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Plenarsitzung

des Nationalrates

Stenographisches Protokoll

 

219. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

Mittwoch, 14. Juni 2023

XXVII. Gesetzgebungsperiode

 

 

 

Nationalratssaal


Stenographisches Protokoll

219. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXVII. Gesetzgebungsperiode                    Mittwoch, 14. Juni 2023

Dauer der Sitzung

Mittwoch, 14. Juni 2023: 9.05 – 20.55 Uhr

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Tagesordnung

1. Punkt: Bericht über den Antrag 3430/A der Abgeordneten Norbert Sieber, Mag. Markus Koza, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Bundesgesetz über einen Ausgleich inflationsbedingt hoher Lebenshaltungs- und Wohnkosten (Lebenshaltungs- und Wohnkosten-Ausgleichs-Gesetz-LWA-G) geändert wird

2. Punkt: Bericht über den Antrag 772/A(E) der Abgeordneten Petra Wimmer, Kolleginnen und Kollegen betreffend erweiterter Beobachtungszeitraum für das Erfordernis der Erwerbstätigkeit beim einkommensabhängigen Kinder­betreuungsgeld

3. Punkt: Bericht über den Antrag 3156/A(E) der Abgeordneten Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen betreffend Härtefall-Regelung beim einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeld

4. Punkt: Bericht über den Antrag 1131/A(E) der Abgeordneten Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend Mehr individuelle Freiheit beim Kinderbetreuungsgeld


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll219. Sitzung, 219. Sitzung des Nationalrats vom 14. Juni 2023 / Seite 2

5. Punkt: Bericht über den Antrag 2748/A(E) der Abgeordneten Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend Gleichstellung der Kinderbetreuungszeit

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über Zweckzuschüsse an Länder und Gemeinden für die Durchführung der Corona-Schutzimpfung (COVID-19-Impffinanzierungsgesetz) und ein Bundesgesetz, mit dem Übergangsbestimmungen für das COVID-19-Maßnahmengesetz getroffen werden, erlassen und das Epidemiegesetz 1950, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfall­versicherungsgesetz, das Apothekengesetz, das Arzneimittelgesetz, das Ärzte­gesetz 1998, das Psychotherapiegesetz, das Sanitätergesetz, das Gehalts­gesetz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948 und das Bundesgesetz, mit dem zur Abdeckung des Bedarfes zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie Ermächtigungen zur Verfügung über Bundesvermögen erteilt werden, geändert werden (COVID-19-Überführungsgesetz)

7. Punkt: Bericht und Antrag über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Suchtmittelgesetz geändert wird

8. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Apothekengesetz und das Arzneimittelge­setz geändert werden

9. Punkt: Bericht über den Antrag 3216/A(E) der Abgeordneten Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen betreffend Auflösung der Covid-19-Impf­beschaffungsverträge mit dem Pharmakonzern Pfizer

10. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz, mit dem nähere Rege­lungen zu einem Elektronischen Eltern-Kind-Pass getroffen werden
(eEltern-Kind-Pass-Gesetz – EKPG), erlassen wird sowie das Gesundheitstele­matikgesetz 2012, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Kinder­betreuungsgeldgesetz und das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 geändert werden (Eltern-Kind-Pass-Gesetz)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll219. Sitzung, 219. Sitzung des Nationalrats vom 14. Juni 2023 / Seite 3

11. Punkt: Bericht über den Antrag 3029/A(E) der Abgeordneten Fiona Fiedler, BEd, Kolleginnen und Kollegen betreffend Vorbereitende Maßnahmen für den EHDS

12. Punkt: Bericht über den Antrag 3217/A(E) der Abgeordneten Fiona Fiedler, BEd, Kolleginnen und Kollegen betreffend Digitalisierung im Gesundheits­system vorantreiben

13. Punkt: Bericht über den Antrag 3429/A der Abgeordneten Kira Grünberg, Heike Grebien, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über eine Bundeszuwendung an den Verein Licht ins Dunkel – Verein für Menschen mit Behinderungen und sozialer Benachteiligung (Licht-ins-Dunkel-Zuwendungsgesetz – LiDZG) erlassen wird

14. Punkt: Bericht über den Antrag 3410/A der Abgeordneten Mag. Wolfgang Sobotka, Doris Bures, Ing. Norbert Hofer, Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA, Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Parlamentsgebäudesanierungsgesetz geändert und ein Bundesgesetz, mit dem eine Ermächtigung zur Überschreitung der Höchstgrenzen des Parlamentsgebäudesanierungsgesetzes erteilt wird, erlassen wird

15. Punkt: Bericht über den Antrag 3428/A der Abgeordneten Johannes Schmuckenschlager, Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA, Kolleginnen und Kollegen be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den regionalen Klimabonus (Klimabonusgesetz – KliBG) geändert wird

16. Punkt: Bericht über den Antrag 3254/A(E) der Abgeordneten Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Klimabonus für verur­teilte Straftäter inklusive Antragsservice abschaffen

17. Punkt: Bericht über den Antrag 3423/A(E) der Abgeordneten Ing. Martin Litschauer, Johannes Schmuckenschlager, Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend geologische Auswertungen im Zuge der Baumaßnah­men für das AKW PAKS II


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll219. Sitzung, 219. Sitzung des Nationalrats vom 14. Juni 2023 / Seite 4

18. Punkt: Bericht über den 46. Bericht der Volksanwaltschaft (1. Jänner bis 31. Dezember 2022)

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Inhalt

Personalien

Verhinderungen ......................................................................................................     34

Ordnungsrufe ................................................................................  287, 305, 318

Geschäftsbehandlung

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 5 GOG .............................................................................................................     79

Antrag der Abgeordneten Dr. Josef Smolle und Ralph Schallmeiner, den Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (2049 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz, mit dem nähere Regelungen zu einem Elektronischen Eltern-Kind-Pass getroffen werden (eEltern-Kind-Pass-Gesetz – EKPG), erlassen wird sowie das Ge­sundheitstelematikgesetz 2012, das Allgemeine Sozialversicherungs­gesetz, das Kinderbetreuungsgeldgesetz und das Familienlastenausgleichs­gesetz 1967 geändert werden (Eltern-Kind-Pass-Gesetz), 2056 d.B., gemäß § 53 Abs. 6 Z 2 GOG an den Gesundheitsausschuss rückzuverwei­sen – Annahme ......................................................................................  241, 241

Antrag des Abgeordneten Philip Kucher im Sinne des § 18 Abs. 3 GOG auf Anwesenheit des Bundeskanzlers – Ablehnung ..................................  260, 261

Wortmeldung des Abgeordneten Christian Hafenecker, MA aufgrund der Abwesenheit des Bundeskanzlers ........................................................................  261


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Antrag gemäß § 69 Abs. 3 GOG, das Echte-Demokratie-Volksbegehren (2074 d.B.) in erste Lesung zu nehmen – Annahme ..................................  451, 451

Antrag gemäß § 69 Abs. 3 GOG, das Volksbegehren Beibehaltung Som­merzeit (2075 d.B.) in erste Lesung zu nehmen – Annahme ....................  451, 451

Antrag gemäß § 69 Abs. 3 GOG, das Volksbegehren GIS Gebühren – Nein (2076 d.B.) in erste Lesung zu nehmen – Annahme ..................................  451, 451

Antrag gemäß § 69 Abs. 3 GOG, das Lieferkettengesetz-Volksbegehren (2077 d.B.) in erste Lesung zu nehmen – Annahme ..................................  451, 451

Antrag gemäß § 69 Abs. 3 GOG, das Volksbegehren Unabhängige Justiz sichern (2078 d.B.) in erste Lesung zu nehmen – Annahme .....................  451, 451

Antrag gemäß § 69 Abs. 3 GOG, das Volksbegehren Nehammer muss weg (2079 d.B.) in erste Lesung zu nehmen – Annahme ..................................  452, 452

Antrag gemäß § 69 Abs. 3 GOG, das Volksbegehren Bargeld-Zahlung: Obergrenze – Nein (2080 d.B.) in erste Lesung zu nehmen – Annahme     452, 452

Aktuelle Stunde (49.)

Thema: „Gemeinsam Gesund: Maßnahmen für eine bessere Gesundheits­versorgung“ .............................................................................................................     35

Redner:innen:

Ralph Schallmeiner ..................................................................................................     35

Bundesminister Johannes Rauch ............................................................................     41

Dr. Josef Smolle ........................................................................................................     46

Philip Kucher ............................................................................................................     49

Mag. Gerhard Kaniak ..............................................................................................     52

Bedrana Ribo, MA ....................................................................................................     55

Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES ..........................................................................     58

Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler ..........................................................................     61


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Gabriele Heinisch-Hosek .........................................................................................     64

Mag. Gerald Hauser .................................................................................................     67

Mag. Meri Disoski ....................................................................................................     70

Fiona Fiedler, BEd ....................................................................................................     74

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ............................................................................................     34

Ausschüsse

Zuweisungen ...........................................................................................................     77

Dringlicher Antrag

der Abgeordneten Julia Elisabeth Herr, Kolleginnen und Kollegen betref­fend „Jobgarantie für die von der Massenkündigung bei Kika/Leiner betroffenen Beschäftigten durch die Bundesregierung“ (3436/A)(E) .........  255

Begründung: Julia Elisabeth Herr ..........................................................................  262

Staatssekretärin Claudia Plakolm ..........................................................................  271

Debatte:

Kai Jan Krainer .........................................................................................................  275

Dr. Christian Stocker ...............................................................................................  277

Christian Hafenecker, MA .......................................................................................  281

Mag. Nina Tomaselli ................................................................................................  287

Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer ..................................................................................  291

Bundesminister Mag. Dr. Martin Kocher ...............................................................  294

Mag. Verena Nussbaum ..........................................................................................  297

Mag. Corinna Scharzenberger ................................................................................  299

Peter Wurm ..............................................................................................................  302

Dr. Elisabeth Götze ..................................................................................................  305

Dr. Johannes Margreiter .........................................................................................  308


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Mag. Christian Drobits ............................................................................................  310

Mag. (FH) Kurt Egger ...............................................................................................  313

Mag. Markus Koza ...................................................................................................  315

Michael Bernhard ....................................................................................................  318

Mag. Selma Yildirim .................................................................................................  321

Dr. Dagmar Belakowitsch .......................................................................................  325

Dr. Christoph Matznetter ........................................................................................  328

Dietmar Keck ...........................................................................................................  330

Entschließungsantrag der Abgeordneten Julia Elisabeth Herr, Kollegin­nen und Kollegen betreffend „Einführung einer Millionärs­steuer“ – Ablehnung.............................................................................. 322, 332

Ablehnung des Selbständigen Entschließungsantrages 3436/A(E) .................  332

Verhandlungen

1. Punkt: Bericht des Ausschusses für Familie und Jugend über den An­trag 3430/A der Abgeordneten Norbert Sieber, Mag. Markus Koza, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über einen Ausgleich inflationsbedingt hoher Lebenshaltungs- und Wohnkosten (Lebenshaltungs- und Wohnkosten-Ausgleichs-Gesetz-LWA-G) geändert wird (2062 d.B.) .....................................     80

Redner:innen:

Eva Maria Holzleitner, BSc ......................................................................................     80

Norbert Sieber ..........................................................................................................     87

Michael Bernhard ....................................................................................................     90

Rosa Ecker, MBA ......................................................................................................     95

Petra Wimmer ..........................................................................................................     99

Sigrid Maurer, BA ....................................................................................................  101

Bundesministerin MMag. Dr. Susanne Raab .........................................................  105

Mag. Yannick Shetty ...............................................................................................  109


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Bundesminister Johannes Rauch ............................................................................  111

Nikolaus Prinz ..........................................................................................................  113

Christian Oxonitsch .................................................................................................  116

Barbara Neßler ........................................................................................................  118

Mag. Gerald Loacker ...............................................................................................  120

Maria Großbauer .....................................................................................................  122

Mag. Markus Koza ...................................................................................................  124

Dipl.-Ing. Andrea Holzner ........................................................................................  141

Entschließungsantrag der Abgeordneten Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend „Preise senken, Leistungen anpas­sen, Armut bekämpfen“ – Ablehnung ...................................................  84, 143

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Den Kindern helfen, die es wirklich brauchen“ – Ablehnung ...........................................................  94, 143

Annahme des Gesetzentwurfes in 2062 d.B. .....................................................  142

Gemeinsame Beratung über

2. Punkt: Bericht des Ausschusses für Familie und Jugend über den An­trag 772/A(E) der Abgeordneten Petra Wimmer, Kolleginnen und Kollegen betreffend erweiterter Beobachtungszeitraum für das Erfor­dernis der Erwerbstätigkeit beim einkommensabhängigen Kinder­betreuungsgeld (2063 d.B.) ...................................................................................  144

3. Punkt: Bericht des Ausschusses für Familie und Jugend über den An­trag 3156/A(E) der Abgeordneten Edith Mühlberghuber, Kollegin­nen und Kollegen betreffend Härtefall-Regelung beim einkommensab­hängigen Kinderbetreuungsgeld (2064 d.B.) ......................................................  144

4. Punkt: Bericht des Ausschusses für Familie und Jugend über den An­trag 1131/A(E) der Abgeordneten Michael Bernhard, Kolleginnen


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und Kollegen betreffend Mehr individuelle Freiheit beim Kinderbetreu­ungsgeld (2065 d.B.) ...............................................................................................  144

5. Punkt: Bericht des Ausschusses für Familie und Jugend über den An­trag 2748/A(E) der Abgeordneten Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend Gleichstellung der Kinderbetreu­ungszeit (2066 d.B.) ................................................................................................  144

Redner:innen:

Petra Wimmer ..........................................................................................................  145

Norbert Sieber ..........................................................................................................  149

Rosa Ecker, MBA ......................................................................................................  151

Barbara Neßler ........................................................................................................  154

Michael Bernhard ....................................................................................................  156

Bundesministerin MMag. Dr. Susanne Raab .........................................................  158

Maximilian Köllner, MA ...........................................................................................  160

Christian Ries ...........................................................................................................  161

Entschließungsantrag der Abgeordneten Petra Wimmer, Rosa Ecker, MBA, Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend „dringende Reform des Kinderbetreuungsgeldes“ – Ablehnung ........................  146, 163

Kenntnisnahme der drei Ausschussberichte 2063, 2065 und 2066 d.B. .......  163

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 2064 d.B. beigedruckten Entschließung betreffend „Härtefall-Regelung beim einkommensabhän­gigen Kinderbetreuungsgeld“ (326/E) .................................................................  163

Gemeinsame Beratung über

6. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvor­lage (2048 d.B.): Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über Zweckzuschüsse an Länder und Gemeinden für die Durchführung der Corona-Schutzimpfung (COVID-19-Impffinanzierungsgesetz) und


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ein Bundesgesetz, mit dem Übergangsbestimmungen für das COVID-19-Maßnahmengesetz getroffen werden, erlassen und das Epidemie­gesetz 1950, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Apothe­kengesetz, das Arzneimittelgesetz, das Ärztegesetz 1998, das Psycho­therapiegesetz, das Sanitätergesetz, das Gehaltsgesetz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948 und das Bundesgesetz, mit dem zur Abdeckung des Bedarfes zur Bekämpfung der Covid-19-Pan­demie Ermächtigungen zur Verfügung über Bundesvermögen erteilt werden, geändert werden (COVID-19-Überführungsgesetz) (2054 d.B.) ......  165

7. Punkt: Bericht und Antrag des Gesundheitsausschusses über den Ent­wurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Suchtmittelgesetz geändert wird (2055 d.B.) ......................................................................................................  165

8. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (2053 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Apothekengesetz und das Arz­neimittelgesetz geändert werden (2057 d.B.) ....................................................  165

9. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 3216/A(E) der Abgeordneten Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen betreffend Auflösung der Covid-19-Impfbeschaffungsverträge mit dem Pharmakonzern Pfizer (2058 d.B.) ........................................................................  165

Redner:innen:

Rudolf Silvan ............................................................................................................  166

Laurenz Pöttinger (tatsächliche Berichtigung) .....................................................  173

Ralph Schallmeiner ..................................................................................................  173

Mag. Gerhard Kaniak .............................................................................  176, 200

Dr. Werner Saxinger, MSc .......................................................................................  178

Fiona Fiedler, Bed ....................................................................................................  181

Bundesminister Johannes Rauch ............................................................................  182


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll219. Sitzung, 219. Sitzung des Nationalrats vom 14. Juni 2023 / Seite 11

Dr. Josef Smolle ......................................................................................  184, 199

Peter Wurm ..............................................................................................................  186

Julia Elisabeth Herr (tatsächliche Berichtigung) ..................................................  196

Mag. Gerald Hauser .................................................................................................  196

Philip Kucher ............................................................................................................  203

Dr. Dagmar Belakowitsch .......................................................................................  205

Entschließungsantrag der Abgeordneten Philip Kucher, Kolleginnen und Kol­legen betreffend „Gesundheitsversorgungspaket“ – Ablehnung ...  168, 208

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Corona-Wiedergutmachungs­fonds des Bundes“ – Ablehnung .........................................................  190, 208

Annahme der drei Gesetzentwürfe in 2054, 2055 und 2057 d.B. ..................  208

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 2058 d.B. ..........................................  208

Gemeinsame Beratung über

10. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (2049 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz, mit dem nähere Regelungen zu einem Elektronischen Eltern-Kind-Pass getroffen werden (eEltern-Kind-Pass-Gesetz – EKPG), erlassen wird sowie das Gesundheitstelematikgesetz 2012, das Allgemeine Sozialversiche­rungsgesetz, das Kinderbetreuungsgeldgesetz und das Familien­lastenausgleichsgesetz 1967 geändert werden (Eltern-Kind-Pass-Gesetz) (2056 d.B.) ...............................................................................................................  210

11. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 3029/A(E) der Abgeordneten Fiona Fiedler, BEd, Kolleginnen und Kollegen betref­fend Vorbereitende Maßnahmen für den EHDS (2059 d.B.) ...........................  210

12. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 3217/A(E) der Abgeordneten Fiona Fiedler, BEd, Kolleginnen und Kollegen betref­fend Digitalisierung im Gesundheitssystem vorantreiben (2060 d.B.) ..............  210


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll219. Sitzung, 219. Sitzung des Nationalrats vom 14. Juni 2023 / Seite 12

Redner:innen:

Gabriele Heinisch-Hosek .........................................................................................  211

Ing. Mag. (FH) Alexandra Tanda .............................................................................  213

Peter Wurm ..............................................................................................................  217

Barbara Neßler ........................................................................................................  220

Fiona Fiedler, Bed ....................................................................................................  222

Bundesminister Johannes Rauch ............................................................................  224

Ing. Josef Hechenberger ..........................................................................................  225

Mario Lindner ...........................................................................................................  227

Ralph Schallmeiner ..................................................................................................  229

Mag. Gerald Hauser .................................................................................................  232

Karl Schmidhofer .....................................................................................................  235

MMag. Katharina Werner, Bakk. ...........................................................................  237

Henrike Brandstötter ..............................................................................................  239

Rückverweisung des Berichtes 2056 d.B. des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage 2049 d.B. an den Gesundheitsausschuss ...........  241

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 2059 d.B. beigedruckten Entschließung betreffend „Vorbereitende Maßnahmen für den EHDS“ (327/E) .....................................................................................................................  241

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 2060 d.B. ..........................................  241

13. Punkt: Bericht des Budgetausschusses über den Antrag 3429/A der Abgeordneten Kira Grünberg, Heike Grebien, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über eine Bundeszuwendung an den Verein Licht ins Dunkel – Verein für Men­schen mit Behinderungen und sozialer Benachteiligung (Licht-ins-
Dunkel-Zuwendungsgesetz – LiDZG) erlassen wird (2068 d.B.) ..................... 
242

Redner:innen:

Kai Jan Krainer .........................................................................................................  243

Kira Grünberg ..........................................................................................................  244


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll219. Sitzung, 219. Sitzung des Nationalrats vom 14. Juni 2023 / Seite 13

Maximilian Linder ....................................................................................................  247

Heike Grebien ..........................................................................................................  248

Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer ..................................................................................  252

Christoph Stark ........................................................................................................  253

Mag. Karin Greiner ..................................................................................................  333

Annahme des Gesetzentwurfes in 2068 d.B. .....................................................  334

14. Punkt: Bericht des Budgetausschusses über den Antrag 3410/A der Abgeordneten Mag. Wolfgang Sobotka, Doris Bures, Ing. Norbert HoferMag. Dr. Jakob Schwarz, BA, Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kollegin­nen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Parlamentsgebäudesanierungsgesetz geändert und ein Bundesgesetz, mit dem eine Ermächtigung zur Überschreitung der Höchstgren­zen des Parlamentsgebäudesanierungsgesetzes erteilt wird, erlassen wird (2067 d.B.) ......................................................................................................  334

Annahme des Gesetzentwurfes in 2067 d.B. .....................................................  335

Gemeinsame Beratung über

15. Punkt: Bericht des Umweltausschusses über den Antrag 3428/A der Abgeordneten Johannes Schmuckenschlager, Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den regionalen Klimabonus (Klimabonus­gesetz – KliBG) geändert wird (2071 d.B.) ..........................................................  335

16. Punkt: Bericht des Umweltausschusses über den Antrag 3254/A(E) der Abgeordneten Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen betref­fend Klimabonus für verurteilte Straftäter inklusive Antragsservice ab­schaffen (2072 d.B.) ...............................................................................................  335

Redner:innen:

Elisabeth Feichtinger, BEd BEd ...............................................................................  336

Johannes Schmuckenschlager ................................................................................  338


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll219. Sitzung, 219. Sitzung des Nationalrats vom 14. Juni 2023 / Seite 14

Walter Rauch ...........................................................................................................  342

Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA ...................................................................................  347

Michael Bernhard ....................................................................................................  350

Bundesministerin Leonore Gewessler, BA ..............................................................  356

Joachim Schnabel ....................................................................................................  359

Michael Bernhard (tatsächliche Berichtigung) .....................................................  361

Andreas Kollross ......................................................................................................  362

Lukas Hammer .........................................................................................................  364

Maximilian Linder ....................................................................................................  367

Mag. Ernst Gödl .......................................................................................................  369

Christian Lausch ......................................................................................................  372

Franz Hörl .................................................................................................................  375

Andreas Minnich ......................................................................................................  379

Entschließungsantrag der Abgeordneten Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Nein zum Sanierungszwang und zum Verbot von Öl- und Gasheizungen“ – Ablehnung ..........................................  344, 380

Entschließungsantrag der Abgeordneten Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Klimaschutzgesetz endlich vorlegen“ – Ablehnung ..............................................................................................  353, 380

Annahme des Gesetzentwurfes in 2071 d.B. .....................................................  380

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 2072 d.B. ..........................................  380

17. Punkt: Bericht des Umweltausschusses über den Antrag 3423/A(E) der Abgeordneten Ing. Martin Litschauer, Johannes Schmuckenschlager, Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend geologische Aus­wertungen im Zuge der Baumaßnahmen für das AKW PAKS II (2073 d.B.) ......  382

Redner:innen:

Ing. Martin Litschauer .............................................................................................  382

Robert Laimer ..........................................................................................................  385


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll219. Sitzung, 219. Sitzung des Nationalrats vom 14. Juni 2023 / Seite 15

Walter Rauch ...........................................................................................................  386

Mag. Friedrich Ofenauer .........................................................................................  387

Michael Bernhard ....................................................................................................  390

Bundesministerin Leonore Gewessler, BA ..............................................................  391

Alois Kainz ................................................................................................................  394

Martina Diesner-Wais .............................................................................................  396

Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich ..............................................................................  397

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 2073 d.B. beigedruck­ten Entschließung betreffend „geologische Auswertungen im Zuge der Baumaßnahmen für das AKW PAKS II“ (328/E) ..........................................  399

18. Punkt: Bericht des Volksanwaltschaftsausschusses über den 46. Bericht der Volksanwaltschaft (1. Jänner bis 31. Dezember 2022)
(III-846/2069 d.B.) .................................................................................................. 
400

Redner:innen:

Martina Diesner-Wais .............................................................................................  400

Rudolf Silvan ............................................................................................................  402

Werner Herbert ........................................................................................................  404

Mag. Ulrike Fischer ..................................................................................................  410

Fiona Fiedler, BEd ....................................................................................................  411

Mag. Peter Weidinger .............................................................................................  414

Petra Bayr, MA MLS ................................................................................................  416

Christian Lausch ......................................................................................................  418

Bedrana Ribo, MA ....................................................................................................  420

Dr. Johannes Margreiter .........................................................................................  422

Ing. Josef Hechenberger ..........................................................................................  424

Mario Lindner ...........................................................................................................  426

Volksanwältin Gabriela Schwarz ............................................................................  428

Volksanwalt Mag. Bernhard Achitz ........................................................................  432

Volksanwalt Dr. Walter Rosenkranz ......................................................................  437

Alexander Melchior .................................................................................................  440


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll219. Sitzung, 219. Sitzung des Nationalrats vom 14. Juni 2023 / Seite 16

Ing. Reinhold Einwallner ..........................................................................................  442

MMag. Dr. Agnes Totter, BEd .................................................................................  444

Mag. Bettina Rausch ...............................................................................................  446

Mag. Yannick Shetty ...............................................................................................  448

Entschließungsantrag der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kol­legen betreffend „Asylstopp – keine Wiederholung der Migrations­krisen 2015 und 2022“ – Ablehnung ..................................................  406, 451

Kenntnisnahme des Berichtes III-846 d.B. ..........................................................  451

Eingebracht wurden

Volksbegehren ........................................................................................................     77

2074: Volksbegehren „ECHTE Demokratie – Volksbegehren“

2075: Volksbegehren „Beibehaltung Sommerzeit“

2076: Volksbegehren „GIS Gebühren NEIN“

2077: Volksbegehren „Lieferkettengesetz Volksbegehren“

2078: Volksbegehren „Unabhängige JUSTIZ sichern“

2079: Volksbegehren „NEHAMMER MUSS WEG“

2080: Volksbegehren „BARGELD-Zahlung: Obergrenze NEIN!“

Petition ....................................................................................................................     78

Petition betreffend „Psychotherapie als Leistung der Krankenkasse“ (Ordnungsnummer 123) (überreicht von den Abgeordneten Fiona Fiedler, BEd und Mag. Yannick Shetty)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll219. Sitzung, 219. Sitzung des Nationalrats vom 14. Juni 2023 / Seite 17

Bürgerinitiative .......................................................................................................     78

Bürgerinitiative betreffend „die Initiative ,Mut zeigen!‘: Forderung von gesetzl. Änderungen für Personen, die einen Schwangerschafts­verlust unter 500 Gramm (sog. Fehlgeburten) erlitten haben“ (Ordnungs­nummer 59)

Regierungsvorlage .................................................................................................     78

2070: Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG über Schutzunterkünfte und Begleitmaßnahmen für von Gewalt betroffene Frauen und deren Kin­der (Frauen-Schutzunterkunfts-Vereinbarung – FSchVE)

Berichte ...................................................................................................................     78

III-951: Bericht betreffend COVID-19-Förderungen durch die Agrarmarkt Austria – Reihe BUND 2023/15; Rechnungshof

III­960: Bericht nach § 3 Abs. 5 des Bundesgesetzes über die Errichtung des COVID-19-Krisenbewältigungsfonds für Mai 2023; BM f. Justiz

III-961: Bericht betreffend Tourismus in Österreich 2022; BM f. Arbeit und Wirtschaft

III-962: Tätigkeitsbericht der Bundeswettbewerbsbehörde für das Jahr 2022; BM f. Arbeit und Wirtschaft

Anträge der Abgeordneten

Julia Elisabeth Herr, Kolleginnen und Kollegen betreffend Jobgarantie für die von der Massenkündigung bei Kika/Leiner betroffenen Beschäftigten durch die Bundesregierung (3436/A)(E)

Dr. Christoph Matznetter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Regierung muss endlich Blockadehaltung im Kampf gegen die Teuerung aufgeben! (3437/A)(E)

Mag. (FH) Kurt Egger, Mag. Eva Blimlinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Privatradiogesetz und das Audiovisuelle Mediendienste-Gesetz geändert werden (3438/A)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll219. Sitzung, 219. Sitzung des Nationalrats vom 14. Juni 2023 / Seite 18

Mag. Martina Künsberg Sarre, Kolleginnen und Kollegen betreffend Nachfrist Uni-Zulassung (3439/A)(E)

MMMag. Gertraud Salzmann, Mag. Sibylle Hamann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sicherstellung von Maßnahmen im Bereich Energieeffizienz und Nachhaltigkeit an den Schulen (3440/A)(E)

Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Komplett­ausstieg aus russischem Gas und ein Ende der Kriegsfinanzierung durch österreichische Gaskunden noch 2023 (3441/A)(E)

Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen betreffend vorgezogene Pensionsanpassung zur Abfederung der Teuerung (3442/A)(E)

Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Working Holiday Visa für Beitrittskandidatenstaaten (3443/A)(E)

Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend Befristete Arbeits­verhältnisse als Hürde für Einkommensabhängiges Kinderbetreuungs­geld (3444/A)(E)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ent­minungshilfe nach Dammsprengung (3445/A)(E)

Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Entminungshilfe nach Dammsprengung (3446/A)(E)

Dr. Johannes Margreiter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Gebäudesanierung als Schlüssel zum Klimaschutz (3447/A)(E)

Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Minimierung russischen bilateralen Personals in Österreich (3448/A)(E)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll219. Sitzung, 219. Sitzung des Nationalrats vom 14. Juni 2023 / Seite 19

Elisabeth Feichtinger, BEd BEd, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Einsatz auf EU-Ebene für strengere Herkunftskennzeichnung von Honigmischungen
aus EU- und Nicht-EU-Ländern“ (3449/A)(E)

Elisabeth Feichtinger, BEd BEd, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Einsatz auf EU-Ebene für strengere Herkunftskennzeichnung von Honigmischungen
aus EU- und Nicht-EU-Ländern“ (3450/A)(E)

Mag. Martina Künsberg Sarre, Kolleginnen und Kollegen betreffend Digitale Lernmittel gleichwertig in die Schulbuchaktion aufnehmen (3451/A)(E)

Fiona Fiedler, BEd, Kolleginnen und Kollegen betreffend Umsetzungsberichte zu NAP Behinderung 1+2 (3452/A)(E)

Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Berücksichtigung des biologischen Geschlechts in Bädern (3453/A)(E)

Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Keine weiteren Autofahrerschikanen durch die Einführung eines autofreien Tages
(3454/A)(E)

Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Keine flächen­deckende Autofahrerschikane durch Beschränkung der Geschwindig­keiten im Ortsgebiet auf 30 km/h, auf Freilandstraßen auf 80 km/h und auf Autobahnen auf 100 km/h (3455/A)(E)

Mag. Dr. Martin Graf, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abschaffung der Zwangsmitgliedschaft in der ÖH (3456/A)(E)

MMMag. Dr. Axel Kassegger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erstellung einer Studie über die volkswirtschaftlichen Auswirkungen der
Klimakleber-Aktionen in Österreich (3457/A)(E)

Mag. Philipp Schrangl, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Einmal WGG, immer WGG“ und Stärkung der gemeinnützigen Entgeltbildung (3458/A)(E)

Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen betreffend Forderungskatalog der Österreichischen Gesellschaft für Nephrologie (3459/A)(E)

Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Berücksichtigung des biologischen Geschlechts in Bädern (3460/A)(E)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll219. Sitzung, 219. Sitzung des Nationalrats vom 14. Juni 2023 / Seite 20

Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Zuwande­rungsstopp in den österreichischen Sozialstaat jetzt – „Österreicher zuerst“! (3461/A)(E)

Hermann Brückl, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Deutsch als Pau­sensprache (3462/A)(E)

Dr. Josef Smolle, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz, mit dem nähere Regelungen zu einem Elektronischen Eltern-Kind-Pass getroffen werden (eEltern-Kind-Pass-Ge­setz – EKPG) erlassen wird sowie das Gesundheitstelematikgesetz 2012, das All­gemeine Sozialversicherungsgesetz, das Kinderbetreuungsgeldgesetz und das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 geändert werden (Eltern-Kind-Pass-Gesetz) (3463/A)

Lukas Hammer, Tanja Graf, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Erdölbevorratungsgesetz 2012 (EBG 2012) geän­dert wird (3464/A)

Peter Haubner, Dr. Elisabeth Götze, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über einen Energiekostenzuschuss für Unternehmen (Unternehmens-Energiekostenzuschussgesetz – UEZG) geän­dert wird (3465/A)

August Wöginger, Bedrana Ribo, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz, das Ärztegesetz 1998 und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert werden (GuKG-Novelle 2023) (3466/A)

Tanja Graf, Mag. Markus Koza, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz geändert wird (3467/A)

Andreas Minnich, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz über die Einrichtung eines Bundeskrisenlagers für den


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll219. Sitzung, 219. Sitzung des Nationalrats vom 14. Juni 2023 / Seite 21

Gesundheitsbereich sowie über die Verfügung über Bundesvermögen bei Ab­gabe aus diesem Lager (Bundeskrisenlagergesetz – BKLG) (3468/A)

Mario Lindner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gleichbehandlungsgesetz und das Gesetz über die Gleichbehand­lungskommission und die Gleichbehandlungsanwaltschaft geändert werden (3469/A)

Mario Lindner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gleichbehandlungsgesetz und das Gesetz über die Gleichbehand­lungskommission und die Gleichbehandlungsanwaltschaft geändert werden (3470/A)

Melanie Erasim, MSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend Neue Beherber­gungsformen fördern und nachhaltigen Tourismus absichern (3471/A)(E)

Melanie Erasim, MSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend Förderungsvergabe der öffentlichen Hand an touristische Betriebe unter der Auflage der Existenz eines Betriebsrats im Betrieb gemäß dem Arbeitsverfassungsgesetz (3472/A)(E)

Dipl.-Ing. Georg Strasser, Clemens Stammler, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Sichtbarmachung der sozialen und psychischen Herausforderungen für österreichische Bäuerinnen und Bauern und einem Bekenntnis zur Unterstüt­zung, u.a. durch Weiterführung und Ausbau des bäuerlichen Sorgen­telefons.“ (3473/A)(E)

Mag. Michaela Steinacker, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Jugendgerichtsgesetz 1988 geän­dert wird (3474/A)

Alois Stöger, diplômé, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 23. Juni 1967 über das Kraftfahrwesen (Kraftfahrgesetz 1967 – KFG 1967) BGBI 267/1967 geändert wird (3475/A)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll219. Sitzung, 219. Sitzung des Nationalrats vom 14. Juni 2023 / Seite 22

Peter Haubner, Dr. Elisabeth Götze, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz ge­ändert wird (3476/A)

Dr. Elisabeth Götze, Peter Haubner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Fort- und Weiterbildung von Selbstständigen: Evaluierung steuerlicher und sonstiger Maßnahmen zur Unterstützung und Förderung der Selbstständigen als Teil des „KMU-Berichts“ (3477/A)(E)

Tanja Graf, Mag. Meri Disoski, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Mutterschutzgesetz 1979, das Väter-Karenz­gesetz, das Urlaubsgesetz, das Angestelltengesetz, das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Gleichbehandlungsgesetz, das Landarbeitsgesetz 2021, das Kinderbetreu­ungsgeldgesetz sowie das Familienzeitbonusgesetz geändert werden (3478/A)

Anfragen der Abgeordneten

Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landes­verteidigung betreffend Einschränkung der Meinungsfreiheit des Grünen Parlamentsklub durch Angehörige des Österreichischen Bundesheers (15201/J)

Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für euro­päische und internationale Angelegenheiten betreffend Versuche der Einschüchterung und der Einschränkung der Meinungsfreiheit des Grünen Parlamentsklub durch die iranische Botschaft (15202/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Sabotage des Projekts S18 durch die Ministerin (15203/J)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Postenkorruption bei der Bundespensionskasse? (15204/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll219. Sitzung, 219. Sitzung des Nationalrats vom 14. Juni 2023 / Seite 23

Mag. Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Er­stellung einer „Ghettoliste“ (15205/J)

Mag. Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Erstellung einer „Ghettoliste“ (15206/J)

Mag. Julia Seidl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft betreffend Netzwerk Kulinarik: Endlich Transparenz über Personalkosten! (15207/J)

Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klima­schutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betref­fend Mülltrennung in Betrieben (15208/J)

Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft betreffend Mülltrennung in Betrieben (15209/J)

Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend
Peer-reviewede Studie zur Übersterblichkeit in Deutschland
in den Jahren 2020 – 2022 (15210/J)

Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Pandemievertrag (15211/J)

MMMag. Dr. Axel Kassegger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Beschaffung der strategischen Gasreserve
(15212/J)

MMMag. Dr. Axel Kassegger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Beschaffung der strategischen Gasreserve (15213/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll219. Sitzung, 219. Sitzung des Nationalrats vom 14. Juni 2023 / Seite 24

Mag. Philipp Schrangl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft betreffend Anlegerwohnungen im gemein­nützigen Wohnbau widersprechen wissenschaftlichen Erkenntnissen der WIFO-Studie „Die preisdämpfende Wirkung des gemeinnützigen Wohnbaus in Österreich“ (15214/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Welle der Gewalt rollt durch Wien! (15215/J)

Petra Steger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport betreffend Postsportgelände (15216/J)

Dr. Susanne Fürst, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für euro­päische und internationale Angelegenheiten betreffend „Inoffizielle Ge­sprächskanäle nach Moskau“ (15217/J)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Fahrschulschließungen und Insolvenzen (15218/J)

Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Die energiepolitischen Irrfahrten der Bundes­regierung: Wo steckt das angekündigte LNG-Schiff aus Abu Dhabi? (15219/J)

Mag. Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Erstellung einer „Ghettoliste“ (15220/J)

Mag. Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien betreffend Erstellung einer „Ghettoliste“ (15221/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend Beschäftigung von Menschen mit Behinderung im BMEIA im 1. Quartal 2023 (15222/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll219. Sitzung, 219. Sitzung des Nationalrats vom 14. Juni 2023 / Seite 25

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landes­verteidigung betreffend Beschäftigung von Menschen mit Behinde­rung im BMLV im 1. Quartal 2023 (15223/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für EU und Verfassung betreffend Beschäftigung von Menschen mit Behinde­rung im BMEUV im 1. Quartal 2023 (15224/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport betreffend Beschäftigung von Menschen mit Behinderung im BMKÖS im 1. Quartal 2023 (15225/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen be­treffend Beschäftigung von Menschen mit Behinderung im BMF im 1. Quartal 2023 (15226/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Be­schäftigung von Menschen mit Behinderung im BKA im 1. Quar­tal 2023 (15227/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Beschäftigung von Menschen mit Behinderung im BMK im 1. Quartal 2023 (15228/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft betreffend Beschäftigung von Menschen mit Behinderung im BML im 1. Quartal 2023 (15229/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betref­fend Beschäftigung von Menschen mit Behinderung im BMI im 1. Quar­tal 2023 (15230/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll219. Sitzung, 219. Sitzung des Nationalrats vom 14. Juni 2023 / Seite 26

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien betreffend Beschäftigung von Menschen mit Be­hinderung im BMFFIM im 1. Quartal 2023 (15231/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Ge­sundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Beschäftigung von Menschen mit Behinderung im BMSGPK im 1. Quartal 2023 (15232/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betref­fend Beschäftigung von Menschen mit Behinderung im BMJ im 1. Quar­tal 2023 (15233/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Beschäftigung von Menschen mit Behinderung im BMBWF im 1. Quartal 2023 (15234/J)

Petra Wimmer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Verwendung Bundeszuschuss­mittel Ausbau Kinderbetreuung 2018/19, 2019/20 und 2020/21, Tagesmütter und ‑väter und Sprachförderung (15235/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft betreffend Beschäftigung von Menschen mit Behinderung im BMAW im 1. Quartal 2023 (15236/J)

Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres be­treffend geplanter rechtsterroristischer Anschlag auf Veranstaltung der KPÖ (15237/J)

Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz be­treffend geplanter rechtsterroristischer Anschlag auf Veranstaltung der KPÖ (15238/J)

Mag. Andrea Kuntzl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für So­ziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend negative Folgen der Auslagerung der Pathologie an der Universität Innsbruck (15239/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll219. Sitzung, 219. Sitzung des Nationalrats vom 14. Juni 2023 / Seite 27

Petra Tanzler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend „Längerfristiger Umgang mit Schutzsuchenden aus der Ukraine“ (15240/J)

Petra Tanzler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend „Teilnahme am Ethikunterricht“ (15241/J)

Petra Tanzler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend „Sommerschule“ (15242/J)

Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler be­treffend Österreichs Beteiligung am Wiederaufbau der Ukraine (15243/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft betreffend Überstunden im BMAW für das 1. Quartal 2023 (15244/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport betreffend Überstunden im BMKÖS für das 1. Quartal 2023 (15245/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres be­treffend Überstunden im BMI für das 1. Quartal 2023 (15246/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Über­stunden im BMK für das 1. Quartal 2023 (15247/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Über­stunden im BKA für das 1. Quartal 2023 (15248/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll219. Sitzung, 219. Sitzung des Nationalrats vom 14. Juni 2023 / Seite 28

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend Überstunden im BMEIA für das 1. Quartal 2023 (15249/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Überstunden im BMSGPK für das 1. Quartal 2023 (15250/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Überstunden im BMF für das 1. Quartal 2023 (15251/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Fa­milie, Integration und Medien betreffend Überstunden im BMFFIM für das 1. Quartal 2023 (15252/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für EU und Verfassung betreffend Überstunden im BMEUV für das 1. Quar­tal 2023 (15253/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz be­treffend Überstunden im BMJ für das 1. Quartal 2023 (15254/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Überstunden im BMBWF für das 1. Quartal 2023 (15255/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft betreffend Überstun­den im BML für das 1. Quartal 2023 (15256/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landes­verteidigung betreffend Überstunden im BMLV für das 1. Quar­tal 2023 (15257/J)

Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend OGH-Urteil: Müt­terfeindliche Wochengeldfalle ist rechtswidrig (15258/J)

Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Familienbeihilfe für im Ausland wohnhafte Kinder 2022 (15259/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll219. Sitzung, 219. Sitzung des Nationalrats vom 14. Juni 2023 / Seite 29

Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien betreffend Kürzung des Kinderbetreuungs­geldes aufgrund fehlender Übermittlung der Mutter-Kind-Pass-Unter­suchungen 2022 (15260/J)

Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien betreffend Verlust des Anspruchs auf einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld bei mehr als 14-tägigem Kran­kengeldbezug 2022 (15261/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Kosten für Übersetzungs- und Dolmetschleistungen im BMI für das 1. Quartal 2023 (15262/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landesver­teidigung betreffend Kosten für Übersetzungs- und Dolmetschleistungen im BMLV für das 1. Quartal 2023 (15263/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für EU und Verfassung betreffend Kosten für Übersetzungs- und Dolmetschleistungen im BMEUV für das 1. Quartal 2023 (15264/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport betreffend Kosten für Übersetzungs- und Dolmetschleistungen im BMKÖS für das 1. Quartal 2023 (15265/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Kosten für Übersetzungs- und Dolmetschleistungen im BMJ für das 1. Quartal 2023 (15266/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft betreffend Kosten für Übersetzungs- und Dolmetschleistungen im BML für das 1. Quartal 2023 (15267/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll219. Sitzung, 219. Sitzung des Nationalrats vom 14. Juni 2023 / Seite 30

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien betreffend Kosten für Übersetzungs- und Dolmetschleistungen im BMFFIM für das 1. Quartal 2023 (15268/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Kos­ten für Übersetzungs- und Dolmetschleistungen im BMK für das 1. Quartal 2023 (15269/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend Kosten für Übersetzungs- und Dolmetschleistungen im BMEIA für das 1. Quartal 2023 (15270/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Kosten für Übersetzungs- und Dolmetschleistungen im BMBWF für das 1. Quartal 2023 (15271/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Kosten für Übersetzungs- und Dolmetschleistungen im BMF für das 1. Quartal 2023 (15272/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft betreffend Kosten für Übersetzungs- und Dolmetschleistun­gen im BMAW für das 1. Quartal 2023 (15273/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Kosten für Übersetzungs- und Dolmetschleistungen im BMSGPK für das 1. Quartal 2023 (15274/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Kosten für Übersetzungs- und Dolmetschleistungen im BKA für das 1. Quar­tal 2023 (15275/J)

Dr. Johannes Margreiter, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Ausfall Zugverkehr 13.04.2023 (15276/J)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend BFA Qualitätssicherung Referent:innen (15277/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll219. Sitzung, 219. Sitzung des Nationalrats vom 14. Juni 2023 / Seite 31

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft betreffend Warum ist die Arbeitslosenversicherung in Öster­reich so teuer? (15278/J)

Mag. Martina Künsberg Sarre, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Qualifikation von Lehrkräften (15279/J)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Außerlandesbringung der Familie Lopez: Warum werden Fachkräfte abgeschoben? (15280/J)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Untätigkeit der Behörden bei Verstößen gegen Spielerschutz? (15281/J)

Barbara Neßler, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien betreffend Förderungen an den Österrei­chischen Pennäler Ring (ÖPR) (15282/J)

Mag. Eva Blimlinger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Ermittlungen wegen NS-Wiederbetätigung gegen Udo Guggen­bichler (15283/J)

Dr. Johannes Margreiter, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Maßnahmenvollzugsreform 2022 – Nicht zu Ende ge­dacht? (15284/J)

Fiona Fiedler, BEd, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend ELGA Nutzung (15285/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Kosten der Pensionsanpassung 2024 für Pen­sionsansprüche der Bundesbeamten, ihrer Hinterbliebenen und Angehörigen (15286/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll219. Sitzung, 219. Sitzung des Nationalrats vom 14. Juni 2023 / Seite 32

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für So­ziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Kosten der Pensionsanpassung 2024 in der gesetzlichen Pensions­versicherung (15287/J)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirt­schaft auf die Anfrage der Abgeordneten MMag. Katharina Werner, Bakk., Kolleginnen und Kollegen (14321/AB zu 14809/J)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten MMag. Katharina Werner, Bakk., Kolle­ginnen und Kollegen (14322/AB zu 14808/J)

der Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bun­deskanzleramt auf die Anfrage der Abgeordneten Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen (14323/AB zu 14811/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen (14324/AB zu 14812/J)

des Bundesministers für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kolle­gen (14325/AB zu 14813/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen (14326/AB zu 14815/J)

des Bundesministers für europäische und internationale Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen (14327/AB zu 14814/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen (14328/AB zu 14816/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll219. Sitzung, 219. Sitzung des Nationalrats vom 14. Juni 2023 / Seite 33

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen (14329/AB zu 14817/J)

*****

des Präsidenten des Nationalrates auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Susanne Fürst, Kolleginnen und Kollegen (69/ABPR zu 69/JPR)

des Präsidenten des Nationalrates auf die Anfrage der Abgeordneten Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen (70/ABPR zu 71/JPR)

des Präsidenten des Nationalrates auf die Anfrage der Abgeordneten Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen (71/ABPR zu 70/JPR)


 


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09.05.13Beginn der Sitzung: 9.05 Uhr

Vorsitzende: Präsident Mag. Wolfgang Sobotka, Zweite Präsidentin Doris Bures.

09.05.14*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete, ich darf Sie recht herzlich zur 219. Sitzung des National­rates begrüßen. Die Sitzung ist eröffnet.

Ich begrüße die Damen und Herren auf der Galerie, die Journalisten und vor al­lem auch die Damen und Herren zu Hause vor den Bildschirmen herzlich.

Ich darf gleich zu Beginn Philip Kucher, dem neuen Klubobmann der SPÖ, recht herzlich gratulieren. (Abg. Michael Hammer: Das ist ja der Babler!) Ich wünsche Ihnen für diese verantwortungsvolle Tätigkeit – dann auch in der Präsidiale – alles Gute. Herzliche Gratulation! (Allgemeiner Beifall.)

Die nicht verlesenen Teile des Amtlichen Protokolls der 217. Sitzung sowie das Amtliche Protokoll der 218. Sitzung vom 1. Juni 2023 sind in der Parla­mentsdirektion aufgelegen und wurden nicht beanstandet.

Für die heutige Sitzung als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Martina Kaufmann, MMSc BA, Maximilian Lercher, Josef Muchitsch, Rainer WimmerMMag. DDr. Hubert Fuchs, Mag. Christian Ragger und Dr.in Stephanie Krisper.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Das Bundeskanzleramt hat über die Vertre­tung von Mitgliedern der Bundesregierung folgende Mitteilung gemacht:

Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft Mag. Dr. Martin Kocher wird durch die Staatssekretärin im Bundeministerium für Arbeit und Wirtschaft Mag. Susan­ne  Kraus-Winkler vertreten, Bundesminister für Finanzen Dr. Magnus


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Brunner, LL.M. durch den Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Florian Tursky, MBA MSc.

*****

Ich darf bekannt geben, dass diese Sitzung wie üblich bis 13 Uhr auf ORF 2, bis 19.15 Uhr auf ORF III und dann kommentiert in der TVthek übertragen wird.

09.06.43Aktuelle Stunde


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen somit gleich zur Aktuellen Stunde mit dem Thema:

„Gemeinsam Gesund: Maßnahmen für eine bessere Gesundheitsversorgung“

Ich darf Herrn Bundesminister Rauch recht herzlich in unserer Mitte begrüßen.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Schallmeiner. Er weiß, dass er zur Begründung 10 Minuten Redezeit zur Verfügung hat. – Bitte.


9.07.02

Abgeordneter Ralph Schallmeiner (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie und zu Hause vor den Bildschirmen! Vorneweg: Lie­ber Philip, auch von meiner Seite herzliche Gratulation zu deiner neuen Funktion! Genauso euch, liebe Julia und liebe Evi, herzliche Gratulation zu euren neuen Funktionen! Philip, ich hoffe, du bleibst uns als Gesundheitssprecher erhalten, es wäre doch schade, wenn du dieses Thema abgeben würdest. (Abg. Belakowitsch: Na, na! – Abg. Wurm: Na ja, so gut war er nicht! – Heiterkeit bei Abgeordneten von ÖVP und FPÖ. – Heiterkeit des Redners. – Abg. Kickl: Es lebe die Zwangsimpfung!) Ich gratuliere auf jeden Fall! (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

Ich finde es sehr schön und auch sehr passend, dass wir heute, am 14. Juni, über unser Gesundheitswesen reden. Der 14. Juni – viele von Ihnen wissen es


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vielleicht – ist der Weltblutspendetag. Für diejenigen, die es nicht wissen: In Ös­terreich wird alle 90 Sekunden eine Blutspende benötigt. Bei Notfällen, für Therapien, Behandlungen oder Operationen braucht man gespendetes Blut. Es gibt ja bekanntermaßen immer im Sommer ein Problem, da die Vorräte an Spenderblut da zur Neige gehen. Da gibt es Engpässe, und deshalb möchte ich den Beginn meiner Rede heute auch dazu nutzen, Sie alle miteinander aufzufordern, Sie darum zu bitten, Blut spenden zu gehen. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von ÖVP, SPÖ und NEOS.) Es hilft, es ist ein Akt der Solidarität, und das Schöne daran ist, dass es seit 31. August 2022 diskriminie­rungsfrei möglich ist. Auch das ist eine gute Sache. (Beifall bei den Grünen sowie der Abgeordneten Kucharowits und Lindner.)

Wenn wir schon von Solidarität reden, dann müssen wir natürlich auch das österreichische Gesundheitswesen, das ja ein solidarisches System sein soll und ist, thematisieren. Jeder und jede trägt etwas bei, damit jede und jeder von uns entsprechende medizinische Behandlung und medizinische Versor­gung bekommt. Das Prinzip sollte an sich lauten: Die E-Card und nicht die Kre­ditkarte zählt. (Beifall bei den Grünen.)

Wir, so ehrlich müssen wir auch sein, bewegen uns momentan etwas weg von diesem Prinzip – „etwas“ ist vielleicht ein Euphemismus. Woran liegt das? – Schauen wir uns die aktuelle Ausgangslage an: Es gibt momentan in den Spitälern eine extrem schwierige Situation. Es lastet massiver Druck auf den Spitälern, es gehen immer mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von den Spitälern weg, weil sie eben den Druck, diesen Frust, der sich da aufbaut, nicht mehr aushalten. Das liegt daran, dass sie ständig Überstunden machen müssen, ständig für andere einspringen müssen und keine Planbarkeit, keine Work-Life-Balance mehr haben. Das wird von den Mediziner:innen, aber natürlich auch – und das ganz besonders – vom Pflegepersonal an uns herangetragen.

Ein Beispiel – gleich vorneweg: es ist aus Wien; ich möchte aber hier kein Wien­bashing betreiben, ich weiß, dass diese Situation auch in den anderen


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Bundesländern in ähnlicher Form vorherrscht –: In Wien sind aktuell fast 700 Stel­len im medizinischen Bereich ausgeschrieben.

Letztes Jahr gab es 70 Gefährdungsanzeigen, 25 davon in einem einzigen Spital. Es gibt aktuell 800 gesperrte Betten in Wien, das entspricht in etwa einem ganzen Krankenhaus. Diese Situation herrscht, wie schon gesagt, auch in ande­ren Bundesländern, das ist nicht nur in Wien so, sondern auch in anderen Bundesländern. (Abg. Silvan: In Niederösterreich!)

Das ist, bitte schön, auch nur ein Aspekt der Thematik, bei der es einerseits um hausgemachte Probleme der Spitalsbetreiber, der Spitalserhalter geht. Auf diesen Aspekt weisen uns auch der ÖGKV – die Vertretung der Pflegekräfte in Österreich – und die Kurie der angestellten Ärztinnen und Ärzte in der Ärztekammer immer wieder zu Recht hin.

Was ich an dieser Stelle auch noch sagen möchte: Die Forderung der Ärzte­kammer nach Ambulanzgebühren lehnen wir natürlich kategorisch ab, weil das kein Problemlöser für die Situation in den Spitälern ist. Das sei an dieser Stelle ausdrücklich erwähnt. (Beifall bei den Grünen.)

Warum sind die Ambulanzen momentan derart massiv belastet? – Es liegt definitiv nicht daran, dass wir in Österreich nicht genügend Ärztinnen und Ärzte hätten: Wir haben aktuell über 48 000 Ärztinnen und Ärzte. Wir hatten noch nie so viele Medizinerinnen und Mediziner, die an sich berechtigt und be­fähigt wären, in Österreich zu ordinieren, aber wir haben viel zu wenige im niedergelassenen Bereich, viel zu wenige, die systemrelevant – auf Kassen­kosten – arbeiten. Das ist unsere Herausforderung, das ist unser Problem.

Damit ergibt sich für die Menschen draußen eine Problemstellung: Entweder man kann es sich leisten, zu einem Wahlarzt zu gehen, wenn man drin­gend etwas braucht und kein kassenfinanzierter Arzt in der Nähe ist, oder man muss sich in eine Ambulanz setzen und darauf warten, dass man irgendwann drankommt. Damit wird das Spitalspersonal entsprechend belastet.


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Das sind wie gesagt nur zwei Aspekte dieser Herausforderung. Es gibt natürlich deutlich mehr Herausforderungen und deutlich mehr Aspekte in dem Ganzen – aber diese zwei Punkte möchten wir dezidiert hervorheben.

Kommen wir deshalb dazu, was wir aktuell machen, kommen wir zum Ausblick, kommen wir dazu, wie wir dieses Problem lösen möchten! Das eine ist: Wir haben aktuell eine historische Chance – ich gehe davon aus, dass der Bun­desminister das nachher auch noch einmal darlegen wird –, die historische Chance des Finanzausgleichs, mit dem die Finanzierung zwischen Bund, Ländern und Kommunen geregelt wird. Das ist deshalb eine historische Chance, weil endlich auch die Landesgesundheitsreferent:innen, die Bundesländer, er­kannt haben, dass uns nur ein Ausbau des niedergelassenen Bereichs wirklich helfen wird, den Spitälern diesen Druck langfristig zu nehmen und wieder patientenorientierte, wohnortnahe Versorgung sicherzustellen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Die Ziele dabei sind der Ausbau und die Stärkung des niedergelassenen Be­reichs – auch und speziell in ländlichen Regionen –, damit einherge­hend die Verbesserung der Situation in den Ambulanzen, das Bereitstellen von mehr kassenfinanzierten Facharztstellen – auch in den ländlichen Re­gionen – und das patientinnen- und patientenorientierte Einsetzen der Mittel – auch beispielsweise dadurch, dass die Tagesrandzeiten und die Wochenenden entsprechend stärker bespielt werden. – Das ist das eine.

Das andere ist: Wir müssen uns ansehen, wie wir es schaffen können, den so­genannten niedergelassenen Bereich zu stärken. Seit 2017 haben wir ein wichtiges und gutes Mittel an der Hand. 2017 wurde hier im Hohen Haus das sogenannte Primärversorgungsgesetz beschlossen. Primärversor­gungseinheiten sind der Zusammenschluss mehrerer Medizinerinnen und Medi­ziner, um wohnortnahe gute Versorgung gewährleisten zu können. Der Vorteil für die Patient:innen sind längere Öffnungszeiten. Der Vorteil für die Me­diziner:innen ist auf der einen Seite das auf mehrere Schultern verteilte


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wirtschaftliche Risiko und das interprofessionelle, interdisziplinäre, teamorien­tierte Arbeiten in diesen PVEs. Das ist natürlich wiederum auch ein Vor­teil für die Patientinnen und Patienten.

Nur: Statt der damals avisierten 79 PVEs, die wir bis heute in Österreich haben sollten, haben wir bisher nur 40. Es gibt sogar Bundesländer, wo es noch keine einzige PVE gibt – maximal ist dort eine geplant. Das heißt, wir müssen uns ansehen, woran das liegt.

Dementsprechend werden wir das Primärversorgungsgesetz adaptieren, novellieren, reformieren, wenn Sie so wollen. In Zukunft braucht man nur mehr zwei – statt bisher drei – Medizinerinnen und Mediziner zur Gründung einer PVE. Auch Gynäkologinnen und Gynäkologen oder Kinder- und Jugend­heilkundler können künftig eine PVE gründen. Wir ermöglichen damit auch die Gründung von eigenen, spezialisierten Kinder- und Jugendheilkunde­primärversorgungseinheiten. Es gibt in Zukunft kein Veto einer einzelnen Berufsgruppe bei der Ausschreibung dieser PVEs mehr. Damit sind in Zukunft kürzere Fristen und schnellere Ausschreibungen für PVEs möglich.

Was mir persönlich ein Herzensanliegen ist: Auch sogenanntes nichtärztliches Personal, also der gehobene Pflegebereich, MTD-Berufe, können in Zukunft an der Gründung von sogenannten Primärversorgungseinheiten mit­wirken. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ein Hinweis sei mir an dieser Stelle gestattet: Der letzte Aspekt, den ich gerade erwähnt habe, wurde auch von vielen jungen Medizinerinnen und Medi­zinern aktiv eingefordert. Sie sagen: Das ist Arbeiten auf Augenhöhe, teamorien­tiertes Arbeiten, interdisziplinäres, interprofessionelles Arbeiten. Das ist es, was wir wollen, so wollen wir Patientinnen- und Patientenversorgung in Ös­terreich sicherstellen.

Damit geben wir uns aber nicht mehr zufrieden. Wir sagen nicht: Schauen wir, dass wir so die 79 PVEs bekommen, die wir 2017 projektiert ha­ben! Stattdessen wollen wir – der Minister hat das ja vor wenigen Wochen auch


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bereits angekündigt – in Summe 120 PVEs oder mehr in Österreich haben. Dafür haben wir auch entsprechende EU-Mittel aus der RRF – der Recovery and Resilience Facility der EU – zur Verfügung. 100 Millionen Euro hat die EU uns zum Ausbau der PVEs gegeben. Ein Teil davon wurde bereits ver­wendet, aber es ist immer noch sehr, sehr viel Geld vorhanden. Dieses Geld wollen wir natürlich nutzen, um die wohnortnahe interdisziplinäre Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ist das der Weisheit letzter Schluss? – Nein, das ist nur ein Aspekt, es gibt aber noch viele mehr. Wie gesagt, man muss die Maßnahmen in ihrer Gesamt­heit betrachten. Man muss den Finanzausgleich, den ich eingangs erwähnt habe, miteinbeziehen, Maßnahmen, wie wir sie am Wochenende angekündigt haben. All das zusammen wird es ermöglichen, dass wir die Versäumnisse der letzten 15, 20, 30 Jahre in Österreich endlich beseitigen können, dass wir den Reformstau beseitigen, dass wir endlich weiterkommen und ein patien­tinnen- und patientenorientiertes Gesundheitswesen auf den Weg bringen.

Es gibt natürlich auch noch andere Bereiche, derer wir uns annehmen werden: die psychosoziale Versorgung; wir müssen uns das Sanitätergesetz an­schauen; wir müssen und werden uns die Medikamentenversorgung sowie eine Aufwertung der Pflege- und MTD-Berufe ansehen. Diese brauchen mehr Kompetenzen, sie müssen aufgewertet werden, müssen eine viel tragendere Rolle in diesem System spielen, als sie es bisher durften. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Belakowitsch: Dann macht es! Wieso macht ihr es nicht einfach? Machen, nicht fordern, Herr Kollege!)

Zum Schluss: Die heutige Situation ist nicht das Ergebnis von wenigen Monaten oder der Arbeit der letzten Jahre, sondern eine Verantwortung aus den letzten 15, 20, vielleicht sogar 30 Jahren – eine Verantwortung, die wir alle hier zu tragen haben, insbesondere auch jene Parteien, die in den letzten
15, 20, 30 Jahren im Haus die Gesundheitsminister gestellt haben. Ich würde


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darum bitten, dass wir es auch so betrachten: als gemeinsame Verant­wortung. Wir machen hier etwas, und ich würde Sie darum bitten: Machen wir es gemeinsam! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

9.17


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Rauch. – Bitte sehr.


09.17.46

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Herr Präsident! Hohes Haus! Diese Aktuelle Stunde gibt mir die Gelegenheit, auf einige Aspekte einzugehen. Unser Gesundheitssystem steht unzweifelhaft, und das ist feststellbar, vor großen Herausforderungen. Ich möchte mit einer beginnen, die ich immer wieder versuche darzulegen.

Die Situation in Österreich ist, dass wir im System sehr viele Player haben: die Bundesländer in ihrer Unterschiedlichkeit – ein föderaler Staat –, die Selbstverwaltung – die ÖGK – und selbstverständlich den Bund. Die Situation ist auch, dass wir aufgrund der Komplexität auch entlang der Finanzierungs­ströme im Grunde nur zwei Aggregatzustände kennen: gesund oder krank. Wir nehmen viel zu wenig darauf Bedacht, dass es die Vorsorge und die Nach­sorge und die Rehabilitation braucht und dass diese gemeinsam betrachtet wer­den müssen. Es ist mein Bemühen, diese vier zentralen Bestandteile der Gesundheitspolitik wieder zusammenzubringen. Das fehlt bislang deutlich. (Bei­fall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Was heißt das nun? – Im europäischen Vergleich, auch im OECD-Schnitt, wenden wir viel Geld für unser Gesundheitswesen auf. Wir sind – das möchte ich betonen – im Vergleich der europäischen Staaten mit einer guten Gesundheitsversorgung, einer Gesundheitsversorgung von hoher Qualität aus­gestattet, die jetzt aber mitunter daran leidet, dass wir beispielsweise im


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niedergelassenen Bereich einfach zu wenige Ärztinnen und Ärzte mit Kassenver­trägen haben. Die Tendenz der letzten Jahre war dahin gehend, dass die Anzahl der Wahlärztinnen und Wahlärzte deutlich gestiegen ist und die Anzahl der Kassenärztinnen und Kassenärzte gleich geblieben ist. Das ist ein
Problem.

Das ist vor allem für jene Menschen ein Problem, die darauf angewiesen sind, einen raschen und niederschwelligen Zugang zu medizinischer Versorgung zu bekommen, und die nicht in der Lage sind, an der Kasse mit der Kredit­karte zu bezahlen, sondern die Versorgungsleistung mit der E-Card haben möch­ten. Deshalb braucht es das Drehen an Stellschrauben, um die Voraus­setzungen  zu verändern. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es braucht – und das ist Teil dieser Reform – eine deutliche Stärkung des niedergelassenen Bereichs, denn nur so wird es gelingen, den Zug in die Spitalsambulanzen einzubremsen. Es macht keinen Sinn, wenn Menschen aufgrund dessen, dass eine Mangelerscheinung im niedergelassenen Bereich vorhanden ist, automatisch immer sofort ins teuerste aller Systeme gehen, nämlich ins Spital und in die Spitalsambulanz. Und da die Rah­menbedingungen zu verbessern, Verträge besser zu dotieren, einen Gesamt­vertrag zu haben, von dem in Österreich schon so lange gespro­chen wird, das ist eine der Voraussetzungen, um in die Gänge zu kommen.

Was ich nach einem Jahr erkannt habe – so lange bin ich ja noch nicht in diesem Job –, ist, dass es genau zwei Möglichkeiten gibt, in Österreich derart grundlegende Reformen in einem Gesundheitssystem zustande zu bekommen: Entweder gibt es eine Bundesstaatsreform, in der Kompetenzen und Einnahmen-, Ausgabenverantwortlichkeiten neu geregelt werden – die sehe ich ehrlich gesagt nicht am Horizont (Abg. Meinl-Reisinger: Warum?) –, oder es gibt den Finanzausgleich. (Abg. Meinl-Reisinger: Warum?) – Warum ich sie nicht sehe? (Abg. Meinl-Reisinger: Man kann es mal versuchen! Man muss es versuchen!) – Weil es schon einmal einen Versuch gegeben hat. Ich bin bei einer Bundesstaatsreform gerne mit dabei, ich würde sie begrüßen (Abg.


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Meinl-Reisinger: Nehmen Sie einmal einen Anlauf!), aber das ist, Frau Klubvor­sitzende, in der Zeit, die ich jetzt habe, nicht zu leisten.

Ich habe aber jetzt den Finanzausgleich. Das ist das Einfallstor, wenn Sie so wollen, um bei der Verteilung der Mittel zwischen Bund, Ländern und Gemeinden darauf zu achten, wie dieses Instrument genützt werden kann, um zu Reformen zu kommen. Das haben die Bundesländer nämlich selbst erkannt, sie haben einen Beschluss gefasst, gemeinschaftlich – die roten und die schwar­zen Bundesländer –, zu sagen, ja, wir sind bereit für Reformen. Und dann braucht es frisches Geld im System – und genau diese Mechanik wird im Finanz­ausgleich jetzt zum Tragen kommen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeord­neten der ÖVP.)

Das ist auch deshalb wichtig, weil die Verantwortlichkeiten auf Landesebene ja bei den Spitälern liegen und über die Regionalen Strukturpläne Gesundheit mehr Verbindlichkeit hineinkommen muss, dass dort Sicherheit besteht. Das kann nur gelingen, wenn da alle gemeinsam an einem Strang ziehen. Das ist ja mein Bemühen sozusagen, die Sozialversicherung in ihrer Vielfältigkeit, die Bundesländer in ihrer Vielfältigkeit und alle, die damit zu tun haben, an einen Tisch zu bekommen und darauf zu verständigen: Okay, wir haben eine Mangelerscheinung im niedergelassenen Bereich, wir stärken dort die Arbeits­bedingungen, wir setzen auf die Primärversorgung.

Einen Satz noch zum Thema Primärversorgung: Das Gesetz, das heute im Na­tionalrat behandelt wird, dieses Primärversorgungsgesetz, ist deshalb so wichtig, weil damit die Voraussetzung dafür geschaffen wird, dass es künftig viel einfacher und unbürokratischer möglich sein wird, Primärversorgungs­einrichtungen zu schaffen. Diese haben einfach Zukunftsmodellcharakter, weil sie ein Angebot bieten, das tageszeitlich ausgeweitet ist, wesentlich brei­ter aufgestellt ist. Die Urlaubsvertretung ist geklärt, die Zugänglich­keit ist leichter. Es ist auch das Angebot an Berufsgruppen, die dort Platz finden, ein breiteres.


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Wir haben jetzt 40 Primärversorgungseinrichtungen in Österreich, 30 sind heuer in Vorbereitung, fünf davon sind Kinder-PVEs – das wird eine massive Ver­besserung bringen.

Dieses Zukunftsmodell dockt auch dort an, wo sich Lebensbedingungen und Arbeitsbedingungen von Menschen verändern. Medizin ist – unter An­führungszeichen – zunehmend „weiblich“, und Frauen wollen nicht, wie früher eine Landärztin, ein Landarzt, 120 Patienten pro Tag in alleiniger Verant­wortung abarbeiten. Die wollen im Team arbeiten, die wollen auf Augenhöhe arbeiten, die wollen alle Berufsgruppen mit dabei haben. Das wird damit geschaffen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Zur Anzahl der Ärztinnen und Ärzte: Es wird oft beklagt, wir würden in Öster­reich viel zu wenige Ärztinnen und Ärzte ausbilden. Das stimmt nicht. Wir bilden über die letzten 15 Jahre in etwa immer gleich viele Medizinerinnen und Mediziner aus. Wir sind in Österreich im OECD-Schnitt an dritter Stelle, was die Anzahl der Ärztinnen und Ärzte pro 100 000 Einwohner:innen angeht; das ist ausreichend, das ist gut. Was nicht stattfindet, ist eine ausreichende Dotierung der Kassenarztstellen, und was wir erleben, ist, wie ich dargestellt habe, der Zug in das Wahlarztsystem hinein. Das heißt: Auch der Facharzt für Allgemeinmedizin, den wir schaffen, ist die geforderte Attrakti­vierung des Berufes des niedergelassenen Arztes, der niedergelassenen
Ärztin.

Wichtig sind die Primärversorgungseinrichtungen, die vertragliche Ausgestaltung und eine notwendige Diagnosecodierung, damit wir es endlich schaffen, in der Digitalisierung in Österreich so weit zu kommen, dass Patientendaten ver­fügbar sind, wo immer man sich als Patientin, als Patient befindet. Es ist ein Unding, dass man von A nach B nach C laufen muss, um alle seine Patien­tendaten zu bekommen. Das geht, das ist machbar, das ist möglich, und das wird jetzt über die Elga in Angriff genommen. (Beifall bei den Grünen sowie der Abgeordneten Hörl und Smolle.)


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Der Dreischritt – zuerst digital, dann ambulant und dann stationär – hat Potenzial, weil wir der Auffassung und der Überzeugung sind, dass wir mit der Nummer 1450 ein bestehendes System haben, das während der Corona­pandemie bewiesen hat, was es kann. Wir müssen das als Abklärungseinheit ausbauen, die in der Lage ist, im Vorfeld Einschätzungen auf einer guten, auf einer hohen Fachlichkeit zu treffen, um dann Anweisungen oder Ratschläge geben zu können, was der nächste Schritt ist. Und der nächste Schritt kann, muss aber nicht in jedem Fall sein, in die Spitalsambulanz zu gehen, son­dern er kann – ganz anders – auch sein, im niedergelassenen Bereich seine Versorgung zu bekommen.

Wie wird der Zeitablauf sein? Heute wurde das Primärversorgungsgesetz jedenfalls durch den Ministerrat dem Parlament zugeleitet. Es wird eine ganze Reihe von Begleitmaßnahmen geben müssen. Es ist auch klare Forde­rung der Bundesländer – und die teile ich –, die Beschlussfassung des Finanz­ausgleichs mit den Begleitgesetzen zu verknüpfen. Es wird das ASVG, es wird  das GuKG, es werden andere Gesetze damit angepasst und beschlossen werden müssen. Nur wenn das im Herbst, im September gelingt und das vorliegt – Finanzrahmen, 15a-Legistik, Begleitgesetze –, wir es schaffen, das ge­meinsam zu beschließen, dann ist das geschafft, wovon alle reden, wovon ich rede, nämlich Reformschritte – ich rede jetzt einmal von Reformschritten –, die notwendig sind, zustande zu bekommen.

Ich habe mir das auf die Fahnen geheftet, ich will das deshalb unbedingt, weil meine Überzeugung ist: Wenn jetzt der Finanzausgleich nicht genützt wird und fünf Jahre alles so bleibt, wie es ist, dann wird das im Gesundheits­system zu Schwierigkeiten führen, die sich gewaschen haben. Das will ich nicht, das will ich nicht im Sinne der Patientinnen und Patienten. Deshalb: Diesen Kraftakt jetzt zu leisten – auch wenn viele sagen, du wirst dir eine blutige Nase holen, du wirst scheitern wie alle vor dir –, das ist mir Ver­pflichtung, weil ich mir ewig vorwerfen würde, es nicht versucht zu haben. Wir sind – das kann ich sagen – mit allen Playern so weit gediehen - -


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(Heiterkeit der Abg. Belakowitsch.) – Ich finde das nicht lustig, Frau Ab­geordnete, weil das ein sehr ernstes Thema ist. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Das ist auch ein Kraftakt, der notwendig ist. Sie können mich dann daran messen, ob es gelungen ist oder nicht. Es kann schon sein, dass ich, wie viele vor mir, scheitern werde, aber es ist meine Absicht, das gemeinsam mit den Bundesländern, gemeinsam mit der Sozialversicherung, gemeinsam mit den Playern im System hinzubekommen, weil ich nicht will, dass in Österreich in fünf Jahren eine Situation vorherrscht, in der die Zweiklassenmedizin weiterge­diehen ist und die Leistungen für ärztliche Versorgung nicht in Anspruch genom­men werden. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Smolle.)

Deshalb gibt es diese Bemühungen, deshalb ergeht auch die Einladung an Sie alle, sich, wo auch immer Sie können, daran konstruktiv zu beteiligen. Meine Arbeitsintensität in dieser Frage ist eine hohe, meine Zuversicht allerdings auch, da etwas zustande zu bekommen. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grü­nen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

9.28


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Smolle. Ab nun beträgt die Redezeit, wie Sie wissen, 5 Minuten. – Bitte sehr.


9.28.20

Abgeordneter Dr. Josef Smolle (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zuallererst möchte ich als Gesundheitssprecher der Österreichischen Volkspartei Kollegen Philip Kucher ganz herzlich zu seiner neuen Funktion als geschäftsführender Klubobmann gratulieren. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie bei Abgeordneten der NEOS.)

Ich hoffe, du bleibst uns als Gesundheitssprecher erhalten. Du weißt, wie sehr wir den pointierten und manchmal ein bisschen angespitzten Gedanken­austausch mit dir schätzen. Alles Gute! (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)


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Für mich ist es jetzt schon 42 Jahre her, dass ich begonnen habe, als Arzt zu ar­beiten, davon ein Vierteljahrhundert als Spitalsarzt an vorderster Front. In diesen gut vier Jahrzehnten hat sich die Medizin ganz intensiv weiterentwickelt. Sie ist viel spezialisierter geworden, sie ist ungleich wirksamer geworden, zugleich – und das wird oft übersehen – ist sie auch viel verträglicher und sanf­ter geworden. Gleichzeitig ist eine neue Generation herangewachsen – eine Generation, die andere Vorstellungen von der Arbeitswelt hat, als wir sie vielleicht hatten. Das heißt, es hat sich sehr, sehr viel geändert.

Was sich nicht geändert hat, sind vielfach die Rahmenbedingungen – und, wie Kollege Ralph Schallmeiner es vorhin angesprochen hat, dass sich eigent­lich jahrzehntelang kaum etwas bewegt hat, hat uns dorthin gebracht, wo wir jetzt sind. Ich bin daher froh über diese Bundesregierung, die nun – und das ist gut und richtig – entsprechende Weichen stellt, die diesen Änderungen gerecht werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Das Primärversorgungsgesetz wird novelliert – mit dem Ziel, dass es rascher geht, Primärversorgungszentren einzurichten. Sie haben einen großen Charme, weil sie tageszeitlich ausgeweitet sind, weil sie im Angebot über ver­schiedene Gesundheitsberufe hinaus viel breiter aufgestellt sind, und was ich auch von vielen Kolleginnen und Kollegen höre, ist, dass sie sagen, sie schätzen es, im Team und auf Augenhöhe zu arbeiten. Genau das bieten die Primärversorgungszentren, und das zu erleichtern ist ein wesent­licher Schritt, der mit dieser Gesetzesnovelle gelingt.

Natürlich sind Primärversorgungseinrichtungen nicht das Einzige, das wir in der Primärversorgung und in der allgemeinmedizinischen Versorgung brauchen, sondern wir brauchen natürlich generell mehr Ärzte im kassenärztlichen System, und auch das wird in zwei Schritten angegangen. Als kurzfristige Maß­nahme ist noch für heuer geplant, 100 zusätzliche kassenärztliche Stellen zu schaffen, wahrscheinlich mit einem gewissen Schwerpunkt auf Kinderheilkunde, und das mit einer kräftigen Anschubfinanzierung für die Ordinations­gründung kurzfristig zu ermöglichen. Damit wird es auch gelingen, entsprechend


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motivierte junge Ärztinnen und Ärzte für das wirklich sehr erfüllende Berufs­leben in der niedergelassenen Praxis zu gewinnen.

