche vergessen, das abzurechnen, auf dem Prinzip Hoffnung, dass vielleicht ein paar Steuerberater höhere Summen beantragt haben, auf dem Prinzip Hoffnung, dass man so und so viele, vor allem KMUs, mit diesen Fallfristen rauskickt. Ehrlich gesagt, meine Damen und Herren, so sehr wir die I-Prämie grundsätzlich unterstützt haben, ich bin im Zögern, ob ich etwas unterstützen kann, das nur ein Nachholen von Versäumtem ist, das zu wenig ist, das bürokratische Hürden macht und die engagiertesten Unterneh­merin­nen und Unternehmer rauskickt.

Ehrlich gesagt: Dafür wollen Sie auch noch zusätzlich die Unterstützung haben?! Und dann reden Sie mit uns, und es bewegt sich kein Millimeter?! Wir reden gestern, heute in der Früh – keinen Millimeter, nicht einmal die Möglichkeit im Gesetz schaffen, damit es eine Nachsicht gibt. Meine Damen und Herren, ich möchte das auch ernsthaft ansprechen: Das ist hier die Gesetzgebung und die Legislative, das: Schmeck’s, mein Herzerl!, von Beamten, die der Meinung sind, wir brauchen die nicht, die verhindern, dass wir Kompromisse schließen – mit dem schnöden: da geht gar nix! Ehrlich gesagt: So eine Art von Legistik brauchen wir auch nicht, Frau Bundesministerin! Wozu brauchen wir dann eigentlich überhaupt einen Nationalrat? Wir haben eh die Beamten, die Legisten, die haben uns schon erklärt, wie es am besten geht. – Das ist unerträglich, meine Kolleginnen und Kollegen, und es schadet Ihnen genauso wie uns allen. Über die Dinge müssen wir hinwegkommen. (Beifall bei der SPÖ.)

Mein Aufruf wäre daher – wir haben ja noch ein paar Redner –: Vielleicht denken Sie darüber nach, ob es vielleicht in zweiter Lesung nicht doch noch günstig wäre – das ist ganz kurz –, nur die Frist zu verlängern, das wäre das Allereinfachste, denn dann könnte man zustimmen, obwohl es eh zu wenig ist.

Ich werde das Stenographische Protokoll verlesen, wenn Sie wieder hier sind, weil die 5 Milliarden Euro nicht reichen. Sie haben es gewusst. Sie haben die Hausübung nachgemacht, aber nicht vollständig. Das soll Ihnen gesagt sein, damit Sie nachher nicht wehleidig sind, wenn man Ihnen vorhält, Sie haben es damals, am 19. Mai, wiederum nicht können und Sie müssen schon wieder hier antreten, weil Sie nicht in der Lage waren, die komplette Summe zu bedecken.

Über Impfprogramme rede ich gar nicht, ich erinnere nur an den Impfdeckel von 200 Mil­lionen Euro. – Danke, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

16.06


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Haubner. – Bitte.


16.06.59

Abgeordneter Peter Haubner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geschätzte Frau Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben – und das hat Kollege Matznetter ja ausgeführt – im Vorjahr gemeinsam diese Investitionsprämie auf den Weg gebracht, eine Maßnahme, die ja dazu diente, Projekte zu mobilisieren, Unternehmer


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll105. Sitzung, 19. Mai 2021 / Seite 131

dazu zu bewegen, dass sie Projekte umsetzen, die sie aufgrund der Coronakrise durch eine gewisse Art von Verunsicherung der wirtschaftlichen Situation nicht umsetzen wollten.

Deshalb haben wir auch versucht, mit dieser Prämie einen Anstoß zu geben, ihnen die Sicherheit zu geben und eben diese Investitionen anzustoßen. Investition ist nun einmal die Aufwendung von Geld oder Arbeit oder etwas Ähnlichem für etwas, das zukünftig einen besonderen Nutzen bringen soll, und diesen Nutzen bringen wir, meine Damen und Herren, mit dieser Investitionsprämie. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wir haben die Einreichung für die Investitionsprämie bis zum 28. Februar befristet, weil es ja eine befristete Maßnahme ist, weil es ein Impuls sein sollte, in einer unsicheren Zeit Investitionen zu unterstützen. Dass an die 250 000 Anträge, also fast eine Viertel­million Anträge eingereicht wurden, zeigt ja, dass diese Maßnahme auch in Anspruch genommen worden ist. Wenn wir uns auch anschauen, dass 49 Prozent dieser Prämie in Digitalisierung und Ökologisierung gehen, dann erkennen wir, dass da auch die Schwerpunkte des Regierungsprogramms sehr gut abgebildet sind.

Meine Damen und Herren, eines ist mir auch noch wichtig, weil es immer heißt, da profitieren nur die Großen: Wenn wir uns die Zahlen genau anschauen, dann sehen wir, dass nur 6 Prozent der Anträge von Großunternehmen gestellt wurden, die zwar 18 Pro­zent des gesamten Volumens bekommen, aber bei 82 Prozent des Volumens sind 94 Prozent der Antragsteller Einpersonenunternehmer, Kleinstunternehmer und KMUs. (Zwischenruf des Abg. Schellhorn.) Wir unterstützen also die, die die österreichische Wirtschaft auch tragen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ich habe auch mit vielen gesprochen und kann nur appellieren und ersuchen, dass wir diesen Weg, den wir begonnen haben, auch gemeinsam weitergehen und dass wir jetzt hier die Erhöhung des Betrages der Investitionsprämie im Budget beschließen, damit wir die Anträge, die noch da sind, auch entsprechend abarbeiten können. Wir konnten die Zusagen ja bis zum Rahmen von 3 Milliarden Euro geben. Jetzt geht es darum, noch die letzten Meter für die Unternehmer zu machen, die auf die Zusage warten.

Ich kann Ihnen sagen, und Sepp Schellhorn weiß das auch: Unser Bundesland Salzburg hat einen großen Anteil von der Investitionsprämie in Anspruch genommen: fast 8 Pro­zent, 12 200 Anträge mit einem Investitionsvolumen von 6 Milliarden Euro insgesamt – also 600 Millionen Investitionsprämie lösen 6 Milliarden Investitionen aus. Ich würde mir wünschen, so wie für alle anderen Bundesländer, dass wir das jetzt gemeinsam be­schließen, damit wir die Investitionsprämie in dieser Form umsetzen können. – Danke vielmals. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

16.11


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Fuchs. – Bitte.


16.11.05

Abgeordneter MMag. DDr. Hubert Fuchs (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Hohes Haus! Geschätzte Österreicherinnen und Öster­reicher! Eingangs darf ich klarstellen – und Kollege Matznetter hat schon einiges Rich­tiges dazu gesagt –: Wir erhöhen heute nicht die Investitionsprämie an sich. Die Unter­nehmer erhalten durch den heutigen Gesetzesbeschluss keinen Cent mehr. Wir verlän­gern heute auch nicht, wie dringend erforderlich, die Antragfrist zur Geltendmachung der Investitionsprämie. Wir korrigieren heute lediglich zum dritten Mal das Investitions­prämien­gesetz und die zugrunde liegenden Vorbelastungen, weil die Regierungs­parteien ­nicht in der Lage sind, ordentlich zu budgetieren. Das ist aber nichts Neues. Das haben wir heute schon beim Bundesfinanzgesetz erlebt. (Beifall bei der FPÖ.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll105. Sitzung, 19. Mai 2021 / Seite 132

Ich darf kurz auf die entsprechende Chronologie eingehen: Im Juli 2020 haben wir hier im Hohen Haus das Investitionsprämiengesetz beschlossen. Damals schätzte die Bun­desregierung die erforderlichen Budgetmittel auf 1 Milliarde Euro. Sämtliche Opposi­tionsparteien kritisierten bereits damals die Unterdotierung des Budgetansatzes. Das Wifo ging bereits damals von fiskalischen Kosten bis zu 4,6 Milliarden Euro aus. Bereits zweieinhalb Monate später haben wir dann im Hohen Haus die Erhöhung auf 2 Milliarden Euro beschlossen und wieder nach zweieinhalb Monaten haben wir im Hohen Haus die Erhöhung auf 3 Milliarden Euro beschlossen. Heute beschließen wir eine Erhöhung auf 7,8 Milliarden Euro – eine 780-prozentige Steigerung der Budgetkosten innerhalb von zehn Monaten, und zwar ohne, dass die Unternehmer einen Cent mehr erhalten. Das ist wirklich ein Kunststück. (Beifall bei der FPÖ.)

Kurioserweise erhöhen wir die Budgetkosten auf 7,8 Milliarden Euro, obwohl die Geset­zesmaterialien nur von 5 Milliarden Euro effektivem Liquiditätsbedarf sprechen. Das heißt, sicherheitshalber beschließen wir jetzt sogar schon Budgetvarianten – aber sicher nicht mit der FPÖ.

Was aber dringend erforderlich wäre, das negiert die Bundesregierung: Wir brauchen eine Verlängerung der Fristen im Investitionsprämiengesetz. Dadurch könnte man sicherstellen, dass auch diejenigen in den Genuss von Investitionsprämien kommen könnten, die wirklich Investitionen tätigen, die sie vorher eben noch nicht geplant hatten. Derzeit haben wir nämlich fast nur Mitnahmeeffekte, die zwar auch positiv sind, aber wir wollen ja die Unternehmer zu wirklichen Neuinvestitionen anregen. (Beifall bei der FPÖ.)

Abschließend darf ich noch festhalten: Das Investitionsprämiengesetz ist ein Muster­beispiel für schlechte Legistik, sowohl formell als auch materiell. Nur eine Abarbeitung der Investitionsprämienanträge durch die Finanzämter wäre vernünftig gewesen, und zwar in Form einer unbefristeten steuerlichen Investitionsförderung, in engster Anleh­nung an die Forschungsprämie, mit Rechtsanspruch und entsprechenden Rechtsschutz­möglichkeiten. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

16.14


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Götze. – Bitte.


16.14.59

Abgeordnete Dr. Elisabeth Götze (Grüne): Herr Präsident! Werte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Krise als Chance, das ist für mich die Investitionsprämie. Wir haben die Idee aus einer Krisensituation heraus geboren, nämlich aus der Coronakrise. Die Investitionen der Unternehmen droh­ten einzubrechen. In der Situation ist die Idee entstanden, Investitionen auf eine ganz besondere Art und Weise zu stützen. Grundsätzlich gibt es 7 Prozent echte Zuschüsse zu Investitionen, mit Ausnahme der Investitionen, die schädlich sind – zum Beispiel auch schädlich für die Umwelt, so wie wir das auch im RRF der EU inzwischen kennengelernt haben –, und 14 Prozent Zuschüsse für die Investitionen, die ökologisch und digital sind – das, was Unternehmen jetzt brauchen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeord­neten der ÖVP.)

Sie ist für mich somit das Erfolgsmodell für diese ökologische und digitale Transfor­mation der Unternehmen. Wir haben damit begonnen und wir setzen das auch weiterhin fort. Die Investitionsprämie wurde letztes Jahr eingeführt und die Einreichung war bis Ende Februar möglich, wie gesagt wurde. Das wurde ja auch ausführlich besprochen. Wir haben dann die Frist, die erste Maßnahme zu setzen – also einen Kaufvertrag oder ein Offert abzugeben oder Ähnliches –, verlängert. Ich glaube, das war schon recht groß­zügig.


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Was auch zu sagen ist – weil ich jetzt mehrmals gehört habe: Warum hat man nicht gleich am Anfang viel großzügiger dotiert? –: Ich glaube, dann hätten wir hier andere Diskussionen gehabt, nämlich: viel zu viel Geld! Wir haben versucht, großzügig zu dotie­ren und tatsächlich ist die Investitionsprämie am Anfang gar nicht so gut angenommen worden, sondern erst gegen Ende zu, was auch gegen die Mitnahmethese spricht. Die Unternehmen haben sich das sehr genau angeschaut, überlegt: Möchte ich investieren, was möchte ich machen? Ja, ich investiere! Tatsächlich hat sich die Zahl der Anträge im letzten Monat – bis Ende Februar war es möglich, Anträge einzureichen – mehr als verdoppelt. Man sieht also: Am Schluss sind die Unternehmen draufgekommen, sie wollen investieren – sehr gut – und sie können ja auch noch einreichen.

Ich glaube, es ist eine ganz wichtige, tolle Maßnahme. Wir stärken damit das Eigen­kapital der Unternehmen, die investieren können. Sie können die Umsetzung bis Ende 2022 beziehungsweise für große Volumina noch länger, bis 2024, machen.

Es wurde schon erwähnt: Kleinunternehmen haben das zu einem ganz großen Teil beansprucht. Ich möchte noch auf die Kleinstunternehmen eingehen. Kleinstunterneh­men sind die bis unter zehn Mitarbeiterinnen, Mitarbeiter, auch EPUs sind da dabei. Die haben die Hälfte des Volumens ausgeschöpft – die Hälfte des Volumens! Also ich glaube, das ist wirklich sensationell und man sieht, dass das Geld bei denen landet, die es wirklich brauchen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Der Schwerpunkt Ökologie und Digitales ist gelungen. Mehr als ein Drittel der Zu­schüsse – 38 Prozent der Zuschüsse – gehen in digitale Investitionen und lösen ein Vielfaches an Investitionstätigkeit in dem Bereich aus. Bei der Digitalisierung sind es immerhin noch 15 Prozent – also auch das ein guter Schwerpunkt. Aus meiner Sicht ist das ein wirklich hervorragendes Instrument. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

16.19


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Schellhorn. – Bitte.


16.19.17

Abgeordneter Josef Schellhorn (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Minister! Bevor wir sozusagen in die Debatte eingehen: Was die Investitionsprämien betrifft – und was meine Vorredner von der FPÖ und der SPÖ schon gesagt haben –, ist das Problem wirklich, glaube ich, ein anderes. Das hat die Investitionsprämie auch so an sich. Ich will es Ihnen an einem praktischen Beispiel aus meinem Unternehmertum erklären:

Ich habe um die Investitionsprämie angesucht, ich will investieren, ich habe im Jänner die Erstverhandlungen geführt – weil ich noch keine Baugenehmigung gehabt habe, habe ich nicht die Endverhandlungen geführt. Von Jänner bis Ende März haben sich die Preise um 30 Prozent erhöht. Das hat mit den Rohstoffpreisen etwas zu tun – da können Sie nichts dafür –, das hat aber auch damit etwas zu tun, dass die Handwerker, das Baugewerbe und das Baunebengewerbe die Aufträge nicht erfüllen können, sodass sie einfach mit den Preisen entsprechend spielen, weil wir einen Fachkräftemangel haben.

Das heißt, da haben wir die Problemzone Nummer eins: Wir brauchen eine Frist­verlängerung bis zur Fertigstellung, dann wirkt die Investitionsprämie und dann ist es auch sinnvoll, dass wir sie durchführen können.

Das zweite Problem, das wir haben, wo wir Schwierigkeiten haben – der Finanzminister hat es selbst gesagt –: Das ist ein Eingriff in den Markt – und das muss uns bewusst sein.

Ja, dieser Eingriff in den Markt war 2020 enorm wichtig. Wir haben jetzt dreimal, wie Kollege Fuchs auch gesagt hat, die Prämie erhöht, den budgetären Topf erweitert, aber


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dennoch haben wir die Probleme mit der Fertigstellung und dennoch ist es ein Eingriff in den Markt. Was wäre die andere Seite, was könnte man machen, ohne in den Markt einzugreifen? – Eine funktionale Abschreibung. Das wäre möglich, auch im Hinblick darauf, nicht mit der Gießkanne durch das Land zu fahren, sondern jene, die investieren, mit einer funktionalen Abschreibung, von mir aus mit einer temporären funktionalen Abschreibung, zu bedenken, und das wäre wichtig.

Wir waren im Ausschuss dagegen, wir sind aber jetzt dafür, weil wir glauben, dass es wichtig ist, aber es muss auch so sein, dass wir eine Folgenabschätzung betreiben.

Alle Wirtschaftsforscher sagen, dass diese Effekte zu groß bemessen sind. Alle Experten sagen, dass es Investitionslücken geben wird. Bereiten wir uns also jetzt darauf vor, was 2023 kommen wird! Es ist wichtig, dass jetzt investiert wird, es ist wichtig, dass wir vor allem im Bau- und Baunebengewerbe Vollbeschäftigung lukrieren können, aber was passiert dann? Wie setzen wir hier steuerliche Anreize, um das zu prolongieren? Ich glaube, das ist das Wichtige, worüber wir uns heute Gedanken machen müssen – nicht mit einer Prämie, die vielleicht zu überschießend ist, sondern mit steuerlichen Anreizen wie einer funktionalen Abschreibung. Das wäre meines Erachtens der richtige Weg.

Der letzte Punkt ist – und damit müssen wir auch ganz ehrlich umgehen –: Sie ver­wenden bei dieser Investitionsprämie EU-Gelder. Diese EU-Gelder für den Recovery­fund wären zehnmal besser genützt, würden wir Schulen mit funktionaler und ent­sprechender schulischer Infrastruktur ausstatten, würden wir noch mehr in die Digitalisie­rung hineingehen, auch mit diesen Geldern. Dafür wäre das EU-Geld vorgesehen gewesen, nicht für ein Gießkannenprinzip, jene Investitionsförderung, die wir jetzt Gott sei Dank haben, aber unter der wir dennoch in ein paar Jahren leiden werden. (Beifall bei den NEOS.)

16.23


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Schramböck. – Bitte sehr, das Wort steht bei Ihnen.


16.23.15

Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Dr. Margarete Schramböck: Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Danke für die Inputs zu diesem Thema, das wir ja in dieser Runde bereits oft besprochen haben.

Investitionen sind wichtig und Investitionen sind gut. Sie sind gerade jetzt gut, in einer Zeit, in der es vielen Unternehmen nicht gut gegangen ist, und zwar sowohl den Leit­betrieben als auch den mittelständischen Unternehmen, den Kleinstunternehmen und den EPUs.

Das ist das Wesentliche. Ich glaube, wir haben da rechtzeitig reagiert. Sie haben auch zu einem großen Teil mitgemacht und sind mit dabei gewesen. Ein Dankeschön dafür, dass rechtzeitig erkannt wurde, dass wir unsere Unternehmen unterstützen müssen und dass sie nicht nur Unterstützung für Liquidität brauchen, sondern dass wir frühzeitig auch in konjunkturelle Maßnahmen investieren müssen, und das ist die Investitionsprämie.

Schauen wir uns das nun genauer an – ich möchte auf einige Punkte, die Sie genannt haben, eingehen und diese auch konkret beantworten.

Zum Recoveryfund: Da sind zwei Dinge drinnen, wo Schwerpunkte gesetzt werden müssen, nämlich Ökologisierung und Digitalisierung – und genau das haben wir getan. Im Recoveryfund ist auch die digitale Ausstattung der Schulen mit drinnen, weil es auch mir wichtig ist, für die Fachkräfte der Zukunft zu sorgen und auch das in diesem Fund vorzusehen und nicht allein die Investitionsprämie. (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der Grünen.)


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Der Recoveryfund sieht also genau das vor, was auch wesentlich ist, nämlich einen starken Fokus auf diese digitale Transformation für die nächsten Generationen.

Ein zweiter Punkt, der oft erwähnt worden ist: Das ist nicht nur für die Leitbetriebe. Meine Bitte an Sie alle ist: Unterstützen Sie bitte die KMUs, die sich nicht so leichttun, die KMUs, die in dieser Investitionsprämie etwas gefunden haben, das sie bei dieser Trans­formation in Richtung Ökologisierung und Digitalisierung unterstützt!

Es ist schon ein Unterschied für ein KMU, eine Investitionsprämie als Geld, als Cash zu erhalten oder es steuerrechtlich abzudecken – auch das wäre möglich gewesen. Aber wir haben uns hier in dieser Runde gemeinsam dafür entschieden, dass wir das als Prämie auszahlen, denn wir hatten gerade die KMUs dabei im Auge, und diese gilt es, glaube ich, mit dieser Form der Prämie entsprechend zu unterstützen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ein weiteres Thema, das Sie angesprochen haben, ist der Eingriff in den Markt. Ja, natürlich wollen wir so wenig wie möglich in den Markt eingreifen, denn die Unternehmen sind es, die am besten die Arbeitsplätze schaffen, die Unternehmen wissen, in welche Märkte sie exportieren können, wo sie in Forschung und Entwicklung investieren können, aber die Covid-Krise war auch die größte Disruption, die wir je hatten, und zwar ein Nachfrageschock und ein Angebotsschock, und in der Situation dieses Schocks ist es gerechtfertigt, den Unternehmen zu helfen und, ja, dann auch wieder damit aufzuhören. Aber in dieser Zeit war es wichtig – und dazu stehe ich –, die Unternehmen sowohl durch den Liquiditätsengpass, durch diesen Engpass zu bringen, als auch ihnen schon zu helfen, in die Zukunft zu investieren.

Ein weiterer Punkt ist, dass alle Bundesländer davon profitieren – und das bitte ich Sie wirklich bei Ihrer Entscheidung zu berücksichtigen, denn es ist nicht so, dass ein Bun­desland da besonders profitieren würde, sondern alle Bundesländer profitieren.

Ich möchte Ihnen diesbezüglich einen kurzen Überblick geben – und bitte denken Sie bei Ihrer persönlichen Entscheidung daran, dass es die Unternehmen in Ihrem Bundes­land sind, denen Sie helfen können und die Sie auch unterstützen können –: In Ober­österreich löst das 16 Milliarden Euro an Investitionen aus. Wissen Sie, wie viele Arbeits­plätze das sind? In Wien: 12 Milliarden Euro an Investitionen; in Niederösterreich: 11 Milliarden; in der Steiermark und in Tirol: 9 Milliarden; in Salzburg: sogar 6,5 Milliar­den; in Kärnten: 4,5 Milliarden; in Vorarlberg: 3,9 Milliarden; im Burgenland: 1,7 Milliar­den – 1,7 Milliarden Euro an Investitionen im Burgenland! Halten wir das den Unterneh­men nicht vor, ich bitte Sie hier um Ihre Unterstützung! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Es ist auch angesprochen worden, dass es eine allgemeine Maßnahme ist. Ja, das war wichtig, es als allgemeine Maßnahme zu setzen, damit nämlich nicht vorselektiert wird, denn nicht wir in der Politik wissen genau, welche Unternehmen und welche Branchen jetzt investieren können. Auch die Gastronomie und der Tourismusbereich haben diese Investitionsprämie genutzt und nutzen sie jetzt gerade. Nicht wir sind es, die vorher entscheiden müssen: Diese Branche bekommt das, dieser Unternehmer bekommt das und jene nicht!, darum haben wir das gemeinsam so aufgesetzt, dass die Unternehmen, die jetzt investieren wollen, das auch tun können, denn alle Branchen sollen davon profitieren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Noch ein kurzer Hinweis zum Thema Abschreibung: Ich möchte Sie daran erinnern, dass wir die degressive Abschreibung eingeführt haben. Ich habe damals noch gelernt, dass es nur eine lineare Abschreibung gibt. Eine degressive Abschreibung, nämlich am Beginn mehr abschreiben zu können, ist eine wesentliche Veränderung und wichtig. Das haben wir bereits umgesetzt. Das ist aus meiner Sicht eine Kombination dazu: Als Unternehmen kann man die degressive Abschreibung nutzen und die Investitionsprämie


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dazu. Und was gibt es Besseres, als das zu tun und so Arbeitsplätze zu schaffen? (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Noch zu dem Punkt, den Sie auch angesprochen haben, der ehemalige Staatssekretär hat es getan, nämlich dass doch die Finanzämter die Besseren dabei wären, das abzuwickeln:

Ja, Herr Abgeordneter (in Richtung Abg. Matznetter), möglicherweise wäre das eine Möglichkeit gewesen, aber ich erinnere daran, dass die Forschungsprämie, die Sie auch erwähnt haben, von der FFG vorbereitet wird und, ja, dann von der Steuer abgezogen wird. Das AWS mit seinem Team ist als Förderbank genauso gut geeignet, diese Abwicklung vorzunehmen. Es war unsere Aufgabe, auch unter den verschiedenen Organisationen aufzuteilen und die Finanzämter, die ohnedies sehr viel zu tun haben, nicht zu überlasten. Und: Das ist eine Förderung – es ist keine Steuervergünstigung, sondern eine Förderung –, und ich bin überzeugt davon, dass die AWS-Mitarbeiter das jetzt schon gut machen – ich möchte mich auf diesem Weg auch bei ihnen bedanken – und dass sie das auch, wenn Sie jetzt dieser Erhöhung zustimmen, weiterhin gut machen werden – sie haben alles vorbereitet, sie können die Zusagen rasch an die Unternehmen hinausschicken, sodass sie bis Ende dieses Monats, bis Ende Mai diese Zusagen alle erhalten, das heißt, die Zusagen für die Investitionen über die 3 Milliarden Euro hinaus.

Meine Bitte ist daher, dass Sie diesen Antrag und diese Entscheidung unterstützen, dass wir hier gemeinsam Schulter an Schulter die Unternehmen unterstützen, dass sie Fach­kräfte ausbilden können, denn an jeder Investition hängt ein Arbeitsplatz. Ich würde mir wünschen, dass Sie bei diesem sehr wichtigen Thema mitgehen können. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Rössler.)

16.31


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Lindinger. – Bitte.


16.31.34

Abgeordneter Ing. Klaus Lindinger, BSc (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Ge­schätzte Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Wir diskutieren die Investitionsprämie, auch bekannt als AWS-Covid-Prämie – im Allgemeinen 7 Prozent Unterstützung, im speziellen Fall, weil es um die Digitalisie­rung, Ökologisierung oder Gesundheit geht, 14 Prozent.

Blicken wir kurz zurück: Letztes Jahr haben wir dieses Thema hier diskutiert, und wir haben die Investitionsprämie auch beschlossen. Der Start war im September 2020. Die Ziele waren, die Wirtschaft anzukurbeln, die Arbeitsplätze zu sichern, die KMUs zu unter­stützen, die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken und nicht zuletzt auch eine positive Signalwirkung durch die verstärkte Nachfrage hervorzurufen.

Jetzt, ein Dreivierteljahr später, können wir wirklich positiv Bilanz ziehen – die Frau Ministerin hat es angesprochen –: insgesamt rund 260 000 Anträge, ein Investitions­volumen, für das die Förderung zur Verfügung gestellt wird, von über 7 Milliarden Euro. In meinem Bundesland Oberösterreich löst das Gesamtinvestitionen von 16 Milliarden Euro aus – 21 Prozent in die Digitalisierung, 27 Prozent in die Ökologisierung, insgesamt fällt rund die Hälfte in die 14-Prozent-Förderung. Da sind auch essenzielle Struktur­effekte dabei, Investitionen, die nachhaltig positiv in die Zukunft wirken. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Rössler.)

Was mich ganz besonders freut, ist, dass insgesamt 94 Prozent der Anträge in den Bereich der KMUs, der Kleinstunternehmen, aber auch in den Bereich der Land- und Forstwirtschaft fallen. Das zeigt uns ganz klar eines: dass all jene Unternehmerinnen und Unternehmer, die Betriebsführerinnen und Betriebsführer positiv in die Zukunft


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll105. Sitzung, 19. Mai 2021 / Seite 137

sehen, positive Signale setzen, in eine nachhaltige Zukunft investieren – und das ist auch gut so.

Genau deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist auch die logische Konsequenz, dass wir hier heute die Erhöhung dieses Fördertopfs beschließen, damit diese Unternehmen dadurch auch Planungssicherheit und Rechtssicherheit bekommen. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Jakob Schwarz.)

Weil Kollege Schellhorn angesprochen hat, es brauche eine Fristverlängerung, kann ich nur eines klarstellen: Wir haben bereits die Fertigstellungsfrist verlängert, und zwar um ein Jahr. Das ist auch gut und wichtig so, und das unterstützt auch all jene, die da inves­tieren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bin Oberösterreicher. Es ist weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt, dass Oberösterreich als der Wirtschaftsmotor Öster­reichs gilt, dass Oberösterreich das Land der Möglichkeiten ist, und da macht es mich ganz besonders stolz, dass insgesamt ein Viertel der Anträge aus Oberösterreich kommt, dass dort insgesamt 16 Milliarden Euro investiert werden. Das zeigt auch, dass wir unsere Betriebe dadurch stärken können, dass wir die Arbeitsplätze sichern können, dass wir damit in eine nachhaltige Zukunft investieren, dass wir den Wohlstand sichern – und davon profitieren alle, von Jung bis Alt, die jüngsten Generationen am meisten, denn die trifft es dann auch in den nächsten Jahrzehnten. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Maurer und Rössler.)

16.35


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Kollege Angerer. – Das Wort steht bei Ihnen.


16.35.11

Abgeordneter Erwin Angerer (FPÖ): Herr Präsident! Frau Minister! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren! Frau Minister, Sie loben ja das Investitionsprämien­gesetz immer als eine so tolle wirtschaftspolitische Maßnahme. Jetzt brauche ich nicht zu wiederholen, was Kollege Fuchs, Kollege Matznetter und andere auch schon gesagt haben: Wir behandeln das jetzt zum vierten Mal hier im Parlament, Sie müssen laufend die Summen erhöhen, wir haben über die Fristen diskutiert, und trotz allem beschweren sich viele Unternehmen draußen noch immer, dass sie einfach nicht in der Lage sind, die ersten Maßnahmen, die zu setzen sind – die dafür geltende Frist ist die wesentliche, und diese endet am 31.5. –, auch tatsächlich zu setzen, weil sie Bestellungen nicht hinausbringen, weil sie Lieferungen nicht abfordern können, weil sie eben nicht in der Lage sind, diese ersten Maßnahmen zu setzen. Deshalb gibt es hauptsächlich Mitnah­meeffekte und kaum neue Investitionen.

Wenn sich die Grünen immer dafür rühmen, dass so viele ökologische Investitionen dabei sind, dann weiß ich, was das primär ist: Das sind ein paar Fotovoltaikanlagen oder ein paar E-Autos, bei denen 99,9 Prozent der Wertschöpfung sowieso nicht in Europa passieren. Das sind also die ökologischen Maßnahmen, die über dieses Investitions­prämiengesetz gefördert werden.

Mittlerweile überholt Sie aber schon wieder die Geschichte, und ich habe es heute schon in der Aktuellen Stunde erwähnt: Wir haben ein riesiges Problem, nämlich dass seit Wochen, seit Monaten die Verfügbarkeit bei Rohstoffen und Werkstoffen nicht ent­sprechend gegeben ist und deren Preise explodieren, vor allem in der Baubranche, und dass Bauunternehmen oder Handwerker im Baubereich nicht mehr in der Lage sind, ihre Baustellen abzuwickeln, weil sie das Material nicht bekommen oder weil sie einfach die Preise nicht halten können.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll105. Sitzung, 19. Mai 2021 / Seite 138

Jetzt gibt es dafür offensichtlich zwei Gründe: auf der einen Seite die internationalen Märkte, die schon wieder boomen. Das sind auf der einen Seite China, das alles zusam­menkauft, was es auf der Welt so gibt, und auf der anderen Seite die USA, wo die Wirtschaft ebenfalls angesprungen ist. In die USA wird hauptsächlich Holz transportiert – darüber können wir unter ökologischen Gesichtspunkten auch noch einmal nachdenken, ob es so sinnvoll ist, Holz von Europa nach Amerika zu transportieren –, und unsere Handwerker bekommen den Rohstoff nicht. Die Folge davon: Wir müssen die Baustellen einstellen, müssen unsere Leute nach Hause schicken, die landen dann wieder in der Arbeitslosigkeit oder in einer Kurzarbeit. Da stehen wir jetzt. Deshalb ist es wichtig, die Menschen in Beschäftigung zu bringen – das muss jetzt das vorrangige Ziel sein –, und deshalb braucht es ein Österreich-zuerst-Paket. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir müssen schauen, dass unsere Betriebe zuerst bedient werden – mit Rohstoffen, mit Werkstoffen –, damit sie ihren Mitarbeitern Beschäftigung geben können, damit sie ihre Projekte abwickeln können. Gleichzeitig haben wir geburtenstarke Jahrgänge, die jetzt in Pension gehen; die Industrie, die Unternehmen jammern, dass sie keine Fachkräfte haben. Wir müssen daher eine Qualifizierungsoffensive setzen und für die Ausbildung von jungen Leuten sorgen. Wir haben schon mehrfach Anträge zur Schaffung eines Blum-Bonus Neu eingebracht – es ist einfach notwendig, dass wir da investieren und damit in die Zukunft unserer Fachkräfte investieren. (Beifall bei der FPÖ.)

Das Dritte – es ist heute auch schon mehrfach erwähnt worden – ist eine Entlastung des Faktors Arbeit. – Keiner dieser Punkte findet sich jedoch in Ihrem Comebackplan. Was sich darin findet, sind alles alte Überschriften und alte Projekte, die wesentlichen Maß­nahmen – Reformen, um diese Dinge einzuleiten – fehlen hingegen.

Deshalb bringe ich einen entsprechenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Österreich zu­erst! Vorrang für unsere Betriebe bei Versorgung mit Werk-, Bau- und Rohstoffen, Qualifizierungsoffensive für unsere Jugend, Entlastungsoffensive für unsere Betriebe“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, Maßnahmen im Sinne der Umsetzung folgen­der Forderungen eines Österreich zuerst – Pakets im Interesse der heimischen Wirt­schaft und Arbeitnehmer zu setzen:

- Vorrang für heimische Betriebe bei Versorgung mit Werk-, Bau- und Rohstoffen

- Attraktivierung der Lehrlingsausbildung durch Beseitigung überbordender Auflagen und Vorschriften sowie Einführung eines Blum Bonus Neu

- Senkung der Abgaben auf Arbeit und der Lohnnebenkosten.“

*****

Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

16.39

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Erwin Angerer, MMMag. Dr. Axel Kassegger


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll105. Sitzung, 19. Mai 2021 / Seite 139

und weiterer Abgeordneter

betreffend Österreich zuerst!

Vorrang für unsere Betriebe bei Versorgung mit Werk-, Bau- und Rohstoffen

Qualifizierungsoffensive für unsere Jugend 

Entlastungsoffensive für unsere Betriebe

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 10: Bericht des Budgetausschusses über den Antrag 1559/A der Abgeordneten Gabriel Obernosterer, Dr. Elisabeth Götze, Kollegin­nen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über eine COVID-19 Investitionsprämie für Unternehmen (Investitionsprämiengesetz – InvPrG) geändert wird (845 d.B.) in der 105. Sitzung des Nationalrates am 19. Mai 2021

Vorrang für heimische Betriebe bei Versorgung mit Werk-, Bau- und Rohstoffen

Die heimischen Betriebe kämpfen neben den enormen wirtschaftlichen Problemen infolge des Corona bedingten monatelangen Stillstands seit Monaten mit Lieferengpäs­sen und drastischen Preiserhöhungen bei zahlreichen Rohstoffen.

Die Gründe dafür sind vielfältig und liegen unter anderem an der starken Nachfrage insbesondere aus China, an Produktionsengpässen und Kapazitätsreduktionen in globa­len Produktionen in den letzten Monaten und damit einhergehenden knappen Lager­­beständen bei gleichzeitig steigender Nachfrage im Inland.

Leidtragende sind die österreichischen Betriebe, wie unter anderem ein kürzlich in der Österreichischen Bauzeitung erschienener Bericht darlegt: „Wie akut die Lage in der Branche ist, spiegelt sich in den Ergebnissen einer aktuellen Leserumfrage der Öster­reichischen Bauzeitung wider. Über 80 Prozent der Befragten gaben an, dass sie mit steigenden Preisen zu kämpfen haben und diese schon an Auftraggeber sowie Kunden weitergeben müssen. Aufgrund dieser dynamischen Entwicklungen am Markt erwarten 81,2 Prozent einen massiven Anstieg der Baukosten.

Auch die Verfügbarkeit ist schon jetzt ein wesentlicher Faktor für die Unternehmen. Etwas mehr als die Hälfte der Befragten gab an, schon jetzt Probleme zu haben, alle notwen­digen Produkte für die eigene Arbeit zu organisieren. Die logische Konsequenz daraus sind Bauzeitverzögerungen, vor allem bei laufenden Projekten, da Vorlaufzeiten nicht gegeben sind. Vier Fünftel der Befragten rechnen deswegen mit Bauzeitverzögerungen aufgrund von Materialengpässen.“

Der Verein holzbau austria spricht in einem Artikel vom 20.04.2021 unter dem Titel „existenzbedrohende Marktsituation“ von „der prekären Lage“ wie folgt:

„Zu Jahresbeginn 2021 häuften sich bei holzbau austria die Anrufe besorgter Holzbau­unternehmer, dass die Versorgung mit Konstruktionsholz, Holzwerkstoffen, aber auch anderen Baustoffen wie Dämmmaterial derzeit enorm schwierig wäre. Aufgrund von Preissteigerungen und fehlender fester Preiszusagen für Rahmenverträge sei es derzeit kaum möglich zu kalkulieren. Zwischen Angebot und Auftrag beziehungsweise zwischen Angebot und Fertigung liegen meist mehrere Monate. Preissteigerungen können kaum an Kunden weitergegeben werden. Kalkuliert man mögliche Preissteigerung in Angebote seriös ein, kommt man nicht zum Auftrag. Tut man dies nicht, erhält man vielleicht einen Auftrag bei dem man am Ende draufzahlt. Alles in allem eine unbefriedigende Situation für die Holzbauunternehmen.

Viele heimische Betriebe sehen sich gezwungen, in den nächsten Wochen in Kurzarbeit zu gehen – und das bei vollen Auftragsbüchern.“


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll105. Sitzung, 19. Mai 2021 / Seite 140

https://www.holzbauaustria.at/markt/2021/04/marktsituation-fuer-zimmereien existenzbedrohend.html

Vor diesem Hintergrund ist es daher dringend erforderlich, Maßnahmen zu setzen, die es unseren Unternehmen wieder ermöglichen, ohne durch Materialengpässe blockiert zu sein, ihre Aufträge abwickeln können, und es ist ihnen Vorrang bei der Beschaffung von Bau-, Werk- und Rohstoffen zu geben.

Anreize für heimische Unternehmen für Lehrlingsausbildung schaffen – Fachkräfte­man­gel bekämpfen

Die COVID-bedingten monatelangen Schulschließungen haben einmal mehr das bereits seit Jahren bestehende Problem der mangelnden Kenntnisse von Schulabgängern und Lehrstellensuchenden insbesondere in den Grundfertigkeiten Lesen, Schreiben und Rechnen weiter verschärft.

Dazu kommt, dass bestehende zum Teil schwer nachvollziehbare Auflagen und Vor­schriften im Rahmen der Lehrlingsausbildung die Aufnahme von Lehrlingen für die Be­triebe zusätzlich erschweren.

Wenn Arbeitsminister Kocher in der Pressestunde vom 16.05.2021 davon spricht, dass „in den kommenden Jahren der Fachkräftemangel "endemisch" zu werden drohe, weil die geburtenstarken Jahrgänge in Pension gehen, dann ist es dringend an der Zeit, endlich Maßnahmen zu setzen, die sicherstellen, dass angehende Lehrlinge über aus­reichende Kenntnisse in den Bereichen Lesen, Schreiben und Rechnen verfügen und dass Unternehmer durch die Reduktion unnotwendiger Auflagen und Vorschriften einer­seits und die Schaffung (steuerlicher, finanzieller) Anreize andererseits wieder verstärkt Lehrlinge anstellen.

Unternehmen entlasten – Lohnnebenkosten senken

Wie enorm hoch und belastend die Abgaben der heimischen Unternehmer auf Arbeit und die Lohnnebenkosten sind, belegt einmal mehr die jüngste OECD-Studie, der zu folge Österreich im Vorjahr Italien überholt und nun die dritthöchsten Abgaben auf Arbeitseinkommen unter den 37 OECD-Staaten hat.

Darüber hinaus zeigen die OECD-Zahlen, dass die Reallöhne abzüglich der Inflation im Vorjahr auch in Österreich gesunken sind. Die OECD schätzt den Rückgang auf 0,7 Prozent.

In Dänemark, Großbritannien, Schweden und den Niederlanden sind die Reallöhne trotz Krise sogar gestiegen.

Vor diesem Hintergrund ist daher eine deutliche Senkung der Abgaben auf Arbeit sowie der Lohnnebenkosten ein Gebot der Stunde.

Der diesem Antrag zugrunde liegende Initiativantrag 1559/A in der Fassung des Be­richtes des Budgetausschusses (845 d.B.) wird nun unter anderem wie folgt begründet:

„Die Corona-Pandemie bringt zahlreiche Schwierigkeiten für Menschen und Unterneh­men mit sich; dies sind vor allem die gesundheitlichen Herausforderungen, die Arbeits­losigkeit, der zögerliche Konsum sowie die globalen wirtschaftlichen Auswirkungen. Die österreichische Bundesregierung hat daher im September 2020 mit der Investitions­prämie ein Impulsprogramm gestartet, um die Resilienz und die Wettbewerbsfähigkeit österreichischer Betriebe durch Investitionen zu stärken.“

Wenn nun versucht wird, eine Investitionsprämie als großen Wurf zur Stärkung der heimischen Wirtschaft zu verkaufen, so werden die oben dargestellten massiven Probleme übersehen, denen die österreichischen Unternehmen auf dem Weg aus der Krise derzeit ausgesetzt sind.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll105. Sitzung, 19. Mai 2021 / Seite 141

Unternehmer sind gezwungen, Aufträge nicht anzunehmen, weil nicht klar ist, ob die für die Auftragserfüllung erforderlichen Materialen überhaupt, bzw. zu welchen Preisen rechtzeitig verfügbar sein werden. Die Endfertigung von Produkten scheitert an der nicht möglichen Lieferung von einzelnen Komponenten.

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten daher nachste­hen­den

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, Maßnahmen im Sinne der Umsetzung folgen­der Forderungen eines Österreich zuerst – Pakets im Interesse der heimischen Wirt­schaft und Arbeitnehmer zu setzen:

•             Vorrang für heimische Betriebe bei Versorgung mit Werk-, Bau- und Rohstoffen

•             Attraktivierung der Lehrlingsausbildung durch Beseitigung überbordender Auf­lagen und Vorschriften sowie Einführung eines Blum Bonus Neu

•             Senkung der Abgaben auf Arbeit und der Lohnnebenkosten.“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht somit mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet und auch schon am Rednerpult ist Frau Abgeordnete Niss. – Bitte.


16.39.26

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Niss, MBA (ÖVP): Herr Präsident! Sehr ge­schätzte Frau Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zusehe­rinnen und Zuseher! Erinnern Sie sich gemeinsam mit mir an heute vor einem Jahr, an den Mai letzten Jahres: Wir waren mitten in einer Pandemie, in einer globalen Krise, das Vertrauen war gering, die Zukunftsangst war groß – ich würde sagen, nicht unbedingt die beste Zeit für Unternehmen, um zu investieren.

Was wir aber damals wollten und brauchten und was wir auch heute wollen und brauchen, ist Wachstum – Wachstum, um Arbeitsplätze zu erhalten, Wachstum, um Arbeitsplätze zu schaffen, und auch Wachstum, mit dem wir den Strukturwandel Richtung innovative, digitale und ökologische Wirtschaft begleiten wollen. Genau diese Transformation, meine Damen und Herren, sichert die Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen, schafft Arbeitsplätze und sichert den Wohlstand. (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der Grünen.)

Genau das ist der Grund dafür, warum wir letztes Jahr im Juli die Investitionsprämie eingeführt haben. Diese sucht übrigens in ganz Europa ihresgleichen, denn sie ist für alle Unternehmen abrufbar – für kleine, für große, für welche, die Verlust machen, für welche, die Gewinn machen. Genau das ist wichtig.

Sie alle – gut, nicht die FPÖ, aber das wundert mich jetzt nicht – sind damals mitge­gangen, und das wundert mich auch nicht, weil es eine wahnsinnig gute Maßnahme ist. Wir haben sie mittlerweile dreimal erhöht, und wir gehen davon aus, dass damit Inves­titionen von 55 Milliarden Euro ausgelöst werden können. Das sind um 40 Prozent mehr Investitionen als in einem Nichtcoronajahr – und das brauchen wir.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll105. Sitzung, 19. Mai 2021 / Seite 142

Wir haben es schon gehört: Ungefähr 260 000 Anträge sind eingegangen. Meine Damen und Herren, das ist in dem Zeitraum, in dem man anmelden konnte, ungefähr ein Antrag pro Minute. 85 Prozent der Förderungen gehen an Klein- und Kleinstunternehmen, an den Backbone unserer Wirtschaft, an das Rückgrat unserer Wirtschaft. 50 Prozent machen genau diese wichtigen ökologischen und digitalen Investitionen aus. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ich habe gestern mit einem Unternehmer telefoniert. Er hat vor drei Jahren ein kleines Unternehmen mit 20 Mitarbeitern gekauft und mir gesagt: Weißt du, mit der Investitions­prämie habe ich zwei Investitionen gemacht; erstens einmal habe ich ein Laborgerät gekauft und zweitens habe ich in ein CRM-System investiert. Beides sind Investitionen, die ich nicht – oder sagen wir: vor allem nicht jetzt – gemacht hätte, wenn ich nicht die Investitionsprämie von 14 Prozent bekommen hätte. Sie sichern mir aber mein langfris­tiges Wachstum. – Genau das ist es, meine Damen und Herren, was wir machen wollten. (Beifall bei der ÖVP.)

Das Ziel der Prämie war und ist Wachstum; das Ziel der Prämie war und ist das Halten und das Schaffen von Arbeitsplätzen; und das Ziel der Prämie waren und sind Inves­titionen in digitale, nachhaltige und zukunftsträchtige Geschäftsmodelle, Produktionen und Technologien.

Wettbewerbsfähige Unternehmen, meine Damen und Herren, sind die DNA unseres Standortes. Sie sichern Arbeitsplätze und sie sichern langfristig den Wohlstand. Daher bitte ich Sie: Stimmen Sie heute wirklich für diese Maßnahme! Lassen Sie unsere Unter­nehmen wachsen und lassen Sie uns Arbeitsplätze sichern! – Danke sehr. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Disoski.)

16.43


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Abgeordneter Obernosterer ist zu Wort gemel­det. – Bitte.


16.43.22

Abgeordneter Gabriel Obernosterer (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren zu Hause vor den Fernsehschirmen! Ich glaube, es ist schon fast alles gesagt worden, wir haben alle Pros, alle Kontras gehört. Faktum ist, dass das, was Sie, Frau Bundesministerin, da mit dem Finanzminister und mit dieser Bundesregierung aufgestellt haben, das größte Investitionspaket seit dem Zweiten Weltkrieg ist.

Wir haben gesehen, dass es bei Weitem das, was wir uns eigentlich erwartet haben, übertroffen hat. Es wurde schon ausgeführt, dass die Prämie mittlerweile das dritte Mal aufgestockt wird. Herr Kollege Schwarz, Sie können sich noch daran erinnern, dass das auch schon Thema war, als wir mit anderen Mitgliedern des Budgetausschusses nach dem Budgethearing beim ORF gesessen sind. Damals hat es geheißen, 1 Milliarde Euro werden nicht reichen, und es wurde gefragt, was wir machen werden. Wir haben damals schon gesagt: Wenn es notwendig ist, werden diese Mittel aufgestockt.

Ich hoffe heute hier wirklich auf breite Zustimmung, weil alle vom Stärken der Wirtschaft reden, weil alle davon reden, dass wir den Arbeitsmarkt stärken müssen. Wenn man sieht, dass, wenn alles eingelöst wird, fast 80 Milliarden Euro an Investitionen – bei den großen Projekten sogar bis zum Jahre 2024 – ausgelöst werden sollten, dann – das sage ich ganz ehrlich – würde ich nicht verstehen, wenn irgendeine Fraktion da dage­genstimmen sollte.

Ich möchte nur ganz kurz auf die Dinge eingehen, die hier behauptet wurden, die zum Teil aber nur halb richtig sind: Kein Unternehmer bekommt einen Cent mehr, egal, ob wir 3 Milliarden oder 7,8 Milliarden Euro für die Investitionsprämie ausgeben. Der


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll105. Sitzung, 19. Mai 2021 / Seite 143

Prozentsatz der Förderung hat sich nicht geändert. Es ist aber ein Unterschied, ob die österreichische Wirtschaft 3 Milliarden Euro an Unterstützung kriegt oder ob 7,8 Milliar­den Euro an Unterstützung ausbezahlt werden. Das muss man, glaube ich, korrekter­weise auch einmal sagen.

Herr Kollege Schellhorn, Touristiker, du hast gesagt, dass man das alles über die Ab­schreibung machen soll. – Da muss ich als Touristiker dir wirklich dagegenreden. Wir sperren heute zum ersten Mal in diesem Jahr auf, bis heute haben wir zugehabt. Welcher Tourismusbetrieb in Österreich hätte da die Möglichkeit gehabt, um die Investitions­prämie anzusuchen? Welcher Tourismusbetrieb wird im Jahr 2021 Gewinn machen? Wahrscheinlich wird bis auf ein paar einzelne Betriebe niemand Gewinn machen. (Abg. Schellhorn: ... 2023!) Wir können aber die Prämie genauso abholen wie die anderen. Danke, dass es bei der Investition ein Prämiensystem ist und es nicht rein über die Abschreibung geht, denn sonst wäre die Tourismuswirtschaft ausgeschlossen gewe­sen. – Danke vielmals. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

16.46


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Wird ein Schlusswort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

16.46.35Abstimmung über die Tagesordnungspunkte 5 bis 11


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen wie vereinbart zu den verlegten Abstimmungen über die Berichte des Budgetausschusses, die ich über jeden einzelnen Tagesordnungspunkt getrennt vornehme.

Können wir abstimmen? – Gut.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 5: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzrahmengesetz 2021 bis 2024 und das Bundesfinanzgesetz 2021 geändert werden, samt Titel und Eingang in 811 der Beilagen.

Wer damit einverstanden ist, den ersuche ich um dementsprechende Zustimmung. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Wir kommen gleich zur dritten Lesung.

Ich darf die Damen und Herren, die dem Gesetzentwurf auch in dritter Lesung zustim­men, um ein dementsprechendes Zeichen ersuchen. – Das ist in dritter Lesung ebenfalls die Mehrheit und damit angenommen.

Wir gelangen nun zu Tagesordnungspunkt 6: Antrag des Budgetausschusses, seinen Bericht 840 der Beilagen zu Kenntnis zu nehmen.

Wer das tut, den darf ich bitte um ein Zeichen der Zustimmung ersuchen. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 7: Antrag des Budget­aus­schusses, den gegenständlichen Beschluss des Rates in 809 der Beilagen gemäß Art. 23i Abs. 3 erster Satz Bundes-Verfassungsgesetz zu genehmigen.

Gemäß § 82 Abs. 2 Z 1a der Geschäftsordnung stelle ich zunächst die für die Abstim­mung erforderliche Anwesenheit der verfassungsmäßig vorgesehenen Anzahl der Abge­ordneten fest. – Diese ist gegeben.

Es ist namentliche Abstimmung verlangt worden.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll105. Sitzung, 19. Mai 2021 / Seite 144

Da dies von 20 Abgeordneten verlangt wurde, ist diese Abstimmung namentlich durch­zu­führen.

Die Stimmzettel, die zu benützen sind, befinden sich in den Laden Ihrer Pulte und tragen die Namen der Abgeordneten beziehungsweise die Bezeichnung „Ja“ und „Nein“. Für die Abstimmung dürfen ausschließlich diese amtlichen Stimmzettel verwendet werden.

Gemäß der Geschäftsordnung werden die Abgeordneten namentlich aufgerufen, den Stimmzettel in die bereitgestellte Urne zu werfen.

Ich darf die Abgeordneten, die für die Genehmigung des gegenständlichen Beschlusses des Rates stimmen, bitten, den „Ja“-Stimmzettel, jene, die dagegen stimmen, den „Nein“-Stimmzettel in die Urne zu werfen. Bitte achten Sie darauf, dass nur ein Stimm­zettel eingeworfen wird!

Ich darf die Schriftführerinnen jetzt ersuchen, mit dem Namensaufruf zu beginnen – zuerst Frau Abgeordnete Steinacker und danach Frau Abgeordnete Cornelia Ecker, die sie dann ablösen wird. – Frau Abgeordnete Steinacker, bitte.

*****

(Über Namensaufruf durch die Schriftführerinnen Steinacker und Cornelia Ecker werfen die Abgeordneten den Stimmzettel in die Wahlurne.)

*****

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Haben alle Kolleginnen und Kollegen abge­stimmt? – Dann ist die Stimmabgabe beendet und ich darf um die Stimmenzählung bitten.

Ich unterbreche zu diesem Zweck die Sitzung für wenige Minuten.

*****

(Die zuständigen Bediensteten nehmen die Stimmenzählung vor. – Die Sitzung wird um 16.55 Uhr unterbrochen und um 17.01 Uhr wieder aufgenommen.)

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf die unterbrochene Sitzung wieder auf­nehmen und das Abstimmungsergebnis bekannt geben, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete.

Abgegebene Stimmen: 171; davon „Ja“-Stimmen: 143, „Nein“-Stimmen: 28.

Die Genehmigung des gegenständlichen Beschlusses des Rates ist somit gemäß Art. 23i Abs. 3 erster Satz Bundes-Verfassungsgesetz mehrheitlich angenommen.

Ausdrücklich darf ich auch die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit feststellen.

Mit „Ja“ stimmten die Abgeordneten:

Baumgartner, Bayr, Becher, Berlakovich Nikolaus, Bernhard, Blimlinger, Brandstätter Helmut, Brandstötter Henrike, Brandweiner, Bures, Bürstmayr;

Deckenbacher, Diesner-Wais, Disoski, Doppelbauer, Drobits;


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll105. Sitzung, 19. Mai 2021 / Seite 145

Ecker Cornelia, Einwallner, El-Nagashi, Engelberg, Erasim, Ernst-Dziedzic, Eßl, Eypeltauer;

Feichtinger, Fiedler, Fischer, Fürlinger;

Gahr, Gerstl, Gödl, Götze, Graf Tanja, Grebien, Großbauer, Grünberg;

Hamann Sibylle, Hammer Lukas, Hammer Michael, Hanger Andreas, Haubner, Hechen­berger, Heinisch-Hosek, Himmelbauer, Hintner, Hofinger Manfred, Höfinger Johann, Holzleitner, Hörl, Hoyos-Trauttmansdorff;

Jachs, Jeitler-Cincelli;

Kaufmann, Keck, Kirchbaumer, Köchl, Köllner, Kollross, Kopf, Koza, Krainer Kai Jan, Krisper, Kucharowits, Kucher Philip, Kühberger, Künsberg Sarre, Kuntzl;

Laimer, Leichtfried, Lercher, Lindner, Lindinger, Litschauer, Loacker, Lopatka;

Mahrer, Marchetti, Margreiter, Matznetter, Maurer, Meinl-Reisinger, Melchior, Minnich;

Neßler, Neumann-Hartberger, Niss Maria Theresia, Nussbaum;

Obernosterer, Oberrauner Petra, Ofenauer Friedrich, Ottenschläger;

Pfurtscheller, Pöttinger, Prammer, Prinz;

Reiter, Rendi-Wagner, Ribo, Rössler;

Salzmann, Saxinger, Schallmeiner, Scharzenberger, Schatz, Schellhorn, Scherak, Scheucher-Pichler, Schmuckenschlager, Schnabel, Schroll, Schwarz Gabriela, Schwarz Jakob, Seemayer, Shetty, Silvan, Singer Johann, Smodics-Neumann, Smolle, Sobotka, Stammler, Stark, Steinacker, Stöger Alois, Stögmüller, Strache, Strasser;

Tanda, Taschner, Tomaselli, Totter, Troch;

Voglauer, Vorderwinkler;

Weber, Weidinger, Weratschnig, Wimmer Petra, Wöginger;

Yildirim, Yılmaz;

Zarits Christoph, Zopf, Zorba.

Mit „Nein“ stimmten die Abgeordneten:

Amesbauer, Angerer;

Belakowitsch Dagmar, Bösch, Brückl;

Deimek;

Ecker Rosa;

Fuchs, Fürst;

Graf Martin;

Hafenecker, Hauser;

Kainz, Kaniak, Kassegger, Kickl;

Lausch;

Mühlberghuber;

Ragger, Rauch, Reifenberger, Ries Christian;


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll105. Sitzung, 19. Mai 2021 / Seite 146

Schmiedlechner, Schnedlitz, Schrangl, Steger Petra;

Wurm;

Zanger Wolfgang.

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Ent­schließungsantrag der Abgeordneten Petra Steger, Kolleginnen und Kollegen betref­fend „Österreich darf nicht Teil einer Schuldenunion werden“.

Wer damit einverstanden ist, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen der Zustim­mung. – Das ist mehrstimmig abgelehnt. Der Entschließungsantrag ist daher abge­lehnt.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 8: Antrag des Budget­aus­schusses, dem Abschluss des Staatsvertrages: Übereinkommen zur Änderung des Übereinkommens über die Übertragung von Beiträgen auf den einheitlichen Abwick­lungsfonds und über die gemeinsame Nutzung dieser Beiträge, in 751 der Beilagen gemäß Art. 50 Abs. 1 Z. 1 Bundes-Verfassungsgesetz die Genehmigung zu erteilen.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich an­ge­nommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 9: Antrag des Budgetaus­schusses, dem Abschluss des Staatsvertrages: Übereinkommen zur Änderung des Ver­trags zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus, in 752 der Beilagen gemäß Art. 50 Abs. 1 Z. 1 Bundes-Verfassungsgesetz die Genehmigung zu erteilen.

Wer dafür ist, den darf ich wieder um ein entsprechendes Zeichen bitten. – Das ist die Mehrheit, damit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 10: Entwurf betreffend In­ves­titionsprämiengesetz samt Titel und Eingang in 845 der Beilagen.

Ich darf die Damen und Herren, die dafür sind, um die entsprechende Zustimmung ersuchen. Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Wer auch in dritter Lesung dafür ist, den bitte um ein entsprechendes Zeichen. – Gleiches Stimmverhalten auch in der dritten Lesung: Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Angerer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Österreich zuerst! Vorrang für unsere Betriebe bei Versorgung mit Werk-, Bau- und Rohstoffen Qualifizierungsoffensive für unsere Jugend Entlastungsoffensive für unsere Betriebe“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit, daher abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 11: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz, mit dem die Begründung von Vorbelas­tungen durch die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort genehmigt wird, geändert wird, samt Titel und Eingang in 846 der Beilagen.

Wer dafür ist, der wird um ein entsprechendes Zeichen gebeten. – Das ist die Mehrheit.


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Wer ist auch in dritter Lesung dafür? – Dieser Entwurf ist in dritter Lesung ebenfalls an­ge­nommen.

17.05.0912. Punkt

Bericht des Ausschusses für Bauten und Wohnen über die Regierungsvorlage (768 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Heizkostenabrechnungsgesetz geändert wird (855 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen nunmehr zum 12. Punkt der Tages­ordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Das Wort steht bei Frau Abgeordneter Becher. – Bitte sehr, Frau Abgeordnete.


17.05.33

Abgeordnete Mag. Ruth Becher (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn die Last auf die Schultern vieler verteilt wird, dann muss jeder weniger tragen. – Das ist aber beim Heizkostenabrechnungsgesetz leider nicht so. Ein Wohnhaus mit vielen Wohnungen braucht zwar weniger Energie für das Beheizen der Wohnfläche als ein Einfamilienhaus, aber billiger ist das Heizen dennoch nicht. Die Menschen zahlen zu viel, weil die Ablesekosten zu hoch sind. Der vorliegende Entwurf tut nichts gegen das Schröpfen, er tut nichts, um die Mieter ausreichend gegen überhöhte Ablesekosten zu schützen.

Wer profitiert von diesem schlechten Gesetz? – Einige Ablesefirmen, die ein großes Geschäft machen. Es sind im deutschsprachigen Raum zwei Firmen, die sich den Markt teilen; und um die Dimension zu zeigen: Eine der großen Ablesefirmen wurde jüngst um 4,5 Milliarden Euro an einen asiatischen Geschäftsmann verkauft. In Deutschland hat das Bundeskartellamt diesen Skandal aufgezeigt, in Österreich soll mit diesem Gesetz weiterhin die Abzocke möglich sein; daher lehnen wir dieses Gesetz ab. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich bringe einen Abänderungsantrag der Abgeordneten Mag. Ruth Becher, Kollegin­nen und Kollegen zu 855 d.B. ein, dieser wird gerade im Saal verteilt.

Ich möchte zu dem vorliegenden Entwurf auch einige Punkte erläutern: Wenn Wärme­anbieter in einer Wohnhausanlage eine große Heizung vor Ort errichtet haben, dann müssen die Mieter die Heizung abbezahlen und zusätzlich auch noch die gelieferte Wärme. Ist die Heizung dann abbezahlt, gehört sie aber nicht den Mietern, wie bei einem Leasingvertrag, sondern sie müssen einen neuen, für sie schlechteren Vertrag abschließen. – Dieses Gesetz sieht also keine Verbesserung vor, und wir fordern beim sogenannten Contracting bessere, strengere Regeln.

Ein weiterer Punkt in diesem Gesetzentwurf ist, dass für den Preis der gelieferten Ware keine Beschränkungen gelten. Das heißt, das erleichtert in Wirklichkeit den Missbrauch, das ist eine Einladung dazu. Unser Abänderungsantrag sieht vor, dass neben den ange­messenen Ablesekosten auch angemessene Kosten für die gelieferte Leistung, für Wärme, Kälte gewährleistet werden.

Weiters ist es so, dass die Mieter, die sich von den Wärmelieferanten über den Tisch gezogen fühlen, diesen nicht kündigen können – das und vieles mehr können nämlich nur die Vermieter –, und wir fordern volle Rechte für diejenigen ein, die das auch bezah­len, und das sind die Mieterinnen und Mieter. (Beifall bei der SPÖ.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll105. Sitzung, 19. Mai 2021 / Seite 148

Im vorliegenden Gesetzentwurf wird auch nichts gegen die Macht der Ablesefirmen, dieser Konzerne, unternommen. Der vorliegende Entwurf ist eine verspätete Umsetzung der Energieeffizienzrichtlinie der EU, die für Österreich ohnehin zwingend ist, und das, was die Regierung hier als Verbesserung verkauft, gilt bereits im Rest Europas und bringt den Menschen aber keinen Schutz vor dem Schröpfen mit zu hohen Ablesekosten und Heizkostenrechnungen.