Mittelfristig wird das nicht ausreichen, denn mittelfristig müssen wir es schaffen, dass die kassenärztliche Tätigkeit wieder gegenüber dem Wahlarztsystem eigentlich das attraktivere Berufs- und Lebensmodell wird. Das wiederum kann parallel zum Finanzausgleich geschehen, den der Herr Bundesminister schon angesprochen hat. Wir wollen nämlich die Weichen dafür stellen, dass es möglich wird, einen österreichweit einheitlichen Leistungskatalog für alle Ärztinnen und Ärzte zu schaffen. Dann wissen die Patientinnen und Patienten, dass sie in allen Bundesländern das Gleiche angeboten bekommen, wir können damit den niedergelassenen Bereich auch dahin gehend motivieren, jene Leistungen anzubieten, die wir als Gesellschaft brauchen und die er auch zu erbringen in der Lage ist, und wir können es insgesamt attraktiv machen. (Bei­fall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ganz wichtig ist auch der Sektor der Pflege. Da sind in den zwei Pflegepaketen – eines beschlossen, eines auf dem Weg – insgesamt 38 Maßnahmen auf den Weg gebracht worden; ich sage nur: Kompetenzausweitungen, Ausbau der Ausbildungsmöglichkeiten, Ausbildungszuschuss mindestens 600 Euro im Monat, Pflegestipendium mindestens 1 400 Euro im Monat und insgesamt 570 Millionen Euro für Gehaltserhöhungen jetzt zur Überbrückung, bis das im kommenden Jahr ins Regelsystem übergeht.

Ein letzter Punkt, der mir ein großes Anliegen ist: In den letzten Jahrzehnten haben wir alle Gesundheitsberufe massiv mit Aufgaben überhäuft, die fern von ihren Kernaufgaben sind – ich nenne Dokumentations- und Organisa­tionsaufgaben. (Abg. Kassegger: Wer ist „wir“?) Diese nehmen zum Teil schon den größeren Teil der Arbeitszeit in Anspruch, und das ist nicht nur in­effizient (Abg. Kassegger: Wer ist „wir“? Ihr seid seit 40 Jahren in der Regie­rung!), das ist auch frustrierend und geht zu Lasten der Arbeitszufriedenheit. (Abg. Kassegger: Redet er jetzt zu sich selbst, oder wie? Ich kenne mich nicht mehr aus!) Ich gebe das Versprechen ab: Da müssen wir zurücksteuern, und


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von diesem Thema werde ich nicht mehr abweichen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Zum Schluss ein doppeltes Dankeschön: eines an die Bundesregierung, die hier die Weichen stellt, und das ganz große Danke an die Gesundheitsberufe, die rund um die Uhr unsere Versorgung gewährleisten. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

9.34


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Klubobmann Kucher. – Bitte sehr. (Abg. Ottenschläger – in Richtung des sich zum Redner:innenpult begebenden Abg. Kucher –: Kommt der Sebastian Kurz in der Rede wieder vor?)


9.34.08

Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin sehr dankbar und möchte in diesem Sinne auch der Regierung Danke sagen dafür, dass man heute eine Debatte zur Ge­sundheitspolitik an die Spitze der Tagesordnung gestellt hat und wir nach dreieinhalb Jahren von der Regierung das Versprechen bekommen haben, dass sie zumindest die Gesundheitsreform in Österreich jetzt vorantrei­ben möchte. Ich hoffe, das wird wirklich in Angriff genommen.

Es gibt aber auch mir Gelegenheit, mich heute persönlich in meiner neuen Aufgabe sozusagen noch einmal bei Ihnen vorzustellen und vor allem auch meiner eigenen Fraktion ganz herzlich Danke für das Vertrauen zu sagen. Sie haben, glaube ich, alle in den letzten Wochen und Monaten den span­nenden Prozess, den die SPÖ durchlebt hat (Heiterkeit bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen sowie des Abg. Krainer), mitbekommen. Es ist kein großes Geheimnis: Wir haben uns neu aufgestellt. Ich bin wirklich stolz, dass ich mit einem starken Team gemeinsam hier im Parlament arbeiten darf, mit unserem neuen Bundesparteivorsitzenden Andreas Babler, und ich bin über­zeugt, dass mit der Sozialdemokratie in Zukunft wieder zu rechnen sein


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wird (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. El-Nagashi – Abg. Kickl: Situationselastisch, lieber Philip!), denn, und das möchte ich zu Andreas Babler gleich sagen: Es ist eine Stärke, wenn du als Bürgermeister all die Dinge, die wir hier im Par­lament diskutieren, hautnah erlebst. Bundespolitik ist nicht weit weg von den Menschen, sondern sie betrifft das tägliche Leben von Menschen.

Wenn wir über Armut in Österreich, über Arbeitslosigkeit, über Statistiken reden – wir kennen doch alle Menschen. Es ist auch nicht die Teuerung, sondern es ist die Pensionistin, die im Supermarkt steht und sich das tägliche Leben nicht mehr leisten kann. Von Arbeit leben zu können heißt eben, dass Menschen auf Urlaub fahren können, dass die Kinder Zukunftschancen haben. Das sind alles Dinge, über die wir hier miteinander entscheiden und die wir hier in Angriff nehmen, und das werden wir als Sozialdemokratie in Zukunft noch viel, viel stärker und pointierter auf den Punkt bringen.

Es ist heute schon angesprochen worden, und das war immer mein Zugang zur Politik – es ist mir nicht immer gelungen –: Es ist wichtig, dass parteiüber­greifend bei allen harten Auseinandersetzungen (Abg. Kassegger: Was hat denn das jetzt mit dem Thema zu tun? Gesundheitsversorgung ist das Thema!), die es in der Politik vielleicht auch gibt, immer der Respekt voreinander da ist. Ich habe gestern – nicht nur aus Kärnten – von ganz, ganz vielen Men­schen so viele persönliche Nachrichten bekommen, die wirklich Kraft geben. Ich habe parteiübergreifend von vielen von Ihnen – keine Sorge, ich werde keine Namen nennen – wirklich so nette Nachrichten bekommen, in denen Sie mir gratuliert haben, viel Glück gewünscht haben. Ich habe zur ÖVP im­mer gesagt: Es kann für die eigene Karriere innerhalb der ÖVP nichts Schlimme­res passieren, als wenn ich einen ÖVPler lobe!, ich mache daher diesen Fehler, einzelne Personen zu nennen, nicht, aber es war wirklich schön, wie viele von Ihnen mir geschrieben haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Ein zentraler Punkt zur Gesundheitspolitik – und da ist wirklich jede Unterstützung da, wenn es gelingt, in Österreich die Gesundheitsversorgung zu verbessern –: Wir sind in einer dramatischen Situation, und wir kennen


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wahrscheinlich auch alle die Beispiele. Wenn mir ein Notarzt berichtet, dass er mit einem reanimierten Patienten 25 Minuten warten musste, damit es überhaupt ein Intensivbett gibt, wenn wir in Pflegeheimen Menschen erleben, die sagen: Ich kann nicht mehr!, dann ist klar: Da ist so viel Arbeit, da ist so viel zu tun und da ist wirklich auch die Regierung gefordert, dafür zu sorgen, dass wir nicht nur Überschriften produzieren, dass wir nicht wieder von der Gesundheitsreform nur reden, eine Patientenmilliarde versprechen und eine super Kassenreform ankündigen, die dann ein Milliardenloch verursacht. Das sind schon Aufgaben, die wir alle miteinander auch haben.

Für mich ist es wichtig, zu sagen – und das muss gerade als Sozialdemokraten unser Zugang sein –: Das ist in Wahrheit auch eine Frage der Würde und des Respekts. (Beifall bei der SPÖ.) Jeder Mensch in Österreich – vom Bodensee bis zum Neusiedler See, ob man Lehrerin ist, ob man Handwerker ist, egal was man auch beruflich macht, jeder Mensch – verdient die bestmögliche Gesundheitsversorgung! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Koza und Schallmeiner.)

Weil heute angesprochen worden ist, die Regierung müsste jetzt sozusagen viele Baustellen der letzten 30 Jahre aufräumen, sage ich es hier auch ganz offen: War alles perfekt, als die SPÖ für die Gesundheitspolitik verantwortlich war? (Ruf: Nö!) – Natürlich nicht, aber es gibt einen riesengroßen Unterschied: Wir haben Tag und Nacht für jede Verbesserung gekämpft, weil es uns wehtut, weil es uns schmerzt, dass es Unterschiede gibt, dass nicht alle Men­schen die gleich gute Versorgung bekommen. (Beifall bei der SPÖ.)

Das waren Pamela Rendi-Wagner, Sabine Oberhauser und Alois Stöger – und das war nie leicht, Herr Bundesminister. Es hat immer Gegenwind gege­ben, aber du musst in diesen Fragen stehen, du musst kämpfen, weil es wirklich um Schicksale von Menschen geht, weil es um Menschen geht, die tagtäg­lich am Krankenbett arbeiten, und um Patientinnen und Patienten, die sich auf uns alle auch verlassen.


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In diesem Sinne: Wenn hier wirklich etwas auf die Reise gebracht wird, wenn die Politik wirklich den Mut hat und die Bundesregierung etwas vorlegt, dann werden wir das selbstverständlich unterstützen. Da ist die Hand jedenfalls aus­gestreckt. Wir müssen aber schauen, dass nicht nur Überschriften produ­ziert werden, sondern dass die Leute, die wirklich auf ein Gesundheitssystem angewiesen sind, die bestmögliche Versorgung bekommen. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Schallmeiner und Zorba.)

9.39


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Kaniak. – Bitte sehr.


9.39.06

Abgeordneter Mag. Gerhard Kaniak (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Gesundheitsminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Als die Bundesregierung eine Aktuelle Stunde zum Thema Maßnahmen für eine bessere Gesundheitsversorgung angesetzt hat, bin ich tatsächlich gespannt und neugierig gewesen, was wir heute oder bis heute präsentiert bekommen, welche konkreten Maßnahmen, die er heute präsentieren wird, sich der Herr Bundesminister denn ausgedacht hat.

Ich muss es festhalten: Es ist eine Riesenenttäuschung, denn außer einer kleinen Novelle des Primärversorgungsgesetzes, das, Herr Bundesminister, heute noch gar nicht im Parlament behandelt wird, sondern gerade einmal erst zuge­wiesen wird, und der Ankündigung, im Finanzausgleich mit den Ländern Reformen verhandeln zu wollen, ist nichts da.

Diese Bundesregierung hat es in dreieinhalb Jahren geschafft, im Gesundheits­bereich genau gar nichts zu verbessern, sondern, ganz im Gegenteil, viele Dinge noch maßgeblich zu verschlimmern. (Beifall bei der FPÖ.)

Lassen Sie mich das ein bisschen weiter ausführen: Was ist denn in den letzten Jahren passiert? – Wir haben eine Coronapandemie gehabt, die mehr


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Mittel, mehr Zuwendung und raschere Reformen im Gesundheitssystem erfor­dert hätte. Was ist tatsächlich passiert? – Eine Schikane der Mitarbeiter im Gesundheitswesen, weitere bürokratische Auflagen, keine zusätzlichen Mittel im Gesundheitsbereich und vor allem leere Versprechungen wie die Prämie für Pflegekräfte und Ähnliches, die nicht in dieser Form ausgezahlt worden sind. Man hat die Helden des Alltags – wenn Sie an den Sommer 2020 denken –, die auch hier im Hohen Haus mit Standing Ovations bedacht worden sind, im Regen stehen lassen und schwerst demotiviert.

Jetzt steht man mit um 10 Prozent zu wenig Personal, mit geschlossenen Ab­teilungen, mit Ärztemangel, mit über 300 unbesetzten Kassenstellen in der Fläche, mit Pflegeheimen, die ganze Abteilungen schließen müssen, da, und der Herr Gesundheitsminister präsentiert eine noch nicht einmal in Ver­handlung befindliche Novelle des Primärversorgungsgesetzes. – Das ist zu we­nig, Herr Minister! (Beifall bei der FPÖ.)

Weil Sie den Finanzausgleich angesprochen haben – wie wichtig das ist, welche historische Chance das ist –: Ihnen ist schon bewusst, dass es diese Bun­desregierung war, die den bestehenden Finanzausgleich um zwei Jahre verlän­gert hat und diese historische Chance, entsprechende Reformen über den Finanzausgleich zu machen, zwei Jahre nicht genutzt hat? Das möchte ich Ihnen auch ins Stammbuch schreiben. (Beifall bei der FPÖ.)

Schauen wir uns das Primärversorgungsgesetz, das Sie vorgelegt haben und das jetzt in die Debatte kommt, etwas genauer an: Sie wollen die Anzahl der Fachärzte oder der Allgemeinmediziner, die für ein Primärversorgungszentrum notwendig ist, reduzieren. Das ist vielleicht ein Schritt in die richtige Richtung, löst aber das Grundsatzproblem nicht.

Auf der anderen Seite öffnen Sie die Primärversorgungszentren für Träger wie die ÖGK oder – ich weiß nicht – vielleicht in Zukunft auch noch für andere private Anbieter. Das ist aber weit entfernt von dem, was wir in der niedergelassenen Versorgung tatsächlich brauchen. Wir brauchen


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den eigenverantwortlichen Hausarzt, den Einzelmediziner, der Verantwortung übernehmen kann, der auch eine größere Versorgungsstruktur rund um sich aufbauen und Kollegen aus anderen Fachgruppen und medizinischen Berufen im größeren Umfang anstellen kann. Dann würde eine Primär­versorgung in der Fläche tatsächlich funktionieren – wenn man Primärver­sorgung als Ganzes denkt, breiter denkt, aber einzelne, klare Verant­wortliche zulässt.

Wir diskutieren seit über einem Jahr über den Facharzt für Allgemeinmedizin. Seit einem halben Jahr haben Sie die fertig akkordierten Vorschläge in der Schublade des Ministeriums liegen. Sie hätten den vollen parlamentarischen Rückhalt, von allen Fraktionen, sodass dieser Facharzt für Allgemein­medizin beschlossen werden könnte. Sie bringen ihn nur nicht zum Beschluss. Es kommt keine Regierungsvorlage, mit der wir ihn beschließen können. Dabei wäre dieser Facharzt für Allgemeinmedizin genau der Kern der Primär­versorgung, den wir in Österreich so dringend benötigen würden. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn Sie sich dann hinstellen – Sie und Herr Bundeskanzler Nehammer – und Hunderte zusätzliche Kassenstellen versprechen, dann frage ich Sie: Wo sind denn die Attraktivierungen, die Verbesserungen für die Ärzte, damit diese Kassenstellen auch angenommen werden? Ich sehe sie nicht.

Ich habe Ihnen heute sehr aufmerksam zugehört: Das Einzige, was Sie angesprochen haben, ist ja der bundesweit einheitliche Leistungskatalog, den Sie schon längst hätten umsetzen können, der eigentlich auch ein Schlüssel­element der Kassenreform der schwarz-blauen Bundesregierung von 2017 war, die von Ihrer Bundesregierung schlicht und ergreifend nicht fortgesetzt worden ist, sondern jetzt dreieinhalb Jahre lang im Stillstand verharrt ist. Dass dann die erwünschten Reformeffekte nicht zustande kommen, dass die Ärzte mittlerweile schon rotieren, weil es keinen bundesweit einheitlichen Ho­norarkatalog gibt, und die Patienten noch immer keine bundesweit ein­heitlichen Leistungen haben, ist kein Versäumnis der alten Bundesregierungen


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(Abg. Meinl-Reisinger: Na das lag schon am Murks davor!), sondern es liegt an Ihren Vorgängern und an Ihnen, dass das nicht in Angriff genommen worden ist. (Beifall bei der FPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir hatten in der jetzigen Gesetzge­bungsperiode, in den letzten dreieinhalb Jahren, 32 Sitzungen des Ge­sundheitsausschusses, die letzte davon letzte Woche. Diese Bundesregierung hat es nicht zusammengebracht, wesentliche Reformen auch nur ansatz­weise vorzulegen und ins Parlament zu bringen. Wir sehen es an der heutigen Tagesordnung: Es gibt nur einen Plenartag, der zweite Plenartag muss ausfallen, weil gar nicht ausreichend Vorlagen da sind.

Herr Bundesminister, das ist zu wenig, kommen Sie endlich ins Laufen! Den Rückhalt im Parlament für Reformen hätten Sie, es fehlt nur an Ihren Vor­gaben. (Beifall bei der FPÖ.)

9.44


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Ribo. – Bitte sehr.


9.44.44

Abgeordnete Bedrana Ribo, MA (Grüne): Herr Präsident! Geschätzter Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher:innen auf der Galerie und zu Hause vor den Bildschirmen! Ist gute Gesundheit eigentlich selbstverständ­lich? Das habe ich mich beim Schreiben meiner Rede gefragt, und die Ant­wort ist ganz klar: Nein, sie ist alles andere als selbstverständlich.

Es müssen viele Rädchen ineinandergreifen, damit man sich guter Gesundheit erfreut. Bis ins hohe Alter gesund zu bleiben braucht viel Anstrengung. Es braucht natürlich die Gene – die Gene machen einen Teil davon aus –, aber es braucht auch eine ausgewogene Ernährung, es braucht viel Bewegung – Alltagsbewegung –, und dann gibt es auch Dinge wie gesundheitliche Chancen­gleichheit. Es braucht auch eine gute Umwelt. Dann gibt es eben auch die


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wichtige psychische Gesundheit, die eine große Rolle spielt. – Das alles
braucht es.

Wir, die Politik oder die Bundesregierung, können natürlich nicht auf alles Einfluss nehmen. Dennoch sind wir gewählt, um unseren Beitrag zu leisten, um allen Menschen in Österreich ein möglichst langes und unbeschwertes Le­ben zu ermöglichen. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Großbauer.)

Alle Maßnahmen, die wir bis jetzt gesetzt haben – es würde wirklich den Rahmen meiner Redezeit sprengen, wenn ich jetzt alle aufzählen würde. Als Pflegesprecherin möchte ich aber auf den Abschnitt Pflege – also den Le­bensabschnitt, in dem man Pflege braucht – eingehen, denn das ist ein wichtiger Abschnitt.

Wenn ich von Pflege rede, dann meine ich, dass es nicht nur die eine Pflege gibt: Es gibt Menschen, die in der Pflege arbeiten, es gibt Menschen, die selbst Pflege benötigen, und es gibt eben auch sehr, sehr viele – fast eine Million – Menschen, die pflegende Angehörige sind. Es gibt auch ein gemein­sames Ziel: Das Ziel ist, dass der Zeitraum mit Bedarf an Pflege mög­lichst kurz gehalten wird. Das heißt, das Ziel ist, so lange wie möglich gesund und selbstbestimmt zu leben, was auch wiederum heißt, dass man Krankheiten wie Demenz oder Diabetes möglichst früh angeht und präventiv dage­gen arbeitet.

Weil Kollege Kaniak vorhin gefragt hat, was in den letzten Jahren passiert ist: In den letzten Jahren ist viel passiert. (Abg. Belakowitsch: Ja, Einsparungen!) Im Rahmen der Pflegereform wurden wichtige Präventionsmaßnahmen ge­setzt. (Abg. Belakowitsch: Welche genau?) So kommt es zur Ausweitung der Hausbesuche. Was heißt das? – Diplomierte Pflegekräfte kommen zu Menschen, die eine 24-Stunden-Betreuung haben, und stehen dort für Rat, für Gesprä­che zur Verfügung. Sie informieren, und man kann sich von ihnen natürlich auch zeigen lassen, wie man mit der zu pflegenden Person umzugehen hat.


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All das sind Maßnahmen, bei denen wir sicher sind, dass sie wichtig sind, denn das sind Qualitätspunkte, die dafür sorgen, dass die zu pflegende Person länger im gleichen Zustand bleibt oder sich der Gesundheitszustand sogar ver­bessert. Durch diese Weiterbildung und den Austausch kann eben auch Situationen von Überforderung – und es sind Situationen der Überforderung vorhanden, von denen pflegende Angehörige erzählen – entgegenge­wirkt werden.

Es gibt auch den Ausbau der Betreuungszentren für 24-Stunden-Betreuer:innen. Es gibt E-Learning- und Supervisionsangebote. Das sind alles Teile der zwei­ten Pflegereform.

Wir wissen natürlich auch, dass die Menschen bei der Pflegegeldeinstufung von sehr, sehr langen Wartezeiten berichten. Auch da haben wir eingegriffen: In Zukunft kann die Pflegegeldeinstufung von Pflegepersonal, von Pflegekräften gemacht werden. Das ist ganz wichtig, denn das führt dazu, dass es schnel­ler geht und besserer Komfort angeboten wird. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Stark.)

Ich habe es am Anfang meiner Rede gesagt: Wenn wir von Pflege reden, dann müssen wir immer – immer! – auch an die pflegenden Angehörigen den­ken. Oft ist es so, dass sie nicht nur körperlich, sondern auch psychisch selbst sehr betroffen sind, und das geht natürlich auch auf ihre Gesundheit. Was heißt das? – Sie brauchen Unterstützung. Da gibt es bereits jetzt die Mög­lichkeit, Gespräche in Anspruch zu nehmen, fünf Termine im Jahr, und diese Gespräche wurden mit der neuen Pflegereform jetzt auf zehn Termine ausgeweitet. Das ist eine wichtige präventive Maßnahme für pflegende Angehörige. (Beifall bei den Grünen sowie der Abgeordneten Holzner und Smolle.)

Natürlich braucht es auch finanzielle Unterstützung, und auch da haben wir Maßnahmen ergriffen. Es gibt den Angehörigenbonus, wir haben ihn auch im letzten Plenum diskutiert: Jetzt ist kein gemeinsamer Haushalt mehr


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notwendig. Das heißt, man kann den Angehörigenbonus auch bekom­men, wenn man nicht im gemeinsamen Haus lebt, also wenn man zum Beispiel seinen Onkel oder seine Eltern, die im Haus daneben oder ein paar Kilo­meter weiter leben, pflegt.

Auf einen Punkt möchte ich zum Schluss noch ganz kurz eingehen, das ist Communitynursing: Im Rahmen von Communitynursing ist eben auch dafür gesorgt, dass die Gesundheitsversorgung unterstützt wird. Das ist ein niederschwelliges Angebot in den Gemeinden und das entlastet viele Ärztinnen und Ärzte.

Sie sehen, wir haben mit der Pflegereform viele Punkte durchgesetzt – das ist mein letzter Satz –, Kollege Kaniak. (Abg. Greiner: ... Redezeit!) Es ist also in den letzten ein, zwei Jahren viel passiert, es hilft aber natürlich alles nichts, wenn wir nicht auch weiterhin aufeinander schauen. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

9.50


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Klubobfrau Beate Meinl-Reisinger. – Bitte sehr, Frau Klubobfrau.


9.50.52

Abgeordnete Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kol­legen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Wir scherzen hin und wie­der bei uns im Klub oder fragen uns, Herr Minister, welcher Minister im Land eigentlich weniger mächtig ist, der Gesundheitsminister oder der Bil­dungsminister. (Abg. Disoski: Ich glaube, du meinst den Vizebürgermeister!)

Nach Ihrer Rede muss ich Ihnen zugestehen, dass Sie, obwohl Sie eigent­lich kaum einen Spielraum haben – und Sie haben das ja auch ange­sprochen, ohne Bundesstaatsreform wird das auch nicht funktionieren (Abg. Lukas Hammer: Es kann ja nicht jeder so mächtig sein wie der Wiederkehr!) –, tatsächlich einen Einsatz zeigen, was ich vom Bildungsminister – der hat nämlich


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überhaupt keinen Anspruch, noch irgendetwas weiterzubringen – nicht behaupten kann, da würde ich eher von einer Nullnummer sprechen. (Abg. Lukas Hammer: Er ist so mächtig, dass er sich unsichtbar macht! – Abg. Kickl: Ja, ... die eigene Ambition ...!) Diesen Anspruch kann ich Ihnen also nicht verdenken, aber trotzdem ist es doch tatsächlich so, dass wir in Österreich ein Gesund­heitssystem haben, das aufgrund der Strukturen, die bestehen, nahezu unre­formierbar ist.

Es scheitert nicht am Geld. Wir haben uns das gerade auch wieder angeschaut. Wir haben gestern einen Standortindex präsentiert – Österreich wieder an die  Spitze bringen ist unser Anspruch, der Untertitel heißt: die abgehängte Alpenrepublik mit vielen Hausaufgaben –, und ein Aspekt da drinnen be­trifft auch den Gesundheitsbereich. Da schauen wir uns an: Wie viel wird denn in Österreich im Vergleich zu in der Größe, aber auch in der Frage des BIPs vergleichbaren anderen Ländern ausgegeben und was ist dann der Effekt davon? – Während wir in Österreich 2022 10,6 Prozent des BIPs für den Gesundheitsbereich ausgegeben haben, ist der Wert in anderen Ländern deutlich niedriger.

Vergleichen wir das zum Beispiel einmal mit Schweden: In Schweden gibt es eine gesunde Lebenserwartung (Abg. Kickl: Da schau her! Tatsächlich?!) – also nicht die Lebenserwartung, sondern die Lebenserwartung in Form von gesunden Jahren – von 72,7 Jahren, in Österreich nur von 58,7 Jahren. Das heißt, wie in vielen anderen Bereichen werfen wir recht viel Geld für ein ineffizientes System – man könnte auch sagen – zum Fenster hinaus und es verpufft. Es entfaltet nicht die Wirkungen, die letztlich bei den Menschen in Österreich ankommen sollten. (Beifall bei den NEOS.)

Ich sage Ihnen auch, das ist das, was wir zunehmend hören. Die Men­schen in Österreich sagen uns: Herrgott noch einmal, ich zahle da doppelt und dreifach! Ich zahle enorm hohe Sozialversicherungsbeiträge – Kranken­versicherung, die Lohnnebenkosten, das ist ein ordentlicher Teil vom Gehalt, der jeden Monat weggeht –; zusätzlich zahle ich auch enorm hohe Steuern –


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48 Prozent durchschnittliche Steuer- und Abgabenbelastung auf Löhne und Ein­kommen. Mit diesen Steuern wird dann sozusagen der Gesundheitsbereich, das Spitalswesen auch zum Teil finanziert. (Abg. Belakowitsch: ... die Betten ...!) Mittlerweile haben 38 Prozent der Menschen in Österreich eine pri­vate Zusatzkrankenversicherung. Das heißt, die breite Mitte sagt: Ich zahle zwar dafür, aber ich verlasse mich nicht mehr darauf! Ich vertraue diesem System nicht mehr, dass ich die Leistungen bekomme, die mir für das, was ich Monat für Monat für Monat für Monat alles abliefere, eigentlich zu­stehen! (Beifall bei den NEOS.)

Die Probleme sind längst bekannt. Es wurden viele bereits angesprochen. Ich möchte schon auch den Personalmangel herausstreichen, auch wenn wir im internationalen Vergleich eine hohe Zahl an Ärztinnen und Ärzten haben, weil ja auch da die Frage ist: Sind die Ärztinnen und Ärzte, ist das Pflege­personal genau dort, kommt es dort zum Einsatz, wo es wirklich ge­braucht wird? – Und, Herr Minister, Sie wissen das: Wenn Abteilungen gesperrt werden, wenn Pflegestationen nicht eröffnen können, wenn Wartezeiten auf Operationen, dringend notwendige Operationen, ewig lang sind, weil einfach nicht genügend Personal da ist, dann ist das ein riesengroßes Problem. Das kann sozusagen nicht mit der Statistik weggewischt werden, dass man sagt: Na ja, insgesamt hätten wir ja genug Ärzte!

Sie haben auch die unterschiedlichen Finanzierungsströme angesprochen. Ich sehe natürlich in den Finanzausgleichsverhandlungen eine große Chance, aber das werden wir nicht allein dadurch lösen, wenn wir nicht auch die großen Brocken einer Föderalismusreform in diesem Bereich angehen. Ohne Re­formen wird sich die Situation für die Menschen nicht verbessern und es wird mehr Menschen geben, die private Zusatzkrankenversicherungen ab­schließen (Abg. Kickl: Das glaube ich nicht, weil es sich keiner mehr leisten kann!), und mehr Menschen geben, die sich da irgendwie nicht mehr zurechtfin­den, und mehr Menschen geben, die sagen: Ich vertraue diesem Gesundheitssys­tem nicht mehr! (Beifall bei den NEOS.)


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Herr Präsident, weil Sie hier sitzen, Sie wissen das ganz genau: Föderalismus be­deutet, jedes Bundesland baut Spitäler da, wo es will. Sie wissen das. In Ihrer Zeit  als Finanzlandesrat haben Sie die Entscheidung getroffen, dass zwei Spitäler mehr oder weniger nebeneinander in Mödling und Baden gebaut werden, weil Sie es wollten, weil Sie es konnten, weil Sie vielleicht Mödling und Baden in der Pflicht waren. Das ist genau dieser Föderalismus, dieser Re­formstillstand, dieser Klientelismus, der letztlich dafür Sorge trägt, dass die Men­schen einfach nicht die Gesundheitsversorgung bekommen, die sie aber so dringend brauchen.

Unsere Hand ist ausgestreckt, aber ohne den Anspruch, nicht nur an kleinen Schräubchen zu drehen, sondern große Reformen, auch eine Föderalis­musreform in dem Bereich auf den Tisch zu legen, wird es leider deutlich schlechter werden. (Beifall bei den NEOS.)

9.56


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Scheucher-Pichler. – Bitte.


9.56.17

Abgeordnete Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Ja, Frau Kollegin Meinl-Reisinger, wir müssen reformieren. Das wissen wir, und das hat ja der Herr Bundesminister auch ganz klar gesagt, dass das auch das Ziel ist – schön, wenn Sie sagen, die Hand ist ausgestreckt. (Abg. Meinl-Reisinger: Sie sind fast 40 Jahre in der Regierung als ÖVP!) Auch Philip Kucher als Gesundheitssprecher der SPÖ war heute sehr positiv. Ich glaube trotzdem – ich teile die Einschätzung nicht –, dass wir hier in Öster­reich trotz aller Probleme, die es gibt, ein sehr, sehr gutes Gesundheitssystem haben, um das uns viele Menschen in anderen Ländern beneiden. (Beifall bei der ÖVP.)


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Bei uns, meine sehr geehrten Damen und Herren, bekommt jeder mit 90, wenn es medizinisch in Ordnung ist, eine Hüftprothese. Bei uns werden hochbe­tagte Patient:innen medizinisch bestens betreut (Abg. Kucher: Aber wann?), Frau Kollegin Ribo ist darauf eingegangen. – Philip Kucher hat gerade genickt. Es ist einfach so. Der Herr Bundesminister hat auch gesagt, dass er daran arbei­tet, gemeinsam mit dem Bundeskanzler, der sich auch ganz klar dafür aus­gesprochen hat, dass wir da Fahrt aufnehmen.

Ich habe selbst in den letzten Tagen ein sehr dramatisches Ereignis in meiner Familie miterlebt und habe feststellen können, wie großartig unser Ge­sundheitssystem, unsere Krankenhäuser, die Ärzte und das Pflegepersonal funktionieren. Ich möchte an dieser Stelle einmal mehr im Namen unserer Fraktion allen, die im Gesundheitsbereich arbeiten, dafür sehr herzlich danken. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Ja, es wurde ja schon ausgeführt, der erste Teil dieser Gesundheitsreform ist die Novelle des Primärversorgungsgesetzes. Sie bringt zusätzliche innovative Angebote im niedergelassenen Bereich, mit vielen Vorteilen vor allem auch für die ältere Generation – das möchte ich auch erwähnen –, weil es eine wohnortnahe Versorgung ist, sie bringt weniger War­tezeiten. Die Ärzte, die Physiotherapeuten, alle, die dort tätig sind, arbei­ten gut zusammen – auch das ist positiv, das brauchen wir –, und es kommt auch zu einer Entlastung der Fachärzte und der Spitalsambulanzen. Ich denke, das ist ein guter, wichtiger erster Schritt.

Bis 2025 wird die Zahl der Primärversorgungszentren von 40 auf 120 verdrei­facht. (Abg. Loacker: In zehn Jahren ... funktioniert!) Die Novelle – das möchte ich auch noch betonen, weil es noch nicht gesagt wurde – bringt auch die Möglichkeit, reine Kinderprimärversorgungszentren einzurichten. Auch das ist wichtig, weil es gerade in dem Bereich einen Mangel gibt und wir für unsere Kinder alles tun müssen, was nur irgendwie möglich ist.


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Wichtig ist für mich vor allem auch die Früherkennung, die Prävention, aber auch die nachhaltige Arbeit. Wir müssen noch mehr in die Rehabilitation, in die Früherkennung investieren. Das ist ganz, ganz wichtig, damit es zu keiner Über­lastung des Gesundheitssystems kommt. Da liegt mir ganz besonders die psychosoziale Versorgung, die psychosoziale Gesundheit am Herzen.

Es wurden zehn Gesundheitsziele definiert, und rund 40 Institutionen aus Politik und Gesellschaft arbeiten daran. Wir müssen da aber ganz früh anfangen, in der Kindheit, in den Kitas, in den Kindergärten, wo es viele tolle Projekte gibt: gesunde Jause, gesunder Kindergarten, Bewegung. Ich bin selbst oft dort und sehe, wie engagiert unsere Pädagog:innen dort arbeiten. Das ist Früherken­nung, das ist Schaffen von Gesundheitsbewusstsein.

Wir müssen auch die Eltern miteinbeziehen. (Abg. Belakowitsch: Ja, ja, ja, ja!) Auch die Eltern müssen da mehr Bewusstsein haben. (Abg. Belako­witsch: Da werden wir jetzt alle gesund werden!) Ich denke auch an Mental-Health-Projekte, viele sind jetzt im Zuge der Pandemie entstanden.

Wir haben beispielsweise in Kärnten im Hilfswerk das Schulcoaching mit Schülern und Lehrern, das sehr gut angenommen wurde, und ich appelliere wirklich, dass wir diese Projekte auch fortsetzen, Herr Bundesminister, denn viele sind zeitlich begrenzt und laufen mit Ende dieses Schuljahres aus.

Ich appelliere aber vor allem auch an alle Beteiligten, das Psychotherapiegesetz fertig zu verhandeln. Die Ausbildung muss neu geregelt werden, wir brau­chen einfach mehr Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten, ein größeres Angebot. Es gibt Tausende Stunden mehr Psychotherapie, die Kontingente wurden ausgeweitet – ein Danke auch der ÖGK –, aber das reicht nicht. Ich sehe es in unserer Arbeit, es reicht nicht. Wir haben nach wie vor lange Warte­listen und lange Wartezeiten, und das darf nicht sein. Das ist ganz, ganz schlecht.

In der Kinder- und Jugendarbeit, das ist ganz wichtig, brauchen wir einen Ausbau der Sozialpsychiatrie, einen Ausbau der extramuralen und mobilen Struktu­ren und dringend auch mobile sozialpsychiatrische Nachbetreuung; auch das ist


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mir sehr, sehr wichtig. Diese Dinge müssen alle auch in die Reform mit hinein­gedacht werden.

Ganz wichtig – Frau Kollegin Ribo hat ja schon davon gesprochen, ich komme noch einmal kurz darauf zurück – sind aber auch die älteren Menschen. Die Einsamkeit, die Vereinsamung der älteren Generation ist ein ganz wichtiges Thema. Da müssen wir alles tun, um dem entgegenzuwirken. Das hat auch Auswirkungen: Pflegebedarf entsteht später, medizinischer Versorgungsbedarf entsteht später, wenn es den Menschen psychisch gut geht. Wir haben bereits vor der Pandemie ein großes Ansteigen der Altersdepression feststellen können, und da gilt es wirklich mit vielen Maßnahmen entgegenzuwirken.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Schlusssatz bitte!


Abgeordnete Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler (fortsetzend): Ja, der Schlusssatz: Ich appelliere an alle, dass wir gemeinsam an diesen Reformen möglichst rasch arbeiten und sie umsetzen und dass wir vor allem die Prävention in den Mittelpunkt stellen. Sie bringt Menschlichkeit, sie spart aber auch Kosten im medizinischen System. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordne­ten der Grünen.)

10.01


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Hei­nisch-Hosek. – Bitte sehr.


10.01.59

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesmi­nister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich komme sehr gerne der Bitte meines Kollegen Alois Schroll nach und begrüße die Schülerin­nen und Schüler des Francisco Josephinum Wieselburg sehr herzlich bei uns. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP, FPÖ und Grünen.) – Sie hören sicher alle mit Interesse zu. Ich glaube, dass es ganz wichtig ist, diese Pros und Contras zu einer bevorstehenden Teilgesundheitsreform hier auch zu hören.


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Kollegin Scheucher-Pichler hat es gerade ausgeführt: Arbeiten wir doch alle gemeinsam daran! – Ich darf nur erinnern – ich weiß nicht, wie regelmäßig Sie fernsehen –, vor eineinhalb Monaten hatten wir hier eine von der Sozialdemokratie vorgeschlagene Aktuelle Stunde zu exakt dem gleichen Thema: Wir wollen und brauchen ein Gesundheitsreformgesetz, weil alle bemerken, dass in diesem Bereich zu wenig passiert und die Gesundheitsreform zu langsam vonstattengeht. Ich denke hier vor allem an den Ausbau der Kassenstellen, daran, Anreize zu schaffen, ein Medizinstudium zu absolvieren und dann, wenn man es abgeschlossen hat, nicht nur im Krankenhaus zu arbeiten, sondern auch eine Stelle als praktische Ärztin oder Arzt anzunehmen. Das thematisieren wir immer wieder.

Das Gemeinsame möge an uns nicht scheitern. Auch im Gesundheitsausschuss im Mai haben wir ein Gesundheitsreformgesetz thematisiert. So, wir haben Ankündigungen vorliegen. Wenn ich dem nicht anwesenden Herrn Bun­deskanzler, der ja Gesundheit vor einigen Tagen zur Chefsache erklärt hat, richtig zugehört habe, dann hat er gesagt, in den letzten 15 Jahren sei im Gesundheitsbereich zu wenig passiert. Ich darf die gesamte ÖVP daran erinnern, dass in den letzten 23 Jahren mit Ausnahme von Grasser – da wissen wir eh, wie es ausgegangen ist – lauter ÖVP-Finanzminister vieles in diesem Land, was Gesundheitspolitik anbelangt, verhindert haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Finanzminister Brunner wachelt ein bisschen mit dem Geld und sagt, es könnte schon etwas drinnen sein. Da (in Richtung Bundesminister Rauch) sitzt ein kämpferischer Gesundheitsminister, das gestehe ich Ihnen sehr positiv zu, Herr Bundesminister. (Beifall bei Abgeordneten der Grünen.) Aber kämpfen al­leine wird nicht reichen, denn: Wer Geld hat, schafft an! Aber der Finanz­minister hat mir noch zu wenige Signale gesendet, dass es in den Finanzaus­gleichsverhandlungen mehr Geld dafür geben wird. Alle Landesgesund­heitsreferent:innen haben sich auch dazu bekannt, dass die Reformen, die an­gegangen werden, auch in den Ländern umgesetzt werden sollen und


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nicht nur mehr Geld fließen soll. Das ist löblich, keine Frage, und trotzdem ist es so, es wurde heute schon gesagt, dass 300 Kassenstellen unbesetzt sind. Heuer sollen noch 100 dazukommen. Haben wir dann 400 unbesetzte Kassen­stellen? Die Besetzung von Kassenstellen ist Sache der Selbstverwaltung, ist Sache der Krankenkassen. Ist jetzt der Herr Bundeskanzler Chef über alle Selbstverwaltungskörper?

Apropos Selbstverwaltung, wieder an die Adresse der ÖVP: Ich darf Sie bitte informieren, dass gestern in der ÖGK der ÖVP-Wirtschaftsbund gegen die neuen Kassenstellen gestimmt hat – so viel zur Glaubwürdigkeit dieser einen Regierungsfraktion. Deswegen habe ich Herrn Gesundheitsminister Rauch positiv erwähnt, weil sich der zumindest bemüht, aber ich habe so das Gefühl, ihr Grünen werdet von der ÖVP schon wieder einmal über den Tisch gezogen. (Abg. Zarits: Geh bitte!) – Wir haben das gestern in der ÖGK eingebracht – der ÖVP-Wirtschaftsbund hat gegen neue Kassenstellen gestimmt. Also wie hätten wir es jetzt gerne? Ist das jetzt Chefsache? Wie ernst nimmt er das? Wie vertrauensvoll ist die Politik der ÖVP in dieser Zeit noch? (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Seit Kurz liegt sowieso alles im Argen, denn die versprochene Patientenmilliarde, dass Leute unser Gesundheits­system, weil sie in dasselbe einzahlen, auch in Anspruch nehmen können sollen, gratis in Anspruch nehmen können sollen, dass sie entgegen einer Zwei- oder Mehrklassenmedizin auch ihre Arzt- und Ärztinnentermine rechtzeitig er­halten sollen, diese Milliarde, die versprochen wurde den Menschen zurückzugeben, ist längst verpufft. Im Gegenteil: Das Gesundheitswesen ist viel teurer geworden und es gibt viel zu wenig Zeit und Geld für Vorsorge. Es hat schon unter der Zeit von Pamela Rendi-Wagner einen Riesenstellenwert gehabt, dass man Prävention, Vorsorge in den Vordergrund stellt. Dafür ist überhaupt kein Geld da gewesen. Nein, Sie haben Ihre Klientel bedient und haben völlig darauf vergessen, wie es den Leuten geht.

Ein letzter Satz zu den Kindern in diesem Land – Schlusssatz, Herr Präsident –: Damals ist schon gesagt worden – das war alles noch vor der Pandemie –,


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Kinder sind oft sehr belastet und brauchen Unterstützung und Hilfe, brauchen mitunter verschiedenste Therapien, nicht nur Psychotherapie, sondern auch Ergotherapie, Logotherapie und so weiter. Die bleiben jetzt noch mehr auf der Strecke, sehr geehrte Damen und Herren, weil Sie unfähig waren, wirk­lich eine Gesundheitsreform anzugehen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Kickl: Ja, weil Sie mit dabei waren bei den Coronamaßnahmen! Das ist ja unglaublich!)

10.07


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Hau­ser. – Bitte sehr.


10.07.48

Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (FPÖ): Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Vor allem werte Zuhörerinnen und Zuhörer! Ja, in einer Sache, Herr Minister, sind wir Ihrer Meinung: Wir brauchen das beste Gesund­heitssystem für alle! Was haben Sie die letzten drei Jahre geschafft? – Sie haben ein Gesundheitssystem geschaffen – mittlerweile ist eine Dreiklassenmedi­zin entstanden, nicht eine Zweiklassenmedizin –, in dem die breite Masse ein­fach medizinisch unterversorgt ist, viel zu langsam überhaupt einen Ter­min bei einem Arzt bekommt. Und Sie gehen jetzt her und sagen, in den letzten 15 Jahren seien diese Fehler gemacht worden.

Ich zitiere nur Herrn Prof. Weiss, den Chef der Inneren Medizin der Klinik Inns­bruck, der in der „Tiroler Tageszeitung“ gesagt hat: „Wir sind schlechter aufgestellt als vor Corona“. Es gibt auf Krankenhausebene keine Fehleranalyse, was die letzten drei Jahre passiert ist.

Herr Minister, Sie alle, alle Beiträge der Einheitspartei ÖVP-SPÖ-Grüne-NEOS heute haben aufgezeigt, dass Sie an einer Fehleranalyse der desaströsen, katastrophalen Coronapolitik, die Sie gemacht haben, überhaupt nicht interes­siert sind. (Beifall bei der FPÖ.)

Sie gehen her und sagen: Machen wir das jetzt wieder gemeinsam! Der Appell an das Gemeinsame verlangt zuerst eine Aufarbeitung, aber eine Aufarbeitung


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dieser desaströsen Coronapolitik wird schwierig sein, wenn in dem Gremium ei­ne Frau Minister Edtstadler sitzt, die gesagt hat: All jene, die sich nicht impfen lassen, haben kein Bleiberecht mehr in Österreich! Solche Aussagen wa­ren symptomatisch für Ihre desaströse Politik.

Herr Minister, Sie sprechen vom Finanzausgleich – in Ordnung. Sie haben den Fi­nanzausgleich zweimal verschoben, und jetzt wollen Sie eine Lösung haben.

Sie wissen aber ganz genau: Bis der Finanzausgleich beschlossen und über die Landesparlamente umgesetzt ist, vergehen Jahre; und, Herr Minister, was sagen Sie diesen? (Ein Blatt mit der Aufschrift „Nur ein Arzt im Bezirk“, „Lange War­teschlange vor Augenarztpraxis in Lienz“ und einem Bild, das ein Haus mit einer langen Schlange wartender Menschen davor zeigt, in die Höhe haltend:) Schauen Sie bitte her!

Na, das ist die typische Reaktion eines Ministers: Er schaut nicht her. – Sie sind nicht daran interessiert. Was sagen Sie den Osttirolerinnen und Osttiro­lern, die  am 9. Jänner dieses Jahres (Abg. Loacker: ... Osttiroler ...!) verzweifelt versuchen, einen Termin bei einem Augenarzt zu bekommen? Über 200 Menschen müssen Schlange stehen, damit sie einen einzigen Termin für das gesamte Jahr zugewiesen bekommen. Wir haben einen Kassenarzt, einen Wahlarzt. Beim Kassenarzt bekommt man die Termine nicht mehr, und die Leute stellen sich um 5 Uhr in der Früh an, 200 und mehr, um einen Termin zu bekommen. Welche Botschaften geben Sie diesen Menschen? (Zwischenruf des Abg. Schallmeiner.) – Gar keine, Sie schauen weg. (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Minister, Sie geben auch den Menschen, den Patienten keine Botschaft, die – medial aufgezeigt (den entsprechenden Artikel aus der Zeitung „Heute“ mit dem Titel „Verzweifelte AKH-Patienten bieten Ärzten 100er-Scheine“ in die Höhe haltend) – mittlerweile in Wien 100-Euro-Scheine anbieten, damit sie im AKH überhaupt noch einen Termin bekommen. Das ist ein Wahnsinn! (Neuerli­cher Zwischenruf des Abg. Schallmeiner.)


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Herr Kollege Schallmeiner, Sie sagen, in den Spitälern seien die Fehler gemacht worden. – Wissen Sie, welchen Fehler Sie gemacht haben? Sie haben eine verpflichtende Coronaimpfung fürs Personal, für die Ärzte umzusetzen versucht. Aufgrund dessen haben Ärzte, Pflegekräfte, Fachkräfte diese Spitäler verlas­sen. Diese fehlen uns heute und hier.

Ich zitiere ein Schreiben (ein Blatt Papier in die Höhe haltend) des ärztlichen Verwalters des Krankenhauses Lienz, der am 21. Juli 2022 per Schreiben an die Mitarbeiter und Ärzte Folgendes festgestellt hat und damit einen Schwenk von dieser Impfpflicht weg gemacht hat: Nach intensiver Prüfung – schreibt er – haben wir uns entschlossen, die bisherigen Infektionsschutzanforderungen zu ändern. Ab heute sind die Covid-Impfungen bei Neuanstellungen et cetera nicht mehr vorgesehen. – Zitatende. (Beifall bei der FPÖ.)

Also: Sie müssen einmal die Vergangenheit aufarbeiten, Sie müssen aufhören, das Geld mit beiden Händen beim Fenster hinauszuschmeißen. 5 Milliarden Euro für die Testungen, 50 Milliarden Euro für die Coronapolitik, und jetzt, Herr Minister, machen Sie den nächsten desaströsen Schritt: Sie gehen jetzt her und verhandeln mit und bei der Weltgesundheitsorganisation darüber, einen neuen, weltweiten Pandemievertrag auszuarbeiten, mit der Zustimmung des österreichischen Vertreters. Das heißt, indirekt haben Sie mit Ihrer Zu­stimmung bei der Weltgesundheitsversammlung (Abg. Schallmeiner: Wenn du keine Ahnung hast, dann lass es bitte bleiben, Kollege Hauser! – Zwischenruf des Abg. Loacker) am 1. Dezember 2021 mit der Stimme Österreichs mitgetragen, dass die WHO beauftragt wird, einen neuen, weltweiten Pandemievertrag auszuarbeiten. (Abg. Schallmeiner: Du weißt nicht einmal, um was es geht!)

Zweitens, unabhängig davon (Abg. Loacker: Herr Präsident, die Redezeit ist abge­laufen! Mikro abdrehen!), haben Sie mitbeschlossen, dass bei der Weltge­sundheitsorganisation die Internationalen Gesundheitsvorschriften 2005 (ein Blatt mit der Aufschrift „WHO-Vorschläge zu den Änderungen in den Inter­nationalen Gesundheitsvorschriften der WHO (2005)“ in die Höhe haltend) geändert


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werden sollen, dahin gehend bitte – und das ist der Wahnsinn (Zwischen­bemerkung von Bundesminister Rauch) –, das haben Sie mir auch parlamentarisch schriftlich bestätigt, da brauchen Sie nicht so zu tun, Herr Minister - - (Abg. Loacker – in Richtung Präsident Sobotka –: Machen Sie bitte einen Ordnungs­ruf!) Sie gehen her, bitte, Herr Minister - -


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Darf ich Sie um den Schlusssatz bitten? Sie sind schon weit drüber, bitte! (Abg. Fischer: Danke! – Beifall bei Grünen und NEOS.)


Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (fortsetzend): ... Internationalen Gesund­heitsvorschriften gestrichen werden soll: die Achtung der Menschenwürde und der Menschenrechte, der Grundrechte. (Zwischenruf des Abg. Schallmeiner.)

Wir machen mit Ihrer Politik ohne Diskussion im österreichischen Parlament einen massiven Schritt in Richtung Diktatur, und das ist der totale Wahnsinn und die Bankrotterklärung unseres Gesundheitssystems. (Beifall bei der FPÖ so­wie der Abg. Voglauer. – Heiterkeit bei den Grünen.)

10.13


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Disoski. – Bitte.


10.13.54

Abgeordnete Mag. Meri Disoski (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zu­seher! Über diese – ich weiß nicht, wie ich es nennen soll, ich muss echt nur lachen – Coronaimpfbesessenheit der FPÖ, da weiß ich echt nicht, soll ich darüber lachen oder weinen? (Abg. Amesbauer: Die habt ihr im Kopf! Ihr seid impfbesessen! – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Aber Kollege, weil Sie gesagt haben, Vergangenheit aufarbeiten – bitte machen Sie das! Ich darf Sie da­ran erinnern, dass die FPÖ vor 13 Jahren selber eine Impfpflicht gefordert hat und – wörtlich – ungeimpfte Kinder aus Kindergärten aussperren wollte. (Abg. Kickl: Von welchen Impfungen sprechen Sie?) Vielleicht wollen Sie da


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einmal Vergangenheitsbewältigung in Ihrer eigenen Partei betreiben! (Beifall bei den Grünen.)

Ich greife gerne auch eine andere Formulierung des Kollegen von der FPÖ auf: Sie haben gesagt, wir brauchen die beste Gesundheitsversorgung für alle. – Ja, und ich möchte als Frauensprecherin meiner Fraktion hinzufügen: insbeson­dere auch die beste Gesundheitsversorgung für Frauen. (Beifall bei den Grünen sowie der Abgeordneten Pfurtscheller und Scheucher-Pichler.)

Wieso ist diese Ergänzung wichtig? – Die schnelle Antwort ist: It’s still a man’s world! Das gilt halt auch in der Medizin. Es ist nicht nur hinlänglich bekannt, sondern auch ausreichend erforscht, dass sowohl die medizinische Forschung als auch Krankheitsdiagnosen, Therapien und Medikamentendosierungen nach wie vor in der Regel auf den Mann, auf den männlichen Körper ausgerichtet sind. Frauen und Mädchen haben aber andere Erkrankungsrisiken, andere Erkran­kungsverläufe (Abg. Kickl: Ich habe gedacht, die Biologie ist wurscht!) und sind außerdem durch gesellschaftliche, ökonomische und auch strukturelle Rahmenbedingungen wie zum Beispiel Mehrfachbelastungen tatsächlich auch mit anderen gesundheitsrelevanten Einflüssen konfrontiert, die sich auch maßgeblich auf die Gesundheit auswirken können; oder anders formuliert: Ge­sundheitsthemen von Frauen unterscheiden sich von jenen von Män­nern. (Abg. Kickl: Jetzt ist die Biologie also doch wichtig!)

Genau deshalb ist der neue Frauengesundheitsbericht so wichtig, den wir im Regierungsübereinkommen schon vereinbart haben und hier mit einem Fünfparteienantrag auch auf Schiene gebracht haben. Er liegt mittlerweile vor. Wir haben damit einen Baustein zur Umsetzung des Aktionsplans Frauen­gesundheit geleistet, der damals, 2017, von der Frauen- und Gesundheitsminis­terin Pamela Rendi-Wagner präsentiert worden ist, und es ist gut, dass wir da einen weiteren Baustein umsetzen konnten.

Der Bericht ist inzwischen fertig, wir haben ihn vergangene Woche im Ge­sundheitsausschuss diskutiert und uns auf Initiative der SPÖ darauf verständigt,


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einstimmig, wenn ich mich richtig erinnere, dass wir im Herbst zum Aus­schuss auch ein Expertenhearing – ein Expert:innenhearing – machen werden. Danach kommt der Bericht auch ins Plenum und wird hier debattiert und disku­tiert werden.

Dieser Diskussion möchte ich nicht vorgreifen, ich möchte aber aus aktuellem Anlass einen Aspekt aus diesem Bericht hervorheben, den wir auch letz­ten Montag im Rahmen des 6. Frauengesundheitsdialoges diskutiert haben. Die­ser Aspekt ist der niederschwellige Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen in unserem Land.

Der aktuelle Anlass ist die heutige Angelobung der schwarz-blauen Regierung in Salzburg, die entweder schon stattgefunden hat oder gerade stattfindet. Wer einen Blick in das Regierungsprogramm der Salzburger ÖVP-FPÖ-Koalition wirft, der sieht schnell, dass nicht nur der Ausbau der Kinderbetreuung durch eine Herdprämie von Frauen ersetzt worden ist. (Abg. Belakowitsch: ... ist eine Herdprämie! Können Sie ...?) Er oder sie sieht auch, dass die neue Salzburger Regierung das Selbstbestimmungsrecht von Frauen infrage stellt.

Anstatt, wie von der Weltgesundheitsorganisation empfohlen, ungewollt Schwangeren einen niederschwelligen Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen zu garantieren, stellt dort Schwarz-Blau hart erkämpfte Frauenrechte offen infrage. Das äußert sich zum Beispiel darin, dass die Regierung dort plant, eine Statistik zu Schwangerschaftsabbrüchen, eine Motivforschung zu Schwangerschaftsabbrüchen in Auftrag zu geben. (Abg. Ribo: Geht gar nicht!)

Als würde das nicht schon reichen – da kann ich mir als Frau nur ungläubig die Augen reiben und haareraufend hier stehen und den Kopf schütteln (Abg. Belakowitsch: Ein echter Skandal! – Abg. Ribo: Ja, das ist ein Skandal! – Abg. Belakowitsch: Ein Skandal! Wir sind das einzige Land, in dem ...!) –, doppeln Sie diesen Zynismus noch, vervielfachen Sie diesen frauenfeindlichen, reaktio­nären Zynismus noch und propagieren Adoption oder Pflegeelternschaft


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statt Abtreibung. Da frage ich Sie: Geht es Ihnen echt noch gut? (Beifall bei Grü­nen und SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Belakowitsch: Ja! – Abg. Kickl: Ja, Ihre Politik ist nicht gut angekommen in Salzburg!)

Geht es Ihnen echt noch gut? Hart erkämpfte Frauen- und Selbstbestim­mungsrechte sind für uns Grüne nicht verhandelbar, und ich freue mich auch, dass ich da die SPÖ und auch die NEOS an unserer Seite weiß, dass drei Parteien im Parlament sehr klar für Selbstbestimmungsrechte von Frauen stehen. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren, Frauen haben ein Recht auf ein Leben ohne Diskriminierung in allen Lebensbereichen, einschließlich des Zugangs zur Gesundheitsversorgung (Abg. Kickl: Was die Salzburger von Ihnen halten, das haben Sie bei der Wahl gesehen!), und das umfasst natürlich auch den Zu­gang zu sicheren Schwangerschaftsabbrüchen.

Was passiert, wenn man Frauen diesen sicheren Zugang verwehrt, das sehen wir, wenn wir einen Blick nach Polen werfen. Das ist dramatisch, was dort passiert. (Abg. Belakowitsch: Dramatisch! Welches Drama ...!) Die rechte, rechtskonservative, reaktionäre Regierung hat dort vor einigen Jahren
ein De-facto-Abtreibungsverbot umgesetzt, und was passiert? – Frauen sterben, weil Ärztinnen und Ärzte ihnen eine lebensrettende Abtreibung verwehren. Das passiert dort, gerade erst in der Vorwoche hat wieder eine Frau wegen eines erzkonservativen, frauenfeindlichen Abtreibungsverbotes in Polen ihr Leben lassen müssen!

Es ist klar, dass Maßnahmen für eine bessere Gesundheitsversorgung von Frau­en auch bedeuten, dass man diesen Zugang zu Schwangerschaftsabbrü­chen sicherstellen muss, denn es ist unhaltbar, dass in Österreich im Jahr 2023 Frauen in ein anderes Bundesland fahren müssen, um eine Abtreibung durchführen zu lassen. Es ist untragbar, dass Abtreibungen in Österreich im Jahr 2023 immer mehr zu einer sozialen Frage, zu einer finanziellen Frage werden.


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Schlusssatz, Herr Präsident: Für uns Grüne ist klar, das Selbstbestimmungsrecht von Frauen umfasst auch ihr Recht auf einen sicheren Schwangerschaftsab­bruch (Abg. Belakowitsch: Es ist unerträglich, was Sie da erzählen! 5 Minuten zur Ge­sundheitsreform – 5 Minuten Abtreibung! Das ist unfassbar, ... das Thema!), und dieses Recht werden wir auch, gemeinsam mit anderen Fraktionen hier im Hohen Haus, gegen Angriffe von konservativer, rechter und reaktionärer Seite verteidigen. (Beifall bei Grünen und SPÖ sowie der Abg. Scheucher-Pichler.)

10.19


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeord­nete Fiedler. – Bitte.


10.19.47

Abgeordnete Fiona Fiedler, BEd (NEOS): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! (Die Begrüßung auch in Gebärden­sprache ausführend:) Liebe gehörlose Menschen!

„Gemeinsam Gesund“ – offenbar gibt es vier Parteien hier im Parlament, die an einem gemeinsamen guten Gesundheitssystem interessiert sind. Ich muss leider die FPÖ diesbezüglich herausnehmen, denn offenbar sind Sie mit der Auf­arbeitung der Coronapandemie noch so beschäftigt, dass Sie immer noch an der Spaltung der Gesellschaft anstatt einem gemeinsamen Gedanken interes­siert sind. (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Schallmeiner.)

„Gemeinsam Gesund“ heißt für mich, hier im Parlament gemeinsam an Lösungen zu arbeiten, die das Gesundheitssystem besser machen. Was wir hier aber, glaube ich, dringend brauchen, ist auch ein gemeinsames Zusammenspiel aller Player im Gesundheitssystem – ich nehme da die Ärztekammern, die Apo­thekerkammern, die Pflege, die Gesundheitsberufe im Allgemeinen einfach zu­sammen. Wir brauchen multiprofessionelle Teams in unserem Gesund­heitssystem, und es wäre wichtig, dass das auch in den obersten Reihen an­kommt. Diesbezüglich wäre es gut, wenn wir es hier gemeinsam hinbringen, dass diese Menschen miteinander sprechen und sich nicht gegeneinander ausspielen.


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Was es für „Gemeinsam Gesund“ aber auch braucht, ist Prävention. Wir haben einen Antrag eingebracht, um einen Überblick über die vorhandenen Prä­ventionsprogramme in Österreich zu bekommen – ich weiß nicht, ob der auch in irgendeiner Lade verschwunden ist. Es wäre, um in Prävention zu investie­ren, natürlich wichtig zu wissen, wo bereits investiert wird und wo noch Nach­holbedarf besteht, weil wir zuallererst in unsere Gesundheit investieren müssen. Sie (in Richtung Bundesminister Rauch) haben vorhin gesagt, Vorsorge ist genauso wichtig wie Nachsorge, um nicht nur zwischen krank und gesund zu unterscheiden.

Ich glaube, dass wir ganz massiv auch bei der Prävention ansetzen müssen, weil eine gute Prävention auch eine Entlastung der Spitäler und des Gesund­heitssystems bedeutet. Wenn ich Prävention betreibe, schaffe ich auch Gesund­heitsbewusstsein bei Kindern in den Schulen, bei Jugendlichen und kann so den Menschen klarmachen, wann sie eine digitale Hotline anrufen, wann sie sich an 1450 wenden, wann sie zum niedergelassenen Arzt gehen – sofern sie einen Termin bekommen – oder wann sie schlussendlich ins Krankenhaus gehen müssen. Wenn das gut verankert ist, dann entlasten wir an erster Stelle die Spitäler.

Gesundheit ist aber Gesundheit insgesamt, und ich spreche da die psychische wie auch die physische Gesundheit an. Eine gebrochene Seele tut nicht weniger weh als ein gebrochener Arm. Wir brauchen auch da ganz dringend die Übernahme der Psychotherapie durch die Kassen. Wir haben eine Petition am Laufen, für die bereits über 11 000 Menschen unterschrieben haben, weil sie durch die multiplen Krisen, mit denen wir im Moment kämpfen, einfach schwer belastet sind und – es wurde vorhin auch schon angesprochen – lieber die E-Card verwenden würden als die Mastercard, um ihre psychische Ent­lastung zu bekommen, um ihre psychische Behandlung zu bekommen. (Beifall bei den NEOS.)


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Generell braucht es aber durch eine Überarbeitung attraktivierte Gesundheits­berufe. Wir müssen den Beruf des Allgemeinmediziners attraktivieren, weil es ganz wichtig ist, dass wir viele gute Allgemeinmediziner in Österreich haben. Wir haben so viele nicht eingegangene Kassenverträge, die he­rumliegen, die keiner in Anspruch nehmen will. Auch diese müssen verbessert werden, damit Allgemeinmediziner wieder sagen: Ja, ich gehe gern in diesen Beruf! Ich helfe den Menschen; ich schaue, dass wir alle gesund bleiben!

Auch der Zugang zum Studium muss vereinfacht werden. Da gibt es Medizinzugangstests, die einfach viel zu hoch geschraubt sind und viel zu wenig auf einer menschlichen Basis fußen. Wir brauchen eine Steuerung für die Mangelfächer, damit wir die Leute, die Medizinstudierenden in jene Fächer um­verteilen, in denen wir sie brauchen – beispielsweise in die Unfallchirurgie –, aber auch der niedergelassene Bereich muss gestärkt werden.

Zum Schluss zur Pflege: Die Pflegereform ist gekommen, ja. Sie wissen genauso wie wir alle, dass da noch an Nachstellschrauben gedreht werden muss. Was aber ganz dringend gebraucht wird, sind einfach Kompetenzerweiterungen für die Communitynurses. Uns erreichen teilweise Zuschriften von Communitynurses, die bei den Patienten stehen und den Verband nicht wech­seln dürfen, weil es in ihrem Katalog nicht vorgesehen ist.

Wir müssen einfach das Gesundheitssystem gemeinsam angehen. Unsere Klub­obfrau hat schon gesagt, dass wir mit offenen Händen dastehen, dass wir bereit sind, mitzuarbeiten. Das Gesundheitssystem definiert sich nicht nur über das Geld. Die Finanzverhandlungen reichen nicht aus, wir brauchen da ganz dringend einen Strukturwandel. (Beifall bei den NEOS.)

10.25


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Danke schön.

Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist damit geschlossen.


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10.25.10Einlauf und Zuweisungen


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Hinsichtlich der eingelangten Ver­handlungsgegenstände und deren Zuweisung verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Schriftliche Anfragen: 15201/J bis 15287/J

2. Anfragebeantwortungen: 14321/AB bis 14329/AB

Anfragebeantwortungen (Präsident des Nationalrates):

69/ABPR bis 71/ABPR

3. Volksbegehren:

Volksbegehren „ECHTE Demokratie – Volksbegehren“ (2074 d.B.)

Volksbegehren „Beibehaltung Sommerzeit“ (2075 d.B.)

Volksbegehren „GIS Gebühren NEIN“ (2076 d.B.)

Volksbegehren „Lieferkettengesetz Volksbegehren“ (2077 d.B.)

Volksbegehren „Unabhängige JUSTIZ sichern“ (2078 d.B.)

Volksbegehren „NEHAMMER MUSS WEG“ (2079 d.B.)

Volksbegehren „BARGELD-Zahlung: Obergrenze NEIN!“ (2080 d.B.)

B. Zuweisungen:

1. Zuweisungen seit der letzten Sitzung gemäß §§ 31d Abs. 5a, 32a Abs. 4, 74d Abs. 2, 74f Abs. 3, 80 Abs. 1, 100 Abs. 4, 100b Abs. 1 und 100c Abs. 1:


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Ausschuss für Petitionen und Bürgerinitiativen:

Petition betreffend "Psychotherapie als Leistung der Krankenkasse", überreicht von den Abgeordneten Fiona Fiedler, BEd und Mag. Yannick Shetty (123/PET)

Bürgerinitiative betreffend "die Initiative "Mut zeigen!": Forderung von gesetzl. Änderungen für Personen, die einen Schwangerschaftsverlust unter 500 Gramm (sog. Fehlgeburten) erlitten haben" (59/BI)

2. Zuweisungen in dieser Sitzung:

a) zur Vorberatung:

Gleichbehandlungsausschuss:

Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG über Schutzunterkünfte und Begleitmaßnahmen für von Gewalt betroffene Frauen und deren Kinder (Frauen-Schutzunterkunfts-Vereinbarung – FSchVE) (2070 d.B.)

Rechnungshofausschuss:

Bericht des Rechnungshofes betreffend COVID-19-Förderungen durch die Agrar­markt Austria – Reihe BUND 2023/15 (III-951 d.B.)

b) zur Enderledigung im Sinne des § 28b GOG (vorbehaltlich der endgültigen Ent­scheidung des Ausschusses):

Justizausschuss:

Bericht nach § 3 Abs. 5 des Bundesgesetzes über die Errichtung des COVID-19-Kri­senbewältigungsfonds für Mai 2023, vorgelegt von der Bundesministerin für Justiz (III­960 d.B.)

Tourismusausschuss:

Bericht des Bundesministers für Arbeit und Wirtschaft betreffend Tourismus in Ös­terreich 2022 (III-961 d.B.)


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Ausschuss für Wirtschaft, Industrie und Energie:

Tätigkeitsbericht der Bundeswettbewerbsbehörde für das Jahr 2022, vorgelegt vom Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft (III-962 d.B.)

*****

Ankündigung eines Dringlichen Antrages


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die Abgeordneten Herr, Kolleginnen und Kollegen haben vor Eingang in die Tagesordnung das Verlangen gestellt, den zum gleichen Zeitpunkt eingebrachten Selbständigen Antrag 3436/A(E) der Abgeordneten Herr, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Jobgarantie für die von der Massenkündigung bei Kika/Leiner betroffenen Beschäftigten durch die Bundesregierung“ dringlich zu behandeln.

Gemäß der Geschäftsordnung wird der Dringliche Antrag um 15 Uhr behandelt.

Behandlung der Tagesordnung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Es ist vorgeschlagen, die Debatten über die Punkte 2 bis 5, 6 bis 9, 10 bis 12 sowie 15 und 16 der Tagesordnung jeweils zusammenzufassen.

Wird dagegen ein Einwand erhoben? – Das ist nicht der Fall.

Redezeitbeschränkung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zwischen den Mitgliedern der Präsidial­konferenz wurde Konsens über die Dauer der Debatten erzielt. Demge­mäß haben wir eine Tagesblockzeit von 8,5 „Wiener Stunden“. Daraus ergeben sich Redezeiten wie folgt: ÖVP 166, SPÖ 115, FPÖ 94, Grüne 85 und NEOS 68 Minuten.


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Gemäß § 57 Abs. 7 der Geschäftsordnung beträgt die Redezeit für die gesamte Tagesordnung von jenen Abgeordneten, die keinem Klub angehören, je 34 Minuten. Die Debattenredezeit wird auf 5 Minuten beschränkt.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wer diesen dargestellten Redezeiten die Zustimmung erteilt, den bitte ich, das kundzutun. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir gehen damit in die Tagesordnung ein.

10.26.521. Punkt

Bericht des Ausschusses für Familie und Jugend über den Antrag 3430/A der Abgeordneten Norbert Sieber, Mag. Markus Koza, Kolleginnen und Kol­legen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über einen Aus­gleich inflationsbedingt hoher Lebenshaltungs- und Wohnkosten (Lebens­haltungs- und Wohnkosten-Ausgleichs-Gesetz – LWA-G) geändert wird (2062 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen zum 1. Tagesordnungspunkt.

Ich darf Frau Bundesministerin Raab recht herzlich begrüßen.

Als erste Rednerin darf ich Frau Abgeordnete Holzleitner an das Rednerpult bitten. – Bitte sehr, Frau Abgeordnete.


10.27.19

Abgeordnete Eva Maria Holzleitner, BSc (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Zah­len, Daten und Fakten zur Armut in Österreich sind (Abg. Michael Hammer: Er­schreckend! Erschreckend!), obwohl wir in einem der reichsten Länder der Welt leben, jedes Mal aufs Neue extrem erschreckend und schockierend. Erst gestern hat die FH für Gesundheitsberufe in Oberösterreich eine neue Zahl herausgegeben: Rund 200 000 Personen sind von erheblicher Armut und


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Benachteiligung betroffen. Zukunftsängste, nicht genug zu essen zu haben, den Alltag bewältigen zu können, sind ständige Begleiter dieser Personengruppe, und rund die Hälfte davon sind Frauen über 18 Jahre. Insbesondere diese Frauen leiden extrem unter den Folgen von Armut, gerade wenn sie sich in einer Schwangerschaft befinden.

Die FH hat herausgefunden, dass Diabetes, chronische Krankheiten und Bluthochdruck gerade in Armutssituationen besonders oft auftreten, sich auch auf die Kinder auswirken und Armut eine Spirale ist, die von Eltern auf Kin­der übertragen wird, insbesondere auch, was die Gesundheit betrifft. Darüber hinaus sind 17,5 Prozent der Menschen in Österreich – das sind 1,5 Millio­nen Menschen – von Armut betroffen oder ausgrenzungsgefährdet. Das ist keine kleine Teilgruppe, das ist ein großer Teil unserer Bevölkerung in Österreich, keine Minderheit – keine Zielgruppen-, Nischenpolitik; das ist Politik für einen großen, breiten Teil der Bevölkerung, den wir hier wirklich in Angriff nehmen müssen. (Beifall bei der SPÖ.)

Gerade in den letzten Krisenjahren wurden Millionen und Milliarden für Freunderl ausgegeben – ohne große Kontrolle, einfach so, schön verteilt –, es wurde aber jede Chance vertan, Österreich krisenfester zu machen, armutssicherer zu machen, auch den viel beschworenen Mittelstand abzusichern. Es gab keine Reformen, nur Einmalzahlungen, Befristungen – wie im Übrigen auch bei diesem Paket: Befristungen –, keinen Umbau zu einem  krisenfesten Staat. – Und nein, es geht nicht um die despektierliche Formulierung der Vollkaskomentalität, die ich auf das Schärfste zurück­weisen möchte (Beifall bei der SPÖ), es geht um einen guten Wohlfahrtsstaat, der krisenfest ist.

Es geht um Chancengleichheit für Kinder, um Sicherung für Alleinerzieherinnen, für Frauen, und notwendig wäre diese gute Absicherung insbesondere für Menschen, die in Not geraten sind, insbesondere für Alleinerzieherinnen und de­ren Kinder. Es geht um ein gutes Unterstützungsnetz, um eine Unterhalts­garantie, um eine Kindergrundsicherung, um eine Finanzierung auf breiter Basis,


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insbesondere dahin gehend, dass auch Millionäre und Milliardäre, die wir heute in der Debatte über den Dringlichen Antrag noch thematisieren werden, zur Kasse gebeten werden und nicht Personen und Mitarbeiter:innen ge­schröpft werden.

Wenn jetzt heute hier Maßnahmen gegen die Kinderarmut ausgerufen werden, dann kann man dazu nur sagen: Den Menschen dürfen nicht mehr weiter Sandkörner in die Augen gestreut werden. Es braucht die Absicherung, die Si­cherheit, die Rechtsansprüche, gesetzliche Änderungen, um auch zu wis­sen, dass man sich verlassen kann und nicht bei jeder Semmel, bei jedem Apfel, den man sich noch leisten können möchte, 5 Cent umdrehen muss, weil man hart kalkulieren muss, ob sich Heizen im Winter noch ausgeht. Sichern wir Kinder und Frauen endlich grundlegend ab, mit festen Ansprüchen (Beifall bei der SPÖ), mit einem guten warmen Mittagessen, mit einem Rechtsanspruch auf einen Bildungsplatz, um Chancengleichheit auch möglich zu machen, und nicht mit unfairen Familienbonuserhöhungen wie in den letzten Jahren oder eben auch irgendwelchen Einmalzahlungen, die stigmatisieren und aufgrund Ihrer bürokratischen Hürden, des Anspruchs durch Berichtslegungen, aufgrund vielfacher bürokratischer Hürden den Menschen auch nicht direkt zugutekommen, sondern der Zugang extrem erschwert wird.

Armutssicherung heißt, Politik für einen großen Teil der österreichischen Bevölkerung zu machen. Armutsfeste Politik wäre hier gefragt – nicht erst seit jetzt, nicht erst seit der Teuerung, sondern schon seit Jahren. (Abg. Mau­rer: Warum hat es die SPÖ nicht gemacht?) Die Rückschritte, die wir in den letzten Jahren zu verzeichnen hatten, Stichwort türkis-blaue Kürzungen bei der Mindestsicherung, wären wieder zurückzunehmen und die Menschen auch an der Hand zu nehmen, um Armut in Österreich auch tatsächlich abzuschaf­fen. (Beifall bei der SPÖ.)

60 Euro mehr im Monat werden kein einziges Kind aus der Armut retten. Ja, das ist Fakt, weil das Leben in Österreich, was Wohnen, was Essen, was ein gu­tes warmes Mittagessen betrifft, viel zu teuer geworden ist. Da braucht


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es den wirklichen Umbau und gesetzliche Regelungen, es braucht eine Unter­haltsgarantie, es braucht eine Kindergrundsicherung, es braucht die Erhöhung des Arbeitslosengeldes und es braucht niedrigere Preise, um sich das Leben leisten zu können, und deshalb darf ich folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Eva-Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Preise senken, Leistungen anpassen, Armut bekämpfen“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert ihre Blockadehaltung zu beenden und dem Nationalrat ein umfassendes Inflationsdämpfungsgesetz (u.a. Einfüh­rung einer Mietpreisbremse, sofortiges, temporäres Aussetzen der Mehrwertst­euer auf Lebensmittel des täglichen Bedarfs, Einsetzung einer schlagkräf­tigen Anti-Teuerungskommission) vorzulegen, das das Ziel verfolgt, die Infla­tionsrate in Österreich um mindestens zwei bis drei Prozentpunkte zu drücken.

Darüber hinaus wird die Bundesregierung aufgefordert umgehend ein nachhaltiges Paket zur Armutsbekämpfung dem Nationalrat zu übermitteln, mit dem armutsvermeidende Mindestleistungen in der Sozialhilfe festgelegt werden, das Arbeitslosengeld auf 70 Prozent des letzten Einkommens erhöht und damit einhergehend auch die Notstandshilfe erhöht wird, der Kin­derzuschlag zum Arbeitslosengeld verdreifacht wird und die Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung jährlich valorisiert werden sowie eine Kinder­grundsicherung und ein Rechtsanspruch auf einen Kinderbildungsplatz einge­führt und die Finanzierung eines warmen Essens pro Tag für jedes Kind in allen Bildungseinrichtungen sichergestellt wird.“

*****

Das wäre das Mindeste, um Armut in Österreich zu verhindern. (Beifall bei der SPÖ.)