Das Gesetz ist ein Kniefall vor den Konzernen und verdient in der vorliegenden Form nicht die Zustimmung dieses Hauses. Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

17.09

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Becher,

Genossinnen und Genossen

zum Bericht des Ausschusses für Bauen und Wohnen (855 d. B.) über die Regierungs­vorlage mit dem das Bundesgesetz über die sparsamere Nutzung von Energie durch verbrauchsabhängige Abrechnung der Heiz- und Warmwasserkosten (Heizkosten­ab­rech­nungsgesetz – HeizKG 1992) geändert wird (768 d. B.)

eingebracht in der 105. Sitzung des Nationalrates am 19. Mai 2021 zu TOP 12

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der dem eingangs bezeichneten Ausschussbericht angeschlossene Gesetzesentwurf wird wie folgt geändert:

1. Nach § 2 Z 2 wird folgende Z 2a eingefügt:

 „2a. Fernwärmeähnliche Wärmeversorgungsanlage:

Gemeinsame Wärmeversorgungsanlage in einem Gebäude (in einer wirtschaftlichen Einheit), von der mindestens auch eine andere wirtschaftliche Einheit mit Wärme versorgt wird;“

2. § 2 Z 8 lautet:

 „8. Versorgungskosten:

die angemessenen Energiekosten sowie die angemessenen sonstigen Kosten des Betriebes; im Fall einer Wärme- oder Kälteversorgung nach § 4 Abs. 2 die Kosten der Wärme- oder Kälteversorgung auf Grund der behördlich festgesetzten Preise oder – mangels solcher - auf Grund der vertraglich in den Versorgungsverträgen vereinbarten angemessenen Preise (Arbeitspreis; Grund- und Messpreis);“

3. § 2 Z 9 lautet:

 „9. Energiekosten

die angemessenen Kosten jener Energieträger, die zur Umwandlung in Wärme oder Kälte bestimmt sind, wie Kohle, Öl, Gas, Strom, Biomasse oder Abwärme, und die ange­messenen Kosten der sonst für den Betrieb der gemeinsamen Versorgungsanlage erfor­derlichen Energieträger, wie etwa Stromkosten für die Umwälzpumpe, für den Brenner oder für die Regelung der Aggregate;“

4. § 2 Z 10 lautet:

 „10. sonstige Kosten des Betriebes


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll105. Sitzung, 19. Mai 2021 / Seite 149

alle übrigen angemessenen Kosten des Betriebes, zu denen die Kosten für die Be­treuung und Wartung einschließlich des Ersatzes von Verschleißteilen - insbesondere von Vorrichtungen zur Erfassung (Messung) der Verbrauchsanteile - und die Kosten der Abrechnung, nicht aber der Aufwand für die Errichtung, die Finanzierung, die Erhaltung oder Verbesserung der gemeinsamen Versorgungsanlage zählen;“

5. § 3 Abs. 1 und 2 lauten:

„§ 3. (1) Dieses Bundesgesetz gilt für die Aufteilung der Versorgungskosten in Gebäuden und wirtschaftlichen Einheiten mit mindestens vier Nutzungsobjekten, die

1. durch eine gemeinsame Versorgungsanlage mit Wärme, Warmwasser oder Kälte versorgt werden und

2. mit Vorrichtungen zur Ermittlung der Verbrauchsanteile oder zur Messung des Ver­brauchs der Nutzungsobjekte ausgestattet sind oder nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes, nach anderen Rechtsvorschriften oder auf Grund vertraglicher Ver­pflichtungen auszustatten sind.

(2) Im Falle einer Wärme- oder Kälteversorgung nach § 4 Abs. 2 sind die §§ 16 bis 24b mit der Maßgabe anzuwenden, dass

1. die gesamten Versorgungskosten nach den vertraglich in den Wärme- oder Kälte­lieferungsverträgen vereinbarten angemessenen oder behördlich festgesetzten Preisen abzurechnen sind (§ 18 Abs. 1 Z 2) und

2. sich die in § 19 vorgesehene Verpflichtung zur Einsichtsgewährung in die Abrechnung und die Belegsammlung und die in § 20 vorgesehene Durchsetzung der Abrechnung nur auf die das Gebäude (die wirtschaftliche Einheit) betreffenden Kosten der Wärme- oder Kälteversorgung sowie die Information über die Abrechnung (Abrechnungsübersicht) gemäß § 18 Abs. 1 beziehen.“

6. § 4 lautet:

„§ 4. (1) Sonstige bundesgesetzliche oder vertragliche Regelungen über die Verteilung der Versorgungskosten sind nur anzuwenden, soweit sie nicht mit diesem Bundesgesetz in Widerspruch stehen.

(2) Wird ein Gebäude (eine wirtschaftliche Einheit)

1. mit Wärme oder Kälte versorgt, die nicht im Gebäude (in der wirtschaftlichen Einheit) erzeugt wird oder

2. durch eine fernwärmeähnliche Wärmeversorgungsanlage mit Wärme versorgt, die von einem gewerbsmäßigen Erzeuger mit schriftlicher Zustimmung aller Abnehmer im Gebäude (in der wirtschaftlichen Einheit) erzeugt und auch an andere wirtschaftliche Einheiten abgegeben wird,

richten sich die Erhaltungspflichten betreffend die gemeinsame Versorgungsanlage nach den vertraglichen Vereinbarungen in den Wärme- oder Kältelieferungsverträgen, sofern solche Vereinbarungen nicht anderen gesetzlichen Bestimmungen widersprechen. Liegen solche Vereinbarungen nicht vor, ist § 7 anzuwenden.

(3) Die schriftliche Zustimmung iSd Abs. 2 Z 2 ist bereits vor Begründung des Nutzungs­verhältnisses von den Abnehmern einzuholen. Diese Zustimmungserklärung darf aus­schließlich die Zustimmung zur gewerbsmäßigen Erzeugung beinhalten und muss die finanziellen Folgen insbesondere durch Gegenüberstellung der verrechneten Energie­kosten mit den marktkonformen Kosten des eingesetzten Energieträgers veranschau­lichen.“

7. § 5 Abs 1 lautet:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll105. Sitzung, 19. Mai 2021 / Seite 150

„§ 5. (1) Können der Verbrauch oder die Verbrauchsanteile durch Verfahren, die dem Stand der Technik entsprechen, gemessen oder ermittelt werden und ist der Energie­verbrauch – bezogen auf das Gebäude (wirtschaftliche Einheit) – überwiegend von den Abnehmern beeinflussbar, so sind die Energiekosten überwiegend nach dem gemes­senen Verbrauch oder den Verbrauchsanteilen aufzuteilen. „

8. § 5 Abs 4 lautet:

 „(4) Eine Unwirtschaftlichkeit im Sinne des Abs. 2 liegt jedenfalls dann vor, wenn die Summe der laufenden Kosten für den Betrieb der Vorrichtungen zur Erfassung der Verbrauchsanteile und der laufenden Kosten für die Erfassung und Abrechnung höher ist als die durch Verbrauchserfassung ersparten Energiekosten.“

9. § 6 Abs 2 lautet:

 „(2) Ein Antrag nach Abs. 1 ist nur zulässig, wenn zugleich ein von einem Ziviltechniker des hiefür in Betracht kommenden Fachgebiets (insbesondere Maschinenbau, Wirt­schafts­ingenieurwesen im Maschinenbau, Technische Chemie) oder von einem allge­mein beeideten gerichtlichen Sachverständigen für Gas-, Heiz- und Feuerungstechnik oder von einem einschlägigen Technischen Büro im Sinne der Gewerbeordnung 1994 erstellter Kosten-Nutzen-Vergleich im Sinn des Abs. 1 Z 2 vorgelegt wird. Dieser Kosten-Nutzen-Vergleich ist allen Abnehmern zuzustellen.“

10. § 8 Abs 1 und 2 lauten:

„8. (1) Der Abgeber hat ein Stammblatt über die für die Ermittlung der Verbrauchsanteile notwendigen Daten zu führen. Das Stammblatt hat insbesondere die wesentlichen Merkmale der wärmetechnischen Ausgestaltung des Gebäudes, der Gestaltung der ge­meinsamen Versorgungsanlage und der Heiz- oder Kühlsysteme zu enthalten. Die Angabe bezüglich der Heiz- oder Kühlsysteme betreffend des Inneren der Nutzungs­objekte entfällt bei der Ausstattung mit Zählern.

(2) Bedient sich der Abgeber zur Abrechnung der Wärme oder Kälte eines besonders darauf ausgerichteten Unternehmens, so hat dieses anstelle des Abgebers nicht nur aus Anlass der Auftragsübernahme, sondern auch für jede Abrechnungsperiode zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Verbrauchsermittlung im Sinn des § 5 gegeben sind. Der Abgeber hat dem Abrechnungsunternehmen das Stammblatt als Grundlage für dessen Tätigkeit zur Verfügung zu stellen. Der Abgeber hat den Abnehmern auf Anfrage das jeweils aktuelle Stammblatt zur Verfügung zu stellen.“

11. § 10 Abs 2 lautet:

„(2) Sieht der Wärme- oder Kältelieferungsvertrag in den Fällen der Versorgung nach § 4 Abs. 2 eine Trennung des Preises in einen verbrauchsabhängigen Anteil (Arbeitspreis) und einen verbrauchsunabhängigen Anteil (Grundpreis, Messpreis) vor, so ist der ver­brauchsabhängige Anteil für Heizung und Warmwasser zu mindestens 55 vH und höchstens 85 vH und der verbrauchsabhängige Anteil für Kälte zu mindestens 80 vH nach den Verbrauchsanteilen und ein verbleibender Rest nach der versorgbaren Nutz­fläche aufzuteilen.“

12. Nach § 18 Abs 1 Z 1c werden folgende Z 1d und 1e eingefügt:

„1d. Die Verbrauchsanteile bzw. der Verbrauch aller anderen Abnehmer der wirtschaft­lichen Einheit,

1e. bei Vorhandensein einer Photovoltaikanlage oder einer ähnlichen Einrichtung die Menge der daraus gewonnenen Energie,“


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll105. Sitzung, 19. Mai 2021 / Seite 151

13. § 19 Abs 3 lautet:

„(3) Die Abrechnung samt der Belegsammlung ist an einer geeigneten Stelle zur Einsicht durch die Abnehmer aufzulegen. Der Zeitraum für die Einsicht muss mindestens vier Wochen betragen. Auf Verlangen eines Abnehmers sind von den Belegen sowie der Gesamtaufstellung (Abs. 2) auf seine Kosten Abschriften, Ablichtungen oder weitere Ausdrucke für ihn anzufertigen. Abrechnung und Belegsammlung sind dem Abnehmer auf Verlangen elektronisch zu übermitteln.“

14. §§ 21 bis 23 jeweils samt Überschrift lauten:

Folgen der Abrechnung

§ 21. (1) Die Verpflichtung, die gemäß den Verteilungsgrundsätzen dieses Bundes­gesetz auf ein Nutzungsobjekt entfallenden Kosten einer gemeinsamen Versorgungs­anlage gemäß § 2 Z 2 zu tragen, bestimmt sich nach den für das Nutzungsverhältnis der jeweiligen Abnehmer maßgeblichen gesetzlichen Grundlagen und rechtswirksamen Ver­einbarungen.

 (2) Werden aus der nach diesem Gesetz gelegten Abrechnung und den Versor­gungs­kosten, welchen den einzelnen Nutzungsobjekten zugeordnet werden, Zahlungspflich­ten der Abnehmer behauptet, haben der Abgeber und diejenigen juristische oder natür­liche Person, von denen die Abnehmer ihr Nutzungsverhältnis am versorgten Nutzungs­objekt ableiten, - unter Angabe der Rechtsgrundlagen – die nach diesem Gesetz den einzelnen Nutzungsobjekten zugeordneten Versorgungskosten nach den für die Kosten­tragung maßgeblichen gesetzlichen Grundlagen und rechtswirksamen Vereinbarungen richtig abzurechnen.

Nachträgliche Berichtigung der Abrechnung

§ 22. Ergibt sich vor dem Ablauf der in § 24 vorgesehenen Frist die Notwendigkeit, eine gehörig gelegte Abrechnung richtigzustellen, so hat der Abgeber allen betroffenen Abnehmern binnen vier Wochen nach Ablauf der in § 24 vorgesehenen Frist eine Information über Inhalt, Grund und Auswirkungen der Berichtigung zu übersenden.

Zwischenermittlung

§ 23. (1) Im Fall eines Abnehmerwechsels kann der scheidende oder der neue Ab­nehmer verlangen, dass auf seine Kosten eine Zwischenermittlung der auf das Nut­zungsobjekt entfallenden Verbrauchsanteile vorgenommen wird.

(2) Eine Zwischenermittlung hinsichtlich Raumwärme kann entweder durch eine Zwischenablesung oder durch eine dem Stand der Technik entsprechende Hoch­rech­nung erfolgen. Die verbrauchsunabhängigen Kosten sind nach gleich hohen monat­lichen Anteilen zu berechnen.

(3) Eine Zwischenermittlung hinsichtlich Warmwasser kann entweder durch eine Zwi­schenablesung oder durch eine dem Stand der Technik entsprechenden Hochrechnung - allenfalls anhand des entsprechenden Vorjahresverbrauchs - erfolgen. Die verbrauchs­unabhängigen Kosten sind nach gleich hohen monatlichen Anteilen zu berechnen.

(4) Eine Zwischenermittlung hinsichtlich Raumkälte kann entweder durch eine Zwischen­ablesung oder durch eine dem Stand der Technik entsprechende Hochrechnung erfol­gen. Die verbrauchsunabhängigen Kosten sind nach gleich hohen monatlichen Anteilen zu berechnen.

(5) Endet das Nutzungsverhältnis während der Abrechnungsperiode, so hat der schei­dende Abnehmer dem Abgeber seinen neuen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt bekanntzugeben; in diesem Fall ist dem Abnehmer die Information über die nächste Abrechnung an die angegebene Anschrift zu übersenden. Unterlässt der scheidende


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Abnehmer diese Bekanntgabe, so genügt für eine gehörige Rechnungslegung ihm gegenüber, die Zusendung der Information über die Abrechnung an die Anschrift des Nutzungsobjekts.“

15. § 24b samt Überschrift lautet:

 „Abnehmern gleichgestellte Personen

§ 24b. (1) Für den Anwendungsbereich des III. Abschnitts (Abrechnung) und hinsichtlich der Feststellung, dass die Erfassung (Messung) des Wärme- oder Kälteverbrauchs nicht wirtschaftlich oder aus technischen Gründen nicht möglich ist (§ 5, § 25 Abs 1 Z 3) sind den Abnehmern die Mieter, Pächter und Fruchtnießer von im Wohnungseigentum ste­henden Nutzungsobjekten gleichgestellt, wenn sie

1. mit dem Abgeber in einem Vertragsverhältnis stehen oder

2. auf Grund einer Vereinbarung mit dem Wohnungseigentümer die Versorgungskosten zu tragen haben, die sich aus der Abrechnung für das Nutzungsobjekt ergeben.

(2) In den in Abs. 1 Z 2 genannten Fällen bestehen die Verständigungspflichten des Abgebers (§ 17 Abs. 4 und 5, § 18 Abs. 1, § 22 Abs. 1) gegenüber der gleichgestellten Person aber nur dann, wenn der Abgeber über den Mieter, Pächter oder Fruchtnießer in Kenntnis gesetzt wurde.

(3) Für den Anwendungsbereich des III. Abschnitts (Abrechnung) sind den Abnehmern diejenigen juristischen oder natürlichen Personen gleichgestellt, von denen die Abneh­mer ihr Nutzungsverhältnis am versorgten Nutzungsobjekt ableiten, sofern diese Perso­nen nicht schon Abgeber gem. § 2 Z 3 sind. Für Liegenschaften, an denen Wohnungs­eigentum besteht, ist darunter die Eigentümergemeinschaft iSd § 18 WEG 2002 zu verstehen.

16. § 25 Abs 1 Z 8a HeizKG lautet:

„8a. Überprüfung der inhaltlichen Richtigkeit der Abrechnung und der Angemessenheit der abgerechneten Preise und Kosten (§ 2 Z 8 bis 10, § 3 Abs. 2, §§ 17 bis 24);“

17. § 25 Abs 3 HeizKG wird folgender Satz angefügt:

 „In den in Abs. 1 Z 8 und 8a genannten Angelegenheiten können Anträge auch von den Abnehmern gleichgestellten Personen (§ 24b Abs. 1 und 3) gestellt werden.“

Begründung:

Zu Z 1 (§ 2 Z 2a):

Notwendige Definition, entsprechend der Absicht des Gesetzgebers bei Inkrafttreten des § 4 Abs 2 Z 2 HeizKG (siehe die Erläuterungen, BAB, 1268 dBlg XVIII. GP, 17).

Zu Z 2 bis 4 (§ 2 Z 8 bis 10), Z 5 (§ 3 Abs 2) und zu Z 16 (§ 25 Abs 8a):

A: Es ist unverständlich, weshalb – so gem. dem, dem Bautenausschuss übermittelten Entwurf - nur die „Kosten der Abrechnung“ angemessen sein sollen. Einerseits sind die Kosten der Abrechnung immer „angemessen“ iSv „marktkonform“, weil 3 große Anbieter praktisch den ganzen Markt beherrschen und so die Angemessenheit der von ihnen errechneten Preisen (der „echte“ Wert ihrer Leistung ohne Monopol/Oligopol-Aufschlag) nicht wirklich überprüft werden kann.

Diesbezüglich hat etwa die Sektoruntersuchung Submetering „Darstellung und Analyse der Wettbewerbsverhältnisse bei Ablesediensten für Heiz- und Wasserkosten“ des deut­schen Bundeskartellamtes aus Mai 2017 zwar (noch) kein Kartell festgestellt. Gemäß dem Bundeskartellamt liegt aber folgender Befund vor:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll105. Sitzung, 19. Mai 2021 / Seite 153

•             Die Sektoruntersuchung im Wirtschaftsbereich Submetering hat Wettbewerbs­probleme identifiziert, die sich vor allem aus der Struktur des Marktes, teilweise aber auch aus dem konkreten Verhalten der Submetering-Unternehmen ergeben.

•             Nach den Erkenntnissen der Sektoruntersuchung ist davon auszugehen, dass hier ein wettbewerbsloses Oligopol vorliegt, dem zumindest die beiden Marktführer, möglicherweise aber auch weitere der größten Anbieter angehören.

•             Die Ermittlungen haben gezeigt, dass es im Wirtschaftsbereich Submetering eine Reihe von Wettbewerbsproblemen gibt. Die Margen und Erlöse der Submetering-Unter­nehmen sind insgesamt verhältnismäßig hoch. Darüber hinaus sind wettbewerbliche Impulse durch Anbieterwechsel und Marktzutritte eher gering. Für den Anbieterwechsel bestehen somit vielfältige Hemmnisse.

•             Unter den Strukturmerkmalen, die zu einer Einschränkung des Wettbewerbs führen, ist insbesondere das bestehende Dreiecksvertragsverhältnis von Submetering-Unternehmen, seinem Vertragspartner und dem Nutzer der Wohneinheit zu nennen. Denn bei dieser Konstellation haben die Nutzer überwiegend die Kosten des Submete­ring zu tragen, sind aber nicht die unmittelbaren Vertragspartner der Submetering-Anbieter. Daraus resultiert – gepaart mit der geringen Kenntnis der Nutzer über die Kosten des Submetering – eine geringe Preissensibilität der Nachfragerseite. Darüber hinaus bestehen lange tatsächliche Vertragslaufzeiten, die unter anderem auf unter­schiedliche Eichfristen für verschiedene Zählerarten zurückzuführen sind und die inso­fern nur in sehr großen zeitlichen Abständen Situationen für den Anbieterwechsel eröff­nen.

Die monopolartigen Strukturen sind in Österreich gleichartig, sie rechtfertigen daher im Sinn der Konsumenten die gesetzliche Anforderung, dass ihnen nur angemessene Preise für die Energie und alle damit zusammenhängenden Kosten verrechnet werden dürfen.

B: Nach den einschlägigen EU-Richtlinien dürfen jedenfalls Kosten für die Messung und die Zurechnung und die Abrechnung des tatsächlichen individuellen Verbrauches nur dann auf die Endkunden umgelegt werden, wenn sie „angemessen“ sind (Artikel 11). Das HeizKG sieht weder idgF noch idF der Regierungsvorlage die sich aus der Energie­effizienz-RL ergebende Verpflichtung vor, dass dem Endkunden nur angemessene Kosten verrechnet werden dürfen. Eine solche Verpflichtung ist daher für die EndkundIn­nen auch nicht überprüfbar; und eine Sanktion für die Verletzung der Pflicht, den End­kundInnen und NutzerInnen nur angemessene Kosten zu verrechnen, fehlt natürlich auch.

Viele WohnungseigentümerInnen und MieterInnen finden daher aus diesen und anderen Gründen die Vorschriften des HeizKG als zutiefst ungerecht und intransparent, mit finanziellen Nachteilen für die BewohnerInnen.

Daher mag es wohl kaum verwunderlich sein, dass auch in den Erwägungsgründen der aktuellen Richtlinie zur Energieeffizienz (2018/2002/EU) erneut betont wird, dass Ab­rechnungen über Wärmeenergie „jedoch oft der Anlass für Beschwerden der Ver­braucher“ sind; daher müssen die Abrechnungen einfacher, eindeutiger und nachvoll­ziehbarer gestaltet werden (ErwGr 35). Es wird betont, dass die Mitgliedstaaten für die Verteilung der Kosten transparente nationale Regeln schaffen sollen, um so die Trans­parenz von Abrechnungen zu erzielen (ErwGr 32). Und erneut: die Mitgliedstaaten sollen dazu beizutragen, dass die von den Endnutzern getragenen Kosten der Höhe nach angemessen sind (ErwGr 32 bzw Art 11a Abs 2 der RL 2018/2002/EU).

In der Regierungsvorlage, die dem Bautenausschuss übermittelt wurde, ist zwar von „angemessenen Kosten der Abrechnung“ die Rede. Es ist aber keinerlei Vorsorge für Umgehungen getroffen. Welchen Wärmeabgeber kümmert die neue Vorschrift, wenn er


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zwar keine „unangemessenen“ Kosten für die Abrechnung verlangen dürfte, aber statt­dessen weiterhin unangemessen hohe Beträge für die Zählermiete, Betreuung und Wartung der Anlage und auch für die Energiekosten verlangen darf? Es muss schlicht­weg verboten sein, dass der Abgeber die Kosten für die Energie oder andere Kosten (etwa für die laufende Betreuung der Anlage) z.B. verdoppelt, um den Ausfall an bisher überhöhten Ablese– und Abrechnungskosten einfach auszugleichen.

Gemäß der Regierungsvorlage soll die Verrechnung des Aufwandes für die Errichtung, Finanzierung, Erhaltung oder Verbesserung der gemeinsamen Versorgungsanlage als „Versorgungskosten“ verpönt sein; das wird durch die RV aber nicht wirklich gewährleistet, weil der Abgeber oder Versorger die Kosten für Errichtung, Finanzierung, Erhaltung oder Verbesserung den Mietern und Wohnungseigentümern ganz einfach als laufende Wartung verrechnen darf oder zur Deckung dieser Kosten ganz einfach die Energiepreise erhöht.

Daher ist es – auch zur wirksamen Umsetzung der EU-Richtlinie zur Energieeffizienz - notwendig, das Kriterium der Angemessenheit bei sämtlichen Komponenten der Versor­gungskosten im Gesetz festzulegen (§ 2 Z 8 bis 10, 3 Abs 2) und dies auch überprüfbar zu machen. Dazu ist auch in der Verfahrensvorschrift (§ 25 Abs 8a) der Verweis auf die Möglichkeiten der inhaltlichen Überprüfung der Abrechnungen klarzustellen.

Zu Z 6 (§ 4 Abs 1 und 2):

Zu Abs 1: Klarstellung nach dem historischen Willen des Gesetzgebers (siehe auch RV, 716 BlgNR 18. GP 10 f), weil das HeizKG nur die Aufteilung der Gesamtsumme der mit der Versorgung der wirtschaftlichen Einheit verbundenen Heiz- und Warmwasserkosten auf die einzelnen Nutzungsobjekte regelt, nicht aber die Kostentragungspflicht der einzelnen Nutzer/Abnehmer (5 Ob 99/17w; RS0131809). Daher wird durch das HeizKG nur anderen bundesgesetzlichen oder vertraglichen Regelungen über die Verteilung der Versorgungskosten derogiert; jedoch sind etwa Regelungen des MRG, WGG und WEG für die Fragen der Kostentragung weiterhin anzuwenden (10 Ob 6/20k).

Zu Abs 2: Klarstellung nach dem historischen Willen des Gesetzgebers (siehe die Erläuterungen, BAB, 1268 dBlg XVIII. GP, 17), und Schutz der Wohnungseigen­tümerIn­nen und MieterInnen vor Verträgen zu ihren Lasten. Der Schutz vor Verträgen zu Lasten Dritter, die in der jüngeren Vergangenheit vor allem im Zusammenhang mit dem soge­nannten Anlagen- und/oder Liefer-Contracting üblich geworden sind, muss gewährleistet sein.

Zu Z 7 (§ 5 Abs 1):

Das Gesetz soll ja nach seiner Zielsetzung bei gemeinsamen Wärmeversorgungs­anlagen umfassend anwendbar sein, unabhängig davon, ob der Verbrauch bei den Nutzungsobjekten nur ermittelt oder gemessen werden kann. Daher ist seine umfassende Anwendbarkeit – auch im Sinn des Klimaschutzes – sicherzustellen.

Zu Z 8 (§ 5 Abs 4):

Bei der Beurteilung der Unwirtschaftlichkeit muss beachtet werden, dass nicht nur die Verbrauchserfassung selbst, sondern auch die Erstellung der Abrechnung sehr hohe Kosten verursacht, die bei einer Verteilung und Abrechnung der Versorgungskosten nach beheizbarer Nutzfläche gar nicht, oder nicht in dieser Höhe anfallen.

Überdies muss im Rahmen der Beurteilung der möglichen Unwirtschaftlichkeit – spie­gelgleich zu § 6 Abs 1 Z 2 – auf die zu erwartende Kosteinsparung (und nicht auf die gesamten Energiekosten) abgestellt werden.


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Zu Z 9 (§ 6 Abs 2):

Alle Abnehmer sollten diese notwendigen Informationen erhalten.

Zu Z 10 (§ 8):

In § 8 Abs 1 sollte die mangelnde Betretungsmöglichkeit der Nutzungsobjekte nicht dazu führen, dass man den Nutzern keinerlei Informationen über das Heiz- oder Kühlsystem machen muss.

§ 8 Abs 2 sieht in Umsetzung der EU-Richtlinie zur Energieeffizienz vor, dass allen Abnehmer diese notwendigen Informationen – das Stammblatt – zur Verfügung zu stel­len ist, wenn sie das wünschen.

Zu Z 11 (§ 10 Abs 2):

Auch bei einer Wärmeversorgung nach § 4 Abs 2 Z 2 kommt es vor, dass Nutzungs­objekte in wärmetechnisch ungünstigen Lagen andere, benachbarte Objekte mit Wärme mitversorgen. Man zahlt dann Wärme, die andere verbrauchen - dies ist jedenfalls unge­recht. Daher sollte auch bei einer solchen Wärmeversorgung ein Mindestanteil des Arbeitspreises nach der beheizbaren Nutzfläche aller Nutzungsobjekte des Gebäu­des/der wirtschaftlichen Einheit aufgeteilt werden.

Zu Z 12 (§ 18 Abs 1 Z 1d):

Insbesondere bei gemischt genutzten Gebäuden und wirtschaftlichen Einheiten (z.B. teilweise „normale“ Wohnungen und ein Seniorenheim) und/oder bei besonderen Nut­zungsobjekten, wie etwa Schwimmbad, Sauna, Therapieeinrichtungen sind diese Infor­mationen essentiell. Insbesondere deshalb, weil man als Abnehmer diesen Verbrauch der anderen Nutzungsobjekte ja anteilig mitbezahlen muss (den nach Nutzfläche abge­rechneten Fixkostenanteil).

Zu Z 13 (§ 19 Abs 3):

In der heutigen Zeit ist es ohne besonderen Aufwand möglich, die Abrechnung, die Belegsammlung und die in § 19 erwähnten Rechenschritte in elektronischer Form darzustellen bzw. zu archivieren. Es ist daher sachlich gerechtfertigt, den Abnehmern den Aufwand der persönlichen Vorsprache beim Abgeber zur Einsicht in Abrechnung und Belegsammlung zu ersparen, und einen Anspruch auf elektronische Übermittlung dieser Unterlagen einzuräumen.

Zu Z 14 (§ 21 bis 23):

Schon seit Jahren ergeben sich aus den intransparenten und widersprüchlichen Normen des HeizKG enorme Rechtsschutzdefizite der EndkundInnen und EndnutzerInnen, welche den Zielen der EU-Richtlinien zur Energieeffizienz zuwiderlaufen und durch die vorliegende Regierungsvorlage nicht beseitigt werden. Im Bereich der Wärmekosten­abrechnung besteht für MieterInnen und WohnunsgeigentümerInnen eine große Rechts­unsicherheit.

Schon in den Erwägungsgründen (ErwGr) zur Richtlinie 2012/27/EU und in ihren inhaltlichen Anordnungen wurde etwa darauf hingewiesen, dass es in Bezug auf Raum­heizung und Warmwasserversorgung in Gebäuden mit mehreren Wohnungen wegen der mangelnden Klarheit „Anlass zu zahlreichen Beschwerden von Bürgern“ gab (ErwGr 32), und dass es eine gerechte und genaue Abrechnung geben müsse sowie die Vor­schriften dazu zu präzisieren seien (ErwGr 33).

Auch in den Erwägungsgründen der aktuellen Richtlinie zur Änderung der Energie­effi­zienzrichtlinie (2018/2002/EU) wird erneut betont, dass Abrechnungen über Wärme­ener­gie „jedoch oft der Anlass für Beschwerden der Verbraucher“ sind; daher müssen die


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Abrechnungen einfacher, eindeutiger und nachvollziehbarer gestaltet werden (ErwGr 35). Es wird betont, dass die Mitgliedstaaten für die Verteilung der Kosten transparente nationale Regeln schaffen sollen, um so die Transparenz von Abrechnungen zu erzielen (ErwGr 32). Und erneut: die Mitgliedstaaten sollen dazu beizutragen, dass die von den Endnutzern getragenen Kosten der Höhe nach angemessen sind (ErwGr 32 bzw. Art 11a Abs 2 der RL 2018/2002/EU).

Gemäß der Absicht des Gesetzgebers bei der Schaffung des HeizKG (und gem. der herrschenden Rechtsprechung) sind Abgeber iSd HeizKG auch nur solche juristischen oder natürlichen Personen, mit denen die Nutzer gar kein Vertragsverhältnis haben.

So könnte etwa die Wohnungseigentümergemeinschaft bzw. ihr Hausverwalter allen Wohnungseigentümern den Betrieb der gemeinsamen Wärmeversorgungsanlage gegen Ersatz der Aufwendungen schulden, oder ein Vermieter gegenüber seinen Mie­tern vertraglich zur Versorgung mit Wärme gegen „Betriebskosten“ verpflichtet sein (vgl. 10 Ob 6/20k), gleichzeitig ist aber eine ganz andere Person als Wärmeabgeber ver­pflichtet, die Abrechnung über die Verteilung der Versorgungskosten zu legen (vgl. 5 Ob 99/17w).

Weiters hat die Rechtsprechung dazu auch festgehalten, dass - siehe auch RV, 716 BlgNR 18. GP 10 f -  das HeizKG nur die Aufteilung der Gesamtsumme der mit der Versorgung der wirtschaftlichen Einheit verbundenen Heiz- und Warmwasserkosten auf die einzelnen Nutzungsobjekte regelt, nicht aber die Kostentragungspflicht der einzelnen Nutzer/Abnehmer (5 Ob 99/17w; RS0131809). Die materienübergreifenden Regelungen im HeizKG sollen - über den Geltungsbereich des MRG, WGG und des WEG hinaus - nur die Aufteilung der Wärmekosten bei zentralen Heizungsanlagen nach einheitlichen Regeln gewährleisten (RV, 716 BlgNR 18. GP 10 f).

Aus OGH 10 Ob 6/20k ergibt sich zudem eindeutig, dass 1. zuerst entsprechend nach HeizKG die Versorgungskosten auf die einzelnen Nutzungsobjekte aufzuteilen sind, und dann 2. nach der jeweiligen (wohn)zivilrechtlichen Grundlage festgestellt werden muss, wer welchen Teil der auf ein Nutzungsobjekt entfallenden Kosten zu tragen hat.

Es kann sich also z.B. nach einer Verteilung von Versorgungskosten nach HeizKG auf ein bestimmtes Nutzungsobjekt ergeben, dass der Mieter/Abnehmer nur einen Teil dieser auf das Nutzungsobjekt entfallenden Kosten zu tragen hat (Verpflichtung zur Kostentragung ist § 14 Abs 1 Z 7 WGG) und den restlichen Teil der Vermieter (10 Ob 6/20k). Den Regelungen des HeizKG kommt zwar nach dessen § 4 gegenüber anderen bundesgesetzlichen oder vertraglichen Regelungen, die die Verteilung und Abrechnung der Wärmekosten betreffen, Vorrang zu; nicht derogiert werden aber die wohnzivil­rechtlichen Bestimmungen über die Kostentragung.

Zur Erreichung dieser Klarstellung – dass die Abnehmer nach den Bestimmungen des HeizKG jedenfalls nicht zur Zahlung bestimmter Kosten verpflichtet sind, sondern dass dafür allein andere (wohnrechtliche) Normen und evtl. zulässige vertragliche Vereinba­rungen maßgeblich sind -  müssen § 21 bis § 23 daher entsprechend geändert werden. 

Zu Z 15 (§ 24b Abs 3) und Z 17 (§ 25 Abs 3 letzter Satz):

Das HeizKG legt als Abgeber auch nur solche juristischen oder natürlichen Personen fest, mit denen die Nutzer der versorgten Objekte gar kein Vertragsverhältnis haben. So könnte etwa ein Vermieter seinen Mietern vertraglich die Versorgung mit Wärme gegen „Betriebskosten“ schulden (vgl. 10 Ob 6/20k), gleichzeitig legt aber jemand anderer (der Abgeber) die Abrechnung über die Verteilung der Versorgungskosten (vgl. 5 Ob 99/17w).

Weiters ist festzuhalten, dass - siehe auch RV, 716 BlgNR 18. GP 10 f -  das HeizKG nur die Aufteilung der Gesamtsumme der mit der Versorgung der wirtschaftlichen Einheit verbundenen Heiz- und Warmwasserkosten auf die einzelnen Nutzungsobjekte regelt,


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nicht aber die Kostentragungspflicht der einzelnen Nutzer/Abnehmer (5 Ob 99/17w; RS0131809).

Aus OGH 10 Ob 6/20k ergibt sich auch eindeutig, dass alle entsprechend der Aufteilung nach HeizKG auf ein Nutzungsobjekt entfallenden Versorgungskosten dann anschließend nach der jeweiligen (wohn)zivilrechtlichen Grundlage aufzuteilen sind; erst dann steht fest, welche Kosten die Nutzer der versorgten Objekte an wen tatsächlich zu bezahlen haben. Es kann sich also z.B. nach einer Verteilung von Versorgungskosten nach HeizKG auf ein bestimmtes Nutzungsobjekt ergeben, dass der Mieter/Abnehmer nur einen Teil dieser auf das Nutzungsobjekt entfallenden Kosten zu tragen hat (z.B. Ver­pflichtung zur Kostentragung ist § 14 Abs 1 Z 7 WGG) und den restlichen Teil der Vermieter (10 Ob 6/20k).

Daher ist es sachlich notwendig, auch Gemeinnützigen Bauvereinigungen und anderen Vermietern – oder im Bereich des Wohnungseigentums der Eigentümergemeinschaft – Informations- und Überprüfungsrechte hinsichtlich der Abrechnung iSd HeizKG einzu­räumen; natürlich nur dann, wenn sie nicht ohnehin auch schon Abgeber iSd § 2 Z 3 sind und die Abrechnung selber erstellt haben.

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Abänderungsantrag wird gerade verteilt, ist in seinen Grundzügen erläutert worden, ordnungsgemäß eingebracht und ausreichend unterstützt und steht somit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Singer. – Bitte.


17.10.14

Abgeordneter Johann Singer (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Sehr geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Kollegin Becher hat es schon angesprochen: Wir behandeln das sogenannte HeizKG. Ich darf den Langtitel vorlesen: Bundesgesetz über die sparsamere Nutzung von Energie durch verbrauchsabhängige Abrechnung der Heiz-, Warmwasser- und Kältekosten. Warum mache ich das? – Weil in diesem Titel schon sehr vieles enthalten ist. Zum einen: Worum geht es? – Um die Heiz-, Warmwasser- und Kältekosten in Gebäuden. Was ist das Ziel? – Eine sparsame Nutzung von Energie zu bewerkstelligen. Wie soll das ge­schehen? – Mit einer verbrauchsabhängigen Abrechnung, der in diesem Gesetz ver­stärkt Rechnung getragen wird.

Frau Kollegin Becher, ich kann die Vorwürfe, die da vorgebracht wurden, nicht nachvoll­ziehen. Zu Beginn gebe ich ein paar allgemeine Informationen, die die Notwendigkeit dieses Gesetzes entsprechend darlegen:

Rund 27 Prozent des Energieverbrauchs in Österreich werden für Raumwärme, für Warmwasser und für die Kühlung von Gebäuden aufgewendet. Mit diesem Wert spielt der Gebäudebereich bei der Erreichung der klima- und energiepolitischen Ziele neben dem Verkehrssektor natürlich eine bedeutende Rolle.

Bis 2030 sind die Treibhausgasemissionen um 36 Prozent gegenüber 2005 zu redu­zieren. Bis 2030 soll sozial- und wirtschaftsverträglich eine Reduktion des CO2-Aus­stoßes um rund 3 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent auf rund 5 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent erreicht werden. Das heißt, der Bedarf an Energie zur Bereitstellung von Raumwärme und Warmwasser muss für diese Zielerreichung deutlich gesenkt werden. Damit ist klar, dass die Sanierungsrate bei Gebäuden von derzeit unter 1 Prozent deut­lich erhöht werden muss – eine Situation, die viele Staaten betrifft, nicht nur Österreich.


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Es ist von Frau Kollegin Becher schon angesprochen worden, dass die Europäische Union im Dezember 2018 eine Richtlinie zur Energieeffizienz verkündet hat, die die Mitgliedstaaten verpflichtet, geeignete Maßnahmen zu ergreifen und bis zum Jahr 2030 4,4 Prozent des jährlichen Energieverbrauchs einzusparen. Auf Grundlage dieser EU-Richtlinie und unter Berücksichtigung von Anpassungen aufgrund des technischen Fortschrittes, aber auch der Erfahrungen des bisherigen Heizkostenabrechnungs­geset­zes liegt nun die bereits mehrfach angesprochene Novelle über die sparsame Nutzung von Energie im Gebäudebereich vor.

Davor noch kurz ein paar Punkte, die dieses neue Gesetz insbesondere regelt: Rund 600 000 Wohnungen in Österreich sind betroffen. Ein Schwerpunkt – der ist bereits angesprochen worden – ist die Steigerung des Anteils der Energiekostenabrechnung nach Verbrauch. Das heißt, dass die Menschen selber Regelungen treffen können, um die Energie sparsamer nutzen zu können. Außerdem sind die Schaffung neuer Voraus­setzungen für die Selbstablesung und auch Regelungen für fernablesbare Zähler oder Heizkostenverteiler vorgesehen. Was natürlich ganz wichtig ist, ist die Verpflichtung für die Energielieferanten, dass es bessere Abrechnungsübersichten gibt und natürlich auch entsprechende Verbrauchsvergleiche angestellt werden.

Es ist ganz klar, dass die Motivation der Wärmeabnehmer zur Energieeinsparung ge­stärkt werden soll. Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie, dieser Gesetzesnovelle die Zustimmung zu geben. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Disoski und Weratschnig.)

17.14


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Schrangl. – Bitte.


17.14.43

Abgeordneter Mag. Philipp Schrangl (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Frau Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Bürgerinnen und Bürger zu Hause! Die Novelle des Heizkostengesetzes bietet einige Fortschritte gegenüber der geltenden Regelung. Das muss man auch als Oppo­sitionspartei einräumen. Es geht stärker hin zur verbrauchsabhängigen Abrechnung. Das ist gut so, weil nun die Wohnungseigentümer oder -mieter mehr Einfluss auf ihre Energiekosten haben, aber es braucht im mehrgeschossigen Wohnbau auch immer ein wenig Solidarität in der Wohnungsgemeinschaft. Ein Haus muss einfach von allen beheizt werden und nicht nur von einzelnen Wohnungsbesitzern.

Kritisieren darf ich aber in diesem Zusammenhang, sehr geehrte Frau Minister – weil Sie heute hier sind –, dass seitens Schwarz-Grün die Novelle der Gebarungsrichtlinien­ver­­ordnung im Bereich des gemeinnützigen Wohnbaus offensichtlich noch nicht abge­schlossen ist und, so wie es leider ausschaut, auch nicht abgeschlossen wird. Dabei wäre es höchst an der Zeit, die vermuteten Zwistigkeiten zwischen Schwarz und Grün in diesem Zusammenhang nicht länger auf dem Rücken der Mieter im gemeinnützigen Wohnbau auszutragen. Wir brauchen dort nämlich, besonders im Bereich der Bezüge des Managements der gemeinnützigen Wohnbauwirtschaft, Klarstellungen, denn ich glaube, wir alle hier wünschen uns keine Gehaltsausreißer in den Millionenbereich. Bitte bedenken Sie das, bitte treiben Sie das voran! – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

17.16


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Tomaselli. – Bitte.



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17.16.34

Abgeordnete Mag. Nina Tomaselli (Grüne): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Ministerin! Wir glauben, dass das vorliegende Gesetz eine echte Entlastung bringt, nämlich einerseits eine echte Erleichterung für die Mieterinnen und Mieter und andererseits auch eine wahre Entlastung für das Klima. Deshalb freuen wir Grüne uns sehr, dass wir heute dieses Heizkostenabrechnungsgesetz beschließen können. Dass wir das Gesetz beschließen, ist einerseits notwendig, weil es eine EU-Richtlinie gibt, andererseits sind aber auch aufgrund von technologischen Erneuerungen, Erneuerungen im Bau und tatsächlich auch wegen des Klimawandels Anpassungen notwendig geworden.

Denken Sie zum Beispiel nur an die Technologie! Es gibt jetzt sehr viel mehr Fern­ableser. Dem werden wir gerecht, aber auch Erneuerungen am Bau: Die Bauphysik hat schon so viele Veränderungen hinter sich und sicher auch noch viele Veränderungen vor sich. Wir haben jetzt im Gegensatz zu früher sehr viel mehr Mehrparteienhäuser in Passivhausstandard. Das heißt, dass es durchaus Sinn macht – denn in ganz vielen Fällen sind die Messkosten sogar deutlich höher als die Kosten für den sehr, sehr kleinen Energieverbrauch in einem Passivhaus –, dass man da entsprechend neue Abrech­nungs­modalitäten findet.

Stichwort Klimakrise: Wenn es natürlich viel, viel mehr warme Winter gibt und noch heißere Sommer, dann hat das auch Auswirkungen auf den Energieverbrauch und vor allem auch in der Bauphysik auf die Verteilung von Wärme und Kälte. All diese Ent­wicklungen berücksichtigen wir in diesem Gesetzentwurf.

Das Herzstück im Heizkostenabrechnungsgesetz sind aber dennoch die transparenten Informationen für die Mieterinnen und Mieter über den eigenen Energieverbrauch. Das ist wichtig, denn wenn man den eigenen Energieverbrauch steuern möchte, dann muss man auch ganz genau wissen, welches Handeln, welches Tun welche Auswirkungen auf den eigenen Energieverbrauch hat.

Es gibt ab sofort ganz genaue Informationen über den Energieverbrauch mit viel, viel mehr Details über das eigene Verbrauchsverhalten. Es gibt aber vor allem auch einen Rechtsanspruch auf diese Information – auch das ist neu. Das Wichtigste: Dieser Rechtsanspruch und diese Detailinformationen gibt es für alle Mieterinnen und Mieter. Diese Mieterinnen und Mieter haben jetzt auch ganz neue Möglichkeiten, die Korrektheit ihrer Abrechnung durchzusetzen. Das ist in meinen Augen nur gerecht.

Zum Abänderungsantrag der sozialdemokratischen Fraktion: Kollegin Becher, Sie haben ja den doch sehr umfassenden Antrag relativ kurzfristig vor der Ausschusssitzung letzte Woche eingebracht. Wir haben versprochen, dass wir uns Ihren Antrag selbstver­ständlich bis zur Plenarsitzung anschauen. Leider sind für uns bei diesen doch weit­reichenden Änderungen noch sehr, sehr viele Fragen offen, denn was bei Ihrem Antrag zum Beispiel fehlt, sind Wirkungsfolgenanalysen.

Was mich aber noch viel, viel kritischer gestimmt hat, ist, dass unsere JuristInnen der Meinung sind, dass bei einer Umsetzung Ihres Antrages größere Rechtsunsicherheit herrscht und vor allem auch ein größeres Prozessrisiko für die Mieterinnen und Mieter besteht. Das kann, glaube ich, nicht in Ihrer Absicht gewesen sein. (Beifall bei den Grünen.)

Insgesamt können wir Ihren Punkten ohne einer weiteren Sicherheitsschleife nicht zustimmen. Ich verstehe auch nicht ganz den Inhalt Ihrer Rede, wenn Sie sagen, dieses Gesetz sei ein Kniefall vor den Konzernen – ganz im Gegenteil, die Mieterinnen und Mieter hatten bei der Betriebskostenabrechnung noch nie – noch nie! – so viele Rechte. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

17.20



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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Eypeltauer. – Bitte.


17.20.48

Abgeordneter Mag. Felix Eypeltauer (NEOS): Herr Präsident! Hohes Haus! Frau Ministerin! Unsere Klimaziele müssen wir erreichen, dafür müssen wir viel tun. Wir brauchen einen Strukturwandel, wir brauchen den vollen Innovationsturbo in der Forschung, in der Industrie, für Start-ups. Wir brauchen Exzellenz, wir müssen alle Sektoren so betreiben, dass sie nachhaltig werden, und das betrifft natürlich, das wurde schon ausgeführt, gerade auch den Gebäudesektor.

Ein Aufgabenfeld ist da die thermische Effizienz, das thermische Sanieren, wofür es noch viel zu wenige Anreize gibt, ohne die es nicht gehen wird. Wir setzen uns hier im Ausschuss intensiv dafür ein. Ein anderes Aufgabenfeld ist eben der Weg von der eigenen Gasetagenheizung und Klimaanlage in jeder Wohnung hin zu einer zentralen Wärme- und Kälteversorgung und zu Transparenz. Die Zentralheizung, die Fernwärme und -kälte sind ganz einfach die Zukunft, und dafür braucht es ein modernes Gesetz, das diese Transformation gut begleiten kann. Das weiß natürlich auch die Europäische Union, deshalb gibt es die Energieeffizienzrichtlinie, die wir heute hier umsetzen. Diese bedeutet mehr Transparenz für den Endkunden, sie bedeutet, dass Sparsamkeit des Einzelnen beim Energieverbrauch stärker belohnt wird.

An dieser Stelle, Frau Ministerin, werte Frau Vorsitzende des Bautenausschusses Kol­legin Becher möchte ich mich für die Möglichkeit bedanken, dieses doch sehr technische Gesetz vorab mit den Experten aus dem Ministerium zu erörtern. Ich fand das einen sehr guten Stil und hoffe, dass wir das weiterhin so pflegen.

Dieser Lichtblick war aber eine Ausnahme, denn unsere Initiativen zur Erhöhung der Sanierungsrate, über die ja sogar Kollege Singer vorhin gesprochen hat, wurden in gewohnter Manier von der ÖVP, aber auch von der ehemaligen Parlamentarismuspartei, den Grünen, vertagt, weshalb hier auch nicht darüber geredet werden kann. Ich finde das schade. – Danke. (Beifall bei den NEOS.)

17.22


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Jachs. – Bitte.


17.22.46

Abgeordnete Mag. Johanna Jachs (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Werte Kolleginnen und Kollegen! Hand aufs Herz: Haben Sie den Durchblick bei den Heizkosten? – Ich kann nur aus meiner Erfahrung sprechen, aber jedes Jahr, wenn ich die Heizkostenabrechnung aus dem Postkastl hole, habe ich das Gefühl, dass ich da ein Rätsel vor mir habe. Ich habe sogar einmal bei der Firma, die die Heizkostenabrechnung erstellt, angerufen und mich danach erkundigt, wie sich mein Verbrauch zusammensetzt. Wissen Sie, was die Dame am Telefon zu mir gesagt hat? – Na ja, wenn Sie sich das Heizen nicht leisten können, dann drehen Sie die Heizung einfach ab! – Die Dame am Telefon hat nicht gewusst, dass ich – Gott sei Dank – glücklicherweise meine Rechnungen bezahlen kann, aber stellen Sie sich vor, die Dame hätte das zu einer Person gesagt, die ihre Rechnung nicht bezahlen kann – und davon gibt es in Österreich in den kalten Monaten leider immer mehr.

Wir PolitikerInnen reden in unseren Sonntagsreden oft davon, dass Wohnen leistbar sein muss, und heute tun wir etwas dafür, dass Wohnen, nämlich das Heizen, leistbarer werden kann. In Zukunft sollen Mieterinnen und Mieter regelmäßig Informationen darü­ber bekommen, wie sich ihr Verbrauch zusammensetzt, und so können sie gegebenen­falls auch schneller darauf reagieren.


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Mit dem neuen Gesetz schützen wir auch unser Klima. Ich weiß, heute regnet es draußen, die letzten Wochen und Monate waren auch immer ein bisschen kälter und ein bisschen nasser als wir es uns vielleicht gewünscht hätten – da vergisst man schnell, dass es auf unserer Erde leider immer wärmer wird –, ich bin mir aber sicher, der nächste Sommer kommt – hoffentlich! –, und spätestens dann, wenn es draußen wieder spürbar wärmer wird, werden wir wieder mehr über den Klimawandel sprechen.

Die Mieterinnen und Mieter können aber jetzt, wenn sie regelmäßig Informationen und transparente Heizkostenabrechnungen bekommen, doppelt sparen. Einerseits können sie den Schadstoffausstoß reduzieren und den ökologischen Fußabdruck minimieren, andererseits werden die Mieterinnen und Mieter auch dadurch belohnt, indem sie bares Geld sparen, nämlich bei ihren Heizkosten. Und beim Kampf gegen den Klimawandel ist jeder noch so kleine Schritt wichtig und richtig. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Sehr geehrter Herr Präsident, ich hoffe, Sie erlauben mir, dass ich meine Redezeit noch dazu verwende, um ein paar Worte zum heutigen Tag zu verlieren. Der heutige Tag ist ein guter Tag, ich freue mich wirklich sehr über die Öffnungen. Die Öffnungen sind nur deswegen möglich, weil die Covid-Zahlen gesunken sind und wir gleichzeitig den Impf­turbo gezündet haben. Alle 1,3 Sekunden wird eine Person in Österreich geimpft. In meiner Heimatgemeinde Freistadt ist auch eine Impfstraße, und dort werden am Wochen­ende sogar 2 700 Personen geimpft werden können – bei einer Gemeindegröße von in etwa 8 000 Personen. Das ist top! (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Schallmeiner.)

Deswegen möchte ich mich bei all jenen Menschen bedanken, die heute, gestern, aber auch in den nächsten Monaten in den Impfstraßen tätig sind, bei den Feuerwehren, beim Roten Kreuz, bei den Ärztinnen und Ärzten, bei den vielen Ehrenamtlichen, die uns dabei unterstützen, gemeinsam diese Pandemie zu bewältigen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

17.26


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet.

Wünscht der Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Die Abstimmung erfolgt am Schluss der Verhandlungen über die Vorlagen des Aus­schusses für Bauten und Wohnen.

17.26.4213. Punkt

Bericht des Ausschusses für Bauten und Wohnen über den Antrag 1245/A(E) der Abgeordneten Mag. Philipp Schrangl, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Evaluierung von Möglichkeiten der Beaufsichtigung von Wiener Wohnen durch den Bund im Sinne der Transparenz (856 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen nun zu Tagesordnungspunkt 13.

Das Wort steht bei Herrn Abgeordneten Schrangl. – Bitte sehr.


17.27.05

Abgeordneter Mag. Philipp Schrangl (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bun­desminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Bürgerinnen und Bürger zu Hause! Der Rechnungshof belegt in seinem auf FPÖ-Initiative veranlassten Bericht über Wohnbau in Wien, dass circa zwei Drittel aller Gemeindewohnungen – zwei Drittel aller Gemeindewohnungen! –, das sind über 150 000 Wohnungen in Wien, erhöhten Sanierungsbedarf haben.


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Die Tageszeitung „Die Presse“ zitiert in ihrem Artikel „Wiens marode Gemeindebauten“ Expertenschätzungen, wonach der Sanierungsstau bei über 5 Milliarden Euro liegt.

Was heißt das und was kann es nur heißen? – Die Wiener SPÖ kann es nicht (Zwi­schenrufe bei der SPÖ), ist wohnpolitisch überfordert. Die Zeiten des goldenen Roten Wiens, in denen Sie Gemeindebauten errichtet haben, sind vorbei, erhalten können Sie sie leider nicht mehr. Der Gemeindebau und das viel beschworene Erbe des Roten Wiens verfallen quasi vor unseren Augen. Das zeigt auch die Causa Commerzialbank rund um den Sozialbau-Verbund und die Gesiba. Nein, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Commerzialbank Mattersburg ist nicht nur ein Bankenskandal, das ist auch ein Skandal der Aufsicht in Wien, Magistratsabteilung 50, und jedenfalls auch ein riesengroßer Skandal über eine Vertuschung. Sonderprüfungen im Wiener Gemeinderat werden einfach abgeschmettert, sobald klingende sozialdemokratische Namen mit burgenländischem Ursprung fallen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das kann es wohl nicht sein, dass wir das Erbe und die Wohnmöglichkeiten im sozial leistbaren Wohnraum in Wien so verspielen. Dabei geht es mir nicht um eine Vorverurteilung, sondern um berechtigte Aufklä­rungs­wünsche. (Ruf bei der SPÖ: Haha, der war gut! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Sie hören es zu Hause nicht, im roten Sektor ist ein bisschen etwas los. Ich freue mich darauf, dann Ihre – vom Rednerpult aus – Gegenausführungen zu hören, vor allem dann, wenn es darum geht, Ihre Verfehlungen im Commerzialbank-Skandal darzulegen.

Was zeigt uns das alles, meine sehr verehrten Damen und Herren? – Sie, Frau Bundes­minister, und der Bund müssen Ihrer Verantwortung nachkommen und das Vermögen der Menschen vor dieser Inkompetenz schützen. Daher würde ich für eine Aufsicht des Bundes über die Wiener Wohnungsaufsicht bitten. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ. Rufe bei der SPÖ: Was wollte der denn jetzt eigentlich sagen? – Dass er die Hypo vergessen hat! – Abg. Schrangl – auf dem Weg zu seinem Sitzplatz in Richtung SPÖ –: Da könnte ich den AKH-Skandal auch noch herziehen! Das ist schon ein bissel alt! Commerzialbank ist jetzt und Wiener Wohnen ist auch jetzt!)

17.29


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Ottenschläger. – Bitte sehr.


17.30.07

Abgeordneter Andreas Ottenschläger (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, ich kann das relativ kurz machen. Wir haben es auch schon im Ausschuss begründet, warum wir Ihrem Antrag nicht Folge leisten werden, obwohl wir durchaus einige Ihrer Kritikpunkte teilen würden. (Beifall des Abg. Taschner.) Ich möchte also ein paar Sachen anführen, die man durchaus thema­tisieren kann.

Die Fragen betreffend den Gemeindebau in Wien sind natürlich, ob die soziale Treff­sicherheit so gegeben ist, wie sie sein sollte, wie es mit der Leerstandsrate oder auch mit der angesprochenen Sanierungsquote ausschaut – diese lässt durchaus zu wün­schen übrig. Wiener Wohnen, meine Damen und Herren, Zuseherinnen und Zuseher, ist sozusagen die Hausverwaltung für diese Gemeindebauten, und ja, da gilt es seitens der Wiener Landesregierung, bestehend aus SPÖ und NEOS, ihre Verantwortung wahr­zunehmen, und dort wollen wir sie auch belassen.

Es wäre gut, wenn etwas mehr Effizienz bei Wiener Wohnen einziehen würde. Hier ergeht mein Appell vielleicht vor allem an die geschätzten Kolleginnen und Kollegen der NEOS, auf den vor allem in dieser Frage vielleicht trägeren Koalitionspartner in Wien einzuwirken, dass es in diesem Bereich zu mehr Effizienz sowie zu einer größeren


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sozialen Treffsicherheit bei den Wohnungsvergaben kommt und dass die Sanierungs­quote massiv gesteigert wird, aber, wie gesagt, das ist eindeutig in der Verantwortung der Stadt Wien, und dort soll sie auch bleiben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

17.31


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Troch. – Bitte.


17.31.54

Abgeordneter Dr. Harald Troch (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es geht hier um Wiener Wohnen. Die blaue FPÖ verlangt, Wiener Wohnen unter Aufsicht, unter Zwangsaufsicht des Bundesministeriums für Wirtschaft zu stellen. Die Wirtschaftsministerin selber will das gar nicht, und ich glaube, die FPÖ bleibt hier ziem­lich allein mit ihren abstrusen Ausführungen.

Der kommunale Wohnbau ist Aufgabe der Gemeinde, auch die Verwaltung. Die Gemein­den sind laut österreichischer Bundesverfassung autonom, sie sind selbstständig. Die autonome Gemeinde ist eine Errungenschaft des Revolutionsjahres 1848, der bürger­lichen Revolution.

Im Provisorischen Gemeindegesetz von 1849 heißt es: „Die Grundfeste des freien Staates ist die freie Gemeinde.“ Ich habe diesen Stehsatz in der Vorlesung Einführung in die Rechtsgeschichte bei Prof. Brauneder gelernt. (Zwischenruf des Abg. Schrangl.) – Herr Abgeordneter Schrangl, Prof. Brauneder sollte Ihnen kein Unbekannter sein. (Bei­fall bei der SPÖ.) Sie können immer noch Nachhilfe bei Ihrem Gesinnungsfreund neh­men, der weiß es viel besser als Sie.

Die Revolutionäre von 1848 würden in ihrer heutigen Ruhelage rotieren, würden sie von diesem sehr einfach gestrickten, vereinfachenden Antrag wissen.

Grundsätzlich ist zum Wohnen zu sagen: Wohnen ist ein Menschenrecht, sagt die SPÖ. Tatsache ist aber, dass die Wohnungspreise, die Mieten ständig steigen. Für Menschen mit kleinen Einkommen wird es zusehends schwieriger, leistbaren Wohnraum zu finden.

2018 hat in Wien eine internationale Konferenz zum Thema Wohnen für alle, Housing for All, leistbares Wohnen stattgefunden. Die Sonderbeauftragte der UNO für Recht auf Wohnen, Leilani Farha, eine Rechtsanwältin aus Kanada, war damals in Wien und kritisierte besonders die ständig steigenden Zahlen von Obdachlosen in den großen Städten. Sie meint, ein noch nie da gewesener privater Reichtum an Kapital werde von privaten Investoren in Wohnraum geparkt. Das führt natürlich zu Veränderungen am Wohnungsmarkt. Es werden große und sichere Gewinne für einige wenige erwirt­schaf­tet, während die Mieten für alle anderen steigen. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Frage ist: Was kann Wien diesbezüglich tun? Im internationalen Vergleich steht Wien immer noch relativ gut da, 60 Prozent der Wiener wohnen im geförderten Wohnbau, und so günstig wie im Gemeindebau wohnt man überhaupt nirgends in Wien. Die Netto­richtwertmiete ohne Betriebskosten schwankt zwischen 2,62 Euro und 5,81 Euro pro Quadratmeter. Und seit 100 Jahren gilt in Wien im sozialen Wohnbau, im Gemeindebau: keine Eigenmittel, keine Kaution, keine Befristung. Das ist ein wichtiger Aspekt der Erfolgsgeschichte des sozialen Wohnbaus in Wien. (Beifall bei der SPÖ.)

Die FPÖ hat ja Gott sei Dank einen Schwenk gemacht. Vor 20 Jahren hat die Wiener FPÖ noch die Privatisierung der Gemeindewohnungen verlangt, nachzulesen in ihrem Wahlprogramm. Die FPÖ hat dazugelernt. Die ÖVP hat noch nicht dazugelernt, die ÖVP träumt immer noch von der Privatisierung der Wohnungen in Wien, aber ich sage Ihnen: Wiener Wohnen darf nicht zur Buwog werden! (Beifall und Bravoruf bei der SPÖ.) Da


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haben Sie ja vorgezeigt, wie Privatisierung ausschaut und was das die Mieter dann kostet, wenn die Wohnungen einmal privatisiert sind.

Herr Abgeordneter Schrangl, Ihr blauer Antrag basiert auf Zahlen von 2013, und Sie zitieren Zeitungsartikel von vor der Wienwahl 2020, obwohl jetzt schon Mai 2021 ist. Wien hat eine neue Stadtregierung, und die Fortschrittskoalition in Wien hat neben den 4 000 Gemeindewohnungen, die neu errichtet werden, ein ambitioniertes Sanierungs­programm vorgelegt. Licht, Luft und Sonne, das sind die Prinzipien der sozialen Wohn­architektur in Wien: Wohnungen mit guter Ausstattung. Ihre fantasievollen Verschwö­rungstheorien, die Sie heute hier dargelegt haben, glaubt ja niemand, und die FPÖ wird damit auch allein bleiben.

Zur ÖVP noch, zur Leerstandsrate: Wann immer die SPÖ die Leerstandsabgabe ein­bringt, ist es genau die ÖVP, die abblockt und das nicht will! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Gerstl: Weil es ein Blödsinn ist! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Abschließend darf ich sagen, die Sanierungen in Wien, wie zum Beispiel zuletzt jene mit 700 Wohnungen im Goethehof, sind im Wesentlichen barrierefrei ausgeführt und werden oft ausgezeichnet. Wiener Wohnen setzt auf Mietermitbestimmung, was natürlich oft zu Verzögerungen bei Sanierungen führt, wenn der Weg, der korrekte Weg zur Schlich­tungsstelle beschritten wird. Natürlich kann es bei großen Wohnhausanlagen mit 700 oder 1 000 Wohnungen häufiger zu Einsprüchen und zu Verzögerungen kommen.

Wien kann stolz auf 100 Jahre sozialer Wohnbau sein. Der Ball liegt jetzt allerdings bei Türkis-Grün. Wir warten immer noch auf den Notfallsfonds für Mieter, auch für Mieter von Privatwohnungen. Da liegt der Ball bei Ihnen, gerade in Covid-Zeiten. – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

17.37


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Tomaselli. – Bitte.


17.37.51

Abgeordnete Mag. Nina Tomaselli (Grüne): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Schrangl! Mir war schon beim ersten Durchlesen Ihres An­trages und auch nach Ihren Redebeiträgen im Ausschuss nicht klar, und mir ist eigentlich auch jetzt im Plenum immer noch nicht ganz klar, worauf Sie mit diesem Antrag hinaus­wollen, zumal Sie eigentlich als Jurist um die kompetenzrechtliche Verteilung in diesem Staat wissen sollten. Fürs Wohnen sind immer noch die Länder zuständig.

Wenn ich das alles so durchdenke, dann bleibt für mich vor allem übrig, was man so gemeinhin unter Wienbashing versteht. Warum Sie das betreiben, na ja, das liegt auf der Hand. Das Interessante bei diesem Antrag ist ja, dass die NEOS als Koalitions­part­ner der Sozialdemokratie das auch so sehen. Die Sozialdemokratie kann man ja wohl als Geburtshelferin von Wiener Wohnen in Wien bezeichnen, und dass die NEOS da auch noch mitmachen, erschließt sich mir nicht ganz. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen.)

17.39


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Abgeordneter Schrangl zu Wort gemeldet. – Bitte.


17.39.15

Abgeordneter Mag. Philipp Schrangl (FPÖ): Herr Kollege Troch hat behauptet, dass ich krude Verschwörungstheorien von mir gegeben habe.


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Ich berichtige tatsächlich: Laut Presseberichten hat der Sozialbau-Verbund mehr als 70 Millionen Euro beim Bank-Mattersburg-Skandal verloren.

Herr Kollege Troch hat weiters gesagt, dass Licht, Luft und Sonne im Gemeindebau das neue Motto ist.

Ich berichtige tatsächlich: Das Licht am Gang ist hin (Zwischenrufe bei der SPÖ), bei der Betriebskostenabrechnung im roten Gemeindebau bleibt dir die Luft weg, und die Sonne scheint nur für die roten Genossen. (Beifall des Abg. Gerstl.)

17.39


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Das ist keine tatsächliche Berichtigung, Herr Abgeordneter, das ist eine politische Bewertung. (Ruf bei der SPÖ: Aber eine falsche!)

Abgeordnete Smodics-Neumann gelangt jetzt zu Wort. – Bitte.