10.34


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Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Eva-Maria Holzleitner, BSc,

Genossinnen und Genossen

betreffend Preise senken, Leistungen anpassen, Armut bekämpfen

eingebracht im Zuge der Debatte zum Bericht des Ausschusses für Familie und Ju­gend über den Antrag 3430/A der Abgeordneten Norbert Sieber, Mag. Markus Koza, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes­gesetz über einen Ausgleich inflationsbedingt hoher Lebenshaltungs- und Wohn­kosten (Lebenshaltungs- und Wohnkosten-Ausgleichs-Gesetz-LWA-G) geändert wird (2062 dB)

Die Teuerung in Österreich ist so hoch wie seit 70 Jahren nicht mehr. Die Preise explodieren nach wie vor. Mit zuletzt 8,8 Prozent ist die Inflation hierzulande um fast 3 Prozentpunkte höher als in Deutschland, der Abstand hat sich gegenüber April sogar vergrößert. Spanien hatte im Mai sogar nur mehr 3,2 Prozent. Österreich bleibt weiter das Land mit einer der höchsten Inflationsraten in der Euro-Zone. Die Preise steigen seit Monaten rasant an, von Mai 2021 bis Mai 2023
um 17 Prozent. Die Folge: Millionen Menschen in Österreich haben Probleme, ihre täglichen Ausgaben bei Mieten, Energie und beim Einkauf zu bestreiten. Immer mehr Familien können sich aufgrund der Teuerung kein warmes Essen mehr leisten, ihre Kinder nicht mehr gut versorgen und müssen an der Supermarktkasse fest­stellen, dass sie sich mit ihrem Geld immer weniger leisten können. Es wäre die Auf­gabe dieser Bundesregierung, die steigende Armut zu verhindern und die aus­ufernde Geldentwertung strukturell zu bekämpfen. Es geht nicht nur darum, einzel­nen Gruppen Almosen zukommen zu lassen, sondern die Preise strukturell zu senken. Familien dürfen nicht Bittsteller:innen von der Bundesregierung sein. Nie-


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mand soll sich an der Supermarktkasse arm fühlen. Die Regierung hat im Koa­litionsabkommen versprochen, die Armut in Österreich zu halbieren – sie ist aber gestiegen! Und zwar seit Antritt von Sebastian Kurz im Jahr 2019 um mehr als 30%!

Wer Politik für die Menschen macht, schaut genau hin, wo der Schuh drückt – also wo die Teuerung am stärksten zuschlägt. Die größten Treiber der Teuerung sind: Energie, Lebensmittel und Wohnen. Es wäre verantwortungsvolle Politik und ökonomisch schlüssig, sich im Sinne der Menschen zu überlegen, welche Maßnahmen gesetzt werden müssen, um bei den größten Treibern der Teuerung den Preis­aufschwung zu stoppen bzw. zumindest zu dämpfen. WIFO-Chef Gabriel Felbermayr hat sich unter anderem für einen Mietpreis-Stopp ausgesprochen und Eingriffe in den Markt von der Regierung eingemahnt: „ […] die Mietpreisbremse muss überlegt werden, ich war ehrlich gesagt enttäuscht, dass sie nicht gekommen ist.“ 1 Dank des Nicht Handelns der Bundesregierung galoppieren die Mieten in Österreich weiter­hin den Löhnen davon.

So steigen die gesetzlichen Kategoriemieten laut Berechnung der Arbeiterkammer im Juli um 5,5 Prozent. Das macht in Summe vier Erhöhungen in 15 Monaten von rund 24 Prozent.

Auch in Sachen Kampf gegen die hohen Lebensmittelpreise findet WIFO-Chef Felbermayr, dass die Regierung die Lebensmittelkonzerne stärker in die Pflicht hätte nehmen müssen: „Eine Transparenzinitiative, die sich auf wenige Produkte er­streckt, ist recht zahnlos. Der Staat muss ein bisschen mehr Muskeln zeigen!“ 2 So lange sichergestellt ist, dass diese weiter gegeben wird, kann sich mittlerweile auch er - wie von der SPÖ vorgeschlagen – eine Mehrwertsteuersenkung auf Lebens­mittel vorstellen. Im Interview mit der Krone vom 14. Mai 2023 plädiert auch Felbermayr dafür endlich stärker die Inflation selbst zu bekämpfen und nicht nur ihre Effekte.

Und auch im Sozialbereich müsse noch mehr passieren. Als Beispiel nannte Fel­bermayr die unterjährige Anpassung von Arbeitslosengeld oder die Infla­tionsindizierung von Einkommensgrenzen, ab denen ein Anspruch besteht. 3


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Was macht die Regierung?

Die Regierung senkt keinen einzigen Preis, sie stoppt nicht den Mietpreiswahnsinn, hofft auf die Vernunft der Energiekonzerne und im Kampf gegen die Armut, macht sie Betroffene wieder zu Bittsteller:innen!

Die Regierung kündigt ein Paket gegen Familienarmut an. Dieses Paket ist aber weder nachhaltig, weil mit 2024 befristet, noch werden 60 Euro pro Monat weder eine einzige Familie oder eine einziges Kind wirklich aus der Armut holen. 60 Euro pro Kind sind gerade einmal 2 Euro am Tag. Damit kann man auch mit billigen Lebensmit­teln kein warmes Essen zubereiten, geschweige denn mit diesen enorm verteuerten Lebensmitteln.

Um der Armut in unserem Land wirklich nachhaltig den Kampf anzusagen braucht es neben preissenkenden Maßnahmen auch Leistungsverbesserungen: Eine Reform der Sozialhilfe mit armutsvermeidenden Mindestleistungen, eine Erhöhung von Arbeitslosengeld, Notstandshilfe und Kinderzuschlag sowie die jährliche Valori­sierung dieser Leistungen und eine Kindergrundsicherung, einen Rechtsan­spruch auf einen Kinderbildungsplatz sowie ein gesundes, warmes Essen pro Tag für jedes Kind in allen Bildungseinrichtungen.

Mit einem derartigen Maßnahmenpaket kann die Armut in Österreich nachhaltig bekämpft werden.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert ihre Blockadehaltung zu beenden und dem Nationalrat ein umfassendes Inflationsdämpfungsgesetz (u.a. Einführung einer Mietpreisbremse, sofortiges, temporäres Aussetzen der Mehrwertsteuer


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auf Lebensmittel des täglichen Bedarfs, Einsetzung einer schlagkräftigen Anti Teue­rungskommission) vorzulegen, das das Ziel verfolgt, die Inflationsrate in Öster­reich um mindestens zwei bis drei Prozentpunkte zu drücken.

Darüber hinaus wird die Bundesregierung aufgefordert umgehend ein nachhaltiges Paket zur Armutsbekämpfung dem Nationalrat zu übermitteln, mit dem ar­mutsvermeidende Mindestleistungen in der Sozialhilfe festgelegt werden, das Ar­beitslosengeld auf 70 Prozent des letzten Einkommens erhöht und damit einhergehend auch die Notstandshilfe erhöht wird, der Kinderzuschlag zum Ar­beitslosengeld verdreifacht wird und die Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung jährlich valorisiert werden sowie eine Kindergrundsicherung und ein Rechtsan­spruch auf einen Kinderbildungsplatz eingeführt und die Finanzierung eines warmen Essens pro Tag für jedes Kind in allen Bildungseinrichtungen sichergestellt wird.“

1 Kronen Zeitung, Sonntag 14.Mai 2023

2 Kronen Zeitung, Sonntag 14.Mai 2023

3 APA0270/10.05 Mi, 10.Mai 2023

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht somit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Sieber. – Bitte.


10.34.13

Abgeordneter Norbert Sieber (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Minister! Herr Minister! Hohes Haus! Auch ich möchte unserem geschätzten Kollegen Kucher zu seiner neuen Aufgabe recht herzlich gratulieren. (Beifall der Abg. Holzleitner. – Abg. Kucher deutet eine Verbeugung an.)

Wie wir bereits gehört haben, wird mit dem neuen Parteivorsitzenden ein neuer Stil, eine neue Ausrichtung der Partei stattfinden. Wenn ich jetzt aber auf


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die vorige Debatte zurückblicke, dann muss ich sagen, ich hoffe nicht, dass diese neue Ausrichtung bedeutet, dass man hier mit Unwahrheiten startet, dass man mit Verdrehungen arbeitet, dass man die Dinge verdreht und Klassenkampf forciert. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte Ihnen eines sagen – Sie wissen, dass bei einer Aktuellen Stunde keine tatsächlichen Berichtigungen möglich sind –: Kollegin Heinisch-Hosek hat behauptet, dass der Wirtschaftsbund bei der Sitzung der ÖGK der zusätz­lichen Bereitstellung von 100 Kassenverträgen nicht zugestimmt hat. – Das war Ihre Formulierung! (Abg. Heinisch-Hosek: Ja?!) – Jetzt schauen wir uns einmal das Protokoll an und schauen wir auf die Tatsachen. Was ist denn wirklich wahr?

Kollege Huss von der Arbeitnehmerkurie hat den Antrag zu spät eingebracht, er konnte gar nicht behandelt werden. Es ist aber im Protokoll nachzulesen, Frau Heinisch-Hosek, dass die Arbeitgeberkurie, nämlich der Wirtschaftsbund, ausdrücklich darauf hinweist, dass man diese 100 zusätzlichen Kassen­stellen unterstützt und dass man den Vorstoß unseres Bundeskanzlers auch ent­sprechend unterstützen wird. Das sind die Fakten! Hören Sie auf mit Ihren Verdrehungen, hören Sie auf mit diesem Klassenkampf! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Krainer: Unglaublich! Sie verdrehen! Ich habe es ja da liegen! – Abg. Wöginger: Ich auch! – Abg. Krainer: Dann lesen Sie es!)

Meine Damen und Herren, diese Regierung steht in der Zeit von multiplen Krisen – der Pandemie, dem Angriffskrieg in der Ukraine, aber vor allem auch der daraus resultierenden Teuerung – ganz klar an der Seite der Bevölkerung und hilft, wo es notwendig ist, und ich möchte Ihnen, Frau Minister, und Ihnen, Herr Minister, stellvertretend für die Regierung dafür danken, dass wir die­sen Antrag heute hier vorliegen haben.

Es ist eine Vielzahl von Maßnahmen, Unterstützungen, aber auch bedeutenden und lange diskutierten strukturellen Entlastungen, wie zum Beispiel die Streichung der kalten Progression – ewig gefordert, ewig diskutiert und von die­ser Regierung umgesetzt – oder die jährliche Valorisierung der Familien-


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und Sozialleistungen, die die Menschen in diesem Land bereits jetzt unterstützt und entlastet; ebenfalls ein Beschluss, den es so, glaube ich, in ganz Europa kaum gibt. Zeigen Sie mir das Land, das das bereits umgesetzt hat!

Oder: die Erhöhung des Familienbonus auf 2 000 Euro pro Kind. Meine Damen und Herren, das ist eine erhebliche steuerliche Entlastung für Familien, die in Europa ihresgleichen sucht. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Disoski und Maurer.)

All das hat dazu geführt, dass in Österreich die Kaufkraft und die realen Einkommen der Haushalte gestiegen sind. Zeigen Sie mir in dieser Zeit ein Land in Europa, das das geschafft hat! Trotzdem war uns vollkommen klar, dass vor allem vulnerable Gruppen wie Sozialhilfe- oder Mindestsicherungsbezieher, Ausgleichszulagenbezieher oder Arbeitslose, Alleinerzieherinnen oder Alleinverdiener, Menschen mit einem geringen Einkommen von nicht mehr als 2 000 Euro brutto pro Monat von dieser Teuerung ganz besonders betroffen sind und wir da besonderen Handlungsbedarf haben.

Wir haben deswegen zwei Anträge ausgearbeitet, um all diesen Gruppen unbürokratisch, schnell und zielgerichtet zu helfen. Im letzten Plenum erfolgte der Beschluss für Sozialhilfe- und Mindestsicherungshaushalte, und heute beschließen wir, so wie angekündigt, die Sonderzuwendung für Allein­verdienende, Alleinerziehende mit geringem Einkommen und für Arbeitslose und Ausgleichszulagenbezieher mit Kindern. 60 Euro pro Kind und Monat werden unbürokratisch und schnell ab Juli 2023 bis Dezember 2024 monatlich überwiesen. Meine Damen und Herren, diese Regierung ist sich ihrer sozialen Verantwortung bewusst und sie hält auch ihr Wort. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Nun haben wir in den vergangenen Wochen erlebt, dass die Opposition alle möglichen und unmöglichen Argumente bemüht hat, um dieses Paket kleinzureden. Faktum ist, meine Damen und Herren, dass dieser Beschluss einer Familie mit zwei Kindern, die unter diese genannten Gruppen fällt,


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2 100 Euro zusätzlich zu all den anderen beschlossenen Maßnahmen bringt. Angesichts dieser Zahlen von einer Kleinigkeit oder vom Tropfen auf den heißen Stein zu reden, das ist wirklich der Thematik nicht entsprechend. Noch ein­mal: Diese Regierung ist sich ihrer sozialen Verantwortung bewusst! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wenn man sich nun die Diskussionen und die Argumente im Ausschuss vor Augen führt, so ergibt sich folgendes Bild: Während die einen bejammern, dass es zu wenig zielgerichtet ist, beklagen die anderen, dass es viel zu wenig ist. Experten betonen hingegen, dass dieser Vorschlag – ganz im Gegenteil! – schnell hilft, unbürokratisch und vor allem auch sehr zielgerichtet ist. Und damit haben wir wirklich alles erfüllt, was auch von uns gefordert wurde.

Ich möchte noch einmal betonen: Diese Regierung ist sich ihrer sozialen Verant­wortung bewusst und sie hält auch ihr Wort. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ich habe es schon in einer meiner letzten Reden betont: Während man in Wien nichts Besseres weiß, als alle möglichen Gebühren zu erhöhen und damit die Menschen zu belasten, entlastet diese Regierung schnell und unbürokratisch, aber auch nachhaltig.

Das vorliegende Paket entlastet die Menschen, die es am dringendsten benöti­gen, und Sie, meine Damen und Herren, sind herzlich eingeladen, diesen Beschluss mitzutragen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

10.40


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Bern­hard. – Bitte.


10.40.45

Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Herr Präsident! Frau Ministerin! Herr Minister! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Ich möchte vorausschi­cken, dass uns NEOS das Thema der vulnerablen Familien, die unter der hohen


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Inflation leiden, natürlich ein Herzensanliegen ist – viele von uns sind auch Eltern. Wir erleben auch im privaten und im beruflichen Umfeld, dass an vielen Stellen tatsächlich viel zu viel Druck in der Kiste ist, dass die Wohnkosten steigen, dass die Energiekosten steigen, dass die Lebenshaltungskosten im Allgemeinen steigen. Es ist allerdings das eine, dass man ein Ziel formuliert, nämlich diesen Familien helfen zu wollen, und das andere, eine Gesetzes­vorlage zu liefern, die dieses Versprechen nicht erfüllt. Das ist auch der Punkt, warum wir heute nicht zustimmen können, und darauf möchte ich auch genauer eingehen.

Der erste Punkt ist, dass an vielen Stellen einfach schlampig und schlecht gearbeitet worden ist. Es tut mir furchtbar leid, dass man das so sagen muss, allerdings ist es tatsächlich so, dass es nur dann eine funktionierende Ge­setzgebung gibt, wenn man Gesetzesvorlagen hat, die auch die entsprechende Wirksamkeit entfalten können.

Diese Bundesregierung schlampt seit vielen Monaten und auch Jahren. Es gab beim vorliegenden Gesetzesvorschlag keine Begutachtungsphase, es gab keine Möglichkeit, Feedback zu geben, ob die Wirksamkeit da ist, ob das Geld richtig eingesetzt wird.

Es gab eine Ausschusssitzung, in der von unserer Seite, von NEOS, viele Fragen gestellt wurden; wir hatten einen ganzen Fragenkatalog. Wir haben sogar das Feedback bekommen, dass unsere Fragen gut sind – wir haben allerdings keine Antworten bekommen. (Heiterkeit der Abg. Meinl-Reisinger.) Das ist dann natürlich dramatisch.

Es wurde ein konkreter Vorschlag von uns in einen Abänderungsantrag auf­genommen, nämlich dass gerade diese 60 Euro auch valorisiert werden müssen, aber alle anderen Fragen, die wir gestellt haben, wurden nicht beant­wortet. Wir haben gefragt: Um wie viel Geld geht es genau? Aus wel­chem Budget wird das finanziert? Welche der Zielgruppen, die da noch nicht genannt werden, können noch aufgenommen werden?


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Diese Fragen wurden weder vonseiten der ÖVP noch vonseiten der Grünen be­antwortet, weil man sie nicht beantworten konnte; und das ist das Schwie­rige. Wenn wir zumindest 500 Millionen Euro in die Hand nehmen und wissen, das Geld kommt nicht dort an, wo die Hilfe wirklich benötigt wird, dann ist das dramatisch.

Ich möchte Ihnen da ein paar ganz konkrete Beispiele nennen, damit Sie sich auch ein Bild dessen verschaffen können, wovon wir reden. Es gibt in unserer Republik an sich eine Systematik, wie wir Eltern erreichen können, wenn sie ein geringes Einkommen haben, um zu deren Lebensunterhalt beitra­gen zu können: Das ist der Alleinverdiener- und Alleinerzieherabsetzbetrag, das sind Familienzuschläge beim Arbeitslosengeld, bei der Notstandhilfe und das sind Kinderzuschüsse bei Ausgleichszulagen.

Man hätte also an diese konkreten Mechanismen, die es schon gibt und durch die wir die Menschen erreichen können, diese Hilfe anhängen können. Das ist nicht passiert. Eine Auswirkung ist, dass viele Gruppen vergessen worden sind – viele Gruppen: nicht wenige, sondern zahlreiche, und das haben wir auch im Ausschuss benannt; zum Beispiel jene, die Rehabilitationsgeld beziehen, die Weiterbildungsgeld beziehen, die Krankengeld beziehen. Übrigens gehören auch Familien dazu – und da stimmen wir auch mit der SPÖ überein –, die ein geringes Einkommen haben, in denen beide arbeiten gehen, aber zu wenig verdienen – vielleicht gerade diese 2 000 Euro brutto –, und die be­kommen nichts.

Es stellt sich dann die Frage: Wer fällt denn unter diese Bezugsgrenze von 2 000 Euro? – Das sind oft Familien, Personen, die gerne Vollzeit arbeiten gehen würden, aber nicht können, weil die ÖVP in den letzten Jahrzehnten verhin­dert hat, dass die Kinderbetreuung entsprechend ausgebaut wird.

All diese Elemente haben Sie jetzt nicht berücksichtigt. Das ist ein Antrag, durch den Familien, die wenig Geld haben, keine Hilfe bekommen, und Familien,


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die viel Geld haben, möglicherweise diese 60 Euro bekommen. Das ist nicht die Art von Unterstützung, die wir NEOS uns vorstellen. (Beifall bei den NEOS.)

Wir haben einen ganz zentralen Punkt gehabt, weil uns dieser wirklich wichtig war – wir haben das in den letzten zwölf Monaten auch schon ganz klar gesagt ‑: Es geht um eine Treffsicherheit, damit man nicht die Gießkanne aus­packt, und diese Treffsicherheit kann nur dann gewährleistet sein, wenn man von einem Haushaltseinkommen ausgeht, wenn man nicht davon ausgeht, dass eine Person arbeitslos ist, die andere möglicherweise ein höheres Einkommen erwirtschaftet, und man trotzdem diese 60 Euro ausschüttet, und andere, von denen beide arbeiten gehen, die nur ganz knapp drüber sind, kriegen nichts.

Daher ist es tatsächlich so: Die Vorschläge, die Sie hier einbringen, sind zwar eine Geldverteilaktion, aber sie werden der Situation dieser Kinder nicht gerecht, die diese Hilfe wirklich brauchen. Wir fordern daher eine konkrete und wirk­same Hilfe. Deswegen möchte ich an dieser Stelle folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Den Kindern helfen, die es wirklich brauchen“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage vorzulegen, die gezielte Sachleistungen für bedürf­tige Kinder vorsieht.“

*****

Wir wollen ein warmes, gesundes Mittagessen in jeder Ganztagsschule, in jeder Kinderbetreuungseinrichtung. Wir wollen den Ausbau der Kinderbetreu­ung in ganz Österreich. Und wir wollen den Menschen die Möglichkeit geben,


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dass sie durch eine Vollzeittätigkeit ihr Leben selbst gut bestreiten kön­nen. Dafür setzen wir uns ein und das würde den Kindern auch wirklich sofort helfen. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

10.45

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Yannick Shetty, Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend Den Kindern helfen, die es wirklich brauchen

eingebracht im Zuge der Debatte in der 219. Sitzung des Nationalrats über den Bericht des Ausschusses für Familie und Jugend über den Antrag 3430/A der Abgeordneten Norbert Sieber, Mag. Markus Koza, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über einen Aus­gleich inflationsbedingt hoher Lebenshaltungs- und Wohnkosten (Lebenshaltungs- und Wohnkosten-Ausgleichs-Gesetz-LWA-G) geändert wird (2062 d.B.) –
TOP 1

In Wien wird mit dem großen Paket zur Bekämpfung von Kinderarmut eine deutliche Entlastung bei den Essensbeiträgen und für die Nachmittagsbetreuung in Schulen, Kindergärten und Horten umgesetzt. Zudem wird die Unterstützung für armutsgefährdete Familien bei mehrtätigen Schulveranstaltungen, wie Winter- und Sommersportsportwochen, ausgeweitet. Auch bei der Beschaffung von erfor­derlichen Unterrichtsmaterialien greift die Stadt den Betroffenen unter die Arme. Das sind alles konkrete Sachleistungen, die den Kindern zugutekommen.

Österreich ist international führend, wenn es um Geldtransfers an Familien geht. Im Bereich der Sachleistungen für Kinder liegen wir allerdings im internationalen Vergleich deutlich zurück. Um sicherzustellen, dass die Steuermittel wirklich treffsi­cher bei den Kindern ankommen, die diese Hilfe unbedingt brauchen, ist da­her verstärkt auf Sachleistungen zu setzen. Dazu gehört zum Beispiel, den Kindern ein warmes, gesundes Mittagessen zur Verfügung zu stellen.


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Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage vorzulegen, die gezielte Sachleistungen für bedürftige Kinder vorsieht.“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht somit mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Ecker. – Bitte sehr.


10.46.11

Abgeordnete Rosa Ecker, MBA (FPÖ): Sehr geehrtes Präsidium! Geschätzte Frau Minister! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Damen und Herren hier im Saal und zu Hause vor den Bildschirmen! Vor etwa vier Wochen hat die Regierung ganz vollmundig ein Unterstützungspaket für armutsgefährdete Kin­der angekündigt. Viele Familien und viele Alleinerziehende haben daran große Erwartungen geknüpft. Im Juni wird daraus allerdings auch noch kein Geld fließen, denn wir ändern heute zum zweiten Mal innerhalb von drei Wo­chen dieses Lebenshaltungs- und Wohnkosten-Ausgleichs-Gesetz, besser be­kannt unter 60-Euro-Paket.

Letzte Woche wurde es im Bundesrat bestätigt, um es heute hier wieder zu ändern und dann wieder an den Bundesrat zu schicken. Einen dafür zuständigen Ausschuss gibt es offensichtlich auch nicht mehr, denn es war einmal im Budgetausschuss, einmal im Sozialausschuss, letztes Mal im Familienausschuss. Wie so oft haben es die schwarz-grünen Regierungsparteien wieder einmal


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nicht geschafft, einen kompletten, umfassenden Antrag zu beschließen. Man hätte diesen auch in der letzten Plenarsitzung noch abändern können – haben Sie auch nicht gemacht. Die Menschen draußen können auf das Geld ja leicht warten. (Beifall bei der FPÖ.)

Darum gibt es heute diesen zweiten Teil dieses 60-Euro-Pakets, damit eben Al­leinverdiener, Alleinerziehende und Arbeitslose auch Anspruch haben.

Frau Minister, Sie berufen sich ja immer auf die Valorisierung der Familienleis­tungen. Ja, aber gleichzeitig haben diese Familienleistungen massiv an Wert verloren. Wenn Sie sich das ansehen, werden auch Sie das feststellen. Nehmen wir die Kinderbeihilfe her: Seit 2002 hat diese um die 30 Pro­zent an Wert verloren. Das heißt, man hätte sie um 46 Prozent erhöhen müssen, um wieder dieselbe Kaufkraft zu haben. Da wären wir auch bei diesen 60 Euro, aber regelmäßig und nachhaltig und ohne, dass man sich dafür bedan­ken müsste. (Beifall bei der FPÖ.)

Familien, in denen beide Elternteile arbeiten gehen, wir haben es heute schon gehört, nämlich immer schon beide arbeiten gehen müssen, um über die Runden zu kommen, weil Kinder im Haus sind, weil die Wohnung oder das Haus abbezahlt werden muss, fallen völlig raus, aber mit 2 000 Euro brutto, sehr geehrte Damen und Herren – das sind netto 1 560 Euro –, mit 1 560 Euro netto kann eine Familie mit zwei Kindern nicht mehr leben, das ist unmöglich. Die Rückzahlungen für das Eigenheim steigen, die Mieten steigen, die Energiekosten sinken nur in den Zeitungsberichten, aber nicht auf der Stromrechnung, die Lebensmittelpreise steigen. Ja, da sind 60 Euro beinahe nichts. Kaufen Sie 2 Kilo Knacker, Sie werden um die 36 Euro bezahlen!

Finanzielle Reserven wurden während Corona aufgebraucht (Abg. Deimek: ... wis­sen nicht einmal, wie viel 1 Liter Milch kostet!), und ist das Auto oder der Kühlschrank kaputt, dann ist das beinahe nicht mehr zu stemmen.


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Immer mehr sind in Österreich mit Zahlungen im Verzug, weil sie sich das Leben nicht mehr leisten können. Das heißt, es bleiben weiterhin viele Leute in unserem Land, die arbeiten oder gearbeitet haben, die Steuern gezahlt haben, sich durchkämpfen, armutsgefährdet, auch sehr viele Senioren.

Es hat ohnehin sehr lange gebraucht, bis die Regierung reagiert hat, nachdem wir ja von Ihnen immer gebetsmühlenartig gehört haben, was Sie nicht schon alles getan hätten. Liebe Abgeordnete von Schwarz-Grün, Armut ist leise und Armut ist beinahe nicht sichtbar. Und diese Menschen müssen sich von Ihnen beinahe permanent sagen lassen, sie hätten ja schon mehr bekommen, als die Teuerung ausmacht. Insbesondere den Senioren haben Sie das hier vom Plenum aus schon sehr oft via Fernsehen ausgerichtet. Diese Menschen bekom­men noch mehr Schuldgefühle, weil sie arbeiten oder gearbeitet haben, es aber trotzdem nicht schaffen.

Die heute beschlossenen Maßnahmen gelten bis 2024. Fällt 2024 dieses Geld weg, wird bei vielen die finanzielle Situation wieder kritisch.

Die Regierung ist bei vielen Punkten säumig, die das Leben von Alleinerziehenden zum Beispiel viel einfacher machen würden. Wir warten auf die Evaluierung des Unterhaltsvorschußgesetzes seit Anbeginn dieser Regierungsperiode, die Anträge dazu werden immer vertagt. 59 000 Kinder von Alleinerziehenden bekamen 2020 gar keinen Geldunterhalt; 44 000 Kin­der hatten gar keinen Anspruch auf Unterhaltszahlungen, und gleichzeitig, sehr geehrte Damen und Herren, zahlen wir Hunderte Millionen Euro an Fami­lienleistungen ins Ausland.

Die Evaluierung des Kinderbetreuungsgeldes wird auch immer angekündigt, bis dato ist keine Umsetzung in Sicht. Obwohl die Arbeiterkammer und auch die Volksanwaltschaft – also nicht nur die Opposition, die nicht so geliebt wird – sachlich begründete Kritik dahin gehend äußern, wurden auch hier wieder sehr viele Anträge vertagt oder abgelehnt; über manche diskutieren wir später noch.


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Liebe Kollegen von Schwarz-Grün, Sie lassen die Eltern im Stich, die notwen­digen Änderungen, die sich auch im Geldbörsl auswirken würden, fehlen: dass Mütter nicht mehr ohne Unterhalt dastehen würden; dass Mütter nicht wo­chen-, monatelang, wir haben gehört, oft jahrelang auf das Kinderbetreu­ungsgeld warten müssen.

Sehr geehrte Damen und Herren, wir wissen alle, Kinder haben gute Antennen. Sie spüren es genau, wenn Eltern, Mütter und Väter, Angst haben, es nicht mehr zu schaffen, wenn sich die Gas-, die Stromrechnung, die Gemein­derechnung, der Lebensmitteleinkauf nicht mehr ausgehen. Sehr oft dreht sich dann die Spirale: Geldprobleme, Alkoholprobleme, Gewalt in der Fami­lie. Da trauen sich Kinder wegen des Schulausflugs, der jetzt zu Schulschluss am Programm steht und das Budget stark belastet, nichts mehr zu sagen. Da sagen sie lieber, sie sind krank, bevor sie sagen, dass sich der Eintritt fürs Schwimmbad am vorletzten Schultag nicht mehr ausgeht.

Liebe Regierung, 60 Euro sind besser als nichts, aber für viele sind sie viel zu wenig! (Beifall bei der FPÖ.)

10.51


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Sehr geehrte Abgeordnete! Da das heute der letzte Tag der ehemaligen Klubobfrau Dr.in Pamela Rendi-Wagner hier im Hohen Haus ist und ich beim letzten Mal angekündigt habe – sie heu­te aber nicht auf der Rednerliste steht –, dass ich noch Worte des Dankes an sie persönlich richten möchte, möchte ich das noch vor dem Vorsitzwechsel tun.

Frau Klubobfrau außer Dienst, Sie haben sich als Ärztin, als Epidemiologin, als – in ganz besonderer Art und Weise – Tropenmedizinerin nicht nur habili­tiert und als Professorin gearbeitet, sondern haben Ihr Wissen, Ihr erworbenes Wissen in Ihrer weiteren beruflichen Karriere immer eingebracht – als Generaldirektorin für die öffentliche Gesundheit von 2011 bis 2017, als Gesund­heitsministerin und Sie haben es auch immer wieder als Klubobfrau einge­bracht und letzten Endes Ihre Expertise zur Verfügung gestellt.


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Ich darf mich bei Ihnen für Ihre Arbeit als Klubobfrau, die Sie für den Parlamen­tarismus insgesamt geleistet haben, bedanken. Ihre Art zu kommunizieren war stets von großem gegenseitigem Respekt geprägt. In Ihrem wertschätzen­dem Umgang haben Sie es trotzdem geschafft, harte Formulierungen zu treffen und diese bestmöglich an die Abgeordneten zu adressieren.

Schlussendlich war die Kompromissbereitschaft, die Sie immer wieder gezeigt haben, das Maß, das der Parlamentarismus eigentlich braucht, um leben­dig zu sein, aber auch, um gemeinsam zu Lösungen zu kommen. Dafür dürfen wir Ihnen herzlich danken.

Wir wünschen Ihnen für Ihre weitere Orientierung, Ihren weiteren beruflichen Lebensweg alles erdenklich Gute. Wir haben diese Zeit mit Ihnen – und es wird immer ein lachendes und ein weinendes Auge geben – auf der einen Seite sehr, sehr geschätzt, auf der anderen Seite vielleicht da und dort untergrif­fig agiert. Dafür darf ich mich auch einmal entschuldigen, wenn das so angekom­men ist: Es war nie persönlich gemeint.

In diesem Sinne soll ein positiver Eindruck aus dem österreichischen Nationalrat Sie auch in der Zukunft begleiten. Alles Gute für Ihre weitere Zukunft! (Lang anhaltender, stehend dargebrachter allgemeiner Beifall. Abg. Rendi-Wagner geht zum Präsidium und reicht Präsident Sobotka die Hand.)

*****

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Wimmer. – Bitte.


10.54.58

Abgeordnete Petra Wimmer (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen im Hohen Haus! Es wird heute ein weiterer Teil des Antiteuerungspaketes für Familien beschlossen. Erfreulich daran ist, dass jetzt auch weitere Gruppen diese 60 Euro Sonder­zahlung erhalten werden. Weniger erfreulich ist, dass es sich dabei, wie es in der Natur der Sache einer Sonderzahlung ist, um eine Sonderzahlung handelt,


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die einfach kein strukturelles Problem löst. 60 Euro im Monat sind für Familien, die jeden Euro dreimal umdrehen müssen, nicht wirklich viel Geld. Das ist eine vorübergehende kleine Hilfe, aber es bringt einfach keine dauerhafte Ver­änderung und Verbesserung für die Familien. Kein einziges Kind wird mit dieser Maßnahme aus der Armut geholt, die Inflation wird damit nicht um 1 Pro­zent gesenkt, der Einkauf wird um keinen Euro günstiger und auch die Mie­ten werden damit nicht leistbarer. Dauerhafte strukturelle Lösungen sind es, die die Menschen in Österreich bräuchten.

Laut Regierungsprogramm möchten Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfraktionen, die Armut in Österreich halbieren. Wir sehen diese Schritte, die dafür notwendig wären, nicht. Wir sehen nicht, dass Sie das ernsthaft angehen, insbesondere was die Bekämpfung von Kinderarmut betrifft. Es sollte ja unsere gemeinsame Agenda sein, das in Österreich wirklich anzugehen. Gleiche Chancen für alle, für jedes Kind in Österreich muss unser gemeinsames Ziel sein! (Beifall bei der SPÖ.)

Kinder brauchen keine Almosen. Kinder haben das Recht auf ein gesundes Leben, auf ein sorgenfreies Leben, auf ein Kinderleben ohne Sorgen, ohne Geldnöte, ohne Ausgrenzung und Stigmatisierung. Dafür braucht es keine Almosen, dafür braucht es Rechtsansprüche! (Beifall bei der SPÖ.)

Nun komme ich zu einem Thema, das ich schon so oft hier im Hohen Haus angesprochen habe, und ich verstehe einfach nicht, warum uns dazu immer noch nichts vorliegt: Ich spreche vom Nationalen Aktionsplan zur Umsetzung der Europäischen Kindergarantie. Österreich ist da noch immer säumig. Im März 2022 hätten wir diesen schon der EU-Kommission vorlegen müssen, jetzt sind wir bald Schlusslicht in Europa, denn wir gehören zu den letzten fünf Ländern in Europa, die diesen Plan noch immer nicht auf den Weg gebracht ha­ben. Da frage ich Sie, sehr geehrte Damen und Herren: Welche Priorität kann für eine Regierung die Bekämpfung von Kinderarmut haben, wenn sie es seit vielen, vielen Monaten nicht schafft, diesen Aktionsplan einmal aus­zudiskutieren, sich darauf zu einigen und uns diesen auch vorzulegen? Woran


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liegt das? Das versteht wirklich niemand mehr. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Shetty.)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, damit das Geldbörserl der Eltern in Zukunft nicht mehr über das Leben der Kinder entscheidet, braucht es auch einen ambitionierten Ausbau der flächendeckenden Kinderbetreuung. Da kommen wir in Österreich viel zu schleppend voran. Eine qualitätsvolle Kinderbildung ab dem ersten Lebensjahr wäre eine wichtige Grundlage für alle Kinder. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir hätten jetzt die Gelegenheit dazu – Herr Minister, Sie haben es im vorher­gehenden Tagesordnungspunkt angesprochen –, die Finanzausgleichs­verhandlungen laufen zurzeit zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. Da wäre ein großer Wurf notwendig, die Länder und Gemeinden mit den entspre­chenden Finanzmitteln auszustatten, um die Kinderbildung wirklich einmal einen großen Schritt voranzubringen. Die Länder und Gemeinden brauchen die finanzielle Hilfe, sie können das nicht alleine stemmen.

Sehr geehrte Damen und Herren, Sie können dieses Ansinnen auch unterstüt­zen, es gibt eine Petition auf der Parlamentshomepage, die Sie gerne unterstützen können. Das ist wichtig. Warum ist das wichtig? – Österreichs Kinder dürfen beim Finanzausgleich diesmal nicht wieder leer ausgehen, die Kinder verdienen sich einfach mehr, und zwar viel mehr, als diese Regierung im Moment bereit ist, zu tun. (Beifall bei der SPÖ.)

10.59


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Klubobfrau Maurer. – Bitte sehr.


10.59.14

Abgeordnete Sigrid Maurer, BA (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Frau Ministerin! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Lie­be Zuseherinnen und Zuseher hier auf der Galerie, zu Hause vor den Bildschir­men oder unterwegs! Es gibt Grundsätze, die in einer Gesellschaft außer


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Frage stehen sollten und um solch einen Grundsatz geht es in diesem Kinderar­mutspaket, das wir heute hier beschließen.

Kein Kind soll in Armut aufwachsen. In einem reichen Land wie Österreich muss es lauten: Kein Kind darf in Armut aufwachsen! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Armut hinterlässt tiefe Spuren, materielle, aber auch psychische Spuren, seelische Spuren. Unser gemeinsames Ziel muss es sein, dass kein Kind in diesem Land Angst haben muss, dass es sein Zuhause verliert. Es muss unser ge­meinsames Ziel sein, dass jedes Kind eine gesunde, warme Mahlzeit am Tag auf dem Teller hat  jeden Tag, auch am Monatsende. Jedes Kind hat das Recht, mit denselben Chancen wie alle ins Leben zu starten, auch mit den glei­chen Bildungschancen, auch wenn sich die Eltern selber keine Nachhilfe­stunden leisten können.

All diese Themen packen wir mit diesem Paket gegen Kinderarmut heute mit sehr, sehr treffsicheren Maßnahmen, die von den Expertinnen und Exper­ten einhellig begrüßt und unterstützt wurden, an. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.) Es sind genau die Forderungen der Ökonominnen und Ökonomen, es sind auch die Forderungen der NGOs, die dieses Kinderar­mutspaket sehr stark begrüßt haben, die umgesetzt werden. (Beifall bei Abgeordneten der Grünen.)

Die Bundesregierung setzt damit auf Punkt und Beistrich um, was wir im Mai angekündigt haben, nämlich 60 Euro zusätzlich pro Monat für jedes Kind, dessen Eltern Sozialhilfe, Arbeitslosengeld, Notstandshilfe oder eine Ausgleichs­zulage beziehen. Genauso 60 Euro zusätzlich pro Monat und Kind bekom­men alle alleinerziehenden Eltern, das sind in allererster Linie Frauen mit einem Monatseinkommen bis 2 000 Euro. (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)

Wir unterstützen damit 400 000 Kinder und ihre Familien Monat für Monat fix bis Ende 2024, und da muss ich sagen  Kollegin Holzleitner ist jetzt nicht


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im Saal , das ist eine langfristige Absicherung. Das sind eineinhalb Jahre (Abg. Herr: Und dann endet es, also nicht langfristig!), in denen sich die Familien garantiert darauf verlassen können, dass dieses Geld Monat für Monat direkt auf ihr Konto kommt. (Beifall bei den Grünen. Zwischenruf der Abg. Herr.)

Mir ist es deshalb wichtig, weil wichtig ist, dass alle betroffenen Menschen wissen, dass die versprochene Unterstützung kommt. Sie kommt direkt auf das Konto, sie muss nicht extra beantragt werden. Deswegen ist das auch keine Maßnahme, wie behauptet wird, bei der Menschen zu Bittsteller:innen gemacht werden, im Gegenteil: Das Geld kommt direkt aufs Konto, es wird direkt ausgezahlt, niemand muss einen Antrag stellen. (Beifall bei Abgeordneten von Grünen und ÖVP.)

Gerade in unsicheren Zeiten braucht es eine Sozialpolitik, die akut hilft und eine langfristige Perspektive schafft, und die schaffen wir bis Ende 2024. Womit niemandem geholfen ist – und das richtet sich jetzt an die Sozialdemokratie –, ist der Kampf Partei gegen Partei und das sture Beharren auf eigenen Vorschlä­gen. Wir Grüne lehnen überhaupt nie Vorschläge der Opposition aus Prinzip ab, wir schauen sie uns auch ganz genau an. (Abg. Shetty: Ja, genau!) Das haben wir auch bei den Punkten gemacht, die die Sozialdemokratie vorgeschlagen hat.

Es wird jetzt die ganze Zeit gesagt, 60 Euro wären zu wenig. Ich rechne vor, was das Momentum-Institut, das ja eine gewisse Nähe zur Sozialdemokratie hat, dazu sagt. (Zwischenruf des Abg. Loacker.)

Der Senkung der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel  die ja angeblich die Lösung ist, die die Sozialdemokratie haben möchte (Abg. Loacker: Hat das die Germanistin ausgerechnet?) stehen wir grundsätzlich aus anderen Über­legungen, was die Inflationsdämpfung et cetera betrifft, auch positiv gegen­über, wenn denn gesichert ist, dass es weitergegeben wird und nicht schon wieder die Konzerne die ganze Kohle einstreifen. (Abg. Herr: Preiskommis­sion!) Diese Garantie muss man aber absichern, und das ist nicht so einfach.


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Kommen wir aber zu den Zahlen: Was würde denn die Maßnahme, die die Sozialdemokratie vorschlägt, tatsächlich bringen? Das Momentum-Institut hat berechnet, ein Mieter:innenhaushalt in der unteren Einkommenshälfte hätte mit der Mehrwertsteuersenkung im Schnitt auf das Jahr gerechnet 130 Euro pro Kopf pro Jahr, für Kosten von mindestens 600 Millionen Euro. (Abg. Leicht­fried: Das mit Durchschnitt ist halt ein Problem!) Das sind sehr hohe Kos­ten für sehr wenig Wirkung. Unser Paket gegen Kinderarmut hat bei zwei Kin­dern diesen Betrag pro Monat pro Monat, nicht pro Jahr! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP) –, das sind 1 400 Euro pro Jahr.

Das gesamte Paket kostet rund 500 Millionen Euro, mindestens 100 Millionen Euro weniger als die Mehrwertsteuerstreichung, die vorgeschla­gen wird. Darüber hinaus unterstützen wir ja nicht nur die armutsbetrof­fenen Kinder, sondern auch alle Sozialhilfebezieher:innen ohne Kinder mit zu­sätzlichen 60 Euro pro Monat. Auch das ist in diesem Paket drinnen. (Beifall bei Abgeordneten der Grünen sowie der Abg. Großbauer.)

Die Maßnahme, die die SPÖ vorschlägt, würde also den Familien in Summe wesentlich weniger bringen  abgesehen davon, dass wir nicht einmal garantieren können, dass es ankommt  als diese 60 Euro pro Kind pro Monat, die wir hier beschließen. (Abg. Herr: Kindergrundsicherung bringt deutlich mehr! – Zwischenruf des Abg. Matznetter.) Ich finde es sehr, sehr schade, dass die SPÖ wieder angekündigt hat, heute gegen dieses Kinderarmutspaket zu stimmen. Das unterstreicht halt wieder einmal, dass man aus Prinzip irgendwo dagegen ist. Das eigentliche Interesse ist politisches Hickhack, aber nicht, die Menschen in Österreich zu unterstützen. (Beifall bei den Grünen.)

Das ist aber noch gar nicht alles, was in diesem Paket drinnen ist. Wir bauen auch das kostenlose Nachhilfeangebot aus  ein ganz wichtiger Punkt. Ganz grundsätzlich sind wir der Meinung, es sollte überhaupt niemand Nachhilfe brauchen müssen, weil die Schule so gut ist, dass sie alle Kinder gut mit­nimmt. Es ist aber die Realität, dass Nachhilfestunden gebraucht werden. Wir bauen das kostenlose Angebot aus und sorgen dafür, dass Familien, die


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diese besondere Unterstützung brauchen, 300 Euro – anstelle der bisherigen 120 Euro im Jahr für den Schulstart erhalten. Das wird in zwei ver­schiedenen Tranchen ausgezahlt und ist auch ein ganz wichtiger Schritt in der Bekämpfung von Kinderarmut. (Beifall bei Abgeordneten der Grünen sowie der Abg. Großbauer.)

Wir können garantieren, dass dieses Geld ankommt. Das Geld kommt direkt auf die Konten der Menschen, was bei einer Umsatzsteuersenkung, die natür­lich diskutiert werden kann, nicht garantiert werden kann. Da ist eben nicht si­chergestellt, dass die Unternehmen, dass die Lebensmittelkonzerne also mein Vertrauen haben sie nicht  die Preissenkungen überhaupt weiter­geben, und das würde potenziell viele Milliarden kosten.

Ja, wir Grüne nehmen unsere Verantwortung im Kampf gegen die Teuerung und gegen die Kinderarmut mit einem sehr, sehr umfangreichen Paket, das wie gesagt von allen Expert:innen als sehr, sehr treffsicher, richtig und sehr wichtig eingestuft wurde, sehr ernst. Auch der Budgetdienst hat eine entspre­chende Analyse veröffentlicht. Ich bitte die SPÖ, noch einmal darüber nachzu­denken, ob sie wirklich dagegenstimmen will, dass Kinder, die armutsbe­troffen sind, 60 Euro pro Monat zusätzlich erhalten sollen.

Wir in dieser Bundesregierung und auch in diesem Parlament arbeiten ge­meinsam an der bestmöglichen Unterstützung für armutsbetroffene Menschen. Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

11.07


Präsidentin Doris Bures: Frau Bundesministerin Susanne Raab hat sich zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Ministerin.


11.07.06

Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Susanne Raab: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Eingangs darf ich sagen, Bürgermeister, Abgeordneter Mike Hammer hat mir gezwitschert,


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dass eine größere Gruppe aus Altenberg heute hier ist, die ich – als Oberösterreicherin und jemand, der dem Ort auch familiär sehr verbunden ist – gerne begrüßen möchte. (Beifall bei der ÖVP, bei Abgeordneten der Grünen sowie der Abg. Künsberg Sarre.)

Was mir in der heutigen Debatte, wenn wir über die finanzielle Unterstützung von Familien mit Kindern sprechen, wichtig ist, ist einmal die Gesamtbe­trachtung. Wir wissen, wir sind in Österreich in einem Land, in dem wir grund­sätzlich ein gutes soziales Netz haben, ein soziales Netz, das sicherstellt, dass Familien in schwierigen Situationen durch Arbeitslosengeld, durch Not­standshilfe, durch Sozialleistungen, durch ein breites Netz an Familien­leistungen  übrigens sind es die dritthöchsten Familienleistungen innerhalb der Europäischen Union, die wir in Österreich ausschütten geholfen wird. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

Wir haben sichergestellt, dass wir strukturelle Maßnahmen treffen, damit dieses soziale Sicherheitsnetz natürlich auch an die aktuelle Inflation angepasst wird, indem wir die Familienleistungen valorisiert haben, indem wir die Sozialleis­tungen valorisiert haben. Das alles hat zu einer Gesamtsituation geführt, die wir in der Debatte auch einmal ansprechen sollten, nämlich: Die Inflation sinkt derzeit.

Die Kaufkraft der Österreicherinnen und Österreicher wurde nicht nur erhalten, sondern sie ist gestiegen. Sicherlich auch ein Grund dafür war, dass wir in Österreich sehr hohe Lohnabschlüsse haben. Das heißt, ja, das Leben ist teurer geworden, aber auch die Löhne und auch die Sozialleistungen, die Familien­leistungen sind gestiegen.

Das sind grundsätzlich gute Voraussetzungen, die man auch anerkennen soll, insbesondere sozusagen als Outcome, als derzeitige Situation nach Jah­ren der Krisen, die wir hinter uns haben, Krisen, die wir vorher nicht gekannt haben: die Coronapandemie und jetzt auch die Inflation, den Krieg in Europa, die hohen Energiepreise. Das alles ist eine Gesamtbetrachtung, die mir


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schon wichtig ist, immer wieder zu betonen, weil es nun einmal die Fakten
sind.

Gleichzeitig ist es – das sehe ich als Familienministerin und als Frauenministerin  natürlich für viele Familien und besonders auch für Alleinerzieher:innen am untersten Einkommensrand schwierig, in Zeiten von hohen Preisen, steigenden Energiepreisen, einer tatsächlich hohen Inflation die finanziellen Kapazitä­ten aufzubringen, um das gesamte Alltagsleben abzudecken.

Natürlich: Wir haben, wie bereits erwähnt, die Sozialleistungen, die Familien­leistungen, die hierbei helfen. Wir wollen aber jetzt treffsicher – nicht mit der Gießkanne, sondern treffsicher! – genau dort helfen, wo es womöglich zu schwierigen Einkommenssituationen kommen kann, und wir wollen bei den Schwächsten in unserer Gesellschaft ansetzen, die es am meisten ver­dient haben, dass wir ihnen helfen, nämlich bei den Kindern. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Wir wollen das natürlich so einfach und so unbürokratisch wie möglich tun und wir wollen das auch so rasch wie möglich tun. Weil auch die Kritik laut geworden ist, dass es kein Begutachtungsverfahren gab und womöglich nicht sozusagen parlamentarische Prozesse at its best eingehalten wurden (Abg. Loacker: Das nennt man im Parlament ...! – Abg. Shetty: ... alles so mühsam, das Parlament! – Abg. Loacker: Die ÖVP hat jetzt ...!): Ja, wir wollen es so schnell wie möglich und wie gesagt so unbürokratisch wie möglich tun, und deshalb haben wir einen Weg gefunden, um eine Zielgruppe an Menschen, die unsere Hilfe und Unterstützung braucht, genau zu identifizieren, und deshalb gibt es klare Kriterien für den Bezug dieser zusätzlichen 60 Euro pro Kind, nämlich den Bezug von Arbeitslosengeld, Notstandshilfe, Sozialhilfe oder einer Ausgleichszulage.

Wir wollen wie gesagt, und das ist mir als Frauenministerin so wichtig, besonders Alleinerzieher:innen helfen, weil es einfach einen Unterschied macht, ob man alleine für das Leben und den Alltag des Kindes aufkommen muss oder ob


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man zu zweit ist. Deshalb unterstützen wir Alleinerzieher:innen und Allein­verdiener:innen mit monatlich 60 Euro pro Kind, sofern das Einkommen weniger als 2 000 Euro brutto beträgt. Das ist eine bewusste Entscheidung zugunsten der Alleinerzieherinnen und Alleinerzieher. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Unser Anspruch ist es, dass jedes Kind in Österreich die gleichen Chancen haben muss. Jedes Kind in Österreich muss die Möglichkeit haben, seine Träume zu verwirklichen, muss auch die Möglichkeit haben, im Bildungssystem gleicher­maßen zu reüssieren, und deshalb setzen wir auch im Bildungsbereich an, wie Klubobfrau Maurer schon gesagt hat, wenn es um die Stärkung der Nach­hilfe geht oder natürlich auch wenn es um das Schulstartpaket geht, das für so viele Familien wichtig ist, die eben genau an diesem unteren Einkommensrand sind (Ruf bei der SPÖ: Die Gesamtschule!), und deshalb erhöhen wir das jetzt.

Sehr geehrte Damen und Herren, Kinder sind der schützenswerteste Teil in un­serer Gesellschaft, und deshalb wollen wir alles tun, um einfach auch in einer schwierigen Situation, in Krisenzeiten ein sorgenfreies Aufwachsen zu er­möglichen.

Klar ist aber natürlich: Die Basis für ein selbstbestimmtes Leben ist die ökonomische Unabhängigkeit. Deshalb muss es langfristig immer das Ziel sein, dass man Menschen, um ihnen aus der Armut zu helfen, in die Erwerbs­tätigkeit hilft. Die beste Prävention, der beste Schutz vor Armut ist die Erwerbs­tätigkeit. Das muss unser langfristiges Ziel sein und ist es auch. (Beifall bei der ÖVP.)

Gerade in Zeiten von hohem Arbeitskräftemangel – alle Betriebe suchen hän­deringend nach Arbeitskräften – gibt es auch viele Chancen am Arbeitsmarkt, die es zu nutzen gilt. Natürlich ist es wichtig, dass wir auch die Rahmenbedingun­gen schaffen. Deshalb war die steuerliche Entlastung des Faktors Arbeit


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durch die Abschaffung der kalten Progression so wichtig, der Fokus auf die Ar­beitsmarktmaßnahmen durch das AMS und selbstverständlich auch der Aus­bau der Kinderbetreuungsmöglichkeiten.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich bin davon überzeugt, dass wir mit dem jetzigen Paket wirklich einen guten Zugang gewählt haben, um speziell im untersten Bereich der Einkommen und speziell in Familien, die sich in einer finanziellen Notsituation befinden, ganz treffsicher, zielgenau, unbüro­kratisch und einfach zu helfen. Deshalb bitte ich um breite Zustimmung. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

11.14


Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Herr Abgeordneter Yannick Shetty zu Wort. – Bitte.


11.14.05

Abgeordneter Mag. Yannick Shetty (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Herr Minister! Bevor ich erkläre, was es damit auf sich hat, noch eine Bemerkung zu dem, was Sie gesagt haben, Frau Ministerin, weil ich wirklich finde, dass es eine ungeheuerliche Einstellung gegenüber dem Parlament ist, wenn Sie sagen, Sie können die Kritik nicht nachvollziehen, dass das Parla­ment nicht ausreichend eingebunden war. Ich meine, das ist ja die Unter­treibung des Jahrhunderts! Ich möchte schon klarstellen: Wir hier, die 183 Abge­ordneten von allen Parteien, sind gewählt. Sie und Ihre Kolleg:innen in der Regierung sind bestellt, und Sie haben das Parlament entsprechend zu respek­tieren. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Aber auch Fraktionsstärke ...!)

Ich komme jetzt zur Sache mit dem Paket gegen Kinderarmut. (Der Redner stellt eine Flasche Cola und einen Schokoriegel auf das Redner:innenpult. – Abg. Michael Hammer: Das ist aber ungesund!) Was ich Ihnen hier mitgebracht habe – ein Softdrink, ein Schokoriegel –, ist das Mittagessen für sehr viele Kin­der, für Zehntausende Kinder, und das ist ein Symptom von Kinderarmut. Das ist


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Realität für Zehntausende, österreichweit für Hunderttausende Kinder, und das ist tragisch, denn mit einem leeren Magen lernt es sich nicht gut und ein leerer Magen ist ein Grund für sehr viele andere Probleme in diesem Bereich.

Statt sich mit Sachleistungen diesem Problem zu widmen, zum Beispiel mit einem warmen Mittagessen für alle Kinder in Österreich, greifen Sie wieder ein­mal zu Geldleistungen – Geldleistungen, die erstens nicht treffsicher sind, ich sage dann auch gleich, warum, zweitens nicht zielgerichtet und drittens nicht genug. Sie sind ein Tropfen auf den heißen Stein. 60 Euro pro Monat, das sind 2 Euro pro Tag (Bundesministerin Raab: ... zusätzlich!), und wenn General­sekretär Stocker in der Sendung „Im Zentrum“ im Fernsehen sinngemäß sagt, damit kann man sich ja eh fast ein warmes Mittagessen leisten (Abg. Groß­bauer: Das stimmt doch nicht!): Also wenn Sie das so meinen, wenn Sie so etwas sagen, dann verstehe ich Ihre Politik. Das ist so weit weg von der Realität, damit geht sich wahrscheinlich nicht einmal so etwas aus. – Ein warmes, ge­sundes Mittagessen geht sich damit bei Weitem nicht aus, Herr Stocker! (Beifall bei den NEOS.)

Ja, wieder einmal, Frau Ministerin: Wenn Sie sagen, Sie packen nicht die Gieß­kanne aus: Es ist vielleicht eine kleinere Gießkanne, Sie bewässern nicht den ganzen Garten, sondern nur alle Rosen, wenn man so will, aber Sie packen die Gießkanne aus. Um ein Beispiel zu bringen: Wenn der Lebensgefährte einer Ministerin, wenn der Ehemann eines Abgeordneten arbeitslos wird, dann bekommt er auch diese 60 Euro – bei einem Haushaltseinkommen von 10 000 Euro und darüber! Das ist nicht treffsicher, das ist wieder einmal die Gießkanne, die Sie da auspacken. (Beifall bei den NEOS.)

Eine Alleinerzieherin, die hackelt und hackelt und hackelt, speisen Sie aber mit dem gleichen Betrag ab, den man in einem Haushalt, in dem eine arbeits­lose Person lebt, bekommen würde. Das ist schlechte Politik, und Sie wissen das. Deswegen stimmen wir diesem Paket hier heute auch nicht zu.


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Um aber den Bogen zu dem Thema zu spannen, mit dem ich die Rede begonnen habe: In Wien machen wir genau das. In Wien schaffen wir ab Herbst ein kostenloses gesundes, warmes Mittagessen für 50 000 Kinder in Wiener Pflicht­schulen. Da machen wir das! 2 000 Euro Entlastung bedeutet das übrigens für die betroffenen Familien.

Sie könnten auch hergehen und sagen: Eine gute Maßnahme, die setzen wir in ganz Österreich um! – Das würde wirklich Wirkung zeigen. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Steinacker: ... Zuständigkeiten! ... Verfassung! – Abg. Maurer – auf die Flasche Cola und den Schokoriegel deutend –: Das soll ein gesundes, warmes Mittagessen sein?)

11.17


Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Herr Bundesminister Johannes Rauch zu Wort. – Bitte.


11.17.18

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Sehr geehrte Frau Präsidentin – vielen Dank fürs Wort! Geschätzte Damen und Herren Abgeordnete! Vielleicht zur Einordnung, weil ja oft kritisiert wird, dass das alles nur Einzelbausteine und –maßnah­men sind, die nicht ankommen: Was hat denn die Bundesregierung schon in Sa­chen Maßnahmen für Armutsgefährdete gemacht?

Ich darf daran erinnern, dass bereits im März, April 2022 für die Bezieherinnen und Bezieher einer Ausgleichszulage, Mindestpension, von Krankengeld, Rehageld, einer Sozialhilfe 300 Euro Teuerungsausgleich ausbezahlt wurden, 300 Euro Teuerungsausgleich dann im September 2022, bis zu 500 Euro für die Pensionistinnen und Pensionisten, 120 Euro Schulstartklar-Paket im Sep­tember 2022, dann kam – ein großer Schritt – die Valorisierung, das heißt die Anpassung an die Teuerung, aller Sozial- und Familienleistungen mit 1. Jän-


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ner dieses Jahres. Das bedeutet im Konkreten, dass Sozialhilfebezie­her:innen inklusive der Einmalzahlung ab 1. Jänner 10,2 Prozent mehr bekom­men – eine strukturelle Maßnahme, die bleibt.

Jetzt kommen zusätzlich die 60 Euro pro Kind im Monat und das Schulstartklar-Paket – neu: zweimal –, und zwar 150 Euro, einmal zu Schulbeginn im Herbst  und einmal dann beim Semesterwechsel. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Jetzt weiß ich schon, dass in der Vergangenheit von verschiedener Seite oft der Vorwurf gekommen ist, wir seien bei den Maßnahmen, die wir setzen, nicht treffsicher genug, das sei alles Gießkanne, das gehe sich so nicht aus. – Das trifft bei dem Paket, das jetzt vorgelegt wird, in keiner Weise zu. Die Forde­rung hat immer gelautet, es muss schnell sein, es muss treffsicher sein, es muss unbürokratisch sein, damit Menschen nicht zu Bittstellerinnen und Bitt­stellern degradiert werden, und es darf nicht inflationstreibend sein. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Dieses heute vorliegende Paket erfüllt all diese Kriterien, und das ist auch der Grund dafür, dass es auch vonseiten der Wirtschaftsforschung und von­seiten der NGOs begrüßt wird.

Ich verstehe die Kritik daran nicht, weil wir alles, was möglicherweise in der Vergangenheit als Kritik berechtigt war – zu viel Gießkanne –, wahrgenommen und korrigiert haben. Wir haben punktgenau das gemacht, was die Forde­rungen sind, und unbürokratischer als die von Klubvorsitzender Mau­rer beschriebene Auszahlung – monatlich, automatisch – geht gar nicht. Nie­mand ist Bittsteller, es gibt einen Automatismus, und das ist treffsicher.

Davon profitieren ganz konkret 400 000 Kinder in Österreich – das ist eine gan­ze Menge –, und davon profitieren vor allem auch Alleinerzieherinnen und Alleinerzieher. Das ist eine Gruppe von Menschen, die von der Teuerung ganz besonders betroffen ist.


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Sie können mir glauben, ich bin draußen viel unterwegs. Ich weiß, wie es ist, von Armut betroffen zu sein. Hinter jeder Statistik, die zitiert wird, stehen Ein­zelpersonen, Einzelschicksale, Kinder, Familien, Pensionistinnen und Pensionis­ten. Das ist exakt der Grund, warum ich als Sozialminister so sehr darum ringe, dass wir in der Armutsbekämpfung Akzente setzen, dass wir dort helfen, wo Hilfe gebraucht wird, dass jetzt, in diesem Fall, Hilfe für die armutsge­fährdeten Kinder in Österreich auf den Weg gebracht wird. Wir machen damit einen wirklichen Schritt in der Armutsbekämpfung. Das wird auch weit über die Parteigrenzen hinaus anerkannt. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

11.20


Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Herr Abgeordneter Nikolaus Prinz zu Wort. – Bitte.


11.21.01

Abgeordneter Nikolaus Prinz (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ganz zu Beginn darf ich im Namen meiner Kollegin Angela Baumgartner eine Klasse des Gymnasiums Gänserndorf, die 7a, begrüßen: Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

Bei diesem Tagesordnungspunkt geht es schlicht und einfach um Ausgleichs­maßnahmen, die inflationsbedingt notwendig sind, damit man die hohen Lebenshaltungs- und Wohnkosten für Familien abfedert. Man kann durchaus sagen, dass das auf drei Säulen steht. Die eine Säule ist der Bildungsbereich, Bundesminister Rauch hat das gerade ausgeführt. Das eine sind in etwa 10 Millionen Euro, das andere sind 15 Millionen Euro – beides wird automatisch ausbezahlt. Das ist eine wichtige Säule für jene Familien, die ein niedriges Einkommen haben – und ich sage jetzt bewusst ein niedri­ges Einkommen ohne Erwerb –, dass es 60 Euro für die nächsten 18 Monate je Kind und Monat gibt. – Das ist die eine wichtige Säule.


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Auch bei der zweiten wichtigen Säule wird direkt auf die Kinder abgestellt: Für all jene Familien, die unter 2 000 Euro brutto pro Monat zur Verfügung haben, zum Beispiel Alleinerzieher:innen, gibt es in den nächsten 18 Monaten 60 Euro je Kind und Monat.

Wenn man das zusammenrechnet, ergibt das eine schöne Summe: 1 080 Euro mal 400 000 Kinder ergibt in etwa, wenn ich es richtig gerechnet habe – es ist ja nicht ein Parteitag auszuzählen –, 432 Millionen Euro. Dazu kommen noch die anderen Maßnahmen. Das ergibt also eine gewaltige Summe.

Ich sage bewusst, es ist gut, dass man keinen Antrag stellen muss, dass das automatisch überwiesen wird. Warum sage ich das? – Das Paket, das wir jetzt beschließen, hat grob gesagt einen Wert von 450 Millionen Euro. Der Wohn- und Energiekostenbonus, der derzeit und noch bis Ende Juni bean­tragt werden kann, den wir im Parlament beschlossen haben, hat ein Volumen von 450 Millionen Euro. Der Bund hat das den Ländern übermittelt, es wird über die Länder gemeinsam mit den Gemeinden, wo die Familien Anträge stellen können, abgewickelt.

Wir sehen beispielsweise in Oberösterreich, dass viele Familien, die die Voraus­setzungen dafür erfüllen würden, nach wie vor keinen Antrag gestellt haben. Wenn so etwas antraglos abgewickelt werden kann, ist das, glaube ich, sehr positiv und wertvoll. So kommt das Geld auch tatsächlich zu den Familien. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Neßler.)

Anders gesagt: Ich will die Maßnahmen nicht wiederholen, die der Herr Bundes­minister gerade vorhin erwähnt hat, aber unterm Strich kann man sagen: Bund, Länder und Gemeinden leisten für die Familien und Kinder in Österreich in Wirklichkeit Gewaltiges – und wesentlich mehr, verglichen mit anderen Ländern in Europa.

Wenn ich jetzt den einen oder anderen Redebeitrag, der heute zu hören war, Revue passieren lasse, dann, glaube ich, darf ich sagen: Zumindest für


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mich persönlich gibt es schon noch so etwas wie eine Eigenverantwortung der Eltern. Man kann, bitte gar schön, nicht alles auf die Gesellschaft abschie­ben. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.) Das gilt für die Erziehung daheim, aber genauso gut für die gesunde Schuljause. Entscheidend ist immer noch, glaube ich, ob die Erziehungsberechtigten den Kindern nur Geld mitgeben und sagen: Geh ins Geschäft!, oder ob sie ihnen eine gesunde Jause mitgeben.

Nehmt es mir nicht übel, wenn ich direkt sage: Die Leute in unserer Republik, die wirklich wenig haben, melden sich nicht. Die, die wir hören, haben manchmal ein Problem mit der Einteilung. (Abg. Herr: Was?) Es entscheiden noch immer die Erziehungsberechtigten, wofür sie das Geld ausgeben. Wir können diese 60 Euro oder 1 080 Euro nur überweisen. Eigentlich wäre es für manche besser, wenn das ein Gutschein wäre (Abg. Herr: Das ist ein Wahnsinn!), der im Ge­wandgeschäft, im Schuhgeschäft einzulösen wäre. Das ist leider wirklich so. (Abg. Herr: Das ist Verachtung der armutsbetroffenen Menschen!)

Bitte schaut einmal, gerade ihr Genossen, auf die Basis! Was ihr in dem Antrag der Kollegin Holzleitner fordert, ist so etwas wie eine eierlegende Woll­milchsau: 70 Prozent Nettoersatzrate beim Arbeitslosengeld. Redet einmal mit euren Leuten an der Basis, was die denken, was es in Wirklichkeit braucht! Ihr seid davon so weit weg. Wer soll denn dann noch arbeiten, wenn wir diese 70 Prozent beschließen? (Abg. Loacker: ... 70 Prozent ...!) Da geht ja keiner mehr arbeiten. Das hat ja keinen Sinn. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Neßler.)

Also, bitte gar schön, da muss man nachdenken und etwas verändern. (Abg. Leichtfried: Ich glaube, du bist einfach in deiner eigenen Welt!) Ich glaube, wir sollten insgesamt vielleicht mehr auf die, wie man so schön sagt, kleinen Leute hören. Die haben ein ganz gutes Sensorium. Viele von Ihnen sind davon relativ weit weg. Bitte passt da auf! (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Das, was wir heute beschließen, ist gut für die Familien und die Kinder. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

11.25



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Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Herr Abgeordneter Christian Oxonitsch zu Wort. – Bitte. (Abg. Leichtfried: Jetzt sag ihm, was wirklich ist! – Abg. Koll­ross: Klär das auf, Christian! – Abg. Leichtfried: Das war heute die schlechteste Rede!)


11.25.29

Abgeordneter Christian Oxonitsch (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Wir haben jetzt einmal mehr, wie es nicht anders zu erwarten war, eine Vielzahl von Maßnahmen aufgezählt bekommen, die diese Bundesregierung umgesetzt hat. Eigentlich gibt es ja keinen besseren Beleg dafür, dass es schlicht und ergreifend die falschen Maßnahmen waren, denn wir wissen alle aus den Zahlen, Kinderarmut steigt, Armut steigt in diesem Land. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Loacker: Sie hat sich halbiert, die Kinderarmut, halbiert!)

In diese verfehlten Maßnahmen reiht sich natürlich auch das heutige Paket ein. Worüber reden wir konkret? – Über 60 Euro pro Monat für eineinhalb Jahre. Was wird in diesen eineinhalb Jahren passieren? – Es ist das Momentum-Institut schon von Kollegin Maurer zitiert worden. (Abg. Michael Hammer: Das sozialistische Momentum-Institut! – Abg. Leichtfried: Was weiß ein Hammer von Sozialismus? – Gar nichts! Die Frage ist: Was weiß der überhaupt? – Abg. Michael Hammer: Das ist eure Partei-„Prawda“!) Eine Quelle also, der eine hohe Glaubwürdigkeit zugemessen wird, sagt, allein 2023 werden die Mieten um 40 Euro steigen, 2024 noch einmal um 60 Euro: Die Mieten werden also um 100 Euro pro Monat steigen. (Abg. Sieber: Im Gemeindebau! ... im Wiener Gemeindebau! Dann wird es schwierig! Dann wird es wirklich schwierig, wenn das im Wiener Gemeindebau ...!) Warum? – Weil diese Bundesregierung sich ge­weigert hat, eine Mietzinsbremse einzuführen, meine Damen und Herren, die in dieser Situation Familien tatsächlich geholfen hätte. (Beifall bei der SPÖ.)

Allein in den Jahren 2023 und 2024 sind diese 60 Euro aufgefressen. Ich rede da noch nicht von Lebensmittelkosten, von Energiekosten. Diese 60 Euro füh-


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ren letztendlich dazu, dass Ende 2024 – und da ist es ja aus – die Familien weite­re 40 Euro weniger zur Verfügung haben werden, weil man eben keine nach­haltigen Maßnahmen setzt.

Es wird immer wieder auf Experten verwiesen. Es ist ja wirklich spannend, wie gut man es schafft, von den Expertinnen und Experten immer nur den ersten Satz zu zitieren. Natürlich kann man sagen, zusätzliches Geld kurzfristig zur Verfügung zu stellen ist eine Maßnahme, die sinnvoll ist, gleichzeitig wurde aber auch immer gesagt, dass das nicht nachhaltig ist.

Am 1.1.2025 werden diese Familien wieder mit insgesamt 100 Euro weniger in der Geldtasche dastehen. Währenddessen sind die Lebensmittelpreise ge­stiegen, die Mieten gestiegen, die Energiekosten gestiegen, und niemandem ist geholfen. Nachhaltig ist das nicht, meine Damen und Herren.

Ich glaube, es ist ein ganz wesentlicher Bereich, um den es in dieser Diskussion geht. Es ist mehrmals gesagt worden: Na ja, die Senkung der Lebensmittel­preise hätte auf der einen Seite viel gekostet, aber wenig gebracht! Nur: Worum geht es? – Wir müssen die Inflation in diesem Land tatsächlich senken, und es ist noch keine einzige Maßnahme gesetzt worden, die das zustande bringt. Diese Maßnahme senkt die Inflation auch nicht. Sie hilft vielleicht kurz­fristig, wahrscheinlich drei, vier Monate lang, danach ist sie wieder aufge­fressen und die Familien stehen vor derselben Situation wie davor. Bekämpfen wir endlich die Kinderarmut wirkungsvoll, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Es wurde heute schon mehrmals darauf hingewiesen, welche Vorgeschichte dieses Gesetz hat. Dazu muss man sagen: Murks ist dafür eigentlich noch ein zurückhaltender Begriff. Zuerst haben wir einen Gesetzentwurf vor­gelegt bekommen, in dem nur eine Beziehergruppe drinstand, heute wer­den die restlichen Beziehergruppen dazugedoppelt. (Zwischenruf des Abg. Sieber.) Eine Gruppe ist aber überhaupt ausgespart worden, da hat man nichts ver­ändert. Groß angekündigt wurde, für Armutsgefährdete das Schulstart-Paket


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auszuweiten. Was ist die Realität? – Es bekommt nur eine Beziehergruppe dieses ausgeweitete Schulstart-Paket, und die Teile der Zielgruppe, die nicht unter die Sozialhilfeempfänger, die Alleinerzieher:innen mit geringen Einkom­men et cetera fallen, bekommen dieses Schulstart-Paket, das vollmundig ange­kündigt wurde, auch nicht.

Wenn man das gegenüberstellt, glaube ich, erkennt man die Perfidie die­ses Pakets ganz besonders: Was ist vor einem Jahr passiert? – Der Familienbonus wurde eingeführt. Bis zu 2 000 Euro gibt es zusätzlich für jene Familien, die gut verdienen, und für all jene, die armutsgefährdet sind, die wenig haben, meine sehr verehrten Damen und Herren, geht es heute um 60 Euro. Ich glaube, besser kann man Ungerechtigkeit und die Fehlerhaftig­keit eines Pakets eigentlich gar nicht darstellen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

11.29


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Barbara Neßler. – Bitte.


11.29.51

Abgeordnete Barbara Neßler (Grüne): Frau Präsidentin! Geschätzte Mitglie­der der Bundesregierung! Liebe Zuseher und Zuseherinnen! Geschätzte Kollegen und Kolleginnen! Eines muss ich von Beginn an klarstellen, weil ich gerade in sozialen Netzwerken immer wieder den pauschalen Vorwurf höre oder lese, dass Eltern ihr Geld halt besser verwenden müssen, damit ihre Kinder nicht in Armut aufwachsen müssen. Sie sind ja quasi selbst schuld, dass sie arm sind: Sol­che Vorwürfe sind letztklassig und realitätsferne Vorverurteilungen, die wir so nicht akzeptieren dürfen! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wir müssen verstehen: Eltern wollen das Beste für ihre Kinder, und niemand, wirklich niemand ist freiwillig arm. Armut ist auch kein individuelles Problem, es ist ein strukturelles Problem. Ist man erst einmal in der Armutsfalle, kommt


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man erst nach Generationen wieder aus der Armutsfalle heraus. Nein, Kollege von der SPÖ, Kinderarmut ist kein neues Phänomen! Es gibt sie auch nicht erst seit der Teuerung, sondern sie ist leider seit Jahrzehnten traurige Realität. Wir müssen so weit kommen, Kinderarmut nicht länger zu verwalten, wir müssen existenzsichernde Strukturen schaffen.

Ich denke dabei auch an die Kindergrundsicherung, die wir begrüßen, aber dafür brauchen wir Mehrheiten und Zeit – beides haben wir im Moment nicht. Wir brauchen gerade im Kontext der Teuerung Lösungen, die möglichst schnell und unkompliziert bei denjenigen ankommen, die sie jetzt am meisten brauchen. Daher haben wir vor nicht einmal einem Monat dieses Paket zur Be­kämpfung von Kinderarmut mit 500 Millionen Euro auf die Beine gestellt. Vor zwei Wochen wurde der erste Teil beschlossen und heute, wie versprochen, folgt der zweite Teil. Die Umsetzung geschieht also in Rekordzeit und auch vollständig – anders, als die SPÖ es immer wieder behauptet hat. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es handelt sich, wie ebenfalls von der SPÖ immer wieder behauptet wird, nicht um Einmalzahlungen, sondern um Geld, das Monat für Monat – 60 Euro pro Kind – ankommt. (Zwischenruf des Abg. Matznetter.) – Nein, auch nicht mit der Gießkanne, sondern zielgerichtet. (Beifall bei den Grünen und bei Abge­ordneten der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Herr.)

Unsere Klubobfrau hat ja schon vorgerechnet, dass Ihre Maßnahmen nicht treffsicher sind. Sie sind teurer und bringen den Familien im Endeffekt weniger. Nein, so machen wir das nicht! Wir helfen den Familien so gut wir können. Auch die Berechnungen des Budgetdiensts zeigen, wie enorm treffsicher dieses Paket ist, denn die 400 Millionen Euro gehen zu 30 Prozent an die Personen mit den niedrigsten Haushaltseinkommen. Das Geld kommt also ab Juli bis min­destens 2024 genau bei denjenigen an, die es davor schon nicht einfach hatten. Zusammen mit der Indexierung der Familienbeihilfe ergibt das sogar ein


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Plus von 90 Euro pro Kind und Monat, denn die Familienbeihilfe wird kom­mendes Jahr – so wie alle anderen Familien- und Sozialleistungen – valorisiert. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Sie wird kräftig steigen, weil die Teuerung nach wie vor hoch ist, und mit dieser automatischen Valorisierung, die jahrzehntelang gefordert und nie umge­setzt wurde, steigen die Leistungen künftig automatisch mit der Inflation mit. Das tun wir, weil uns die 352 000 Kinder, die von Armut betroffen sind, nicht egal sind. Das tun wir, weil der Kampf gegen Kinderarmut für uns nicht einfach nur aus Wahlversprechen und Parolen besteht. Das tun wir ganz einfach, weil jedes Kind die gleichen Chancen verdient hat. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Was mich schon ärgert, ist, dass die Opposition versucht, dieses Paket schlecht- und kleinzureden, während Sie parallel in den Bundesländern, in denen Sie zuständig sind, das Essensgeld erhöhen. Sie lehnen wichtige Anträge wie zum Beispiel jenen, dass es eine Jause für jedes Kind gibt – da rede ich noch nicht einmal vom Mittagessen, sondern nur von der Jause –, ab und ver­suchen, ein viel gelobtes, sehr treffsicheres und extrem wichtiges Paket – vor allem für diejenigen, die es davor schon nicht einfach hatten – schlechtzure­den. So ein Konzert an heuchlerischen Oppositionsparolen zu veranstalten muss man sich erst einmal trauen! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

11.34


Präsidentin Doris Bures: Im weiteren Verlauf der Diskussion ersuche ich um Mäßigung in der Ausdrucksweise.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Loacker. – Bitte.


11.34.28

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Für den Begriff Heuchelei hat man auch schon Ordnungsrufe kassiert. (Abg. Wurm: Das stimmt!)


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Kollegin Neßler, Sie sind gut durch diese Falle geschlüpft. (Abg. Einwallner: Du, wir sind für den gemäßigten Ton bekannt!)

Familienleistungen: Österreich gehört betreffend Geldleistungen an Familien zu den Spitzenreitern in Europa. In ganz, ganz wenigen Ländern bekommen Familien so viel an Geldleistungen wie bei uns. Wir haben einen sehr gut ausge­bauten Sozialstaat. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.) Jedes Jahr verteilen wir 140 Milliarden Euro um, mehr als 30 Prozent des Bruttoinlandspro­dukts (Abg. Hörl: Da hat er recht!): Wenn da am Schluss noch Armut übrigbleibt, dann bekommen es aber offensichtlich die Falschen. Wir verteilen extrem viel Geld um, und es liegt dann nicht an der Geldsumme, die wir um­verteilen, sondern an der Frage, wer was bekommt.

Die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler – Sie, liebe Zuschauerinnen und Zuschauer – zahlen noch einmal: Weil diese Regierung schlechte Arbeit macht, müssen Sie jetzt noch einmal 500 Millionen Euro nachwerfen. (Ruf bei der ÖVP: Geh bitte!) Sie zahlen doppelt! Wie im Gesundheitsbereich, wo Sie doppelt zahlen – Sie zahlen viele Versicherungsbeiträge, bekommen keine Leis­tungen und brauchen eine private Versicherung –, zahlen Sie da auch doppelt.

Kollege Prinz hat vorhin ausgeführt: Ja, jetzt bekommen Leute noch einmal Geld­leistungen! Eigentlich setzt die ÖVP eine SPÖ-Forderung um und die SPÖ stimmt dagegen. Das ist ganz lustig. Für Menschen, die arbeitslos sind, wird jetzt der Kinderzuschlag verdreifacht. Bisher haben sie 30 Euro im Monat – 29 Komma irgendwas – Kinderzuschlag bekommen, wenn sie arbeitslos waren, künftig bekommen sie einfach 60 dazu. Das wollte die SPÖ immer haben, Sie beschließen es und die SPÖ ist dagegen.

Wir haben heutzutage einen Arbeitskräftemangel und Sie geben den Menschen, die arbeitssuchend gemeldet sind, noch einmal mehr Kinderzuschläge netto. Da muss ein Arbeitsloser, damit sich Arbeit für ihn rentiert, ja noch mehr verdienen. Sie setzen einen negativen Arbeitsanreiz. Das ist genau das falsche Signal in dieser Zeit, daher ist das Gesetz schlecht konzipiert. Die Kinder


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brauchen Sachleistungen und nicht noch mehr Geld. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Wurm: ... für die Kinder!)

11.36


Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Frau Abgeordnete Maria Großbauer zu Wort. – Bitte.


11.36.58

Abgeordnete Maria Großbauer (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Herr Minister! Es ist wirklich unglaublich! Ich muss bei meiner Kollegin Neßler anschließen: Etwas Gutes so schlechtzureden ist wirklich ein spezielles Talent der SPÖ. Ich bin auch fast sprachlos. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeord­neten der Grünen.)

Nichtsdestotrotz möchte ich betonen, dass es einfach ein Grundwert und ein Grundsatz in diesem Land ist, dass Kinder nicht in Armut aufwachsen sollen. Wir haben eine Krise oder Krisenjahre hinter uns und sind aus vielen Gründen, die wir alle kennen, noch immer mittendrin in einer Krise. Da muss man halt schnell und unbürokratisch reagieren, da kann man nicht lange herumreden, da muss man einfach etwas tun, und diese Bundesregierung tut etwas. Genau heute tut sie etwas. Wir werden das hoffentlich auch noch mit Ihrer Zustimmung beschließen.

Jedes Kind einer Alleinerzieherin, eines Alleinerziehers, auch von Arbeitslosen, von Menschen, die es wirklich notwendig haben, bekommt 60 Euro pro Monat für die nächsten eineinhalb Jahre. Das sind keine Einmalzahlungen, das sind keine Almosen, das ist Geld, mit dem man sich jedes Monat einen passablen Einkauf zusätzlich leisten kann. Bei zwei Kindern macht das 120 Euro pro Monat aus. Damit kann man einkaufen gehen, daraus kann man etwas machen, damit kann man auch eine warme Mahlzeit kochen. (Zwi­schenruf des Abg. Oxonitsch.)


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Ich finde es wichtig, dass auch der Bildungsbereich unterstützt wird, dass Nachhilfe unterstützt wird, dass weiterlernen.at ausgebaut und weiter­hin unterstützt wird, denn auch das Thema Nachhilfe ist natürlich ein wichtiges Thema, das oft auch eine finanzielle Belastung darstellt. Familien ohne Einkommen und Familien mit geringem Einkommen werden also massiv unter­stützt.

Es wurde schon mehrfach gesagt: Das ist ein Teil der Unterstützung, die Familien erhalten. Die Valorisierung der Sozial- und Familienleistungen, also die automatische jährliche Anpassung an die Inflation, gibt es kaum woanders. Wir sind unter den top drei in der EU, das haben wir schon von der Ministerin gehört. Wir tun also sehr, sehr viel für Familien und vor allem für Kinder, weil sie unsere Zukunft sind. Sie sind uns sehr, sehr wichtig.

Ich möchte jetzt vielleicht auch noch kurz etwas im Detail vorrechnen, weil mich der Beitrag von Kollegen Shetty von den NEOS besonders geärgert hat. Auch er hat die warme Mahlzeit angesprochen und hat dieses komische Beispiel mit dem Snickers und dem Cola gebracht. Das war sensationell eigenartig! Ein Snickers kostet 1,29 Euro. 1 Kilo Gala-Äpfel aus Österreich kostet 2,49 Euro (Zwischenruf des Abg. Shetty), das sind, je nach Sorte, vier bis sechs Äpfel. Man kann sich also schon auch selbst überlegen, ob man ein Snickers oder einen Apfel kauft oder mitgibt.

Es ist natürlich auch eine Verantwortung der Schule, die Kinder zu lehren: Was ist eigentlich gesundes Essen? Das ist ein Teil. Ein Teil ist aber auch die Verantwortung der Eltern, den Kindern mitzugeben: Schau, ein Apfel ist nun einmal gesünder als ein Snickers! Es gibt schon auch Eigenverantwor­tung. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Künsberg Sarre: Er hat ja gesagt, das ist Eigenver­antwortung! – Abg. Shetty: ... Beispiel für gesundes Essen!)

Wir helfen den Eltern in dieser Eigenverantwortung, indem wir ihnen helfen, auch ein gesundes Essen zubereiten zu können. Also das möchte ich eben­falls noch festhalten. Vielleicht entscheidet sich die SPÖ auch noch dazu, den


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Kindern in diesem Land jetzt sofort und unbürokratisch zu helfen. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenrufe der Abgeordneten Loacker und Shetty. – Ruf bei der SPÖ: Jetzt geht’s dahin!)

11.40


Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Abgeordneter Markus Koza zu Wort. – Bitte.


11.40.40

Abgeordneter Mag. Markus Koza (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Ich habe bereits das letzte Mal gemeint, das wäre aus meiner Sicht eines der wichtigsten Pakete im Rahmen der Antiteuerung, die wir in diesem Haus beschließen.

Es ist mir eine sehr große Freude, dass wir heute wie angekündigt, wie verspro­chen und wie geplant den zweiten Teil dazu beschließen, damit ab Juli – ebenfalls wie angekündigt und wie geplant – die entsprechenden Hilfen und Unterstützungen für armutsgefährdete Kinder und armutsgefährdete Familien ausbezahlt werden können. Das ist heute ein tatsächlich sehr wichtiger und sehr guter Tag. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich zuallererst auf ein paar Einwände eingehen, die heute wieder geäußert worden sind – nämlich interessanterweise bei einem Paket wie diesem, das wahrscheinlich eines der sozial treffsichersten Pakete ist, das wir je beschlossen haben –, dass auch dabei die soziale Treffsicherheit nach wie vor nicht ausreicht.

Da werden dann Fälle beschrieben, bei denen man einen sehr gut verdienenden Vater beziehungsweise eine sehr gut verdienende Mutter hat und daneben einen Ehepartner beziehungsweise eine Ehepartnerin in Arbeitslosigkeit, und der oder die bekommt dann diese 60 Euro. Meine sehr geehrten Damen und Herren: Ja, das mag schon sein, dass es diese Einzelfälle gibt. Nur ist es Realität und Tatsache, dass Armutsgefährdung vor allem dort besonders hoch ist,


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wo die Menschen arbeitslos sind, wo die Menschen Notstandshilfe beziehen und wo die Menschen lange arbeitslos sind und Familien haben. Genau darum schnüren wir dieses Paket.

Wir schnüren dieses Paket für die vielen, die davon betroffen sind, und wenn es Einzelfälle gibt, die da auch durchrutschen, dann ist es halt so. Das aber ist letztlich Sozialstaatlichkeit, das ist Solidarität, und das ist gut so. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es ist leider auch gar nicht so einfach, Haushaltseinkommen zu bestimmen. Das wissen wir ja auch schon. Das diskutieren wir hier ja auch nicht zum ersten Mal. Es gibt zwei Haushaltsgrößen im Bereich der Sozialhilfen und der Sozialleis­tungen. Das ist einerseits die Ausgleichszulage und andererseits die Min­destsicherung. Da wissen wir tatsächlich, wie hoch das Haushaltseinkommen ist. Bei anderen ist die Berechnung schlichtweg schwierig. Da haben wir keine ausreichenden Daten.

Das ist das, was wir jetzt erstmals tun, meine sehr geehrten Damen und Herren. Es ist wirklich eine ganz besondere Leistung, die, glaube ich, wegweisend ist, dass wir erstmals versuchen, diese Daten von besonders armutsgefährdeten Gruppen, bei denen wir wissen, bei denen es die Wissenschaft weiß und bei denen wir aus Beratungen von den NGOs und von den Sozialvereinen wis­sen, dass die Armutsgefährdung dort besonders groß ist, zusammenzu­führen und abzugleichen, damit wir gezielte automatische Leistungen auszahlen können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist nicht so einfach. Darum hat es auch seine Zeit gebraucht, aber das funktioniert jetzt hoffentlich. Das wird jetzt erstmals auch auf diese Art und Weise durchgeführt. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Loacker.)


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Das sind auch keine Almosen. Das ist auch sehr wichtig. Nein, das ist Gesetz, das ist beschlossen. Darauf gibt es einen Anspruch. Da gehört geklärt, wer es kriegt. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Das ist kein Bittstellertum, da wird niemand zum Bittsteller oder zur Bittstellerin gemacht, im Gegenteil: Genau das wollten wir verhindern. Genau das ist verhindert, weil es eben automatisch ausbezahlt wird. Das heißt, alles, was da immer wieder behauptet wird, ist letztlich zu einem guten Teil überhaupt nicht richtig und stimmt einfach nicht. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Holz­leitner: Aber es ist befristet! Es ist befristet! Was ist nach 2024?)

Ein weiterer Punkt, der meiner Meinung auch sehr wichtig ist: wenn gesagt wird, Finanzleistungen oder Geldleistungen versus Sachleistungen. – Wir haben auch in diesem Paket Sachleistungen. Wir haben beispielsweise den Ausbau der Nachhilfe, wir haben die Schulstart-Pakete – Sachleistungen für besonders von Armut betroffene Familien, durch die zum Schulstart Kleidung und Schulmaterialien gekauft werden können. Das heißt, wir haben eine sehr gute Mischung.

Ehrlich gesagt: Wichtiger als wie es bei der Opposition ankommt, ist mir, wie es bei den NGOs ankommt, wie es bei den Sozialverbänden ankommt und wie es bei den Expert:innen ankommt. Ja, wir wissen, das ist nicht das Instru­ment, um Kinderarmut abzuschaffen, aber es ist eine wesentliche Maß­nahme, damit Kinderarmut weniger wird, damit wir sie eindämmen können. Darum geht es jetzt auch in diesem ersten großen Schritt. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bringe noch einen Abänderungs­antrag der Abgeordneten Norbert Sieber, Mag. Markus Koza zum An­trag 3430/A ein, der gestern auch zugegangen ist.

Nur kurz zusammengefasst: Da geht es einerseits darum, dass auch klargestellt ist, dass Alleinverdiener:innen und Alleinerzieher:innen, die das Geld


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erst im Jahr 2023 beantragen können, das auch nachher beantragen können, und auch um andere sachliche Feststellungen, die wesentlich waren, was die Auszahlungen betrifft, was sozusagen den Sinn der Auszahlungen betrifft.

*****

Dieser Antrag ist eingebracht. Ich bitte um möglichst breite Zustimmung, wenn es wirklich ernst ist, dass man den Kampf gegen Kinderarmut in diesem Land aufnimmt. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

11.45

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Norbert Sieber, Markus Koza

und Kolleginnen und Kollegen

zum Antrag 3430/A der Abg. Norbert Sieber, Mag. Markus Koza, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über einen Ausgleich inflationsbedingt hoher Lebenshaltungs- und Wohnkosten (Lebenshal­tungs- und Wohnkosten-Ausgleichs-Gesetz-LWA-G) geändert wird in der Fassung des Ausschussberichts (2062 d.B.)

Der Nationalrat wolle in 2. Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

a) Nach der Ziffer 1 werden folgende Ziffern 1a und 1b eingefügt:

»1a. In § 2 wird nach Abs. 1 folgender Abs. 1a eingefügt:

„(1a) Zielgruppe von Unterstützungsleistungen zur Beendigung von Wohnungslosig­keit sind Personen, die über einen Hauptwohnsitz in Österreich verfügen und


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nicht in der Lage sind, die Wohnungslosigkeit selbständig mit eigenen Mitteln zu be­enden oder abzuwenden.“

»1b. § 2 Abs. 2 lautet:

„(2) Zuwendungen können

1.   für die Zielgruppe gemäß Abs. 1 in Form einer Unterstützungsleistung zur Wohnungssicherung oder einer pauschalen Unterstützungsleistung zum Wohnungswechsel und

2.   für die Zielgruppe gemäß Abs. 1a in Form einer Unterstützungsleistung zur Wohnraumbeschaffung

geleistet werden.“

b) Ziffer 2 lautet:

»2. Nach dem § 3c werden folgende § 3d und § 3e jeweils samt Überschrift eingefügt:

„Sonderzuwendungen für Alleinverdienende und Alleinerziehende mit geringem Einkommen und für Arbeitslose und Ausgleichszulagenbeziehende mit Kindern

§ 3d. (1) Der Bund leistet einem alleinverdienenden und alleinerziehenden Elternteil für jedes Kind, für das die gleiche Adresse im Zentralen Melderegister (ZMR, § 16 MeldeG, BGBl Nr. 9/1992, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 54/2021) als Hauptwohnsitz ausgewiesen ist, eine Zuwendung in Höhe von 60 Euro pro Monat. Für die Sonderzuwendung gilt:

1.   Für das Jahr 2023 wird die Zuwendung für die Monate Juli bis Dezember gewährt, wenn die Voraussetzungen gemäß lit a oder b und gemäß lit c vorliegen:

a.    Aus dem für das Veranlagungsjahr 2022 bis spätestens 30. Juni 2025 ergangenen Einkommensteuerbescheid des Elternteiles geht hervor, dass der Gesamtbetrag der Einkünfte unter Berücksichtigung der Bemessungs­grundlage für die Steuer, die auf sonstige Bezüge entfällt (§ 41 Abs. 4 EStG), den


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Betrag von 23 300 Euro nicht überschritten hat und der Alleinverdiener­absetzbetrag oder der Alleinerzieherabsetzbetrag berücksichtigt worden ist. Maß­gebend ist der am 1. Juli 2023 letztgültige rechtskräftige Einkommen­steuerbescheid 2022 oder - bei einer späteren erstmaligen Bescheiderlassung - der erste nach dem 1. Juli 2023 und vor dem 1. Juli 2025 erlassene rechtskräftige Einkommensteuerbescheid 2022. Nachträgliche Änderungen des maßgebenden Bescheides bleiben unberücksichtigt.

b.   Für das Veranlagungsjahr 2022 wurde kein Alleinverdienerabsetzbetrag oder Alleinerzieherabsetzbetrag berücksichtigt und aus dem für das Veranla­gungsjahr 2023 bis spätestens 30. Juni 2025 ergangenen maßgeben­den Einkommensteuerbescheid des Elternteiles, geht hervor, dass die Vorausset­zungen gemäß Z 2 lit. a vorliegen.

c.    Das Kind hat vor Beginn des Monats, für das die Sonderzuwendung geleistet wird, das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet.

2.   Für das Jahr 2024 wird die Sonderzuwendung für die Monate Jänner bis Dezem­ber gewährt, wenn folgende Voraussetzungen vorliegen:

a.    Aus dem für das Veranlagungsjahr 2023 bis spätestens 30. Juni 2025 ergan­genen Einkommensteuerbescheid des Elternteiles geht hervor, dass der Gesamtbetrag der Einkünfte unter Berücksichtigung der Bemessungsgrundlage für die Steuer, die auf sonstige Bezüge entfällt (§ 41 Abs. 4 EStG), den Be­trag von 24 500 Euro nicht überschritten hat und der Alleinverdienerabsetzbe­trag oder der Alleinerzieherabsetzbetrag berücksichtigt worden ist. Maßge­bend ist der am 1. März 2024 letztgültige rechtskräftige Einkommensteuerbe­scheid 2023 oder - bei einer späteren erstmaligen Bescheiderlassung - der erste nach dem 1. März 2024 und vor dem 1. Juli 2025 erlassene rechtskräftige Einkommensteuerbescheid 2023. Nachträgliche Änderungen des maßge­benden Bescheides bleiben unberücksichtigt.


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b.   Das Kind hat vor Beginn des Monats, für das die Sonderzuwendung geleistet wird, das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet.

(2) Der Bund gewährt arbeitslosen Personen für jeden Kalendermonat im Zeitraum Juli 2023 bis einschließlich Dezember 2024 für jedes Kind, für das die gleiche Adresse im Zentralen Melderegister (ZMR, § 16 MeldeG, BGBl Nr. 9/1992, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 54/2021) als Hauptwohnsitz ausgewiesen ist, für das ein Familienzuschlag gebührt und das das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, eine Sonderzuwendung von 60 Euro, sofern die arbeitslose Person für diesen Monat mindestens 16 Tage Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe bezogen hat.

(3) Der Bund gewährt Bezieherinnen und Beziehern einer Ausgleichszulage nach § 292 ASVG oder § 149 GSVG oder § 140 BSVG oder einer vergleichbaren Leistung nach sonstigen bundesgesetzlichen Vorschriften für jedes Kind, für das im Zeit­raum Juli 2023 bis einschließlich Dezember 2024 der Richtsatz nach § 293 Abs. 1 letzter Satz ASVG (§ 150 Abs. 1 letzter Satz GSVG, § 141 Abs. 1 letzter Satz BSVG) zu erhöhen ist und das das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, eine mo­natliche Sonderzuwendung von 60 Euro.

(4) Werden die Voraussetzungen des Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 3 mehrfach oder von mehreren Elternteilen erfüllt, gebührt die Sonderzuwendung von 60 Euro für jedes Kind nur einmal pro Monat. Dabei gilt:

1.   Bezieherinnen und Bezieher von Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe iSd Abs. 2 sind vorrangig zu berücksichtigen, danach Bezieherinnen und Beziehern einer Ausgleichszulage oder einer vergleichbaren Leistung nach sonstigen bun­desgesetzlichen Vorschriften iSd Abs. 3 und danach alleinverdienenden und alleinerziehenden Elternteile iSd Abs. 1.

2.   Treffen die Voraussetzungen des Abs. 1, des Abs. 2 oder des Abs. 3 auf mehrere Personen zu, gebührt die Sonderzuwendung der jüngeren Person.

(5) Die Unterstützungen können rückwirkend gewährt werden und sind nicht rück­zahlbar.


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(6) Die Sonderzuwendung gilt nicht als Nettoeinkommen im Sinne des § 292 Abs. 3 ASVG (§ 149 Abs. 3 GSVG, § 140 Abs. 3 BSVG). Von der Sonderzuwendung sind keine Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung zu entrichten. Die Einmal­zahlung ist von der Einkommensteuer befreit und unpfändbar.

Bestimmungen für IKT-Verfahren zu § 3d

§ 3e. (1) Die Beauftragung des zur Vollziehung notwendigen IKT-Verfahrens erfolgt durch den Bundesminister für Finanzen, den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft und den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumen­tenschutz. Die Bundesrechenzentrum GmbH (BRZ GmbH) ist als IT-Dienstleis­terin des Bundes mit der Vorbereitung und Abwicklung der technischen Umsetzung für das IKT-Verfahren gemäß § 3d und damit verbundenen Aufgaben zu
beauftragen.

(2) Die Buchhaltungsagentur des Bundes hat die Abwicklung und Auszahlung der Sonderzuwendungen gemäß § 3d mittels IKT-Verfahren durchzuführen. Dazu ist sie berechtigt, auf Grundlage der übermittelten Daten (Abs. 4) unter Beachtung der Bestimmungen zur Vermeidung einer Doppelförderung die notwendigen per­sonenbezogenen Daten und besonderen Kategorien personenbezogener Daten zu verarbeiten.

(3) Die BRZ GmbH ist IT-Dienstleister und Auftragsverarbeiter (Art. 4 Z 8 der Verord­nung (EU) 2016/679 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richt­linie 95/46/EG (DSGVO), ABl. Nr. L 119 vom 04.05.2016 S. 1, zuletzt berich­tigt durch ABl. Nr. L 74 vom 04.03.2021 S. 35)). Der Auftragsverarbeiter ist ver­pflichtet, die Datenschutzpflichten gemäß Art. 28 Abs. 3 lit. a bis h DSGVO wahrzunehmen.

(4) Zum Zweck der Abwicklung und Auszahlung der Sonderzuwendungen sind der Buchhaltungsagentur des Bundes als Auftragsverarbeiter die notwendigen Daten von der BRZ GmbH bereitzustellen. Die notwendigen Daten betreffen vor allem:

1.   Vom Bundesminister für Finanzen


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a.    das verschlüsselte bereichsspezifischen Personenkennzeichen Sozialversicherung (vbPK-SV) einer Person, die die Voraussetzungen des § 3d Abs. 1 Z 1 lit. a und/oder des § 3d Abs. 1 Z 2 lit. a erfüllt,

b.   Vor- und Zuname, Adresse und das Geburtsdatum einer Person gemäß lit. a und

c.    Vor- und Zuname und das Geburtsdatum von Kindern einer Person
gemäß lit. a und

d.    die internationalen Kontonummern (IBAN) einer Person gemäß lit. a, gemeinsam mit dem Datum der letzten Aktualisierung sowie Kennzeichnungen über deren Verwendung im Bundesministerium für Finanzen und das Datum der letz­ten Verwendung im Bundesministerium für Finanzen.

2.   Vom Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft

a.    das verschlüsselte bereichsspezifischen Personenkennzeichen Sozialversicherung (vbPK-SV), Vor- und Zuname, Geburtsdatum, Adresse und – soweit beim AMS vorgemerkt – die dazu gehörige internationale Kontonummer (IBAN) der Person, die die Voraussetzungen des § 3d Abs. 2 erfüllt (ergänzt um Vor- und Zuname, Adresse und soweit vorgemerkt die IBAN einer bestehenden Er­wachsenenvertretung) sowie

b.   die Anzahl der Kinder, einschließlich deren Vorname, Zuname und Geburtsdatum, für die eine Sonderzuwendung nach § 3d Abs. 2 gebührt.

3.  Von den Trägern der gesetzlichen Pensionsversicherung und jenen pensionsaus­zahlenden Stellen, die eine vergleichbare Leistung auszahlen, in Bezug auf Ausgleichszulagenbezieherinnen und Ausgleichzulagenbezieher, denen ein erhöh­ter Richtsatz nach § 293 Abs. 1 letzter Satz ASVG (§ 150 Abs. 1 letzter Satz GSVG, § 141 Abs. 1 letzter Satz BSVG) gebührt:

a.    Vor- und Zuname sowie Geburtsdatum, Adresse,


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b.   das verschlüsselte bereichsspezifische Personenkennzeichen Sozialversicherung (vbPK-SV),

c.    gegebenenfalls Vor- und Zuname des Erwachsenenvertreters/der Erwachsenenvertreterin,

d.   die internationale Kontonummer (IBAN), gegebenenfalls jene des Erwachse­nenvertreters/der Erwachsenenvertreterin,

e.    in Ermangelung einer IBAN die Adresse, gegebenenfalls jene des Erwachse­nenvertreters/der Erwachsenenvertreterin, und

f.    Vor- und Zuname sowie Geburtsdatum des Kindes bzw. der Kinder, für das bzw. die der Richtsatz zu erhöhen ist.

(4a) Die Buchhaltungsagentur des Bundes hat die Sonderzuwendungen gemäß § 3d Abs. 1 an die unter Z 1 lit. a bereitgestellte Kontonummer oder subsidiär über Baranweisung an die in Z 1 lit. a bekanntgegebene Adresse auszubezahlen

(4b) Die BRZ GmbH übermittelt der Buchhaltungsagentur des Bundes zum Zweck der Einmeldung der Bezieher der Sonderzuwendungen nach § 3d Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 3 in die Transparenzdatenbank gemäß § 25 Transparenzdatenbankgesetz 2012 – TDBG 2012, BGBl. I Nr. 99/2012, das verschlüsselte bereichsspezifischen Personenkennzeichen für die Verarbeitung in der Transparenzdatenbank (vbPK-ZP-TD) sowie das verschlüsselte bereichsspezifische Personenkennzeichen Amtli­che Statistik (vbPK-AS) jener Personen, die die Voraussetzungen

1.   des § 3d Abs. 1 Z 1 lit. a und/oder des § 3d Abs. 1 Z 2 lit. a,

2.   des § 3d Abs. 2 oder

3.   des § 3d Abs. 3

erfüllen.


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(5) Die in Abs. 1 erster Satz genannten Bundesminister übernehmen die Rolle als datenschutzrechtlich gemeinsame Verantwortliche (Art. 26 DSGVO). Die Buchhaltungsagentur des Bundes als Auftragsverarbeiter (Art. 4 Z 8 DSGVO) wird durch die in Abs. 1 genannten datenschutzrechtlich gemeinsame Verantwort­liche damit beauftragt (§ 3e Abs. 1), die Abwicklung und Auszahlung der Sonderzu­wendungen durchzuführen. Der Auftragsverarbeiter ist verpflichtet, die Datenschutzpflichten gemäß Art. 28 Abs. 3 lit. a bis h DSGVO wahrzunehmen.

(6) Die Erfüllung von Informations-, Auskunfts-, Berichtigungs-, Löschungs- und sonstigen Pflichten nach den Bestimmungen der DSGVO gegenüber der betroffenen Person obliegt jedem Verantwortlichen hinsichtlich jener personenbezogenen Daten, die im Zusammenhang mit den von ihm geführten Verfahren oder den von ihm gesetzten Maßnahmen verarbeitet werden. Nimmt eine betroffene Person ein ihr zustehendes Recht nach der DSGVO gegenüber einem Verantwortlichen wahr, der hierfür nicht zuständig ist, so hat dieser ein schriftliches Anbringen ohne unnö­tigen Aufschub auf Gefahr der betroffenen Person an den zuständigen Verantwortli­chen weiterzuleiten oder im Fall eines mündlichen Anbringens die betroffene Person an diesen zu verweisen. Die betroffene Person ist über die Weiterleitung zu informieren.

(7) Alle personenbezogenen Daten sind sieben Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in welchem sie zum letzten Mal verwendet wurden, zu löschen. Daten über le­sende Zugriffe sind drei Jahre nach ihrem Entstehen zu löschen.

(8) Dem Bundeskanzler obliegt im Sinne eines einheitlichen technischen Vollzugs das ressortübergreifende Projektmanagement, die Koordination und die Sicherstel-lung der Einheitlichkeit der notwendigen Beauftragungen auf Basis der fachlichen An­forderungen und Daten der in Abs. 1 erster Satz genannten Bundesminister.

(9) Die Aufteilung der Verwaltungskosten wird in einem Verwaltungsübereinkommen festgelegt.“

c) Ziffer 3 lautet:


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»3. § 4 Abs. 1 lautet:

„(1) Zuwendungen nach diesem Bundesgesetz gelten - mit Ausnahme der Son­derzuwendungen nach § 3d - als Leistung im Sinne des § 7 Abs. 5a des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes, BGBI. 1 Nr. 41/2019, zuletzt geändert durch BGBI. 1 Nr. 45/2023, und sind bei der Prüfung von Ansprüchen und sonstigen Befreiungen aufgrund anderer Regelungen nicht als Einkommen zu berücksichtigen."

d) Nach der Ziffer 3 werden folgende Ziffern 3a und 3b eingefügt:

»3a. § 5 samt Überschrift lautet:

„Abwicklung

§ 5. (1) Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz hat sich zur Abwicklung der Unterstützungsmaßnahmen gemäß § 1 Abs. 1 Z 1 geeigneter Stellen zu bedienen und mit diesen eine Vereinbarung darüber zu schließen. Zur Durchführung der Abwicklung können diese geeignete Beratungs­einrichtungen einsetzen.

(2) Mit der Auszahlung der Zuwendungen gemäß § 1 Abs. 1 Z 2 und 3 können die Länder im Wege des Art. 104 Abs. 2 B VG betraut werden. Die die Sozialhilfe oder Mindestsicherung vollziehenden Stellen sind zum Zweck der Überprüfung des Vorliegens eines Leistungsbezugs nach § 3d dieses Bundesgesetzes zur Trans­parenzportalabfrage gemäß § 32 Abs. 6 iVm § 2 Z 4 des Transparenz­datenbankgesetzes 2012 – TDBG 2012, BGBl. I Nr. 99/2012 berechtigt.

(3) Unterstützungsleistungen gemäß § 1 Abs. 1 Z 1 können nur auf Antrag bei den Abwicklungsstellen gemäß Abs. 1 gewährt werden. Die Zuwendungen gemäß § 1 Abs. 1 Z 2 und 3 werden ohne Antrag ausbezahlt.

(4) Die Abwicklungsstellen gemäß Abs. 1 sind für die Geltungsdauer dieses Bundesgesetzes berechtigt, zum Zweck der Zuerkennung und Auszahlung von Un-


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terstützungsleistungen gemäß § 1 Abs. 1 Z 1 zur Überprüfung der antrag­stellenden  Person Abfragen gemäß § 16a Abs. 4 des Meldegesetzes 1991 (MeldeG), BGBl. Nr. 9/1992, sowie zur Überprüfung der Angaben der antragstellenden Person betreffend aller mit ihr in ihrer Wohnung gemeldeten Personen im Zentralen Melderegister eine Verknüpfungsanfrage im Sinne des § 16a Abs. 3 des Meldegesetzes 1991 mit dem Kriterium Wohnsitz durchzuführen.

(5) Die liquiden Mittel für die Abwicklung der Unterstützungsmaßnahmen gemäß § 1 Abs. 1 Z 1 werden den Abwicklungsstellen gemäß Abs. 1, jene für die Abwicklung der Zuwendungen gemäß § 1 Abs. 1 Z 2 und Z 3 den Ländern vor Auszahlung der Zuwendungen über das Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz zur Verfügung gestellt.

(6) Rückflüsse aus Unterstützungsleistungen gemäß § 2 Abs. 2 sind dem Bundes­minister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz von den Abwicklungsstellen gemäß Abs. 1 zurückzuerstatten.

(7) Die in § 3a Abs. 1 und Abs. 2 sowie die in § 3d Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 3 vorge­sehenen Sonderzuwendungen sind jeweils als eigene Leistungen in der Trans­parenzdatenbank gemäß § 21 Abs. 1 Transparenzdatenbankgesetz 2012, BGBl. I
Nr. 99/2012, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 25/2023, zu erfassen.
Mitteilungen gemäß § 25 Transparenzdatenbankgesetz 2012 sind jeweils aus­schließlich auf diese Leistungen vorzunehmen“

»3b. In § 6 Abs. 1 Z 3 wird die Wortfolge „gemäß § 2 Abs. 1 und 3“ durch die Wort­folge „gemäß § 2 Abs. 1, 1a und 3“ ersetzt.

e) Ziffer 5 lautet:

»5. Im § 8 wird folgender Abs. 5 angefügt:

„(5) § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 1a und 2, § 3d, § 3e, § 4 Abs. 1, § 5, § 6 Abs. 1 Z 3 sowie § 7 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xx/2023 treten mit dem der Kundmachung folgenden Tag in Kraft.“


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll219. Sitzung, 219. Sitzung des Nationalrats vom 14. Juni 2023 / Seite 137

Begründung

Zu lit a und lit d (§ 2 Abs. 1a und 2 sowie § 5):

Mit Änderung des Wohn- und Heizkostenzuschussgesetzes und des Lebenshaltungs- und Wohnkosten-Ausgleichs-Gesetzes, BGBl. I Nr. 32/2023 wurden dem Bun­desminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz weitere 25 Mil­lionen Euro für Unterstützungsleistungen im Bereich Wohnen zur Verfügung gestellt. Mit den bereitgestellten Mitteln können derzeit ausschließlich Personen un­terstützt werden, die über ein aufrechtes Miet- bzw. Nutzungsverhältnis ver­fügen und von Wohnungsverlust bedroht sind. Um die Mittel künftig effizient - und dem steigenden Bedarf entsprechend - auch zur Verhinderung und Beendigung von Wohnungslosigkeit einsetzen zu können, wird die Zielgruppe durch § 2 Abs. 1a erweitert.

Damit soll ermöglicht werden, auch wohnungslose Menschen auf ihrem Weg zu einer eigenen Wohnung zu unterstützen. Als wohnungslos sind etwa Personen zu verstehen, die im öffentlichen Raum, in Notunterkünften, in Einrichtungen für woh­nungslose Menschen, in Frauenhäusern, auf ungesichertem Wohnraum oder in prekären Wohnverhältnissen (beispielsweise in ungeeigneten Räumlichkeiten wegen dort vorherrschender gesundheitsgefährdender Verhältnisse) leben. Dem Kriterium des Bestehens eines Hauptwohnsitzes (Art. 6 Abs. 3 B-VG) in § 2 Abs. 1a ist das Vorliegen einer Hauptwohnsitzbestätigung gemäß § 19a MeldeG gleichzuhalten, die Obdachlosen auf deren Antrag auszustellen ist.

Mit dem erweiterten Leistungsspektrum wird eine Neuorganisation der Abwicklung von Unterstützungsleistungen gemäß § 1 Abs. 1 Z 1 erforderlich. Als Modell für die Abwicklung der Leistungen der Wohnraumbeschaffung dient das aktuell vom Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz geförderte Housing First-Projekt „zuhause ankommen“. In § 5 Abs. 6 wird die Rücker­stattung von Rückflüssen, insbesondere aus Finanzierungsbeiträgen oder Kau­tionen im Rahmen der Unterstützungsleistungen zur Wohnraumbeschaffung, aber auch von solchen aus der Wohnungssicherung verankert.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll219. Sitzung, 219. Sitzung des Nationalrats vom 14. Juni 2023 / Seite 138

Um den Ländern die Anrechnung von Sonderzuwendungen nach § 3d auf die Sozial­hilfe bzw. Mindestsicherung zu erleichtern, wird klargestellt, dass sie zur Daten­abfrage in der Transparenzdatenbank berechtigt sind (§ 5 Abs. 2). Um zu vermeiden, dass die vorgesehenen Sonderzuwendungen mehrfach an dieselben Personen ausbezahlt werden, ist es notwendig, dass diese jeweils abgegrenzt in Form eigener Leistungen in der Transparenzdatenbank erfasst werden und personenbezo­gene Mitteilungen ausschließlich auf die neu angelegten Leistungen vorgenommen werden (§ 5 Abs. 7).

Zu lit b (§ 3d)

Der Betrag von 23.300 Euro (2022) bzw. 23.600 Euro (2023) in § 3d Abs. 1 Z 1 lit a und Z 2 lit a entspricht dem Jahreswert aus einem Brutto-Monatslohn von 2.000 Euro für 14 Monate unter Berücksichtigung der darauf entfallenden Sozialver­sicherung. Für das Jahr 2023 soll dieser Betrag inflationsangepasst werden: Ausgehend von 2000 Euro (brutto) für 2022 ergibt sich unter Anwendung einer In­flationsrate von 5,2%, die auch für die Abgeltung der kalten Progression im Jahr 2023 zu Grunde gelegt wird, ein Monatsbetrag von 2.104 Euro und - unter Berücksichtigung von 14 Monatsbezügen - einen Jahresbetrag von 24.492,78. Dementsprechend soll ein (aufgerundeter) Betrag von 24.500 für das Jahr 2023 maßgebend sein.

Zusätzlich soll eine Klarstellung erfolgen: da die Einkünfte innerhalb des Jahres­sechstels (13./14. Monatsbezug) im Einkommensteuerbescheid im „Gesamtbetrag der Einkünfte“ nicht enthalten sind, soll klargestellt werden, dass der Wert maßge­bend ist, der sich aus dem Gesamtbetrag der Einkünfte unter Mitberücksichtigung der Bemessungsgrundlage für die Steuer für den 13./14. Monatsbezug ergibt. Für Bezieherinnen und Bezieher nichtselbständiger Einkünfte werden daher die tariflohn­steuerpflichtigen Einkünfte (12 Monatsbezüge) über den Wert aus dem „Gesamt­betrag der Einkünfte“ und die mit dem festen Steuersatz besteuerten Bezüge (13./14. Monatsbezug) aus dem Wert berücksichtigt, der die Bemessungsgrundlage


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll219. Sitzung, 219. Sitzung des Nationalrats vom 14. Juni 2023 / Seite 139

(Bruttobezug abzüglich Sozialversicherung) für die Steuer auf sonstige Bezüge darstellt.

Überdies soll sichergestellt werden, dass Alleinverdienenden oder Alleinerziehen­den des Jahres 2023, die für 2024 die Voraussetzungen für die Zuwendung erfüllen, diese für das Jahr 2023 jedenfalls auch dann erhalten, wenn für das Jahr 2022 kein Alleinverdienenerabsetzbetrag oder Alleinerzieherabsetzbetrag berücksichtigt worden ist. In Abs. 1 Z 1 soll daher in lit. b (alternativ zur Voraussetzung ge­mäß lit. a) verankert werden, dass die Sonderzuwendung für die Monate Juli bis Dezember 2023 auch dann gewährt wird, wenn der maßgebende Einkom­mensteuerbescheid 2023 (Z 2 lit. a) eine Sonderzuwendung für das Jahr 2024 vermittelt und für das Jahr 2022 kein Alleinverdienerabsetzbetrag oder Alleiner­zieherabsetzbetrag berücksichtigt worden ist. Wird daher ein Alleinverdie­nerabsetzbetrag oder Alleinerzieherabsetzbetrag im Rahmen der im Jahr 2024 erfolgten Einkommensteuerveranlagung 2023 - abweichend von 2022 - berücksichtigt und erfolgte nicht bereits eine Gewährung auf Grund von Abs. 2 (Bezug von Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe) Abs. 3 (Bezug von Ausgleichzulage oder einer vergleichbaren Leistung) kann die Sonderzuwendung im Jahr 2024 für die Monate Juli bis Dezember 2023 rückwirkend gewährt werden.

Dem Bezug einer Ausgleichszulage im Sinne des § 3d Abs. 3 sind vergleichbare Leistungen nach dem Pensionsgesetz 1965, dem Bundestheaterpensionsgesetz oder dem Bundesbahn-Pensionsgesetz gleichzuhalten.

§ 3d Abs. 4 soll um die Festlegung erweitert werden, welche Person vorrangig zu berücksichtigen ist, wenn die Voraussetzungen für die Sonderzuwendung von mehreren Personen erfüllt werden. Z 1 sieht dementsprechend eine Rangordnung im Verhältnis der anspruchsvermittelnden Sachverhalte (§ 3d Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3) vor. Bezieherinnen und Bezieher von Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe (Abs. 2) sollen vorrangig zu berücksichtigen sein, danach Bezieherinnen und Bezieher von Ausgleichszulage (Abs. 3). Das Kriterium als alleinverdienender bzw.


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alleinerziehender Elternteil (Abs. 1), für das stets der Einkommensteuerbe­scheid des Vorjahres maßgebend ist, soll zuletzt berücksichtigt werden. Denn die Erlassung des Einkommensteuerbescheides kann auch erst zu einem Zeit­punkt erfolgen, zu dem in Bezug auf das jeweils maßgebende Kind bereits feststeht, dass ein Elternteil hinsichtlich des betroffenen Monats gemäß Abs. 2 oder Abs. 3 begünstigt ist. Damit soll eine zeitnahe Abwicklung sichergestellt werden. Z 2 legt fest, dass stets die jüngere Person begünstigt sein soll, wenn innerhalb einer begünstigten Kategorie mehrere Personen in Betracht kommen. Sollten bei­spielsweise beide Elternteile wegen Arbeitslosengeldbezuges als begünstigt in Betracht kommen, soll daher die jüngere Person begünstigt sein.

Zu lit b (§ 3e):

Es wird sowohl eine verwaltungstechnische als auch datenschutzrechtliche Basis für das notwendige IKT-Verfahren geschaffen. Die Buchhaltungsagentur wird mit der Abwicklung und Auszahlung der Leistung beauftragt. Im Rahmen der Abwicklung übernimmt die Buchhaltungsagentur des Bundes auch das Clearing (wie zum Beispiel die Abwicklung von Reklamationen). Die BRZ GmbH wird als Auftragsverar­beiter (Art. 4 Z 8 DSGVO) verpflichtet. Zur Sicherstellung einer zwischen den Sozialversicherungsträgern und dem AMS einheitlichen Personenkennzeichnung wird der Dachverband das AMS bei der Ermittlung der erforderlichen verschlüsselten Personenkennzeichen unterstützen. Um zu vermeiden, dass die vorgesehenen Sonder­zuwendungen mehrfach an dieselben Personen ausbezahlt werden, ist es not­wendig, dass die Buchhaltungsagentur des Bundes die Bezieher der Sonderzuwen­dungen in die Transparenzdatenbank einmeldet. Für die Einmeldung in die Transparenzdatenbank ist die Ausstattung der Leistungsbezieher mit dem verschlüs­selten bereichsspezifischen Personenkennzeichen für die Verarbeitung in der Transparenzdatenbank (vbPK-ZP-TD) und dem verschlüsselten bereichsspezifischen Personenkennzeichen Amtliche Statistik (vbPK-AS) erforderlich. Aus diesem Grund soll die BRZ GmbH verpflichtet werden, diese Datensätze der Buchhaltungs­agentur des Bundes zur Verfügung zu stellen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll219. Sitzung, 219. Sitzung des Nationalrats vom 14. Juni 2023 / Seite 141

Der gem. Abs. 9 aufzuteilende Verwaltungsaufwand ist jener, der mit der Beauf­tragung zur Erstellung und den Betrieb des IKT-Verfahrens und der Inanspruchnahme eines Dienstleisters sowie der Buchhaltungsagentur zur Auszahlung einhergehen­den Aufwand.

Zu lit c (§ 4 Abs. 1):

Mit dieser Änderung wird ein Redaktionsversehen beseitigt.

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Abänderungsantrag wurde bereits an alle Abgeordneten verteilt. Er wurde in den Grundzügen auch erläutert und steht mit in Verhandlung.

Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Andrea Holzner. – Bitte.


11.46.10

Abgeordnete Dipl.-Ing. Andrea Holzner (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzte SPÖ, eure Argumente, eure Aussagen drehen sich im Kreis: der Ruf nach mehr Geld, danach, weniger zu arbeiten und gemeinsam mit den NEOS Rechtsansprüche durchzusetzen, die keinerlei konkrete Lösungen bringen.

Liebe SPÖ, es sind 60 Euro zusätzlich zu den bereits valorisierten Sozialleistun­gen, zum Familienbonus und zu vielen weiteren Hilfen für private Haus­halte von Energie- bis zu Wohnkostenzuschüssen. Jetzt stimmen Sie diesen 60 Euro pro Kind nicht zu. Die NEOS stimmen nicht zu, weil die Treffsi­cherheit nicht gewährleistet ist.

Kollege Shetty bringt ein Rechenbeispiel, bei dem er 183 Abgeordnete in ein Verhältnis zu einer Bevölkerungsgruppe von 1 761 561 jungen Men­schen setzt – ich nehme jetzt einmal an, dass von null bis 20 Jahre alle ein warmes Mittagessen bekommen –, um damit zu begründen, dass die­se Maßnahmen nicht treffsicher sind. Das ist ja schon fast absurd. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Loacker: Das ist so weit hergeholt, Ihre ...!)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll219. Sitzung, 219. Sitzung des Nationalrats vom 14. Juni 2023 / Seite 142

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin, Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuse­her! Der Staat hat sehr viel und schnell geholfen. Mitarbeiterinnen und Mitar­beiter werden in allen Branchen dringend gesucht. Die Inflation sinkt. Es ist jetzt höchste Zeit, die Begriffe Eigenverantwortung und Eigenleistung in die politische Diskussion einzubringen. Jeder und jede Einzelne soll den Beitrag zum Gemeinwohl leisten, den er oder sie leisten kann, und Hilfe erhalten, wenn sie gebraucht wird. (Beifall bei der ÖVP.)

Gerade wir als Familienpartei wollen mit diesem Antrag gezielt Eltern unter­stützen, die von der Teuerung besonders betroffen sind, damit sie ihre Aufgaben als Eltern bestmöglich wahrnehmen können.

Ich fasse noch einmal kurz zusammen: 60 Euro pro Kind werden beim Bezug von Arbeitslosengeld, Notstandshilfe, Sozialhilfe und Ausgleichszulage ohne An­trag ausbezahlt. Auch Alleinerziehende oder Familien mit Alleinverdienern bis zu einem Einkommen von 2 000 Euro brutto erhalten diesen Beitrag bis Ende 2024 automatisch. Die Einkommensgrenze wird valorisiert.

Meine Damen und Herren, wissen Sie eigentlich, dass es seit zwei Jahren einen kostenfreien Zugang zur Lernhilfe auf der Website des Bildungsminis­teriums, www.weiterlernen.at, gibt und dieser weiter ausgebaut wird? Das Schulstart-Paket wird nun von 120 Euro auf 150 Euro erhöht und ab jetzt zweimal, jeweils zu Semesterbeginn, ausbezahlt. Rund 400 000 Kinder werden von diesen Maßnahmen profitieren.

Es liegt in unserer aller Verantwortung – in unserer Verantwortung als Staat, als Eltern und auch als Gesellschaft –, den Kindern einen guten Start in ihr Le­ben zu ermöglichen. – Vielen Dank für Ihre Zustimmung. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

11.49


11.49.23

Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll219. Sitzung, 219. Sitzung des Nationalrats vom 14. Juni 2023 / Seite 143

Damit gelangen wir nun zu den Abstimmungen über den Gesetzentwurf
in 2062 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Sieber, Koza, Kolleginnen und Kollegen einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde daher zunächst über die vom erwähnten Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Sieber, Koza, Kolleginnen und Kollegen haben den erwähnten Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag betreffend Einfügung neuer Ziffern 1a, 1b, 3a und 3b sowie Änderung der Ziffern 2, 3 und 5 eingebracht.

Wer sich dafür ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit ange­nommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein Zeichen. – Der Gesetzent­wurf ist in dritter Lesung mit Mehrheit angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Eva Maria Holzleitner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Preise senken, Leistungen anpassen, Armut bekämpfen“.

Wer spricht sich für diesen Entschließungsantrag aus? – Das ist die Minderheit, abgelehnt.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll219. Sitzung, 219. Sitzung des Nationalrats vom 14. Juni 2023 / Seite 144

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Den Kindern helfen, die es wirklich brauchen“.

Wer für diesen Entschließungsantrag ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

11.51.262. Punkt

Bericht des Ausschusses für Familie und Jugend über den Antrag 772/A(E) der Abgeordneten Petra Wimmer, Kolleginnen und Kollegen betreffend erweiterter Beobachtungszeitraum für das Erfordernis der Erwerbstätigkeit beim einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeld (2063 d.B.)

3. Punkt

Bericht des Ausschusses für Familie und Jugend über den Antrag 3156/A(E) der Abgeordneten Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen betreffend Härtefall-Regelung beim einkommensabhängigen Kinderbetreuungs­geld (2064 d.B.)

4. Punkt

Bericht des Ausschusses für Familie und Jugend über den Antrag 1131/A(E) der Abgeordneten Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend Mehr individuelle Freiheit beim Kinderbetreuungsgeld (2065 d.B.)

5. Punkt

Bericht des Ausschusses für Familie und Jugend über den Antrag 2748/A(E) der Abgeordneten Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend Gleichstellung der Kinderbetreuungszeit (2066 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen nun zu den Tagesordnungspunkten 2
bis 5, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll219. Sitzung, 219. Sitzung des Nationalrats vom 14. Juni 2023 / Seite 145

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Erste Rednerin ist Frau Abgeordnete Petra Wimmer. – Bitte.


11.52.42

Abgeordnete Petra Wimmer (SPÖ): Danke, Frau Präsidentin! Sie haben es um­fassend ausgeführt: Wir diskutieren heute vier Oppositionsanträge zum Kinderbetreuungsgeld. Dass wir diese heute hier diskutieren, ist durch eine Ab­stimmungspanne der Regierungsparteien im Ausschuss passiert. Eigentlich sollten diese vier Anträge wie zahlreiche andere Anträge der Opposition vertagt werden, wobei Vertagung in diesem Fall bedeutet, dass sie nicht im Natio­nalratsplenum diskutiert, sondern meistens auf die lange Bank geschoben wer­den. Diese Vorgehensweise bei Oppositionsanträgen und im Speziellen beim heutigen Thema Kinderbetreuungsgeld zeigt, dass die Regierungsparteien die vorhandenen Probleme gerade bei diesem Thema nicht ernst nehmen. (Beifall bei der SPÖ.)

In zig Anträgen von uns, aber auch von den anderen Oppositionsparteien weisen wir immer wieder auf die Hürden und Probleme beim Kinderbetreuungsgeld hin. Bei uns landen viele Einzelfälle, für die es keine Lösungen gibt. In Summe birgt die Ausgestaltung des Kinderbetreuungsgeldes einfach sehr viele Hürden, sie ist sehr komplex, und viele Einzelfälle ergeben nun einmal ein großes Problem.

Ich weise daher bei jeder Gelegenheit darauf hin, dass es eine Reform des Kinderbetreuungsgeldes braucht. Diese Gesamtreform wäre im Sinne aller: im Sinne der Familien, der Eltern, aber auch im Sinne der Beratungsstellen,
die aufgrund der anfallenden Beratungen einen enormen Aufwand haben. Daher haben wir als Oppositionsparteien im Ausschuss einen gemeinsamen
Antrag eingebracht, der genau diese Reform des Kinderbetreuungsgeldes fordert. Aber – welche Überraschung! – auch dieser Antrag wurde, wie so viele andere, vertagt.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll219. Sitzung, 219. Sitzung des Nationalrats vom 14. Juni 2023 / Seite 146

Das Kinderbetreuungsgeld ist aber sehr wichtig für die Eltern. Es ist allerdings so komplex ausgestaltet, dass es eine aufwendige Beratung braucht, um die
richtige Variante für die spezielle Situation der jeweiligen Familien in jedem ein­zelnen Fall zu finden. An dieser Stelle möchte ich ein großes Dankeschön
an die vielen Beratungsstellen richten, die werdende Eltern dabei unterstützen, das für sie richtige Modell zu finden. (Beifall bei der SPÖ.)

Dass es diese Unterstützung braucht, zeigt aber schon deutlich, dass es Hand­lungsbedarf gibt, dass die Eltern es nicht alleine schaffen. Auch die Volks­anwaltschaft und die Arbeiterkammer haben vor Kurzem gemeinsam darauf hingewiesen, welche Hürden es da gibt. Besonders problematisch ist es,
wenn ein Elternteil im EU-Ausland arbeitet oder lebt. Auch gibt es zum Beispiel einen Fall, wo die Mutter immer noch auf das Kinderbetreuungsgeld wartet,
sie hat es noch immer nicht erhalten, und da reden wir nicht von einigen Monaten, sondern von Jahren, ihre Tochter ist mittlerweile acht Jahre
alt. Manchmal kann man die Bearbeitungsdauer also einfach nicht nachvoll­ziehen. (Beifall bei der SPÖ.)

Es gibt auch einen besonders tragischen Fall, den ich hier schon einmal vorgetra­gen habe. Es ist der Fall jener Mutter, deren Partner am Beginn seiner zwei­monatigen Karenz verstorben ist. Da diese Familie das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld gewählt hatte, gab es für die Mutter keine Möglich­keit mehr, die Karenz des verstorbenen Kindsvaters zu übernehmen. Man sieht also, dass es viele, viele weitere Problemfälle gibt und diese zeigen einfach,
dass es eine Reform braucht.

Wir als Opposition sind uns diesbezüglich einig und es ist jetzt an Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfraktionen, und auch an Ihnen,
Frau Ministerin, einen Reformprozess anzustoßen und den werdenden Eltern damit einige bürokratische Hürden abzunehmen. Ich möchte darum jetzt
noch einmal einen Versuch starten und hoffe auf Ihre Zustimmung.

Ich bringe folgenden gemeinsamen Entschließungsantrag ein:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll219. Sitzung, 219. Sitzung des Nationalrats vom 14. Juni 2023 / Seite 147

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Petra Wimmer, Rosa Ecker, MBA, Michael Bernhard, Kol­leginnen und Kollegen betreffend „dringende Reform des Kinderbetreu­ungsgeldes“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt, wird aufgefordert, die für Familien bestehenden Probleme und Hürden beim Kinderbetreuungsgeld endlich zu beseitigen und dem Nationalrat umgehend eine Reform des Kinderbetreu­ungsgeldgesetzes vorzulegen.“

*****

Ich hoffe heute auf Ihre Zustimmung. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

11.56

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Petra Wimmer, Rosa Ecker, MBA, Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen

betreffend dringende Reform des Kinderbetreuungsgeldes

eingebracht im Zuge der Debatte zum Bericht des Ausschusses für Familie und Jugend über den Antrag 772/A(E) der Abgeordneten Petra Wimmer, Kolleginnen und Kollegen betreffend erweiterter Beobachtungszeitraum für das Erfordernis
der Erwerbstätigkeit beim einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeld (2063 d.B.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll219. Sitzung, 219. Sitzung des Nationalrats vom 14. Juni 2023 / Seite 148

Seit vielen Jahren kämpfen Eltern beim Erhalt des Kinderbetreuungsgeldes mit bürokratischen Hürden und Schikanen. Die betroffenen Eltern klagen dabei sowohl über Probleme mit der aktuellen Gesetzeslage als auch über die Vollzugspraxis.

Am Montag, 22. April 2023 machten Volksanwaltschaft und Arbeiterkammer in einer Pressekonferenz erneut auf die Schwierigkeiten vieler Familien mit dem Kinder­betreuungsgeld aufmerksam und forderten eine Reform dieser so wichtigen Leistung. Dokumentiert wurden unter anderem massive Missstände beim Umgang mit
dem Mutter-Kind-Pass, Ummeldungen des Hauptwohnsitzes und bei arbeitenden Elternteilen im Ausland.1)

Auch im Nationalrat werden die aktuellen Probleme und Hürden beim Kinderbetreu­ungsgeld seit Jahren in zahlreichen Anträgen der Oppositionsparteien thema­tisiert und Verbesserungsvorschläge vorgelegt. Bedauerlicher Weise werden diese von ÖVP und Grünen permanent, mit fadenscheinigen Ausreden vertagt. Bislang fehlt
der zuständigen Familienministerin jede Einsicht, die Reform anzugehen.

Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt, wird aufgefordert, die für Familien bestehenden Probleme und Hürden beim Kinderbetreuungsgeld endlich zu beseitigen und dem Nationalrat umgehend eine Reform des Kinderbetreuungsgeldgesetzes vorzulegen.“

1)   https://volksanwaltschaft.gv.at/downloads

*****



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll219. Sitzung, 219. Sitzung des Nationalrats vom 14. Juni 2023 / Seite 149

Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß einge­bracht und steht mit in Verhandlung.

Herr Abgeordneter Norbert Sieber, Sie gelangen zu Wort. – Bitte.


11.57.13

Abgeordneter Norbert Sieber (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Mi­nister! Hohes Haus! Erlauben Sie mir, dass ich zunächst im Namen mei­nes Kollegen Niki Berlakovich die Seniorengruppe aus Markt Sankt Martin im Burgenland sehr herzlich bei uns im Haus begrüße. (Beifall bei ÖVP,
SPÖ und Grünen.)

Wie gesagt werden unter diesem Tagesordnungspunkt vier Anträge behandelt. Der erste ist der Antrag 772/A(E), in dem es um einen erweiterten Beob­achtungszeitraum für das Erfordernis der Erwerbstätigkeit beim einkommensab­hängigen Kinderbetreuungsgeld geht.

Nun, meine Damen und Herren, dieser Antrag ist schon etwas älter, er wurde immer wieder eingebracht. Die Begründung, die man darin liest, möchte
ich Ihnen nicht vorenthalten: „Die Corona-bedingte massive Steigerung der Arbeitslosigkeit in Österreich führt dazu, dass die ununterbrochen aus­geübte kranken- und pensionsversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit während 182 Kalendertagen vor der Geburt nur schwer erreicht werden kann.“

Meine Damen und Herren, ich glaube, die hohe Arbeitslosigkeit ist nicht das Problem, das wir derzeit haben. Wir suchen eigentlich nach Fachkräften,
nach Mitarbeitern. (Beifall der Abgeordneten Prinz und Steinacker.) Man hätte diesen Antrag auch zurückziehen können, aber wir behandeln ihn hier.

Faktum ist also, dass die Frage ist, warum der Beobachtungszeitraum für das ein­kommensabhängige Kinderbetreuungsgeld nicht von 182 Tagen auf ein
Jahr ausgedehnt wird. Die Begründung ist, dass die Zielgruppe, die betroffen ist, vor der Geburt eigentlich ausschließlich noch erwerbstätig sein muss. Das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld ist ein Ersatz für das Einkommen,


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll219. Sitzung, 219. Sitzung des Nationalrats vom 14. Juni 2023 / Seite 150

das aufgrund der Geburt wegfällt, und eben kein Ersatz für jene Einkom­men, die schon lange zurückliegen. Das ist eine Systematik, die einfach vorgege­ben ist, und die wir auch nicht einfach durchbrechen können.

Die Beamten im Ministerium sagen auch sehr klar, dass ihrer Erfahrung nach der Zeitraum von 182 Tagen durchaus angemessen und auch treffsicher ist. Es
ist auch so, dass in dieser Zeit eine Unterbrechung von 14 Tagen möglich ist, da­mit werden entsprechende Härtefälle abgefedert. Für arbeitslose oder er­werbslose Eltern besteht das Kinderbetreuungsgeldkonto. Das ist eben nicht das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld, sondern das Kinderbetreu­ungsgeldkonto mit großzügigen Zuverdienstmöglichkeiten. Wir werden diesem Antrag deswegen auch nicht nähertreten.

Der zweite Antrag ist der Antrag 3156/A(E) und darin geht es um eine Härte­fallregelung. Dieses Thema ist uns allen auch sehr wichtig.

Ja, es kommt immer wieder zu Härtefällen, die auch entsprechend abgefedert werden können – ich möchte aber dazusagen, dass es eine sehr begrenz­te, geringe Anzahl von Härtefällen ist, die da im Ressort ankommen. Auch da soll jedoch eine Lösung gefunden werden, deswegen werden wir diesem
Antrag zustimmen. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Neßler.)

Beim Antrag 1131/A(E) des Kollegen Michael Bernhard geht es um „Mehr individuelle Freiheit beim Kinderbetreuungsgeld“. Warum können die
Eltern beim Kinderbetreuungsgeld für dasselbe Kind nicht unterschiedliche Sys­teme wählen? – Meine Damen und Herren, das Kinderbetreuungsgeld ist
auf Partnerschaftlichkeit ausgerichtet und eben nicht auf einen Individualbezug. In beiden Systemen bestehen jeweils unterschiedliche Anspruchsvorauss­etzungen, Regelungen und Gesamtbeträge – die Vermischung der Systeme ist aufgrund der unterschiedlichen Zielsetzungen ganz einfach nicht möglich.

Eine spezielle Regelung gibt es beim einkommensabhängigen Kinderbetreuungs­geld: Erfüllt ein Elternteil nicht das Erwerbstätigkeitserfordernis, so gebührt


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll219. Sitzung, 219. Sitzung des Nationalrats vom 14. Juni 2023 / Seite 151

bei Erfüllung sämtlicher anderer Anspruchsvoraussetzungen auf Antrag ein ein­kommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld in Höhe von 35,85 Euro täglich.
Der Erwerbstätige bekommt demnach ein einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld. Die Praxistauglichkeit der Regelung ist ganz einfach gegeben, deswegen wird dieser Antrag von uns ebenfalls abgelehnt.

Der vierte Antrag ist der Antrag 2748/A(E), ebenfalls von den NEOS, in dem die Regierung aufgefordert wird, „eine Reform des Mutterschutzgesetzes, des Väter-Karenzgesetzes und des Kinderbetreuungsgeldgesetzes vorzulegen, die eine EU-konforme Umsetzung der Richtlinie 2019/1158 garantiert
und beiden Elternteilen die gleichzeitige Nutzung von Karenzzeiten erlaubt.“

Der Großteil dieser Materie liegt nicht in der Zuständigkeit des Fami­lienausschusses. Das gehört eigentlich in das Wirtschaftsministerium, in das Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft – dort wird der Großteil
dieser Richtlinie geregelt, und nicht im Bereich des Flaf.

Eines ist mir aber schon wichtig zu betonen: Wenn es um den Bereich der Ver­gütungen geht – da liegt die Zuständigkeit im Familienressort –, wird die Richtlinie durchaus übererfüllt, da gibt es Regelungen, die sehr gut sind, und da­her werden wir diesen Antrag ebenfalls ablehnen. – Danke. (Beifall bei der
ÖVP sowie der Abgeordneten Neßler und Schwarz.)

12.02


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Rosa Ecker. – Bitte.


12.02.50

Abgeordnete Rosa Ecker, MBA (FPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Minis­ter! Es wurde schon öfter erwähnt, dass immer sehr viele Anträge der Op­position in den Ausschüssen liegen, auch im Familienausschuss – und
es gibt auch sehr viele Anträge, die eine Änderung des Kinderbetreuungsgeldes fordern. (Ruf bei der SPÖ: Die sie alle ablehnen!)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll219. Sitzung, 219. Sitzung des Nationalrats vom 14. Juni 2023 / Seite 152

Einige dieser Anträge dürfen wir heute hier diskutieren, manche davon wurden mehrmals im Ausschuss vertagt oder schubladisiert, kann man sagen.
Die dringend notwendige Reform des Kinderbetreuungsgeldes, der Abbau von Hürden bei Anträgen auf Kinderbetreuungsgeld, Verkürzung der Warte­zeit auf das Kinderbetreuungsgeld: All das wurde vertagt, obwohl es da dringend Änderungen braucht. Eines wurde auch schon gesagt, aber man kann es
nicht oft genug betonen: Nicht die Opposition allein glaubt, diese Änderungen wären notwendig, nein, es gibt sachlich begründete fachliche Kritik, von
der Arbeiterkammer und auch von der Volksanwaltschaft, und all das stärkt die Anträge der Opposition.

Sehr geehrte Damen und Herren, Sie werden sich jetzt vielleicht fragen: Warum haben es manche Anträge dann doch auf die heutige Tagesordnung ge­schafft? – Nun, weil es die schwarz-grünen Regierungsfraktionen im Ausschuss nicht schafften, die Vertagungsanträge zu stellen! Man kann jetzt sagen,
die SPÖ kann nicht bis 600 zählen – die ÖVP kann nicht bis zehn zählen! (Ruf bei der ÖVP: Hallo, hallo!)

So kommt es eben, dass einige Anträge zu diesen Änderungen von den Regie­rungsparteien heute gleich ganz abgelehnt werden, obwohl es notwendig
wäre, den Beobachtungszeitraum für das Erfordernis der Erwerbstätigkeit beim einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeld zu verlängern, und obwohl
es mehr Individualität bei gleichzeitiger unbürokratischer Abwicklung bräuchte, und zwar zum Vorteil, nicht zum Nachteil der Eltern. So werden wir aber
zu keiner Lösung kommen. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenigstens zu einem freiheitlichen Antrag gibt es heute von allen Parteien Zustimmung: Zukünftig soll es beim einkommensabhängigen Kinderbe­treuungsgeld eine Härtefallregelung analog zum pauschalierten Kinderbetreu­ungsgeld geben. Das ist wichtig, denn, sehr geehrte Damen und Her­ren, stellen Sie sich vor, ein Elternteil nimmt sich Zeit für das Kind, beantragt einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld und wird dann aber schwer krank und muss vielleicht in einer Pflegeanstalt betreut werden oder verstirbt


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sogar. Es gibt auch andere Gründe – es kann etwa auch sein, dass ein Elternteil in Haft kommt –, aber jedenfalls gibt es dann für den anderen Elternteil kei­ne Möglichkeit mehr, das Kinderbetreuungsgeld weiter zu beziehen.

Die Betroffenen stehen damit nicht nur im Privaten vor einer im Moment oft ausweglosen Situation, sondern sind auch mit enormen finanziellen Nach­teilen konfrontiert. Es gab früher eine Härtefallregelung, die 2017 ohne Angabe von Gründen abgeschafft wurde. Aufgrund unseres Antrages wird es diese hinkünftig wieder geben, wenn die Regierung dazu auch tatsächlich
einen Gesetzentwurf ausarbeitet.

Frau Minister, Sie sagten beim Hearing zum Kinderrechte-Volksbegehren, Familien gehörten ins Zentrum Ihrer Politik, und es brauche Lösungen, die nahe an den Wünschen der Familien seien: Ja, Frau Minister, da geben wir Ihnen eindeutig recht – aber Sie müssen schon auch vom Reden ins Tun kom­men, denn Familien wünschen sich und brauchen unbedingt eine Überarbeitung des Kinderbetreuungsgeldes!

Es braucht eine einfache Antragstellung, es braucht bürgerfreundliche Unterstützung dabei, es braucht eine raschere Bearbeitung, und es braucht vielleicht auch eine Bevorschussung, denn das ist zurzeit zu kompliziert
und dauert zu lange. Das kann auch passieren aufgrund zeitlich verspäteter Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen, weil Stempel fehlen, das Datum nicht exakt eingehalten wurde oder die E-Mail-Adresse nicht korrekt ist, diesen Fall
haben wir sicherlich alle verfolgt. All das führt zu Rückzahlungen oder zur Ein­stellung des Bezuges. – Österreich wollte einmal das kinderfreundlichste
Land Europas werden, so wird das nicht gelingen! (Beifall bei der FPÖ.)

12.06


Präsidentin Doris Bures: Nun ist Frau Abgeordnete Barbara Neßler zu Wort gemeldet. – Bitte.



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12.06.53

Abgeordnete Barbara Neßler (Grüne): Geschätzte Kollegen und Kolleginnen! Ja, die Härtefälle beim Kinderbetreuungsgeld stellen für die betroffenen
Familien eine enorme finanzielle Belastung dar, und ja, diese Lücken gilt es zu schließen. Ich bin daher froh über den Antrag zum einkommensabhängi­gen Kinderbetreuungsgeld, auch wenn wir dieses Thema bei den Verhandlungen zur Vereinbarkeitsrichtlinie schon auf dem Radar hatten.

Es darf nämlich nicht sein, dass sich die geltenden Regelungen negativ auf die Vereinbarkeit und die Aufteilung bei der Kinderbetreuung auswirken. In
einer modernen Welt, in der Gleichberechtigung und Chancengleichheit unsere Ziele sein müssen, müssen wir uns eingestehen, dass wir noch einen wei­ten Weg vor uns haben, insbesondere, wenn es um die Verteilung der sogenann­ten Carearbeit, also der unbezahlten Arbeit wie Hausarbeit oder Kinder­erziehung, geht.

Es gibt aber auch abseits der Sorgearbeit noch eine Arbeit, die für vollkommen selbstverständlich gehalten wird, eine Arbeit, die niemand sieht. Wenn
ich jetzt davon spreche, werden wahrscheinlich einige Mamas hier im Saal mit dem Kopf nicken, es geht um den sogenannten Mental Load, also darum,
das Familienleben im Kopf managen zu müssen: Mama, wo ist die Jause? Mama, ist meine Jean schon gewaschen? Zahnarztkontrollen müssen ausgemacht, Geschenkideen überlegt werden. Was mache ich zum Abendessen, was muss ich alles für den Schulausflug packen? Es ist die unsichtbare Arbeit, dass Mamas immer alles im Kopf haben müssen, während sie nebenbei die tatsächliche Arbeit erledigen.

Das ist so, als hätte man einen Browser mit ganz vielen Tabs offen, dazu kom­men ständig neue Tabs, und man kann sie nicht schließen. Es ist eine un­endlich lange To-do-Liste, es ist eine Never-ending Story, die man permanent im Hinterkopf hat, die man mit sich herumschleppt und eigentlich nicht loswird.


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Das Unfaire dabei ist: Das ist unsichtbare Arbeit, die alle für selbstverständlich halten und die niemand sieht, außer irgendetwas funktioniert einmal nicht.
Es fällt immer erst dann auf, wenn irgendetwas nicht da ist, wenn irgendetwas nicht funktioniert. Alles soll reibungslos ablaufen – und wenn dann irgend­etwas nicht funktioniert, ist natürlich die Mama dafür verantwortlich. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch. – Abg. Loacker: Eine wenig emanzipierte Rede ist das!)

Es geht da nicht nur um fehlende Wertschätzung, sondern auch darum, dass wir uns dieser unbezahlten Arbeit – und das ist eine Heidenarbeit! – überhaupt einmal bewusst werden. Es geht darum, dass diese Arbeit, die oft unbe­merkt bleibt oder als nicht der Rede wert abgestempelt wird, sichtbar gemacht wird. Die ständige mentale Belastung und die Erwartungen, wie eine gute Mutter zu sein hat, können nämlich zu Ermüdung und Überforderung führen. Nicht selten tappt man dann auch noch in die Perfektionsmusfalle und
kümmert sich um alle anderen, vergisst dabei aber auf sich selber. Es geht bei der fairen Aufteilung zwischen Mann und Frau auch um die Verantwortungs­aufteilung dieser unsichtbaren Arbeit.

Mental Load ist nicht nur psychisch belastend, sondern hat auch Auswirkungen auf die Chancengleichheit von Frauen im Berufsleben, denn diese zusätz­liche Verantwortung und Belastung kann Karrierechancen einschränken und zu einer ungleichen beruflichen Weiterentwicklung führen. Genau deshalb
ist es wichtig, Verantwortung fair zu verteilen, ohne Schuldzuweisungen, ohne Vorwürfe; einfach nur, weil es gerecht ist, einfach nur, weil Frauen die
gleichen Chancen verdient haben, einfach nur, weil eine gerechte Gesellschaft selbstverständlich sein sollte, und einfach nur, weil wir das Jahr 2023
haben und es schlichtweg an der Zeit ist. (Beifall bei den Grünen und bei Abge­ordneten der ÖVP.)

12.10


Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Herr Abgeordneter Michael Bernhard zu Wort. – Bitte.



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12.11.00

Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Mi­nisterin! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Ich fühle mich als Jungvater
von Frau Kollegin Neßler nicht richtig angesprochen, fast schon diskriminiert, denn Mental Load existiert natürlich, aber es gibt ganz, ganz viele sehr unterschiedliche Formate, in denen Familien zusammenleben und auch gemein­sam Verantwortung übernehmen, und ich finde es etwas moralisierend
(Abg. Neßler: Heißt nicht, dass Väter das nicht machen! Aber die Hauptverantwor­tung ...!), weil wir ja tatsächlich in dieser Debatte darüber reden, ob wir
aus staatlicher Sicht die richtigen Rahmenbedingungen schaffen, dass beide gleich gut Verantwortung übernehmen können; und da ist es im
Moment so, dass das eben noch nicht richtig funktioniert.

Es hat von NEOS-Seite zwei konkrete Anträge gegeben, die abgelehnt worden sind. Sie sind sehr leicht zu beschreiben. In dem einen geht es darum, dass
wir das Kinderbetreuungsgeld dahin gehend reformieren wollen, dass ein Eltern­teil eine Pauschale als Kinderbetreuungsgeld nehmen kann und der:die
andere ein einkommensabhängiges. Dass es in Summe natürlich nicht mehr sein darf, als andere haben, ist klar, aber das würde ermöglichen, dass der
eine oder die andere länger und der zweite Elternteil dann kürzer, aber mit ei­nem höheren Einkommen zu Hause bleibt. Das entspricht stärker der Lebensrealität, als dass sich zwei auf ein Modell einigen und sich dann auch langfristig daran halten müssen. Das zeigt das Leben.

Die andere konkrete Forderung, die wir in einen Antrag gepackt und im Fami­lienausschuss auch versucht haben für die Familien in Österreich durchzu­bringen, ist, dass Elternteile länger gleichzeitig zu Hause bleiben können. Mir ist klar – auch uns als NEOS ist klar –, dass die Intention ursprünglich war,
dass man Geld dafür bekommt, dass das Kind zu Hause statt im Kindergarten betreut wird. Die Idee, dass Eltern einerseits das Kinderbetreuungsgeld
auch gemeinsam im selben Zeitraum kürzer beziehen können – aber länger, als es derzeit der Fall ist –, und auch mit Unterbrechungen, ist ebenfalls


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einem modernen Familien- und Erwerbsleben geschuldet. Es geht darum, dass Eltern stärker für sich konzipieren können, wie sie das Kinderbetreuungs­geld in Anspruch nehmen können.

Die Regierungsfraktionen haben im Ausschuss dagegen gestimmt und werden das auch heute. Es gibt hier ein klares Commitment vonseiten der ÖVP
und der Grünen, dass es nicht erwünscht ist, dass Eltern gemeinsam einen län­geren Zeitraum zu Hause sein können und dann auch schneller gemein­sam wieder in die Erwerbstätigkeit zurückkommen, und es ist anscheinend auch nicht erwünscht, dass man das Kinderbetreuungsgeld so flexibel gestaltet,
dass der eine Elternteil ein pauschales und der andere Elternteil ein einkommens­abhängiges hat. Das sind aber unsere Anreize. Wir wollen ein Familien­bild ermöglichen, das zu Hause und nicht durch den Staat definiert wird, und dafür braucht es Familienleistungen, die alles offen lassen, und das ist derzeit leider nicht der Fall. (Beifall bei den NEOS.)

Zu den beiden Anträgen, von denen einer im Familienausschuss angenommen und einer abgelehnt worden ist, eine kurze Stellungnahme von unserer
Seite: erstens zum Antrag der Kolleginnen Mühlberghuber und Rosa Ecker, in dem es darum geht, dass eine Härtefallregelung beim einkommensab­hängigen Kinderbetreuungsgeld gefunden wird. Die Kollegin hat im Familien­ausschuss sehr klar Szenarien von Härtefällen aufgezeigt, wo Hinterblie­bene plötzlich mit einer schlimmen Situation konfrontiert sind. Für solche Fälle brauchen wir eine bessere Lösung. Das werden wir heute gerne hier im
Plenum unterstützen.

Im Antrag von Frau Kollegin Wimmer wird gewünscht, dass wir den Beob­achtungszeitraum für das Erfordernis der Erwerbstätigkeit beim einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeld erweitern. Das sehen wir kritisch, deswegen wollen wir da heute auch nicht zustimmen, einfach aus dem Grund, dass das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld ja aus der
Logik heraus besteht, dass jemand aus einer Tätigkeit heraus ungekündigt in ein


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einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld geht und dann auch wie­derum zurück in diese Tätigkeit kann. Das würde der Logik widersprechen, und daher gibt es von unserer Seite keine Zustimmung.

Insgesamt – und damit schließe ich – zeigen diese zahlreichen Anträge im Fa­milienausschuss, dass es beim Kinderbetreuungsgeld maßgeblichen Re­formbedarf gibt, nämlich dass man mehr Möglichkeiten, aber auch mehr Anreize für die Eltern schafft, kürzer in Karenz zu gehen und rascher in die Erwerbs­tätigkeit zurückzukommen. Der Reformbedarf ist klar, und wir erwarten von der Frau Ministerin, dass sie zeitnah konkrete Vorschläge liefert. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

12.15


Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich Frau Ministerin Susanne Raab zu Wort gemeldet. – Bitte.


12.15.37

Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Susanne Raab: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Eingangs
möchte ich mich ganz herzlich bei den Abgeordneten für die gute Zusammenar­beit im Familienausschuss bedanken. Viele Ideen, Anregungen, die die Bürgerinnen und Bürger an Sie alle herantragen, werden im Familienausschuss debattiert, und viele davon haben wir auch in den letzten Jahren aufge­nommen und folglich haben sie auch Eingang in Gesetzesreformen gefunden.