17.40.01

Abgeordnete Mag. Maria Smodics-Neumann (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Stellen Sie sich eine durch die Pandemie geschwächte Wirtschaft vor, ein Berg von Arbeit liegt da – und keiner kümmert sich darum! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen in diesem Haus! Sehr geschätzte Bürgerinnen und Bürger! Wir behandeln hier einen Antrag der FPÖ, eingebracht von Philipp Schrangl, der durchaus Charme hat, wenn man die Historie von Wiener Wohnen betrachtet. Ich bin auch davon überzeugt, dass die Frau Bundesminister das sehr gut machen würde, ich sehe den Antrag aber trotzdem als weit übers Ziel hinausschießend und darf damit den Kolleginnen und Kollegen hier seine Ablehnung empfehlen. – Trotzdem möchte ich dazu auch ein bisschen Stellung nehmen.

Im Jahr 2014 haben mir die Innungsmeisterinnen und Innungsmeister der Sparte Ge­werbe und Handwerk die Verantwortung dafür übertragen, sie zu vertreten, was bedeu­tet, dass ich zwischen 55 000 und 57 000 Unternehmerinnen und Unternehmer vertreten darf, das geht vom Asphaltierer bis zum Zahntechniker. In dieser Gruppe gibt es auch circa 11 000 Unternehmerinnen und Unternehmer mit mehr als 48 000 Beschäftigten, die im Baubereich tätig sind – also jene Vertragspartner, die für Wiener Wohnen infrage kommen –: 11 000 Unternehmerinnen und Unternehmer, die Familien haben, 48 000 Be­schäftigte, die Familien haben, die in Ausbildung sind, die Lehrlinge sind und die natür­lich auch Konsumenten sind.

Mit dieser bewegten Historie von Wiener Wohnen durchaus vertraut habe ich 2014 auch begonnen, den Kontakt mit Wiener Wohnen zu intensivieren, um die handelnden Per­sonen, nämlich Wiener Wohnen als Auftraggeber und Interessenvertreter, zusammen­zu­bringen und mehr Transparenz in die Vergabe zu bekommen, klare Ausschrei­bungskriterien zu definieren, und wir sind da auch auf einem sehr guten Weg – auch wenn dieser noch lang ist, zum Beispiel dabei, die Administration etwas zurückzudrän­gen, Arbeitskosten, Materialkosten genauer zu definieren und vieles mehr; wir bleiben da dran.

Es gibt allerdings ein brandaktuelles Thema. Seit dem Jahr 2000 müssen elektrischer Zählerverteiler mit isolierter Rückwand gegen elektrischen Schlag und als Brandschutz verwendet und eingebaut werden. Die Wiener Elektriker und auch die Wiener Netze – beide gemeinsam – sind an Wiener Wohnen massiv herangetreten, dass dies auch passiert – und spannenderweise ist es bis vor einem Jahr auch so geschehen. Seit einem Jahr aber weigert sich Wiener Wohnen, zu tauschen oder zu sanieren. Was heißt das? – Für einen Teil von 220 000 Familien im Gemeindebau ist dieses Thema nicht nur brandaktuell, sondern brandgefährlich.


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Stellen Sie sich vor, es liegt ein Berg Arbeit in der Schublade und Wiener Wohnen hat den Schlüssel verlegt! Ich kenne den Wiener Bürgermeister persönlich. Ich schätze ihn als Mensch persönlich, ich schätze ihn vor allem dann, wenn er sich immer wieder auch vor die Klubobfrau der Sozialdemokratie stellt, wenn die Schüsse von innen oder außen kommen. Heute um 9.36 Uhr hat Ihre Klubobfrau, werte Kolleginnen und Kollegen der Sozialdemokratie, in der Aktuellen Stunde zum Comeback von Österreich Folgendes gefordert – ich darf zitieren –: Es braucht nachhaltige, kluge, gezielte Investitionen, die man begleitet und nicht nur zuschaut.

Werte Kolleginnen und Kollegen der Sozialdemokratie! Seien Sie bitte so lieb und richten Sie der Frau Klubobfrau Folgendes aus, da ich sie jetzt nicht persönlich ansprechen kann: Bitte helfen Sie Ihrem Bürgermeister, Ihre Forderung umzusetzen, und begleiten Sie ihn! Bitte helfen und begleiten Sie Wiener Wohnen, den Schlüssel für diese Schub­lade zu finden! Bitte helfen Sie Ihrem Bürgermeister in Wien – begleiten Sie ihn! –, sich bei seiner Stadträtin durchzusetzen und seinen Wien-Bonus umzusetzen und zu realisieren! Bitte helfen und begleiten Sie Wiener Wohnen beim Ausschreiben der elektrischen Zählerverteiler und damit aus 11 000 Unternehmen auswählen zu können! Bitte helfen Sie der Stadt Wien – begleiten Sie sie! –, die Sicherheit betreffend elek­trischen Schlag und Brandgefahr für einen Teil von 220 000 Familien in einem Wiener Gemeindebau wieder herzustellen! Bitte helfen Sie, begleiten Sie Wiener Wohnen und beenden Sie den nicht mehr notwendigen Lockdown dort! (Beifall bei der ÖVP.)

17.44


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist zu diesem Tagesordnungspunkt nie­mand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Wünscht der Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist auch nicht der Fall.

Die Abstimmung wird wieder an das Ende der Verhandlungen über die Vorlagen des Ausschusses für Bauten und Wohnen verlegt.

17.45.1314. Punkt

Bericht des Ausschusses für Bauten und Wohnen über den Antrag 1189/A(E) der Abgeordneten Mag. Philipp Schrangl, Kolleginnen und Kollegen betreffend die erforderliche Evaluierung der Vergabe sozial gebundenen Wohnraumes an Dritt­staatsbürger (857 d.B.)

15. Punkt

Bericht des Ausschusses für Bauten und Wohnen über den Antrag 1186/A(E) der Abgeordneten Mag. Philipp Schrangl, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Zielsetzungen der EU-Kommission zur Massenmigration in den sozialen Wohnbau (858 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zu den Punkten 14 und 15 der Tagesordnung, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als erster Redner ist Abgeordneter Wurm zu Wort gemeldet. – Bitte sehr, Herr Abgeord­neter.


17.45.55

Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ): Herr Präsident! Werte Frau Minister! Hohes Haus! Werte Zuseher zu Hause! Ja, da sich jetzt langsam die Nebel des Coronawahnsinns zu


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll105. Sitzung, 19. Mai 2021 / Seite 167

lichten beginnen, tauchen altbekannte Problemstellungen – vor allem im Sozialbereich – jetzt immer deutlicher auf. Ein riesengroßes Problem – das wissen, glaube ich, sehr viele in diesem Land – ist das Thema Wohnen. Der Satz ist relativ einfach zu formulieren: In Wahrheit ist Wohnen für die Mehrheit der Österreicher nicht mehr leistbar, vor allem für die junge Bevölkerung in diesem Land wird das von Tag zu Tag, von Monat zu Monat zu einem immer größeren Problem. Eine der Lösungen – oder die letzte Lösung – dieses Problems, durch die noch halbwegs finanzierbare Wohnungen erhältlich sind, ist der soziale Wohnbau.

Ich darf vielleicht schon ein Thema hier ansprechen – es ist halt oft so, dass es unan­genehme Themen sind, aber es ist ein Thema, um das man sich nicht herumschwindeln kann –, das ist eben die Wohnungsvergabe im sozialen Wohnbau an Drittstaatsan­ge­hörige. Vereinfacht formuliert – für die Zuseher, falls Sie es nicht wissen –: Es ist in Österreich im sozialen Wohnbau seit Jahren rechtlich möglich und auch gang und gäbe, dass Leute, die als Flüchtlinge gekommen sind, Asylberechtigte sind oder sonst nicht österreichische Staatsbürger sind, genau denselben Anspruch auf eine staatlich geför­derte Sozialwohnung haben wie ein österreichischer Staatsbürger.

Man weiß, wie lange die Wohnungswerberliste in diesem Bereich ist, und da spreche ich nicht nur von Wien, da spreche ich auch vom Rest Österreichs, und als Tiroler kann ich hier sehr gut direkt berichten: Die Wohnungspreise in Tirol sind bekanntermaßen unter den höchsten in Österreich. Ich bin jetzt über 20 Jahre in der Kommunalpolitik tätig, auch im Wohnungsvergabeausschuss, und wenn wir zum Beispiel alle paar Jahre irgendwann einmal 20 Wohnungen in der Gemeinde zu vergeben haben, dann ist die Wohnungs­werberliste ungefähr viermal so lang – das heißt, es gibt 80 Bewerber. Jetzt ist das vielleicht in einer großen Stadt noch ein bisschen leichter, nur kenne ich den Großteil dieser 80 Bewerber. Man muss dann von 80 auf 20 reduzieren, und da kommt es auch bei uns immer häufiger vor, dass dann Drittstaatsangehörige eine Gemeinde­wohnung bekommen – und das muss man dann erst einmal einem normalen Staatsbürger erklären. Genau diese Problemstellung haben wir versucht zu lösen.

Ich darf die ÖVP – weil Sie ja im Ausschuss mit allen anderen die Anträge des Kollegen Schrangl abgelehnt haben – an Folgendes erinnern: Wir haben mit der ÖVP noch im April 2019 eine Regelung gefunden, um genau das hintanzustellen, sodass also öster­reichische Staatsbürger bei der Wohnungsvergabe im sozialen Wohnbau bevor­zugt werden. Das war im April 2019 – wir alle wissen, was im Mai 2019 passiert ist, deshalb ist dieses Gesetz dann auch auf der Strecke geblieben. Dass die ÖVP aber jetzt um­switcht und genau das, was wir einmal vereinbart haben, plötzlich nicht mehr mitträgt, ist schon sehr, sehr bedenklich.

Summa summarum kann man einfach sagen, dass vor allem junge Menschen in Öster­reich kaum noch die Chance haben, in eine geförderte Wohnung hineinzukommen. Da kommt es eben genau zu dem Problem, dass es junge Österreicher – alleinstehend oder vielleicht zu zweit – gibt, die dann auf der Strecke bleiben, weil, ich sage es einmal ganz brutal formuliert, ein Asylberechtigter mit zwei Kindern in dieser Sozialwohnung sitzt. Das ist wie gesagt eine Linie, die wir als Freiheitliche nicht wollen. Wir sind da auch sehr deutlich: Wir wollen hier eine ganz klare Bevorzugung von österreichischen Staatsbür­gern, weil ja auch der österreichische Staatsbürger diese Geschichten in letzter Kon­sequenz finanziert.

Um es auch ein bisschen, sage ich, prägnant zu formulieren: Das Boot ist voll!, und in dem Fall kann man sagen: Das Haus ist voll! Wir haben diese Wohnungen nicht, und ich sehe sie auch weit und breit nicht, um Leute aus aller Welt mit Sozialwohnungen zu versorgen. Ich glaube, wir alle kennen die Wahlprogramme der letzten 20 Jahre, und, egal ob auf Gemeindeebene, Landesebene, Bundesebene, alle haben leistbares Woh­nen für alle versprochen. Wir sind, glaube ich, meilenweit davon entfernt, diese Versprechen


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einzulösen. Daher muss man auch einmal genau dort hinschauen, wo es wehtut, und auch Lösungen suchen, denn so kann es jedenfalls nicht weitergehen. (Beifall bei der FPÖ.)

Abschließend würde ich schon ersuchen, vor allem auch die ÖVP, die das ja auch in Sonntagsreden immer wieder ganz gerne anspricht, unseren Weg zu unterstützen, damit im Sozialwohnungsbereich wirklich österreichische Staatsbürger und nicht, sage ich einmal, Leute aus aller Herren Länder zu einer Wohnung kommen. Wer die Bilder von Marokko diese Woche gesehen hat, wie Tausende quasi über die EU-Grenze ge­schwommen sind, der kann sich ungefähr ausrechnen, wie es da weitergehen wird.

Corona wird irgendwann vorbei sein – die Probleme, die wir in der Vergangenheit hatten und die wir Freiheitliche auch ganz deutlich und ungeschminkt ansprechen, sind nicht verschwunden. Man sollte den Leuten reinen Wein einschenken: Wir sind zu viele, um günstige Wohnungen für alle anbieten zu können. Es bedarf einer klaren Ansage, wer diese Sozialwohnungen bekommen soll. Wir Freiheitliche machen diese klare Ansage seit Jahren, ich wiederhole sie noch einmal: Im sozialen Wohnbau zuerst Österreicher, dann der Rest! – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

17.51


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Schnabel. – Bitte.


17.51.59

Abgeordneter Joachim Schnabel (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher vor den Monitoren! Kollege Wurm hat die Novelle des Wohnungsgemein­nützig­keitsgesetzes angesprochen. Warum wir dem Antrag unter Tagesordnungspunkt 14 nicht zustimmen, ist ganz klar und knapp erklärt: Dieses Gesetz wurde erst vor Kurzem in Kraft gesetzt und ermöglicht eben im gemeinnützigen Wohnbau die Bevorzugung von Inländern und Gleichgestellten, und es erschließt sich uns nicht, warum wir jetzt schon eine Evaluierung und eine Verschärfung dieses Gesetzes machen sollen. Das ist nicht notwendig und auch sozial- und integrationspolitisch nicht sinnvoll.

Den Gemeindebau betreffend haben wir bei Tagesordnungspunkt 13 umfassend darü­ber diskutiert, wo die verfassungsrechtliche Kompetenz liegt. Diese liegt bei den Län­dern, sie liegt bei den Gemeinden, aber grundsätzlich sagen wir auch, wir bevorzugen schon Regelungen im Bereich des Wohnens, die positiv in die Integrationspolitik wirken. Insofern kann man auf der Ebene der Länder und der Gemeinden sehr wohl eine Anleihe an der WGG-Novelle nehmen.

Bei Tagesordnungspunkt 15 geht es um den Entschließungsantrag zum Aktionsplan für Integration und Inklusion 2021–2027 der EU-Kommission. Auch da sehen wir abermals keine Grundlage, unsere Zustimmung zu geben. Die österreichische Integrationspolitik orientiert sich ja weiterhin am Prinzip Integration durch Leistung und dem Grundsatz fördern und fordern. Auf diesen Grundlagen beruht auch der Aktionsplan der Europä­ischen Kommission. Zunächst ist in diesem Aktionsplan festgehalten, dass es eine inklusive Integration von Menschen mit Migrationshintergrund braucht, diese Anstren­gun­gen machen müssen, aber auch die Aufnahmegesellschaft gefordert ist. Das ist in Summe ein wichtiger Punkt und deckt sich eben mit der heimischen Integrationspolitik.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! In der Integrationspolitik sind und bleiben in erster Linie die Mitgliedstaaten und somit wir als Österreich inhaltlich zuständig. Jegliche Form der Harmonisierung auf EU-Ebene ist jedenfalls ausgeschlossen, denn die EU kann kompetenzrechtlich nur unterstützend tätig werden. Diese Unterstützung, die in diesem


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Plan festgelegt ist, ist nicht linear, sondern wird entsprechend dem Ausmaß der zu erbringenden Integrationsleistung gewährt.

Wir wissen, Österreich hat seit der Flüchtlingskrise 2015 überdurchschnittlich viele Migranten und Migrantinnen und anerkannte Flüchtlinge aufgenommen. Deshalb stünde gemäß diesem Plan Österreich auch ein Mehr an EU-Förderungen zu, und deshalb wäre es nicht sinnvoll, diesem Plan nicht beizutreten. Wir würden so auf Mittel verzichten, die Österreich dafür einsetzen kann, in Projekte zu investieren, um die Integration voranzu­treiben und Parallelgesellschaften zu verhindern. (Beifall bei der ÖVP.)

17.55


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Schrangl. – Bitte.


17.55.12

Abgeordneter Mag. Philipp Schrangl (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Frau Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren im Hohen Haus! Sehr geehrte Bürgerinnen und Bürger zu Hause! Wer wohnt denn eigentlich im Ge­meindebau? – Diese Frage stammt nicht von der FPÖ, diese Frage war der Titel eines „Profil“-Artikels aus dem Jahr 2018. (Ruf bei der ÖVP: Peter Pilz!) Darin steht, dass 2016 nur 43 Prozent der Bewohner keinen Migrationshintergrund hatten. Das heißt im Um­kehrschluss, 57 Prozent der Bewohner im Wiener Gemeindebau haben bereits Migra­tionshintergrund. Der sprichwörtliche „Mundl“ ist daher bereits eine Rarität und nicht der übliche Gemeindebaubewohner. Die Frage ist, ob man das auch will.

Meine sehr verehrten Damen und Herren der roten Reichshälfte! Dass man den Ge­meindebau verfallen lässt, habe ich ja schon dargestellt, das heißt aber auch, dass die Wiener SPÖ mittlerweile auch die Interessen von Migranten verrät, statt ihre schützende Hand drüberzuhalten, was die SPÖ ja immer so für sich beansprucht. Für uns Freiheitliche bedeutet das aber, dass der Gemeindebau leider immer mehr zum Brenn­punkt von Integrationsproblemen geworden ist und auch als solcher degradiert wurde. Auch der Attentäter vom 2. November, Kujtim F., und seine IS-Kumpanen lebten im Ge­meindebau. In unseren Augen geht das nicht, und daher wollten wir keine Änderung des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes (Zwischenruf der Abg. Erasim), sondern wir wollen eine Untersuchung, ob dem auch tatsächlich so ist. Wir wollten eine Unter­suchung, ob Integration im Gemeindebau, im sozialen Wohnbau funktioniert. Diese Fakten wollten wir sammeln, Sie lehnen das ab. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Erasim.)

Wir haben auch schon darüber gesprochen, dass der Gemeindebau von Integrations­problemen betroffen ist, die kaum mehr zu lösen sind. Wahllos, meine sehr verehrten Damen und Herren, jetzt noch mehr Migranten hierher nach Europa anzuziehen und in den Gemeindebau zu stecken, das ist politisch mehr als unverantwortlich, und das muss auch endlich einmal gegenüber Brüssel klargemacht werden.

Wir haben in Österreich ein sehr spezielles und auch sehr gutes System des sozialen Wohnbaus, das erfolgreich ist. Nicht nur den Ärmsten – und darin unterscheide ich mich von der ÖVP –, nicht nur den Ärmsten, es soll eben kein Ghetto sein, sondern einer breiten Bevölkerungsschicht soll der soziale Wohnbau eine Heimat bieten können. Dieses System ist auch sehr erfolgreich und führt auch zu guter Integration. Das unterscheidet uns eben vom Rest Europas. Das hat Brüssel, glaube ich, noch nicht kapiert. Brüsseler Schablonen passen bei uns nicht, und das muss Österreich in Brüssel auch hartnäckig vertreten. (Beifall bei der FPÖ.)

17.58


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Lercher. – Bitte.



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17.58.16

Abgeordneter Maximilian Lercher (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege, einiges von dem, was du gesagt hast, kann man und darf man so nicht stehen lassen, weil es definitiv nicht stimmt.

Bevor wir über sozialen Wohnbau und die Durchmischung im sozialen Wohnbau sprechen, müssen wir zuerst darüber reden: Warum gibt es denn überhaupt sozialen Wohnbau? – Den gibt es wegen der Sozialdemokratie. (Beifall bei der SPÖ.)

Warum gibt es denn in den von Blau geführten Städten und in den ÖVP-Städten viel, viel weniger geförderten sozialen Wohnbau? – Weil auf diese Politik überhaupt kein Wert gelegt wurde. Und jetzt, nachdem ihr diesen Wohnbau Jahrzehnte hindurch bekämpft habt, kommt ihr auf die Idee, dass es doch gut wäre, mitzureden, weil das gescheit und für die Entwicklung in Österreich wichtig ist. Ich sage euch ganz offen und ehrlich: Bevor immer alle nach Wien blicken und Wien kritisieren, blickt nach Wels, blickt nach Graz, macht doch die Dinge dort, wo ihr die Kompetenz dazu habt! Das wäre, glaube ich, ein ehrlicher Zugang, um Problemlagen zu definieren und darauf aufbauend Entschlüsse zu treffen. (Beifall bei der SPÖ.)

Letztlich werden wir mit dieser Debatte keinen neuen Wohnraum schaffen. Wir werden auch nicht mehr junge Leute in Wohnungen bekommen. Dazu brauchen wir eine Systemdebatte: Warum gibt es immer noch kein Spekulationsverbot auf Grundstücke? Warum gibt es denn keine notwendige Reform des Mietrechtes? Warum ist von den Mieterinnen und Mietern immer noch die Maklerprovision zu bezahlen? (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)

Ich sage es Ihnen ganz ehrlich – und da schlage ich die Brücke zu den KollegInnen da drüben –: wegen der ÖVP. Die lässt es seit Jahrzehnten nicht zu, dass wir einen System­wandel für die ganz normalen Leute im Wohnen, Mieten und auch im Wohnungsbau zulassen, weil die Spenderinnen und Spender es nicht wollen. (Beifall bei der SPÖ.)

Deswegen sage ich Ihnen ganz ehrlich: Die Sozialdemokratie ist bereit, für all jene zu kämpfen, die es sich nicht mehr leisten können, Wohnraum anzuschaffen, zu mieten oder anderswo welchen zu bekommen. Aber da braucht es eine grundlegende Debatte zu unserem Wirtschaftssystem, weil es für die wirklichen Leistungsträgerinnen und Leistungsträger nicht mehr funktioniert. Die, die unglaublich viel haben, richten es sich, die kaufen und spekulieren, und der Rest wird im Stich gelassen. Das wollen wir nicht. Deswegen schließe ich mit den Worten meines Kollegen: Der soziale Wohnbau darf nicht Buwog werden. – Vielen Dank. (Beifall und Bravoruf bei der SPÖ.)

18.01


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gemeldet: Frau Abgeordnete Nina Tomaselli. – Bitte.


18.01.10

Abgeordnete Mag. Nina Tomaselli (Grüne): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Kollege Schrangl, jetzt diskutieren wir den nächsten Antrag von Ihnen. Ich verstehe ehrlich gesagt nicht, wieso Sie schon wieder mit so einem Antrag das durchaus gute Diskussionsklima, das wir Bautensprecherinnen und Bautensprecher haben – bei all den ideologischen Unterschieden, die uns trennen –, aufs Spiel setzen. Warum müssen Sie eigentlich immer dieses leidige, dumpfe Thema „Ausländer raus!“ herausholen und das auch noch in den Bautenausschuss hineintragen? Kollege Wurm, Sie sagten in Ihrer Rede: ein unangenehmes Thema. Wissen Sie, was unangenehm


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ist? – Diese plumpe Art und Weise, wie Sie Politik betreiben! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wenn Sie mich fragen: Das hat auch echt schon so einen Bart. Egal, welches Thema, sei es der Arbeitsmarkt oder Joghurt essen, auf eins folgt zwei – und zwei ist immer Ausländer, Asyl oder Migration. Das ist einfach eine, finde ich, zutiefst unseriöse Politik.

Schauen wir uns nämlich einmal ganz genau den vorliegenden Antrag an! Aus dem Aktionsplan für Integration und Inklusion der EU-Kommission geht hervor – das steht einfach so in einem Nebensatz –, dass auch Drittstaatsangehörige Zugang zum sozialen Wohnbau haben sollen. Und was machen Sie daraus? Schauen wir auf den Titel des Antrages: „Massenmigration in den sozialen Wohnbau“. Das ist Panikmache à la FPÖ, das geht so nicht! Sie können nicht das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz für Ihre Ausländer-raus-Politik instrumentalisieren. (Beifall bei den Grünen.)

Es ist mir schon wichtig, zu sagen: Dieser Antrag entbehrt jetzt wirklich jeder Grundlage und hat nicht einmal irgendeine rechtliche Rechtfertigung. Haben Sie sich überhaupt einmal überlegt, wie der soziale Wohnbau finanziert wird? – Der soziale Wohnbau wird durch 1 Prozent der Lohnsumme finanziert. Jeder und jede ArbeitnehmerIn in Österreich zahlt 1 Prozent der Lohnsumme seines/ihres monatlichen Entgelts in diesen Solidartopf der Wohnbauförderung. (Abg. Loacker: Wenn das alles in den Wohnbau fließen würde!) Und aus dieser Wohnbauförderung wird der geförderte, wird der soziale Wohnbau in Österreich finanziert – der geförderte Wohnbau, bitte, der wirklich die wohnpolitische Errungenschaft überhaupt ist.

Soll ich Ihnen etwas verraten? (Abg. Wurm: Nein! Was?) – Doch. (Heiterkeit des Abg. Wurm.) – Das Steuergesetz macht keinen Unterschied, ob jemand Ausländer oder Inländer ist, der Wohnbauförderungsbeitrag macht auch keinen Halt vor Drittstaatsange­hörigen. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Doppelbauer.) Oder umgekehrt: Dritt­staats­angehörige können sich auch nicht aussuchen, ob sie einen Wohnbauförderungs­beitrag zahlen oder nicht. Deshalb ist es nur gerecht, dass auch alle in Österreich lebenden Menschen Zugang zum sozialen Wohnbau haben. Kollege Schrangl, das soll­ten vor allem Sie als Jurist wissen. (Beifall bei den Grünen.)

Abschließend ist noch festzuhalten: Wohnen ist ein Grundrecht, und weil es ein Grund­recht ist, gilt es für alle. Es ist auch unteilbar, das ist gerecht. Und weil es eben Grund­recht ist, bin ich der Meinung, dass es die Aufgabe der Politik ist, für dieses Grundrecht, und zwar für alle, zu kämpfen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Lercher.)

18.04


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Felix Eypeltauer. – Bitte.


18.04.42

Abgeordneter Mag. Felix Eypeltauer (NEOS): Ja, Frau Kollegin Tomaselli, liebe Nina, du hast völlig recht: 1 Prozent der Lohnsumme fließt in die Wohnbauförderbeiträge. Es wäre halt schön, wenn dieses 1 Prozent der Lohnsumme auch wirklich direkt in die Wohnbauförderung fließen und nicht in manchen Länderbudgets versickern würde. (Beifall bei den NEOS. – Zwischenruf der Abg. Steinacker.)

In dem angesprochenen Positionspapier der Europäischen Union – es geht mir um TOP 15, den Antrag des Kollegen Schrangl – zum Thema Housing steht wörtlich: „Access to adequate and affordable housing is a key determinant of successful integration.“ Das ist eine Tatsachenfeststellung, die ist unbestreitbar, und, liebe Kollegen von der FPÖ, evidentermaßen richtig. Egal, ob autochthoner Österreicher und auf der Straße lebend


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oder Zuwanderer: Man braucht ein Dach über dem Kopf, eine Wohnung, das braucht einfach der Mensch. Das ist ein Fakt.

Kollege Schrangl von der FPÖ will jetzt, dass sich unsere Bundesregierung offiziell gegen eine Tatsachenfeststellung richtet. Das kann ja wohl nicht dein Ernst sein. Es hat mich aber nicht sehr gewundert, weil Kollege Wurm im Konsumentenschutzausschuss beispielsweise immer wieder Dinge fordert wie: Die Bundesregierung wird aufgefordert, die Inflation zu verbieten. – Das macht ja auch keinen Sinn.

Aber gut, zurück zu dir, Kollege Schrangl. Du schreibst: „Erfolgreiche Integration in unsere Gesellschaft muss eine Vorbedingung für den Zugang in den sozialen Wohnbau sein. So werden Integrationsanreize geschaffen“. Ich sehe es andersrum: Ich glaube, die Tatsache ist, ohne ein Dach über dem Kopf kann man sich nicht integrieren. Wie gesagt: Egal, ob man autochthoner Österreicher ist und auf der Straße lebt oder ob man Zuwanderer ist – das geht einfach nicht.

Dann gibt es einen zweiten Antrag von der FPÖ, laut dem die Bundesregierung evalu­ieren soll, ob und wie die Länder geförderte Wohnungen vergeben. Und es gibt einen dritten, laut dem die Bundesregierung evaluieren soll, ob sie Wiener Wohnen beauf­sichtigen kann.

Das kann man schon beantragen, geht halt rechtlich beides nicht. Das weißt du auch, Philipp. Das geht verfassungsrechtlich nicht, das wurde vorhin schon ausgeführt. Wir NEOS waren immer der Meinung, dass der Bund die Aufsicht über die Gemeinnützigen haben sollte, daher kann ich dem Gedanken nahetreten, dass er grundsätzlich beauf­sichtigt, aber man kann hier nicht Wiener Wohnen herausgreifen und das bei anderen Wohnbauvereinigungen und -aktivitäten nicht tun.

Ja, man kann das alles beantragen, wenn es um die Show geht, inhaltlich macht es halt leider wirklich wenig Sinn. (Beifall bei den NEOS.)

18.07


Präsidentin Doris Bures: Ein zweites Mal zu Wort gemeldet: Herr Abgeordneter Peter Wurm. – Bitte.


18.07.05

Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ): Frau Präsidentin! Ganz kurz eine Replik auf Kollegin Tomaselli: Das ist eben ein Thema, das man erstens einmal jetzt sicher nicht in der Eile wird allumfassend klären können. Wer sich mit diesem Thema Bauen, Wohnen be­schäftigt, weiß, dass das ein sehr komplexes Thema ist. Da gibt es keine einfachen Antworten. Eines ist, glaube ich, schon klar und für jeden Österreicher nachvollziehbar: Die Wohnungspreise, egal, ob Miete oder Kauf, haben sich in den letzten zehn Jahren fünfmal so stark entwickelt wie die Inflation. Das, glaube ich, weiß jeder in Österreich. (Abg. Eypeltauer: Aber nicht wegen der Migration!)

Ich glaube, man sollte einfach einmal ehrlich über das Thema diskutieren. Noch einmal: Es geht nicht um ein Ausländerbashing, aber man muss die Dinge beim Namen nennen. Sie haben die Wohnungen nicht für die Leute, die die Wohnungen brauchen, ganz einfach, in Vorarlberg nicht, in Tirol nicht und in Wien nicht. Alle, die gerne eine günstige Wohnung hätten, bekommen sie nicht. So, und da geht es darum, eine klare Aussage zu treffen, auch für die Zukunft. Das habe ich seit Jahren hier im Plenum immer wieder gesagt: Wir haben die Wohnungen nicht für die Zuwanderung und wir haben die Jobs nicht für die Zuwanderung.

Da gibt es ideologisch riesengroße Differenzen, zwischen Grün und Blau sowieso, ist klar, aber die Wahrheit ist zumutbar. (Abg. Ribo: Das ist nicht die Wahrheit!) – Das ist leider Gottes die Wahrheit! Ich kann es Ihnen sagen, falls Sie es nicht wissen, Frau


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Kollegin Tomaselli: Eine Wohnung bekommt grundsätzlich der, der den größten Wohn­bedarf hat. Das heißt, wenn in einem Wohnungsvergabeausschuss jemand drinnen sitzt, dann bekommt der von ihm die Wohnung, der den größten Wohnbedarf hat. (Zwi­schenrufe bei den Grünen.) Wenn ein Afghane eben keine Wohnung und kein Ein­kommen hat, dann wird der Afghane die Wohnung bekommen. Das spielt sich in Österreich seit Jahren hundertfach und tausendfach so ab. (Abg. Ribo: Schämen Sie sich! – Zwischenruf der Abg. Tomaselli.) Das ist die Wahrheit, die halt keiner gerne hört. Aber wenn Sie Österreicher fragen, Frau Tomaselli, oder wenn Sie auch, ich sage es einmal deutlicher - - (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Tomaselli.– Lassen Sie mich ausreden, Frau Tomaselli! (Zwischenruf des Abg. Schallmeiner.) Sie können auch gerne sogenannte Migranten der zweiten, dritten Generation fragen, denn die kenne ich auch, Kroaten, Polen, wen auch immer, Frau Tomaselli. (Zwischenrufe bei den Grünen.) Auch sie bekommen für ihre Kinder keine Sozialwohnung mehr, Frau Kollegin. Das ist die Wahrheit.

Frau Tomaselli, das wird man diskutieren müssen, ganz offen, und da macht es keinen Sinn, wenn Sie die grüne oder rosarote Welt malen. Noch einmal: Es gibt diese Prob­leme. Jeden Tag landen in Europa Zehntausende, die nach Europa wollen, und es gibt weder die leistbaren Wohnungen in Europa noch die Jobs. Diese Probleme werden wir auch nach Corona in aller Offenheit zu diskutieren haben (Abg. Ribo: Schämen Sie sich!), ganz emotionslos zum Nutzen der Bevölkerung. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

18.10

18.10.08 Abstimmung über die Tagesordnungspunkte 12 bis 15


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist nun niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ist seitens der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Ich frage die Fraktionen, ob wir gleich zum Abstimmungsvorgang kommen können. – Dann gehe ich auch so vor.