Wenn man das Kinderbetreuungsgeld betrachtet, so ist schon klar, dass Österreich innerhalb der gesamten Union eines der großzügigsten Kinderbetreu­ungsgeldsysteme hat, sowohl was die Höhe als auch was die Dauer betrifft.
Man kann sicherlich über vieles beim Kinderbetreuungsgeld sprechen, aber klar ist, dass es unfassbar flexibel ist. Es bietet für alle möglichen Lebenssitua­tionen Möglichkeiten. Man kann das Kinderbetreuungsgeld alleine, zu zweit, zu gleichen Teilen, zu unterschiedlichen Teilen in Anspruch nehmen, man
kann es pauschal beziehen, man kann es einkommensabhängig beziehen, es gibt


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zig Wahlmöglichkeiten, die natürlich am Ende des Tages auch ein gewisses komplexes System bedeuten, weil sich die Familien damit auseinan­dersetzen müssen, welches Modell jenes ist, das für ihre Familie am besten passt. Sie bedeuten aber eben auch, dass wir die Wahlfreiheit und die Wahlmöglichkeit für die Familien durch dieses flexible Modell sicherstellen.

Das schätzen die Eltern auch, das zeigen auch unsere Erhebungen. Jüngst hat ei­ne Erhebung vom Österreichischen Institut für Familienforschung gezeigt,
dass die Eltern mit dem System des Kinderbetreuungsgeldes sehr zufrieden sind, aber wir wollen natürlich immer schauen, wo wir uns noch verbessern
können, und wie gesagt, das haben wir in den letzten Jahren mit Ihrer Hilfe auch getan.

Wir haben ja zusätzlich zur Valorisierung des Familienzeitbonus und des Kinderbetreuungsgeldes, was ein historischer Meilenstein ist, auch noch weitere Maßnahmen gesetzt. Beispielsweise entfällt für Geburten ab 1. Jänner 2023
die Anrechnung des Familienzeitbonus auf ein vom Vater später bezo­genes Kinderbetreuungsgeld. Dadurch fällt eine Hürde für Familien, und die Väterbeteiligung wird hoffentlich auch gestärkt. Außerdem gibt es
seit 2023 eine Erhöhung der Zuverdienstgrenze beim KBG-Konto, beim einkom­mensabhängigen Kinderbetreuungsgeld und bei der Beihilfe.

Ganz wichtig war in der Debatte, dass das Kinderbetreuungsgeld immer auch mit der Familienbeihilfe zusammenhängt, und das hängt wiederum mit dem
Mutter-Kind-Pass zusammen. Wir haben jetzt die Digitalisierung des Mutter-Kind-Passes, neu: Eltern-Kind-Pass, beschlossen, und das wird dazu füh­ren, dass wir auch Reibungsverluste im Prozess ausmerzen können, weil die Da­ten auch automatisch geteilt werden und es so einfach zu einer unbüro­kratischen Abwicklung des Kinderbetreuungsgeldes kommen wird. Also auch hier: Durch die Digitalisierung erhoffen wir uns einen Fortschritt in der operativen Abwicklung. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

12.18



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll219. Sitzung, 219. Sitzung des Nationalrats vom 14. Juni 2023 / Seite 160

Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Herr Abgeordneter Maximilian Köllner zu Wort. – Bitte.


12.19.05

Abgeordneter Maximilian Köllner, MA (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Namen von Kollegen Alois
Schroll darf ich zunächst die Lehrlinge von der Austrian Power Grid hier im Ho­hen Haus begrüßen! (Allgemeiner Beifall.)

Nun aber zurück zum Kinderbetreuungsgeld: Ich glaube, allein die Anzahl der Anträge, die im letzten Familienausschuss eingebracht wurden, zeigt unmissverständlich, dass eine Reform beim Kinderbetreuungsgeld unausweich­lich ist. Es gab insgesamt acht Anträge der Opposition, die allesamt das­selbe Ziel verfolgen, nämlich Erleichterungen und Verbesserungen für Familien. Die Anzahl der Anträge stützt sich auch auf die steigende Anzahl von Be­schwerden von Eltern.

Laut einer aktuellen Umfrage der Arbeiterkammer sind 60 Prozent mit der Bürokratie beim Kinderbetreuungsgeld unzufrieden; und es gibt auch zahlreiche Anrufe betroffener Eltern, die an familienfeindlichen Hürden verzweifeln.

Frau Ministerin, Sie kennen mittlerweile sicherlich einige dieser Härtefälle, und ich glaube, da ist es nicht mehr so flexibel, wie Sie gerade gesagt haben.
Es gibt Familien, die seit acht langen Jahren auf das Kinderbetreuungsgeld war­ten müssen, die in zwei Instanzen Recht bekommen haben, die Behörde
hat aber erneut Rechtsmittel eingelegt. Frau Kollegin Wimmer hat das angespro­chen. Es gibt aber auch Unklarheiten bei den Zuverdienstregeln, Probleme
im Zuge von Ummeldungen des Wohnsitzes, Missstände im Umgang
mit dem Mutter-Kind-Pass und vieles mehr. Allzu oft führen diese Probleme natürlich auch zu unmittelbaren, inkulanten und oft auch unfairen Rück­forderungen. Das ist natürlich auch auf den Weisungskatalog des Familienminis­teriums zurückzuführen, der sehr streng ist und eine wenig soziale Rechts­anwendung vorschreibt.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll219. Sitzung, 219. Sitzung des Nationalrats vom 14. Juni 2023 / Seite 161

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Gesundheitskasse können da natürlich nicht wirklich proaktiv und versichertenfreundlich beraten. Wenn man
dann noch hört, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die bei solchen Härte­fällen eine kundenfreundliche Entscheidung treffen möchten, von Mit­gliedern des Familienministeriums bei der Staatsanwaltschaft angezeigt werden, dann ist das, glaube ich, ein weiteres trauriges Indiz dafür, dass da großer Handlungsbedarf besteht. Das heißt, was wir brauchen, ist eine schnelle Entbü­rokratisierung. Wir brauchen eine schnelle Beseitigung von Fallstricken
bei der Gesetzesvollziehung und wir benötigen vor allem Ihren raschen Willen, sehr geehrte Damen und Herren von ÖVP und Grünen, die gesetzlichen Grundlagen dahin gehend zu verbessern und damit auch familienfreundlicher zu handeln. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich glaube, die Familien haben aufgrund der Teuerungswelle ohnehin schon genug zu kiefeln – dafür ist sicher auch Ihre Untätigkeit bei der struktu­rellen Bekämpfung der Teuerung verantwortlich –, und da brauchen sie nicht noch zusätzliche Hürden. Seitens der Opposition, von allen Opposi­tionsparteien wurden genug Vorschläge eingebracht. Sie müssen nichts anderes tun, als diese endlich einmal umzusetzen. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

12.22


Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Herr Abgeordneter Christian Ries
zu Wort. – Bitte.


12.22.43

Abgeordneter Christian Ries (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bun­desminister! Herr Bundesminister! Werte Damen und Herren des Hohen Hauses! Jenen, die heutzutage in Österreich Kinder in die Welt setzen, denen verdanken wir eigentlich unsere Zukunft, denn eine Zukunft ohne Kinder
gibt es schlichtweg für eine Gesellschaft nicht. (Beifall bei der FPÖ
sowie des Abg. Wöginger.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll219. Sitzung, 219. Sitzung des Nationalrats vom 14. Juni 2023 / Seite 162

Leider ist es vielen Paaren aus organischen Gründen nicht möglich, Eltern zu werden; umso mehr müssen wir uns um jene Paare kümmern, die das
können und die das auch sollen, und die vielleicht Zweifel haben, ob sie das wirtschaftlich schaffen können. Kinder sind – und da sollten wir uns überfraktionell einig sein – nicht nur eine Bereicherung für die Eltern, sie sind auch so etwas wie eine Überlebensgarantie für die Gesellschaft. Daher
ist es, werte Damen und Herren, für unsere Gesellschaft schlicht überlebens­wichtig, dass wir Rahmenbedingungen und Voraussetzungen schaffen,
die Kinderreichtum in Österreich begünstigen.

Wir wissen, unsere demografische Entwicklung in Österreich ist alles andere als günstig. In naher Zukunft werden die letzten Jahrgänge der Babyboomer­generation in Pension gehen. Dazu kommt, dass geburtenschwächere Jahrgänge im Aktivstand das Sozialsystem und das Pensionssystem absichern müssen
und dass das Berufseintrittsalter immer weiter steigt. Das ist so. Ich halte diese Entwicklung für unsere Gesellschaft für weit bedrohlicher als andere
Szenarien, die in düsteren Farben an die Wand gemalt oder auf den Boden geklebt werden.

Eines muss uns schließlich auch klar sein: Wenn wir unser System sichern wollen, werden wir wohl nicht mehr an der Steuerschraube drehen können. Bis zum 15. August jedes Jahres arbeiten Herr und Frau Österreicher schon
für den Finanzminister und erst dann für den eigenen Haushalt. Das ist gegen­wärtig schon zu viel und da gibt es keinen Spielraum nach oben. Das halte
ich für ausgeschlossen. (Beifall bei der FPÖ.)

Daher ist für uns die Sicherung der wirtschaftlichen Existenz von Eltern ein Muss und das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld ist eine Variante
davon. Es wurde schon gesagt, dass es – etwa durch einen Schicksalsschlag – dazu kommen kann, dass von zwei Elternteilen nur noch einer übrig ist,
an dem dann alles hängen bleibt: Dieser muss dann die wirtschaftliche Sicherheit und die Kinderbetreuung gewährleisten. Während es beim pauschalierten Kinderbetreuungsgeld möglich ist, eine Härtefallregelung in Anspruch


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll219. Sitzung, 219. Sitzung des Nationalrats vom 14. Juni 2023 / Seite 163

zu nehmen, gibt es diese beim einkommensabhängigen nicht. Daher haben wir uns entschlossen, dass das repariert werden muss, und wir haben im
Februar einen Antrag dazu eingebracht.

Was ist passiert? – Im März wurde der Antrag von den Regierungsfraktionen vertagt; und im Juni wäre dieser Antrag vermutlich auch wieder vertagt
worden, wäre da nicht eine Geschäftsordnungspanne im Ausschuss passiert. Wenn Kollegin Neßler sagt, Sie hatten es schon am Radar, dann seien Sie ehrlich: Sie hatten es am Vertagungsradar und sonst nirgends! (Beifall bei der FPÖ.)
Nur weil Ihnen dieser Lapsus im Ausschuss passiert ist, haben wir diesen Punkt heute auf der Tagesordnung.

Wenn schon die Volksanwaltschaft sagt, dass der Inhalt dieses Antrages zu un­terstützen ist, weil die Härtefallregelung jedem zugutekommen muss,
dann frage ich mich: Warum bedarf es erst einer Geschäftsordnungspanne im Ausschuss, damit sich die ÖVP wieder auf Werte wie den Schutz der
Familie besinnt? (Ruf bei der ÖVP: Na, na, na, na!) – Ja, das frage ich mich, lieber Kollege. Bei den Grünen frage ich mich das nicht, denn die sind hier im
Haus eher eine nachwuchstechnische Sahelzone, die haben andere Prioritäten. (Beifall bei der FPÖ.)

Werte Damen und Herren! Wer nicht wie Karl Marx oder seine Bewunderer – und die soll es auch noch geben – der Meinung ist, dass man Kinder mög­lichst rasch den Eltern entziehen muss (Ruf bei den Grünen: Was genau ...?), der darf sich da einer Zustimmung nicht verwehren, denn die elterliche Für­sorge in den ersten Lebensjahren ist einfach unersetzlich. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Kucharowits: 2023 ...! Das ist ja unfassbar! Ist ja unfassbar, oder?!)

12.27


12.27.27

Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll219. Sitzung, 219. Sitzung des Nationalrats vom 14. Juni 2023 / Seite 164

Ist seitens der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Damit kommen wir zu den Abstimmungen, die ich über jeden Ausschuss­antrag getrennt vornehme.

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 2: Antrag des Aus­schusses für Familie und Jugend, seinen Bericht 2063 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer spricht sich für die Kenntnisnahme aus? – Das ist mit Mehrheit zur Kenntnis genommen.

Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Petra Wimmer, Rosa Ecker, Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend „drin­gende Reform des Kinderbetreuungsgeldes“.

Wer sich für diesen Entschließungsantrag ausspricht, den bitte ich um ein Zei­chen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Abstimmung über Tagesordnungspunkt 3, die dem Ausschussbericht 2064 der Beilagen angeschlossene Entschließung betreffend „Härtefall-Regelung
beim einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeld“.

Wer spricht sich dafür aus? – Das ist einstimmig angenommen. (326/E)

Abstimmung über Tagesordnungspunkt 4: Antrag des Ausschusses für Familie und Jugend, seinen Bericht 2065 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer ist für diese Kenntnisnahme? – Der Bericht ist mit Mehrheit zur Kenntnis genommen.

Abstimmung über Tagesordnungspunkt 5: Antrag des Ausschusses für Familie und Jugend, seinen Bericht 2066 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer ist für diese Kenntnisnahme? – Das ist mit Mehrheit zur Kenntnis genommen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll219. Sitzung, 219. Sitzung des Nationalrats vom 14. Juni 2023 / Seite 165

12.29.146. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (2048 d.B.): Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über Zweckzuschüsse an
Länder und Gemeinden für die Durchführung der Corona-Schutzimpfung (COVID-19-Impffinanzierungsgesetz) und ein Bundesgesetz, mit
dem Übergangsbestimmungen für das COVID-19-Maßnahmengesetz getroffen werden, erlassen und das Epidemiegesetz 1950, das Allgemeine Sozialver­sicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das
Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken-und Unfallver­sicherungsgesetz, das Apothekengesetz, das Arzneimittelgesetz, das Ärztegesetz 1998, das Psychotherapiegesetz, das Sanitäterge­setz, das Gehaltsgesetz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948 und das Bundesgesetz, mit dem zur Abdeckung des Bedarfes zur Bekämpfung
der Covid-19-Pandemie Ermächtigungen zur Verfügung über Bundesvermögen erteilt werden, geändert werden (COVID-19-Überführungsgesetz)
(2054 d.B.)

7. Punkt

Bericht und Antrag des Gesundheitsausschusses über den Entwurf eines Bun­desgesetzes, mit dem das Suchtmittelgesetz geändert wird (2055 d.B.)

8. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (2053 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Apothekengesetz und das Arzneimittelge­setz geändert werden (2057 d.B.)

9. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 3216/A(E) der Abgeordneten Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen betreffend


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll219. Sitzung, 219. Sitzung des Nationalrats vom 14. Juni 2023 / Seite 166

Auflösung der Covid-19-Impfbeschaffungsverträge mit dem Pharma­konzern Pfizer (2058 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir nun zu den Tagesordnungspunk­ten 6 bis 9, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Erster Redner: Herr Abgeordneter Rudolf Silvan. – Bitte.


12.30.26

Abgeordneter Rudolf Silvan (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren hier auf der Galerie und zu Hause! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Durch das Covid-19-Überführungsgesetz wer­den zahlreiche Regelungen, die während der Pandemie eingeführt wurden, wieder zurückgenommen. Das ist grundsätzlich gut so. Aus unserer Sicht greift es jedoch etwas zu weit, weil es nach wie vor Risikogruppen gibt, deren
Leben durch Ansteckung mit Covid-19 in höchstem Maß gefährdet ist. Es gibt Menschen, die nach wie vor mit Covid-Erkrankungen auf Intensivsta­tionen liegen.

Insbesondere, Herr Minister, ist die Abschaffung der kostenlosen Testungen nicht gerechtfertigt. Es gibt leider nach wie vor Gruppen, die von einer Coronaerkrankung besonders betroffen wären. Um auch ihnen die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen, sollten zumindest für
die vulnerablen Gruppen Testungen weiterhin gratis angeboten werden.

Kritik zu diesem Überführungsgesetz kommt auch aus den Ländern, die sich eigentlich für die Impfungen nicht zuständig erklären. Die Impfungen
sind nach wie vor von den Sozialversicherungen durchzuführen. Dazu kommt natürlich auch, dass der Kostenersatz für die Impfungen von 20 Euro
pro Impfung aus Sicht der Länder zu gering ist. Außerdem fehlen den Ländern entsprechend gleiche Kostenersatzregelungen für die KFAs.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll219. Sitzung, 219. Sitzung des Nationalrats vom 14. Juni 2023 / Seite 167

Eine niedergelassene Ärztin aus Niederösterreich, eine Ärztin, die sehr viel Er­fahrung mit Covid-Patienten gesammelt hat, beschreibt das in einer Stel­lungnahme wie folgt: „der vorliegende Gesetzesentwurf“ ist „zu unbesorgt.“ Man weiß mittlerweile, „dass wiederholte Infektionen“ mit Covid „weitere Zer­störung im Körper anrichten, im Immunsystem, in den Gefäßen, in vielen Orga­nen“. Das „Überbordwerfen aller Vorsicht“ ist gerade für Risikogruppen
„eine allzu gewagte Haltung.“ – Deswegen werden wir diesem Entwurf nicht zustimmen.

Herr Minister, es wäre jetzt auch an der Zeit, ein zeitgemäßes Epidemiegesetz in Angriff zu nehmen und die Erfahrungen aus der Epidemie in Zusammenar­beit mit Bund, Ländern, Gemeinden und Sozialversicherungen in ein entspre­chendes Gesetz zu gießen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen und auch Herr Bundesminister! Weil wir heute so viel über Reformen gesprochen haben, hätte ich auch eine Bitte aus
unserer sozialdemokratischen Parlamentsfraktion: Nehmen Sie diese schwarz-blaue, katastrophale Sozialversicherungsreform wieder zurück (Beifall bei
der SPÖ),
die die Krankenversicherungsträger – vor allem die Österreichische Gesundheitskasse, in der die Landesstellen der Österreichischen Gesund­heitskasse nichts zu sagen haben, keine Kompetenzen haben – in Wirklichkeit lähmt! Schluss mit dieser Fremdverwaltung von Arbeitnehmer:innengel­dern! Es ist höchst an der Zeit, dass die Arbeitnehmer ihre Kasse wieder selbst verwalten. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir haben gestern gesehen, wohin das führt, nämlich, dass der ÖVP-Wirt­schaftsbund im Verwaltungsrat der ÖGK bei den zusätzlichen Kassenarztstellen dagegengestimmt hat (Abg. Singer: Stimmt nicht! –weitere Zwischenrufe bei der ÖVP), wie das die ÖVP immer wieder tut. (Beifall bei der SPÖ.) Seit 35 Jahren sitzt die ÖVP in der Regierung und blockiert alles, was etwas dazu beitra­gen kann, dass dieser Staat etwas moderner wird. (Abg. Gerstl: Immer
wieder falsch!)
Ob das im Bildungsbereich ist, im Gesundheitsbereich ist, egal was


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es ist: ihr blockiert. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Gerstl: Es wird nicht wahrer! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Deshalb bringe ich folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Gesundheitsversorgungspaket“

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend eine Regierungsvorlage zu übermitteln, mit der ein Gesundheitsversorgungspaket mit folgenden Schwerpunkten umgesetzt wird:

- Rückabwicklung des mit dem Sozialversicherungs-Organisationsgesetz erfolgten Entzuges der finanziellen Mittel für die ÖGK und Schaffung eines Risi­kostrukturausgleichs zwischen den Krankenversicherungsträgern, um die Leistungsharmonisierung und den Leistungsausbau zu finanzieren

- Ausschüttung der versprochenen Patientenmilliarde in Tranchen zu je 200 Millionen Euro für fünf Jahre und von mindestens einer halben Milliarde jährlich im Zuge des Finanzausgleichs, um die ambulante Versorgung
der Bevölkerung sicherzustellen

- Veränderung der Aufnahmekriterien zum Medizinstudium und Bevorzugung
bei der Erlangung eines Studienplatzes, gekoppelt an die Verpflichtung, nach der Ausbildung im öffentlichen Gesundheitswesen für einige Jahre tätig zu sein

- das „Modell Landarztquote“ aus Deutschland soll für Österreich adaptiert und eingeführt werden

- Verdoppelung der Medizinstudienplätze und entsprechendes Budget
für die Universitäten.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll219. Sitzung, 219. Sitzung des Nationalrats vom 14. Juni 2023 / Seite 169

*****

Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

12.35

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Philip Kucher, Rudolf Silvan,

Genossinnen und Genossen

betreffend Gesundheitsversorgungspaket

eingebracht im Zuge der Debatte zum Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (2048 d.B.): Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über Zweckzuschüsse an Länder und Gemeinden für die Durchführung der
Corona-Schutzimpfung (COVID-19-Impffinanzierungsgesetz) und ein Bundesgesetz, mit dem Übergangsbestimmungen für das COVID 19-Maßnahmengesetz
getroffen werden, erlassen und das Epidemiegesetz 1950, das Allgemeine Sozialver­sicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Apothekengesetz, das Arzneimittelgesetz, das Ärztegesetz 1998, das Psychotherapiegesetz, das Sanitätergesetz, das Gehaltsgesetz 1956, das Vertragsbe­dienstetengesetz 1948 und das Bundesgesetz, mit dem zur Abdeckung des
Bedarfes zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie Ermächtigungen zur Verfügung über Bundesvermögen erteilt werden, geändert werden (COVID-19-Über­führungsgesetz) (2054 dB)

Die Gesundheitsversorgung der österreichischen Bevölkerung ist in den letzten fünf Jahren um vieles schlechter geworden. Patientinnen und Patienten spüren
die Auswirkungen tagtäglich. Kein/e Hausarzt/Hausärztin in der näheren Umgebung, weite Anfahrtswege, lange Wartezeiten auf Fachärzt:innentermine, Medika­mentenengpässe.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll219. Sitzung, 219. Sitzung des Nationalrats vom 14. Juni 2023 / Seite 170

Was tut die Regierung: ankündigen! Von 100 zusätzlichen Kassenstellen noch 2023 ist da zu hören, von insgesamt 500 Kassenstellen und 121 Primärversorgungs­einheiten bis Ende 2024, von höheren Honoraren in den Ärzteverträgen
und 100 Mio. Euro Förderungen. Doch wie soll das alles umgesetzt werden, woher sollen die zusätzlichen finanziellen Mittel für die Sozialversicherung kommen, Arzthonorare und zusätzliche Kassenstellen sind Aufgabe der Selbstverwaltung - will die Regierung die Selbstverwaltung in der Sozialversicherung ausschalten? Die Antworten bleibt die Regierung wieder einmal schuldig.

Höhere Honorare, zusätzliche Kassenstellen, deutlich mehr Primärversorgungseinrich­tungen – all das kostet der Krankenversicherung viel Geld.

Mit dem Sozialversicherungs-Organisationsgesetz (SV-OG) wurde 2018 eine unterfinanzierte ÖGK geschaffen und der Krankenversicherung enorme finanzielle Mittel entzogen. Es wurde eine Patient:innenmilliarde und eine Leistungshar­monisierung über alle Träger versprochen. Beides wurde bisher nicht eingelöst, es wurden noch nicht einmal die Grundlagen in Form eines Risikoausgleichs zwi­schen den Krankenversicherungen aufgestellt. Der Risikoausgleich zwischen den Trä­gern ist mittlerweile in allen umliegenden Ländern Standard. Zuletzt hat sich
mit der Corona-Krise die ungleiche Verteilung weiter verstärkt. Hier ist die Regierung säumig, die Rahmenbedingungen für eine langfristig gut abgesicherte
Finanzierung der Krankenversorgung zu gewährleisten.

Der Krankenversicherung werden bis 2024 insgesamt rund 600 Mio. Euro entzogen. Darin enthalten sind weniger GSBG-Mittel im Ausmaß von 174 Mio. Euro und
mehr Zahlungen an die Privatkrankenhäuser im Ausmaß von 65 Mio. Euro. Zusätzlich wird die Beitragssatzsenkung der Unfallversicherung zu Lasten der Krankenver­sicherung finanziert, indem der Pauschbetrag von rund 500 Mio. Euro auf 140 Mio. Euro reduziert wird. Um die Finanzierbarkeit der ÖGK sicherzustellen, müssen
die entzogenen Mittel rückerstattet werden, dabei geht es noch gar nicht um die an­gekündigten zusätzlichen Kassenstellen und höheren Honorare.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll219. Sitzung, 219. Sitzung des Nationalrats vom 14. Juni 2023 / Seite 171

Eine Kassenvertragsstelle kostet im Jahr im Durchschnitt etwa 400.000 Euro. Bei 100 zusätzlichen Stellen wären das bereits 40 Mio. Euro jährlich. Dabei sind
noch keine höheren Honorare enthalten. Für 500 zusätzliche Kassenärzte sind das 200 Mio. Euro jährliche Mehrkosten. Wird die Regierung den Krankenversi­cherungsträgern diese Kosten ersetzen? Und woher werden die zusätzlichen Ärzte und Ärztinnen kommen? Es können derzeit schon nicht alle Kassenstellen
besetzt werden.

Effektive Maßnahmen gegen den Ärztemangel, die versprochene Leistungshar­monisierung und ein Leistungsausbau sind erforderlich um die Gesundheitsversorgung der Menschen in Österreich wieder zu verbessern.

Es braucht daher ein Gesundheitsversorgungspaket, das die Übernahme von neuen Leistungen wie bspw. Erwachsenen-Impfprogramm, neue Vorsorgeleistungen
und innovative Therapien finanzieren soll. Der Ausbau der ambulanten Versorgung muss damit ebenfalls unterstützt werden. Primärversorgungseinheiten, multi­disziplinäre Ambulatorien, psychosoziale Versorgung und entwicklungsdiagnostische Ambulanzen müssen ausgebaut werden.

Der Ärztemangel muss an der Wurzel bekämpft werden. Es müssen die Aufnahmekri­terien zum Medizinstudium verändert werden. Soziale Kompetenzen, Einbezie­hung von Vorerfahrungen, z.B. pflegerische Ausbildung/Tätigkeit oder ehrenamtliche Tätigkeit im Gesundheitsbereich müssen eine entsprechende Bewertung erfah­ren. Die Verpflichtung, nach der Ausbildung im öffentlichen Gesundheitswesen für ei­nige Jahre tätig zu sein, muss zu einer Bevorzugung für die Erlangung eines Studienplatzes führen. Das „Modell Landarztquote“ aus Deutschland soll für Öster­reich adaptiert und eingeführt werden. Zusätzlich müssen die Medizinstu­dienplätze verdoppelt und den Universitäten das entsprechende Budget zur Verfü­gung gestellt werden.

Nur so kann die Versorgung für die Versicherten auf dem bisherigen hohen Niveau weiter bereitgestellt und weiterentwickelt werden. Der Bund soll dafür rund
eine halbe Milliarde Euro jährlich im Rahmen des Finanzausgleichs zur Verfügung


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll219. Sitzung, 219. Sitzung des Nationalrats vom 14. Juni 2023 / Seite 172

stellen. Nachdem die durchgeführte Senkung der Körperschaftssteuer jähr­lich rund eine Milliarde Euro kostet, kann die Finanzierung dieses Paketes wohl kein Problem darstellen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachfolgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend eine Regierungsvorlage zu übermitteln, mit der ein Gesundheitsversorgungspaket mit folgenden Schwerpunkten umgesetzt wird:

•    Rückabwicklung des mit dem SV-OG erfolgten Entzuges der finanziellen Mittel für die ÖGK und Schaffung eines Risikostrukturausgleich zwischen den Krankenversicherungsträgern um die Leistungsharmonisierung und den Leis­tungsausbau zu finanzieren

•    Ausschüttung der versprochenen Patientenmilliarde in Tranchen zu je
200 Mio. Euro für 5 Jahre und von mindestens einer halben Milliarde jährlich im Zuge des Finanzausgleichs um die ambulante Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen

•    Veränderung der Aufnahmekriterien zum Medizinstudium und Bevorzugung bei der Erlangung eines Studienplatzes gekoppelt an die Verpflichtung, nach
der Ausbildung im öffentlichen Gesundheitswesen für einige Jahre tätig zu sein

•    Das „Modell Landarztquote“ aus Deutschland soll für Österreich adaptiert
und eingeführt werden

•    Verdoppelung der Medizinstudienplätze und entsprechendes Budget für die Universitäten.“

*****



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Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß einge­bracht und steht daher auch mit in Verhandlung.

Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Laurenz Pöttinger zu Wort gemeldet. – Herr Abgeordneter, Sie kennen die Bestimmungen der Geschäftsordnung.


12.35.38

Abgeordneter Laurenz Pöttinger (ÖVP): Frau Präsidentin! Ich berichtige tatsächlich: Mein Vorredner hat behauptet, dass im Verwaltungsrat gestern eine Abstimmung stattgefunden hat und die ÖVP beziehungsweise der Wirt­schaftsbund oder die Dienstgeberkurie hätte gegen die 100 zusätzlichen Kassen­stellen gestimmt. – Das ist unrichtig.

Richtig ist: Dieser Antrag wurde nicht fristgerecht eingebracht, deshalb gab es gar keine Abstimmung. Es gibt auch eine OTS dazu. – Danke. (Beifall
bei der ÖVP. – Abg. Steinacker: ... einmal nachdenken! – Abg. Hörl – in Richtung SPÖ –: ... Klubobmann soll einmal ein bissl Ordnung hineinbringen da drüben!)

12.36


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Ralph Schall­meiner. – Bitte sehr.


12.36.25

Abgeordneter Ralph Schallmeiner (Grüne): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseher:in­nen hier im Haus auf der Galerie beziehungsweise zu Hause vor den Bildschir­men! Wir verhandeln hier vier Tagesordnungspunkte unter einem und,
wie es halt so oft auch in der Vergangenheit war, beschäftigt sich eben einer davon mit Covid. Wir sind in der letzten Phase der Pandemie, ich glaube,
darüber sind wir uns alle miteinander einig. Die WHO selbst hat ja
auch den Gesundheitsnotstand für beendet erklärt. Dementsprechend müssen wir uns eben anschauen, wie wir mit der Gesetzgebung, mit den Maß­nahmen weiter umgehen wollen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll219. Sitzung, 219. Sitzung des Nationalrats vom 14. Juni 2023 / Seite 174

Was sich nicht ausgehen wird, ist, im Endeffekt einfach von heute auf morgen alles abzustellen, abzuschaffen – so, wie es wahrscheinlich nachher die Kolleginnen und Kollegen der Freiheitlichen Partei fordern werden, sondern wir brauchen schon auch weiterhin noch ein gewisses Sicherheitsnetz, um
auf der sicheren Seite zu sein. Weil die WHO ja auch sagt: Der Gesundheitsnot­stand mag zwar vorbei sein, aber Corona – und das wissen wir alle mitein­ander – ist weiterhin eine entsprechende Bedrohung, wir müssen uns auch wei­terhin dementsprechend damit auseinandersetzen und unser Gesund­heitssystem und die Menschen in diesem Gesundheitssystem davor schützen.

So, wie es halt auch in der Vergangenheit war, gilt auch dieses Mal der Grundsatz: So viel wie notwendig, so wenig wie möglich. Daher werden wir heute neue Rahmenbedingungen beschließen. Es wird weiterhin die Möglichkeit geben, zum Arzt, zur Ärztin impfen zu gehen. Die Länder können auch entsprechende Impfstraßen aufziehen, wenn die Notwendigkeit aufgrund stär­kerer Ausbrüche oder einer Überlastung im niedergelassenen Bereich
besteht. Es wird bei Symptomen, bei Verdachtsfällen weiterhin Tests geben, und wir sichern auch die Versorgung mit Covid-Medikamenten ab, damit Men­schen auch weiterhin im Falle einer schweren Covid-Erkrankung bestmöglich mit Medikamenten versorgt sind. (Beifall bei den Grünen.)

Was natürlich auch bleibt: Die Surveillance, sprich: die Virusüberwachung, bleibt aufrecht. Wir wollen ja wissen, wie sich der Virus bei uns in Österreich verbreitet, welche Varianten vorherrschend sind. Das alles bleibt natürlich auch weiterhin aufrecht. So zu tun, als ob wir da jetzt gänzlich schutzlos in die nächsten Monate hineingehen, ist genauso unrichtig, wie zu behaupten, dass es in den nächsten Monaten keine Maßnahmen mehr bräuchte. Das sollte
man an dieser Stelle auch einmal klarstellen. (Beifall bei den Grünen und bei Abge­ordneten der ÖVP.)

Was wir bei diesem Tagesordnungspunkt jetzt auch noch beschließen werden, ist, dass wir zusätzliche Bestimmungen aus den Covid-Bestimmungen
des SMG, also des Suchtmittelgesetzes, ins Dauerrecht übernehmen werden.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll219. Sitzung, 219. Sitzung des Nationalrats vom 14. Juni 2023 / Seite 175

Das sind sinnvolle, pragmatische Lösungen. Vor allem die Apotheker­kammer oder Ärztinnen und Ärzte, aber auch Menschen, die mit Suchtkranken zusammenarbeiten, haben uns nahegelegt, das bitte ins Dauerrecht zu übernehmen. Dem kommen wir mit dem heutigen Beschluss auch gerne nach.

Genauso verhandeln wir hier unter diesem Tagesordnungspunkt eine Novellierung im Apothekenrecht. Es geht zum einen darum, dass die freie Apo­thekenwahl auch in Zukunft mit dem E-Rezept sichergestellt ist. Da hat es
in den vergangenen Wochen und Monaten immer wieder Vorfälle gegeben, bei denen die freie Apothekenwahl nicht eingehalten wurde, und das wider­spricht der österreichischen Judikatur.

Zum anderen geht es darum, dass wir die rechtlichen Rahmenbedingungen für Abholstationen bei den Apotheken für vorbestellte rezeptpflichtige Medi­kamente ermöglichen werden. Das sind gescheite und gute Bestimmungen und sehr pragmatische Lösungen.

Zum Schluss noch, weil es ja den Antrag der Kolleginnen und Kollegen betreffend Offenlegung der Beschaffungsverträge für Impfstoffe gibt: Wir haben das sehr ausgiebig im Ausschuss diskutiert. Der Minister – und ich gehe
davon aus, dass es später noch einen Redebeitrag von ihm dazu geben wird – hat sehr klar dargelegt, dass es entsprechende Nachverhandlungen gegeben hat, dass sich da schon einiges getan hat, und dass man doch auch zur Kenntnis nehmen muss, was da alles bereits erledigt wurde. Wir haben diesen Antrag da­her guten Gewissens ablehnen können, sodass er eben hier heute disku­tiert wird.

In diesem Sinn: Ich wünsche mir eine breite Zustimmung, insbesondere zu den Covid-Übergangsgesetzen. Ich würde Sie darum bitten, dass Sie zustim­men, genauso wie zu den Novellierungen des Suchtmittelgesetzes sowie des Apothekengesetzes. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

12.41



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll219. Sitzung, 219. Sitzung des Nationalrats vom 14. Juni 2023 / Seite 176

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Gerhard Ka­niak. – Bitte.


12.41.08

Abgeordneter Mag. Gerhard Kaniak (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich muss mit einer tatsächlichen Berichtigung meines Vor­redners anfangen: Abgeordneter Schallmeiner hat gesagt, dass die Novelle des Apothekengesetzes, die heute hier mitbeschlossen werden soll, eine Ab­holung von rezeptpflichtigen Arzneimitteln ermöglichen wird. – Das ist nicht der Fall, das wird nur rezeptfreie Arzneimittel betreffen – nicht dass sich da je­mand falsche Hoffnungen macht. (Zwischenrufe der Abgeordneten Belakowitsch und Schallmeiner.)

Ich möchte aber eigentlich primär auf das Covid-19-Überführungsgesetz eingehen, das wir heute hier in Diskussion haben. (Abg. Belakowitsch 
in Richtung Abg. Schallmeiner –: Er ist Apotheker!)
Das ist eine große Gesetzes­novelle, und das Positivste, das ich dazu anmerken kann, ist, dass es
da ein ordentliches Begutachtungsverfahren gegeben hat. Im Rahmen dieses Begutachtungsverfahrens sind unzählige, sehr profunde Stellungnah­men von den Stakeholdern eingetroffen, unter anderem vom Verfassungsdienst im Bundeskanzleramt, 18 Seiten, vom Justizministerium, vom Datenschutz­rat, vom Rechtsanwaltskammertag und von vielen anderen auch.

Leider Gottes sind wir erneut mit der Tatsache konfrontiert, dass nur ein Bruchteil der Forderungen, die im Rahmen der Begutachtung aufgestellt worden sind, und der Kritikpunkte, die da berechtigterweise gebracht worden sind, korrigiert worden ist; sodass wir nach wie vor einen Gesetzentwurf haben, der diesen von uns gewünschten Normalzustand nicht wiederherstellt.

Wir haben weiterhin Parallelstrukturen, zum Beispiel im Impfwesen, zum Beispiel bei der Arzneimittelabgabe und -verrechnung. Wir haben verfassungsmäßig zweifelhafte Regelungen bei den Kostenübernahmen, wir haben zu knappe Fris­tensetzungen. Wir haben massive datenschutzrechtliche Bedenken, die


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nicht ausgeräumt sind, Herr Bundesminister; und wir haben vor allem ein Epi­demiegesetz, an dem weiter herumgedoktert wird, anstatt es komplett
neu aufzusetzen.

Was ist denn mit dem Epidemiegesetz bisher passiert? Was haben Sie weiter vor? – Sie haben weitere Verschlimmbesserungen hineingeschrieben.
Jetzt gilt das Epidemiegesetz, das per definitionem ja nur im Epidemiefall, in Ausnahmesituationen, in Krisenfällen bei meldepflichtigen Erkrankungen
greifen sollte, auf einmal auch für nicht meldepflichtige respiratori­sche Erkrankungen.

Sie haben die Verkehrsbeschränkungen und weitere Auflagen, die Sie der Bevölkerung per Verordnung aufs Auge drücken können, wie zum Beispiel die Maskenpflicht, von Covid-19 auch auf alle anderen meldepflichtigen Infektionskrankheiten ausgedehnt. Das heißt, bei Hepatitis C oder bei HIV können Sie die Menschen jetzt per Verordnung verkehrsbeschränken oder ihnen eine Maskenpflicht aufoktroyieren. Ich frage mich, was das bei diesen Erkrankungen bewirken soll, wo da der inhaltliche Zusammenhang ist. Diese Regelung ist aus meiner Sicht vollkommen überschießend.

Sie haben aber auch andere Fehler, die von Ihnen in die bisherigen gesetzlichen Regelungen betreffend Covid-19 hineingeschrieben worden sind, weiterge­führt. Es gibt weiterhin die Möglichkeit einer telefonischen Bescheidzustellung für die Behörden: Das ist ein vollkommenes rechtliches Unding, dass ein
Anruf, selbst wenn er quasi nicht persönlich angenommen werden kann, als Zu­stellung eines amtlichen Bescheides gilt.

Auch haben Sie sich nach wie vor das Recht auf Amtsrevision eingeräumt, wodurch Sie die Landesverwaltungsgerichte übergehen können. All das sind Dinge, die aus unserer Sicht absolut untragbar sind, und in einem Epide­miegesetz nichts verloren haben.


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Sie wissen, wir haben im Sommer 2020 die Forderung aufgestellt, das Epidemiegesetz komplett neu aufzusetzen. Wir stehen nach wie vor dafür zur Verfügung, das mit Ihnen gemeinsam zu machen. Wichtig wäre es, dass
wir dabei klären: Was ist tatsächlich ein Krisenfall? Ab wann tritt dieses Epide­miegesetz mit all seinen Ermächtigungen und Befugnissen in Kraft und
wann wird es wieder ausgesetzt?

Diese wesentlichen Punkte finden sich nach wie vor nicht im Gesetzentwurf. Ganz im Gegenteil: Sie dehnen den Geltungsbereich des Epidemiege­setzes immer weiter aus und sorgen dafür, dass es weder vernünftige, konkrete Regelungen für den Notfall gibt, noch dass die Menschen vor einer missbräuchlichen Anwendung dieses Gesetzes geschützt sind, und deshalb lehnen wir es kategorisch ab. (Beifall bei der FPÖ.)

12.45


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Werner Saxinger. – Bitte.


12.45.11

Abgeordneter Dr. Werner Saxinger, MSc (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte
Damen und Herren! Zum Kollegen Silvan und zur SPÖ: Eine falsche Aussage wird nicht wahrer, wenn man sie wiederholt. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Belakowitsch: Ja, das stimmt, Herr Kollege! – Zwischenruf des Abg. Hafenecker.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, heute ist, nach fast drei Jahren Pandemie, ein guter Tag. Wir können heute endlich einen lang ersehnten Beschluss –
nach sorgfältiger Analyse – in die Tat umsetzen, wir werden die Covid-19-Son­derbestimmungen mit 30.6. aufheben.

Eine Patientin hat mich gefragt: Soll man nicht ein bisschen vorsichtiger sein? Ich habe ihr dann gesagt: Es gibt gute Gründe dafür, warum wir diese Bestim­mungen aufheben. Die Omikronvarianten, die weiterhin vorherrschend sind, sind mild, wir haben eine gute Grundimmunität, und so ist es einfach schlüssig


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und auch sinnvoll, die Sonderbestimmungen nicht weiter zu verlängern. Dazu stehen wir auch, und das ist auch gut so. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischen­rufe der Abgeordneten Belakowitsch und Hafenecker.)

Die rechtliche Sonderstellung von Sars-Cov-2 im Vergleich zu den anderen nicht meldepflichtigen respiratorischen Krankheiten ist einfach nicht mehr ange­messen; aber, die Kollegen haben es auch schon erwähnt, Covid wird es weiter geben, und darum ist es auch sinnvoll, einen neuen rechtlichen Rahmen für
die Bereiche Testen, Impfen und Arzneimittel für Covid aufzustellen.

Ich möchte ein paar Punkte aus dem heute zu beschließenden COVID-19-Überführungsgesetz erwähnen: Covid-Tests für die Patientinnen und Patienten wird es bei klinischem Verdacht natürlich weiter geben, nämlich bei nieder­gelassenen Kassenärzten. Es werden auch die Kostenübernahme für Covid-19-Heilmittel und auch für die Impfungen im niedergelassenen Bereich geregelt.

Wir sollten aber sehr wachsam sein, und darum ist es sinnvoll, gewisse Früherken­nungs- und Überwachungsprogramme installieren zu können. Als Beispiel
sei hier das wirklich hilfreiche Abwassermonitoring genannt. Aber auch epide­miologische Erhebungen und Erhebungen von Gesundheitsdaten sollten
uns helfen, gescheiter zu werden und zu lernen. Die Covid-Bestimmungen fallen also mit 30.6., aber wir behalten die Situation wachsam im Auge.
(Beifall bei der ÖVP.)

Wir haben im Gesundheitsausschuss vorige Woche auch über den drohenden oder vielleicht stattfindenden Medikamentenengpass in manchen Berei­chen diskutiert. Einer der Hauptgründe liegt meines Erachtens darin, dass Öster­reich im Hinblick auf Medikamente ein Niedrigpreisland ist. Bei uns sind die Medikamentenpreise nämlich um bis zu 30 Prozent niedriger als in Deutschland beziehungsweise in anderen EU-Ländern. Wenn sich das nicht ändert,
kann es durchaus sein, dass globale Pharmafirmen das kleine Österreich irgend­wann einmal nicht mehr beliefern. Auch eine Indexierung oder Valorisie­rung, vor allem im Niedrigpreissegment, ist durchaus zu überlegen.


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Der Bundesminister hat aber im Hinblick auf die Versorgungssicherheit bei den Medikamenten im Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen
eine entsprechende Taskforce eingerichtet. Meines Erachtens sollten aber den Diskussionen im Sinne unserer Patientinnen und Patienten, der Bevölke­rung auch Taten folgen.

Ein weiterer Punkt, der hoffentlich heute auch einstimmig beschlossen wird, ist die Sicherstellung der freien Apothekenwahl. Dank der Einführung des
E-Rezepts hat sich nämlich mancherorts die Praxis eingeschlichen, dass ärztliche Verordnungen nur an bestimmte Apotheken übermittelt werden. Dem wird
jetzt ein Riegel vorgeschoben.

Wie schon von Kollegen Schallmeiner erwähnt, haben Apotheken jetzt auch die Möglichkeit, Abholflächen oder Abholstationen einzurichten, sprich, Arznei­mittel für Endverbraucher zu hinterlegen. Das ist eine sinnvolle Sache für die Pa­tientinnen und Patienten.

Was beschließen wir heute noch? – Eine Novelle zum Suchtmittelgesetz. Es hat sich nämlich in der Covid-Pandemie bewährt, dass ein behandelnder Arzt
eine Substitutionsdauerverschreibung machen kann. Das war primär zur Entlas­tung der Amtsärzte gedacht. Das hat sich wie gesagt bewährt, sodass die Substitutionsdauerverschreibung praktisch in ein digitales E-Rezept umgewan­delt werden kann.

Sehr geehrte Damen und Herren, Sie sehen, dass wir in all diesen Punkten verantwortungsvoll im Sinne der Gesundheit der österreichischen Bevölkerung handeln. Jetzt ist die Zeit reif, die Covid-Bestimmungen zu beenden. Wir
tun dies sachlich und fachlich begründet, weil es die milde Omikronvariante gibt, weil es eine hohe Grundimmunität gibt, weil es wohlüberlegt ist, und nicht
aus politischem Kalkül.

Gesundheit ist meines Erachtens viel zu wichtig und nicht für Politspielereien und Populismus geeignet. (Heiterkeit des Abg. Wurm.) Das sei manchen


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hier im Saal ins – vor allem blaue – Stammbuch geschrieben. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Abg. Belakowitsch: Entschuldigen ..., ... ein­mal entschuldigen!)

12.49


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Fiona Fiedler. – Bitte.


12.49.51

Abgeordnete Fiona Fiedler, BEd (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! (Die Begrüßung auch in Gebär­densprache ausführend:) Liebe gehörlose Menschen! COVID-19-Überführungs­gesetz: Wir tun uns mit diesem Gesetz schwer, weil es darin um die Zweckzuschüsse geht, und wie wir in der Vergangenheit gesehen haben, ist da viel Geld im Spiel. Wir sehen aber leider nicht, wofür die Gelder verwendet werden beziehungsweise ob sie ihre zweckmäßige Verwendung finden, wie zum Beispiel bei der kommunalen Impfkampagne 2022, bei der 75 Millionen Euro ausgeschüttet wurden und die zweckmäßige Verwendung einfach unklar geblie­ben ist. (Abg. Wurm: Darum braucht es einen Untersuchungsausschuss!)

Trotzdem gibt es positive Punkte, wie zum Beispiel, dass symptomatische Men­schen weiterhin ihre fünf Antigentests kostenlos zur Verfügung gestellt bekommen. Auch die epidemiologische Überwachung sehen wir positiv, weil wir so nachhaltig Learnings aus der Pandemie ziehen können. Zudem ist Covid
auch nicht mehr anzeigepflichtig, und ich hoffe sehr darauf, dass wir lernen, mit Covid zu leben, und es nicht mehr ständig stundenlang zum Thema machen.

Der Änderung des Suchtmittelgesetzes werden wir natürlich auch gerne zustim­men, weil wir darin einen guten Weg in die richtige Richtung sehen. Was
die Digitalisierung betrifft, begrüßen wir diesen digitalen Verschreibungsprozess sehr und sehen es äußerst positiv, dass dieses Gesetz mit Ende 2024 seine Gültigkeit verliert, weil es nämlich optimistisch stimmt, dass wir bis dorthin auf den EHDS gut vorbereitet sind.


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Auch der Änderung des Apothekengesetzes und des Arzneimittelgesetzes kön­nen wir unsere Zustimmung geben, weil auch das ein weiterer Schritt in Richtung Digitalisierung ist. Die freie Apothekenwahl ist in unseren Augen etwas sehr Patientenorientiertes, aber auch Apotheken können sich mit den Medi­kamenten einfach breiter aufstellen und profitieren davon. Zusätzlich sehen wir auch in der Möglichkeit der Abholstationen bei den Apotheken einen sehr patientenorientierten Zugang, weil Patienten so nicht zwingend an die Öffnungszeiten gebunden sind und trotzdem wohnortnah und zeitgerecht zu ihren Medikamenten kommen. – (Den Dank auch in Gebärdensprache aus­führend:) Danke schön. (Beifall bei den NEOS.)

12.52


Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich Herr Bundesminister Johannes Rauch zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Minister.


12.52.14

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Wir führen heute, wie soll ich sagen, die Pandemie endgültig in einen Zustand der – einiger­maßen – Normalität, also ins normale Gesundheitssystem über. Was heißt das? – Wir haben in den vergangenen Jahren schlicht und einfach gelernt, zwischen zwei Dingen Maß zu halten und das einzuordnen, nämlich eine gewisse Balance zwischen Vorsicht und Nachlässigkeit zu finden, weil es in meinen Augen
nicht gut ist, es in die eine oder andere Richtung zu überziehen oder zu über­treiben.

Wir gehören, das habe ich gestern beim Rat der europäischen Gesundheitsminis­ter wieder gelernt, nach wie vor zu den vorsichtigen Nationen in Europa,
weil wir im Unterschied zu anderen, und die Kritik kann ich nicht stehen lassen, unser Testsystem sehr lange aufrechterhalten haben, als es andere schon
längst beseitigt hatten.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll219. Sitzung, 219. Sitzung des Nationalrats vom 14. Juni 2023 / Seite 183

Was tun wir? – Es wird weiterhin, und das ist wichtig, kostenfreie Tests im nie­dergelassenen Bereich für Patientinnen und Patienten mit Symptomen
geben. Das ist eine wichtige Änderung nach der Begutachtung, dass Tests für sämtliche symptomatische Patient:innen bei niedergelassenen Ärzt:in­nen kostenlos bleiben und die ursprünglich vorgesehene Beschränkung auf Menschen, die eine Therapie mit Covid-Medikamenten brauchen, ent­fällt. Medikamente bleiben weiterhin kostenlos und werden nach positivem Test verschrieben. Impfungen werden in das Regelsystem übergeführt. Wie angekündigt ist die Coronaschutzimpfung auch nach dem 30. Juni für alle Men­schen kostenfrei. Sie kann ebenfalls im niedergelassenen Bereich in An­spruch genommen werden. Es endet die Meldepflicht und es enden alle Ver­kehrsbeschränkungen nach dem COVID-19-Maßnahmengesetz.

Und jetzt eine Klarstellung zum Thema Epidemiegesetz: Wir hatten, und das war ein Teil des Problems in Österreich, kein gut taugliches Epidemiegesetz
zur Bekämpfung der Coronapandemie. Das ist auch der Grund dafür – und das ist richtigzustellen –, dass wir bereits jetzt an einer kompletten Novel­lierung des Epidemiegesetzes arbeiten – weil es notwendig ist. Das ist allerdings ein komplexer Vorgang, weil es da auch um Länderkompetenzen und um
die Verteilung von Zuständigkeiten geht.

Wir arbeiten auch an einem Pandemieplan, der in den nächsten Wochen vorgelegt wird, in dem klar die Schlussfolgerungen gezogen werden – was haben wir aus der Pandemie gelernt? –, in dem, auch entlang der Erfahrungen, festgelegt wird, was bei Auftreten einer Pandemie zu leisten ist, welche Gremien einzuberufen sind, wie in größtmöglicher Klarheit und Eindeutigkeit die Maßnahmensetzung stattfinden kann, bis hin zur Übergangsphase, in der es da­rum geht, wie wir dann auch wieder in einen Zustand des Überganges
kommen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll219. Sitzung, 219. Sitzung des Nationalrats vom 14. Juni 2023 / Seite 184

Letzter Punkt, die Impfstoffbeschaffungsverträge: Wir haben auf europäischer Ebene zu den Ländern gehört, die massiv verlangt haben, dort eine Über­arbeitung der Verträge zustande zu bekommen. Das ist gelungen. Wir haben es gemeinsam mit der Europäischen Kommission, gemeinsam mit den Mit­gliedstaaten der Europäischen Union geschafft, dass die abgeschlossenen Ver­träge mit ausstehenden Abnahmeverpflichtungen reduziert werden konn­ten. Das heißt im Klartext, dass Abnahmeverpflichtungen für das Jahr 2023 von neun auf vier Millionen Dosen reduziert worden sind. Wir haben auch
das Recht, künftig bereits bestellte Impfdosen gegen den jeweils aktuellsten und angepassten Impfstoff auszutauschen, und sind damit auch für eine allfäl­lige Veränderung des Virus gut gewappnet. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

12.56


Präsidentin Doris Bures: Nun ist Herr Abgeordneter Josef Smolle zu Wort ge­meldet. – Bitte.


12.56.25

Abgeordneter Dr. Josef Smolle (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine
sehr geehrten Damen und Herren! Zu Beginn möchte ich einer Bitte meines Abgeordnetenkollegen Laurenz Pöttinger nachkommen und eine Besu­chergruppe des Wirtschaftsbundes der Stadt Peuerbach auf der Galerie ganz herzlich willkommen heißen. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten
von SPÖ, FPÖ und Grünen.)

Heute ist ein erfreulicher Tag: Das COVID-19-Überführungsgesetz signalisiert den Übergang von einer herausfordernden Pandemie in den Normalbe­trieb. Das ist wirklich etwas sehr Positives, und ich möchte das in sechs kurzen Punkten abhandeln. Der erste Punkt ist ein kurzer Rückblick, das Zweite
ein europäischer Vergleich, das Dritte ein Wort zum Testen, das Vierte ein Wort zum Impfen, fünftens geht es um die Frage: Wie führen wir das Monitoring weiter durch?, und der sechste Punkt wird ein etwas ungewöhnlicher Dank sein.


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Ich fange mit dem ersten Punkt an. Erinnern wir uns zurück: Wir hatten Tage mit mehr als 200 Covid-19-assoziierten Todesfällen. Wir hatten Zeiten, in de­nen die Intensivstationen, obwohl wir ein Land mit sehr vielen Spitals- und Inten­sivbetten sind, an die Grenzen gelangt sind. Wer damals gemeint hat, die Situation sei harmlos, hat sich geirrt und hat sich auch aus heutiger rückschauender Sicht geirrt. Glücklicherweise hat sich das Ganze sehr gut weiterentwickelt, insofern dass wir heute eine starke Grundimmunität
haben. Etwa 96 Prozent der Bevölkerung haben eine Grundimmunität durch Impfung, durch Genesung oder durch beides, und das zusammen mit
der Omikronvariante führt zu einem weitgehend benignen epidemiologischen Verlauf.

Ich komme zum zweiten Punkt, dem europäischen Vergleich. Wie liegen wir da? – Wenn wir die harten Fakten – Covid-19-Todesfälle und Übersterblichkeit – anschauen, so können wir sagen, dass Österreich da besser durch die
Pandemie gekommen ist als etwa zwei Drittel der restlichen europäischen Län­der. Das hat viele Anstrengungen gekostet, aber es zeigt sich, es hat
sich ausgezahlt (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen), nicht zuletzt weil etliche besonders schwer betroffene Länder in unserer unmittelbaren Nachbarschaft gelegen sind.

So – dritter Punkt –, was ändert sich jetzt beim Testen? – Wir hatten eines der intensivsten Testprogramme weltweit. Wenn man da wieder die europäi­schen Länder vergleicht, dann hat sich gezeigt: Durch starkes Testen gibt es eine geringere Dunkelziffer an Infektionen, aber das intensive Testen hat prak­tisch keinen Einfluss auf das epidemiologische Geschehen gehabt. Das muss man zur Kenntnis nehmen. Man hat gehofft, das würde der Fall sein, aber die Schutzwirkung ist nicht gegeben. Deshalb ist da der Rückbau vernünftig. Wann immer der Verdacht auf Infektion besteht, wird gratis getestet, aber das flächendeckende Testen hat keinen Sinn mehr.


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Vierter Punkt, Impfen: Schaut man sich da den europäischen Vergleich an, dann sieht man wieder sehr eindeutig, je intensiver in einem Land geimpft wor­den ist, desto weniger Covid-19-Todesfälle gibt es (Abg. Wurm – erheitert –: Wo ist die Statistik?) und desto geringer ist auch die Übersterblichkeit. (Heiter­keit des Abg. Wurm.) Das heißt, die Schutzwirkung ist gut belegt, und deshalb ist es vernünftig, das als Gratisangebot weiterzuführen.

Punkt fünf: Wir stecken nicht den Kopf in den Sand, sondern es wird weiter ein Monitoring geben. Das wird nicht nur Covid-19, sondern allgemein schwere Atemwegsinfektionen betreffen. Eine sehr gut umsetzbare Lösung, die es vor etlichen Jahren noch nicht gegeben hat, ist das Abwassermonitoring.

Damit komme ich zum sechsten und letzten Punkt: einem ungewöhnlichen Dank. Der Dank richtet sich an eine Gruppe, die immer leise war, von der man fast nie geredet hat. Eigentlich ist es keine Gruppe, sondern es ist eine
große Mehrheit in unserem Land. Damit meine ich jene Menschen, die sich
über die ganze Pandemie hinweg verantwortungsbewusst und rück­sichtsvoll gegeben haben und uns allen viel Leid erspart haben. – Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

13.00


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Peter Wurm. – Bitte.


13.01.04

Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Minister! Hohes
Haus! Werte Zuseher! Wir haben wieder einmal eine Corona/Covid-Diskussionsrunde hier im Parlament, und Sie werden es vielleicht bemerkt haben: Man versucht bei diesen vier Parteien – ÖVP, Grüne, NEOS und natürlich Sozialdemokratie –, das ganze Thema so ein bisschen leise sterben zu lassen
und ja nicht mehr allzu viel darüber zu sprechen. Das wird natürlich so
nicht funktionieren. (Zwischenruf des Abg. Schmuckenschlager.)


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Ich sage es auch noch einmal: Kollege Kucher, da du jetzt der neue Klubobmann bist, bin ich gespannt, ob sich die Linie der Sozialdemokratie da ändert. Du
warst bisher immer Befehlsempfänger von Frau Kollegin Rendi-Wagner – ich weiß nicht, ob du deine Linie jetzt änderst. Ich weiß, dass du ja off the record oft auch eine andere Meinung vertreten hast. (Abg. Hanger: Wie ist denn das bei
euch mit den Befehlsempfängern? – Abg. Steinacker: Musst eine tatsächliche Berich­tigung machen! – Abg. Disoski: Das ist euer Politikverständnis!)

Ich sage es heute noch einmal ganz deutlich: Wir werden wieder Anträge für einen Coronauntersuchungsausschuss, in dem diese drei Coronajahre aufgeklärt werden sollen, einbringen. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich sage das bewusst auch in Richtung Sozialdemokratie, weil da ja von euch jetzt sehr, sehr viel an Stimmungsmache kommt. Ich bin gespannt, ob ihr
an dieser Transparenz wirklich Interesse habt.

Ihr habt ja für heute Nachmittag auch eine Geschichte zum Thema Kika/Leiner eingebracht, auch da geht es vor allem um Millionenförderungen aus der ganzen Coronageschichte, bei denen ihr, die Sozialdemokratie, immer mit dabei wart.
Ihr habt dieses System über drei Jahre mit den anderen Parteien getragen. Ihr seid der Bevölkerung in den Rücken gefallen (Zwischenruf der Abg. Greiner),
und ich bin gespannt, ob da eine Systemänderung der Sozialdemokratie kommt oder ob das alles nur schöne Worte von einem gewissen Babler Andi sind.
(Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe der Abgeordneten Schwarz und Silvan.) Diese Nagelprobe werden wir mit der Sozialdemokratie machen.

Ich gehe gleich weiter, weil es ja ein bisschen unter den Tisch fällt: Wir sprechen heute auch über die ganze Impfgeschichte, wir sprechen darüber, dass nach
wie vor über den europäischen Deal, dem dieser Minister und seine grünen Vor­gänger auch immer zugestimmt haben, der Mantel des Schweigens gebreitet wird. Keiner von uns weiß, was in diesen Verträgen mit den Pharmafir­men steht – da geht es um 35 bis 40 Milliarden Euro, ein Megageschäft für die Pharmafirmen.


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Wir als Abgeordnete hier müssen transparent sein. Wir müssen melden, was wir alles machen, wo wir sind, in welchen Vereinen, und da gibt es einen 40-Mil­liarden-Euro-Deal in Europa, bei dem alle zuschauen – die Sozialdemokratie ist natürlich bei diesen Beschlüssen wieder im Boot. (Abg. Belakowitsch: Wie immer!) Ihr deckt dieses ganze Milliardengeschäft dieser Konzerne. Keiner – auch nicht der Minister – darf sagen, was in diesen Pfizer-Verträgen und so weiter drinnen steht.

Was aber haben wir in Österreich? – Wir haben bis Ende des Jahres 70 Millionen Impfdosen bestellt und bezahlt – die kommen –, die natürlich keiner braucht,
wir wissen das alle. Millionen Impfdosen wurden bereits jetzt entsorgt, hergeschenkt, überallhin, in die ganze Welt, wo sie eh keiner braucht, und es rollen weitere Impfdosen an. Darüber will von diesen vier Parteien keiner reden, aber zahlen muss es der Steuerzahler. Das alles ist ein Problem, denn dann haben wir eben kein Geld, liebe Sozialdemokratie, für die Bevölkerung,
die es braucht. Diese Entscheidung, euch klar zu deklarieren, auf welcher Seite ihr steht, wird euch nicht erspart bleiben.

Auch noch einmal ein Thema, bei dem ich wieder alle ins Boot nehme – also un­sere Position ist sehr klar, man muss auch darüber reden –: Natürlich geht
es auch um die WHO, um diese WHO, die natürlich nichts anderes
als ein Lobbyinstrument der Pharmaindustrie ist, weltweit, finanziert von der Pharmaindustrie – das ist ja kein großes Geheimnis. Es geht natürlich
künftig auch um diesen ominösen WHO-Pandemievertrag, der natürlich ir­gendwann im Parlament aufpoppen wird, und ich hoffe, dass wir als Freiheitliche bis dahin mehr als 33 Prozent haben werden, damit wir die Kraft haben,
das alleine zu stoppen, denn ich habe kein Vertrauen in diese vier Parteien, die bei diesen Dingen immer mitspielen und niemals Rücksicht auf die Bevöl­kerung nehmen.

Auch noch ein Thema – Herr Minister, ich bin gespannt, ob da etwas kommt –: Natürlich gibt es die Impfschäden. Die Kollegen von der ÖVP geben es


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ja still und heimlich zu, aber keiner will darüber sprechen. Diese Menschen las­sen Sie alle im Stich, keiner will wirklich über Entschädigungszahlungen re­den. Wenn Sie im Bekanntenkreis herumfragen, dann werden Sie merken, wie viele mit echten Impfschäden in Ihrem Bekanntenkreis sind. Da gibt es
alle möglichen Ausreden, warum man halt momentan so ein schlechtes Immun­system hat oder warum andere Dinge auftreten – aber die Fakten sind voll­kommen klar.

Ich darf auch noch einmal darauf hinweisen – ich bin gespannt, was mir der Mi­nister antworten wird –: Ich habe eine Anfrage laufen, was die Long-Covid-Stationen betrifft. Die Information, die ich von den Ärzten habe, ist, dass nahezu 100 Prozent aller Long-Covid-Patienten geimpft sind. (Zwischenruf des Abg. Schwarz.) Sie finden auf Long-Covid-Stationen nahezu keine Ungeimpften. Auch das sollte uns allen einmal zu denken geben. Da fordern wir als Freiheitliche
als einzige Partei in Österreich eine lückenlose Aufklärung im Sinne der Menschen.

Bevor ich einen Entschließungsantrag einbringe, sage ich auch noch einmal ganz deutlich: Wenn sich erwachsene Menschen für die Impfung entscheiden,
ist das jedem unbenommen, man kann sich fünfmal impfen lassen oder sonst et­was. Was ich Ihnen allen aber nie verzeihen werde: Sie haben unsere Kin­der hineingezwungen. 20 Prozent aller Kinder und Jugendlichen in Österreich wurden geimpft – nicht weil es die Kinder wollten, sondern weil es die
Eltern wollten. Auch im Bereich der Kinder gibt es ganz, ganz massive langfris­tige Impfnebenwirkungen. Da haben Sie alle mitgemacht. Da gibt es einen Schaden bei unseren Kindern und Jugendlichen. (Abg. Zarits: ... Kindheit scheitert!) Das werde ich Ihnen nicht nachsehen, und da habe ich bis heute noch keine Entschuldigung im Sinne der Kinder gehört. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Schmuckenschlager.)

Ich bringe jetzt folgenden Entschließungsantrag ein:


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Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Corona-Wiedergutmachungsfonds des Bundes“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend eine Regierungsvorlage zuzuleiten, die die Errichtung eines Corona-Wie­dergutmachungsfonds des Bundes zum Inhalt hat. Dieser Corona-Wiedergut­machungsfonds ist mit Budgetmitteln in der Höhe von zumindest 250 Millionen Euro zu dotieren. Er soll die Auswirkungen der Corona-Maßnah­men evaluieren bzw. dokumentieren und Beratungsleistungen im Fall individueller Schäden, medizinische Betreuung von Menschen mit Impf-Be­einträchtigungen, Kosten zur Behandlung psychischer Probleme, allfäl­lig erforderliche Therapien, Mehraufwendungen für Heimunterricht, sonstige erforderliche Unterstützungen in erster Linie für Kinder und Jugendliche
wie zum Beispiel Gutscheine für Nachhilfe, Freizeitaktivitäten und weitere ein­schlägige Unterstützungsleistungen finanzieren. Darüber hinaus soll fest­gelegt werden, dass Bundesländer, die wie Niederösterreich bereits
eigene Corona-Wiedergutmachungsfonds vorgesehen haben, die Möglichkeit erhalten, eine Refundierung der tatsächlich entstandenen Kosten durch
den Bund zu erhalten.“

*****

Es geht da wirklich um eine Aufarbeitung und darum, der Bevölkerung –
vor allem den Kindern und Jugendlichen – für diesen Schaden, den sie erlitten hat, eine Hilfestellung anzubieten.

Ich bin ja schon sehr gespannt auf das Abstimmungsverhalten. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

13.08


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Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Mag. Gerhard Kaniak, Peter Wurm, Mag. Gerald Hauser, Rosa Ecker

und weiterer Abgeordneter

betreffend Corona-Wiedergutmachungsfonds des Bundes

eingebracht im Zuge der Verhandlung über die Debatte zu 6.) Bericht des Gesund­heitsausschuss über das Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über Zweckzuschüsse an Länder und Gemeinden für die Durchführung der Corona-Schutzimpfung (COVID-19-Impffinanzierungsgesetz) und ein Bundesgesetz, mit dem Übergangsbestimmungen für das COVID-19-Maßnahmengesetz getroffen
werden, erlassen und das Epidemiegesetz 1950, das Allgemeine Sozialversicherungs­gesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialver­sicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Apo­thekengesetz, das Arzneimittelgesetz, das Ärztegesetz 1998, das Psycho­therapiegesetz, das Sanitätergesetz, das Gehaltsgesetz 1956, das Vertragsbediens­tetengesetz 1948 und das Bundesgesetz, mit dem zur Abdeckung des Bedar­fes zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie Ermächtigungen zur Verfügung über Bundesvermögen erteilt werden, geändert werden (COVID-19-Überfüh­rungsgesetz) (2048 d.B.) in der 219. Sitzung des Nationalrats am 14. Juni 2023.

Im Zuge der Debatte der Petition Nr. 80/PET betreffend "ME/CFS: Anerkennung, medizinische Versorgung & Absicherung von Betroffenen sowie Forschungs­förderung“ im Petitionsausschuss wurden auch die schweren Auswirkungen der Covid-19-Pandemie im Zusammenhang mit Depressionen und Angst­störungen ausführlich erörtert:1

Paul Plener, Universitätsprofessor und Leiter der Kinder- und Jugendpsychiatrie der Med-Uni Wien brachte den Abgeordneten anhand eines Abrisses der Daten­lage zu psychischen Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen näher. Die WHO


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habe durch die COVID-19-Pandemie eine Zunahme von 28% bei den Depres­sionen und 26% im Bereich der Angststörungen verzeichnet. Besonders betroffen seien Jugendliche und junge Erwachsene. Etwa die Hälfte von ihnen gebe
bei Online-Befragungen an, zumindest an einer mittelgradigen depressiven Sympto­matik zu leiden. Ein Drittel habe Suizidgedanken und die Zahl der Suizidver­suche sei um 200% gestiegen, was dem generellen europäischen Trend entspreche. Auch bei den Essstörungen sei es im Zuge der Pandemie zu einer Zunahme
von 83% gekommen, wie Plener ausführte. Um diese Tendenzen flächendeckend zu erfassen und ihnen entgegenzuwirken zu können, sei es zunächst notwendig,
ein effektives Monitoring zu betreiben.

Die Erörterung dieser negativen Auswirkungen und Mitursachen für das Chronische Erschöpfungssyndrom (ME/CFS) setzte sich im Gesundheitsausschuss fort:2

Chronisches Erschöpfungssyndrom (ME/CFS): Anerkennung der Krankheit und Aus­bau der medizinischen Versorgung

Der Ausschuss befasste sich weiters mit einer Petition, in der Anerkennung, die medi­zinische Versorgung und die soziale Absicherung von ME/CFS-PatientInnen so­wie die Finanzierung der Forschung zu dieser Krankheit gefordert wird (80/PET). Bei der Myalgischen Enzephalomyelitis bzw. dem Chronischen Fatigue Syndrom (ME/CFS) handelt es sich um eine schwere Multisystemerkrankung, von der in Öster­reich zwischen 26.000 und 80.000 Menschen betroffen sein sollen. Die Erkran­kung führt, je nach Ausprägung, bei den meisten Patient:innen zu schweren körperli­chen Einschränkungen und zum Verlust ihrer Arbeitsfähigkeit. Trotz der hohen
Anzahl an Betroffenen und der Schwere der seit 1969 von der WHO anerkannten Krankheit, wäre diese wenig bekannt und unzureichend erforscht. Meist
werde ME/CFS mit einer psychischen Erkrankung verwechselt, was nicht nur zu falscher, sondern oft auch schädigender Behandlung führe, zeigen die Ein­bringer:innen der Petition auf. Bis eine Diagnose erstellt werde, dauere es oft fünf bis acht Jahre, und auch danach würden die Betroffenen unzureichend versorgt und abgesichert. Es gebe weder öffentlich finanzierte Anlaufstellen, Beratungsange-


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bote, Unterstützungsleistungen, noch Rehabilitations- und Betreuungseinrich­tungen. Auch wenn die genauen Ursachen für ME/CFS durch die mangelnde For­schung und unzureichende Forschungsförderung noch nicht ausreichend geklärt werden konnten, würden die Daten aufzeigen, dass in einem Großteil der Fälle die Erkrankung mit einer Infektion beginnt. Internationale Studien setzen
ME/CFS und Long Covid daher in Verbindung und zeigen große Übereinstimmungen bei Symptomen und zugrundeliegenden Mechanismen. Laut Petition benötigen
die Betroffenen in vier Handlungsfeldern dringend Unterstützung: Bewusstseinsbil­dung durch Information und Aufklärung der Ärztinnen und Ärzte wie auch
der Bevölkerung, Aufbau und Finanzierung medizinischer Behandlungs- und Ver­sorgungsstrukturen, soziale Absicherung der Betroffenen sowie finanzielle Förderung der Forschung zu ME/CFS.

Die Petition zeige die schwierige Situation der von ME/CFS Betroffenen auf und weise auf die Dringlichkeit für Verbesserungen im Bereich der Versorgung-
und Forschungsstrukturen hin, erklärte Abgeordnete Heike Grebien (Grüne). Durch den von ÖVP und Grünen eingebrachten Antrag sollen die zuständigen Mi­nister ersucht werden, sich unter anderem für eine verbesserte Zusammenarbeit der Akteure im Gesundheitswesen und damit für eine bessere diagnostische und bedarfsorientierte therapeutische Versorgung von ME/CFS Betroffenen in Österreich einzusetzen.

Abgeordneter Gerald Hauser (FPÖ) gab noch zu bedenken, dass es über 900.000 Kin­der und Jugendliche in Österreich gebe, die aufgrund der Corona-Politik
der Bundesregierung teilweise massive "Kollateralschäden" davon getragen hätten.

Bundesminister Johannes Rauch zeigte viel Verständnis für das Anliegen. Ein einstimmiger Beschluss im Ausschuss sei ein klares Signal in Richtung
der Betroffenen.

Der mit der Petition in Zusammenhang stehende Entschließungsantrag von ÖVP und Grünen wurde einstimmig beschlossen.


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Der Corona-Wiedergutmachungsfonds NÖ beschäftigt sich unter anderem auch mit Kosten der Behandlung psychischer Probleme und allfällig erforderlicher Thera­pien, die sich aus der Corona-Pandemie ergeben haben. Im Arbeitsübereinkommen „Niederösterreich weiterbringen“ haben sich ÖVP und FPÖ dazu verpflichtet,
die Corona-Politik aufzuarbeiten:3

CORONA: Gräben schließen – Verantwortung übernehmen

Mehr als drei Jahre lang haben Pandemie und Corona-Maßnahmen das Leben der Bevölkerung in allen Lebensbereichen massiv beeinflusst. Verantwortungs­volle Politik bedeutet, kritisch zurückzublicken, Fehler einzugestehen und aus ihnen zu lernen. Wir wissen, dass durch die Pandemie und eine Reihe von Maßnah­men Schäden entstanden sind.

Wir verständigen uns daher darauf, die im Zuge der Pandemie gesetzten Maßnahmen aufzuarbeiten und Maßnahmen zu setzen, die entstandene Schäden – so gut dies möglich ist – wieder gut zu machen.

Diesem Beispiel sollte der Bund dringend folgen und nach dem Vorbild des Bundes­landes Niederösterreich auf die Dauer von zwei Jahren ab Errichtung einen
Corona-Wiedergutmachungsfonds in der Höhe von zumindest 250 Millionen Euro einrichten, der die Auswirkungen der Corona-Maßnahmen evaluiert bzw. do­kumentiert und mit Budgetmitteln für den Ausgleich von negativen Auswirkungen dotiert wird.

Aus diesem Fonds sollen etwa Beratungsleistungen im Fall individueller Schäden, medizinische Betreuung von Menschen mit Impf- Beeinträchtigungen, Kos­ten zur Behandlung psychischer Probleme, allfällig erforderliche Therapien, Mehr­aufwendungen für Heimunterricht, sonstige erforderliche Unterstützungen
in erster Linie für Kinder und Jugendliche wie zum Beispiel Gutscheine für Nachhilfe, Freizeitaktivitäten und weitere einschlägige Unterstützungsleistungen finan­ziert werden. Die Umsetzung der einzelnen Maßnahmen soll in einer Durchführungs­verordnung und entsprechenden, unbürokratischen und bürgernahen Durch­führungsrichtlinien näher ausgeführt werden.


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Bundesländer, die wie Niederösterreich bereits eigene Corona-Wiedergutmachungs­fonds vorgesehen haben, sollen die Möglichkeit erhalten, eine Refundierung
der tatsächlich entstandenen Kosten durch den Bund zu erhalten.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend eine Regierungs-vorlage zuzuleiten, die die Errichtung eines Corona-Wiedergutmachungsfonds
des Bundes zum Inhalt hat. Dieser Corona-Wiedergutmachungsfonds ist mit Budget­mitteln in der Höhe von zumindest 250 Millionen Euro zu dotieren. Er soll die Auswirkungen der Corona-Maßnahmen evaluieren bzw. dokumentieren und Bera­tungsleistungen im Fall individueller Schäden, medizinische Betreuung von
Menschen mit Impf- Beeinträchtigungen, Kosten zur Behandlung psychischer Pro­bleme, allfällig erforderliche Therapien, Mehraufwendungen für Heimunter­richt, sonstige erforderliche Unterstützungen in erster Linie für Kinder und Jugendli­che wie zum Beispiel Gutscheine für Nachhilfe, Freizeitaktivitäten und weitere einschlägige Unterstützungsleistungen finanzieren. Darüber hinaus soll festgelegt werden, dass Bundesländer, die wie Niederösterreich bereits eigene Corona-Wiedergutmachungsfonds vorgesehen haben, die Möglichkeit erhalten, eine Refun­dierung der tatsächlich entstandenen Kosten durch den Bund zu erhalten.“

1     https://www.parlament.gv.at/aktuelles/pk/jahr_2022/pk0805

2     https:// www.ots.at/presseaussendung/OTS_20230418_OTS0192/
gesundheitsausschuss-rueckblick-auf-die-kosten-der-pandemiebekaempfung-und-ausblick-auf-moegliche-reformen 5

3     https://www.noe.gv.at/noe/Arbeitsuebereinkommen_Webansicht.pdf

*****



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Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß einge­bracht und steht mit in Verhandlung.

Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Julia Herr zu Wort gemeldet. – Bitte.


13.09.00

Abgeordnete Julia Elisabeth Herr (SPÖ): Frau Präsidentin! Abgeordneter Wurm hat soeben behauptet, die sozialdemokratische Fraktion habe drei Jahre
lang die Wirtschaftshilfen der Bundesregierung mitgetragen (Abg. Wurm: Corona­hilfen!), was Coronahilfen betrifft. Das ist unrichtig.

Ich berichtige tatsächlich: Die sozialdemokratische Fraktion hat insbesondere die Cofag und ihre intransparente Konstruktion mehrfach kritisiert. (Abg. Bela­kowitsch: Aber mitgestimmt! Mitgestimmt!) Ich nenne nur ein Beispiel: Wir haben sieben Anträge eingebracht, dass Wirtschaftshilfen in Millionenhöhe nicht
ohne Garantien – beispielsweise Arbeitsplatzgarantien – fließen dürfen. (Abg. Steinacker: Hallo! Tatsächliche Berichtigung! Wieder einmal nicht geschafft! –
Abg. Belakowitsch: Immer mitgestimmt! – Zwischenruf des Abg. Silvan.)
 – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

13.09


Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Herr Abgeordneter Gerald Hauser zu Wort. – Bitte.


13.09.52

Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Minister! Hohes Haus! Zuhörerinnen und Zuhörer! Gleich zur SPÖ: Ihr schafft
diese Kindesweglegung nicht. Ihr habt drei Jahre lang die wirklich desaströse Covid-Politik dieser Regierung in Wien ja noch getoppt, bitte. (Beifall
bei der FPÖ.)
Ihr habt ja noch ein Schäuferl draufgelegt: Ich erinnere an das Boostermännchen, das Ungeimpfte in Wien verfolgt hat. Das ist ja schrecklich, was die SPÖ dort, wo sie regiert, tatsächlich umgesetzt und mit der Bevöl­kerung gemacht hat. Das ist ein Desaster.


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Zum heutigen Thema: Der Herr Minister spielt schon wieder mit dem Handy, weil er üblicherweise bei meinen Reden nicht aufpasst. (Heiterkeit bei
der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)
Herr Minister, wir sind heute wie­derum in der Situation – jetzt geht er (Abg. Ottenschläger: Das muss man verstehen!) –, dass Sie nicht nur Kindesweglegung betreiben, sondern dass Sie Ihre vollkommen intransparente Politik weiterhin fortsetzen. Vonseiten
der ÖVP kommen die alten Narrative daher, die nicht stimmen, so nach dem Motto, Herr Kollege Smolle: Je höher die Impfquoten sind, desto weni­ger Infektionen gibt es! – Genau das Gegenteil ist der Fall, da können Sie dieses falsche Narrativ noch oft hier im Hohen Haus predigen.

Sie legen die Fakten weg. Schauen Sie sich die offiziellen Zahlen in England für 2022 an! (Abg. Schallmeiner: Mit Narrativen kennst du dich ja besonders gut
aus!)
Von 100 Prozent der bedauerlicherweise an Covid-Verstorbenen waren 92 Prozent Geimpfte. Wieso blenden Sie das immer aus? Wieso sind Sie
so beratungsresistent? – Ich verstehe Sie da überhaupt nicht.

Zur Beratungsresistenz: Wieso unterstützt uns keine Partei dabei, endlich Licht ins Dunkel dieser massiven Beschaffungsverträge zu bringen? – Bis zum April 2022 haben Sie (eine Tafel mit der Aufschrift „Anfragebeantwortung vom 07.04.2022“ – „‚Offenlegung der Verträge mit COVID-Impfstoffherstel­lern‘“ – „Insgesamt beträgt der Wert des österreichischen Impfstoffportfolios EUR 1.107,6 Mio.“ auf das Redner:innenpult stellend) laut Anfragebeantwortung von Herrn Minister Rauch, der jetzt gegangen ist, weil ihn das sowieso
nicht interessiert (Ruf bei der ÖVP: Ja, weil er was Wichtigeres zu tun hat!), um 1 100 Millionen Euro Impfstoffdosen bestellt – vollkommen intransparent! Ganz konkret steht in der Anfragebeantwortung: „51,3 Mio. mRNA-Impfstoff­dosen, 10,4 Mio. Vektor-Impfstoffdosen sowie 8,3 Mio.“ herkömmliche Dosen. – Damals schon wurden 70 Millionen Impfdosen um 1,1 Milliarden Euro be­stellt – 1 100 Millionen Euro!

Heute hatten wir eine Aktuelle Stunde, in der wir über die Gesundheitspolitik gesprochen haben. Das Geld fehlt im Gesundheitssystem an allen Ecken


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und Enden und Sie schmeißen das Geld hinaus, bestellen Impfstoffe ohne Ende und decken noch die desaströse Bestellpolitik der Europäischen Union und
von der Leyens ab. Wissen Sie, wenn wir diesen Fragen zur Impfstoff­beschaffung auf den Grund gehen wollen, dann bekommen wir, damit es die Bevölkerung jetzt auch einmal sieht, von Ihnen diese Antwort, bitte (eine
Tafel mit der Aufschrift „Anfragebeantwortung – 27.03.2023“ – „‚Wissenswertes zur Coronaschutzimpfung‘“ – „Der Inhalt der Verträge sowie der Preis der einzelnen Impfstoffe unterliegen der Vertraulichkeit, weshalb Fragen über Zahlungen
an die Impfstoffhersteller nicht beantwortet werden können.“ auf das Redner:innen­pult stellend):
Sie sagen uns, bei der Impfstoffbeschaffung haben wir voll­kommene Intransparenz, wir haben Geheimhaltung vereinbart!

Sie kaufen also ein, Sie decken ab, dass die EU-Kommissionspräsidentin um 35 Milliarden Euro 1,8 Milliarden Impfstoffdosen in einem privaten
Deal mit Pfizer, mit dem Pfizer-Chef Bourla, abwickelt; die Europäische Staatsanwaltschaft ermittelt und wir fragen nach; Sie bestellen, Sie schließen fixe Abnahmeverträge mit der EU-Kommission ab; und wenn wir Licht
ins Dunkel bringen wollen, sagen Sie: Nein, nein, wir haben da Vertraulichkeit vereinbart, das geht den Steuerzahler, sprich das österreichische Parla­ment, überhaupt nichts an! Tut da nicht herumrühren, bitte! Das ist alles gut und recht!

Sie legen dann noch ein Schäuferl drauf, weil Sie jetzt hergehen, für das Jahr 2023 weitere vier Millionen Impfstoffdosen bestellen und sich dann her­stellen und sagen: Es ist alles gut, wir haben das eh reduziert! – Wissen Sie, Herr Minister, wir haben bitte schon 28 Millionen Impfstoffdosen verschenken müssen, es sind noch 18 Millionen Impfstoffdosen auf Lager, und wir bestellen dieses Jahr noch einmal vier Millionen, damit Pfizer seine Milliardenein­kommen noch toppen kann, und wir als Vertreter des österreichischen Parla­ments erfahren dazu gar nichts. Und Sie sagen uns: Alles gut, alles super
so, wie das läuft! – Das ist einfach sensationell. So gehen Sie mit dem Geld der österreichischen Steuerzahler um. (Beifall bei der FPÖ.)


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Abschließend: Jetzt sagen Sie, Covid ist vorbei. Sie führen trotzdem die Normalität nicht herbei, Gesetze bleiben teilweise bestehen. Und was kommt jetzt daher? – Heute und hier beschließen Sie ein Impffinanzierungsge­setz, mit dem Sie den Gemeinden im Zeitraum vom 1. Juli 2023
bis Ende März 2024 für jede Person, die sich impfen lässt, sage und schreibe 20 Euro bezahlen. (Der Redner stellt eine Tafel mit der Aufschrift
„COVID-19-Impffinanzierungsgesetz“ – „Länder und Gemeinden bekommen 20 Euro pro nachweislich verabreichter Impfung. (1. Juli 2023 bis zum 31. März 2024)“
auf das Redner:innenpult.)
 – Erklären Sie mir bitte einmal, was das
mit Gesundheitspolitik zu tun hat, wenn sich ein Bürger einer Gemeinde X in diesem Zeitraum, wenn Sie sagen, Covid ist vorbei, impfen lässt und die Gemeinde 20 Euro bekommt! Das ist Geldverschwendung ohne Ende. Das hat mit Gesundheitspolitik nichts zu tun.

Hören Sie auf, das Geld, das Sie dem Steuerzahler wie bei den Raubrittern ab­nehmen, zum Fenster hinauszuschmeißen und schaffen Sie endlich diese
Covid-19-Gesetze ab! – Wir danken. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Lausch: Sehr gut!)

13.15


Präsidentin Doris Bures: Nun ist Herr Abgeordneter Josef Smolle ein zweites Mal zu Wort gemeldet. – Bitte.


13.15.54

Abgeordneter Dr. Josef Smolle (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolle­ginnen und Kollegen! Kollege Hauser hat vorhin das, was ich zur Impfung gesagt habe, etwas zu konterkarieren versucht. Ich bemühe mich immer, mög­lichst präzise zu formulieren. Ich habe gesagt, im Vergleich der europäischen Länder sieht man, je mehr geimpft worden ist, desto weniger Covid-19-Todesfälle und desto weniger Gesamtübersterblichkeit gibt es. Die Daten gibt es im Internet – Our World in Data –, das kann jeder herunterladen und einem statistischen Test unterziehen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von Grünen und NEOS.)

13.16



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Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Gerhard Kaniak, auch ein zweites Mal. – Bitte. (Abg. Hörl: Kannst den Hauser korrigieren! – Heiterkeit bei der ÖVP. – Ruf bei der ÖVP: Tatsächliche Berichtigung!)


13.16.51

Abgeordneter Mag. Gerhard Kaniak (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich erneut zu
Wort gemeldet, weil es unter diesen Tagesordnungspunkten um so viele ver­schiedene Themen geht, dass in meinem ersten Debattenbeitrag nicht
alles Platz gefunden hat.

Wir debattieren heute hier auch Änderungen im Apothekengesetz und im Arzneimittelgesetz, auf die ich noch weiter eingehen möchte. Im Apo­thekengesetz haben wir Änderungen vorgesehen, die eine Abholstation gekop­pelt an den Fernabsatz für rezeptfreie Arzneimittel ermöglicht – eine
Regelung, die wir grundsätzlich auch unterstützen, die aber nur ein sehr kleines Spektrum, einen sehr kleinen Teil des Bedarfs der Bevölkerung abdeckt.
Im Arzneimittelbereich haben wir ein Kumulierungsverbot für Rezeptverordnun­gen festgeschrieben – auch ein Detailbereich, der durchaus wichtig ist,
viel wichtiger wäre es allerdings, die Versorgung mit Arzneimitteln generell sicherzustellen.

Auf diese beiden nicht behandelten Dinge möchte ich eingehen, denn ich finde es schon sehr erstaunlich, dass wir hier extra Tagesordnungspunkte zu
kleinen Änderungen im Apothekengesetz und im Arzneimittelgesetz haben, aber die großen notwendigen Novellen, die teilweise schon fertig in der Schub­lade im Ministerium liegen, seit Jahr und Tag nicht kommen.

Was wäre denn im Apothekengesetz notwendig? – Allein wenn ich mir ansehe, dass wir die Testerlaubnis für Apotheken aus den Covid-Gesetzen weiter­führen wollen und können, diese Testerlaubnis in den öffentlichen Apotheken aber auf Covid-19 eingeschränkt ist und für andere Erkrankungen nach
wie vor nicht gültig ist, so sehe ich darin einen ersten Punkt.


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Ein anderes Thema ist, dass wir auch das Impfen in der Apotheke schon mehrfach als großes Thema im Ausschuss hatten und es einen brei­ten parlamentarischen Konsens gibt, dass das eine vernünftige, niederschwellige Möglichkeit ist, gerade auch bei bekannten, bewährten Impfungen, die aufgefrischt werden müssen, den Rückstand bei den Impfungen zu reduzieren und die Impfquote in der österreichischen Bevölkerung zu verbessern. –
Dazu gibt es keine Vorlagen von Ihnen, Herr Minister. Dazu haben wir heute leider nichts auf der Tagesordnung stehen.

In der Apothekengesetznovelle, die bei Ihnen im Ministerium in der Schublade liegt, sind noch ganz andere wesentliche Dinge enthalten. Da ist zum
Beispiel eine Neuregelung der Zustellmöglichkeit für die Apotheken in ihren Versorgungsregionen vorgesehen – etwas, das während Covid auch praktiziert und sogar von der Sozialversicherung bezahlt wurde. Ins Normgesetz können wir das aber offensichtlich nicht überführen; zumindest haben
Sie es heute hier wieder nicht vorgeschlagen oder eingebracht.

Ein anderes Thema ist der Punkt der Filialapothekenregelungen und der Bedarfs­prüfung – aus zwei wesentlichen Gründen: erstens weil es ja um die flä­chendeckende Arzneimittelversorgung in Österreich geht und wir wissen, dass wir da einzelne weiße Flecken haben, die versorgungstechnisch noch nicht optimal versorgt und betreut sind, und auf der anderen Seite weil die Bedarfsre­gelung ja auch immer die wirtschaftlichen Möglichkeiten der öffentlichen Apotheken mitberücksichtigen sollte.

Der Grundgedanke der Bedarfsregelung war ja, dass öffentliche Apotheken durch die aus ihrem Versorgungsbereich entstehenden Umsätze gut überleben können. Diesen Zustand haben wir schon lange verlassen, Herr Minister.
Ganz im Gegenteil: Ein Drittel der österreichischen Apotheken erwirtschaftet nicht einmal mehr ein Angestelltengehalt für die selbstständigen
Apotheker.


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Wenn Sie nicht wollen, dass wir Zustände so wie jetzt in Sachsen-Anhalt haben, wo die Apotheker streiken und die Apotheken einen ganzen Tag lang
zusperren, weil sie wirtschaftlich nicht mehr überleben können, dann wird es höchste Zeit, dass Sie handeln.

Handlungsbedarf gibt es auch bei den Arzneimitteln. Sie wissen, dass wir seit Monaten Arzneimittelengpässe in Österreich haben. Sie wissen, ich
habe vor Monaten einen Fünf-Punkte-Plan präsentiert, der ohne Weiteres – zu 90 Prozent zumindest – von Ihnen auf Eigeninitiative auf Bundesebene umsetzbar wäre. Die von Ihnen zitierte Taskforce, die es seit 2020 – eigentlich schon fast seit 2019 – gibt, und die Verordnung zur Sicherstellung der Arzneimittelversorgung haben sich nachweislich als ineffektiv erwiesen, denn in den letzten drei Jahren sind wir mit Lieferengpässen und Arzneimitteleng­pässen konfrontiert gewesen wie nie zuvor, und der Trend, sehr geehrter Minis­ter, ist ein klar negativer.

Im Ausschuss haben Sie gesagt, es gibt in Europa nur ein einziges Land, das nicht wirklich von diesen Lieferengpässen betroffen ist, das ist Finnland. Warum
ist das so? – Finnland hat eine gesetzliche Bevorratungsfrist für den pharmazeu­tischen Großhandel von sieben Monaten. In Österreich haben wir diesbe­züglich eine ganz schwammige Lösung, und in Wirklichkeit ist es so, dass wir bei bestimmten Arzneimittelgruppen – zum Beispiel bei den hochpreisigen Arzneimitteln – eine derart geringe Marge haben, dass bei den jetzigen Finanzie­rungskosten die gesamte Marge nach drei Wochen Lagerung beim Groß­handel aufgezehrt ist. Das heißt, Sie können aus wirtschaftlichen Gründen in Ös­terreich im Arzneimittelhandel gar nicht längerfristig bevorraten, weil die Deckungsbeiträge in der österreichischen Vertriebskette dafür nicht vorhanden sind.

Das könnten Sie ganz einfach ändern: Beschließen Sie längere Fristen für die Be­vorratung im voll sortierten pharmazeutischen Großhandel! Sorgen Sie dafür, dass der pharmazeutische Großhandel alle Produkte auch tatsächlich be-


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kommt! Sorgen Sie für diese Public Service Obligations, die Zwangsbelie­ferung der Hersteller an den pharmazeutischen Großhandel, und setzen Sie die Spannen für die österreichische Vertriebskette, den österreichischen Groß­handel, aber auch die öffentlichen Apotheken, hinauf! Das können Sie
von mir aus auch gerne auf Kosten der Arzneimittelhersteller machen. Das heißt noch lange nicht, dass die Gesamtkosten für die Sozialversicherung höher
werden. Man kann Spannen ja auch innerhalb eines Preisgefüges oder eines de­finierten Preises verschieben.

Fakt ist, dass wir für die österreichische Vertriebskette mehr Geld brauchen. Die Preise oder die Spannen sind gesetzlich geregelt, die Kosten sind in den vergangenen Jahren explodiert. Der Aufwand ist durch die ganzen Lieferschwie­rigkeiten immens gestiegen. Sie als Minister haben die Verantwor­tung, dazu auch die gesetzlichen Regulative vorzulegen. (Beifall bei der FPÖ.)

13.22


Präsidentin Doris Bures: Nun ist Herr Klubobmann Philip Kucher zu
Wort gemeldet. – Bitte.


13.22.33

Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte die Beiträge der Freiheitlichen Partei so nicht stehen lassen angesichts dessen, was sie parteipolitisch aufführen – da geht es schließlich um Menschenleben.

In der Coronapolitik haben wir jetzt alle über Jahre hinweg, glaube ich, unsere Positionen klargemacht, wir wissen ungefähr, wo wir alle stehen, aber ver­gessen Sie nicht – auch wenn das aus eurer Sicht parteipolitisch Sinn machen möge –, dass Menschen, die heute hier zusehen, verzweifelt sind und
nicht wissen, wie es weitergeht!

Da geht es um ganz konkrete Maßnahmen, und ihr könnt hundertmal sagen, Corona ist vorbei, aber es gibt auch noch Opfer, Menschen, die auf
uns angewiesen sind, und diese Menschen haben wahrscheinlich uns allen


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geschrieben und auch ihre Lebensgeschichten mitgeteilt. Das sind Menschen, die jetzt zu Hause sitzen und sich Sorgen machen, weil sie schwer kranke Menschen pflegen müssen und gerne die Sicherheit hätten, dass
es weiterhin kostenlose PCR-Tests gibt. Über diese Menschen redet die FPÖ nicht mehr – weil ihr es gar nicht mehr hören wollt und weil ihr diese
Menschen nicht seht.

Mir schreibt da ein Herr, dass es nicht um ihn selber geht, sondern um seine beste Freundin, die Laura, die an einer schweren Autoimmunkrankheit
leidet. Diese Frau möchte er weiterhin so sicher wie möglich besuchen können. Dafür braucht er weiterhin einen kostenlosen Test, der auch angeboten
wird. Er schreibt dann im letzten Satz: Für mich geht es um vereinzelte soziale Kontakte, für Laura geht es um ihr Leben.

Diese Menschen können wir doch nicht einfach im Stich lassen, weil die Freiheitliche Partei über 100 000 andere Sachen reden möchte. Herr Hauser ist Experte geworden für Pfizer, für die Illuminaten, für alles Mögliche, hat Geheiminformationen, aber er redet ja nicht mehr über die Laura
und über betroffene Menschen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

Was richten Sie der älteren Dame mit sechs Enkelkindern aus, deren Leber nicht mehr funktioniert, die nach einer Transplantation darauf angewiesen ist,
dass sie sich testen kann? Was richten Sie einer Frau aus, die von ihrem Vater schreibt, der schwer krank ist? Sie sagt, sie ist Lehrerin und mit vielen
Menschen in Kontakt, sie möchte ihn nicht gefährden. Die Menschen schreiben, dass wir, auch wenn Corona politisch vielleicht abgesagt ist, diese Men­schen, auch weil sie vielleicht gerade nicht die Kraft haben, weil sie körperlich dazu nicht imstande sind, nicht im Stich lassen dürfen.

Die Freiheitliche Partei hat mit diesem Zickzackkurs, den sie in der Coronapolitik betrieben hat - - (Heiterkeit bei der FPÖ.) – Ihr seid diejenigen, die das der
Laura ausrichten müssen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)


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Ich möchte noch einmal daran erinnern: Der erste Politiker, der den Lock­down gefordert hat, war Herbert Kickl, und er war einer der Ersten,
der heraußen am Pult im Parlament gesagt hat: Greifen Sie durch! Greifen Sie durch gegen alle Menschen, die sich nicht an Regeln halten! Unverbes­serliche Menschen sind das. Unverbesserliche, hat er damals gesagt. Das war Herbert Kickl. (Abg. Wurm: Wo hast du denn das her?)

Kollege Wurm, das braucht dir nicht peinlich zu sein, du weißt es noch ganz ge­nau: Ihr wart die Ersten, die gesagt haben, man muss hart durchgreifen,
und jetzt richtet ihr der Laura aus, es passt nicht in eure Geschichte und sie ist auf sich allein gestellt. Es geht um Menschen, Herr Kollege, es geht um Menschen! (Beifall bei der SPÖ, bei Abgeordneten der Grünen sowie der Abgeordne­ten Pfurtscheller und Brandstätter.)

13.25


Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Frau Abgeordnete Dagmar Belakowitsch zu Wort. – Bitte. (Nein- und Oje-Rufe bei SPÖ und Grünen.)


13.25.44

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Ich weiß nicht, warum Sie so jammern. – Das ist das Demokratieverständnis der anderen Fraktionen in diesem Haus. (Abg. Stögmüller: Ja, ihr habt das beste, klar!)

Herr Kollege Kucher – Herr Klubobmann muss man ja jetzt sagen, jetzt sind Sie ja der neue Klubobmann –, es war schon als Abgeordneter lächerlich,
aber als Klubobmann sollten Sie sich ein bisschen an die Fakten halten. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Krainer: Hallo! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ja, beim ersten Lockdown haben wir mitgestimmt, das war zu einem Zeitpunkt, zu dem die Situation in Österreich unsicher war, zu dem niemand wusste,
was auf uns zukommt. Nach zehn Tagen - - (Ruf bei der ÖVP: Bevor
Sie auf die Umfragen geschaut haben!) 
– Wissen Sie, mit Umfragen hat das wenig zu tun gehabt, wir sind damals in den Umfragen runtergegangen. Nur zu
Ihrer Information: Es war Ihr Sebastian Kurz, mit dem Sie auf über 40 Prozent


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gestiegen sind. Das unterscheidet uns beide: Wir haben nämlich nicht
auf die Umfragen gehört. (Lebhafte Heiterkeit bei ÖVP und Grünen.) – Sehen Sie, und das ist Ihr Problem, meine Damen und Herren: Sie schauen auf Um­fragen, wir haben auf die Bevölkerung gehört und auf die Leute, die sich dabei auskennen. (Beifall bei der FPÖ.)

Sie haben irgendwelche Mathematiker gehabt, wir hatten Virologen und viele Ärzte und Professoren in unserem Hintergrund. Ich frage mich ja nur - -
(Abg. Schallmeiner: Tee, Sonnenlicht, Zwiebeln, Ivermectin!) – Ja, Ivermectin ist ein gutes Beispiel, Herr Kollege Schallmeiner. Es gibt einen Professor in Linz,
in Oberösterreich, Ihrem Heimatbundesland, der wahrscheinlich für Ihre Fraktion sogar kandidiert hat, jedenfalls Mitglied Ihrer Fraktion war. Das ist einer
derer, die Ivermectin als Erste gefordert haben – nur so viel dazu. (Zwischenruf des Abg. Schallmeiner.) Also schauen Sie sich das einmal genauer an, und
hören Sie endlich auf mit diesem Schwachsinn! (Beifall bei der FPÖ.)

Es würde reichen, wenn Sie sich endlich hierherstellen und sich einmal bei der Bevölkerung entschuldigen würden für das, was Sie der Bevölkerung in
den letzten drei Jahren angetan haben! Das würde schon einmal
ein erster Schritt sein, Herr Kollege Schallmeiner! Und hören Sie auf mit diesem blöden Dazwischenrufen! Beschäftigen Sie sich doch einmal mit der
Materie! (Heiterkeit bei ÖVP und Grünen.)

Frau Präsidentin, seien Sie mir nicht böse, aber wenn das die Diskussionskultur ist - -


Präsidentin Doris Bures: Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich würde ersuchen, dass wir den Lärmpegel im Saal wieder ein wenig senken.

Frau Abgeordnete, Sie sind schon sehr lange Abgeordnete des Parlaments und Sie wissen, dass Zwischenrufe auch ein Instrument der parlamentarischen Debatte sind. (Abg. Steinacker: Gerade sie weiß es!) Daher würde ich Sie, was die Bewertung von Zwischenrufen betrifft, um Mäßigung ersuchen.

Sie können jetzt mit Ihren Ausführungen fortfahren.



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Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (fortsetzend): Ja, danke, Frau Präsidentin, Sie haben recht, ich bin schon sehr lange in diesem Haus, ich habe schon
sehr viele Zwischenrufe, auch schon sehr viel Gelächter ausgehalten, es hat mich noch nichts mundtot gemacht, weil ich auch weiß, dass ich in der Koalition
mit der Bevölkerung bin. Und ich habe in den letzten Jahren sehr, sehr viele Zu­schriften bekommen. (Ruf bei der SPÖ: Jössas na!) – Ja, für Sie von der SPÖ
ist das natürlich ein „Jössas na!“, Ihnen rennen die Leute davon. Das ist mir schon klar, dass das für Sie ein „Jössas na!“ ist. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Krainer: Tatsächliche Berichtigung: Die rennen uns gerade die Tür ein! – Abg. Herr: 12 000 neue Mitglieder, aber wurscht!)

Ich bin froh, dass ich in regem Kontakt und in regem Austausch mit den Bürgerinnen und Bürgern in unserem Land bin, die Opfer dieser Politik sind, Opfer der Regierungspolitik, wo Sie als SPÖ immer und überall dabei
waren. Sie waren bei jedem Lockdown dabei, überall! Und da können Sie sich jetzt hinstellen und sagen, wir haben es kritisiert – ja, aber zugestimmt
haben Sie! Frau Kollegin Herr, Sie haben überall zugestimmt, in jedem Haupt­ausschuss, jeder Verlängerung des Lockdowns! Das haben Sie als SPÖ
gemacht! Also hören Sie auf mit dieser Kindesweglegung! Sie sind mitverant­wortlich für das, was in diesem Land in den letzten drei Jahren passiert
ist! (Beifall bei der FPÖ.)

Anstatt dass Sie sich jetzt einmal herstellen und bei der Bevölkerung dafür entschuldigen, versuchen Sie jetzt auch noch, das von sich wegzuschie­ben, anderen umzuhängen und alles noch lächerlich zu machen. Es ist nun einmal eine Tatsache, dass da viel schiefgelaufen ist. Der Kollege von der ÖVP
hat heute gesagt, dass das Testen nichts gebracht hat. Der Herr Minister hat es im Gesundheitsausschuss gesagt: Der Erfolg des Testens war de facto
nicht nachweisbar. (Ruf bei den Grünen: Das stimmt nicht!) Und wir haben Milliar­den dort hineingesteckt.

Ich sage Ihnen noch etwas: Ich war eine der Ersten, die das kritisiert hat, und bin von Ihnen allen wie die Sau durchs Dorf getrieben worden. Mich hat es


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nicht gestört, aber die Bürgerinnen und Bürger hatten ein Problem (Zwischenruf des Abg. Lukas Hammer), die durften nirgends hingehen, ohne sich testen
zu lassen. Das ist doch die Wahrheit!

Was nützt es einem Schwerkranken, wenn er sich testen lässt? Jemand, der so schwer krank ist, dass es eine Gefahr ist, eine Infektionskrankheit zu be­kommen, hat nichts davon, wenn sich jemand gegen Corona testen lässt, denn Sie wissen nicht, ob das Gegenüber nicht Influenza hat, ein RSV-Virus
oder sonst irgendeine Erkrankung. Es ist leider so! Wir müssen alle mit Gefahren leben, und wenn ich zu einer großen Risikogruppe gehöre – und selbstver­ständlich gibt es die, natürlich! –, dann muss ich eben selbst für einen gewissen Schutz sorgen, denn ich kann nicht nur sagen: Das Corona, das gefährdet
mein Leben!, sämtliche anderen Keime und Erreger tun das ja genauso.

Also hören Sie auf, das auf irgendetwas zu reduzieren, das bringt nichts! Es tut mir leid, dass Sie jetzt Ihren Lebensinhalt verloren haben, Ihre komischen Testungen. (Widerspruch bei den Grünen.) Tatsache ist: Es ist gut, dass es endlich aufgehoben wird, weil es endlich ein Befreiungsschlag für die Bürger:innen
ist. (Beifall bei der FPÖ.)

13.31


13.31.15

Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Wird seitens der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Damit kommen wir zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.

Abstimmung über Tagesordnungspunkt 6: Entwurf betreffend COVID-19-Über­führungsgesetz samt Titel und Eingang in 2048 der Beilagen.

Wer sich dafür ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit so angenommen.


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Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung mit Mehrheit angenommen.

Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Gesundheitsversorgungspaket“.

Wer spricht sich für diesen Entschließungsantrag aus? – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dagmar Belako­witsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Corona-Wiedergutmachungs­fonds des Bundes“.

Wer ist für diesen Entschließungsantrag? – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 7: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Suchtmittelgesetz geändert wird, samt
Titel und Eingang in 2055 der Beilagen.

Wer spricht sich für diesen Gesetzentwurf aus? – Das ist einstimmig so ange­nommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung einstimmig angenommen.

Abstimmung über Tagesordnungspunkt 8: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Apothekengesetz und das Arzneimittelgesetz geändert werden, samt Titel und Eingang in 2053 der Beilagen.

Wer sich dafür ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung einstimmig angenommen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll219. Sitzung, 219. Sitzung des Nationalrats vom 14. Juni 2023 / Seite 210

Abstimmung über Tagesordnungspunkt 9: Antrag des Gesundheitsausschusses, seinen Bericht 2058 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer ist für diese Kenntnisnahme? – Der Bericht ist mit Mehrheit zur Kenntnis genommen.

13.33.3810. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (2049 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz, mit dem nähere Regelungen
zu einem Elektronischen Eltern-Kind-Pass getroffen werden (eEltern-Kind-Pass-Gesetz – EKPG), erlassen wird sowie das Gesundheitstelematik­gesetz 2012, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Kinderbetreu­ungsgeldgesetz und das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 geändert werden (Eltern-Kind-Pass-Gesetz) (2056 d.B.)

11. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 3029/A(E) der Abge­ordneten Fiona Fiedler, BEd, Kolleginnen und Kollegen betreffend Vorbereitende Maßnahmen für den EHDS (2059 d.B.)

12. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 3217/A(E) der Abge­ordneten Fiona Fiedler, BEd, Kolleginnen und Kollegen betreffend Digitalisierung im Gesundheitssystem vorantreiben (2060 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Somit kommen wir zu den Tagesordnungspunkten 10 bis 12, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Erste Rednerin: Frau Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek. – Bitte.



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13.34.29

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesmi­nister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zu­seher hier und auch zu Hause! Wir diskutieren jetzt das Eltern-Kind-Pass-Gesetz, das heute nicht beschlossen werden kann. Es wird dann einen Rückver­weisungsantrag geben, weil die Vorlage, die der Ministerrat an das Parlament geschickt hat, nicht die gleiche ist, die im Ministerrat diskutiert wurde. –
Ich möchte es nur erklären.

Nichtsdestotrotz - wir werden die Gelegenheit haben, in einem neuerlichen Ausschuss die Materie des Eltern-Kind-Pass-Gesetzes noch einmal zu diskutieren, Fragen zu stellen und womöglich auch noch das ein oder andere, was uns sehr am Herzen liegt, zu ändern. (Präsident Sobotka übernimmt
den Vorsitz.)

Lassen Sie mich oder lassen Sie uns gemeinsam daher kurz in die Vergangenheit blicken! Es war Ingrid Leodolter 1974. Die Einrichtung des Mutter-Kind-
Passes war seinerzeit wirklich eine umfassend großartige, die die Säuglingssterb­lichkeit zurückgehen ließ, die Erkrankungen der schwangeren Frauen hintan­stellen konnte und im Lauf der Jahre und Jahrzehnte viele, viele Verbesserungen für Mütter und deren Kinder gebracht hat.

Es wurde dann 1996 aus Kostengründen - - Nein, ich muss vorher noch sagen: Es gab damals ja Geburtengeld – das ist die Brücke zu jetzt. (Abg. Wurm:
Das ist heute auch noch gut! ... es gibt eine Prämie!)
Es gab Geburtengeld, wenn man alle Untersuchungen absolviert hatte. 1996 wurde das leider abge­schafft, die Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen sind sehr zurückgegangen, und man hat 1997 wieder ein Bonussystem eingeführt, damit wieder mehr
Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen gemacht werden.

Leider wurde 2002 mit der Einführung des Kinderbetreuungsgeldes auch die Mutter-Kind-Pass-Verordnung dahin gehend geändert, dass man, wenn
man nicht alle Untersuchungen gemacht hatte, bestraft wurde; bestraft insofern,


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als man Rückzahlungen leisten musste, nämlich Rückzahlungen des Bezu­ges des Kinderbetreuungsgeldes.

Ich erzähle das nur deswegen, weil von einer Sache: Mach etwas, dann wirst du belohnt, das freut uns!, zu einer Sache übergegangen wurde: Wenn du
etwas nicht tust, dann wirst du bestraft, dann musst du Teile oder die Hälfte des Kinderbetreuungsgeldes zurückzahlen!

Das ist nicht unsere Politik! Wir müssen in Zeiten wie diesen natürlich schauen, was man sich leisten kann, was möglich ist, aber zu riskieren, dass man,
wenn man eine Meldung versäumt, die Untersuchungen zwar gemacht hat, aber nicht rechtzeitig gemeldet hat, dann das Kinderbetreuungsgeld zurückzah­len muss, das sollte nicht der Weg sein. (Beifall bei der SPÖ.)

Ganz kurz zum jetzigen Entwurf, der wie gesagt noch einmal im Ausschuss diskutiert werden wird: Es sind Erweiterungen von Untersuchungen vorgesehen. Es gibt die elektronische Version des Eltern-Kind-Passes – er wird ja von
Mutter-Kind- in Eltern-Kind-Pass umbenannt –, die dann vorhanden sein wird; den gelben Pass kann man dann nicht mehr verlieren, weil er digitalisiert
ist. Genau das ist einer der Knackpunkte für uns: Es werden dann zwei Daten­stränge aufgebaut, auf der einen Seite die Daten in Elga, auf der anderen
Seite die Daten im elektronischen Eltern-Kind-Pass. Und was uns besonders verwundert, ist, dass die 400 Familienberatungsstellen, die wir in Öster­reich haben, plötzlich auch Zugriff auf diese Eltern-Kind-Pass-Daten bekommen sollen und auch als Gesundheitsanbieter aufscheinen sollen.

Erinnern wir uns an Kreisky zurück: Die Familienberatungsstellen wurden Mitte der Siebzigerjahre geschaffen, um Schwangerenberatung zu gewährleisten.
Das sind Maßnahmen gewesen, die wichtig waren. (Beifall bei der SPÖ.)
Jetzt scheint es so, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, dass man, wenn man diese Beratungsleistung, die verpflichtend ist, wie ich hier lese, nicht in An­spruch nimmt, vielleicht wiederum Geld zurückzahlen muss. – Das wol­len wir nicht, das kann es nicht sein.


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Ich glaube, dass es überhaupt noch sehr im Dunklen liegt, welche Untersuchun­gen dazukommen sollen, denn es sind die Psycholog:innen, die Logopäd:in­nen, die Mund- und Zahngesundheit in diesem neuen Katalog nicht inkludiert. Schauen wir aber einmal! Wir können es ja noch einmal diskutieren, um
diese wichtigen Bereiche eventuell noch aufzunehmen.

Es geht auch um Schwangerenberatung im negativen Sinn, vielleicht auch um die Datenlage, wenn Abbrüche vorgenommen wurden, wenn es gewalttätige
Ex-Partner gibt – die Männer können dann nämlich auch in diesen Eltern-Kind-Pass reinschauen. Die Frau muss aktiv sagen: Ich will nicht, dass jemand reinschaut!, also wieder eine Hürde, die dazukommt. – Da sind noch viele, viele Ungereimtheiten, die wir sehen.

Daher finden wir es gut, dass diese Rückverweisung in den Ausschuss da ist. Wiewohl wir eine Weiterentwicklung des Mutter-Kind-Passes, weitere Untersuchungen, eine Ausweitung durchaus positiv sehen, gibt es da noch viele Haken, die zu diskutieren sind. (Beifall bei der SPÖ.)

13.39


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Tanda. – Bitte sehr.


13.40.05

Abgeordnete Ing. Mag. (FH) Alexandra Tanda (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen vor den Bildschirmen und hier im Saal! Ich darf herzlich den Seniorenbund, die Senioren der Stadt Oberpullendorf und Niki Berlakovich grüßen, die mit dem aktuellen Bürgermeis­ter und noch fünf weiteren hier sind. Ich erlaube mir, das auch in ihrer
Sprache zu sagen – meiner Vatersprache sozusagen –: Üdvözöljük az idösek egyesületében Felsöpulyból! (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP, SPÖ,
Grünen und NEOS.)


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Somit komme ich gleich zum Thema, über das wir heute debattieren – das tun wir nämlich nicht über den Mutter-Kind-Pass, sondern über den Eltern-
Kind-Pass, weil auch Väter sehr, sehr wichtig sind.

„The Times They Are A-Changin’“ hat schon Bob Dylan gesungen. Der Mutter-Kind-Pass ist ja, wie wir gerade gehört haben, unbestritten eine Erfolgsge­schichte, aber bald 50 Jahre alt, und die Zeiten haben sich eben geän­dert. Damals hatte Österreich 7,6 Millionen Einwohner, jetzt sind es 9,1 Mil­lionen Einwohner. Damals war das Wort Handy noch in keinem Sprach­gebrauch vorhanden, heute geht kaum mehr jemand ohne Handy außer Haus. – Ich sage immer, das ist die externe Festplatte – wer weiß schon Telefon­nummern, Termine und alles andere auswendig –, wobei auch dieser Begriff wahrscheinlich schon überholt ist, denn wir sollten uns mehr über KI
und das Internet, das wir ständig bei uns haben, Tag und Nacht, unterhalten.

Es ist also wirklich mehr als an der Zeit, den Mutter-Kind-Pass in das
digitale Zeitalter überzuführen und dabei auch dessen Namen von Mutter-Kind-Pass in Eltern-Kind-Pass zu ändern, denn dieser Begriff gibt den gesell­schaftlichen Veränderungen, die wir erleben, auch ein Attribut, einen Raum. Der Vater ist nämlich sehr wohl eine ausgesprochen wichtige Bezugsper­son und verantwortlich für das seelische und psychische Wohlergehen und die Entwicklung des Kindes, wovon wir auch gestern schon im Zusammen­hang mit der Psychotherapie gehört haben. Mit Männern gibt es ganz andere Erziehungsstile. Mit dieser Umbenennung in Eltern-Kind-Pass soll auch der Diversität, die wir haben, Raum gegeben werden, denn wie gesagt, die Zeiten ändern sich.

Für die Entwicklung des elektronischen Eltern-Kind-Passes stellt das Gesund­heits- und Sozialministerium 10 Millionen Euro zur Verfügung. Mit die­sem Geld, mit diesen Mitteln werden nicht nur die inhaltlichen Reformen bis 2026 ausgebaut, sondern er wird entsprechend den Wünschen der Teilnehmer:innen einer Befragung des Jahres 2022 auch als Handyapp, aber


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auch – sozusagen zu Hause vor dem großen Bildschirm – in Form
einer Webplattform zur Verfügung gestellt.

Der Nutzen durch diese Leistungserweiterung ist unbestritten. Das bietet nun viele Möglichkeiten, um Abläufe zu vereinfachen und so den Zugang zu
den Untersuchungsdaten und Informationen zu vereinfachen. Ein paar davon möchte ich gerne aufzählen: Zum Beispiel wird dort eben eine Informa­tionsplattform für Familienleistungen und Beratungen zu psychischer Gesund­heit, Gesundheitsförderung und Vorsorge eingerichtet, auch eine elektro­nische Dokumentationsplattform für Untersuchungen und Beratungen während der Schwangerschaft und der Kindheit ist vorgesehen.

Besonders nützlich sind auch die praktischen Anwendungen, wie eine Erinne­rungsfunktion und das Zusammenführen von Datenbanken, wodurch
Eltern entlastet werden und nicht mehr von administrativen Aufgaben sozusa­gen verfolgt werden und denken müssen: Jetzt muss ich noch schnell
den Nachweis bringen und das irgendwo hintragen, damit man sieht, dass ich das gemacht habe!

Durch diese Anpassungen und Erweiterungen wird vor allem für sozial benachteiligte Familien mit eventuell eingeschränkten Sprachkenntnissen der Zugang vereinfacht, vor allem auch, weil die Handyapp mehrsprachig
angeboten wird.

Besonders zu betonen ist, dass die Untersuchungsprogramme bis zum 18. Lebensjahr ausgebaut werden – wir alle wissen, dass sich die Adoleszenzphase dezent verlängert hat –, und gerade auch was psychische Begleitung und Ernährung betrifft, und was alles dazukommt, ist eini­ges darin enthalten.

Für die Entwicklung des elektronischen Eltern-Kind-Passes wird auf Erfahrungen aus bereits bestehenden digitalen Gesundheitsanwendungen zurückgegrif­fen, wie Elga mit der E-Card, E-Impfpass und telemedizinische Anwendungen –


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in Tirol haben wir zum Beispiel das Programm Herzmobil. Dabei zeich­nen Patienten freiwillig alle ihre gesundheitsrelevanten Daten im Alltag auf, um diese dann Netzwerkmediziner:innen zur Verfügung zu stellen.

Eines ist klar: Die Digitalisierung lässt sich nicht mehr aufhalten.

Damit noch ein Wort zu den oft gestellten Fragen und den damit vielleicht verbundenen Sorgen: Was passiert mit diesen erfassten Daten? – Generell ist zu sagen, dass bei der Datenerfassung die Daten der Mutter und jene des Kin­des getrennte Datenstränge sind. Diese werden absolut getrennt, und auch bei Mehrkindergeburten, Mehrlingsgeburten gibt es getrennte Datenstränge.

Auf die Daten der Mutter hat nur die Mutter, die Gebärende, Zugriff und sonst niemand – das ist ganz essenziell –; auf die Daten des unmündigen Kindes hingegen hat jeder Obsorgeberechtigte – also Vater oder andere obsor­geberechtigte Person, je nachdem, wie die Beziehungskonstellation ist – Zugriff.

Inhalte von Beratungsgesprächen werden nicht abgespeichert, sondern nur, dass der Termin wahrgenommen wird. Für den Bezug des Kinderbetreuungsgel­des ist wichtig, dass man den Termin hat, dass man das Gespräch ge­führt hat, aber nicht, was dabei gesprochen wurde. Eine Verarbeitung zu an­deren Zwecken als im Bundesgesetz vorgesehen ist auch nicht zulässig.

Zu den Elga-relevanten Gesundheitsdaten ist zu sagen, dass keine Mehrfach­speicherungen von gesundheitsrelevanten Daten vorgenommen werden, sondern wenn die Person Teilnehmer:in im Elga-System ist, werden diese Daten über eine Schnittstelle übertragen.

Auch die lange Speicherdauer von 30 Jahren wurde ein bisschen kritisch hin­terfragt, aber das hat einen Sinn, denn wenn man den durchschnittli­chen Zeitraum betrachtet, in dem eine Frau gebärfähig ist – 30 Jahre –, sieht man, dass es sicher relevant ist, wenn sie sehr früh ein Kind bekommen
hat und später noch einmal eines bekommt, dass sie diese Daten von früher


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noch sieht und zur Verfügung hat. Auch ein Kind hat, wenn es dann er­wachsen ist, eine Familienplanung machen oder aus anderen Gründen einfach hineinschauen will, diese Daten noch 30 Jahre zur Verfügung, und das
eben sehr niederschwellig.

Sie sehen also, dass die Regierung sehr wohl auf den Datenschutz und die Datensicherheit Rücksicht genommen und alle Hebel in Bewegung gesetzt hat, um diesen gangbaren Weg zu wählen.

Ich möchte mich abschließend bei allen bedanken, die sich konstruktiv in diesen Prozess eingebracht haben, dass wir den Schritt zum Ausbau der Digitali­sierung und eines digitalen Gesundheitsstandortes setzen können, denn noch einmal: „The Times They Are A-Changin’“. Wir kommen an der Digitali­sierung nicht mehr vorbei, also machen wir es bitte so gut wie möglich, mit ei­nem vereinfachten Zugang auch für Menschen, die nicht gut in digitaler Kommunikation sind, und heben wir den Nutzen als Beitrag für unsere Gesund­heitsförderung hervor! – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

13.47


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Wurm. – Bitte.


13.47.33

Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Werte Zuseher! Vielleicht kurz zur Erklärung: Heute wird diese Änderung
vom Mutter-Kind-Pass zum Eltern-Kind-Pass nicht abgestimmt, sondern das geht in den Ausschuss zurück, und das ist die frohe Botschaft des Tages.

Man muss vielleicht schon erklären, dass es da um ein ideologisches Projekt der Grünen geht (Abg. Disoski: Digitalisierung ist ideologisch ...?), die damit quasi
eine Veränderung im ideologischen Bild erzwingen wollen, und die
ÖVP als ehemalige traditionelle Familienpartei spielt mit. Dieses Vorhaben kann man grundsätzlich einfach nur ablehnen. (Beifall bei der FPÖ.) – Das ist der
erste Punkt.


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Frau Kollegin Heinisch-Hosek hat das ohnehin sehr gut erklärt: Das ist eines der tollen Projekte früherer Sozialdemokraten, sage ich einmal. Gegangen ist
es dabei darum, die Gesundheit der Mutter während der Schwangerschaft und jene des Kindes zu verbessern, die Kindersterblichkeit zu senken. Das wurde mit diesem Mutter-Kind-Pass auch erreicht, und der funktioniert gut. Wenn Sie aktuell im Bekanntenkreis jemanden fragen, der gerade schwanger ist oder die Schwangerschaft hinter sich hat, wenn sie diese Person fragen,
werden sie alle sagen: Das mit dem Mutter-Kind-Pass funktioniert super, das ist eine ganz tolle Geschichte!

Dieser Mutter-Kind-Pass hat für ganz viele Frauen offensichtlich einen sehr starken emotionalen Wert. Teilweise gibt es diesen Mutter-Kind-Pass auch noch von der Großmutter, man kann sich mit den Freundinnen austauschen. Er hat
also, auch von der Haptik her, einen sehr hohen ideellen Wert. – So.

Jetzt würde nichts dagegen sprechen, wenn sich jemand freiwillig entscheiden kann, ob er den bisherigen Mutter-Kind-Pass, so wie er ist, weiter haben
will, oder ob jemand ihn elektronisch haben will. Es spricht nichts dagegen, das auf freiwilliger Basis anzubieten – wir sind immer für freiwillige Entschei­dungen –, nur was Sie vorhaben, basiert ja nicht auf Freiwilligkeit, sondern Sie zwingen alle zukünftigen Mütter in dieses System hinein – mit allen Proble­men und Schwierigkeiten, die damit einhergehen. Noch einmal, bitte
schön: Wenn Sie jemandem erklären wollen, dass es eine Datensicherheit in Österreich oder irgendwo international gibt, dann kann ich Sie nur auslachen, die gibt es natürlich nicht. Es wird jeder vielleicht schon einmal erlebt haben,
wenn irgendwann gehackt wurde oder sonst etwas: Diese Datensicherheit gibt es nicht! Und bei so einem sensiblen Thema, von dem wir da heute spre­chen, würde ich das einfach ausschließen, den Müttern zu versprechen, dass ihre persönlichen Daten, eventuell auch wenn das Kind vielleicht nicht zur Welt kommt oder sonst etwas, nicht irgendwie irgendwann in falsche Hände kommen. Diese Garantie können Sie gar nicht geben, da spielen Sie der Bevölkerung etwas vor.


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Es gibt unzählige Einsprüche zu diesem Vorhaben, liebe ÖVP, und zwar inhaltlich von Anwaltskammern, Datenschutzbehörden und, und, und. Das heißt für
uns, am besten ist, Sie kübeln diese ganze Geschichte und führen den Mutter-Kind-Pass fort. Wenn Verbesserungen in dem Bereich erforderlich sind,
kann man gerne darüber diskutieren, wenn das jemand elektronisch haben will, wenn sich das jemand am Handy anschauen will, ist das auch kein Problem,
aber zwingen Sie bitte nicht alle werdenden Mütter in Zukunft in dieses
sehr, sehr unsichere System hinein.

Und bitte behalten wir eines bei: den Mutter-Kind-Pass. Es geht um den Mutter-Kind-Pass. Das, was Sie von den Grünen wollen, ist der Eltern-Kind-Pass.
Es steht ja auch so im Vorhaben drinnen. (Abg. Pfurtscheller: Das wollen wir auch! Es geht darum, dass sich die Männer auch verantwortlich fühlen!) – Frau Kolle­gin, es geht nicht um die Gesundheit der Väter (Abg. Pfurtscheller: Nein, es geht um die Kinder!), es geht um die Gesundheit der Mütter und der Kinder (Abg. Pfurtscheller: Und da sind die Väter mit ihrem Anteil dabei! Das ist ganz normal!), das sollte im Mittelpunkt stehen. (Beifall bei der FPÖ.)

Zu Ihren vollkommen kruden Ideen und den Vorstellungen, auch der biologi­schen Unwahrheit, die Sie verbreiten (Abg. Pfurtscheller: Wieso? Was ist
das für eine Unwahrheit, dass es Väter gibt?),
vielleicht noch einmal zur Erklärung, Frau Kollegin Pfurtscheller aus Tirol: Es gibt Mann und Frau, es gibt Mut­ter und Vater. (Abg. Pfurtscheller: Ja, sagte ich! Eltern!) Frau Kollegin, das sollten Sie von der ÖVP - - (Abg. Pfurtscheller: Väter sind genauso verantwortlich
für die Kinder wie die Frauen!)
Ich gebe Ihnen gerne Nachhilfestunden in diesem Bereich.

Vielleicht noch einmal: Offensichtlich sind in diesem Bereich wir Freiheitliche die Einzigen, die eine vernünftige, normale Politik machen. Das, was Sie da vor­haben, ist für mich nichts anderes als ein vollkommen weltfremdes, krudes, ideo­logisches Programm, und wir werden alles tun, das zu verhindern. – Danke. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Pfurtscheller: Väter sind genauso Teil einer Elternschaft


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wie die Mütter! – Abg. Wurm – auf dem Weg zu seinem Sitzplatz –: Aber um die Gesundheit geht’s!)

13.52


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Neßler. – Bitte.


13.52.38

Abgeordnete Barbara Neßler (Grüne): Herr Präsident! Geschätzter Minister! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Liebe Zuseher und Zuseherinnen! Der
gelbe Mutter-Kind-Pass ist ein Erfolgsmodell aus dem Jahr 1974 für Schwangere, Babys und Kleinkinder, und er hat erheblich zur Reduzierung der Säuglingssterblichkeit beigetragen. Die Kollegin von der SPÖ hat es be­reits erklärt.

Meiner Meinung nach ist der Pass etwas in die Jahre gekommen. Mit dem digi­talen Eltern-Kind-Pass (die Abgeordneten Pfurtscheller, Belakowitsch und
Wurm debattieren angeregt von ihren Sitzplätzen aus – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen)
 – liebe Kollegin von der ÖVP, ich komme eh gleich zur
FPÖ und sage es ihr dann (Abg. Pfurtscheller: Ja, danke!) – führen wir dieses Vor­sorgeinstrument ins 21. Jahrhundert.

In der Vergangenheit kam es immer wieder zu Härtefällen – und, Herr Kollege Wurm, Sie sollten jetzt aufpassen –, bei denen eine falsche Eintragung
von Untersuchungen zum Verlust des Kinderbetreuungsgeldes geführt hat. Sie können sich also vorstellen, was das für einen finanziellen Verlust für
die Familien bedeutet hat. Durch diese Digitalisierung des Mutter-Kind-Passes – jetzt Eltern-Kind-Pass – wird das künftig nicht mehr vorkommen. Das
heißt, Kollege Wurm, die Digitalisierung (Abg. Wurm: Ist super!) und das Verhin­dern von diesen Härtefällen hat nichts mit Ideologie zu tun (Abg. Wurm:
Wer es will, gerne!),
sondern mit Vernunft und Fortschritt – aber mit Fortschritt können Sie anscheinend nicht so viel anfangen. (Beifall bei den Grünen
sowie der Abg. Pfurtscheller.)


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Dann haben Sie die Daten angesprochen. Jetzt erkläre ich Ihnen, wie das mit den Daten funktioniert, und zwar, weil auch immer wieder Sorge andererseits aufkam, auch von politischen Mitbewerbern, um das klarzustellen: Der Datenschutz von Schwangeren hat für uns höchste Priorität (Abg. Wurm: Aha! Und den garantierst du, Barbara? Den garantierst du persönlich?) und wird
auch zu jedem Zeitpunkt sichergestellt. Vor der Geburt hat nur die Schwangere Zugriff auf die Daten (Abg. Belakowitsch: Warum dann „Eltern“?), nach der
Geburt hat der zweite Elternteil nur Zugriff auf die Daten des Kindes, nicht auf jene der Mutter. (Abg. Wurm: Wer ist der zweite Elternteil?) Das heißt,
der Vater hat also zu keinem Zeitpunkt Zugriff auf die Daten der Mutter.
(Abg. Belakowitsch: Warum dann „Eltern“?)

Kollege Wurm, noch einmal, weil Sie das als ideologisch und als was weiß ich kri­tisiert haben: Wir sind nicht mehr im Jahr 1974, sondern im Jahr 2023 (Abg.
Ries: Wenigstens wisst ihr, wo ihr seid!),
und die Gesundheit des Kindes liegt nicht nur in der Verantwortung der Mama, sondern hoffentlich schon in jener
beider Elternteile. (Beifall bei den Grünen.) Wir wissen, dass Sprache Realität schafft, und ja, Rollenbilder – ob Sie es wollen oder nicht – haben sich Gott sei Dank weiterentwickelt. Und ja, wir sind da weiter, als sich die FPÖ das wün­schen würde, und darum haben wir das auch entsprechend sprachlich adaptiert. (Abg. Wurm: „Adaptiert“!)

Außerdem wird der Eltern-Kind-Pass künftig in mehreren Sprachen angeboten (Abg. Wurm: Französisch!), das wird Ihnen wahrscheinlich auch nicht passen,
und der nächste Schritt wird der deutliche Ausbau des Vorsorgeprogramms mit einer Vielzahl von Leistungen wie zum Beispiel dem verpflichtenden Hör­test für Neugeborene werden. Das ist zwar eine kleine Untersuchung, aber mit einer großen Wirkung, weil es immer wieder zu Fehldiagnosen wie zum Bei­spiel Autismus oder Sonstigem gekommen ist. Es wird auch Ernährungsberatung angeboten, es wird Elterngespräche geben, gerade in puncto Vereinbarkeit,
faire Aufteilung, Papakarenz und auch im Bereich Gewaltschutz.


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Alles in allem kann man sagen, der neue Eltern-Kind-Pass wird digitaler, er wird moderner (Abg. Belakowitsch: Also doch ideologischer!), er wird mit mehr Leistungen ausgestattet und bleibt natürlich weiterhin kostenlos. Genauso investieren wir in die Gesundheit von Eltern und Kindern und sorgen dafür, dass sie die beste Unterstützung bekommen, von Anfang an. – Danke schön.
(Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.56


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Fiedler. – Bitte.


13.56.28

Abgeordnete Fiona Fiedler, BEd (NEOS): Herr Präsident! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! (Die Begrüßung auch in Gebärdensprache ausführend:) Liebe gehörlose Menschen! Ich finde es ganz lustig, dass ausgerechnet bei der Digita­lisierung des Eltern-Kind-Passes ein digitales Malheur passiert. Das Gute
daran ist, dass man vielleicht noch Zeit hat, eventuelle Mängel zu überarbeiten, aber inhaltlich darauf eingehen werden dann meine Kolleg:innen.

Umso wichtiger sind jetzt unsere Anträge zur Digitalisierung, unser Antrag betreffend „Vorbereitende Maßnahmen für den EHDS“, der mehrheit­lich angenommen wurde – ein Danke dafür. Es geht darum, dass wir ein positives Learning aus der Pandemie mitnehmen sollen, was nachhaltige Koopera­tionen der Mitgliedstaaten der EU betrifft. Es gibt einen Vorschlag,
einen Regulierungsvorschlag der Europäischen Kommission, einen europäischen Raum für Gesundheitsdaten zu etablieren. Das soll den EU-Bürgerinnen
und -Bürgern eine bessere Kontrolle über ihre Gesundheitsdaten ermöglichen.

Was wir dazu brauchen, ist ein Stück weit die Elga, aber auch eine bessere Vernetzung unter den verschiedenen Systemen, weil zum Beispiel
das Krankenhaus und der niedergelassene Bereich nicht immer gleich an Elga angeschlossen sind, genauso wie Wahlärzte nicht angeschlossen sind,


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und es da halt immer noch Parallelstrukturen gibt, die dann für die Patienten einfach mühsam werden.

Was es braucht, ist eine gute Erfassung der Diagnosen, vorhandene Register müssen verknüpft werden, wir haben da ganz viele verschiedene im System, und gut wäre halt auch, wenn man die Umsetzungsfrist der EU-Verordnung ein­halten kann – eine Basis für die Datensammlung und eine Abstimmung
der vorhandenen Register also. Umso weniger verstehe ich, warum der zweite Antrag abgelehnt wurde, weil wir ja Elga eben vorher so reformieren
müssen, dass wir dann in diesem EHDS Platz finden.

Wahlärzte sind nach wie vor ein Thema, darauf müssen wir wirklich dringend schauen, vor allem wenn man die Zahlen betreffend die Wahlarztent­wicklung von 2000 bis 2019 ansieht: Die Zahl hat sich fast verdoppelt. Im Jahr 2000 gab es rund 4 500 Wahlärzte, 2019 waren es 10 175, also
mehr als doppelt so viele sogar. Die Anzahl der Kassenärzte stagniert ziemlich: im Jahr 2000 6 900 Kassenärzte und 2019 7 100 Kassenärzte. Das ist
sehr mau, muss ich sagen. Deswegen ist die Anbindung von allen Gesundheits­diensten an Elga so wichtig, um da auch wirklich eine Verteilung der
Daten zu erreichen.

Digitalisierung ist wichtig, die Pandemie hat uns auch gezeigt, was für eine enorme Erleichterung sie bietet. Wir können sie nicht vertagen, weil
wir da natürlich auch ein Stück weit an die Europäische Kommission gebunden sind, und wir können auch unabhängig vom Finanzausgleich die Elga so vorbereiten, dass wir gut arbeiten können.

Schön wäre halt auch, die mobilen Gesundheitsdienste da zusätzlich zu den Wahlärzten mitzudenken, weil es für die Patienten einfach mehr Flexi­bilität bedeutet, aber auch eine Entlastung aller Gesundheitsberufe. Es wäre schön, wenn uns das gelingen könnten. – (Den Dank auch in Gebärden­sprache ausführend:) Danke schön. (Beifall bei den NEOS.)

14.00



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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist der Herr Bundesminis­ter. Ich darf ihm das Wort erteilen. – Bitte.


14.00.23

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Herr Präsident! Hohes Haus! Der Eltern-Kind-Pass,
früher Mutter-Kind-Pass, ist eine ganz wichtige Errungenschaft – das ist an­gesprochen worden –, die in der Historie vielen – jedenfalls – Kindern
schwere Erkrankungen erspart hat, das Leben gerettet hat und viel zur Gesund­heit beigetragen hat.

Er ist etabliert und wird nun, wie es in anderen Bereichen der Fall ist, digitalisiert. Der Gesetzentwurf wird noch einmal, weil es eben dieses Malheur gegeben
hat, dem Ausschuss zugewiesen werden und dann im Haus neuerlich behandelt und beschlossen werden. Es ist ein Projekt, das drei Säulen beinhaltet: erstens die Valorisierung der ärztlichen Leistungen mit erheblichen Geldmitteln – um die 20 Millionen Euro –, zweitens eine Leistungserweiterung – im Aus­maß von etwa 17 Millionen Euro – und drittens, ja, die Digitalisierung
des Passes.

Diese Digitalisierung ist ein Projekt, das auch mit Mitteln der Europäischen Union gefördert wird, mit 10 Millionen Euro, die dafür zur Verfügung
stehen. Meilenstein eins ist eben das, was jetzt vorliegt: die Digitalisierung, die bewerkstelligt wird.

Die Erweiterung des Leistungsprogrammes wird – das ist angesprochen wor­den – zwischen Sozialversicherung, Ärztekammer, Familienministerium ausverhandelt, mit dabei sind das Hebammengremium und viele andere mehr.

Wichtig auch, weil das besprochen wurde: Der Datenschutz ist ein ganz wesentliches Thema. Er ist auch gewährleistet: Die Einsicht kann von der Mutter gesperrt werden. Es ist jedenfalls sichergestellt, dass bei den Beratungsstel­len nur jene Leistungen eingesehen werden können, die auch dort er­bracht worden sind.


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Der europäische Gesundheitsdatenraum ist angesprochen worden – ja, ein zen­trales Projekt, wenn es darum geht, die Digitalisierung weiterzubekom­men. Es muss einfach möglich sein, Patientendaten, Patientinnendaten, auch wenn man im Ausland eine Spitalsbehandlung, eine ärztliche Behandlung braucht, zu vernetzen. Es muss möglich sein, dort auch Abgleiche zwischen Diagnosekriterien zu machen. Das erweitert das Spektrum gerade bei
der Krebsbehandlung massiv und ist jedenfalls ein Fortschritt. Die Vorarbeiten dazu sind sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene im
Gange. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.02


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordne­ter Hechenberger. – Bitte sehr.


14.02.48

Abgeordneter Ing. Josef Hechenberger (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Ge­schätzter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Be­sucherinnen und Besucher hier und auch alle, die von zu Hause zusehen! Ich darf zu Beginn für meinen Kollegen Andi Kühberger ganz herzlich zwei Gruppen
aus der Steiermark willkommen heißen: Zum einen ist eine Gruppe aus
der Gemeinde Mautern anwesend und zum anderen der Bezirksparteivorstand des Bezirkes Liezen – herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

Diese Weiterentwicklung des Mutter-Kind-Passes zum Eltern-Kind-Pass ist – das sage ich als Vater von vier wunderbaren Töchtern – wirklich eine
tolle Errungenschaft. Meine Frau hat dieses Service, diese Unterstützung auch genützt. Es ist unsere Verpflichtung, dass wir dieses erfolgreiche Pro­jekt, das inzwischen schon fast 50 Jahre alt ist, gemeinsam weiterentwickeln.

In dieser Situation muss man eines sagen: Es hat aus meiner Sicht schon ge­bracht, dass Krankheiten bei den Müttern, bei den Neugeborenen früh erkannt wurden. Es hat auch dazu geführt, dass durch gezielte Impfkampagnen –


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wie zum Beispiel Diphtherie, Tetanus, Mumps und andere – Krankheiten gezielt eliminiert werden konnten.

Ich bin froh, dass es aufgrund der Zusammenarbeit in dieser Bundesregierung im Ausschuss gelungen ist, den Eltern-Kind-Pass dahin gehend weiterzuentwi­ckeln, dass er ab 1. Jänner 2024 so funktionieren wird, dass man zukünftig nicht mehr nur bis zum fünften Lebensjahr, sondern bis zum 18. Lebensjahr Untersuchungen machen wird. Dafür ein Danke an den Minister und an sein gesamtes Team.

Ich bin auch sehr froh, dass auch, wie Kollegin Neßler vorhin schon gesagt hat, das Thema Ernährung zusätzlich aufgenommen wird und einen wesent­lichen Beitrag dazu leisten wird, dass die Kinder noch gesünder sein werden.

Zur Kritik der FPÖ, dass das nichts ist, wenn man das online hat, sondern dass es das einfach im gelben Heft geben muss: Ich habe unlängst einen intensiven Austausch mit dem Chef der Kinderklinik Innsbruck, Dr. Müller, gehabt,
und er hat mir gesagt, es ist gar nicht so selten, dass dieses gelbe Heft im Akut­fall, wenn man schnell medizinische Behandlung und Unterstützung der
Ärzte braucht, nicht griffbereit ist. Wenn das aber im Internet abrufbar ist, dann kann die Krankengeschichte des zu behandelnden Kindes sofort vom Medi­ziner eingesehen werden und so letztendlich auch gezielt und richtig behandelt werden.

Ich darf aber an dieser Stelle, weil das für uns auch notwendig ist, dass wir einer­seits auf die Gesundheit schauen, aber andererseits auch auf die finanzielle Unterstützung der Familien, auch noch einmal im Stakkato ein paar Maßnahmen erwähnen, die wir als Bundesregierung in den letzten Jahren auf den Weg gebracht haben:

Eingeführt wurde ja der Familienbonus Plus in der ÖVP-FPÖ-Regierung 2019. 2022 ist er dann mit dieser jetzigen Bundesregierung von 1 500 Euro auf 2 000 Euro pro Kind erhöht worden.


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Wir haben die Kindergartenmilliarde eingeführt, wir haben 2022 den Familien­bonus vorgezogen und den Kindermehrbetrag auf 550 Euro angehoben;
die Auszahlung findet heuer statt. Wir haben zum Beispiel die Sonderfamilien­beihilfe in Höhe von 180 Euro pro Kind umgesetzt. Wir haben die Valo­risierung – ich denke, das ist ein wichtiger Aspekt – der Sozial- und Familienleis­tungen ebenfalls als Bundesregierung umgesetzt, und – ich denke, das ist
für viele Menschen ein großer Wurf – die Abschaffung der kalten Progression ist aus meiner Sicht eine deutliche Verbesserung für die gesamte Bevölkerung. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Heute bereits auf den Weg gebracht haben wir, dass wir gezielt jenen Familien – und das ist auch unsere Aufgabe als Politiker, dass wir besonders auf jene Menschen schauen, die es besonders schwer haben –, die das am meisten benö­tigen, bis Ende 2024 monatlich 60 Euro pro Kind zur Verfügung stellen: alleinerziehenden Eltern, Familien, in denen jemand arbeitslos ist, oder Sozialhil­febeziehern. So können wir bis Ende 2024 diesen Familien gezielt
1080 Euro pro Kind zur Verfügung stellen – ein Danke an das Ministerium, ein Danke an die Regierung.

In diesem Sinne, geschätzte Damen und Herren: Es ist uns einerseits die Gesundheit der Kinder, der Menschen, der Bevölkerung sehr, sehr wichtig, und andererseits braucht es auch gezielt die richtigen wirtschaftlichen und finanziellen Aspekte und Anreize, um diese multiplen Krisen, die wir momentan durchaus erleben, entsprechend gemeinsam meistern zu können. In diesem Sinne ein herzliches Danke! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

14.07


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Lin­dner. – Bitte.


14.07.38

Abgeordneter Mario Lindner (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe die Ehre, in Vertretung von


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Frau Abgeordneter Martina Künsberg ihren Sohn Ferdinand mit seiner Klasse, der 2f des BG Perchtoldsdorf, ganz herzlich im Parlament begrüßen zu
dürfen. (Allgemeiner Beifall.)

Seit 15 Jahren und zum Teil noch länger hakt es im Gesundheitssystem. Auch als Sozialdemokrat sage ich ganz bewusst: Wir alle haben die Verantwortung, endlich nicht nur von Lösungen zu sprechen, sondern diese auch umzusetzen. Wenn es aber um echte Verbesserungen im Gesundheitsbereich geht,
gibt es eine Partei, die immer blockiert hat: die ÖVP. (Abg. Schmidhofer: Ah geh! Jetzt hörst aber auf!) Deshalb traut dieser Regierung kaum noch ein
Mensch in Österreich zu, wirkliche Lösungen anzubieten. Knapp vier Jahre nach ihrem Amtsantritt überbieten sich ÖVP und Grüne ja gerade darin, große Reformprojekte zu versprechen. (Abg. Schmidhofer: Wir setzen um! Regierungspro­gramm fast umgesetzt!) Sie haben uns aber keinen Anlass geboten, zu glauben, dass davon viel übrig bleibt.

Die Menschen in unserem Land sind ja nicht blöd. Sie checken, dass es Ihnen nur mehr um die nächste Wahl geht. Wir brauchen uns also nur anzuschauen, worüber wir heute diskutieren. Den Eltern-Kind-Pass setzen Sie auf eine Art und Weise um, angesichts derer sich jeder Außenstehende nur mehr an den
Kopf greift. (Abg. Schmidhofer: Nach 50 Jahren höchste Zeit!) Sie schaffen eine Parallelstruktur zu Elga und das, obwohl nicht nur die EU, sondern
auch der logische Menschenverstand Ihnen sagen sollten, wie kontraproduktiv Doppelsysteme im Gesundheitsbereich sind, ganz zu schweigen von jenen offenen Fragen, die wir im Ausschuss noch diskutiert haben, zum Beispiel wie es bei den alleinerziehenden Vätern mit dem Datenzugriff ausschaut, oder
nehmen wir den Antrag von Kollegin Fiedler her, die Österreich massiven Nach­holbedarf bei der Digitalisierung im Gesundheitsbereich attestiert – das
ist ja kein Geheimnis.

Egal wie gerne von den Kolleg:innen der Regierungsfraktionen das Gegenteil be­schworen wird: Jede Patientin und jeder Patient weiß, welche Probleme
es mit fehlenden Datenzugriffen, doppelten Untersuchungen und so weiter gibt.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll219. Sitzung, 219. Sitzung des Nationalrats vom 14. Juni 2023 / Seite 229

Was ein echter Digitalisierungsschub bewirken könnte, hat uns die
Pandemie gezeigt, und das wäre auch im Bereich der Gendermedizin möglich; oder im Bereich der LGBTIQ-Gesundheit, zu dem der Herr Bundesmi­nister vergangene Woche einen spannenden Bericht vorgelegt hat – leider ohne dringend notwendige Folgemaßnahmen. All diese Chancen wird die­se Regierung nicht nutzen, deshalb haben Sie diesen Antrag ja auch abgelegt.

Am Ende des Tages bleiben Überschriften, bleiben Versprechungen und der Wil­le dieser Regierung, sich irgendwie bis zur nächsten Wahl durchzumogeln,
damit die Verantwortung für die Fehler in unserem Gesundheitssys­tem nur ja nicht an ihr hängenbleibt.

Lassen Sie mich aber eines sagen: Die Menschen in Österreich sind schlau ge­nug, sie erkennen, was Sie tun, und sie haben die Nase voll davon. Die Menschen, die auf unser Gesundheitssystem angewiesen sind, die breite Mehr­heit der Bevölkerung, das sind keine Bittstellerinnen und Bittsteller. (Beifall
bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, eine persönliche Anmerkung zum Dritten Präsidenten des Nationalrates und zur FPÖ: Drag is not a crime!
Happy Pride! (Beifall bei der SPÖ.)

14.10


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Schallmeiner. – Bitte.


14.11.02

Abgeordneter Ralph Schallmeiner (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren hier im Haus auf der Galerie beziehungsweise zu Hause vor den Bildschirmen! So sehr wir uns auch in vielen Dingen widersprechen, lieber Mario Lindner, aber den letzten Satz unterschreibe ich natürlich aus vollstem
Herzen: Drag is not a crime!, auch hier im Parlament nicht. (Beifall bei Grünen und SPÖ sowie der Abg. Künsberg Sarre.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll219. Sitzung, 219. Sitzung des Nationalrats vom 14. Juni 2023 / Seite 230

Kommen wir aber zum eigentlichen Thema dieser Tagesordnungspunkte: Das eine ist eben der elektronische Eltern-Kind-Pass, und dazu möchte ich
schon noch einmal kurz ein paar Dinge klarstellen:

Wir diskutieren hier ein Gesetz, in dem es darum geht, dass wir die Digitali­sierung des bisherigen Mutter-Kind-Passes, nunmehrigen Eltern-Kind-
Passes umsetzen. Dabei geht es noch nicht um die Bandbreite der Leistungen, dabei geht es nicht um die Ausweitung, dabei geht es übrigens auch nicht
um die Valorisierung der Leistungen – falls hier jetzt jemand glauben sollte, dass es darum geht –, sondern es geht wirklich einzig und allein um die Digitali­sierung des Eltern-Kind-Passes. Es geht darum, dass wir die Möglichkeit eines sehr niederschwelligen, sehr einfachen Zugangs bieten und damit den bis­herigen gelben Pass ersetzen werden. Es geht dabei um eine App, es
geht um webbasierten Zugang, es geht um Mehrsprachigkeit – Kollege Wurm hat sich letztens im Gesundheitsausschuss darüber beschwert, dass der
Eltern-Kind-Pass nun mehrsprachig wird. (Abg. Wurm: Französisch! – Abg. Bela­kowitsch: Wir haben gefragt, warum Französisch!) Es geht darum, dass er niederschwelliger wird, weil er eben auch in Einfacher Sprache umgesetzt wird. – Liebe Kolleginnen und Kollegen der Freiheitlichen Partei: Willkommen im
Jahr 2023! (Beifall bei den Grünen.) That’s what future looks like, liebe Kollegin­nen und Kollegen.

Es hat während der Begutachtung Kritik gegeben, das stimmt. Wir haben uns mit dieser Kritik sehr intensiv auseinandergesetzt und dementsprechend gab es
im letzten Gesundheitsausschuss einen sehr umfangreichen Abänderungsantrag, in dem es darum gegangen ist, sich auch anzuschauen: Wie gehen wir mit
dieser Kritik, die dazugekommen ist, und mit den Befürchtungen um? – Nein, wir wischen sie natürlich nicht vom Tisch, sondern wir nehmen das natürlich
sehr, sehr ernst. Da ist es vor allem darum gegangen: Wie schaut das mit den Einsichtsmöglichkeiten beispielsweise von Gesundheitsdienstleistern
aus – Kollegin Heinisch-Hosek hat es auch angesprochen? Wie schaut das bei­spielsweise in toxischen Beziehungen aus? Wie stellt man wirklich sicher,


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dass die Frau nicht zusätzlich durch den Mann, durch ihren Partner unter Druck gerät? Wie kann man all diese Dinge sicherstellen? (Abg. Wurm: Das löst
sich alles! Das habts alles gelöst!)
All das haben wir mit berücksichtigt und in den nunmehr vorliegenden Entwurf eingebaut, den wir aber leider – das stimmt
und wurde auch mehrere Male gesagt – aufgrund eines technischen Fehlers wie­der an den Ausschuss zurückverweisen müssen, um eben auch hier Rechts­sicherheit herzustellen. (Abg. Belakowitsch: Ein Übertragungsfehler wahr­scheinlich!) – Ja, natürlich. Das können wir dann gerne im Detail diskutieren, Kol­legin Belakowitsch – übrigens so viel zum Thema Zwischenrufe während
der Reden anderer. (Beifall bei den Grünen, bei Abgeordneten der ÖVP sowie der Abgeordneten Fiedler und Künsberg Sarre.)

Der Datenschutz ist wie gesagt zentral, die Hand auf die eigenen Daten haben natürlich die Mütter, wie es sich auch gehört. Wir werden uns auch nicht
davon abbringen lassen, das sauber und gut umzusetzen.

Ich möchte noch auf eine Sache eingehen, nämlich ganz konkret noch einmal auf die Frage von Kollegin Heinisch-Hosek: Wie schaut das mit den Familien­beratungsstellen aus? – Na ja, als Gesundheitsdienstleiter haben sie Zugriff, das stimmt, aber nur auf jene Daten, die ihnen auch freigegeben werden, bezie­hungsweise auf die Daten, die sie selber eingeben. (Abg. Wurm: Ich vertraue euch zu 100 Prozent! Mein vollstes Vertrauen!) – Kollege Wurm, das mit den Zwi­schenrufen – bitte rede mit deiner Kollegin! Ich spreche jetzt gerade zu einem konkreten Anliegen einer Kollegin, ich glaube, das können wir doch einmal einfach so stehen lassen. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Wie schon gesagt, da gibt es wirklich Datenschutz, da wird darauf achtgegeben, dass jemand, in dem Fall die Mutter, dann auch wirklich die Sicherheit hat,
dass ihre Daten sicher sind.