Wir gelangen nun zu den verlegten Abstimmungen über die Berichte des Ausschusses für Bauten und Wohnen, die ich über jeden Tagesordnungspunkt getrennt vornehme.

Abstimmung über den Tagesordnungspunkt 12: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Heizkostenabrechnungsgesetz geändert wird, in 768 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Becher, Kolleginnen und Kollegen einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde daher zunächst über die vom erwähnten Zusatz- beziehungsweise Abände­rungsantrag betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimm­ten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Abstimmung über den Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag der Abgeordneten Becher, Kolleginnen und Kollegen. Wer hierfür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir kommen nun zur Abstimmung über diese Teile des Gesetzentwurfes in der Fassung der Regierungsvorlage.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem zustimmen, um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung der Regierungs­vorlage.


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Wer spricht sich dafür aus? – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Wer in dritter Lesung seine Zustimmung gibt, den bitte ich um ein Zeichen. – Der Gesetz­entwurf ist in dritter Lesung mit Mehrheit angenommen.

Abstimmung über den Tagesordnungspunkt 13: Antrag des Ausschusses für Bauten und Wohnen, seinen Bericht 856 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer ist für die Kenntnisnahme des Berichts? – Der Bericht ist mit Mehrheit zur Kenntnis genommen.

Abstimmung über den Tagesordnungspunkt 14: Antrag des Ausschusses für Bauten und Wohnen, seinen Bericht 857 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer ist für diese Kenntnisnahme? – Der Bericht ist mit Mehrheit zur Kenntnis genommen.

Abstimmung über den Tagesordnungspunkt 15: Antrag des Ausschusses für Bauten und Wohnen, seinen Bericht 858 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer ist dafür? – Das ist mit Mehrheit zur Kenntnis genommen.

18.12.5916. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend E-Mobilität – Reihe BUND 2020/28 (III-167/823 d.B.)

17. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Klimaschutz in Österreich – Maßnahmen und Zielerreichung 2020 – Reihe BUND 2021/16 (III-292/826 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir nun zu den Tagesordnungspunkten 16 und 17, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Auf die mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Ich begrüße die Präsidentin des Rechnungshofes in unserer Mitte und erteile Herrn Abgeordneten Johann Singer als erstem Redner das Wort. – Bitte.


18.13.35

Abgeordneter Johann Singer (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Präsidentin des Rechnungshofes! Geschätzte Damen und Herren! Der Rechnungshof überprüfte die Entwicklung und die Rahmenbedingungen der E-Mobilität für die Jahre 2012 bis 2017.

Bereits im Jahr 2010 sah die Energiestrategie Österreichs die schrittweise flächen­deckende Einführung der E-Mobilität vor. Als Zielwert waren damals 250 000 zweispu­rige E-Fahrzeuge bis zum Jahr 2020 vorgesehen. Da bis Ende 2019 nur rund 40 200 zweispurige E-Fahrzeuge von insgesamt rund fünf Millionen Fahrzeugen zugelassen waren, muss man leider von einer klaren Zielverfehlung sprechen.

Insgesamt ist die Entwicklung im heurigen Jahr sehr interessant. Warum? – Gab es im Vorjahr in der Zeit von Jänner bis April rund 3 000 Neuzulassungen von E-Fahrzeugen, so stieg dieser Wert im Jahr 2021, also heuer, auf über 9 000. Das heißt also, wir sprechen hier von einer Verdreifachung im heurigen Jahr und insgesamt bereits von 10,5 Prozent aller Neuzulassungen von E-Pkws.


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Mit rund 9 400 E-Autos führt Niederösterreich das Ranking vor Oberösterreich mit rund 8 300 an. Kritisch hat der Rechnungshofbericht die Vorbildwirkung des Bundes in dieser Frage ausgewiesen: Ende 2017 gab es 6 750 Dienstautos, davon waren nur zwölf E-Fahrzeuge.

Festgehalten im Rechnungshofbericht ist auch der Anteil von rund 46 Prozent der Ge­samtemissionen, das heißt also – wir haben heute schon von 23 Prozent im Gebäude­bereich gehört –, dass der Verkehrsbereich mit Sicherheit der emissionsstärkste Sektor ist. Auch bei den Treibhausgasemissionen wurde der Zielwert 2020 im Sektor Verkehr von rund 21,7 Millionen Tonnen nicht erreicht.

Auch der Förderungsbereich wurde im Bericht durchleuchtet. E-Mobilität wurde direkt in Form von Zuschüssen und auch indirekt durch Steuerbegünstigungen gefördert. In den Jahren 2012 bis 2017 flossen rund 97 Millionen Euro direkt in die E-Mobilität. Im Jahr 2017 weist der Rechnungshofbericht durch die Befreiung von der Normverbrauchs­abgabe bei der Anschaffung eines E-Pkws eine Reduktion des Steueraufkommens von rund 1 Million Euro aus, hingegen betrug die Direktförderung in diesem Jahr nur rund 22 Millionen Euro. Dieser förderbare Bereich umfasste neben der Anschaffung von E-Fahrzeugen auch die Ladeinfrastruktur, Forschung und Entwicklung sowie Bewusst­seins­bildung und Information.

Ein Blick auf die E-Ladepunkte in Österreich zeigt, dass wir rund 8 000 öffentlich zugäng­liche Ladepunkte haben, rund 2 400 davon befinden sich in Niederösterreich.

Eine klare Feststellung des Rechnungshofes gab es auch zum Thema Umweltwirkung: Eine deutliche Reduktion der Treibhausgasemissionen zeigen nur rein batterie­betrie­bene Fahrzeuge, also Hybridfahrzeuge und Plug-in-Hybride bewirken gegenüber Ver­brennungsmotoren nur eine relativ geringe Reduktion der Treibhausgasemissionen.

Sehr geehrte Damen und Herren, zusammenfassend gab der Rechnungshof noch folgende Empfehlungen ab: Zum einen geht es immer um die Evaluierung und Festlegung des Beitrages der E-Mobilität zur Erreichung der Klimaschutzziele, also auch hier eine klare Zielfestlegung. Auch was die neu zugelassenen emissionsfreien Fahr­zeuge betrifft, fordert der Rechnungshof eine Zielfestlegung für das Jahr 2030, eine verstärkte Nutzen-Kosten-Untersuchung zu den gesetzlichen Maßnahmen und letztendlich eine kundenfreundliche Ausgestaltung der Ladestellen.

Sehr geehrte Damen und Herren, an diesem Bericht sehen wir, dass es noch viel zu tun gibt, um der E-Mobilität den notwendigen Stellenwert in unserem Land zu geben. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

18.18


Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Frau Abgeordnete Ruth Becher zu Wort. – Bitte, Frau Abgeordnete.


18.18.59

Abgeordnete Mag. Ruth Becher (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Präsidentin des Rech­nungshofes! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Bericht zur Elektromobilität fällt für die Bundesregierung nicht sehr schmeichelhaft aus. Zusammengefasst kann man sagen: Österreich bewegt sich nur sehr zögerlich, und das in die falsche Richtung. Bezüglich der Energiestrategie hat ja mein Kollege Singer schon die Zahlen dargelegt. Der Rechnungshof kritisiert aber nicht nur die Zahlen, sondern auch die Strategie, zum Beispiel die Ladestationen, bei denen es kein einheitliches Verrechnungssystem gibt.

Was der Rechnungshof aber schonungslos aufdeckt, ist die verfehlte Strategie in Bezug auf Hybridfahrzeuge. Dazu ist zu sagen: Es ist entschuldbar, dass zu Beginn der Entwicklung die Einschätzungen bezüglich der Nützlichkeit der Hybridfahrzeuge zu


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optimistisch gewesen sind. Unentschuldbar ist aber für mich, dass heute ungebrochen Millionen Euro der öffentlichen Hand für Autos fließen, die der Umwelt und dem Klima nachweislich schaden. Da geht es um große Steuergeschenke für Luxusautos, nicht um direkte Förderung.

Es ist schon gesagt worden, das Finanzministerium hat geschätzt: 2017 waren die Aus­wir­kungen in etwa 100 Millionen Euro, im letzten Jahr, 2020, waren es gar 300 Millionen Euro indirekte Förderung – die direkte Förderung betrug 22 Millionen Euro –, das sind aber Steuergeschenke, zum Beispiel für zwei Tonnen schwere Porsches mit 462 PS, Geschenke an die Reichen, gesponsert von der arbeitenden Bevölkerung, die auch noch mit einer höheren Energieabgabe bestraft werden soll.

Es kommt aber noch besser, denn Türkis-Grün hat eine Ungeheuerlichkeit unter dem Schutzmantel der Coronakrise ausgeweitet. Wenn Sie „410-PS-starke Raserei gegen Umwelt und Klimaschutz“ googeln, kommen Sie zu meiner parlamentarischen Anfrage, die ich im Frühjahr gestellt habe und in der ich aufzeige, wie die Regierung unter dem Titel „Corona-Hilfe“ die Anschaffung eines 60 000 Euro teuren Luxusautos, SUV, mit einem Steuergeschenk von 30 000 Euro versüßt hat, und das mitten in der Wirtschafts­krise. Da werden von den Türkisen und den Grünen Geldgeschenke an Reiche verteilt, da kann man sich einen 2 Tonnen schweren SUV mit über 400 PS um die Hälfte kaufen. Das ist doch sehr zynisch, und der große Verlierer dabei ist der Klimaschutz. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

Der Rechnungshofbericht beweist vor allem eines: Es ist beim Klimaschutz Zeit, wieder zu einer seriösen Politik zurückzukommen, die nicht nur Shows veranstaltet. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

18.22


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Alois Kainz. – Bitte.


18.22.27

Abgeordneter Alois Kainz (FPÖ): Frau Präsidentin! Frau Rechnungshofpräsidentin! Hohes Haus! Sehr geehrte Zuseher zu Hause! Ja, die Elektromobilität wird einen immer höheren Stellenwert einnehmen, da die herkömmliche Art der Fortbewegung immer teurer wird und man nach einer ökologisch nachhaltigeren Lösung sucht.

Der Rechnungshof überprüfte die Förderungen vom Bund für die E-Mobilität und die vorhandene Ladeinfrastruktur für Elektroautos von den Jahren 2012 bis 2017. Bereits im Jahr 2010 hat sich die Republik Österreich zum Ziel gesetzt, dass bis zum Jahr 2020 in Österreich 250 000 zweispurige Elektrofahrzeuge zugelassen sein sollten. Das sind knapp 5 Prozent aller zugelassenen Fahrzeuge. Tatsächlich belief sich die Zahl der zugelassenen Elektrofahrzeuge bis Ende 2019 jedoch nur auf 0,8 Prozent, und das, obwohl es staatliche E-Mobilitätsförderungen gab, um das Ziel zu erreichen.

Dieses offensichtliche Versagen zieht sich sogar bis in das Umweltministerium durch: Selbst Ministerin Gewessler konnte mir im Rechnungshofausschuss meine Frage, wie viele Elektrofahrzeuge es in ihrem Ministerium mit Ende 2020 gab, nicht beantworten. Sie hat mir jedoch zugesagt, die Antwort nachzureichen. Dem ist sie bis jetzt nicht nachgekommen.

Der Rechnungshof hat in seinem Bericht auch festgehalten, dass der Bund keine Vorreiterrolle innehatte und das Ziel nicht erreichen konnte. Zusätzlich zu der nicht ganz durchschaubaren Förderungspolitik gab es kein einheitliches Ladestationsnetzwerk. Es gab zu viele verschiedene Anbieter, und auch hinsichtlich der Auffindbarkeit und der Nutzerfreundlichkeit gab es Probleme.


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Als Autofahrer hat man es in unserem Land nicht unbedingt einfach, wie jetzt auch die Erhöhung der Normverbrauchsabgabe gezeigt hat. Autofahren wird immer teurer, und immer weniger Menschen können sich ein neues Fahrzeug anschaffen, geschweige denn eines besitzen. Die Bevölkerung leidet unter der Coronapolitik unserer Regierung schon genug, doch Grün und Türkis sagen den Auto- und Motorradfahrern weiterhin den Kampf an. Das Verteufeln von Verbrennungsmotoren hat dabei auch weitreichende Folgen für unseren Staat, denn eine deutliche Steigerung des Marktanteils von Elektro­fahrzeugen mindert die Einnahmen der öffentlichen Hand immens. Mir ist daher nicht ganz klar, warum die Regierung nicht jetzt die verfügbaren Technologien forciert, wenn ein Verbrennungsmotor durch den Einsatz spezieller Treibstoffe ähnlich viel CO2-Emissionen verursacht, wie das bei der Elektromobilität der Fall ist, nämlich in Richtung null gehend. Dann spricht eigentlich nichts dagegen, dass weiterhin in die Verbrennungs­technologie investiert wird.

Wir brauchen daher dringend einen Kompromiss, denn die stufenweise Erhöhung der Steuern auf Diesel und Benzin oder auch die etappenweise Zulassung ausschließlich CO2-freier Antriebe bis 2030, wie es das Optimalszenario vorsieht, sind absolut praxisfern und könnten nur zulasten der gesamten österreichischen Bevölkerung durch­gesetzt werden. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

18.26


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Hermann Weratschnig. – Bitte.


18.26.11

Abgeordneter Hermann Weratschnig, MBA MSc (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsi­dentin! Sehr geehrte Frau Präsidentin Kraker! Werte Abgeordnete! Zum Thema Elek­tro­mobilität: Meine VorrednerInnen haben schon auf den Rechnungshofbericht verwiesen, auf den Prüfzeitraum von 2012 bis 2017, nämlich auf die Zielsetzung von damals, die nicht erreicht werden konnte, die unter den Regierungen von 2012 bis 2017 verfehlt wurde.

Wir bräuchten jetzt schon einen Anteil von 5 Prozent Elektromobilität im Fahrzeug­bestand, verzeichnen derzeit circa 1,1 Prozent. Das ist zu wenig. Das ist auch zu wenig, wenn wir an die Klimaziele denken, wenn wir daran denken, wie es 2030 und 2040 aus­schauen sollte.

Die Entscheidung für Batterieelektrik ist, glaube ich, gefallen. Wir haben jetzt die Verant­wortung, die richtigen Rahmenbedingungen so zu setzen, dass sich die Batterieelektrik und die CO2-reduzierten Technologien auch durchsetzen. Es wurde, wie gesagt, in der Vergangenheit einiges verabsäumt, wir haben aber in den letzten Jahren aufholen können. Das sieht man, wenn man sich die aktuellen Daten der Neuanschaffungen anschaut: Im März 2021 gibt es bereits einen Anteil der Elektrofahrzeuge von circa 10 Prozent. Das ist eine gute Zahl. Es gilt, da aufzuholen. Wir haben, glaube ich, die Schienen dafür gelegt.

Es nützen uns die Ziele allein nichts, wenn wir die Maßnahmen nicht auch umsetzen, mit Mut, auf Augenhöhe mit den Menschen und – auch immer wieder hier zitiert – mit Hausverstand, wobei für mich Hausverstand auch Verständnis für Klimaschutz bedeutet.

Bei den Klimazielen ist eines ganz klar: Wir haben eine Zielsetzung, nämlich 30 Prozent Anteil von Elektroautos bis 2030. Dort, wo das Auto gebraucht wird, wird es elektrisch betrieben, dort, wo das Angebot von Bus und Bahn gegeben ist, werden wir Bus und Bahn nutzen, und dort, wo es zu wenig Infrastruktur gibt, gilt es, die Infrastruktur für Bus und Bahn, aber auch die Ladestationen-Infrastruktur auszubauen. Die Aufholjagd beginnt, der Instrumentenkoffer ist gepackt.


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Vielleicht noch ein paar wichtige Dinge für die Zukunft: Wir sind überzeugt, dass es auch in Zukunft eine Förderpolitik brauchen wird, mit einer begleitenden, sehr starken Wirkanalyse, was die direkten und auch die indirekten Förderungen betrifft, auch was Befreiungen und Vergünstigungen betrifft. Das muss nicht alles gleich bleiben, so wie es ist – das ist richtig. Es braucht das Thema Right to Plug, es braucht Ladestationen in Mehrparteienhäusern. Wir müssen schauen, dass wir gerade die Zahl der Schnelllade­stationen verdoppeln. Wir müssen die Zulieferindustrie in Österreich – da gibt es sehr viele Chancen – dementsprechend stärken, sodass sie auch da auf dem Markt tätig sein kann. Es wurde schon erwähnt: der eigene Fuhrpark im öffentlichen Bereich. Das ist ein ganz wichtiges Thema. Da gilt es, auf alle Ebenen der Gebietskörperschaften einzu­wirken, da müssen wir besser werden.

Der letzte Punkt, würde ich sagen, ist die Achtsamkeit auf Reboundeffekte, sonst haben wir nämlich nichts von der Klimawirkung: E-Autos besonders für ländliche Regionen, aber weniger E-Autos für Zusatzverkehre in urbanen Regionen. Das müssen wir vermei­den, dafür müssen wir gemeinsame Mobilitätskonzepte schaffen. Es nutzt uns das E-Mobil nichts für das gute Gewissen, wenn wir trotzdem im Stau ersticken. Dazu braucht es eine Gesamtschau, und für diese Gesamtschau, für die Mobilitätswende arbeiten wir. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

18.30


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Hoyos-Trauttmansdorff. – Bitte.


18.30.36

Abgeordneter Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS): Frau Präsidentin! Frau Prä­sidentin des Rechnungshofes! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben wieder einmal einen Rechnungshofausschuss gehabt, wieder einige Berichte auf der Tagesordnung und, wie ich glaube, durchaus eine sehr angeregte Diskussion gehabt. Ich möchte mich an dieser Stelle auch bei der Frau Bundesministerin bedanken, die durchaus sehr aus­führlich, trotzdem aber auch wirklich auf unsere Fragen und Diskussionspunkte im Aus­schuss eingegangen ist.

Ich möchte wie meine Vorredner insbesondere auf die E-Mobilität fokussieren, weil das ein Bericht ist, der uns sehr klar aufzeigt, dass wir über die letzten Jahre sehr, sehr viel falsch gemacht haben. Man muss das, glaube ich, auch ganz offen ansprechen.

Die Zahlen wurden vorhin schon von verschiedenen Kollegen ausgeführt. Wenn wir uns anschauen, dass das Ziel war, 250 000 E-Fahrzeuge bis Ende 2020 zu haben, standen wir dann 2017, glaube ich, bei knapp 40 000. Daran sieht man, dass wir die Ziele ganz klar verfehlen und ganz klar auf einem falschen Weg sind. Der öffentliche Bereich wurde angesprochen, nämlich dass wir bei Dienstfahrzeugen, glaube ich, 0,18 Prozent an E-Fahrzeugen gehabt haben. Ich glaube, es waren zwölf an der Zahl, Kollege Singer hat es angesprochen.

Das zeigt, dass wir auf verschiedensten Ebenen wirklich nicht gut gearbeitet haben und unsere Ziele, die wir gehabt haben, einfach nicht ernst genommen haben. Das muss man, glaube ich, auch so deutlich ansprechen.

Es wurden auch die massiven Probleme, die für den Endkonsumenten, für den User entstehen, angesprochen, mit Ladesäulen, die nicht ganz klar nachvollziehbar sind, wobei man in den öffentlichen Verzeichnissen nicht findet, wann sie offen haben, welche Möglichkeiten es vor Ort gibt. Das Schnellladesystem beziehungsweise das fast nicht vorhandene Schnellladesystem in Österreich wurde schon angesprochen.

Was aber all das, finde ich, untermauert, ist, wie wir in der Politik über die letzten Jahre dazu gestanden sind. Dabei muss ich schon auch die letzte Regierung ansprechen, die


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das ja hätte erkennen müssen. Es ist ja nicht so, dass man Studien in Auftrag geben muss, um die Zahlen zu sehen, sondern wir sehen jedes Jahr, jedes Quartal die Neu­zulassungen, und es ist sehr klar, dass zu wenig Elektroautos für unsere Ziele zuge­lassen werden.

Was war die Reaktion von Bundeskanzler Sebastian Kurz in der letzten Regierung? – Na ja, machen wir eine große Pressekonferenz. – Das macht er jetzt auch sehr gerne, hat er auch schon damals mit der FPÖ gemeinsam gemacht. Und er hat groß über Was­serstoff als Zukunft gesprochen. Alle Expertinnen und Experten haben schon damals gesagt: Das wird sich nicht ausgehen! Wasserstoff gerne in speziellen Bereichen, in der Industrie, im Flugverkehr, vielleicht auch im Lkw-Langstrecken-Transit, aber nicht im Individualverkehr. – Das war Herrn Kurz aber egal, denn es war schön, sich dort hinzustellen und groß zu reden: Wir werden das revolutionieren, und Österreich wird sozusagen das Zentrum des Wasserstoffs in Europa sein.

Das war aber von Anfang an falsch. Das zeigt sich auch in neuesten Studien, die jetzt wieder präsentiert wurden, in denen man dann halt draufkommt – und ähnliche Studien gab es ja auch schon zur Zeit der letzten Regierung –, dass ein wasserstoffbetriebenes Auto sechsmal mehr Energie frisst als ein normales Elektroauto, weil einfach durch die Umwandlung so viel verlorengeht. Das zeigt sich beispielsweise auch beim Heizen. Heizen mit Wasserstoff braucht sechs- bis 14-mal so viel Energie. Das zeigt einfach ganz klar – das, glaube ich, ist etwas, das uns und insbesondere den Grünen heute in der Realität bei diesem Thema bewusst sein muss –, dass die ÖVP dabei nicht sachlich fundiert arbeitet, sondern dass es der ÖVP primär um Schlagzeilen gegangen ist. Das war in der letzten Regierung so und das ist leider auch heute noch so.

Ich bitte euch, hier wirklich Meter zu machen, selber als bald – vor wenigen Tagen ge­kauft – E-Fahrzeug-Fahrer. Es ist wirklich ein wichtiger Sprung, den wir in unserer Gene­ration, in unserer Gesellschaft machen müssen, da umzusteigen, weil ganz viel möglich ist. Wir müssen aber auch die Schritte setzen und den Rahmen schaffen, damit das attraktiv ist, damit es auch günstig und leistbar ist. Es muss wirklich Schritte in diese Richtung geben.

Sonst – das muss man ehrlich sagen – werden wir wieder PKs haben, dann wird sich Herr Kurz wieder hinstellen, irgendeine Wasserstoffmilliarde oder irgendetwas ver­sprechen – man weiß es nicht –, und wir werden keinen Meter weiterkommen. – Danke schön. (Beifall bei den NEOS.)

18.35


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Franz Hörl. – Bitte.


18.35.24

Abgeordneter Franz Hörl (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Präsidentin des Rechnungshofes! Meinem Vorredner muss ich in einer Sache widersprechen: Ich glaube, das Thema Wasserstoff ist natürlich ein sehr wichtiges Thema. Wenn ich auch zugebe, dass es vielleicht nicht für den privaten Pkw und für die Elektrofahrzeuge tauglich ist, so aber im Lastverkehr, bei Zügen, auch beim Heizen. Die Firma Mpreis in Tirol – ich lade dich gerne ein, schau dir das an! – heizt mit Wasserstoff die Backstube. Ich glaube, wir haben in Tirol einige ganz großartige Projekte. (Zwischenruf des Abg. Hoyos-Trauttmansdorff.) Ich lade dich herzlich ein!

Ich werde mich heute also zum Rechnungshofbericht betreffend „Klimaschutz in Öster­reich – Maßnahmen und Zielerreichung 2020“ äußern. Der Rechnungshof kritisiert, dass die österreichische Performance in den letzten Jahren bei der Reduktion der CO2-Emissionen etwas zögerlich war, und warnt davor, dass wir in Zukunft, wenn wir so


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weitermachen und die Ziele nicht erreichen, bis ungefähr 9,2 Milliarden Euro an Straf­zahlungen zu zahlen haben.

Ja, wir haben Verträge. Viele unserer diversen österreichischen Umwelt- und Landwirt­schaftsminister der letzten Legislaturperioden haben internationale Verträge abge­schlossen, den CO2-Ausstoß zu reduzieren, Kohlenstoffdioxid, das für Pflanzen sehr überlebenswichtig ist, aber eben Jahrzehnte in der Atmosphäre bleibt, zu vermeiden und die Erwärmung der Erde herunterzusetzen. Das ist ein Ziel, das wir selbstverständlich verfolgen, weil Österreich, aber auch die ganze Welt davon betroffen sind.

Die Klimaneutralität, die CO2-Reduktion soll also als Ziel bis 2040 insgesamt hergestellt werden, und das macht Sinn. Wir sind juristisch dazu verpflichtet, Verträge sind einzu­halten. Das ist eine Frage des Anstandes und des Charakters gegenüber der nächsten Generation, und es macht auch wirtschaftlich Sinn. Da meine ich nicht die steigende Schneegrenze, die immer wieder angeführt wird. Sie ist im Übrigen in den letzten 50 Jahren gerade um 100 Meter gestiegen, also kein Problem. Machen Sie sich keine Sorgen um den Wintertourismus, der funktioniert hervorragend!

Es ist aber allein das Einsparen von 7,4 Milliarden Euro an fossilen Brennstoffen, die wir nicht mehr kaufen. Zahlreiche Firmen – Hermann Weratschnig kann das bezeugen – machen in Tirol auch ein sehr gutes Geschäft beim Austausch von Heizungen oder dem Einbau von Fotovoltaikanlagen für alternative Energieformen. All das macht also Sinn.

Wie volatil und eng zugleich der CO2-Ausstoß mit der wirtschaftlichen Entwicklung und damit auch dem österreichischen Wohlstand zusammenhängt, sehen wir alleine daran, dass wir gerade jetzt in den Jahren 2020/21, also am Höhepunkt der Pandemie, den niedrigsten Wert seit 30 Jahren haben und dass wir in den Jahren der Wirtschaftskrise 2008/2009 ebenfalls weit über dem Ziel der CO2-Einsparung waren. Das zeigt uns doch, wie eng das Ganze mit der Wirtschaft und damit auch mit dem Wohlstand verbunden ist. Das zeigt uns aber auch, wie vorsichtig wir damit umgehen müssen, denn wenn wir da Fehler machen, dann geht das ganz schnell auf den Wohlstand und auf unsere wirtschaftliche Wohlstandsentwicklung.

Wir sind Optimisten, wir gehen davon aus, dass die Pandemie zu Ende ist. Heute gab es die ersten Biere, ich freue mich auch schon auf ein Bier. Wir hoffen, dass sich die Wirtschaft schnell erholt. Es ist eine Mammutaufgabe, die wirtschaftliche Erholung davon zu trennen, dass auch der Ausstoß von Treibhausgas wieder ansteigt. Dafür brauchen wir aktuelle Daten. Sie, der Rechnungshof, kritisieren zu Recht, dass die Veröffent­lichung dieser wichtigen Treibhausdaten sehr zögerlich kommt. Wir sprechen über das Jahr 2017, 2018 wurde gar nicht vorgelegt. Wir haben auf der anderen Seite aber bei Schlüsselkennzahlen in der Volkswirtschaft, bei der Arbeitslosigkeit, bei der Inflation, monatliche Berichte, beim Wirtschaftswachstum Quartalsberichte. Bei den Emissionen sind die Zahlen verzögert, und Sie haben recht: Angesichts der Bedeutung der Treib­hausgasemissionen für die Klimapolitik und zunehmend auch für die Wirtschaftspolitik ist es notwendig, dass wir aktuelle Zahlen haben, damit wir sofort reagieren können, damit es besser wird.

Was ich mir persönlich schon gewünscht hätte, Frau Präsidentin, wäre natürlich auch, dass bei einem wirtschaftlich so wichtigen, hochpolitischen und auch richtungs­weisen­den Thema die gesamtwirtschaftlichen Aspekte berücksichtigt werden, wie etwa Kosten, die Finanzierbarkeit, die sozialen Folgen und die Tragweite. Eine so wichtige Institution wie der Rechnungshof, der im Namen ja schon Rechnung trägt, sollte die Rechnung natürlich mit allen Kosten, mit allen Berechnungen machen. Ich glaube, man sollte in künftigen Berichten schon auch sehen, was das volkswirtschaftlich bedeutet.


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Mahner haben wir genug, bei den NGOs, auch bei den Kollegen hier im Parlament. Wir sollten das aber schon auch wie die Deutschen sehen, damit man auch weiß, was dahintersteckt, wie viel es für den Haushalt kostet und so weiter.

Was wir auch brauchen, hat Hermann Weratschnig ja schon gut angeschnitten: Wir brauchen nicht nur Ziele, sondern konkrete Umsetzungsschritte. Wir müssen ins Umset­zen kommen, und dazu bräuchten wir zum Beispiel für den ausreichenden Ausbau er­neuerbarer Energien – gerade an deine Fraktion gerichtet – Rahmenbedingungen, schnellere Verfahren. Wenn man beispielsweise für eine 380-kV-Leitung in Salzburg 76 Monate braucht, oder in Kühtai 118 Monate – das ist fast ein ganzes Leben –, um ein neues Pumpspeicherkraftwerk zu genehmigen, dann weiß ich nicht, wo wir die Energie herbekommen.

Eines muss auch klar sein: Wir müssen auch den Energieverbrauch zuordnen. Der Rechnungshof berichtet ja von Niederösterreich und Wien. Wien schneidet sehr gut ab und Niederösterreich schlecht, weil die Pendler in Niederösterreich tanken, dort ist es billiger, und in Wien den Diesel oder das Benzin verbrauchen. Unser Lieblingsthema in Tirol ist dieses sogenannte Dieselprivileg, das im Übrigen die Tiroler, wenn wir gleich besteuern, über 50 Millionen Euro jährlich kostet. Dieses Thema ist auch so eines: Da wird in Tirol getankt, und in Italien und in Deutschland wird verfahren. (Zwischenruf bei den Grünen.)

Deshalb, glaube ich, sind diese Dinge – das ist das Allerwichtigste – global anzu­schau­en. Wenn Sie das Klimaproblem lösen wollen, dann müssen Sie 100 Prozent des Klimas denken und nicht nur die 0,2 Prozent, die Österreich direkt betreffen. Wir müssen auch beachten, dass Europa insgesamt nur 10 Prozent des Problems hat, aber 40 Prozent der Kosten zahlt. Ich glaube, wir müssen das einfach ganz und global denken, umsetzen; und dann, glaube ich, könnten wir auch in eine gute Zukunft kommen. Unseren Beitrag, unsere Stärke und eure Kraft – dann schaffen wir das. (Beifall bei der ÖVP.)

18.41


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Andreas Kollross. – Bitte.


18.41.58

Abgeordneter Andreas Kollross (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Präsidentin des Rech­nungshofs! Ich möchte auch zur Klimapolitik und zum diesbezüglichen Bericht des Rech­nungshofs ein paar Anmerkungen machen. Ich darf mich vorher, Frau Präsidentin, sehr herzlich bei Ihnen und Ihrem Team bedanken, für Ihre Arbeit generell, aber ganz besonders für diesen Bericht, weil ich glaube, dass das natürlich ein Thema ist, das uns in der Gegenwart und in der Zukunft noch viel deutlicher beschäftigen muss – in Wirklichkeit parteiübergreifend beschäftigen muss –, als wir das bisher handhaben.

Deshalb glaube ich schon, dass dieser Bericht, den Sie hier mit Ihrem Team vorgelegt haben, ein nicht unwesentlicher Beitrag ist, um sich auch ein bisschen anzusehen: Wo stehen wir momentan? Sind wir auf dem richtigen Weg? Sind die Maßnahmen, die die Vorgängerregierung – von mir aus auch die Vorvorgängerregierung und die Vorvorvor­gängerregierung – gesetzt hat, schon ausreichend, oder sind sie nicht ausreichend?

Ich glaube, wenn man den Bericht ehrlich liest und sich das wirklich nicht auf eine parteipolitische Kappe hängt, dann muss man schlicht und einfach festhalten, dass alle Regierungen – wie auch die jetzige Regierung – bisher weit davon entfernt waren, die Maßnahmen, die es braucht, damit wir unsere Klimaschutzziele erreichen, wirklich mas­siv anzugehen. Das ist leider auch das Problem in der Gegenwart und in der momen­tanen Situation.


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Aus dem Bericht liest man heraus, dass man zwar auf einem Pfad ist, der in die richtige Richtung geht, aber dass man unumwunden festhalten muss, dass dieser Pfad in Wirklichkeit bisher nicht zum Ziel führt und dass es mehr und intensiveres Engagement und mehr Maßnahmen braucht, damit wir die von uns selbst vorgegebenen Klimaschutz­ziele auch wirklich erreichen.

Ich glaube, ganz, ganz wichtig ist – ein Vorredner hat es heute schon einmal gesagt –, sich zu fragen: Was bedeutet es für unsere Lebenssituation, wenn wir unsere Klima­schutzziele und alle anderen ihre Klimaschutzziele nicht erreichen, für die Menschheit generell und auch ökonomisch? Wir haben uns ja selbst diese 36-prozentige Reduktion vorgeschrieben gehabt, und da weiß man auch: Wenn wir das nicht erfüllen, müssen wir 9 Milliarden Euro aufbringen.

Nur, die 36 Prozent gelten ja gar nicht mehr, sondern mittlerweile gelten 55 Prozent, und somit reden wir nicht mehr von 9 Milliarden Euro, sondern von einem Vielfachen davon, also zumindest von einem zweistelligen Milliardenbetrag, den wir aufbringen müssen, wenn wir die Klimaschutzziele nicht erreichen. Das wirft natürlich auch die Frage auf – und das sollten wir uns einmal alle vor Augen halten –: Wer zahlt das dann?

Das heißt, wenn wir das nicht erreichen, dann kommt es zu einer massiven Belastung der Bürgerinnen und Bürger in Milliardenhöhe. Ich glaube, dass man die Diskussion endlich auch in diese Richtung führen muss, dass wir ein Belastungspaket haben wer­den, wenn wir die Klimaschutzziele nicht erreichen.

Es gibt noch einen Punkt – das sage ich jetzt als Bürgermeister, und dann höre ich schon auf –: Es gibt ja dann auch die Debatte darüber, wie die Kosten aufgeteilt werden. Da gibt es eben den momentanen Prozentschlüssel, der bald wieder neu verhandelt werden muss. 80 Prozent zahlt dann der Bund – also nicht der Bund zahlt, sondern der Steuerzahler –, und 20 Prozent zahlen die Länder, auch der Steuerzahler.

Als gelernter Bürgermeister und als gelernter Österreicher weiß ich: Wenn die Länder etwas zahlen, landet es am Ende des Tages bei den Gemeinden. Das heißt, nicht nur die Bürgerinnen und Bürger werden belastet, sondern es kommt auch ein zusätzliches Belastungspaket für die Gemeinden und Städte auf uns zu. Deshalb glaube ich, dass es wichtig ist, dass wir die Klimapolitik jetzt ernst nehmen, den Rechnungshofbericht ernst nehmen. Ein Nebensatz noch an die ÖVP: Ein bissel weniger Blockade, ein bissel mehr Klimapolitik und wir schaffen das auch! (Beifall bei der SPÖ.)

18.46


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Peter Schmiedlechner. – Bitte.


18.46.28

Abgeordneter Peter Schmiedlechner (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Rechnungshofpräsidentin! Sehr geehrte Zuseher und Zuseherinnen! Ich spreche über den Rechnungshofbericht betreffend Klimaschutz in Österreich. Klima- und Umwelt­politik ist uns allen ein wichtiges Anliegen. Der Bericht zeigt auf, dass Österreich die Klimaziele 2030 und 2050 deutlich nicht erreichen wird.

Da kann man sich nur wundern. Seit die ÖVP und die Grünen in der Regierung sind, werden nichts als Krisen produziert: Coronakrise, Klimakrise, Wirtschaftskrise, Regie­rungskrise, eine Krise jagt die nächste. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

In wirtschaftlich schwierigen Zeiten infolge des Coronamissmanagements der Bundes­regierung darf auf die Bürgerinnen und Bürger nicht vergessen werden. Statt auf die nächsten Steuererhöhungen, wie jüngst unlängst erst die NoVA oder die angedachte Erhöhung der Mineralölsteuer, sollten wir mehr auf Entlastung setzen.


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Der Entwurf des Klimaschutzgesetzes lässt Böses ahnen, wenn sogar die ÖVP-domi­nierte Wirtschaftskammer diesen als problematisch und untragbar bezeichnet. Man kann nur hoffen, dass dies verhindert wird. Wir sagen klar: Ja zum Klima- und Umweltschutz mit Hausverstand. Das belegen unsere Anträge, wie zum Beispiel „Förderung der Ent­wicklung heimischer Verpackungsalternativen“, „CO2 durch Humusaufbau binden“, „Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs – Umsetzung ,Nahverkehrsmilliarde‘ jetzt!“, „Bun­des­reparaturbonus“, „Ausstieg Österreichs aus dem Euratom-Vertrag“ und so weiter und so fort.

Leider werden diese Anträge stets von ÖVP und Grünen vertagt. Klimaschutz und Umweltschutz mit Hausverstand, Anreize schaffen anstatt Verbote und neuer Steuern – das ist unsere Devise. (Beifall bei der FPÖ.)

18.48


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Lukas Hammer. – Bitte.


18.48.48

Abgeordneter Lukas Hammer (Grüne): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Rech­nungs­hofpräsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wo soll ich anfangen? – Vielleicht zu Beginn etwas Positives: Kollege Kollross, ganz ohne Sarkasmus, ich freue mich wirklich, einen Kollegen von der sozialdemokratischen Partei so über Klimaschutz reden zu hören. Ich glaube, dass auch die SPÖ, das muss man zugestehen, da eine Entwick­lung durchgemacht hat, die ich als sehr positiv empfinde, weil man mittlerweile auch erkannt hat (Zwischenruf bei der SPÖ) – ich meine das wirklich ohne Sarkasmus! –, weil man mittlerweile auch erkannt hat, und das zeigt uns dieser Rechnungshofbericht heute, dass ein Nichthandeln beim Klimaschutz uns alle sehr teuer kommt.

Ich wollte Ihnen danken, Frau Rechnungshofpräsidentin, für diesen hervorragenden Bericht über die Klimaschutzpolitik in Österreich. Sie haben den Zeitraum 2015 bis 2019 untersucht – Herr Kollege von der FPÖ! –, als die Grünen noch nicht in der Regierung waren – in Klammern.

Ich meine, das Ergebnis fällt jetzt für alle, die sich ein bisschen mit Klimaschutz be­schäftigt haben, nicht besonders überraschend aus. Dieser Bericht dokumentiert im Prinzip das Scheitern der österreichischen Klimapolitik in den letzten 30 Jahren.

Die Europäische Union – alle Mitgliedstaaten zusammengenommen – hat im Durch­schnitt im Vergleich zu 1990 die CO2-Emissionen um 24 Prozent senken können, wie Sie in Ihrem Bericht dargelegt haben. In Österreich ist das leider nicht gelungen. Wir haben jetzt, nach 1990, sogar etwas mehr Emissionen. Das heißt, wir haben diesbezüg­lich sehr viel aufzuholen.

Der Rechnungshof warnt uns jetzt in seinem Bericht – es wurde schon erwähnt –: wenn wir so weitermachen wie in den letzten 30 Jahren, könnte uns das 9 Milliarden Euro bis 2030 allein an Zertifikatszukäufen kosten. Kollege Kollross hat erwähnt, dass durch die Verbesserung der EU-Klimaziele noch etwas dazukommen könnte. In dem Bericht ist auch erwähnt, dass wir bereits jetzt jedes Jahr 1 Milliarde Euro an Klimafolgekosten zu zahlen haben. Das zahlen die Landwirtschaft, die Forstwirtschaft, wir alle. Wenn wir den Klimawandel, die Klimakrise nicht eindämmen, dann wird diese Zahl auf fast 9 Milliarden Euro Klimafolgekosten pro Jahr in Österreich steigen. Ich glaube, es ist unsere Gesamt­verantwortung, das zu verhindern. (Beifall bei den Grünen.)

Der Rechnungshof hat sich, wie gesagt, die Klimapolitik angeschaut. Was kritisiert er? – Es fehlt eine gesamtheitliche Steuerungsverantwortung innerhalb des Bundes, aber auch zwischen Bund und Ländern. Die Mechanismen, die dazu führen, dass Maßnahmen


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verbessert werden, wenn die Klimaziele verfehlt werden, sind zu langsam und unzu­reichend. Es gibt viele verschiedene Punkte, die der Rechnungshof kritisiert.

Was der Rechnungshof empfiehlt, ist genau das, was wir hier im Hohen Haus mit einem ersten Schritt, einem Entschließungsantrag auf den Weg gebracht haben. Wir haben endlich einen verbindlichen Handlungsrahmen in Form eines neuen Klimaschutz­ge­setzes, mit dem wir einen pariskompatiblen Zielpfad und wirkliche Maßnahmen festle­gen, sodass eine gesamthafte Steuerungsverantwortung in Angriff genommen werden kann.

Dies könnte zum Beispiel mit einem Klimakabinett oder damit realisiert werden, dass es ein Treibhausgasbudget und einen Verantwortlichkeitsmechanismus gibt, indem wir, wenn wir unsere Ziele nicht erreichen, anstelle der Strafzahlungen oder der Zahlungen für Zertifikate in Klimaschutz im Inland investieren.

Ich glaube, es ist besonders dringend, und dieser Rechnungshofbericht mahnt uns, dass wir ein neues Klimaschutzgesetz brauchen. Das alte Klimaschutzgesetz, das wir seit zehn Jahren in Kraft haben und das hier beschlossen wurde, hat leider nicht den ge­wünschten Erfolg gebracht. Deswegen brauchen wir ein Klimaschutzgesetz, das Druck erzeugt, sodass wir endlich die Maßnahmen treffen, die wir brauchen, und die Ziele, die wir uns vornehmen, eingehalten werden. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

18.53


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Michael Bernhard. – Bitte.


18.53.30

Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Ich finde die Debatte rund um die österreichische Klimapolitik – in Wirklichkeit das letzte Jahrzehnt betreffend – ehrlicherweise recht lahm.

Denken wir einmal darüber nach, dass es in Wirklichkeit um die größte Krise im 21. Jahr­hundert geht und alle zentralen politischen Versprechen, die die letzten Bundesregie­rungen gemacht haben – unabhängig davon, ob die jetzt schwarz-rot, türkis-blau oder türkis-rot, wie dem auch sei, waren –, und jede einzelne Pressekonferenz in der Unwahr­heit versenkt worden sind, in Unfähigkeit, mit einer Krise umzugehen! Das haben wir jetzt bei Covid auch gesehen, aber in der Klimakrise ist es jeden einzelnen Tag so. (Beifall bei den NEOS.)

Alles, was das Parlament heute dazu zu sagen hat, wenn der Rechnungshof ein vernich­tendes Urteil über diese Klimapolitik ausspricht, ist, dass wir uns alleine um die Klima­wirtschaft, um die volkswirtschaftlichen Kosten Sorgen machen. – Ja, die wären verhee­rend. Sie stehen einerseits bei knapp 9 Milliarden Euro pro Jahr, das ist ein ziemlich hoher Anteil an unserem Staatsbudget, wenn wir das jetzt einmal umrechnen würden. Andererseits gibt es einmalige Strafzahlungen, die im zweistelligen Milliardenbereich sind.

Viel wichtiger aber ist die Frage, was für eine Welt wir denn der nächsten Generation hinterlassen würden, wenn nicht einmal Österreich seine Klimaziele einhält.

Wir sprechen einmal ganz grundsätzlich davon, dass Österreich, weil es einen inner­alpinen Raum hat, ohnehin eine doppelt so starke Erwärmung wie der Rest Europas hat, der nicht im gebirgigen Bereich ist. Wir reden generell davon, dass wir, selbst wenn wir unsere Ziele einhalten, im Durchschnitt bei 3, 3,5 Grad Plus sein werden. Das heißt: Vermurungen, Dörfer müssen abgesiedelt werden – übrigens auch in Tirol, lieber Franz


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Hörl, das betrifft nicht nur die Wiener. Es geht um Hochwasser, um Extremwetter­ereig­nisse, darum, dass die vulnerablen Gruppen, die wir jetzt alle von Covid kennen – kleine Kinder, Kranke, ältere Leute –, Gesundheitsprobleme kriegen, stärker die Erkrankungen spüren, stärker leiden und manchmal auch früher versterben. Eigentlich hat es die Politik in der Hand, all das zu bekämpfen, aber es wurde nicht gemacht.

Was hat denn der Rechnungshof ganz klar gesagt? – Er hat einerseits gesagt, dass wir die Ziele, auf die wir auch international eingegangen sind, mit den Maßnahmen, die in den letzten Jahren getroffen worden sind, keinesfalls hätten erreichen können. Er sagt, dass Vorschläge zur Reduktion im Verkehrssektor, die von Expertinnen und Experten an die Ministerien herangetragen worden sind, ignoriert wurden. Kein einziger der zentralen Vorschläge ist umgesetzt worden.

Was hat man noch gesehen? – Wir kennen es auch aus ganz vielen anderen Bereichen, dass die Koordinierungsrunden zwischen verschiedensten Ministerien, zwischen dem Bund und den Ländern immer dazu geführt haben, dass es keine messbaren Ziele und keine Koordinierung zwischen den einzelnen Playern gegeben hat und auch die Zahlen und Ziele im Nachhinein nicht mehr eruierbar waren. Weiters wurde beobachtet, dass die Länder Maßnahmen, Projekte und Programme vorgeschlagen oder erstellt haben, die nicht mit dem Bund zusammengepasst haben, und jeder sein eigenes Süppchen gekocht hat. Da darf man sich auch nicht wundern, dass am Ende nicht das Richtige herauskommt.

Ich möchte jetzt mit einem Appell auch schon wieder schließen. Alles in allem kann man natürlich einfach sagen: Der Rechnungshof hat evident gezeigt, dass die Klimapolitik aus Sicht der Wissenschaft und der Expertinnen und Experten, die im Rechnungshof sitzen, ein Nicht genügend bekommt. Dies war von der ÖVP getrieben. Das ist jetzt aber gar nicht so wichtig, wesentlicher ist ein anderes Merkmal. Man könnte jetzt fast schon vermuten: Jetzt gibt es ja eine türkis-grüne Regierung, jetzt ist alles gut, das Klima wird gerettet. Das ist aber nicht der Fall.

Das Wichtigste, was die Klimapolitik braucht, sind ein Rahmen, Langfristigkeit und ein Plan bis 2040, bis wir klimaneutral sind, damit sich die Menschen und die Wirtschaft in unserem Land darauf auch wirklich vorbereiten können. Dafür gibt es ein Klimaschutz­gesetz. Das haben uns die Grünen für den Juli 2020 versprochen. Wir haben bald Juli 2021 und es ist nichts da. Was wir infolgedessen jetzt einmal beurteilen können und im nächsten Rechnungshofbericht wahrscheinlich wieder sehen werden, ist: Egal ob die Sozialdemokraten, die ÖVP, die Grünen oder die FPÖ am Ruder sind, sie alle haben bis jetzt bewiesen, dass sie der Klimakrise nicht mit ausreichender Ernsthaftigkeit begeg­nen. – Einen schönen Abend. (Beifall bei den NEOS.)

18.58


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Martin Litschauer. – Bitte.


18.58.27

Abgeordneter Ing. Martin Litschauer (Grüne): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Rechnungshofpräsidentin! Mit der Elektromobilität haben wir tatsächlich eine Krise übernommen, und – Herr Kollege Schmiedlechner –: Die Krise haben wir von einem frei­heitlichen Minister übernommen, denn dieser Rechnungshofbericht zeigt eindeutig, dass die Ziele in den Jahren davor ganz klar verfehlt worden sind, als Ihr Minister zuständig war.

Die Elektromobilität ist mir aus mehreren Gründen ein großes Anliegen. Wir reden hier sehr viel von Treibhausgasemissionen, die wir einsparen können. Elektromobilität ist aber in Wirklichkeit mehr. Da geht es auch um Reduktion von Feinstaub und Lärm. Das


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sind Gesundheitskosten, die wir der Republik ersparen – und auch das muss man alles mitdenken und ansprechen.

Im Bericht sind unter anderem die Probleme mit den Ladestellen angeführt. Dazu sage ich: Ja, da brauchen wir durchaus einheitliche Systeme und, ich glaube, auch Abrech­nungen, die mehr in Richtung Kilowattstunden und weniger in Zeitabrechnungen gehen. Smarte Stationen bedeutet für mich aber auch, dass wir vielleicht mehr Speicherlösun­gen brauchen. In Oberösterreich gibt es eine Firma, die Schnellladestationen mit Speiche­rung entwickelt hat, damit die Spitzen gar nicht im Netz auftreten, wenn Schnellladungen durchgeführt werden. Das sind genau die Dinge, die wir umsetzen müssen, und ich freue mich, wenn österreichische Firmen mit dabei sind.

Bei den Elektroautos hat es auch eine Entwicklung gegeben, die Autos können jetzt viel mehr daheim geladen werden, da die Reichweiten einfach höher geworden sind. Das heißt, da ist sehr viel Dynamik im Markt und wir werden uns das anschauen, denn das ist ein großer Teil der Energiewende.

Worauf ich aber schon ganz kurz aufmerksam machen möchte: Wenn wir von CO2-neutralen Treibstoffen reden, ist das, glaube ich, nicht ganz so einfach es ist zuerst schon die Diskussion hinsichtlich Wasserstoff geführt worden, das trifft aber auch auf andere Treibstoffe zu, besonders dann, wenn es um Verbrennungsmotoren geht , denn der Wirkungsgrad eines Antriebs muss schon mit angeschaut werden. Es kann nicht nur um die CO2-Neutralität gehen, denn wir müssen die Energie für CO2-neutrale Treibstoffe aufbringen. Wenn wir verglichen mit einem Elektroantrieb  drei- oder viermal so viel Energie reinstecken müssen, dann kann das nicht unser Ziel sein, denn da sind die Möglichkeiten begrenzt.

Deswegen auch mein Schlussplädoyer: Es muss noch viel mehr auf die Schiene kom­men, denn der effizienteste Elektroantrieb ist im Zug, deswegen müssen wir Güter vor­erst hauptsächlich mit dem Zug transportieren. Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.01


Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich Frau Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Präsidentin.


19.01.06

Präsidentin des Rechnungshofes Dr. Margit Kraker: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren! In den Berichten, die heute auf der Tagesordnung stehen, befasst sich der Rechnungshof mit einer der wichtigsten Herausforderungen unserer Zeit, nämlich mit der Frage, wie es um den Beitrag Österreichs bei der Erreichung der Klima- und Energieziele bestellt ist. Lassen Sie mich kurz darlegen, was der Rechnungshof hierzu festgestellt und zu sagen hat!

Der Klimaschutz zählt ja zu jenen Bereichen, in denen die Zeit dagegenarbeitet und daher rasch zusätzliche Maßnahmen und Anstrengungen in Bezug auf die Reduktion der Treibhausgasemissionen und in Bezug auf die technologischen Innovationen zu unternehmen sind. Mit den bestehenden Maßnahmen werden wir die Klimaziele 2030 und 2050 deutlich verfehlen, daher braucht es wirksame und verbindliche Maßnahmen für die Zukunft.

Sehr geehrte Damen und Herren! Österreich ist von der Klimaerwärmung besonders betroffen. Der Temperaturzuwachs war im Prüfzeitraum etwa doppelt so hoch wie im globalen Mittel. Österreich war aber auch einer von jenen sechs EU-Staaten, die im Zeitraum 1990 bis 2017 keine Verringerung der Treibhausgasemissionen auswiesen, sondern Österreich verzeichnete leider einen Anstieg um fast 5 Prozent. Da gibt es eben große gesellschaftliche und volkswirtschaftliche Auswirkungen des Klimawandels. Diese


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haben wir im Bericht skizziert und das zeigt unser Bericht zum Klimaschutz auch ganz klar auf.

Zur Elektromobilität: Das ist eine Maßnahme zur Reduktion der Treibhausgas­emis­sio­nen, dazu gibt es ebenfalls einen Bericht, aber ich möchte mich jetzt auf den Klima­schutzbericht konzentrieren. In dieser Prüfung haben wir uns zum Ziel gesetzt, zu schauen, wie Österreich die rechtlichen Verpflichtungen und Zielvorgaben, denen wir unterliegen, tatsächlich erfüllt. Wir haben versucht, gesamthaft einen Überblick für den  Bereich Nichtemissionshandel das ist jener Bereich, der 63 Prozent der Gesamtemis­sionen ausmacht zu geben. Wir überprüften, ob die Klimaziele für 2020 und darüber hinaus erreicht werden können. Es handelt sich dabei um Ziele, die politisch festgelegt wurden, und zwar auf unterschiedlichen politischen Ebenen: national, europäisch da wirkt auch Österreich mit  und international.

Es bestanden internationale und unionsrechtliche Verpflichtungen für Österreich, die Treibhausgasemissionen im Bereich Nichtemissionshandel bis 2020 gegenüber 2005 um 16 Prozent zu reduzieren, bis 2030 müssen die Emissionen um 36 Prozent reduziert werden. Zusätzlich gibt oder gab es eine Langfriststrategie der Europäischen Kommis­sion mit dem Ziel, bis 2050 um 80 Prozent beziehungsweise 100 Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren, und es gibt österreichische Vorgaben, die im Klimaschutzgesetz festgelegt sind. Dies sieht auch eine Aufteilung der jährlichen Emissionsmengen in den Sektoren Verkehr, Gebäude, Landwirtschaft, Energie und Industrie, Abfallwirtschaft und fluorierte Gase vor.

Der Rechnungshof hat die Jahre 2015 bis 2019 geprüft, wir haben jene Daten in den Bericht aufgenommen, die zum Zeitpunkt der Prüfung verfügbar waren. Mittlerweile wissen wir, dass der Zielpfad nicht nur 2017, sondern eben auch im Jahr 2019 nicht eingehalten, sondern überschritten wurde. Was wir bei der Prüfung nicht berücksichtigen konnten, sind die neuen Entwicklungen auf europäischer Ebene durch den European Green Deal, da gibt es nämlich noch keine Umlegung auf nationale Zielvorgaben. Klar ist aber, dass natürlich die Zielvorgaben angesichts der fortgeschrittenen Zeit noch strenger ausfallen müssen.

Ja, der Bericht listet auf, wo Österreich steht, und warnt davor, dass es im Fall, dass Österreich die Klimaziele bis 2030 nicht erreicht, zu Strafzahlungen kommen wird. Eine erste Abrechnung auf EU-Ebene wird im Jahr 2027 erfolgen. Das sind, sehr geehrte Damen und Herren, Zahlungen, die man nach Ansicht des Rechnungshofes sinn­vollerweise vermeiden sollte. Für eine nachhaltige Trendwende ist eine dauerhafte Sen­kung der Treibhausgasemissionen mithilfe strukturell wirksamer Maßnahmen, die plan­bar, mit einem regelmäßigen Monitoring überprüfbar und messbar sind, erforderlich.

Der bisherige Mechanismus bei einer Überschreitung der Zielwerte hat viel zu lange gedauert. Es kam erst im Frühjahr 2020 zu einem neuen Maßnahmenpaket, als der Zielwert 2017 überschritten wurde. Das haben wir kritisch gesehen. Bis 2016 konnte durch die Übererfüllung der Klimaziele ein Guthaben aufgebaut werden, das sich aufgrund der Zielpfadüberschreitungen jedoch seit 2017 verringerte. Da ist der Sektor Verkehr besonders anzusprechen, er macht ja die Hälfte der Treibhausgasemissionen im Bereich Nichtemissionshandel aus, seit 2016 haben wir da die vorgeschriebenen Reduktionsziele nicht erreicht. Natürlich ist auch der Sektor Landwirtschaft ein relevanter Bereich in puncto Emissionshöchstwerte.

Prognoseberechnungen zeigen, dass Österreich von einer Zielerreichung für das Jahr 2030 und auch von der Erreichung des Zielpfads für 2050 sehr weit entfernt ist. Das hätte eben die Kompensationszahlungen zur Folge. Dem Rechnungshof lagen Schät-


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zungen vor, die von Beträgen bis zu 9,2 Milliarden Euro für den Ankauf der Emissions­zertifikate ausgehen das entspricht exakt dem Projektvolumen des Brennerbasis­tunnels, den wir heute noch auf der Tagesordnung haben –, dafür sind entsprechende Vorsorgemaßnahmen in finanzieller Hinsicht zu treffen. Die Kosten werden, wie schon gesagt wurde, zwischen Bund und Ländern geteilt getragen, im Verhältnis 80 : 20. Die Kostenaufteilung erfolgt nach dem Bevölkerungsschlüssel, aber wir glauben, dass da natürlich eine noch stärker verursachergerechte Regelung zielführend wäre, da sie mehr Ambition auslöst.

Wir haben zwei Bundesländer Niederösterreich und Oberösterreich geprüft, denn es ist eine gesamtösterreichische Kraftanstrengung auf diesem Gebiet notwendig. Es gilt ja, auch bei aufgeteilten Zuständigkeiten Ziele gleichermaßen ambitioniert zu verfolgen und auch zu erreichen. Das Land Niederösterreich war in Bezug auf den Prozess, den es aufgesetzt hat, relativ vorbildlich, es gab einen eigenen Prozess mit klaren strate­gischen Vorgaben, eine eigene Monitoringdatenbank. In Oberösterreich fehlte eine geeignete Struktur.

Wir haben auch Empfehlungen ausgesprochen, die für das neue Klimaschutzgesetz relevant sein werden. Diese Empfehlungen werden wir dann in einer Stellungnahme zum Klimaschutzgesetz, wenn dieses in Begutachtung kommt, auf Basis unseres Berichtes entsprechend ausführen. Zentral sind für uns eine präzise Formulierung der Maß­nahmen mit genauen Angaben zum Umsetzungszeitraum, zur Wirksamkeit, zur Finan­zierung. Die Maßnahmen sollten entsprechend ihrer zu erwartenden Treibhausgas­reduktionswirkung priorisiert werden. Es sollte klare harmonisierte Zielvorgaben geben, die Indikatoren sollten auf bundesweit einheitlichen Berechnungsgrundlagen beruhen, damit wir alle gemeinsam diese Kraftanstrengung machen können.

Ja, Klimaschutz stellt in Österreich wie so viele Zukunftsaufgaben insgesamt eine Querschnittsmaterie zwischen Bund und Ländern dar. Es wird deshalb in Zukunft von großer Bedeutung sein, die Zusammenarbeit und Abstimmung zwischen den zustän­digen Bundesministerien, zwischen den Bundeseinrichtungen, zwischen Bund und Ländern optimal auszugestalten und geeignete Prozesse für eine gesamthafte Steue­rungsverantwortung zur Umsetzung der Klimaschutzmaßnahmen zu implementieren. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

19.10


Präsidentin Doris Bures: Zu diesem Tagesordnungspunkt ist nun niemand mehr zu Wort gemeldet. Somit wird die Debatte geschlossen.

Ist seitens der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Wie vereinbart verlege ich die Abstimmung an den Schluss der Verhandlungen über die Vorlagen des Rechnungshofausschusses.

19.10.3318. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Bahnprojekt: Brenner Basistunnel; Follow-up-Überprüfung – Reihe BUND 2020/17 (III-132/824 d.B.)

19. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Traunseetram – Reihe BUND 2020/34 (III-182/825 d.B.)


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20. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Forschungsförderungsprogramm COMET – „Competence Centers for Excellent Technologies“ – Reihe BUND 2018/38 (III-9/827 d.B.)

21. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend COMET-Zentren; ACIB GmbH und Linz Center of Mechatronics GmbH – Reihe BUND 2019/3 (III-20/828 d.B.)

22. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Graz-Köflacher Bahn und Busbetrieb GmbH; Follow-up-Überprüfung – Reihe BUND 2019/16 (III-31/829 d.B.)

23. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Flächennutzung im Bereich der Neuen Donau, der Donauinsel und des Donaukanals; Follow-up-Überprüfung – Reihe BUND 2019/26 (III-41/830 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen zu den Punkten 18 bis 23 der Tagesordnung, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Auch dies sind Berichte des Rechnungshofausschusses, hinsichtlich der einzelnen Aus­schussberichte verweise ich auf die Ihnen vorliegende Tagesordnung.

Erster Redner dazu: Herr Abgeordneter Hermann Gahr. – Bitte.


19.10.58

Abgeordneter Hermann Gahr (ÖVP): Frau Präsident! Frau Präsident des Rechnungs­hofes! Geschätzte Damen und Herren! Hohes Haus! Der Rechnungshof hat das bedeutende Infrastruktur- und Mobilitätsprojekt Brennerbasistunnel geprüft, und das ist schon eine Follow-up-Überprüfung. Es ist darum gegangen, wie sich dieses Projekt aktuell in der Umsetzung zeigt. Es geht einfach darum, dass es da durchaus Mängel und Verzögerungen gibt.

Der Rechnungshof hat insgesamt 15 Empfehlungen ausgesprochen, Frau Präsident, wovon neun und eine teilweise umgesetzt wurden, und fünf Empfehlungen wurden nicht umgesetzt. Absolutes Ziel dieses Projektes ist es, den Güterverkehr von der Straße auf die Schiene zu verlagern. Ich glaube, da müssen wir alle mit Nachdruck verkehrs­politisch, aber natürlich auch interessenpolitisch nachsetzen.

Insgesamt gab es vier Hauptkritikpunkte oder maßgebliche Punkte. Einerseits waren das die Finanzpläne, die leider nur jährlich erstellt wurden und die somit keine langfristige Perspektive geben konnten. Es wurde da durchaus, glaube ich, vom Rechnungshof berechtigterweise kritisiert, dass es längerfristige Finanzpläne hätte geben sollen.

Zweitens gab es, was die Kostenprognosen betrifft – das hat dann natürlich wieder indirekt auch mit den Finanzplänen zu tun –, Kritik, dass es keine laufenden Kosten­prognosen gegeben hat, die dem Aufsichtsrat zur Vorlage gedient hätten.


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Eine weitere Kritik des Rechnungshofes war, dass es Verzögerungen gegeben hat. Es hat zwischen dem italienischen Vorstand und dem österreichischen Vorstand Uneinig­keit gegeben, was die bahntechnische Ausstattung betrifft, und dadurch ist es durchaus auch zu Verzögerungen gekommen. Insgesamt, glaube ich, ist zum Thema Zeitplan, Ablauf natürlich auch klar festgestellt worden, dass es durch die Uneinigkeit und durch interne Mängel in der Geschäftsführung auch verspätete Umsetzungen gibt.

Insgesamt ist eines wichtig: Wir brauchen diesen Brennerbasistunnel möglichst zeitnah. Es gibt ja aktuell ein Ziel für dieses Projekt, die Fertigstellung bis 2028, aber durch diese aktuelle Situation wird sich das mindestens bis 2030 verzögern. Durchaus kritisch ist natürlich auch das zu sehen, was den Zulauf betrifft. Da haben wir durchaus unsere Probleme mit Deutschland, wo es innerhalb von Deutschland Uneinigkeit zwischen Bayern und der deutschen Bundesregierung gibt, was den Zulauf betrifft.

Positiv – und das darf man hier erwähnen – ist, dass es im April eine Trassenprä­sentation gegeben hat. Das ist einerseits einmal erfreulich, andererseits muss diese Trasse natürlich jetzt auch in einem Bürgerbeteiligungsverfahren umgesetzt werden, und das bedeutet auch, dass es da weitere Verzögerungen geben wird.

Zusammengefasst kann man schon sagen, dass es eine bessere Abstimmung zwischen Deutschland, Österreich und Italien braucht und natürlich auch die europäische Dimen­sion verstärkt, sage ich, in den Vordergrund gerückt werden muss. Es geht einfach um eine Verkehrsverlagerung bei dieser TEN-Achse von Berlin bis Palermo, wobei auf insgesamt 1 000 Kilometern dann Güter transportiert werden können.