Eine andere Frage – weil das auch immer wieder gekommen ist –: Was passiert bei unvollständigen Datensätzen, weil beispielsweise leider eine Totgeburt


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vorliegt oder weil es zu einer Abtreibung gekommen ist? – Diese werden natür­lich automatisch gelöscht, sodass daraus auch keine wie immer gearteten Statistiken et cetera ableitbar sind. (Abg. Wurm: Ja, bravo! Das hat die ÖVP auch gemeint, dass man löschen kann! EDV-technisch null Wissen!) – Ich weiß
schon, das gefällt jetzt wiederum den Kolleg:innen der Freiheitlichen nicht, aber das sind wir ja gewohnt.

Wie also schon gesagt, liebe Kolleginnen und Kollegen insbesondere der Freiheitlichen Partei: Willkommen im Jahr 2023! Ein elektronischer Eltern-Kind-Pass, das ist die Zukunft und das wird auch den Frauen, den Kindern, den Familien hier in Österreich konkret helfen – ganz im Gegensatz zu Ihrer Retro­politik, die Sie immer noch gerne vertreten. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.15


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Hauser. – Bitte.


14.16.03

Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (FPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Herr Schallmeiner, das war jetzt gut, dass du das festgestellt hast: Während ein immer größer werdender Teil der Bevöl­kerung Kummer hat, wie er das tägliche Leben bestreiten soll, verteidigst du die Dragqueenveranstaltung. Ihr setzt die Themen so, als ob das derzeit so
wichtig sei. (Abg. Schallmeiner: Dir ist es scheinbar wichtig, du musst es ja zum Thema machen!) Das ist gut, damit die Menschen draußen wissen, was euch am Herzen liegt; und dann noch Schulkinder zu Dragqueens hinzuführen, das
ist wirklich grenzwertig – das macht ihr. (Abg. Schallmeiner: Du bist einer großen Sache auf der Spur!) Ich bin froh, dass ich dieser Fraktion nicht angehöre,
und bin froh, dass wir der Einheitspartei nicht angehören, weil für uns die Nor­malität noch einen großen Stellenwert hat. (Beifall bei der FPÖ. – Ruf bei
der SPÖ: Wir sind auch froh!)


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Herr Minister, weil Sie das am Vormittag bestritten haben: Ich werde jetzt für das Publikum erklären, wie Sie am Parlament vorbei nichts in Bezug da­rauf unternehmen, dass a) die WHO derzeit einen weltweiten Pandemievertrag verhandelt und dass b) in den Internationalen Gesundheitsvorschriften
die Achtung der Würde, der Menschenrechte und der Grundfreiheiten gestri­chen werden soll. (Der Redner stellt eine Tafel mit dem Text „WHO-Vor­schläge zu den Änderungen in den Internationalen Gesundheitsvorschriften der WHO (2005) Streichung der uneingeschränkten Achtung der Würde, der Menschen­rechte und der Grundfreiheiten von Personen“ auf das Redner:innenpult.)

Das werde ich jetzt in ganz einfachen Worten erklären, aufbauend auf dieser Ini­tiative der NEOS, die wir heute hier beschließen. Ich zitiere aus der Initiative
der NEOS, die die Einheitspartei ÖVP/SPÖ/Grüne/NEOS beschließt –
wieder einmal gegen die Stimmen der Freiheitlichen Partei. Worum geht es den NEOS? – Ich zitiere aus dem Antrag:

„Die Bundesregierung“ – speziell Sie, Herr Minister – „wird aufgefordert, die vor­handenen gesetzlichen Grundlagen für die Erhebung, Sammlung und Nut­zung der Gesundheitsdaten“ von uns zu schaffen. Das heißt, dass man möglichst alle Daten von uns herbeischafft, damit man diese Daten dann in das europäische Netz des EHDS, des europäischen Gesundheitsdatenraums, ein­spielen kann.

Es gibt eine globale Strategie der Europäischen Union, die besagt: Wir wollen diese Daten dann weltweit verwenden!, und es gibt eine Kooperation zwi­schen der EU, der EU-Strategie und der Weltgesundheitsorganisation. Das heißt, diese Daten, die Sie jetzt per diese Entschließung sammeln, sollen in letzter Konsequenz weltweit verwendet werden und vorhanden sein – damit komme ich zu diesen Internationalen Gesundheitsvorschriften –, damit sie bei der nächsten Pandemie, die in Wahrheit bereits in Planspielen durchgespielt wurde (Zwischenruf des Abg. Matznetter – Unruhe im Saal – Präsident Sobotka gibt
das Glockenzeichen),
sämtliche Daten zur Verfügung haben, diese dann in einen


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digitalen Reisepass einführen und damit verhindern, dass Menschen,
die nicht geimpft sind, überhaupt noch reisen dürfen.

Oder, Worst Case – sonst würden sie das nicht tun (die zuvor gezeigte Tafel erneut in die Höhe haltend) –: Im schlimmsten Fall führen sie Zwangsimpfungen ein (Zwischenruf der Abg. Disoski), weil sie sonst nicht darüber nachzuden­ken bräuchten, die uneingeschränkte Achtung der Würde, der Menschenrechte und der Grundfreiheiten zu beseitigen.

Nun ein paar Worte zur europäischen Gesundheitsstrategie, damit das auch hineinpasst: Herr Minister, ich gebe Ihnen jetzt Informationen zum Grundprinzip Nummer zehn der europäischen Gesundheitsstrategie. Ich würde Ihnen empfehlen, dass Sie sich einmal die Leitlinien anschauen, das ist alles im Netz nachzulesen. Das Leitprinzip zehn der globalen Gesundheitsstrategie der
EU – ich zitiere wie folgt (eine Tafel mit der Aufschrift „EU Global Health Strategy“ und dem genannten Leitprinzip in die Höhe haltend): „Dazu gehören die Digi­talisierung und Integration von Überwachungssystemen für Mensch, Tier und Umwelt“ – Überwachungssysteme für Mensch, Tier und Umwelt! – „der
Ausbau von Laborkapazitäten und Genomsequenzierungskapazitäten, sowie die Schulung von Arbeitskräften.“

Sie geben unumwunden zu, dass Sie hier ein Überwachungssystem für Mensch, Tier und Umwelt im Sinne der One-Health-Strategie aufbauen wollen. Das Ganze wird noch getoppt, indem die Europäische Union damit protzt,
mit der WHO jetzt eine globale Initiative der Zusammenarbeit sicherzustellen. (Der Redner hält eine Tafel mit der Aufschrift „Die Europäische Kommission
und die WHO starten eine bahnbrechende digitale Gesundheitsinitiative zur Stärkung der globalen Gesundheitssicherheit“ in die Höhe. – Zwischenrufe des Abgeord­neten Brandstätter und Schallmeiner.)

Das ist bereits paktiert, das heißt, heute beschließen Sie, die Informationen über die Gesundheitsdaten zu sammeln – das ist der Antrag der NEOS, der von


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allen drei Parteien der Einheitsfraktion mitgetragen wird –, damit diese Informa­tionen über den europäischen Gesundheitsdatenraum, über die europäi­sche Strategie zur WHO kommen, um in letzter Konsequenz zukünftige Pande­mien, die bereits geplant wurden und durchgespielt wurden (Abg. Disoski: Pandemien geplant?! Was redest du, bitte?!) – unter diesen Gesichtspunkten der Streichung der Menschenrechte und der Menschenwürde –, zu (englisch aussprechend) handeln.

Das ist ein Szenario, das auf uns zukommt, und heute schaffen Sie die gesetzlichen Voraussetzungen dafür. Schämen Sie sich! (Beifall bei der FPÖ. Abg. Brandstätter: Welche Pandemie ist gerade geplant? Abg. Erasim:
Reden wir wieder über Privatzimmervermietung, das ist gscheiter! 
Abg. Disoski: Welche Pandemie wurde geplant, bitte? Was redest du?)

14.21


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Schmidhofer. – Bitte.


14.21.22

Abgeordneter Karl Schmidhofer (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Werte Zuseherinnen und Zuseher auf der Galerie und alle, die diese Sitzung heute vor dem Bild­schirm mitverfolgen! Meine Damen und Herren, zurück zu den Fakten: Mit den Sudereien, lieber Kollege Hauser, kommen wir nicht weiter. Diese Regie­rung arbeitet. (Rufe bei der SPÖ: Na ja!) Wir wollen etwas weiterbringen. (Beifall bei ÖVP und Grünen. Abg. Belakowitsch: ... was ist mit ... Plenartag ...?)

Ich darf gleich zur linken Reichshälfte schauen: Frau Heinisch-Hosek, Sie haben davon gesprochen, bei Verbesserungen dabei zu sein. – Ja, herzlichst einge­laden, das ist ja ein Prozess, Herr Minister, der ja bis 2026 laufen wird –
gerne einbringen.

Fiona Fiedler von den NEOS, Sie haben auch gesagt, dass Sie wieder Ideen haben. – Ja, natürlich wird das weiterentwickelt (Abg. Erasim: Warum vertagen Sie


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dann alles?), der Mutter-Kind-Pass wurde ja auch immer weiterentwickelt,
und wenn es in das Zeitalter der Digitalisierung geht, meine geschätzten Damen und Herren, dann darf ich Ihnen aus eigener Erfahrung erzählen, wie wich­tig es ist, dass man Daten hat, wenn, so wie in meinem Fall, der Sohn mit 35 Jah­ren einen Schlaganfall hat. Da ist man sehr froh, wenn die Daten im Kranken­haus vorhanden sind, wenn es gilt, Hilfe zu leisten.

Wir sind in einem Zeitalter angekommen, in dem wir uns dem nicht verschließen dürfen. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

Zweiter Punkt: Dass diese Internetplattform für Informationen über Familienleis­tungen, Gesundheitsförderung und Prävention noch zusätzlich ausgebaut
wird, ist – um das noch einmal zu erwähnen 
ein großer Vorteil. Ich darf Ihnen auch sagen, dass dies auch die Befreiung der Eltern von der Erbringung
des Nachweises über Eltern-Kind-Untersuchungen, Hebammenberatung für den Bezug des Kinderbetreuungsgeldes in voller Höhe bedeutet – also auch
das ist damit gewährleistet.

Zusammengefasst: Das Regierungsprogramm wird gut abgearbeitet, Punkt für Punkt. Wir haben jetzt noch 14, 15 Monate Zeit, und wir werden auch die restlichen Punkte gemeinsam mit dem Gesundheitsminister, mit der Bundesre­gierung abarbeiten. Der Herr Bundeskanzler hat sich die Gesundheit
jetzt selbst zum Thema gemacht: zusätzliche Kassenarztplätze et cetera; das haben wir heute schon gehört.

Auch wenn Frau Julia Herr – stellvertretende Klubobfrau, neu gewählt –
jetzt gerade nicht im Saal ist, das tut mir leid (Abg. Heinisch-Hosek: Sie war gerade da!), aber ich muss Ihnen das sagen: Ich bin in einer Region zu Hause, in
der die Familie Mateschitz unglaublich viel geleistet hat – Sie können dort mit den roten Bürgermeistern sprechen, in Spielberg, in Knittelfeld, rund um
den Ring –, Großartiges geleistet hat, freiwillig geleistet hat – 12 Millionen Euro allein für das Herrichten der Häuser, eine Radwegfinanzierung – ein Drittel


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zahlt Mateschitz dort mit –, 1 000 Räder für den Tourismus. (Zwischen­ruf des Abg. Stöger.) Das hat sich dort wirklich mit freiwilligen Geldleistungen gut entwickelt. (Beifall bei der ÖVP.)

Und – das richten Sie bitte Ihrer Kollegin aus – es ist pietätlos, und zwar im höchsten Maß, am Sonntag in dieser Sendung im Zuge der Forderung nach einer Reichensteuer, Vermögensteuer die Familie Mateschitz zu nennen; er ist
vor acht Monaten verstorben. Im selben Atemzug hat sie auch Heidi Horten er­wähnt; es ist nicht einmal ein Jahr her, dass sie verstorben ist. (Abg.
Heinisch-Hosek: Aber das Vermögen ist ja da!)
Ich bitte, da ein bisschen darüber nachzudenken, über wen man spricht, auch über die Wortwahl. Bitte rich­ten Sie das Ihrer Kollegin aus! (Abg. Heinisch-Hosek: Da geht es ja nicht um die Per­son! Um das Vermögen geht es ja! 
Zwischenruf des Abg. Kollross.)

Die Familien, die auch Grundbesitz haben – da geht es ja auch um die Grundbe­sitzer, da fahren wir Ski, da wandern wir, da biken wir, da fahren wir mit
dem Rad –, mit denen können Sie nicht so umgehen, mit diesen Vermögensteu­ern, mit diesen zusätzlichen Steuern – nein! (Beifall bei der ÖVP sowie der
Abg. Belakowitsch. 
Abg. Erasim: Und was machen wir mit den Regionen, wo kein Mateschitz daheim ist und keine Radwege gezahlt werden? Antwort!?)

14.25


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Wer­ner. – Bitte.


14.25.49

Abgeordnete MMag. Katharina Werner, Bakk. (NEOS): Herr Präsident! Herr Minister! Geschätzte Menschen hier im Saal und zu Hause! Kommen
wir ein bisschen zum Thema zurück! Zuerst einmal die gute Nachricht: Wenn der Eltern-Kind-Pass irgendwann einmal beschlossen wird, dann wird er Eltern-
Kind-Pass heißen und nicht mehr Mutter-Kind-Pass. Wir sind im Jahr 2023, und ich glaube, es ist höchste Zeit dafür, auch wenn zwei Parteien, insbeson­dere auf Länderebene – in Oberösterreich, in Niederösterreich und jetzt auch in Salzburg –, dagegen arbeiten. Ich erinnere nur daran: Herdprämie und so.


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Machen wir kurz einen Realitätscheck: Wie schaut es in Österreich wirklich
aus? 
Dieses konservative Familienbild Mutter, Vater, Kind war in Österreich nur in den 1950er- bis in die 1970er-Jahre das vorherrschende Familien­bild, das es gegeben hat. (Abg. Belakowitsch: Jetzt ist es nicht mehr vorherrschend? Und jetzt gibt es das gar nicht mehr? Ein Wahnsinn!  Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Nun muss man schon die Frage stellen: Wollen wir dorthin zurück, in die 1950er-Jahre? Nein, also ich will nicht dorthin zurück. (Abg. Bela­kowitsch: ... immer noch vorherrschend!)

Lesen bildet ja bekanntlich und Vorlesen auch, und darum habe ich Ihnen einen Buchtipp mitgebracht, vor allem für die Abgeordneten der FPÖ. Das Bilder­buch heißt „Alles Familie!“ (das genannte Buch von Alexandra Maxeiner in die Höhe haltend) und stellt die Vielfalt der in Österreich vorhandenen Familienstruk­turen dar. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der Grünen.) Es ist
so einfach geschrieben, dass auch Sie die Realität, in der wir leben, verstehen werden.

Zurück zum Eltern-Kind-Pass: Das Positive daran ist, dass es ihn in Zukunft, wenn es ihn dann geben wird, digital geben wird, dass er barrierefrei
sein wird, dass er in Einfacher Sprache verfügbar sein wird und dass er auch mehrsprachig sein wird.

Da aber gleich einmal ein bisschen Kritik: In Österreich haben wir außer der Gebärdensprache noch sechs weitere anerkannte Minderheitensprachen. Es gibt ihn zwar in einer weiteren Minderheitensprache, aber nicht in allen Minder­heitensprachen. Machen wir doch da ein Bekenntnis dazu und bieten ihn in allen Minderheitensprachen an, weil das von der Umsetzung her digital eigentlich
ein Klacks ist! Stehen wir dazu! Wir sind im Herzen Europas und die Mehrspra­chigkeit in unserem Land ist wertvoll.

Der zweite Kritikpunkt ist die Speicherdauer. 30 Jahre ohne eine Opt-out-Op­tion sind doch ziemlich lang. Datensparsamkeit sieht einfach anders aus.


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Der dritte Kritikpunkt ist: Es gibt zwar diese Erinnerungsfunktion, und die ist wirklich wichtig und toll, aber sie schützt nicht davor, dass, wenn eben Eintragungen nicht zeitgerecht erfolgt sind, weil die Ordinationshilfe es zum Beispiel bei der ganzen Arbeit, die sie sonst noch zu erledigen hat, nicht
schafft, es schnell noch am Abend einzutippen, sondern vielleicht etwas zu spät, oder wenn man keinen Termin bei einer dieser Familienberatungszentren bekommt, die jetzt schon sehr, sehr gut ausgelastet sind – und von denen wir einfach noch viel, viel mehr an Leistung ohne zusätzliche Mittel wollen –,
das dann zur Konsequenz hat, dass eben das Kinderbetreuungsgeld reduziert wird oder man es gestrichen bekommt; und das, obwohl wir wissen,
dass gerade finanziell prekäre Situationen für Kinder und für Eltern auf lange Sicht sehr, sehr negative Effekte auf die Gesundheit haben.

Ein letzter Kritikpunkt: Auch die Früherkennung von psychischen Krankheiten bei Eltern und bei Kindern ist leider noch nicht umfasst, obwohl wir auch
da wissen, dass viele Eltern nach der Geburt oder vor der Geburt eines Kindes psychisch sehr belastet sind. Da würde ich einfach bitten: Nutzen wir
jetzt diese Chance, dass wir das jetzt noch einmal in den Ausschuss nehmen müssen, dass wir noch einmal daran arbeiten müssen, nehmen wir
diese Kritikpunkte auf und beschließen wir dann ein besseres Eltern-Kind-Pass-Gesetz! (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Schallmeiner.)

14.29


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Brandstötter. – Bitte.


14.29.59

Abgeordnete Henrike Brandstötter (NEOS): Herr Kollege Hauser, es wird Sie überraschen, aber wir haben Ihnen aufmerksam zugehört, und es haben
sich Fragen aufgetan. Es würde uns nämlich interessieren, welche Pandemie geplant ist. Vielleicht können Sie uns dann später Auskunft dazu geben,
damit wir uns darauf vorbereiten können.


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Zurück zur Sache, nämlich zum Eltern-Kind-Pass. Wir haben heute schon sehr viel dazu gehört, auch den einen oder anderen Kritikpunkt. Unter ande­rem geht es ja immer darum, dass Frauen auch Souveränität über ihre Daten haben, und diese Souveränität ist bei einem weiteren Punkt nicht gege­ben. Es werden nämlich alle Schwangerschaften bis zur dritten Woche nach dem errechneten Geburtstermin registriert. Das bedeutet, dass eine Frau, die
eine Fehlgeburt erleidet, zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal daran erin­nert wird, dass sie eigentlich jetzt ein Kind geboren hätte. Das ist eine In­formation, die sie zu diesem Zeitpunkt vielleicht gar nicht haben möchte. Oder eine Frau entschließt sich zu einem Abbruch, dann ist diese Information einfach irrelevant.

Nicht irrelevant ist das für die Salzburger Landesregierung, die ja heute angelobt worden ist. Die Lebensschützer feiern schon einen Etappensieg, denn
die Landesregierung möchte unter anderem eine Studie in Auftrag geben, mit der die Motive für Abtreibungen erforscht und untersucht werden. Das vorgebliche Ziel ist die Schaffung von Evidenz, aber neutrale Daten sind ein Ideal, auch in sozialen Fragen sind sie ein Mythos – das gibt es einfach
nicht. Diese Daten dienen immer anderen Zwecken, sie dienen der Agitation. Dieser eigentlich harmlos daherkommende Wunsch nach mehr Evidenz hat seine Quelle in ultrareaktionären, erzkonservativen Kreisen in den USA, die ge­nau diese Daten nutzen wollen, um die Tür für ihre Agenda noch ein Stück wei­ter aufzustoßen.

Es gibt einfach nur zwei Gründe, warum Frauen sich gegen ein Kind entscheiden. Erstens: Es ist medizinisch indiziert, es ist das Leben der Mutter bedroht,
das Kind hat schwere Missbildungen. Zweiter Grund: Die Frau möchte dieses Kind nicht, und mehr geht auch niemanden etwas an – niemanden!
(Beifall bei NEOS und Grünen sowie der Abg. Erasim.)

Alle weiteren Daten, die mittels Studien erhoben werden, erfordern ja eine Klassifikation, und eine Klassifikation muss ja erst geschaffen werden.
Dann brauchen wir eine Bewertung. Irgendjemand muss sich dann ausdenken,


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was gute Gründe und was schlechte Gründe sind, um abzutreiben. Also
solche Befragungen schaffen keinerlei Evidenz, sie sind Material für Agitation. Sie sind ein Feigenblatt, um auch die andere Agenda der Salzburger Lan­desregierung voranzutreiben, nämlich Adoption als Alternative für eine Abtrei­bung zu propagieren.

Das ist ein rückwärtsgewandtes Frauenbild von ÖVP und FPÖ. Das ist einfach schrecklich, welches Bild Sie eigentlich von Frauen haben und davon, was
deren Aufgabe ist (Abg. Wurm: ... Anträge einbringen!), nämlich Kinder zu gebären und sie dann anderen Menschen zu geben, die keine Kinder bekommen
können oder wollen. Das ist einfach pure Ideologie, einmal mehr auf dem Rücken von Frauen ausgetragen.

Besonders erschütternd ist, dass das aber auch Teil des Mutter-Kind-Passes sein wird. Grüne, ich bin überzeugt davon, dass das nicht das ist, was ihr wollt.
Ihr wollt das definitiv nicht. (Abg. Disoski: Stimmt nicht!) 
Nein, es ist
einfach jetzt drinnen, dass alle Schwangerschaften bis zur dritten Woche nach dem errechneten Geburtstermin in diesen Eltern-Kind-Pass aufgenom­men werden, und deswegen wäre es wichtig, dass man genau jetzt die Rückver­weisung in den Ausschuss nutzt, damit das verbessert wird.

Unser Vorschlag ist, dass einfach bis zum Ende der zwölften Schwangerschafts­woche die Frauen selbst entscheiden können, ob ein Eltern-Kind-Pass an­gelegt wird oder nicht. Damit wäre dieses Problem behoben. Das hilft einfach den Frauen, die sich vielleicht noch einmal überlegen wollen, ob sie jetzt,
zu diesem Zeitpunkt ein Kind bekommen wollen oder nicht. – Vielen Dank. (Bei­fall bei den NEOS.)

14.34


14.34.10

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist damit geschlossen.

Wünscht der Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.


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Zunächst über den Rückverweisungsantrag der Abgeordneten Dr. Josef Smolle, Ralph Schallmeiner zum Tagesordnungspunkt 10:

Ich lasse daher sogleich darüber abstimmen, den Gesetzentwurf in 2056 der Beilagen nochmals an den Gesundheitsausschuss zu verweisen.

Ich ersuche die Mitglieder des Hohen Hauses, die dafür eintreten, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig, angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Tagesordnungspunkt 11, die dem Ausschussbericht 2059 der Beilagen angeschlossene Entschließung betreffend „Vorbereitende Maßnahmen für den EHDS“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehr­heit, angenommen. (327/E)

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 12: Antrag des Gesundheitsausschusses, seinen Bericht in 2060 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer dies tut, der möge das mit einem Zeichen kundtun. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

14.35.1013. Punkt

Bericht des Budgetausschusses über den Antrag 3429/A der Abgeordneten Kira Grünberg, Heike Grebien, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über eine Bundeszuwendung an den Verein Licht ins Dunkel – Verein für Menschen mit Behinderungen und
sozialer Benachteiligung (Licht-ins-Dunkel-Zuwendungsgesetz – LiDZG) erlas­sen wird (2068 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zum 13. Tagesordnungspunkt.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt Abgeordneter Krainer. Das Wort steht bei ihm. – Bitte.



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14.35.39

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Herr Präsident! Ich glaube, es war am 18. November, als sich Kanzler Nehammer und Vizekanzler Kogler vor
die Fernsehkameras gestellt und vollmundig versprochen haben, dass die Bun­desregierung alle Spenden für Licht ins Dunkel verdoppelt. Ich habe mir
damals gedacht: Wie wollen die das machen?

Die brauchen dafür ja eine gesetzliche Grundlage, die können das Versprechen gar nicht halten, außer die Regierungsmitglieder zahlen das aus der eigenen Tasche. Siehe da, nach sechs Monaten ist anscheinend die Bundesregie­rung auch draufgekommen, dass sie dieses Versprechen nicht halten kann, und hat ein Gesetz gemacht, dass wir Spenden für Licht ins Dunkel verdoppeln.

Das, was Licht ins Dunkel macht, ist sehr gut. Es ist auch gut, dass es NGOs gibt, die auf Spendenbasis und Ehrenamtsbasis arbeiten und wichtige gesell­schaftliche Tätigkeiten machen. Dass man aber auf Gutsherrenart in Wahrheit in einer PR-Veranstaltung etwas verspricht, was man selber gar nicht halten
kann, ist nicht gut. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Doppelbauer.)

Es ist, ehrlich gesagt, vollkommen egal, ob dort ein roter, ein grüner, ein pinker, ein blauer oder ein schwarzer Politiker steht und so etwas macht. Es wur­de ja vor 25 Jahren – ich glaube, damals waren es Vizekanzler Schüssel und der damalige Kanzler Klima – etwas Ähnliches gemacht. Die konnten das Ver­sprechen wenigstens selber halten, weil damals die bundeshaushaltsrechtlichen Voraussetzungen andere waren. Ich glaube aber, wir sollten damit aufhö­ren, das als Politik zu missverstehen. Was Menschen mit Behinderung brauchen, ist nicht, Spenden zu bekommen und Bittsteller zu sein, sondern sie brau­chen einen Rechtsanspruch. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

Es gibt – darüber sind sich hier wahrscheinlich alle einig – viele objektiv wichtige Fragen, die wir eigentlich für Menschen mit Behinderung lösen müssen,
um wirklich einen Rechtsanspruch zu schaffen und nicht ein Bittstellertum fort­zuführen. Das sind vor allem Fragen hinsichtlich Inklusion bei der Bildung


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(Zwischenruf des Abg. Höfinger), in der Schule – dass man auch länger in die Schu­le gehen darf und kann.

Es geht um Fragen betreffend Integration am Arbeitsmarkt – wie wir es schaffen, dass Menschen mit Behinderung, von denen sehr viele arbeiten wollen und können, auch einen Job finden – und es geht auch um Fragen der persönlichen Assistenz, nicht im Arbeitsmarktbereich, sondern außerhalb des Arbeitsplatzes, damit es da eine persönliche Assistenz gibt. Das sind die
Fragen, auf die behinderte Menschen Antworten brauchen, denn sie wollen Rechtsanspruch auf Teilhabe und auf Inklusion und nicht irgendein Bittstellertum, und das ist keine parteipolitische Frage.

Ehrlich gesagt, diese PR-Nummern mit dem Versprechen, irgendetwas zu ver­doppeln, sind nie gut. Das ist auch in der Vergangenheit nicht gut gewe­sen, genauso wie diese Geldzuteilungen zu irgendwelchen Geburtstagen von Bundesländern, die vollkommen willkürlich passieren, nicht gut sind. Bitte hören wir mit diesen Sachen auf und machen wir Nägel mit Köpfen dort, wo es den Menschen wirklich hilft! – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

14.39


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gelangt Abgeordnete Grünberg. – Bitte.


14.39.31

Abgeordnete Kira Grünberg (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen
und Zuseher! Gleich zu Beginn darf ich im Namen unserer Bundesrätin Alexandra Platzer die Gruppe der Kultiwirte Oberösterreich und auch die FCG-Junioren Freistadt begrüßen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Seit mittlerweile 50 Jahren steht Licht ins Dunkel für gesellschaftlichen Zusammenhalt, Solidarität und Menschlichkeit und leistet eine sehr wertvolle Arbeit. Es wurden und werden unterschiedliche Inklusions- und Sozialpro­jekte, die sich gesellschaftliche Teilhabe zum Ziel setzen, gefördert. Ich darf mich


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bei allen Mitwirkenden für das wertvolle Geleistete recht herzlich be­danken. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Schwarz.)

Aus Anlass des 50-jährigen Jubiläums hat sich die Bundesregierung dazu ent­schlossen, die eingenommene Spendensumme aus dem Zeitraum 18. November bis 24. Dezember 2022 zu verdoppeln. Mit der einmaligen Sonderzuwen­dung dürfen ausschließlich Projekte für Menschen mit Behinderungen und sozial benachteiligte Menschen gefördert werden. Das Gesetz ist außerdem bis
zum 31. Dezember 2028 befristet. Das bedeutet, dass bis zu diesem Zeitpunkt die Sonderzuwendung in der Höhe von rund 14,4 Millionen Euro den Pro­jekten zugutegekommen sein muss.

Licht ins Dunkel hat in Österreich einen hohen Wiedererkennungswert aufge­baut, doch in den letzten Jahren gab es auch immer wieder Kritik, vor al­lem an der Namensgebung von Licht ins Dunkel. Licht ins Dunkel: Stehen Men­schen mit Behinderungen und deren Familien wirklich im Dunkeln und
brauchen sie ein Licht? – Ich glaube, vielleicht ist jetzt, nach 50 Jahren, endlich der Zeitpunkt gekommen, zu dem man sich über den Namen Gedanken
machen muss. Der hohe Wiedererkennungswert und auch die aufgebaute Marke dürfen meiner Meinung nach keine Totschlagargumente sein.

Schauen wir nach Deutschland! Da wurde aus der Aktion Sorgenkind die Aktion Mensch – wie ich finde, ein sehr gelungener Wandel, denn es ist unabding­bar, ein realistisches Menschenbild von Menschen mit Behinderungen zu zeigen.

Klar, das Leben mit einer Behinderung ist keinesfalls immer einfach. Wir werden immer wieder mit Barrieren und auch Vorurteilen konfrontiert. Deshalb ist
es umso wichtiger, die Realität von uns Menschen mit Behinderungen zu zeigen und auch zu benennen.

Aus meiner Sicht ist es auch die Aufgabe von Vereinen wie Licht ins Dunkel, wei­terhin zum Beispiel in Werbespots die Barrieren, die Menschen mit Behin­derungen in den Weg gelegt werden, aufzuzeigen. Da spreche ich nicht nur von


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baulichen Barrieren oder den allzu bekannten Barrieren in den Köpfen,
sondern genauso auch von technischen und auch sprachlichen Barrieren. Aufklä­rung ist auch im 21. Jahrhundert immer noch erforderlich. (Beifall bei der
ÖVP sowie des Abg. Schwarz.)

Wir Menschen mit Behinderungen sind genauso wie nicht behinderte Menschen Mütter, Väter, Töchter, Söhne, Unternehmer:innen, Arbeitgeber:innen
und Arbeitnehmer:innen, erfolgreiche und manchmal auch weniger erfolgreiche Sportler:innen und Künstler:innen und so vieles mehr. Wir brauchen kein
Mitleid. Alles, was wir wollen, sind Akzeptanz und auch die Möglich­keit, all unsere Fähigkeiten zeigen zu können. (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der Grünen.)

Nicht nur die Darstellung von Menschen mit Behinderungen ist entscheidend, sondern auch, dabei die richtige Sprache und Wortwahl zu verwenden.
Da möchte ich nur einige wenige Beispiele nennen. Bitte sprecht in Zukunft immer von Menschen mit Behinderungen und nicht von der Behinder­ten oder dem Behinderten! Gehörlose Menschen sind auch keineswegs taub­stumm. Sie haben eine Sprache, sie können in Gebärdensprache spre­chen, und diese ist auch nicht mit der Zeichensprache zu verwechseln. Zudem sind auch Floskeln wie: an den Rollstuhl gefesselt, diskriminierend, denn
der Rollstuhl ist ein Hilfsmittel, und wir Nutzer:innen sind froh, dass es ihn gibt, weil er uns die Mobilität ermöglicht.

Abschließend möchte ich nicht unerwähnt lassen, dass Spenden nicht im Gene­rellen etwas Schlechtes sind, so wie es manchmal dargestellt wird. Wir
können stolz darauf sein, dass Österreicherinnen und Österreicher durchwegs spendenbereit sind. Es macht Mut, zu wissen, dass wir in einem Land le­ben, in dem es den Menschen nicht egal ist, wie es anderen geht, in dem sie aufeinander schauen und nicht zögern, zu helfen. – Vielen Dank. (Bei­fall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

14.44



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll219. Sitzung, 219. Sitzung des Nationalrats vom 14. Juni 2023 / Seite 247

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Lind­ner. – Bitte. (Rufe bei der SPÖ: Linder!) – Maximilian Linder, danke. (Ruf
bei der ÖVP: ... Marx Linder! – Abg. Linder – erheitert –:
Ja, es wird noch schlimmer werden!)


14.45.06

Abgeordneter Maximilian Linder (FPÖ): Herr Präsident Svoboda, wenn
daraus Marx Lindner wird, werde ich böse. Dann wird es ernst. (Heiterkeit des Redners.)

Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen, geschätzte Kollegen! Herr Staats­sekretär! Zum Antrag auf Verdoppelung der Spenden für den Verein Licht ins Dunkel für Menschen mit Behinderungen und sozialer Benachteiligung in
der Größenordnung von 14,5 Millionen Euro: Für uns Freiheitliche ist die Hilfe für Behinderte etwas ganz Wichtiges. Diesen benachteiligten Menschen
zu helfen ist eines unserer obersten Ziele.

Als Bürgermeister weiß ich, wie oft es notwendig ist, dass man auch über die gesetzlichen Mittel hinaus hilft, den Leuten zur Seite steht. Immer wie­der entstehen Situationen, in denen man sagt: Ja, da muss man zusätzlich Hilfe geben!

Licht ins Dunkel ist, glaube ich, auch ein ganz, ganz wichtiger Verein im sozialen Bereich. Wir im Kärntner Gegendtal haben das zwei Mal ganz groß erle­ben dürfen: das eine Mal 2016 bei einer Unwetterkatastrophe, das zweite Mal 2022, im letzten Sommer, bei dem großen Unwetter, als Licht ins Dunkel
uns wirklich als ganz großartiger Partner zur Seite gestanden ist.

Als Bürgermeister einer kleinen Gemeinde weiß ich aber auch, dass ich Geld nur ausgeben darf, wenn ich es budgetiert habe, und Geld nur versprechen
darf, wenn ich das Pouvoir dazu habe. Wenn ich das nicht habe, kann ich den Menschen da draußen nichts versprechen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll219. Sitzung, 219. Sitzung des Nationalrats vom 14. Juni 2023 / Seite 248

Wenn ich dann erlebe, dass, wie wir es heute schon gehört haben, der Bun­deskanzler und der Vizekanzler sich hinstellen und sagen: Na ja, wir verdoppeln! Das spielt alles keine Rolle! Geld könnt ihr jederzeit haben!, und hinterher draufkommen und sagen: Das ist wahr, eigentlich brauchen wir dafür ein Gesetz, eine gesetzliche Regelung!, dann denke ich: Na ja, wir kleinen Bürgermeis­ter wissen das, aber Kanzler und Vizekanzler sind da anscheinend
nicht ganz firm.

Für uns Freiheitliche ist auf alle Fälle eines fix: Die Hilfe ist ganz wichtig, die Hilfe für Licht ins Dunkel ist eine ganz wichtige Sache, aber trotzdem
sind gesetzliche Bestimmungen einzuhalten, sind diese Dinge vorab zu be­schließen. Man kann sie nicht zuerst groß versprechen und sich dann irgendwo hinterher das Pouvoir dafür holen. Deswegen sind wir der Meinung: Wenn
ihr so etwas tut, dann gehört es vorher getan. Sonst schaut, wo ihr das Geld her­kriegt! So kann es nicht gehen, liebe Bundesregierung. (Beifall bei der FPÖ.)

14.47


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Grebien. – Bitte.


14.47.48

Abgeordnete Heike Grebien (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Kolleg:innen! Wertgeschätzte Zuseher:in­nen hier, aber auch zu Hause! Anlässlich des 50-jährigen Bestehens der Aktion Licht ins Dunkel stellt der Nationalrat eine Sonderzuwendung zur Verfü­gung. Diese beträgt rund 14,4 Millionen Euro. Damit wird die von der Regierung im Herbst getätigte Zusage eingelöst, die zwischen 18. November und 24. Dezember 2022 eingelangten Spenden an Licht ins Dunkel zu verdoppeln.

Die Gelder dürfen ausschließlich für die Förderung von Projekten für Menschen mit Behinderungen oder Menschen mit sozialer Benachteiligung verwen­det werden. Abgewickelt wird das über das BMSGPK. Das hat dazu auch das Zu­wendungsgesetz geschaffen, die dazugehörige rechtliche Grundlage, die
wir heute hier beschließen werden.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll219. Sitzung, 219. Sitzung des Nationalrats vom 14. Juni 2023 / Seite 249

Für die Überweisung der Mittel braucht es eine Verpflichtungserklärung des Vereins, die Mittel nur zum Zweck der Förderung von Projekten für Menschen mit Behinderungen und sozialer Benachteiligung zu verwenden, die widmungs­gemäße Verwendung nachzuweisen und etwaige nicht verwendete
Mittel zurückzuzahlen.

Dem Bund bleibt es vorbehalten, die Verwendung der Mittel jederzeit selbst oder durch eine beauftragte Stelle zu überprüfen. Zu diesem Zweck sind
die erforderlichen Auskünfte zu erteilen, Einsicht in die Bücher und Belege zu gestatten und jederzeit Besichtigungen an Ort und Stelle zu erlauben. Es
wurde ein Innovations- und Inklusionsfonds mit Beginn des Jahres seitens Licht ins Dunkel eingerichtet, der besonders innovative und inklusive Leucht­turmprojekte aus dieser Verdoppelung finanzieren soll.

Das finden Sie alles auf der Website. Es ist auch transparent, wer im Vorstand sitzt, wer im Gremium sitzt, wie das beschlossen wird, welche Einreichkri­terien es gibt und so weiter.

Zum Beispiel gibt es als Einreichkategorien die Bereiche Bildung, Arbeitswelt, Gemeinwesenarbeit, Peerberatung, Selbstbestimmung, Empowerment.
Auch Frauen mit Behinderungen sind ein eigener Schwerpunkt, was ich aus­drücklich begrüße.

Ziel ist es, für den Zeitraum von drei Jahren eine Anschubfinanzierung zu leisten, um neue Projekte auszubauen oder bestehende auszuweiten. Davon profi­tieren nicht nur die sogenannten Trägerorganisationen, die im Vor­stand von Licht ins Dunkel sitzen, sondern auch andere Vereine oder auch private Personen, die inklusive Projekte einreichen.

Ich möchte in meiner Rede nicht auslassen, dass es auch Kritik an dem Format Licht ins Dunkel gibt, die Kritik von Andererseits, der inklusiven Online­redaktion, die mit ihrer Dokumentation „Das Spendenproblem“ darauf auf­merksam machte, dass Menschen mit Behinderungen in den Medien


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll219. Sitzung, 219. Sitzung des Nationalrats vom 14. Juni 2023 / Seite 250

als Bittsteller:innen dargestellt werden. Diese Kritik gibt es auch von Betrof­fenen schon sehr, sehr lange, auch von Mitmenschen, die sich tagtäglich
dafür einsetzen, dass Menschen mit Behinderungen ihr Selbstbestimmungsrecht erlangen. Ich muss auch sagen, werte Damen und Herren, dass die Sen­dung im jetzigen Format noch nicht wirklich viel dazu beigetragen hat, wenn auch kleine Verbesserungen vorgenommen wurden. Deswegen begrüße
ich die Reaktion des ORF, dass man einen runden Tisch mit Selbstvertreter:innen einberufen hat, um eine Neuausrichtung des Formats zu diskutieren. Ich
hoffe wirklich sehr, dass wir das alle schon heuer sehen können.

Insgesamt ist zu sagen, dass nicht nur Licht ins Dunkel, sondern fast die gesamte Medienlandschaft aufgefordert ist, zu handeln. Wie die Studie des Markt­analyseunternehmens Media Affairs zeigte, kommen Menschen mit Behinderung in der Medienlandschaft kaum vor, auch wenn es im Vergleich zu vor zehn Jahren schon ein Stückerl besser ist. Wenn sie jetzt vorkommen, dann ist es in zwei Themenbereichen, im Bereich Behindertenspitzensport und im Be­reich Charity. Die Berichterstattung bewegt sich also zwischen der Heldeninsze­nierung und der Opferdarstellung. Beides stellt nicht im Ansatz die Realität
von Menschen mit Behinderungen in Österreich dar, denn Menschen mit Behin­derungen in Österreich sind vielfältig, sie sind talentiert, sie sind stark und
sie sind stolz. Das muss abgebildet werden!

Ich stimme Kollegen Jan Krainer zu, dass in der Medienlandschaft die Thematiken oder Problematiken abgebildet werden müssen, die wir im Bereich der inklusiven Bildung, im Bereich des Jobfindens noch immer haben: dass Unternehmen Ausgleichtaxen zahlen, anstatt Menschen mit Behinderungen an­zustellen, obwohl es sehr viele Förderprojekte für Unternehmen gibt, die
sie dabei unterstützen.

Wir können auch darüber sprechen, wie das mit den Wohngesetzen in den Bundesländern ist, warum die Anforderungen immer wieder zurückgeschraubt werden, damit ja kein Lift eingebaut werden muss. Wir können auch gerne


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über das Gesundheitswesen und darüber, wie wenig barrierefrei es ist, sprechen. Da gibt es wirklich viel zu tun.

Ein weiterer Punkt, den Herr Krainer von der SPÖ angesprochen hat, ist zum Beispiel das Thema der persönlichen Assistenz. Wir haben erstmalig 100 Millionen Euro für ein Pilotprojekt für persönliche Assistenz aufgestellt. Das stellen wir den Bundesländern zur Verfügung, weil es ihre ureigene Aufgabe wäre, diese bereitzustellen. Es sind genau zwei Bundesländer, in denen es jeweils einen Soziallandesrat der Sozialdemokratie gibt, derzeit nicht bereit, sich
das Geld abzuholen. Das geschieht mit der Argumentation, dass echte Anstel­lungsverhältnisse ja so teuer wären. Vielleicht könnten Sie innerhalb der SPÖ die Kollegen und Kolleginnen aus Wien und der Steiermark auffordern, sich
daran zu beteiligen, weil das, wie Sie richtig sagen, für die selbst Betroffenen enorm wichtig für ihre Selbstständigkeit ist. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich stimme Herrn Krainer auch zu, dass im Bereich des Arbeitsmarkts viel zu tun ist. Deswegen hat diese Regierung die höchste Erhöhung des Ausgleichstax­fonds seit seinem Bestehen beschlossen. Insgesamt sind schon 130 Millionen Euro für die Maßnahmen der beruflichen Integration für Menschen mit Behinderungen geflossen und fließen weiter. Ein ganz spezieller Schwerpunkt liegt bei Frauen mit Behinderungen, was mich immens freut. Wir können
da nur weitermachen. Bei der Pflegereform hat die Bundesregierung beschlos­sen, dass die erhöhte Familienbeihilfe von 60 Euro nicht mehr angerech­net wird, wenn Pflegegeld bezogen wird. All das geht direkt in die Taschen, in die Geldbörsen der Menschen mit Behinderungen.

Aber Sie haben recht: Es ist viel zu tun, und ich freue mich, wenn Sie dies auch unterstützen. Werte Kolleg:innen der Opposition, man kann kritisieren,
aber da werden wirklich tolle, innovative und inklusive Projekte finanziert. Ich ersuche Sie, zuzustimmen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und
bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.54



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll219. Sitzung, 219. Sitzung des Nationalrats vom 14. Juni 2023 / Seite 252

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Doppel­bauer. – Bitte.


14.54.28

Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Wir alle kennen Licht ins Dunkel. Man kann über den Namen streiten und darüber, ob das angemessen ist, aber die Idee dahinter
ist natürlich eine schöne und gute. Wir kennen auch alle den großen Aufwand um die Weihnachtszeit, wenn im ORF Licht ins Dunkel ganz, ganz großar­tig präsentiert wird. Auch das ist aus meiner Sicht in Ordnung. Was ich aber groß­artig finde, sind die vielen Menschen, die ihr privates Geld, Geld, das sie
sich erspart haben und das sie gerne für den größeren, guten Zweck ausgeben, spenden. Das finde ich wirklich sehr, sehr schön.

Darum geht es heute aber gar nicht, das ist nicht das Thema. Das Thema ist, dass sich diese Bundesregierung – die Bundesregierung! – letztes Jahr hinstellte
und sagte: Wir verdoppeln die Spenden! Als ich das gehört habe, habe
ich gedacht: Großartig! Wow, das ist wirklich großzügig von den Mitgliedern der Bundesregierung, dass sie die Spenden verdoppeln! Aber nein, das passiert
nicht mit dem privaten Geld, so wie wir alle anderen das machen, die
Steuern zahlen, nein, die Bundesregierung nimmt dafür Steuergeld in die Hand. Das, meine Damen und Herren, ist nicht akzeptabel. So geht es nicht!
(Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenruf bei der ÖVP.)

Jetzt kann man natürlich sagen, es sind sehr schöne Projekte, die da unterstützt werden. Auch dem würde ich zustimmen. Dann sage ich aber auch, der
Job der Bundesregierung ist ein anderer. Er ist nicht, die Spenden zu verdoppeln, sondern der Job der Bundesregierung wäre es, Förderungen auf den Weg
zu bringen und gezielt zu arbeiten. Wir haben es schon gehört. Diese 14,4 Millio­nen Euro sollten zum Beispiel in das Recht auf ein 11. und 12. Schuljahr für Jugendliche mit Behinderung fließen. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll219. Sitzung, 219. Sitzung des Nationalrats vom 14. Juni 2023 / Seite 253

Es gibt da halt einen Pferdefuß, meine Damen und Herren: Wenn man das so macht, dann gibt es vielleicht nicht so viel Kamerapräsenz. Was ist denn
der große Unterschied, wenn man sich anschaut, wie es gemacht worden ist? Der große Unterschied ist, dass man Licht ins Dunkel ausgewählt hat,
weil es da eine großartige Medienpräsenz für die Bundesregierung gibt. Das war eine PR-Show und nichts anderes. Da möchte ich schon ganz deutlich sein:
Die Bundesregierung soll ihre PR-Shows bitte aus ihrer privaten
Tasche und nicht mit meinem Steuergeld finanzieren. (Beifall bei den NEOS.)

Man kann das Gesetz auch noch einmal genauer anschauen und wird dann erkennen, dass es ehrlich gesagt auch inhaltlich einiges an Kritik daran
gibt. Wenn man es sich anschaut, sieht man ja auch, es gibt überhaupt keine Richtlinien, wie das Geld genau ausgegeben werden soll. Licht ins
Dunkel bekommt also einen Blankoscheck für 14,4 Millionen Euro. Das sei auch erwähnt, denn es ist Steuergeld. Auch da muss man ganz genau hinschauen.

Noch einmal: nichts gegen Licht ins Dunkel, nichts gegen den ORF. (Abg. Ober­nosterer: Nein! Überhaupt nichts!) Die Initiative ist prinzipiell gut, aber, liebe Bundesregierung, es wäre mein Wunsch, nicht mit Steuergeld PR-Aktionen der Bundesregierung zu finanzieren. Es braucht ein bisschen weniger Bling-
Bling, meine Damen und Herren, und ein bisschen mehr Wirksamkeit. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Höfinger: Halten Sie den Vor­trag im Rathaus da drüben! 150 Meter weiter drüben im Wiener Rathaus! – Ruf bei den NEOS: Der Bauernbund ist ...! – Abg. Leichtfried: Da bewirbt sich schon
wieder wer für den Landtag! – Abg. Michael Hammer: Was ist eigentlich euer Stadt­rat von Beruf?)

14.57


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Stark. – Bitte.


14.57.50

Abgeordneter Christoph Stark (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Es geht nun um Licht ins


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Dunkel und darum, wie öffentliche Mittel dafür verwendet werden, Menschen mit besonderen Bedürfnissen zu unterstützen.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, ich denke, wir sind uns einig, dass es gut und richtig ist, dass es in Österreich Verfahren gibt, Menschen zu helfen,
nämlich über die gesetzlichen Kanäle der allgemeinen Sozialhilfe und anderer Hilfssysteme. Das ist bei uns Standard.

Ich glaube, es ist auch gut und richtig, wenn wir Menschen in Notlagen über das bestehende Kranken- und Fürsorgesystem hinaus mit staatlicher Unterstüt­zung helfen. Es ist gut und richtig, wenn sich die Zivilgesellschaft ver­eint, um Geld zu sammeln, um Menschen in Not zu helfen. Es ist gut und richtig, wenn diese Hilfe von Licht ins Dunkel kommt. Genauso gut und richtig ist
es, wenn die Regierung diese Intentionen unterstreicht und aus Anlass
des 50-jährigen Bestehens einmal sagt: Wir helfen euch entscheidend und verdoppeln eure Spenden! (Zwischenruf der Abg. Doppelbauer. – Abg.
Hoyos-Trauttmansdorff: Die ÖVP hätte jetzt klatschen sollen!)

Es ist ein übliches Prozedere, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass die Regierung etwas berät, dass die Regierung sich zu etwas entschließt, die Maßnahme
dann in den Klubs koordiniert und das dann auch kundtut. Das ist nicht nur bei Licht ins Dunkel so, das war bei den Covid-Hilfen so, das war bei den Teuerungshilfen so, das ist beim Bahnausbau und bei zig anderen Gesetzen so, dass man sich auf etwas einigt, es berät, kundtut und danach auch die gesetzlichen Grundlagen dafür schafft. Das ist bei Licht ins Dunkel gar nichts anderes, aber ich verstehe natürlich, dass es manche stört, wenn die
Regierung in ein so positives Licht gerückt wird und Menschen in dieser Notlage tatsächlich unterstützt. (Abg. Hoyos-Trauttmansdorff: Weil ihr es sonst
nicht schafft!)

Fakt ist, es ging um das 50-jährige Bestehen von Licht ins Dunkel. Fakt ist, dass die Regierung 14,4 Millionen Euro zugesagt hat und mit diesem Beschluss
heute die gesetzlichen Grundlagen dafür geschaffen werden, dass dieses Geld


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rechtmäßig zu Licht ins Dunkel wandert, um dort Menschen zu helfen –
und das, Kollegin Doppelbauer, mit ganz klaren Regeln, mit Wirtschaftsprüfern, mit klarer Pflicht, offenzulegen, was damit getan wird. Es heißt also nicht:
Da habt ihr das Geld und macht damit, was ihr wollt! – Nein, es gibt ganz klare Regeln, wie das zu handhaben ist. (Abg. Doppelbauer: Ja, wo sind denn die Richtlinien im Gesetz? Und warum kriegen dann die anderen Vereine nichts? Warum kriegt dann nur Licht ins Dunkel ...?)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sagen heute Ja zu einer Wertschätzung von Licht ins Dunkel durch die österreichische Regierung und durch das öster­reichische Parlament und ich bitte um eure Zustimmung dafür. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

15.00


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf nun die Verhandlungen über Tages­ordnungspunkt 13 unterbrechen, damit die verlangte Behandlung eines Dringlichen Antrages gemäß der Geschäftsordnung um 15 Uhr stattfinden kann.

15.00.47Dringlicher Antrag

der Abgeordneten Julia Elisabeth Herr, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Jobgarantie für die von der Massenkündigung bei Kika/Leiner betroffe­nen Beschäftigten durch die Bundesregierung“ (3436/A)(E)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen nunmehr zur dringlichen Behandlung des Selbständigen Antrages 3436/A(E).

Da dieser inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch den Schriftführer. (Abg. Kucher hebt die Hand.)

Der Dringliche Antrag hat folgenden Wortlaut:

Die Leiner & kika Möbelhandels GmbH stellte am 12.6.2023 einen Insolvenzantrag. Die vorläufigen Passiva werden auf 132 Mio. € geschätzt und von der Insol­venz sind rund 3.300 Mitarbeiter:innen betroffen, 23 der 40 Filialen sollen in einem


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Sanierungsverfahren geschlossen werden.1 Von den 132 Mio. € Schulden
sollen 40 Mio. € auf Lieferanten und 42 Mio. € auf Abgaben entfallen2, großteils Steuerstundungen3, für die Ansprüche der Dienstnehmer:innen wird der Insolvenzentgeltfonds ca. 60 Mio. € zahlen müssen.4 Den Gläubigern wird eine Quote von 20% geboten5 - sprich 80% der Forderungen sind verloren.

Hauptbetroffene sind also die 3.300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Unter­nehmens.

Für diese Menschen bedeutet das eine doppelte Katastrophe, denn ausgerechnet in einer Zeit, in der die Regierung nichts gegen die höchste Teuerung unternimmt, in einer Zeit, in der die Preise explodieren und sich die Menschen das Leben, obwohl sie mehr und härter arbeiten, kaum noch leisten können, verlieren diese ihren
Job und damit ihr Einkommen. Und die Regierung tut nichts!

Dass es aber auch anders geht, zeigt die Vergangenheit: Der Kauf einer Immobilie auf der Wiener Mariahilfer Straße durch die Signa-Gruppe von René Benko konnte
über die Weihnachtsfeiertage 2017 mit Unterstützung des damaligen ÖVP-Bundes­kanzlers Kurz und des FPÖ-Justizministers Moser innerhalb weniger Tage abge­wickelt und ins Grundbuch eingetragen werden.6

Mitte 2018 frohlockte die damalige türkisblaue Bundesregierung, „dass die drohende Insolvenz der Kika/Leiner-Gruppe im letzten Moment abgewendet werden konnte und eine österreichische Lösung zur Weiterführung des Betriebs gefunden wurde“, und weiter: „Dieses Ergebnis sichere den Erhalt von etwa 5.000 Ar­beitsplätzen im Land.“7

Kurz darauf erfolgten dann im August 2018 die ersten Massenkündigungen, 1.100 Mitarbeiter:innen waren betroffen.8 Im Ibiza-Untersuchungsausschuss sagte René Benko dazu, dass die Sicherung von über 4.000 Arbeitsplätzen nicht an­ders möglich gewesen wäre, sein Einstieg bei Kika/Leiner wäre nicht als kurzfristiger Investor erfolgt, sondern mit einer Perspektive als langjähriger und verantwor-


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tungsvoller Eigentümer, eine nachhaltige Sanierung sichere auch langfristig Arbeits­plätze, das neue Management hätte den Turnaround geschafft9; der Geschäfts­führer wollte die schwarze Null im Jahr 2021 erreichen.10

Kurz vor dem beantragten Insolvenzverfahren wechselte das operative Handelsge­schäft von Kika/Leiner Ende Mai 2023 für drei Euro den Besitzer. Verkäuferin
ist ein Unternehmen der Signa-Gruppe von René Benko.11 Der neue Besitzer über­nahm von Benko die Steuerschuld in Höhe von rund 40 Mio. € (Ergebnis von Steuerstundungen), eine laufende Betriebsprüfung und eine Prüfung der Covid-Hilfen, aus der sich eine Rückforderung von mehr als sechs Mio. € ergeben könnte.12
Das ist der Verlustteil des Möbelhauses.

Die Immobilien, mehr als 80 Grundstücke, wurden an die Supernova-Gruppe im Ein­flussbereich des Unternehmers Frank Albert um kolportierte 400-500 Mio. € verkauft.13 In Summe soll René Benko mit dem ursprünglich Ende 2017 begonnenen Immobiliendeal und dem Kauf des Unternehmens Mitte 2018 sowie den an­schließenden teilweisen Verkäufen des Osteuropa-Geschäfts, einiger „nicht-strate­gischer“ Immobilien sowie des aktuellen Schlussverkaufs laut Medienberichten
etwa 300 Mio. € verdient haben. Der Signa-Holding-Vorstand wird dazu zitiert, dass aus Signa-Gruppensicht die Übernahme von Kika/Leiner trotz schwierigen Marktumfeldes ein sehr gutes Investment war.14

Nach ca. fünf Jahren zeigt sich also das gesamte Ausmaß des Desasters: Ob die Restrukturierung erfolgreich umgesetzt werden kann, ist derzeit nicht abseh­bar. Tausende Arbeitsplätze sind seit 2017 verloren gegangen, diese Menschen ha­ben ihre Jobs und ihr Einkommen verloren. Auf der anderen Seite: Mehrere hundert Millionen Euro Gewinn für die Benko-Gruppe aus dem Ver­kauf der Immobilien.

Es stellt sich also die Frage, wie viele Menschen müssen ihren Job verlieren, bevor die Bundesregierung tätig wird, um ihnen zu helfen? Die Möglichkeiten dazu hat sie, indem sie etwa im Wege einer Arbeitsstiftung oder vergleichbarer Instrumente dafür sorgt, dass nicht die Beschäftigten die Dummen sind. Genauso hat etwa der


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Finanzminister jederzeit die Möglichkeit, die Machenschaften von René Benko (der bereits mehrfach Gegenstand von Ermittlungen der Staatsanwaltschaft war und ist) durch vertiefte Steuerprüfungen in allen ihm zuzurechnenden Unternehmen – auch jene in Luxemburg im Wege der Amtshilfe – die durch die soziale Absi­cherung der Beschäftigten entstandenen Kosten wieder einzutreiben. Allein die durch mutmaßliche Bestechung von ÖVP-Regierungsmitgliedern „erreichte“ Steuer­ersparnis von René Benko aus einer einzige Betriebsprüfung betrug be­reits vier Mio. €.

Aus diesen Gründen stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundeskanzler wird aufgefordert, im Rahmen seiner Koordinationskompetenz sicherzustellen, dass die Bundesregierung

1)   für die Mitarbeiter:innen von Kika/Leiner eine Jobgarantie ausspricht, sie schadlos hält und alle arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen ausschöpft, um ihnen die Annahme von neuen qualitativ gleich- oder höherwertigen Beschäfti­gungsverhältnissen zu ermöglichen;

2)   die dadurch entstandenen Kosten durch vertiefte Steuerprüfungen, Rückfor­derung von Steuerrückständen sowie Geltendmachung von Schaden­ersatzansprüchen gegenüber allen René Benko zuzurechnenden Unternehmen wieder eintreibt;

3)   jedenfalls dafür sorgt, dass allfällige Schlupflöcher im Insolvenzrecht geschlossen werden, die zu einer Bereicherung von Einzelnen auf Kosten der Allgemein­heit führen.“

In formeller Hinsicht wird verlangt, diesen Antrag gemäß § 74a Abs. 1 iVm § 93 Abs. 1 GOG dringlich zu behandeln.


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1     KSV, „Leiner/Kika Insolvenz: Sanierungsverfahren eröffnet“, https://www.ksv.at/presse/bevorstehende-insolvenzfaelle/leiner/kika-insolvenz-antrag-gestellt, abgerufen am 13.6.2023

2     Kurier, „Was im Insolvenzantrag von Kika/Leiner im Detail steht“, https://kurier.at/wirtschaft/was-im-insolvenzantrag-von-kikaleiner-im-detail-steht/402483365, abgerufen am 13.6.2023

3     Standard, „Warum die Insolvenz den Staat schädigt“, 12.06.2023

4     Kurier, „60 Millionen vom Insolvenzfonds“, 13.6.2023

5     APA, „Kika/Leiner - Sanierungsverfahren in St. Pölten eröffnet“, 13.06.2023

6     Kurier, „Immobilien-Investor René Benko rettete mit einem Blitz-Kauf
die Leiner-Gehälter“, 6.1.2018

7     OTS vom 15.06.2018, https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20180615_OTS0003/kurzstrache-oesterreichische-loesung-zur-weiterfuehrung-von-kikaleiner-sichert-
5000-arbeitsplaetze

8     Eco, 23.8.2023, APA, „Chronologie - Kika/Leiner: Vielen Versprechen folgte harte Landung“, 6.6.2023

9     111/Kommuniqué des Untersuchungsausschusses betreffend mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung (Ibiza-Untersuchungsausschuss) (1/US XXVII.GP), zur Sitzung vom 21.10.2020, https://www.parlament.gv.at/dokument/XXVII/KOMM/111/fnameorig_882354.html

10   APA, „Chronologie - Kika/Leiner: Vielen Versprechen folgte harte Landung“, 6.6.2023

11   Standard, „Der Drei-Euro-Verkauf von Kika/Leiner“, https://www.derstandard.at/story/3000000173999/der-drei-euro-verkauf-


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von-kikaleiner-signa-hat-sich-gut-abgesichert vom 31.5.2023, abgerufen
am 13.06.2023

12   Standard, „Der Drei-Euro-Verkauf von Kika/Leiner“, https://www.derstandard.at/story/3000000173999/der-drei-euro-verkauf-von-kikaleiner-signa-hat-sich-gut-abgesichert vom 31.5.2023,
abgerufen am 13.06.2023

13   Standard, „Benko verkauft Kika/Leiner-Immobilien um hunderte Millionen“ vom 31.5.2023, https://www.derstandard.at/story/3000000172624/benko-verkauft-kikaleiner-immobilien, abgerufen am 13.6.2023

14   Die Presse, „Wie viel hat René Benko beim Kika-Leiner-Deal verdient“ vom 1.6.2023, https://www.diepresse.com/6294506/wie-viel-hat-rene-benko-beim-kika-leiner-deal-verdient, abgerufen am 13.6.2023

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf Frau Abgeordnete Herr - -
(Abg. Krainer: Nein! – Abg. Kucher: Herr Präsident!) – Zur Geschäftsbehandlung, bitte.

*****


15.01.04

Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Tausende Beschäftigte bei Kika/Leiner zittern in diesen Stunden um
ihren Arbeitsplatz. Davon sind Familien mit Kindern betroffen, die nicht wissen, wie es in Zukunft weitergeht. Das ist eine ganz zentrale Frage, der sich
auch der Bundeskanzler der Republik wirklich widmen sollte.

Wenn es innerhalb von wenigen Minuten möglich ist, dass Herr Benko Termine von der Bundesregierung bekommt, sich der Bundeskanzler mit einem
eigenen VIP-Service Zeit nimmt und einige Menschen da Millionen verdient


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll219. Sitzung, 219. Sitzung des Nationalrats vom 14. Juni 2023 / Seite 261

haben, während Tausende Menschen nicht wissen, wie es weitergeht,
dann erwarte ich mir, dass der Bundeskanzler bei dieser Debatte persönlich anwesend ist. Das ist auch eine Frage des Respekts allen Familien gegenüber, die jetzt um ihre Zukunft zittern. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Belakowitsch und Reifenberger.)

Bei allem persönlichen Respekt, Frau Staatssekretärin, es kann nicht sein, dass sich der Bundeskanzler durch die Jugendstaatssekretärin vertreten lässt
und nicht die Zeit findet, sich persönlich der Schicksale dieser Menschen anzu­nehmen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich beantrage daher, den Bundeskanzler herbeizuschaffen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Hafenecker hebt die Hand.)

15.02


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zur Geschäftsbehandlung zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Hafenecker. – Bitte.


15.02.13

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Werte Kollegen! Ich kann mich den Ausführungen von Kolle­gen Kucher nur anschließen. Es ist unglaublich, dass man bei einem derartigen Skandal wieder einmal Staatssekretärin Plakolm hierherschickt, die wie­der einmal die ganze Suppe auslöffeln muss, die von dieser türkisen Partie ur­sprünglich verschuldet worden ist. (Widerspruch bei der ÖVP. – Abg.
Gerstl: Was ist der Skandal?)
 – Sehr geehrte Damen und Herren, Sie brauchen nicht zu stöhnen, sondern Sie müssen einmal dem Steuerzahler erklären,
wie er dazu kommt, 150 Millionen Euro für Ihre Parteifreunde in den Sand zu setzen. Es ist eine verdammte Pflicht des Herrn Bundeskanzlers,
dass er hier erscheint und Rede und Antwort steht! (Beifall bei FPÖ und SPÖ.)

15.02

15.02.56



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll219. Sitzung, 219. Sitzung des Nationalrats vom 14. Juni 2023 / Seite 262

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Gibt es noch eine Wortmeldung zur Geschäftsbehandlung? (Abg. Leichtfried: Abstimmen! – Ruf bei der SPÖ: Die ÖVP hat nichts dazu zu sagen! – Abg. Herr: Zur Abstimmung kommen! – Abg. Koll­ross – in Richtung von den Saal betretenden Abgeordneten der ÖVP –: Ah! Jetzt kommen sie daher! – Abg. Krainer: Na bitte, lassen Sie sich nur Zeit! – Ruf
bei der ÖVP: Sind eh schon alle da! – Abg. Michael Hammer: Was regt’s euch auf?)

Ich darf ich über den Antrag des Abgeordneten Kucher, der zur Geschäfts­behandlung gestellt wurde, abstimmen lassen. (Abg. Ottenschläger: Seid ihr schon alle herinnen?)

Der Nationalrat wolle im Sinne des § 18 Abs. 3 der Geschäftsordnung die Anwe­senheit des Bundeskanzlers verlangen.

Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich um ein dementsprechendes Zeichen. (Abg. Wurm: Haben die Grünen ein Gewissen? – Abg. Leichtfried: Das ist die Mehrheit, Herr Präsident!) – Das ist nicht die Mehrheit. (Abg. Wurm: Die Grünen haben kein Gewissen! – Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.) Wenn Sie
eine Zählung durch die Schriftführer verlangen oder wir eine namentliche Ab­stimmung machen sollen, kann ich das gerne machen. Von hier
aus stelle ich fest: Es ist die Minderheit, daher ist der Antrag abgelehnt.

*****

Zur Begründung des Dringlichen Antrages ist als Erste die Antragstellerin Frau Abgeordnete Herr zu Wort gemeldet. Ich darf ihr das Wort erteilen. Sie
hat dafür 20 Minuten Zeit. – Bitte, Frau Abgeordnete.


15.04.25

Abgeordnete Julia Elisabeth Herr (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrtes Hohes Haus! Ich wollte eigentlich auch sehr geehrter Bundeskanzler sagen, aber
der findet es ja offensichtlich nicht wert, sich diese Debatte anzuhören, während vermutlich gerade 1 900 Beschäftigte ihren Job verlieren. – Gut, es sei so.
(Beifall bei der SPÖ.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll219. Sitzung, 219. Sitzung des Nationalrats vom 14. Juni 2023 / Seite 263

Wir jedenfalls bringen heute einen Dringlichen Antrag ein, weil wir der Meinung sind, dass wir nicht einfach zur Tagesordnung übergehen können, wenn
sich ein großes Unternehmen wie Kika/Leiner zahlungsunfähig meldet, Insolvenz anmeldet und Tausende Beschäftigte nicht wissen, wie es jetzt weitergeht.

Werte Vertreter:innen der Bundesregierung, die Hard Facts sind erschütternd. Wir sprechen da immerhin vom größten Insolvenzverfahren der letzten
zehn Jahre. 23 Filialen sollen geschlossen werden. Es geht um 3 000 betroffene Mitarbeiter:innen und wie erwähnt sollen 1 900 fix ihren Job verlieren.
Das macht fassungslos. Durch das Insolvenzverfahren kann nicht einmal ein Sozialplan für die Beschäftigten verhandelt werden. Das macht nicht nur fassungslos, das macht wütend – sehr viele und auch uns. (Beifall bei der SPÖ.)

Es geht um einen riesigen Schuldenberg, der jetzt übrigbleibt. Es gibt bei Kika/Leiner 132 Millionen Euro an offenen Forderungen. Expert:innen sagen: Wahrscheinlich kommen wir auf 200 Millionen Euro offene Forderungen
an das zahlungsunfähige Unternehmen. Einer der größten Gläubiger ist die Re­publik Österreich. Es geht heute also auch um Steuergeld in Millionen­höhe, das wir alle – die Österreicher und Österreicherinnen, liebe Zuschauer und Zuschauerinnen auch zu Hause, jeder Einzelne von uns – sozusagen werden zahlen müssen.

Da müssen wir doch die Frage stellen: Was ist schiefgelaufen? Da müssen
wir auch die Frage stellen: Was davon fällt unter die politische Verantwortung, sehr geehrte Regierungsvertreter und Regierungsvertreterinnen? (Beifall
bei der SPÖ.)

Denn ja: Es lohnt sich schon der Blick auf die Frage: Warum ist denn die Repu­blik Österreich zum Gläubiger geworden? – Weil in Coronazeiten Unter­nehmenshilfen im großen Stil ausbezahlt wurden, auch an Kika/Leiner. Wir re­den nicht nur von Steuerstundungen, wir reden auch von den Cofag-Gel­dern, wenn wir uns richtig erinnern.


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Ich darf überhaupt an die 44 Milliarden Euro Wirtschaftshilfen erinnern, die Sie ausgegeben haben. Ein Teil davon war sicher dringend notwendig, aber
einen anderen Teil davon haben Sie einfach zum Fenster hinausgeschmissen. Kein anderes EU-Land hat in der Coronazeit so hohe Wirtschaftshilfen ausbezahlt wie Österreich. (Abg. Hörl: Ja! Super!) Gebracht hat es uns aber nichts, das ist der springende Punkt. (Abg. Wöginger: So ein Blödsinn!) Schauen
wir uns an, wie viele Unternehmenspleiten es kürzlich in Österreich gegeben hat: überdurchschnittlich viele, gemessen an der restlichen Europäischen Union.
Das Geld haben wir also ausgegeben, gebracht hat es uns nichts. Diese
Kritik können wir Ihnen nicht ersparen. Das können wir nicht. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Michael Hammer.)

Millionen Euro sind vonseiten der Republik an Kika/Leiner geflossen. Die Frage ist: Waren sie besichert? Es war ja kein Geheimnis, dass es diesem Unter­nehmen nicht so gut gegangen ist. Gab es Sicherheiten für die Republik? Signa hätte ja einiges zu bieten gehabt, wenn wir uns ehrlich sind. Daher, werte Bundesregierung: Wir fordern hier heute auch Transparenz von Ihnen ein. Die sind Sie uns, aber vor allem den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen schul­dig. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir als Sozialdemokratie haben immer gesagt: Wirtschaftshilfen dürfen nicht bedingungslos fließen, sie müssen zumindest an Arbeitsplatzgarantien ge­knüpft sein. Genau das haben wir hier in diesem Hohen Haus gefordert. Sieben verschiedene Sitzungen haben wir genutzt, um genau dazu Anträge einzu­bringen. Die Forderung war immer ganz klar: Wenn Unternehmenshilfen in Mil­lionenhöhe fließen, dann müssen auch die Arbeitsplätze mitgesichert wer­den. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Kolleg:innen, die jetzt schmähstad sind und nicht mitklatschen, können sich wahrscheinlich noch an diese Anträge – sieben an der Zahl – erinnern. Kön­nen Sie sich auch noch daran erinnern, wie Sie abgestimmt haben, werte Regie-


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rungsfraktionen? – Niedergestimmt haben Sie diese Arbeitsplatzsicher­heiten, Sie haben sie niedergestimmt und für nicht notwendig erachtet. (Zwi­schenruf des Abg. Lukas Hammer.)

Ich kann Ihnen den Vorwurf nicht ersparen: Es ist grundsätzlich ungerecht und auch volkswirtschaftlicher Unfug, wenn ein Unternehmen so viele Gelder bekommt und dann einfach der Großteil der Beschäftigten vor die Tür gesetzt wird. Wie Sie mit dem Steuergeld von jenen Tausenden Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen umgegangen sind – auch jenen von Kika/Leiner –, die genau diese Wirtschaftshilfen mitfinanziert haben, die Herr René Benko gern in Anspruch genommen hat, auf die er gerne zugegriffen hat, wie Sie mit diesen Steuerzahlern und Steuerzahlerinnen umgegangen sind, ist ungeheuerlich. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Meinl-Reisinger: Das ist einmal wirklich eine Sauerei!)

Kika/Leiner ist ja kein Einzelfall, das muss man an dieser Stelle auch sagen. Machen wir eine Zeitreise! Erinnern wir uns an den Deal dieser Regierung mit der AUA: 450 Millionen Euro Staatshilfe, nur damit dann wenige Tage
später ein Fünftel der Belegschaft vor die Tür gesetzt wurde. (Abg. Tanda: Bawag!) Wir haben diese Beschäftigten nicht vergessen.

Denken wir an MAN Steyr: Wir haben die Beschäftigten nicht vergessen. Der ganze Do & Co-Verband: 17,5 Millionen Euro Hilfsgelder, 800 Kündi­gungen, 800 Schicksale. Wir haben all diese Beschäftigten nicht vergessen. Wenn ich jetzt alles aufzähle, würde das den Rahmen sprengen. Klar
ist: Diese Praxis muss enden! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Michael Hammer: Das ist die neue SPÖ, oder? – Abg. Holzleitner: Ja, an der Seite der Beschäftigten,
Herr Kollege!)
 – Ja, genau! Das ist die neue SPÖ, die es nicht toleriert, wenn 1 900 Beschäftigte vor die Tür gesetzt werden, obwohl Millionen an Steuergeld geflossen sind. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Schmuckenschlager: Was habt
denn ihr getan?)
Stellen Sie sich darauf ein: Das ist die neue SPÖ!

Schauen wir uns an, wie es zu dieser Insolvenz gekommen ist: Der Verkauf des Kika/Leiner-Konzerns hat ja bereits vor Jahren begonnen (Abg. Michael


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Hammer: Die eigenen SPÖ-Mitarbeiter rausgehaut!), und zwar mit dem großen Leiner-Flagshipstore in der Mariahilfer Straße, einer Traumimmobilie
mitten in Wien mit sehr, sehr hohem Wert. Verkauft wurde diese damals an René Benko, einen der reichsten Menschen weltweit, einen guten
Freund von Sebastian Kurz und guten Bekannten der ÖVP. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Die ÖVP dürfte auch bei diesem Immobiliendeal, der sich spannen­derweise als besonders lukrativ für René Benko erwiesen hat, kräftig mitgehol­fen haben. Gekauft hat er die Immobilie mittels einer Privatstiftung ja um 60 Millionen Euro, wenige Wochen später wurde im Grundbuch der Wert aber mit 95 Millionen Euro eingetragen. – Aha! Entweder gab es innerhalb weni­ger Wochen eine Preissteigerung um 35 Millionen Euro, was eher unwahrschein­lich ist, oder René Benko hat die Immobilie ein Drittel unter ihrem Wert ge­kauft. Da darf sich jetzt jeder selbst überlegen, was wahrscheinlicher ist. Sogar die Gerichte haben Sie damals zu Weihnachten extra aufsperren lassen, um diesen Deal noch in die Bücher eintragen zu lassen. (Ruf bei der FPÖ: Ja, so ist es!)

Die Geschichte geht aber weiter. (In Richtung ÖVP:) Sie hören gespannt zu, ich erzähle Ihnen, was als Nächstes passiert ist. (Abg. Michael Hammer: Mehr!)
Der Verkauf dieser Immobilie hat für die Sanierung von Kika/Leiner
nicht gereicht. Das Unternehmen als Ganzes wurde 2018 mit der Unterstützung der Bundesregierung – Sie waren dabei – von René Benko gekauft. Die da­malige Bundesregierung bestehend aus ÖVP und FPÖ hat sich das als massiven Erfolg auf die Fahnen geheftet. Man hat von einer – unter Anführungszei­chen – „Rettung“ und von der – unter Anführungszeichen – „Sicherung“ von 5 000 Arbeitsplätzen gesprochen. (Abg. Belakowitsch: Wo lesen Sie das ab?) Man hat sich fast darum gestritten, wer der Retter und die Retterin von
Kika/Leiner sein darf.

Gekommen ist es anders (Abg. Michael Hammer – in Richtung Abg. Belakowitsch –: Das hat der Babler aufgeschrieben! – Abg. Hafenecker: Da hat der Babler
einen Blödsinn aufgeschrieben!):
Die von der Signa groß angekündigte Sanierung hat nicht stattgefunden. Durch die Übernahme durch Benko, auf die Sie


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so stolz waren und von der wir wissen (Rufe und Gegenrufe zwischen ÖVP und SPÖ), dass Sie mit dabei waren, dass der damalige Kanzler in Gespräche eingebunden war, wurden 1 100 Beschäftigte schon in einer Kündigungswelle 2018 hinausgeworfen. Also: nichts mit Rettung, nichts mit dem Erfolg, den
Sie sich so groß auf die Fahnen geheftet haben! Das Versprechen von ÖVP und FPÖ hat sich, wie so oft, sehr schnell als Mediengag herausgestellt. (Beifall
bei der SPÖ.)

Diese – unter Anführungszeichen –„Rettung“ ist sehr schnell verpufft. Das war ein Schlag ins Gesicht für alle Mitarbeiter:innen. (Abg. Hafenecker: ... Ihrer Bundesgeschäftsstelle!) Und jetzt kommt die nächste Bombe: Wie Berichte im „Falter“ heute zeigen, hat René Benko für diese angebliche – unter Anfüh­rungszeichen – „Rettung“, die ja nie eingetreten ist, anscheinend trotzdem noch einen Steuerdeal, einen privaten ÖVP-Freundschaftsdienst bekommen. (Ruf
bei der SPÖ: Unglaublich!)
Für einen guten Milliardär, mit dem man befreundet ist und der anruft, setzt man sich doch glatt ein. Die Mails, die nun vorliegen
und die Beteiligten schwer belasten, wurden heute vom „Falter“ zitiert.