Abschließend darf man sagen, es ist ein Projekt, das der Rechnungshof über die Jahre durchaus kritisch betrachtet. Danke, Frau Präsident, ich glaube, es ist wichtig, dass wir bei so einem bedeutenden Projekt mit so einem Kostenaufwand und solchen Finanzie­rungskosten schon immer wieder genau hinsehen, dass es da zu einer möglichst zeitnahen Umsetzung kommt.

Ich möchte sagen, es geht darum, dass wir das Ziel der Verkehrsverlagerung, das Ziel des Klimaschutzes erreichen, wenn wir gemeinsam an diesem Projekt arbeiten. Da sind wir gemeinsam gefordert. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

19.15


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Melanie Erasim. – Bitte.


19.15.27

Abgeordnete Melanie Erasim, MSc (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Rechnungshof­prä­sidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Beim hier zu behandelnden Rechnungshofbericht zum Brennerbasistunnel handelt es sich um einen sogenannten Follow-up-Bericht zum Bericht aus dem Jahr 2017.

Eine kurze Erklärung zum Grundsätzlichen, auch wenn mein Vorredner viele Eckpunkte schon erwähnt hat: Die BBT SE ist eine italienisch-österreichische Projektgesellschaft, die den Brennerbasistunnel plant und baut. Das 56 Kilometer lange Tunnelprojekt zwischen Innsbruck und Franzensfeste ist Kernstück des Brennerkorridors von München nach Verona und Teil des europäischen Hochgeschwindigkeitsschienennetzes, es wird von der EU kofinanziert.

Was war das Ergebnis dieses Follow-up-Berichtes? – Das Ergebnis war, dass neun der 15 Empfehlungen des ursprünglichen Berichtes umgesetzt wurden, eine, wie schon erwähnt, nur zum Teil, und fünf sind eben auf taube Ohren gestoßen.


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Das größte Manko wurde im Bereich der Finanzpläne erachtet, die nach wie vor nur einjährig vorgelegt wurden, obwohl diese für die nötige Finanzierungssicherheit dieses – ja, ich möchte schon fast sagen – Jahrhundertprojektes wichtig wären. Ebenso fehlten jährliche Kostenprognosen und Risikoanalysen. Beides wurde nur vereinzelt und eben nicht jährlich durchgeführt.

Das größte Problem lag aber darin, dass für die Bauprogramme der Jahre 2016 und 2018 auch die Genehmigungen des Aufsichtsrates fehlten, und so gehen die Verzöge­rungen der Fertigstellung voran. Der ursprüngliche finale Bau und die ursprüngliche Instandsetzung war mit 2026 geplant. Jetzt sind wir mittlerweile schon bei 2030.

Es handelt sich dabei um eine weitere Verzögerung, die durch die Auflösung des Vertrages mit einer Baufirma aufgrund technischer Differenzen zurückzuführen ist, und so steht das Baulos Pfons-Brenner bereits seit mehreren Monaten still. Bei dem fast 1 Milliarde Euro schweren Baulos handelt es sich um den größten Bauabschnitt auf österreichischem Boden.

Auch wenn im Ausschuss versichert wurde, dass das neu besetzte Management ange­halten ist, die Auswirkungen auf den Zeitplan zu minimieren, möchte ich eines festhalten: Rechtliches Hickhack oder langgezogene Dispute technischer Natur dürfen nicht immer wieder zulasten der Inbetriebnahme gehen.

Als fix ist anzunehmen, dass diese bereits eingeleitete Neuausschreibung den Bauzeit­plan um weitere Jahre verzögern wird. Zusagen, dass dieser Verlängerung durch opti­mierte Bauzeitpläne entgegengewirkt werden soll, empfinde ich ehrlich gesagt lediglich als Lippenbekenntnisse ohne Substanz. (Zwischenruf des Abg. Schmuckenschlager.)

Wir als SPÖ können auch als Schienenförderungspartei Österreichs bezeichnet werden, und so appellieren wir vehement, alles daranzusetzen, die Bauarbeiten raschest wieder aufzunehmen, um die Zukunft des internationalen Verkehrs im wahrsten Sinne des Wortes auf die Schiene zu bringen, denn die beste Umwelt- und Klimapolitik ist eine aktive Ausbaupolitik im Bahnverkehr. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

19.19


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster ist Herr Abgeordneter Hermann Weratschnig zu Wort gemeldet. – Bitte.


19.19.23

Abgeordneter Hermann Weratschnig, MBA MSc (Grüne): Sehr geehrte Frau Prä­sidentin! Sehr geehrte Frau Präsidentin des Rechnungshofes! Werte Abgeordnete! Zum Bericht über den Follow-up-Bericht betreffend Brennerbasistunnel vielleicht zuerst kurz zu den Zahlen, was den Güterverkehr und die Güterverkehrsentwicklung betrifft: Progno­sen gehen davon aus, dass der Güterverkehr bis 2040 um 40 Prozent steigen wird. Schon jetzt sind vom gesamten Güterverkehrsvolumen in Österreich 80 Prozent des Volumens grenzüberschreitend.

Das sind grundsätzlich besorgniserregende Zahlen, die man so nicht stehen lassen kann und die uns zu klaren Thesen führen: Ja, es wird notwendig sein, das Wirtschafts­wachstum vom Verkehrswachstum zu entkoppeln.

Und ja, technologischer Fortschritt alleine rettet das Klima nicht und wird auch nicht das Transitproblem und Verkehrsprobleme in den Gemeinden lösen, geschweige denn Maßnahmen gegen den überbordenden Transit liefern, wie wir gerade auch in Tirol spüren.

Und ja, es gibt ein österreichisches Schienendrittel – man spricht in der Verlagerung immer davon; ungefähr ein Drittel des Gütervolumens haben wir derzeit auf der Bahn, 25 bis 30 Prozent. Das ist EU-weit relativ gut, hilft uns aber vor allem aus der Sicht der


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transitgeplagten Bevölkerung nicht, wenn wir den Blick in die Zukunft wagen, wie sich der Güterverkehr entwickeln wird. Da braucht es auf jeden Fall mehr Bahninfrastruktur, und der Brennerbasistunnel ist ein Herzstück, ein europäisches Herzstück in der Entwicklung dieser Bahninfrastruktur. Das Herz wird aber nur dann in einer gesunden Frequenz schlagen, wenn Zeitpläne, Kostenpläne eingehalten werden, wenn Kontrolle und Transparenz funktionieren, wenn der Zweck erfüllt wird, nämlich die Verlagerung von der Straße auf die Schiene.

Werte Abgeordnete, das ist das Hauptziel, dass wir dieses Schienendrittel erhöhen, dass wir den Zweck erfüllen, dass wir den Klimazielen in diesem Bereich, vor allem im Ver­kehrsbereich, näherkommen. Und diese verbindliche Verlagerung ist derzeit die Heraus­forderung auf europäischer Ebene.

Es braucht mehr Kostenwahrheit auf der Straße, der Preisunterschied und der Zeitfaktor entscheiden bei den Unternehmen, ob sie auf die Bahn oder auf die Straße setzen. Das geht nur grenzüberschreitend mit bester Logistik.

Was braucht es in Zukunft, damit dieses große Projekt Brennerbasistunnel auch funktio­niert? – Es braucht funktionierende Zulaufstrecken, damit die Logistikkette funktioniert. Ich glaube, es ist auch viel Achtsamkeit beim Bau dieser Zulaufstrecken in Deutschland und auch in Tirol geboten, was das Thema BürgerInnenbeteiligung betrifft, was es betrifft, Projekte zu verbessern, indem man BürgerInnen aktiv beteiligt.

Für uns ist auch ganz klar, dass es in Zukunft im Güterverkehr eine Debatte geben wird müssen, dass es ab einer bestimmten Kilometerzahl eine Schienenverpflichtung gibt – 300 Kilometer, 400 Kilometer –, natürlich dort, wo die Bahninfrastruktur vorhanden ist. Es braucht da Instrumente der Verlagerungspolitik, allein der CO2-Preis, allein der Ausstoß der Lkws wird es nicht sein. Dafür müssen wir uns auf jeden Fall europaweit einsetzen, genauso wie auch bei der Debatte über die Wegekostenrichtlinie. Es braucht eine faire Bemautung – am Beispiel Tirol haben wir es, glaube ich, auf dem Tisch – zwischen München und Verona. Alle Absichtserklärungen liegen vor, jetzt geht es darum, das mit den PartnerInnen, mit den Nachbarstaaten auch umzusetzen.

Die Schaffung eines europäischen Eisenbahnraumes wurde hier im Hohen Haus auch schon sehr oft diskutiert. Dazu muss ich ganz klar sagen: Schluss mit den Barrieren, keine Rücksicht auf nationale Befindlichkeiten und die volle Breite an Digitalisierung, die beste Logistik für die Unternehmen nutzen!

Und ja, gute Klimaschutzpolitik, gute Bahnpolitik heißt auch gute Sozialpolitik, es gibt da keine Widersprüche. Auch wenn hier immer wieder versucht wird, diese Widersprüche aufzuzeigen: Ich glaube, dass wir beides brauchen.

Abschließend: Wir werden jede Bahn brauchen und auch den Brennerbasistunnel, wir werden jeden Bus brauchen, wir werden jede erneuerbare Energiequelle brauchen, es wird hier auch der Wasserstoff dabei sein, aber nicht oder weniger für die Anwendung im Bereich des Pkw-Verkehrs, sondern vor allem in der Industrie, vor allem auch im Luftverkehr, dort wird es auch diese Technologien brauchen. Es braucht aber auf jeden Fall, werte Abgeordnete, Kreativität, Ideen und euren Einsatz. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

19.24


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet: Herr Abgeordneter Felix Eypeltauer. – Bitte.


19.24.53

Abgeordneter Mag. Felix Eypeltauer (NEOS): Frau Präsidentin! Frau Präsidentin des Rechnungshofes! Hohes Haus! Wer Inspiration für eine weitere Folge oder vielleicht


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sogar Staffel „Braunschlag“ sucht, der findet sie in der Causa Gmundner Traunseetram inklusive schönem Setting, übrigens am schönen Traunsee, im Schatten des Traunsteins, meines Lieblingsberges. Dort haben sich das Land Oberösterreich und die Stadt Gmunden seit 2003 ein Musterbeispiel an Provinzfuhrwerken geleistet, das nahezu alle Stückl spielt, die man sich so wünschen kann.

Es geht um eine 800 Meter lange Durchbindungsstrecke zwischen der Straßenbahn und der Lokalbahn nach Vorchdorf. Bis in das Jahr 2030 wird das Projekt 170 Millionen Euro gekostet haben.

Warum ist das so skurril und eigentlich ein Wahnsinn? – Zum Ersten aufgrund der Dauer: Grundsatzentscheidung im April 2003, Fertigstellung 2018, das sind 15 Jahre für eine Strecke von 800 Metern. Wenn wir in diesem Tempo die Schiene in Oberösterreich weiter ausbauen, dann geht sich das mit der Klimaneutralität im Verkehr wirklich nicht aus. Und dann sind da – ich zitiere den Rechnungshof – grobe Mängel und mangelnde Objektivität.

Ich lade Sie ein – auch alle, die sich diese Rede irgendwann anschauen –, sich das mit mir gemeinsam anzuschauen, den Bericht zu lesen, er ist öffentlich. Die Machbar­keitsstudie für dieses Projekt führt ein Beirat durch, in dem zwar nicht das Ministerium, das dann 20 Prozent mitfinanziert, oder der Oberösterreichische Verkehrsverbund ver­treten sind, aber dafür jene Firma – sie heißt Stern & Hafferl –, die das Projekt dann auch baut und betreibt.

Die Kosten-Nutzen-Analyse und die Potenzialanalyse im Auftrag der oberösterreichi­schen Landesregierung macht dann überhaupt nur mehr die Firma, die am Schluss das Projekt dann auch baut und betreibt.

Das Ergebnis: Die Traunseetram wird jetzt viel zu wenig genützt und kostet über die Jahre unfassbar viel Steuergeld. Statt der prognostizierten 1,66 Millionen Euro sind es 4 Millionen Euro an Kosten im Jahr, und statt einem Nutzen von 2,15 Millionen Euro, wie prognostiziert wurde, sind es nur 1,43 Millionen Euro an Nutzen im Jahr – die Kosten machen also das Dreifache des Nutzens aus. Die Traunseetram hätte aus finanzieller und verkehrswirtschaftlicher Sicht einfach nie realisiert werden dürfen.

Es ist wirklich unfassbar, wie das Land Oberösterreich und die Stadt Gmunden da gefuhrwerkt haben, und daher muss der Bund, wenn er bei solchen Projekten mitfinan­ziert, Kontrolle ausüben und selbst prüfen, ob die Entscheidungsgrundlagen überhaupt plausibel und sauber sind, denn Compliance scheint in manchen Ländern, auch im Land Oberösterreich, immer wieder ein Fremdwort zu sein.

Wenn ich mir überlege, wie viele Millionen und Abermillionen in den nächsten Jahren in Verkehr und Verkehrsinfrastruktur investiert werden sollen, dann weiß ich eines: Im Proporzland Oberösterreich braucht es dringend eine Kontrollkraft, die solche Steuergeldverschwendungen künftig verhindert beziehungsweise das aufdeckt, bevor es passiert. – Danke. (Beifall bei den NEOS.)

19.27


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Laurenz Pöttinger. – Bitte.


19.28.08

Abgeordneter Laurenz Pöttinger (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Frau Präsidentin des Rechnungshofes! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Kollege Eypeltauer, das war jetzt offensichtlich schon eine Wahlrede von Ihnen und Sie haben da wirklich nur die kritischsten Punkte herausgenommen. (Zwischenruf des Abg. Loacker.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll105. Sitzung, 19. Mai 2021 / Seite 194

Danke auf jeden Fall dem Rechnungshof für den umfangreichen Bericht betreffend Traunseetram. Bereits 2003 erfolgte die Grundsatzentscheidung für die Verbindung der Straßenbahn Gmunden mit der Lokalbahn Gmunden–Vorchdorf, und für diese Verbin­dung der 2,3 Kilometer langen Straßenbahn mit der 14,9 Kilometer langen Lokalbahn­linie musste eine 800 Meter lange Durchbindungsstrecke gebaut werden, Gesamtlänge somit 18 Kilometer. Die Umsetzung erfolgte dann von 2014 bis 2018, also nicht in 15 Jahren, wie Sie fälschlicherweise gesagt haben, 2003 war nur die Grundsatzent­schei­dung.

Positiv wurde vonseiten des Rechnungshofes festgestellt, dass die Bürgerinnen und Bürger mit dieser Verbindung von zwei Bestandsstrecken ein modernes, barrierefreies und leistungsfähiges Verkehrsmittel erhalten haben – auch das steht im Bericht.

Es gibt auch ein Lob an die Stadtgemeinde Gmunden für das Zusammenwirken mit dem Oberösterreichischen Verkehrsverbund und den Wunsch nach Intensivierung – auch das steht im Bericht, Herr Kollege.

Der Rechnungshof erachtet grundsätzlich Investitionen in den öffentlichen Schienen­verkehr für zweckmäßig. Kritisch vermerkt der Rechnungshof unter anderem die zu optimistische Einschätzung der Fahrgastzahlen, die fehlende Prüfung von Alternativen, wie zum Beispiel des Einsatzes von Bussen, und das kaufmännische und technische Controlling.

Dazu gibt es vonseiten des Rechnungshofes einige zentrale Empfehlungen. Eine ver­stärkte Informations- und Medienarbeit für Touristinnen und Touristen sowie für Bürgerinnen und Bürger im Hinblick auf die gute Erreichbarkeit des Stadtzentrums mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist auch für den Rechnungshof eine Chance für die Zukunft.

Apropos Zukunft: Denken Sie an 2024 – Gmunden ist auch Schauplatz der Euro­päischen Kulturhauptstadt Bad Ischl unter Einbeziehung des gesamten Salzkammer­gutes! Denken Sie an die Gmundner Festwochen, an Komponisten wie Franz Schubert, Johannes Brahms oder Gustav Mahler, die sich allesamt von dieser schönen Landschaft im Salzkammergut inspirieren ließen!

Nach einer Idee von Franz Welser-Möst startet bereits am kommenden Samstag das Projekt Hausmusik-Roas.

Dazu sagt Welser-Möst:  Dieses Projekt soll über 2024 hinaus stattfinden. Diese Initiative soll einen Impuls geben für den Humus, auf dem unter anderem auch ich gewachsen bin, dass wir diesen Humus durchlüften, ihm neue Kraft geben, und dass weit über das Jahr 2024 hinaus die Hausmusik in dieser Gegend voll aufblüht. – Chancen für die Stadt Gmunden, Chancen für die ganze Region!

Der Schienenverkehr soll nicht nur aus Sicht der oberösterreichischen Landesregierung forciert werden. Züge sind klimafreundlicher als Busse und sind mit Sicherheit auch stauvermeidend. Ich denke, es gibt eine große Chance, dass wir schon in einigen Jahren bei der Traunseetram von einer wesentlich besseren Kosten-Nutzen-Rechnung sprechen dürfen und können.

Gmunden ist eine sehenswerte und erlebenswerte Stadt mit unglaublich viel Potenzial. Impulse auch im Hinblick auf Tourismus sind von der Lokalpolitik und der Wirtschaft schon in absehbarer Zeit zu erwarten. Gmunden hat den Traunsee, Gmunden hat den Traunstein, Gmunden hat die Seilbahn, Gmunden hat die Schifffahrt, Gmunden hat die Traunseetram, und Gmunden hat Kultur. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

19.32



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll105. Sitzung, 19. Mai 2021 / Seite 195

Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Herr Abgeordneter Michael Seemayer zu Wort. – Bitte.


19.32.56

Abgeordneter Michael Seemayer (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Rechnungshof­präsi­dentin! Kolleginnen und Kollegen! Ja, Kollege Pöttinger, Gmunden hat sehr viel. Das Einzige, was Gmunden aber nicht hat, ist ein schienengebundenes öffentliches Ver­kehrsmittel, eines, das alles miteinander verbindet, denn man hat bei der Neuerrichtung und Neuausrichtung der Traunseetram nämlich nicht zusammengebracht, dass die wichtigsten Ziele in Gmunden nämlich auch für die Leute, die in Gmunden arbeiten, die einpendeln, beziehungsweise auch für die Gmundnerinnen und Gmundner selber einge­bunden werden, sodass diese Menschen davon auch einen Nutzen haben, dass man also in die Strecke der neuen Traunseetram zum Beispiel das Krankenhaus mitein­bezieht, dass man das Einkaufszentrum voll einbindet.

Genau diese Geschichten sind nämlich bei der Umsetzung der neuen Traunseetram nicht passiert, und das ist auch der Grund dafür, dass im Vergleich sehr wenige Men­schen die Traunseetram nutzen. Wenn man von durchschnittlich 2 300 Fahrgästen am Tag ausgeht, dann ist bei Weitem kein wirtschaftlicher Betrieb möglich. Bei vergleichbar belastbaren öffentlichen Verkehrsmitteln oder Straßenbahnen liegt der Referenzwert bei 20 000 bis 100 000 Fahrgästen pro Tag. Da kommt man natürlich bei Weitem nicht hin.

Auch der Kosten-Nutzen-Faktor ist schon angesprochen worden. Die Firma, die das errichtet hat und jetzt zufällig auch der Betreiber ist, hat selber die Kosten-Nutzen-Rechnung erstellt – mit einem Faktor von 1 : 3. Der Rechnungshof kommt dann auf einen Kosten-Nutzen-Faktor von 0,35. Da liegt man also schon sehr, sehr weit auseinan­der.

Nicht optimistisch bin ich – außer vielleicht zu Zeiten der Highlights, wenn also Veran­staltungen oder größere Geschichten in Gmunden stattfinden – bezüglich der Frage, ob man mit mehr Fahrgästen rechnen kann, weil das Potenzial einfach nicht da ist. Es gibt kaum Pendlerinnen und Pendler, die nach Gmunden einpendeln und auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen sind. Im Gegenteil! Mit dem eigenen PKW – und diesen zu haben ist am Land fast üblich – braucht man nur ein Drittel der Fahrzeit, um an seinen Arbeitsplatz zu kommen.

Ich glaube, dass der Gegenstand dieses Berichtes ein Musterbeispiel dafür ist oder als Musterbeispiel dafür verwendet werden kann, wie so ein großes Infrastrukturprojekt nicht ablaufen sollte beziehungsweise wie eigentlich kein Projekt dieser Größenordnung ablaufen darf. (Beifall bei der SPÖ.)

Unterm Strich könnten wir ja sagen: Der damalige Beschluss, die Traunseetram in dieser Form zu errichten, war ein Beschluss, der unter dem Motto stand: Errichten wir sie – koste es, was es wolle! (Zwischenruf des Abg. Eypeltauer.) Ich glaube, genau das sollte bei den nächsten Projekten nicht passieren. Und um das sicherzustellen, kann man, glaube ich, den Rechnungshofbericht ganz gut verwenden. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

19.35


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste spricht Frau Abgeordnete Eva Blimlinger. – Bitte.


19.35.49

Abgeordnete Mag. Eva Blimlinger (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Rechnungshofpräsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich werde Ihnen ein bisschen etwas zu den beiden Berichten zu den Comet-Programmen erzählen. Nein, Comet hat nichts mit Lumpazivagabundus, nichts mit Astronomie und Astrologie


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll105. Sitzung, 19. Mai 2021 / Seite 196

zu tun – obwohl es in manchen Comet-Zentren auch Astronomie gibt –, und die Welt steht noch lange, auch wenn das im Kometenlied anders besungen wird.

Comet Centers sind die Competence Centers for Excellent Technologies und sind ganz zentrale Einrichtungen der Forschung in Österreich. Es gibt davon 25. Das sind die sogenannten Comet-Kompetenzzentren zu den ganz verschiedenen Bereichen. Es ist eine anwendungsorientierte Spitzenforschung, eine internationale Forschung in den Bereichen Klimaschutz, Digitalisierung, Mobilität, Gesundheit, Lifescience. Der Rech­nungshof hat sich zwei Bereichen gewidmet, nämlich der Forschungsförderung des For­schungsförderungsprogramms an sich und zwei spezifischen Zentren des Comet-Programms, und hat dabei vor allen Dingen, was die Administration und die Abwicklung betrifft, Mängel festgestellt.

Ziel der Gebarungsprüfung war die Beurteilung der rechtlichen Rahmenbedingungen und vor allen Dingen der Ziele. Da hat der Rechnungshof festgestellt, dass es durchaus Ver­besserungsbedarf gibt. Es sind viele Institutionen beteiligt. Generell wird es von der Forschungsförderungsgesellschaft, der FFG, abgewickelt, aber auch die Christian-Doppler-Gesellschaft und der FWF sind darin involviert. Es sind Empfehlungen ausge­sprochen worden. Manche davon – der Bericht ist schon aus dem Jahr 2019 – sind schon umgesetzt, und es steht zu hoffen, dass weitere ebenfalls umgesetzt werden.

Lassen Sie mich diese Gelegenheit nützen, um Kollegen Karl Schmidhofer – ich weiß nicht, ob er noch im Saal ist – zu seiner neuen Funktion als ÖSV-Präsident zu gratu­lieren! (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Vielleicht darf ich dir eine Empfehlung mitgeben: Der Rechnungshof ist zwar für den ÖSV nicht zuständig, aber es wäre wahrscheinlich nicht schlecht, wenn die Amtszeit deines Vorgängers – ich nenne ihn jetzt nicht namentlich – geprüft würde, damit du diese Last nicht mitnehmen musst. (Beifall des Abg. Schallmeiner. Heiterkeit bei Abgeordneten der ÖVP.)

In diesem Sinne bin ich im Übrigen natürlich noch immer dafür, dass die Windisch-Kaserne in Richard-Wadani-Kaserne umbenannt wird. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.39


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Johannes Margreiter. – Bitte.


19.39.08

Abgeordneter Dr. Johannes Margreiter (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Präsidentin des Rechnungshofes! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich nütze die De­batte über den Bericht des Rechnungshofes über die Follow-up-Prüfung betreffend Brennerbasistunnel als Gelegenheit, um mich dem Transitproblem, dem schon so vielfach diskutierten Tiroler Transitproblem einmal ein wenig von einer anderen Seite zu nähern.

Tatsache ist, dass es in einer globalen Wirtschaft, in einer arbeitsteiligen Wirtschaft natürlich immer notwendig sein wird, einen entsprechenden Warenaustausch zu be­werkstelligen.

Was da bei uns in Europa zwischen Nord-EU und Süd-EU in beide Richtungen an Waren bewegt werden muss, ist ein gigantisches Volumen. Selbst wenn ich heute zugestehe – und das ist ja auch ein Problem –, dass vielfach sinnloser Warentransit stattfindet, wird doch immer eine riesige Menge an Waren übrigbleiben, die sinnvollerweise auch in Zeiten, in denen man sehr bewusst in Richtung Klimaschutz denken muss, bewegt wer­den muss. Wenn man sich jetzt anschaut, wie dieser Warenaustausch derzeit stattfindet,


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll105. Sitzung, 19. Mai 2021 / Seite 197

dann kann man eigentlich nur zum Ergebnis kommen, dass das nicht besonders ge­scheit ist.

Ein gigantisches Warenvolumen wird also mit Lkws bewegt. Die haben 40 Tonnen, abzüglich Eigengewicht werden also 25 Tonnen Waren bewegt. In minimalen Dosen wird da in einer ökologisch fragwürdigen Form und auch in einer sozial äußerst frag­würdigen Form transportiert. Wenn man sich anschaut, wie diese Fernfahrer leben, wie die ihren Arbeitsalltag verbringen, so muss man sagen, dass das sicher etwas ist, was absolut nicht mehr zeitgemäß ist. Mit einem antiquierten Modell wird ein riesiges Waren­volumen bewegt – und das ist dringend zu ändern.

Ein technologisches Beispiel aus den Sechzigerjahren, an dem man sieht, wie das funktionieren kann, ist die Transalpine Ölleitung. Damals ist diese fossile Technologie natürlich notwendig gewesen. Man hat darauf gesetzt, eine Infrastruktur zu schaffen, die es überflüssig macht, all das Erdöl, das via Triest nach Europa verfrachtet wird, über die Straße zu transportieren. Ich will mir nicht ausmalen, was das bedeutet hätte und nach wie vor bedeuten würde, wenn man dieses ganze Öl, das über die Transalpine Ölleitung, die von Triest auch durch Tirol nach Ingolstadt gebaut worden ist, per Lkw transportiert hätte.

So ähnlich müssen wir das heute in Bezug auf alle Waren sehen. Der Brenner­basis­tunnel ist natürlich sicher ein ganz wesentlicher Bestandteil dafür, dass man die Trans­porttechnologie ganz generell umstellt.

Gefragt und notwendig ist natürlich, dass auch die Zulaufstrecken entsprechend gebaut werden. Österreich und Italien sind in Vorleistung. Der Baufortschritt ist zwar leider durch Umstände, die die Vorredner schon erwähnt haben, arg verzögert, aber irgendwann wird der Brennerbasistunnel fertig werden – und das soll uns optimistisch stimmen. Wir sollen nicht davon reden, dass da ein Riesenloch gebaut wird, in dem dann vielleicht Cham­pignons gezüchtet werden, wie man es vereinzelt schon in der Presse gelesen hat. Der Brennerbasistunnel ist ein richtungsweisendes und wichtiges Projekt, um auf der einen Seite Lebensqualität und auf der anderen Seite den notwendigen Warenaustausch zu ermöglichen.

Der Bericht des Rechnungshofes zeigt einige Aspekte auf, bei denen eben nachge­bessert werden muss. Es ist ein gigantisches Investitionsvolumen, bei dem es natürlich richtig und wichtig ist, dass das auch sehr genau beobachtet und kontrolliert wird. Ich gehe davon aus, dass das Management in der BBT SE diese Anregungen und Vor­schläge des Rechnungshofes berücksichtigen wird. Das dient auch nicht nur der finan­ziellen Optimierung, sondern auch der zeitmäßigen Optimierung, und die brauchen wir.

Wir sollten dieses Projekt Brennerbasistunnel weiterhin mit aller Kraft unterstützen und darauf schauen, dass das möglichst schnell fertig wird, um eben einen modernen Waren­austausch zu ermöglich, der auch ökologisch verträglich ist. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der Grünen.)

19.43


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht seitens der Berichterstattung jemand ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Ich frage die Fraktionen, ob wir gleich zu den Abstimmungen kommen können. – Gut, dann gehe ich auch so vor.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll105. Sitzung, 19. Mai 2021 / Seite 198

19.44.21Abstimmung über die Tagesordnungspunkte 16 bis 23


Präsidentin Doris Bures: Wir kommen zu den verlegten Abstimmungen.

Abstimmung über Tagesordnungspunkt 16: Antrag des Rechnungshofausschusses, den Bericht betreffend E-Mobilität, III-167 der Beilagen, zur Kenntnis zu nehmen.

Wer ist für die Kenntnisnahme des Berichtes? – Das ist einstimmig angenommen.

Abstimmung über Tagesordnungspunkt 17: Antrag des Rechnungshofausschusses, den Bericht betreffend Klimaschutz in Österreich – Maßnahmen und Zielerreichung 2020, III-292 der Beilagen, zur Kenntnis zu nehmen.

Wer ist dafür? – Auch das ist einstimmig zur Kenntnis genommen.

Abstimmung über Tagesordnungspunkt 18: Antrag des Rechnungshofausschusses, den Bericht betreffend Bahnprojekt Brennerbasistunnel, Follow-up-Überprüfung, III-132 der Beilagen, zur Kenntnis zu nehmen.

Wer ist für die Kenntnisnahme? – Auch dieser Bericht ist einstimmig zur Kenntnis genommen.

Abstimmung über Tagesordnungspunkt 19: Antrag des Rechnungshofausschusses, den Bericht betreffend Traunseetram, III-182 der Beilagen, zur Kenntnis zu nehmen.

Wer ist für diese Kenntnisnahme? – Auch das ist einstimmig zur Kenntnis genommen.

Abstimmung über Tagesordnungspunkt 20: Antrag des Rechnungshofausschusses, den Bericht betreffend Forschungsförderungsprogramm Comet, III-9 der Beilagen, zur Kenntnis zu nehmen.

Wer ist für die Kenntnisnahme? – Auch das ist einstimmig zur Kenntnis genommen.

Abstimmung über Tagesordnungspunkt 21: Antrag des Rechnungshofausschusses, den Bericht betreffend Comet-Zentren zur Kenntnis zu nehmen.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Auch das ist einstimmig zur Kenntnis genommen.

Abstimmung über Tagesordnungspunkt 22: Antrag des Rechnungshofausschusses, den Bericht betreffend Graz-Köflacher Bahn und Busbetrieb GmbH, Follow-up-Über­prüfung, III-31 der Beilagen, zur Kenntnis zu nehmen.

Kenntnisnahme? – Auch das ist einstimmig zur Kenntnis genommen.

Abstimmung über Tagesordnungspunkt 23: Antrag des Rechnungshofausschusses, den Bericht betreffend Flächennutzung im Bereich der Neuen Donau, der Donauinsel und des Donaukanals, Follow-up-Überprüfung, III-41 der Beilagen, zur Kenntnis zu neh­men.

Wer ist für die Kenntnisnahme? – Auch das ist einstimmig zur Kenntnis genommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

19.47.02Abstimmung über einen Fristsetzungsantrag


Präsidentin Doris Bures: Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Leichtfried, Kassegger, Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen, dem Geschäftsordnungsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 421/A eine Frist bis 15. Juni 2021 zu setzen.

Wer ist für die Fristsetzung? – Das ist die Minderheit, abgelehnt.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll105. Sitzung, 19. Mai 2021 / Seite 199

19.47.30Einlauf


Präsidentin Doris Bures: Ich gebe bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selb­ständigen Anträge 1588/A(E) bis 1634/A(E) eingebracht worden sind.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrats, die geschäftsordnungsmäßige Mitteilungen und Zuweisungen betreffen wird, berufe ich für 19.48 Uhr – das ist gleich im Anschluss an diese Sitzung – ein.

Diese Sitzung ist geschlossen.

19.48.00Schluss der Sitzung: 19.48 Uhr

 

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