Ich kann Ihnen ein Schmankerl daraus vorlesen. (Ruf bei der ÖVP: ... Mietpreise in der Löwelstraße! Wie war das in der Löwelstraße?) Da schreibt ein Mitarbeiter,
ein zuständiger Beamter als Reaktion auf die offenbaren Interventionen für den Milliardär Benko: „Warum helfts ihr dem Benko so?“ (Zwischenrufe bei der
ÖVP. – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.)

Sie brauchen nicht rauszuschreien, Sie können sich das selber durchlesen, es liegt ja auch alles schon bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft. (Abg. Michael Hammer: Wir lesen den „Falter“ nicht!) Da wurde ein Steuerver­fahren gegen René Benko zu seinen Gunsten hingebogen. (Abg. Holzleitner: Skan­dal!) Da wurde einem der reichsten Menschen auf der Welt geholfen (Abg. Greiner: Unglaublich!), damit er seine Steuern nicht zahlen muss – schon wieder! Wir erinnern uns: Bei Sigi Wolf war es genau dasselbe Spiel. (Ruf bei der
SPÖ: Die Hure der Reichen!)
Da ist Ihnen anscheinend nichts zu blöd. Für Ihre be­freundeten Millionäre haben Sie erneut im Finanzministerium dafür gesorgt,


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dass diese ja keine Steuern zahlen müssen. Was soll sich ein normaler Beschäf­tigter, der jeden Tag aufsteht, hart arbeitet und seine Steuern zahlt, da bitte schön denken? (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Michael Hammer.)

Und wissen Sie, wenn wir die Millionen Euro noch hätten, die Sie damals für Ihre reichen Freunde verpulvert haben, dann hätten wir uns heute vielleicht ein ordentliches Paket gegen Kinderarmut leisten können. Wir hätten die armutsbe­troffenen Familien nicht mit nur 2 Euro pro Tag abspeisen müssen. Wenn
Sie dieses Geld damals nicht für Ihre Freunde eingesetzt hätten (Beifall bei der SPÖ), dann hätten wir heute wirklich etwas gegen die Armut im Land ma­chen können, sozusagen wirklich etwas verändern können.

So und jetzt ist 2023: Wo stehen wir jetzt? Was ist passiert? – Den lukrativen Teil des Unternehmens, die Immobilien – das Einzige, woran René Benko anscheinend die längste Zeit Interesse hatte –, haben er und seine Signa ver­kauft und gutes Geld dabei gemacht. Und den operativen Teil des Unternehmens, also den Möbelverkauf mit vielen, vielen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, hat er in die Insolvenz geschickt, das kümmert ihn
jetzt offenbar nicht mehr.

Er ist also ein Investor, der sich die Rosinen herausgepickt hat, der für sich selbst die allerbesten Immobilien rausgesucht hat und damit riesige Gewinne ge­macht hat. Wir sprechen hier von 300 Millionen Euro, die es für die
Signa gespielt hat, die jetzt übrigens auch noch die Frechheit besitzt, im Ange­sicht ihrer ehemaligen Mitarbeiter:innen, die überhaupt nicht mehr wis­sen, wie es weitergeht, tatsächlich von einem guten Investment zu sprechen. Das muss man sich ja alles einmal auf der Zunge zergehen lassen: Die Signa ist mit sich zufrieden, der Rest bleibt zurück, der wurde weiterverkauft und jetzt für zahlungsunfähig erklärt.

Ich will noch zwei Dinge anfügen: Daran, wie mit den Beschäftigten umgegangen wird, die das Ganze aus den Medien erfahren haben, zeigt sich, was das Management für die eigenen Beschäftigten, die tagtäglich hart gearbeitet haben,


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übrig hatte. Während diese nicht einmal für wert befunden wurden, dass
man ein Mail an sie ausschickt, wurde René Benko in Österreich 2018 als Retter und zum Mann des Jahres erklärt. (Beifall bei der SPÖ.) Das zeigt die Schiefla­ge in unserer Gesellschaft auf und es zeigt, wie dringend notwendig es ist, dass Sie heute unserem Antrag zustimmen. Denn – ich komme auch schon bald
zum Ende – all das war absehbar. Der Deal mit Benko, den ÖVP und FPÖ damals so abgefeiert und mitverhandelt haben, bei dem sie für ihren Milliardärs­freund Herrn Benko offenbar auch die Steuer gestrichen haben, war ja von An­fang an zum Scheitern verurteilt.

Ich zitiere nochmals den mutigen Mitarbeiter, dessen Mails jetzt vorliegen. Er schreibt: „Es kann aber nicht sein, dass wir auf unsere Steuern ganz ver­zichten bzw. Benko bestimmt, was wir machen dürfen.“ – Offenbar war es schon so. (Abg. Laimer: Schande!) Und weiter schreibt er: Das Argument, dass
Benko 5 000 Arbeitsplätze gerettet hat, „kann ich nicht nachvollziehen, weil es anders kommen wird – Benkö möchte ja [...] nur die Immobilien.“ – Es war
also offensichtlich auch im Finanzministerium von Anfang an klar, worum es dem Investor René Benko geht, nämlich um seinen eigenen Profit, um seinen
eigenen wirtschaftlichen Erfolg und um sonst genau gar nichts.

Deshalb ist das Fazit: Das Korruptionskarussell der ÖVP dreht sich weiter (Abg. Eßl: Ungeheuerlich!) und Leidtragende sind wir alle, die gesamte Republik,
wir alle als Gläubiger, aber vor allem die Beschäftigten von Kika und Leiner. Wir wollen Ihnen von dieser Stelle ausrichten: Wir stehen auf Ihrer Seite, ganz
klar und kompromisslos! (Beifall bei der SPÖ.)

Deshalb müssen wir jetzt drei Dinge tun – diese finden sich auch in unserem An­trag wieder –: Erstens müssen wir alle Schlupflöcher im Insolvenzrecht schließen, die zu einer solchen Bereicherung von Einzelpersonen auf Kosten der Allgemeinheit führen. Das muss klar sein. Die zentrale Frage in diesem
Haus ist doch: Wie kann das Insolvenzrecht so gestaltet werden (Abg. Michael Hammer: Der Babler soll es verstaatlichen, dann habt ihr ein Möbelhaus!),
dass Geschäftsmodelle, mit denen Unternehmen in einzelne Teile zerlegt, die


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werthaltigen Bestandteile möglichst gewinnträchtig verscherbelt wer­den und der Schaden dann der öffentlichen Hand zugeschoben wird, in Zu­kunft – auch für alle anderen Beschäftigten – gar nicht mehr möglich
sind? (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Wöginger.)

Zweitens müssen wir natürlich versuchen, die entstandenen Kosten, die ja da sind und die für die Republik verheerend sind, wieder einzutreiben.
Da muss alles, was in irgendeiner Art und Weise möglich ist, getan werden.

Und das Wichtigste ist, Frau Jugendstaatssekretärin – ich hätte wieder gerne Herr Kanzler gesagt, aber der sitzt ja nicht hier (Ruf bei der ÖVP: Wo ist
der Babler?) 
–: Drittens braucht es eine Jobgarantie für die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von Kika und Leiner, die jetzt ausgesprochen werden
muss. (Beifall bei der SPÖ.)

Es müssen alle arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen ausgeschöpft werden, um den Tausenden Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen jetzt zu helfen, rasch in
neue Beschäftigungsverhältnisse zu kommen. Die Beschäftigten, die null Anteil an all diesen Übernahmen, Steuerdeals, angeblichen Rettungsaktionen und
was weiß ich noch alles hatten – die konnten das alles nur zur Kennt­nis nehmen –, dürfen jetzt nicht die Leidtragenden sein! (Beifall bei der SPÖ.)

Setzen Sie sich doch einmal so vehement, wie Sie sich für René Benko eingesetzt haben, dass er seine Steuern nicht zahlen musste – einer der reichsten Men­schen der Welt, nicht nur Österreichs, sondern der Welt! –, jetzt auch für die Be­schäftigten ein! Nichts weniger erwarten wir von Ihnen. (Beifall bei der SPÖ.)

Es gibt keinen Grund, keinen einzigen Grund, diesem Antrag heute nicht zuzu­stimmen. Beenden wir Bereicherung auf Kosten der Beschäftigten! Für
uns ist das klar, denn als SPÖ wissen wir eben, auf wessen Seite wir stehen – ich hoffe, Sie tun das auch, heute müssen Sie Farbe bekennen.

Ein allerletzter Punkt noch: Es ist genug! Hören Sie auf, Steuermilliarden der arbeitenden Menschen – der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen – und auch


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der kleinen Unternehmen für diese Überförderungen, für diese Steuerge­schenke für Ihre Gönner und Sponsoren zu missbrauchen! Sorgen Sie endlich dafür, dass die betroffenen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen nicht
zu Schaden kommen, und schließen Sie auch die Lücke im Insolvenzrecht, die den Unternehmen Anreize für solche Praktiken bietet! Stehen wir auf der
Seite der Beschäftigten! – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

15.21


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist nun Frau Staats­sekretärin Plakolm. – Bitte.


15.22.02

Staatssekretärin im Bundeskanzleramt Claudia Plakolm: Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder des Nationalrates! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher der heutigen Nationalratssitzung! Es ist immer tragisch, wenn Menschen ihren Arbeitsplatz verlieren, denn es geht bei jedem einzelnen Arbeitsplatz um ein persönli­ches Schicksal. (Ruf bei der SPÖ: Nimmt man euch leider nicht ab!)

Es geht um ein persönliches Schicksal, wodurch das Leben von einem Tag auf den anderen auf den Kopf gestellt wird. Es geht um ein persönliches Schicksal, durch das insbesondere viele Familien mit Kindern betroffen sind und vermeintlich sichere Planungen nun plötzlich umgeworfen werden müssen.

Für die Betroffenen geht es in dieser Situation eigentlich nur um eines, nämlich rasch wieder Sicherheit zu spüren (Abg. Hafenecker: Da bräuchten wir aber Neuwahlen!), indem sie in dieser Situation umfassend unterstützt werden und rasch eine Perspektive auf einen neuen sicheren Arbeitsplatz bekommen.

Genau aus diesem Grund bin ich froh, dass das Arbeitsmarktservice gemeinsam mit dem Wirtschaftsministerium bereits intensive Gespräche führt, um die­se Schicksale aufzufangen und so schnell wie möglich neue Perspektiven für die


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betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu entwickeln und zu fin­den. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Belakowitsch: Oh je! – Zwischenruf des Abg. Leichtfried.)

Wir leben in Österreich in einem starken und sicheren Land, in einem Land, in dem wir auch in schwierigen Zeiten wie diesen die Zuversicht nicht verlie­ren müssen, sondern allen Grund für Zuversicht und Vertrauen in die Zukunft haben. Österreich ist ein Land, in dem die meisten Menschen gerne leben und unglaublich viele Menschen gerne leben würden, weil es ein sozial sicheres Land ist. Es ist ein Land, in dem jeder Mensch, der auf Hilfe angewiesen ist, diese auch bekommt.

Das ist nur deswegen der Fall, weil wir auch gewisse Grundvoraussetzungen erfüllen, um diese soziale Sicherheit geben zu können: Wir sind ein star­ker Wirtschaftsstandort, an dem es Millionen hart arbeitende Menschen gibt, Millionen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, und weltweit anerkannte Unternehmen. Diese Ausgangssituation bietet uns gerade in dieser schwierigen Situation einen Lichtblick, nämlich dass es laut Arbeitsmarktservice über 20 000 offene Stellen im Handel und insgesamt 1 700 offene Stellen ganz kon­kret im Bereich Textil- und Möbelhandel gibt.

Lassen Sie mich das vielleicht noch anhand von Oberösterreich, wo ja angeblich alle Filialen geschlossen werden müssen, an einem ganz konkreten Beispiel festmachen: In Oberösterreich gibt es 4 587 offene Stellen im Handel und damit sehr, sehr viele freie Arbeitsplätze genau in dieser Branche. (Ruf bei der
SPÖ: Ach so, darum ist es wurscht?! – Abg. Herr: Das ist ja nicht dasselbe Berufsbild!)

Sie sehen, wir als Österreich sind ein starkes Land: ein starkes Land, in dem man in schwierigen Zeiten auch zusammenrückt, und damit sind die Grundvo­raussetzungen dafür gegeben, dass die Beschäftigten gut aufgefangen werden können, dass ihnen rasch eine Perspektive gegeben werden kann und
sie dann vor allem rasch weitervermittelt werden können. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenruf des Abg. Leichtfried.)


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Klar ist aber auch: Wir dürfen die Dringlichkeit nicht außer Acht lassen und keine Zeit verlieren. Ich bin den Sozialpartnern daher sehr dankbar, dass sie be­reits jetzt gemeinsam an Lösungen arbeiten, um den betroffenen Mitarbeiterin­nen und Mitarbeitern mehr Sicherheit zu bieten. Ein Dank gilt an dieser
Stelle dem AMS, das bereits die wichtigsten Vorbereitungen getroffen hat. Um all dies zu gewährleisten, arbeiten alle politisch Verantwortlichen, allen
voran unser Arbeits- und Wirtschaftsminister Martin Kocher, im Eiltempo, damit das Sanierungsverfahren in den nächsten Wochen über die Bühne geht. (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Das Sanierungsverfahren wurde vorgestern eröffnet, die ersten Kündigungen erfolgen voraussichtlich in den Sommermonaten – der weitere Fahrplan
steht aber bereits fest, um möglichst viel Klarheit für die betroffenen Menschen zu bieten. (Ruf bei der SPÖ: Fahrt hinaus zu den Betrieben, die vertreiben euch!)

Erstens ist es uns als Verantwortlichen wichtig, dass wir das sogenannte Früh­warnsystem möglichst bald starten können, das ist möglich, sobald das Unternehmen die Kündigungen dem Arbeitsmarktservice meldet. Das Frühwarn­system kommt bei genau solch großen Kündigungswellen zum Einsatz und ermöglicht dem AMS, bereits vorab tätig zu werden, also bevor die Kündigungen vom Arbeitgeber formal ausgesprochen werden.

Zweitens: Ab diesem Zeitpunkt wird das Arbeitsmarktservice bereits mit der Vermittlung neuer Jobs beginnen. Das Ziel in dieser Phase ist es, bereits während laufender Kündigungsfristen mit der Suche nach neuen Arbeitsplätzen und der Vermittlung neuer Beschäftigung zu starten. So soll sichergestellt werden, dass betroffene Beschäftigte keinen Leerlauf haben und im besten Fall gleich nach Ende der Kündigungsfrist in ein neues Beschäftigungsverhältnis eintreten können.

Drittens: Das AMS wird sich in engem Austausch mit Kika/Leiner dafür starkmachen, individuelle Lösungen zu finden, und es wird regional zentrale Ansprechpartner bereitstellen, die bei der Vermittlung der betroffenen
Personen unterstützen.


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Sehr geehrte Damen und Herren! In einer Zeit des Fachkräftemangels in
allen Bereichen geben wir als Bundesregierung alles, um die Men­schen entsprechend ihren Qualifikationen, ihren Fertigkeiten und vor allem ihren Interessen möglichst rasch am Arbeitsmarkt zu vermitteln. Mehrere Unter­nehmen haben bereits zugesagt, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aufzunehmen, weil der Bedarf in dieser Branche enorm groß ist. Das ist, wie ich bereits ge­sagt habe, nur möglich, weil wir als Österreich ein starker Wirtschaftsstandort mit einem sehr starken sozialen Netz sind.

Gleichzeitig ist in dieser Krisensituation aber auch wichtig, dass ein größerer finanzieller Schaden für die Republik abgewendet wird. Ich bin daher froh, dass die Finanzprokuratur bereits beauftragt wurde, die genauen Umstände
dieser Insolvenz bis ins letzte Detail zu prüfen. Die Republik Österreich wird durch die Finanzprokuratur vertreten, das ist sozusagen der Anwalt der Republik. Der Staat zählt in diesem Fall nämlich zu den größten Gläubigern, und damit auch die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Das Geld der Steuer­zahlerinnen und Steuerzahler wird in Österreich geschützt, darauf werden wir auf rechtlicher Ebene sorgen. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Abg. Leicht­fried: Ihr seid die Letzten, die das tun!)

Für diesen Schutz sorgen wir nicht nur, was das Sanierungsverfahren betrifft, sondern auch, was die steuerrechtlichen Auswirkungen und die finanziel­len Hilfen in Zeiten der Coronapandemie betrifft. Die Insolvenz ist
der Startschuss für umfangreiche Prüfungen in allen Bereichen, und ich kann Ihnen versichern, dass die Bundesregierung, allen voran unser Finanzmi­nister und unser Wirtschaftsminister, alle Hebel in Bewegung setzt, um sowohl für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als auch für die Steuerzahlerinnen
und Steuerzahler die bestmöglichen Lösungen zu finden. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Maurer.)

15.29


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Krainer. – Bitte sehr.



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15.29.15

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Herr Präsident! Zusammengefasst
hat die Jugendstaatssekretärin hier gesagt: Die Beschäftigen sollen zum AMS gehen und schauen, dass sie irgendwie einen neuen Job finden. – Das ist eigentlich die Zusammenfassung dessen, was wir gerade gehört haben. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Obernosterer: Hast du nicht zugehört? – Weitere Zwischen­rufe bei der ÖVP.)

Vor allem wissen wir ja nicht nur aus dem Korruptions-Untersuchungsausschuss, sondern auch schon aus dem Ibiza-Untersuchungsausschuss: Wenn der Eigentümer etwas wollte, nämlich Herr Benko, na, da wurde der rote Teppich ausgerollt! (Abg. Stocker: Der rote!)

Der hat sofort Termine gekriegt. Um den hat sich die ÖVP persönlich geküm­mert (Zwischenruf des Abg. Singer): der ÖVP-Generalsekretär im Finanzmi­nisterium, der stellvertretende ÖVP-Generalsekretär im Finanzministerium, der ÖVP-Minister, der ÖVP-Bundeskanzler. Wenn es um den Eigentümer ge­gangen ist, haben Sie sich persönlich darum gekümmert, dass der kriegt, was er will, dass er keine Steuern zahlt. Wenn es um die Beschäftigten geht, sagt
ihr: Die sollen auf das Arbeitsamt gehen. – Das ist die Art und Weise,
wie die ÖVP denkt und tickt. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf
der Abg. Pfurtscheller.)

Die Eigentümer sind Ihnen wichtig, der Milliardär ist Ihnen wichtig – die Be­schäftigten sind Ihnen doch egal, für die machen Sie nichts. Da gibt es
keine Arbeitsstiftung. (Zwischenruf des Abg. Zarits.) Oder kümmern Sie sich jetzt persönlich genauso mit VIP-Service um jeden einzelnen Mitarbeiter, um
jeden Lagerarbeiter, um jede Verkäuferin bei Leiner, wie Sie das für Herrn Benko gemacht haben? Machen Sie das jetzt? Es wäre an und für sich anständig,
wenn Sie das machen würden, nur, Sie tun es nicht! Wir wissen, Sie tun es nicht.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll219. Sitzung, 219. Sitzung des Nationalrats vom 14. Juni 2023 / Seite 276

Genauso wie Sie die Wirtschaftshilfen – Kollegin Herr hat das vollkommen richtig gesagt (Abg. Michael Hammer: Genossin Herr! Ihr seid ja alle Genos­sen!) – nur dafür ausgegeben haben, die Profite des Konzerns zu sichern, aber doch nicht die Arbeitsplätze. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Profite des Konzerns sind Ihnen wichtig, aber nicht die Menschen, die dort arbeiten. Das ist einfach das Bild der ÖVP, und dass der Bundeskanzler zu
dieser Debatte nicht hierherkommt, zeigt auch, dass ihm die Beschäftigten von Kika und Leiner egal sind, aber die Eigentümer sind ihm natürlich nicht egal,
für die Eigentümer gibt es immer den VIP-Service.

Es ist eigentlich beschämend, dass der Bundeskanzler nicht persönlich hier erscheint (Abg. Zarits: Es ist beschämend, was du aufführst!), wobei ich
das zu einem gewissen Grad verstehe, weil ja vor zwei Tagen etwas passiert ist, was auch wirklich erwähnenswert ist (Abg. Egger: Ja, der Babler ...), nämlich:
Wir wissen, dass seit eineinhalb Jahren in der Inseraten-Umfragen-Affäre unter anderem gegen die ÖVP ermittelt wird. Da gibt es auch einen ÖVP-Vorsit­zenden, der heißt Nehammer und ist gleichzeitig Bundeskanzler, und die Staats­anwaltschaft sagt: Ich brauche Beweismittel aus dem Bundeskanzleramt.
Und was macht der Bundeskanzler, der eigentlich Beschuldigtenvertreter ist – gleichzeitig –: Er verweigert und blockiert die Herausgabe von Beweismit­teln an die Staatsanwaltschaft, obwohl in der Zwischenzeit sogar ein Gericht gesagt hat, die Staatsanwaltschaft muss das bekommen und er muss es hergeben; und das seit neun Monaten! Seit neun Monaten blockiert Nehammer das Funktionieren unserer Justiz und unseres Rechtsstaats!

Das ist auch ein Skandal, wie Sie heute noch immer damit umgehen (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS), dass Sie nicht bereit sind, aufzu­hören und endlich die Korruption der ÖVP aufzuklären, sondern noch immer zudecken und blocken und nicht zugeben wollen, was Sie getan haben!
(Abg. Meinl-Reisinger: Stattdessen soll ein Zitierverbot kommen!)


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Was vor fünf Jahren passiert ist, ist Folgendes: FPÖ und ÖVP verkünden: Wir haben 5 000 Arbeitsplätze gerettet. Jetzt, fünf Jahre später, schauen wir
uns an, was passiert ist: 1 000 haben sofort ihren Job verloren. 2 000 sind jetzt gekündigt worden, und 2 000 zittern noch um ihren Job. Das heißt: Von
den 5 000 haben 3 000 bereits ihren Job verloren, und 2 000 zit­tern noch darum.

Der Eigentümer, der Gönner, der Freund der ÖVP, hat kolportierte 300 Millio­nen Euro Gewinn. Wir alle in Österreich, wir anderen, müssen jetzt für
ihn 100 Millionen Euro Schulden zahlen, und 3 000 Menschen stehen auf der Straße.

Das ist das Ergebnis der Politik! Ehrlich gesagt, wenn das Wirtschaftskompetenz ist, dass ein Privater 300 Millionen Euro Gewinn macht und wir als Öster­reicherinnen und Österreicher 100 Millionen Euro Schaden abzahlen müssen und 3 000 Menschen ihre Jobs verlieren – na, auf diese Wirtschaftskom­petenz können Sie wirklich stolz sein. – Vielen Dank. (Anhaltender Bei­fall bei der SPÖ.)

15.34


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Sto­cker. – Bitte. (Abg. Martin Graf: Der Androsch ...!)


15.34.15

Abgeordneter Dr. Christian Stocker (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geschätzte Staatssekretärinnen! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher, die Sie diese Sit­zung verfolgen! Vor allem aber: liebe Stamokapler von der SPÖ! (Oh-Rufe
bei der SPÖ.)
Das, was Sie hier abziehen, diese billige Show (Abg. Holzleitner: Eine Jobgarantie bezeichnen Sie also als solches!) in einer bedauerlichen - - (Abg. Holzleitner: Es geht um eine Jobgarantie für Beschäftigte, Herr Kollege! Arbeitslosigkeit! Eine Jobgarantie!) – ja, ich weiß schon, ja, der Chef-Stamokapler ist nicht im Haus. Er schickt die Stellvertreterinnen aus. (Zwischenrufe der


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Abgeordneten Heinisch-Hosek und Meinl-Reisinger.) Ich sage Ihnen eines: Diese billige Show, die Sie hier abziehen, hilft keinem einzigen Bediensteten,
der jetzt freigesetzt wird. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Holzleitner: Unfassbar!)

Was aber hilft, ist diese Bundesregierung, die sich bemüht, dass jene, die jetzt in einer schwierigen Situation möglicherweise vom Jobverlust bedroht sind (Zwischenruf des Abg. Kollross), möglichst nahe wieder einen Job finden. Gott sei Dank ist der Arbeitsmarkt so, dass man auch Zuversicht haben kann, dass
das gelingt. Das hilft – Ihre Show hilft nicht. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich sage Ihnen noch etwas – Sie haben es ja schon wieder getan, die SPÖ hat es wieder getan –: So, wie Sie Ihre Wahlergebnisse am Parteitag verwechseln
(Abg. Michael Hammer: Frisieren!), verwechseln Sie auch, welcher Kanz­ler hier sein sollte. Das ist nämlich nicht der Bundeskanzler, sondern es ist Ihr Altkanzler Gusenbauer, der sollte hier sein! (Beifall bei der ÖVP. – Rufe
bei der SPÖ: Geh bitte!)
 – Ja, und ich sage Ihnen auch, warum der hier sein sollte (Abg. Herr: Sehr peinlich! Das ist richtig peinlich!): Der ist nämlich auf der
Payroll von diesem bösen Kapitalisten Benko, den Sie hier so schelten, der im Übrigen an die ÖVP nie etwas gespendet hat, der kein Sponsor der ÖVP
ist. (Abg. Heinisch-Hosek: Wo ist Nehammer? – Abg. Krainer: Schelten tun wir die ÖVP, wenn Sie zuhören könnten!) Aber Ihr Altkanzler ist auf der Payroll.

Jetzt sage ich: Wenn man in diesem Unternehmen Einfluss hat (Zwischenruf des Abg. Kollross) – und den hat er, denn ich sage Ihnen, es gibt einen Beirat,
das ist das beratende Gremium für das Executive Board in der Gruppe (Abg. Hei­nisch-Hosek: Wo ist Nehammer?), da sitzt Ihr Altkanzler Gusenbauer drinnen. (Abg. Heinisch-Hosek: Wo ist Nehammer?) Und dann schauen wir uns an, da gibt es eine Menge - - (Abg. Kollross: ... Beschlussgremium, der Beirat?) – Na ja, vielleicht kennen Sie einen Aufsichtsrat besser als einen Beirat, denn es gibt da mehrere Unternehmen in dieser Gruppe. Signa Development Selection AG
zum Beispiel hat einen Aufsichtsratsvorsitzenden – wie heißt er? (Abg. Matznet­ter: Der Herr Anwalt kennt sich nicht aus mit der ...!) – Erraten: Gusenbauer.


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Es gibt eine Signa Prime Selection AG, auch die hat einen Aufsichtsratsvorsitzen­den. (Abg. Heinisch-Hosek: Wo ist Nehammer?) Wie heißt der? – Auch Gusen­bauer. (Abg. Michael Hammer: Das ist eine andere SPÖ!)

Und schau, eine RFR US Selection AG gibt es auch noch in der Gruppe von Benko. (Abg. Heinisch-Hosek: Wo ist Nehammer?) Und wie heißt dort
der Aufsichtsratsvorsitzende? – Wieder Gusenbauer. (Rufe bei der ÖVP: Hört, hört!) Vielleicht sollten Sie diesen einmal fragen, wie es zu diesen Ent­wicklungen gekommen ist. (Abg. Herr: Richtig peinlich!) Da könnte vielleicht eine Antwort kommen. (Beifall bei der ÖVP.)

Jetzt sage ich Ihnen: Als überzeugte Staatsmonopolkapitalisten (Abg. Holzleitner: Und wer sitzt im Finanzministerium für die Steuertricks? – Präsident Sobotka
gibt das Glockenzeichen)
sind Sie ja dafür, dass alle Produktionsmechanismen aus den Monopolen dem Staat übertragen werden, und Sie haben es ja eh pro­biert, als Sie die Möglichkeit hatten. Ich sage: verstaatlichte Industrie –
ein Milliardengrab. Wo war Ihre Jobgarantie (Zwischenruf des Abg. Matznetter) beim Konsum, einem Geldgrab der Sonderklasse? Wo war Ihre Jobgaran­tie bei der Bawag? Ja nicht einmal bei der Löwelstraße, als Sie Ihre Mitarbeiter freigesetzt haben, war da eine Jobgarantie! Das glaubt Ihnen doch kein
Mensch, was Sie hier erzählen! (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der Grünen und der NEOS.)

Das, was Sie hier an wirtschaftspolitischer Kompetenz in Ihrer Dringlichen An­frage bieten, kann man nur mit dem Wort Ahnungslosigkeit überschreiben. (Abg. Matznetter: ... Parteipolitik, Strategie ...! – Abg. Holzleitner: Ihre Wirtschafts­kompetenz haben Sie in der Cofag zeigen können! – Präsident Sobotka gibt
das Glockenzeichen.)
Ich sage Ihnen: Wenn die Bediensteten in dieser Situation auf Sie angewiesen wären, würden sie sich bedanken, denn Sie haben –
ich habe es Ihnen ja jetzt vorgelesen – noch keine Jobgarantie gegeben, und Sie werden auch keine geben können, denn eine Jobgarantie kann man nur
dann geben, wenn man halt den Marxismus zum Durchbruch bringen will: Alles gehört dem Staat, wir enteignen die Menschen, klassenlose Gesellschaft.


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(Abg. Herr: Das ist ja - - Ist Ihnen das nicht peinlich?! – Abg. Greiner: Zynisch ... Schä­men Sie sich! Schämen Sie sich!) Dort wollen Sie hin – dann können Sie eine Jobgarantie geben, aber Sie werden kein Geld mehr haben, um für diese Jobs die Löhne zahlen zu können! (Beifall bei der ÖVP.)

Wenn es um die Interessen der Republik geht, um die Interessen der Steuerzah­ler (Zwischenruf des Abg. Krainer), dann, sage ich Ihnen, fühle ich mich woh­ler, wenn diese bei der Finanzprokuratur aufgehoben sind, bei Präsi­dent Peschorn, als bei Ihnen. (Abg. Meinl-Reisinger: Na Gott sei Dank! – Abg. Matznetter: ...zynismus ist besser als Stocker-Zynismus!)

Zuletzt zum Insolvenzrecht: Ja, da bin ich gespannt, wie Sie es ändern. Denn: sich hierherzustellen und zu sagen, das darf alles nicht passieren - - (Abg. Greiner: Holen Sie die Millionen zurück, die da unverschämterweise hineingegangen sind!) Wenn ich mir ansehe, was Ihr Ansinnen ist: Die Bereicherung Einzelner
auf Kosten der Allgemeinheit muss verhindert werden (Abg. Herr: Wäre ein An­fang!) – ja, da komme ich zum Anfang meiner Rede –, muss ich sagen:
Reden Sie mit Ihrem Altkanzler und fragen Sie ihn, was er zur Bereicherung zu sagen hat! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Holzleitner: Wir sind das Parlament,
wir können ...!)

15.39


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Hafenecker. – Bitte. (Abg. Michael Hammer: Die erste Dringliche ist in die Hose gegangen! – Zwischenruf des Abg. Zarits. – Abg. Lopatka: Schuss ins Knie! –
Abg. Herr: Das hat den Beschäftigten jetzt sicher geholfen! – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen. – Zwischenruf des Abg. Matznetter. – Ruf bei der ÖVP:
Das war keine gute Idee heute! – Weitere Zwischenrufe. – Präsident Sobotka gibt neuerlich das Glockenzeichen.)

Abgeordneter Hafenecker ist am Wort.



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15.39.54

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Werte Gäste! Ich möchte eingangs meiner Rede ganz herzlich die FPÖ-Bezirksgruppe Gmunden-Salzkammergut hier im Haus begrüßen. Herzlich will­kommen! (Allgemeiner Beifall.)

Weiters begrüßen möchte ich auch Genossen Babler, der diese Sitzung sicherlich vor dem Fernseher mitverfolgt und auch dieser Debatte zumindest über
seine Stellvertreter beiwohnt. (Heiterkeit bei FPÖ und ÖVP. – Zwischenruf bei der SPÖ.) In diesem Zusammenhang muss ich auch eines sagen, werte Kollegen
von der SPÖ: Sie haben zwar sehr viel thematisiert, aber eigentlich gar keine Lö­sungen gebracht, und da läuft es mir kalt über den Rücken (Abg. Holzleitner:
Das ist aber schon ein Antrag! Haben Sie den Beschluss eigentlich gelesen, Herr Kolle­ge? – weitere Zwischenrufe bei der SPÖ),
denn was wäre der Ansatz eines Marxisten, wie es Herr Babler ist? – Der würde alles verstaatlichen; und Kollege Stocker hat gerade gesagt, was dabei rauskommt, wenn die SPÖ verstaat­licht. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Schauen Sie, weil Sie von der SPÖ hier gerade alle so hysterisch durcheinander­rufen: Kommen wir einmal vom Jammern ins Tun! (Abg. Holzleitner: Deswe­gen haben wir ja auch einen Antrag gestellt, Herr Kollege! Sie sind lange genug im Parlament, dass Sie wissen, was ein Antrag ist!) Ich mache mit Ihnen den Lackmustest. Ich werde Kollegen Kucher meine Visitkarte geben, die geben Sie dann bitte Ihrem Genossen Parteivorsitzenden – und ich schlage der SPÖ
hier und jetzt vor: Machen wir doch gemeinsam einen Untersuchungsausschuss zu dieser Sache! Da können Sie einmal zeigen, wie Sie handeln, was Sie
tun! Eines noch: Wenn ich Kollegen Kucher dann die Karte gebe, sagen Sie bitte Kollegen Babler auch, dass ich garantiert abhebe und nicht so bin wie Herr Doskozil. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Kollege Stocker hat es aber bereits gesagt (Ruf bei der SPÖ: ... Kickl ...!): Man darf einen zentralen Herrn in dieser ganzen Geschichte nicht vergessen, das
ist Herr Gusenbauer. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Danke, dass ich mir jetzt die Zeit


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spare, detailliert darauf einzugehen – aber der hat schon eine Rolle ge­spielt. (Ruf bei der SPÖ: Aber den Strache ...!) Ich weiß nicht, haben Sie den geistig schon weggelegt oder hat man den vergessen? Er war übrigens auch ein­mal so eine Art Marxist. (Zwischenruf des Abg. Wöginger.) Da sieht
man, was schlussendlich rauskommt: Das sind dann die Turbokapitalisten, auch das ist interessant. (Ruf bei der SPÖ: ... vergessen, wer Strache ist?)

Und vielleicht noch eine Erinnerungs- und Gedächtnisstütze: Wissen Sie, wer ein Superspezi von Herrn Benko ist? – Der Wiener Teuerungsbürgermeister
Ludwig. Da gibt es haufenweise Fotos, auch darüber sollte man einmal nachden­ken. Wir helfen gerne aus, wenn es Gedächtnislücken gibt.

Eine Fraktion hier im Haus möchte ich allerdings auch nicht aus der Ziehung las­sen, und zwar sind das die NEOS – die wissen schon, was jetzt kommt –:
Es gibt einen gewissen Hans Peter Haselsteiner, der ist an der Signa-Gruppe mit 15 Prozent beteiligt, somit auch an der ganzen Rendite, die jetzt gerade
gemacht worden ist. Wissen Sie, was? – Er hat kürzlich seine Anteile von 10 auf 15 Prozent erhöht. Vielleicht gibt es dann künftig wieder ein paar Spen­den für die NEOS. Ich bin schon gespannt, wie Sie das dann rechtfertigen wer­den (Zwischenruf des Abg. Scherak), aber die NEOS sind da auch mittendrin
statt nur dabei. Das muss man auch ganz klar herausarbeiten. (Beifall
bei der FPÖ.)

Jetzt müssen wir uns aber natürlich der eigentlichen Partei zuwenden, von der dieses Übel grundsätzlich herkommt: Das ist die ÖVP (Rufe bei der ÖVP:
Oh!),
ehemals türkise Gruppe (Abg. Zarits: ... gut angefangen!), und die türkise Buberlpartie, nicht? Das war doch die Freundschaftsgruppe, die es ganz,
ganz eng mit Herrn Benko gehalten hat. Da hat es im Finanzministerium einen Generalsekretär Schmid gegeben, den dazugehörigen Minister unter
Herrn Schmid, Herrn Löger, und dann auch noch einen gewissen Sebastian Kurz. Die sind alle in einem regen Austausch miteinander gestanden
(Abg. Wöginger: Staatssekretär haben wir auch gehabt!), da ist gechattet worden.


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Übrigens, Kollege Wöginger, weil Sie gerade reinrufen: Wissen Sie, was
am Tag der Übernahme in Ihrer Partei da herumgechattet worden ist? – Das war interessant: Ihre ÖVP-Lobbyistin, Frau Spiegelfeld, schreibt an Herrn
Schmid: „Zu wem halten wir???“ Schmid schreibt dann zurück: „Wir sind für Rene Benko. Denke“, das „ist mit HBK“ – Herrn Bundeskanzler – „abgestimmt.“
Nun stelle ich mir die erste Frage: Warum muss man einen privatwirtschaftlichen Deal mit dem Herrn Bundeskanzler abstimmen? (Zwischenruf bei der SPÖ.)
Das ist ja eine Frage, die man sich grundsätzlich stellt – und warum macht man sich im Finanzministerium überhaupt Gedanken darüber?

Wissen Sie, was noch war? – Es hat einen gegnerischen Anbieter gegeben, das ist übrigens der nunmehrige Käufer von Kika/Leiner, ein gewisser Herr
Frank Albert. Wissen Sie, was das Finanzministerium mit dem gemacht hat? – Dem hat man gesagt, wenn er sich aus dem Deal nicht zurückzieht, dann
kriegt er das Ehrenzeichen der Republik nicht. Da gibt es noch einen tollen Chat, aus dem schlussendlich hervorgeht, dass ihm Herr Löger persönlich, nach­dem alles so gelaufen ist, wie sie das wollten, das Große Goldene Ehrenzeichen der Republik überreicht hat. Das wäre übrigens ein Anlassfall für das neue Gesetz von Frau Ministerin Edtstadler. Ich glaube, das wäre etwas,
was wir gleich aberkennen könnten. Da können Sie gleich bei sich selbst begin­nen. (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ.)

Nun zur Chronologie, was bisher geschah: 2017/2018 hat Herr Benko um 430 Millionen Euro die Kika/Leiner-Gruppe gekauft. Wir kennen den Gesamtdeal, da war ja auch der Flagshipstore auf der Mariahilfer Straße dabei. Da haben Sie, wie schon erwähnt worden ist, zwischen Weihnachten und Silvester noch schnell ein Gericht aufgesperrt, damit Sie Ihre serviceorientierte Verwaltung da durchsetzen konnten und Herr Benko zum Schluss einen
Schnitt von 60 Millionen Euro gemacht hat. Sie haben ihm da also schon einmal sehr weit die Türe aufgehalten.

Was ist weiter passiert? – Man hat dann gesagt: Ja, das ist jetzt die österreichi­sche Lösung, wir retten da die Jobs und so weiter. Wissen Sie, was der


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erste Akt in diesem Drama war? – René Benko hat gleich jeden fünften Arbeits­platz gestrichen. – So schauen Ihre Jobrettungen aus! Danach ist es übri­gens zu einer Abstoßung eines Teils des Unternehmens gekommen. Man hat das Osteuropageschäft ausgegliedert. Da hat die Kasse ordentlich geklingelt: 200 Millionen in der Kassa von Herrn Benko.

Was war der nächste Akt? – Man hat das Unternehmen dann gesplittet,
und zwar hat man dann auf der einen Seite den Kika/Leiner-Geschäftsbereich und auf der anderen Seite den Kika/Leiner-Immobilienbereich gehabt. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Da hat es eine sehr, sehr interessante Konstruktion gegeben – da sieht man nämlich wieder, wie Heuschrecken wie Herr
Benko dann agieren –, da hat nämlich die Kika-Handelssparte der Immobilien­sparte überteuerte Mieten bezahlen müssen, somit hat man das Handels­geschäft ausgesaugt. Das machen Ihre noblen Freunde, bei denen Sie gerne auf der Jacht spazieren gehen und so weiter. So agieren die dort!

Wissen Sie, was der dritte Akt dieses Finanzkrimis war? – Der dritte Akt war, dass man dann die Cashcow, nämlich den Immobilienteil, verkauft hat;
und da sind dann wieder 200 Millionen Euro in die Tasche von Herrn Benko geflossen. Gekauft hat ihn übrigens der, der schlussendlich den Orden von Ihnen bekommen hat – also da gibt es schon immer viele alte Bekannte. (Heiterkeit
der Abgeordneten Belakowitsch und Kickl.)

Die Handelssparte hat man dann um 3 Euro einem anderen, Thomas Wieser, verkauft. Auch das ist interessant, und der Funfact dabei ist, dass der
aus der Ecke des Möbelhauses Lutz kommt. Da sind wir wieder bei Herrn Schel­ling, den kennen Sie vielleicht auch noch. Wissen Sie, was Herr Wieser mit
den Kika/Leiner-Geschäften als Erstes gemacht hat? – Überall dort, wo es einen Lutz-Standort gab, kam die Kika/Leiner-Filiale auf die Liste zur soforti­gen Schließung. Ich kann mir heute noch vorstellen, wie in der Lutz-Zentrale die Sektkorken geknallt haben. Das Ganze um 3 Euro – das müssen Sie einmal schaffen! (Beifall bei der FPÖ.)


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Unter dem Strich hat Herr Benko mit dieser ganzen Konstruktion 300 Millionen Euro Gewinn gemacht, meine sehr geehrten Damen und Herren – 300 Mil­lionen Euro! Gleichzeitig hat er um eine Steuerstundung um 150 Millionen Euro angesucht. Da kommen wir der Sache dann schon näher. – Ich höre jetzt übrigens ein ganz lautes Schweigen bei der ÖVP. (Zwischenruf der Abg. Scharzen­berger.) Ich weiß, warum Sie schweigen. Wissen Sie, warum? – Weil Sie
sich diese Steuerstundung nicht einmal irgendwie besichern haben lassen. Das heißt, wir können gar nicht darauf zugreifen. Das haben Sie gemacht.
Herr Blümel hat freihändig diese 150 Millionen Euro bereitgestellt. Ihr Finanzmi­nister, der Tennisminister, sagt bis heute nichts. Der Einzige, der den Mut
gehabt hat, dazu einmal in der Öffentlichkeit etwas zu sagen, ist der Finanzpro­kurator Herr Peschorn.

150 Millionen Euro Steuergeld! Überlegen Sie einmal, was man damit alles für die Pflegekräfte, die Coronaentschädigungen und so weiter machen
könnte! Es gäbe viel, viel bessere Zwecke, als das in die Taschen von Herrn Benko wandern zu lassen.

Jetzt, meine sehr geehrten Damen und Herren, wird es aus meiner Sicht wirklich kriminell. (Ruf bei den Grünen: Kriminell?!) Man muss sich nämlich überlegen, warum Herr Benko hergeht und plötzlich dieses Unternehmen abstößt – und zwei Wochen später schickt man es in die Insolvenz! Es gibt doch noch
ein paar Wirtschaftstreibende in der ÖVP: Nun erklären Sie mir einmal, ob Sie ein Unternehmen dieser Größenordnung innerhalb von zwei Wochen
in die Insolvenz schicken können, ob sich das ausgeht! Ich sage Ihnen: Es geht sich nicht aus! Das wird Ihnen jeder Anwalt – vielleicht auch Herr Sto­cker – bestätigen. Das funktioniert so nicht. Das heißt im Umkehrschluss, die Sache muss von langer Hand geplant gewesen sein.

Ich sage Ihnen eines: Eh klar, Herr Benko hat das Unternehmen ausgesaugt, wie es Heuschrecken halt so machen, und dann wollte er es weglegen. Wa­rum? – Weil das Unternehmen schlussendlich überschuldet war. Das hat natür­lich auch auf die Bonität der Signa-Gruppe durchgeschlagen; und bevor


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Herr Benko für Refinanzierungen mehr Zinsen zahlt, schaut er, dass er es weiter­bringt – und da ist ihm das Schicksal der vielen Menschen, die da angestellt waren, vollkommen egal.

Das ist Ihre Sozialpolitik – und dafür muss ich Sie auch verurteilen, meine Damen und Herren von der ÖVP! (Beifall bei der FPÖ.)

Jetzt stelle ich mir schon die Frage – es gibt ein paar so Begriffe, ich habe auch ein paar Semester Jus studieren dürfen –: Was ist mit Insolvenzverschlep­pung? Ist das nicht ein Straftatbestand, meine sehr geehrten Damen
und Herren? Was ist mit einer Ungleichbehandlung von Gläubigern, zu denen auch der österreichische Steuerzahler gehört, meine Damen und Herren
von der ÖVP? Wie schaut es da aus? Lautes Schweigen aus Ihren Reihen – aber im Prinzip ist genau das die Vorgehensweise Ihrer Freunde, mit denen Ihre türkise Buberlpartie zusammengearbeitet hat. Es war eine knallharte kontrollier­te Kindesweglegung, die da passiert ist – und Sie haben Herrn Benko die
Mauer dafür gemacht.

Ich erinnere noch einmal: Herr Benko hat 300 Millionen Euro Gewinn gemacht, 150 Millionen Euro schuldet er jetzt dem Steuerzahler! Meine sehr geehr­ten Damen und Herren, in diesem Zusammenhang muss ich schon auch die Fra­ge stellen: Was macht die WKStA eigentlich beruflich? Wir weisen seit Jahren auf diesen Skandal hin, aber die WKStA hat da bis jetzt noch nicht mit der Wimper gezuckt. Ich hoffe, dass da demnächst etwas in Gang kommt. Ich
hoffe doch nicht, dass die weisungsbefugte Justizministerin da zugunsten der ÖVP irgendetwas aufgehalten hat. Auch das sollte man einmal ganz klar aussprechen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich sage Ihnen eines: Ich bin es wirklich leid, alle paar Wochen hier draußen stehen zu müssen und den Bürgern
aufs Neue erklären zu müssen, wie der Steuerzahler von der ÖVP ausgebeutet und schlussendlich um sein Geld gebracht worden ist. (Ruf bei der ÖVP:


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Was?) Sie können es nicht, Sie sind hochgradig korrupt. Tragen Sie die Verant­wortung dafür! Treten Sie zurück, meine sehr geehrten Damen und Her­ren! Das geht sehr schnell, das können Sie noch heute tun. (Beifall bei der FPÖ.)

15.49

15.49.41*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Für den Ausdruck „hochgradig korrupt“ erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf.

*****

Zu Wort gelangt Abgeordnete Tomaselli. – Bitte. (Ruf bei der ÖVP: Bitte! – Abg. Wurm: Gute Rede!)


15.49.49

Abgeordnete Mag. Nina Tomaselli (Grüne): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! (Abg. Kucher: Aber kein Wort zum kleinen Mann ...!) Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Wieso müssen wir heute überhaupt hier stehen? – Wir diskutieren heute ein Geschäftskonzept eines Mannes, der in den
letzten Jahren einen fast kometenhaften Aufstieg vollzogen hat. Viele von Ihnen haben ihn auch als Wunderkind der Immobilienbranche bezeichnet, und
nein – auch wenn es den einen oder anderen nun wundert, was gera­de passiert –, bei René Benko ging es nie um seriöse, langfristige Investments. Das Geschäftskonzept von René Benko beruht einzig und allein auf Fremdfinanzierung, auf Buchungsgewinnen und aggressiver Expansion. Benko beherrscht vor allem eines: Er baut aus Luftschlössern Paläste. (Beifall bei
den Grünen. – Abg. Hörl: Sehr erfolgreich!)

Es mag Sie wundern: So ein Geschäftsmann tut jetzt einfach, was so ein Geschäftsmann tut. Er kommt, er räumt aus, zieht weiter und hinterlässt eine Sauerei. Das macht mich einfach nur betroffen, wenn ich an das Schicksal
der betroffenen verbliebenen 2 000 Mitarbeitenden denke; und weil man von den Menschen, die so eine Ellenbogentechnik in ihrem Geschäftsleben


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anwenden, keine soziale Verantwortung erwarten kann, ist es, meine sehr geehr­ten Damen und Herren, die politische Pflicht, dass man diese Menschen zu sozialer Verantwortung verpflichtet. Genau das ist eine Millionärssteuer. (Beifall bei den Grünen sowie Beifall und Bravorufe bei der SPÖ.)

Die Benkos dieser Welt verlassen sich gerne auf den Staat, wenn es etwas zu holen gibt. Kika/Leiner, die Signa-Gruppe insgesamt: Sie alle haben sich
kräftig an den Covid-Hilfen bedient, kräftig zugelangt. Jetzt hat man die größte Pleite in den letzten zehn Jahren hingelegt, und die Zeche sollen die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler zahlen, obwohl wir aus zahlreichen Verfah­ren und aus zahlreichen Untersuchungsausschussakten mittlerweile wis­sen, dass René Benko gelinde gesagt gar keinen Bock hat, Steuern zu zahlen, und dabei auch noch kräftig vom türkisen Finanzministerium unterstützt worden ist.

Ich sage es Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Herren, das ärgert mich mas­siv, denn Solidarität kann keine Einbahnstraße sein. Wir müssen die ehrli­chen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler vor solchen rücksichtlos spekulieren­den Draufgängern beschützen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeord­neten der SPÖ.)

Mancher fragt sich jetzt vielleicht zu Hause: Hm, ist diese Insolvenz so kurz nach dem Verkauf von Kika/Leiner ein Zufall? – Nein, selbstverständlich nicht!
Ich traue mich sogar zu sagen, das ist Teil des Geschäftskonzeptes von René Benko. Benko, der Kaufhausjongleur, hat das Ganze auch schon in Deutschland abgezogen. Dort wurde auch Galeria Kaufhof unter seiner Führung zum Sanierungsfall. Gläubiger haben auf zig Schulden verzichtet, zahlreiche Standorte sind geschlossen worden, viele Mitarbeiter sind gekündigt worden und das Ganze ist noch mit 700 Millionen Euro an Staatshilfen versüßt worden.

Es ist überall in Europa das Gleiche: Er kauft Kaufhäuser, von denen jeder sich denkt: Hm, das kann doch eigentlich jetzt, mit der Konkurrenz im Online­handel, gar nicht mehr so ein lohnendes Geschäft sein! – Dann werden Förde­rungen kassiert, die Arbeitsplätze – und das halte ich für besonders ver­werflich – werden von den Kaufhausketten als politisches Pfand verwendet und


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dann wird filetiert: Die gute Immobilie wird von dem schlechten Handelsge­schäft getrennt. Dann wird abgestoßen. – Kaufen, auszuzeln, links liegen lassen, und jedes einzelne Mal bleiben die Mitarbeitenden und Steuerzahlenden
auf der Strecke. Damit muss endlich Schluss sein. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Etwas, meine sehr geehrten Damen und Herren, glaube ich noch nicht ganz: Die Signa hat ja gesagt, der Kika/Leiner-Deal sei ein gutes Geschäft gewesen.
Das kann man im Übrigen so ungefragt wahrscheinlich gar nicht übernehmen. Fakt ist jedenfalls, dass sich die schlechten Nachrichten rund um die
Signa-Zentralen häufen. Hier und dort wird verkauft. Man fragt sich: Ist das alles freiwillig? Es werden – so wird berichtet – sogar in den Vereinigten Arabi­schen Emiraten Verkaufsangebote gelegt. (Zwischenruf des Abg. Hafen­ecker.Sogar bei Kika/Leiner wurden im Übrigen noch letzten November – Ach­tung! – vier Häuser um 54 Millionen Euro abgestoßen – wie es gerüchte­weise heißt auf Druck des größten Kreditgebers von Kika/Leiner, der Raiffeisen.

Wundern tut mich das keinesfalls, denn Benko ist ja während einer Niedrig­zinsphase, während einer Phase, in der die Immobilienpreise immer und immer angestiegen sind, groß geworden. Die Banken, seine Investoren, sie alle
haben einige Jahr sehr, sehr gut verdient, und das hat sich ja jetzt alles schlag­artig geändert. (Abg. Wurm: Nina, da habt ihr ja mit Schuld von den Grünen,
Nina ...!)
Es gibt keine niedrigen Zinsen mehr und die Immobilienpreise stagnie­ren. Im Übrigen: Den Aufsichtsbehörden der Finanz ist diese Aufwerterei
der Bilanz ein besonders großer Dorn im Auge. Es läuft – das kann man schon festhalten – alles nicht mehr so super rund für René Benko.

Außerdem haben wir auch frühzeitig per parlamentarischer Anfrage auf die Ge­fahren, die von so einem Milliardenunternehmen für den Finanzplatz Öster­reich ausgehen, hingewiesen, und wir haben auch auf die toxische Be­ziehung zwischen Raiffeisen und Signa hingewiesen. Leider haben wir da auch nur lapidare Antworten bekommen. Die Lage aber ist ernst. Wir haben be­reits im Frühling im Grundbuch recherchiert und gesehen, dass allein


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im Zusammenhang mit Kika/Leiner 300 Millionen Euro an Pfandurkunden im Grundbuch für die Raiffeisenbanken eingetragen sind. Die Rolle der Raiff­eisen als große Gläubigerin wird noch genauer zu beleuchten sein.

Abschließend ist noch Folgendes festzuhalten: Ob jemand und wer die politische Verantwortung für dieses Desaster, für diese 2 000 betroffenen Mitarbeiter trägt, wird jedenfalls noch zu klären sein. Was mir aber heute schon wichtig ist, zu betonen, ist, dass Sie alle von den großen Parteien sich wirklich den Vor­wurf gefallen lassen müssen: Sie sind dem angeblichen Milliardär aus Innsbruck auf den Leim gegangen. Nur allzu gern haben Sie sich mit ihm ablichten
lassen. (Abg. Kickl: Nicht ein Mal!) – Ja, Herr Kickl schüttelt den Kopf, aber es war die FPÖ, die René Benko auf der Jacht in Ibiza besucht hat. (Abg. Kickl – erheitert –: In hundert Jahren nicht! – Abg. Wurm: Vorher ... vorher!) –Ja, es ist einfach so: Liebe Großparteien, Sie haben sich vom Blender blenden lassen. (Abg. Kickl: Das Foto zeigen S’ mir jetzt!)

Aus aktuellem Anlass, aber nicht nur wegen dieses Anlasses, ist mir noch wichtig, Folgendes festzuhalten: Ich sage Ihnen schon, die Politik kann nicht weiter zuschauen, wenn Einzelne auf Kosten der Allgemeinheit mit Immobilien herum­spekulieren, während die Wohnkosten in die Höhe schießen.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, es ist unsere verdammte Pflicht,
nicht einfach zuzuschauen. Deshalb machen wir am besten aus all diesen egoisti­schen Immobilienhaien Fischstäble! Also, liebe Kolleginnen und Kollegen, machen wir aus den Immobilienhaien Fischstäble! – Danke. (Heiterkeit und Bei­fall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenruf des
Abg. Reifenberger.)

15.57


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Dop­pelbauer. – Bitte.



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15.58.10

Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Herr Präsident! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Ich möchte damit anfangen, dass ich ein wenig darauf eingehen möchte, was hier gerade auch schon gesagt worden ist:

Kollege Stocker von der ÖVP sagt: Die SPÖ verbreitet hier „eine billige Show“! – Jetzt kann man schon sagen, man muss nicht allem zustimmen, was in die­sem Antrag drinnen ist – aber, Herr Kollege Stocker, „eine billige Show“? Eine „billige Show“? – Das ist schon das, was Sie in den letzten paar Jahren mit
Ihrer Wirtschaftspolitik gemacht haben. (Beifall bei NEOS und SPÖ.)

Dann möchte ich auch auf die Grünen eingehen, weil die Grünen genauso dabei waren. Hier jetzt vollkommene Transparenz einzufordern ist auch ein we­nig lächerlich, wenn Sie sich die letzten paar Jahre anschauen, was während der Pandemie passiert ist, denn Sie beide haben etwas beschlossen, das sich
Cofag nennt. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Schwarz: Das sind die Steuerstundun­gen ...!) Sie haben einen rechtlichen Rahmen für Freunderlwirtschaft und Korruption gebaut, und das, meine Damen und Herren, fällt Ihnen jetzt auf den Kopf. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Wurm: Genau!)

Das eine muss ich auch sagen: Ihnen fällt das auf den Kopf, aber was viel schwerwiegender ist, ist eigentlich das, was noch passiert ist. (Zwischenruf des Abg. Ottenschläger.) – Ja, Herr Ottenschläger, ich würde mich auch melden, wenn ich im Beirat der Cofag gesessen wäre, ganz im Ernst. (Abg. Ottenschläger: Das ist ja tiefstes Niveau! – Zwischenruf des Abg. Stocker.) Die Steuerzahlerin­nen und Steuerzahler haben die Cofag, haben all die Wirtschaftshilfen mitfinan­ziert. (Ruf bei der ÖVP: Das hat nichts mit der Cofag zu tun!) Die Mitarbei­ter:innen von Kika und Leiner, die jetzt auf der Straße stehen, haben das mit ihren Steuergeldern mitfinanziert. (Beifall bei den NEOS. – Zwischenruf
des Abg. Schwarz.)


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Das ist die Wirtschaftskompetenz der ÖVP? Leistung muss sich wieder auszah­len? – Na super, vielen Dank dafür.

Ich muss es wirklich sagen, meine Damen und Herren: Was hier passiert ist,
ist ein weiteres Beispiel dieser slimfitten Wirtschaftspolitik des ehema­ligen Kanzlers Kurz. (Abg. Stocker: Jetzt verstehe ich die Ampel! – Weitere Zwi­schenrufe bei der ÖVP.) Da kommen jetzt viele, viele Dinge zum Vor­schein. Fangen wir einmal an, erzählen wir doch einmal die Geschichte!

Was ist denn passiert? – 2018 mussten die Ämter übers Wochenende aufsper­ren, damit der weiße Ritter Benko, ein Freund aus der türkisen Clique, wie
wir vielleicht alle wissen, also damit es hier eine österreichische Lösung gibt und damit die Mitarbeiter weiter einen Job haben. Alles gut. Es ist aber auch um etwas anderes gegangen. Es ist auch um sehr viel Geld gegangen, und das sehen wir heute natürlich auch.

2019 – ein ganz, ganz wichtiger Zeitpunkt – hat es schon erste wirtschaftliche Schwierigkeiten gegeben, wie wir hören. Da gab es schon Stundungen
von Zahlungen ans Finanzamt. Stundungen! Probieren Sie einmal als normales Unternehmen, bei den Steuerschulden eine Stundung zu bekommen! Wis­sen Sie, wie schwierig das ist? Für Benko aber war es kein Problem,
ist so gemacht worden, nicht?

Dann kam die Pandemie. Was ist 2021 passiert? – 9 Millionen Euro an Steuer­geldern wurden Kika/Leiner gegeben, und das obwohl es so etwas wie Unternehmen in Schwierigkeiten gibt. Was heißt das denn? – Ein Unternehmen, das in wirtschaftlichen Schwierigkeiten ist und schon vor der Pandemie
war, sollte eigentlich über die Blackbox Cofag keine Gelder ausbezahlt bekom­men. Das ist nicht vorgesehen, steht so in den Bestimmungen drinnen. 9 Millionen Euro sind aber ausgezahlt worden. Wie ist das also abgelaufen? – Es wird jemand einen Antrag dazu gestellt haben. Ich nehme einmal an, es
wurde ein Antrag gestellt, um Wirtschaftshilfen abzuholen.


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Dann hat aber die Cofag die schöne Möglichkeit gehabt – das wurde uns ja immer so kommuniziert –, ein Gutachten beim Finanzministerium anzufordern, um nämlich genau das festzustellen: Gibt es hier vielleicht finanzielle Schwierigkei­ten? Ist das ein gesundes Unternehmen? Da frage ich mich: Ist das pas­siert? Hat die Cofag ein entsprechendes Gutachten angefordert? Wurde das Finanzministerium befragt? (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten
der SP
Ö. – Abg. Wurm: ... die Grünen beantworten!) Oder hat man das einfach vergessen? Kann ja sein, nicht? Ist vielleicht nicht passiert.

Wenn es passiert ist, was ist denn dann die Aussage aus dem Finanzministerium gewesen? Hat man da festgestellt, dass es Schwierigkeiten gibt, ja oder
nein? Oder hat man sich vielleicht entschieden – da Herr Finanzminister Blümel ja doch ein guter Freund von Herrn Kurz ist und Benko natürlich auch ein
sehr guter Freund von Herrn Kurz ist oder war, wie auch immer –, einen Persil­schein auszustellen? Ist das kontrolliert worden? Auch das wissen wir
nicht, meine Damen und Herren! Was wir wissen, ist, dass über die Blackbox Cofag sehr viel Steuergeld geflossen ist.

Dann geht das ganze Spiel weiter. Es wurden nicht nur diese Förderungen aus­gezahlt. Vor Kurzem erst hat man gehört: Herr Benko braucht Geld. Der Immobilienmarkt ist nicht mehr das, was er war, der wird ein wenig filetiert. Was ist bei der Leiner/Kika-Gruppe passiert? – Die schönen, teuren Immobilien
sind herausfiletiert, sprich gewinnbringend verkauft worden. Was ist mit dem Rest passiert? – Den Rest hat man an einen ehemaligen Manager der Kika/Leiner-Gruppe weitergegeben, der sicher nicht gewusst hat, wie es ums Unternehmen steht. Nein, das war wahrscheinlich nicht wichtig. Er hat
das übernommen, und – ups, so ein Zufall! – zwei Wochen später wird das Ganze in die Insolvenz geschickt. Das ist doch absurd, meine Damen und Herren! (Beifall bei NEOS und SPÖ.)

Wer bleibt denn darauf sitzen? – Damit soll die Republik, also der Steuerzahler und die Steuerzahlerin, die eh schon die ganze Zeit zur Kasse gebeten


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werden, auffangen, was der politische Wahnsinn war, der zuvor passiert ist. Das kann es nicht sein!

Deswegen haben wir viele Anfragen gestellt, aber ein paar Dinge interessieren uns ganz besonders: Wer war da aller involviert? Hat die Cofag überhaupt das BMF gefragt oder sich den Fördersegen einfach direkt mit Benko
und Co ausgemacht? Diese Frage ist zu stellen und zu klären. Welche Rolle haben Finanzminister Blümel und sein Kabinett in diesem ganzen
Konstrukt gespielt? Wurde hier für den Freund Benko interveniert, ja oder nein? Und was haben denn die Gutachten vom Finanzministerium ausgesagt?
Ist da etwas drinnen gestanden? Gab es nach EU-Beihilfenrecht wirtschaftliche Schwierigkeiten? Hat die Cofag das ignoriert und trotzdem Gelder ausgezahlt?

Herr Kollege Ottenschläger, was haben Sie denn im Beirat so gemacht?
Alle Hilfen über 800 000 Euro sollten dann vom Beirat kontrolliert werden. Frau Götze von den Grünen, Sie sind drinnen gesessen, was haben Sie denn ge­macht? Haben Sie das angefragt? Haben Sie Dokumente dazu bekommen? Ha­ben Sie nachgefragt, ob das ein Unternehmen mit wirtschaftlichen Schwie­rigkeiten ist, wie es ja sogar in den Medien schon gestanden ist?
(Abg. Pfurtscheller: ... Beirat gegangen ist ...! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Da sind die politischen Verantwortlichkeiten aufzuklären, meine Damen
und Herren! (Beifall bei den NEOS.) Wie gesagt, wir NEOS werden uns dafür einsetzen. Die ersten Anfragen sind draußen, und wir werden da natür­lich dranbleiben. (Beifall bei den NEOS.)

16.04


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Kocher. – Bitte sehr.


16.04.56

Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft Mag. Dr. Martin Kocher: Sehr ge­ehrter Herr Präsident! Werte Abgeordnete! Hohes Haus! Sehr geehrte Staatssekretärinnen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Vor einigen Tagen


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wurde bekannt, wie die Lage um Kika/Leiner steht, und mittlerweile ist eine Insolvenz bekannt gegeben worden. Es gibt ein Sanierungsverfahren, und es sind, wie schon gesagt wurde, 23 der 40 Filialen und möglicherweise 2 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter betroffen. Ich kann dem laufenden Insolvenzverfahren natürlich nicht vorgreifen. Die Finanzprokuratur prüft sehr genau, und ich begrüße ausdrücklich, dass die Hintergründe dieser Insolvenz genau geprüft werden.

Was wir jetzt tun können, ist, die Hauptleidtragenden dieser Insolvenz so gut es geht zu unterstützen, und die Hauptleidtragenden sind die Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter, die in den nächsten Monaten ihren Job bei Kika/Leiner verlie­ren werden. Ich werde mich natürlich mit aller Kraft für diese Menschen einsetzen. Es ist eine Tragödie für viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die vielleicht jahre- oder jahrzehntelang bei diesem Unternehmen gearbeitet
haben. Die Familien sind betroffen.

Jetzt heißt es, gemeinsam mit dem AMS und den Sozialpartnern, und wir sind in laufenden Gesprächen, alles zu tun, damit für alle, die jetzt von einer Kündi­gung betroffen sind, neue Perspektiven aufgezeigt werden. Das ist kein einfacher Vorgang. Da geht es um regionale Angebote, da geht es darum, dass passende Jobangebote gefunden werden. Es ist aber nicht die erste größe­re Insolvenz mit vielen Betroffenen. Das AMS ist sehr gut darauf vorbereitet, und wir werden weiter sehr, sehr intensiv zusammenarbeiten, damit es,
wenn es so weit ist – ich komme gleich zu den Details dieser Prozesse –, mög­lichst rasche Übergänge geben kann.

Ich weiß, das löst nicht alle Probleme. Da geht es natürlich auch darum, dass man vielleicht etwas weiter pendeln muss, dass man nicht mehr im selben Team arbeiten kann, aber die Situation am Arbeitsmarkt ist, bei all der Tragik
dieser Entwicklung, glücklicherweise so, dass wir Lösungen anbieten können. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)


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Die Frau Staatssekretärin hat es schon gesagt: Wir haben im Handel österreich­weit knapp 20 000 gemeldete offene Stellen. Allein im Bereich des Textil­handels sind das fast so viele Menschen wie jene, die jetzt möglicherweise ihren Job bei Kika/Leiner verlieren. Es wird sehr wichtig sein, regionale Ange­bote zu finden. Das ist aber jetzt in dieser Phase, da es in vielen Ballungsräumen, wo diese Filialen auch verortet sind, sehr viele offene Stellen gibt, einfacher
als vielleicht zu anderen Zeiten.

Das AMS wird einerseits auf regionaler Ebene mit dem Unternehmen und auch mit anderen Unternehmen, die schon Angebote gemacht haben, einen mög­lichst guten Übergang zustande bringen. Es wird aber auch einen zentra­len Ansprechpartner auf der Ebene des Bundes geben, um hier eben so rasch wie möglich zu helfen und möglichst allen eine Chance zu geben, nämlich
auf einen neuen Job bei einem neuen Arbeitgeber beziehungsweise einer neuen Arbeitgeberin. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir stehen natürlich auch in engem Austausch mit dem Insolvenzentgeltfonds, und ich möchte betonen, dass sämtliche Ansprüche für die Lohnfortzah­lung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ganz klar gesichert sind. Es ist genug Geld im Insolvenzentgeltfonds. Wir sind vorbereitet auf solche Ereignisse.
So traurig und so dramatisch es ist – die Vorarbeit ist da, keiner der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verliert Ansprüche auf Unterstützung.

Was sind die nächsten Schritte? – Sobald das Unternehmen die Kündigungen an das AMS gemeldet hat, kommt das sogenannte Frühwarnsystem zum Tragen. Das passiert immer, wenn es eine größere Anzahl von Kündigungen gibt.
Erst dann kann natürlich konkret unterstützt werden. Das Ziel wird sein, dass noch während der Kündigungsfristen möglichst neue Angebote an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gemacht werden, sodass es keine Arbeitslosig­keit gibt und die Übergänge in gute neue Jobs so kurz und so rasch wie mög­lich sind. Dafür werde ich mich persönlich mit dem AMS einsetzen.
(Beifall bei der ÖVP.)


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Der Insolvenzentgeltfonds, den ich gerade erwähnt habe, ist einer der größeren Gläubiger, aber wir werden natürlich auch so viel wie möglich an Ansprü­chen gegenüber dem Käufer und dem Verkäufer geltend machen, da­mit der Schaden für den Steuerzahler und die Steuerzahlerin so gering wie mög­lich ist. Wir sind eng abgestimmt mit der Finanzprokuratur und den weite­ren Gläubigern, um genau das sicherzustellen.

Die Beschäftigten dürfen nicht die Leidtragenden sein, und Entgeltansprüche müssen gewahrt bleiben. Gemeinsam mit dem AMS werden wir alle He­bel in Bewegung setzen, damit das auch so ist, und die Finanzprokuratur wird auch alles tun, damit die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler und der Insolvenzentgeltfonds so schadlos wie möglich gehalten werden können – bei dieser Entwicklung, die wir alle nicht für gut befinden können, aber
jetzt geht es darum, den Menschen, die betroffen sind, so gut es geht zu helfen. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordne­ten Rössler und Schwarz.)

16.10


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Nuss­baum. – Bitte sehr, Frau Abgeordnete.


16.10.32

Abgeordnete Mag. Verena Nussbaum (SPÖ): Herr Präsident! Werte Anwesende auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Werte Zuseherinnen und Zuseher!
Ja, um Weihnachten 2017 wurde groß verkündet, dass René Benko mit der Sig­na Holding der Retter der Möbelkette Kika/Leiner ist und damit 5 000 Ar­beitsplätze in Österreich erhalten werden. Ein halbes Jahr später, im August 2018, wurde bekannt gegeben, 1 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verlieren ihren Arbeitsplatz – und jetzt, knapp fünf Jahre später, sind alle Arbeitsplätze gefährdet. Von einer Erhaltung der Arbeitsplätze merken wir jetzt gar nichts mehr. René Benko hat nur seine Immobilien gerettet und damit
sein Vermögen vermehrt.


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Die Existenz der Mitarbeiterinnen und der Mitarbeiter aber ist jetzt akut bedroht, denn es ist ungewiss, wie dieses Sanierungsverfahren ausgehen wird und wie viele Standorte – wenn überhaupt welche – in Zukunft weiter­geführt werden und wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter überhaupt die Chance bekommen werden, dort auch wieder weiterarbeiten zu können.

Was wichtig ist, sind natürlich die Schicksale all der Beschäftigten,
und das Perfide an dieser ganzen Situation ist nämlich Folgendes: Wir können davon ausgehen, dass dieser Coup der Gewinnmaximierung von langer
Hand geplant wurde, nämlich dadurch, dass die Immobilien und damit das wertgesicherte Vermögen um 400 Millionen Euro verkauft werden
und das operative Geschäft um symbolische 3 Euro verkauft wird – und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mussten aus den Medien von der
Insolvenz erfahren!

Daran sieht man schon einmal, wohin die Reise geht, und wir sehen das schon so, das ist für uns diese klassische ÖVP-Wirtschaftspolitik: Für die weni­gen Reichen werden hohe Gewinne auf Kosten der Arbeitnehmer:innen und auch der Steuerzahler:innen gemacht. Die ÖVP steht wieder einmal nur
auf der Seite der Konzerne. (Zwischenruf des Abg. Hörl.) Wir sehen das ja auch daran – ich möchte wieder daran erinnern –, was es für Geschenke gibt: Senkung der Körperschaftsteuer, Senkung der Beiträge für die Unfallversiche­rung, aber in den letzten Jahren auch immer wieder eine Senkung der Beiträge zum Insolvenzentgeltsicherungsfonds. – Nicht umsonst, Herr Minister, werden Sie jetzt erwähnt haben, dass genug Geld vorhanden ist.

Die Frage, die sich jetzt wahrscheinlich alle stellen: Was ist jetzt aus dieser Jobgarantie aus dem Jahre 2017 geworden? – Die hat sich einfach in
Luft aufgelöst. Die Sicherheiten für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wurden jetzt weder von der Frau Staatssekretärin noch vom Herrn Bundesminis­ter für Arbeit und Wirtschaft gegeben, denn: Was bringt ihnen das, dass man sagt, es gibt genug offene Stellen im Handel? – Warum werden da nicht
Pakete geschnürt? (Beifall bei der SPÖ.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll219. Sitzung, 219. Sitzung des Nationalrats vom 14. Juni 2023 / Seite 299

Wir werden jetzt genau darauf achten, welche Prioritäten gesetzt werden. Für uns ist wichtig, ob Sie wirklich alle arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen ausschöpfen und die Mitarbeiter:innen unterstützen, und ich muss jetzt schon noch einmal anmerken: Arbeitnehmer:innen sind keine Ware, auch
wenn sie im Handel arbeiten, und sind keine Schnäppchen! (Beifall bei der SPÖ.)

Der Handel ist ein ganz großer Bereich, und es gibt unterschiedliche Quali­fikationen. Es macht schon einen großen Unterschied, ob ich im Möbelhandel, zum Beispiel als Architektin in einer Küchenplanung, oder ob ich im Le­bensmittelhandel arbeite. Wir fordern daher auf jeden Fall finanzielle Absiche­rung für die betroffenen Mitarbeiter:innen (Abg. Hörl: Das passiert ja eh!) und auch, dass diese eine Zukunftsperspektive haben, nämlich dahin gehend, dass sie qualitativ gleichwertige und höherwertige Jobs anstreben kön­nen. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir sind der Meinung, dass dieser Deal penibel aufgearbeitet werden muss und nicht die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler gemeinsam mit den Arbeit­nehmer:innen die Verlierer sein dürfen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

16.14


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Scharzenberger. – Bitte.


16.14.54

Abgeordnete Mag. Corinna Scharzenberger (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus! Ja, Frau Kollegin Herr, was wir sehen, ist: Auch die neue SPÖ arbeitet mit Unterstellungen. Sie verexcelt in ihrer Dringlichen Anfrage Äpfel mit Birnen und erfindet letzthin ihre eigene Wahrheit, so, wie wir es von ihr auch schon gewöhnt sind. – Schauen wir uns gemeinsam einmal die Fakten an!

Ohne Zweifel ist die Situation für die Betroffenen eine Herausforderung. Ar­beitsminister Kocher hat unmittelbar alle Hebel in Bewegung gesetzt, insbesondere das AMS angehalten, alles zu tun, damit die Betroffenen die bestmögliche Unterstützung bekommen. (Abg. Keck: Das geht ja doch gar nicht ...!)


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Es wird ein zentraler Ansprechpartner auf Bundesebene installiert, der
die Vermittlung der betroffenen Personen unterstützt – und ja, Kollege Krainer und auch Kollegin Nussbaum, jeder einzelne Arbeitnehmer ist uns wichtig.
Man kümmert sich um individuelle Lösungen! (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Auch große Firmen wie dm, Post, Spar, Generali oder Bauhaus haben bereits In­teresse an einer Beschäftigung bekundet, und man muss eines schon in aller Deutlichkeit sagen: Es ist unserer Arbeitsmarktpolitik und letztlich auch Ihnen, Herr Bundesminister Kocher, zu verdanken, dass wir jetzt de facto Vollbeschäftigung haben (Beifall bei der ÖVP – Abg. Herr: „De facto“! „De facto“, ja! – Abg. Reifenberger: Das ist ja nur in Österreich, gell?), und ge­nau deswegen haben die Betroffenen auch Perspektiven.

Natürlich hat diese Insolvenz aber Auswirkungen auf den Staatshaushalt. Umso wichtiger ist es, dass die Finanzprokuratur als Anwalt der Republik die genauen Umstände und ebenso auch die Haftungsansprüche prüfen wird. Die rechtliche Prüfung dieses Falles ist im Insolvenzverfahren zu klären.
Dieses Insolvenzrecht hat sich über Jahre bewährt, und es bedarf keiner ge­setzlichen Anpassung, so wie Sie sich das zusammendichten.

Ich frage mich: Was hätte denn die SPÖ anders gemacht? Hättet ihr Kika/Leiner verstaatlicht? Und, Kollegin Herr, weil ich Sie gerade anschaue: Sie haben
vorhin von der Firmenübernahme 2018 gesprochen und – Sie sind selber im Un­tersuchungsausschuss gesessen – Sie wissen genau, wie das damals war. Es
war so, dass der Kaufvertrag letzthin abgeschlossen wurde, kurz bevor Kika/Leiner vor der Insolvenz stand. Wäre damals der Kaufpreis nicht schnell geflossen, hätten die Gehälter nicht weiterbezahlt werden können. Sie
können das im Protokoll des Untersuchungsausschusses nachlesen, wo das übrigens auch unter Wahrheitspflicht angegeben wurde.

Und ja, man muss Unternehmen natürlich auch die gesetzliche Möglichkeit geben, dass sie sich sanieren können – und Sie wissen auch, dass Unternehmen


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auch Steuern bezahlen und letzthin auch in den Insolvenzentgeltfonds einbezahlen. (Abg. Herr: Der René Benko halt offensichtlich nicht!) Unser oberstes Ziel, Frau Kollegin, muss es sein, Arbeitsplätze zu erhalten, und genau
deshalb gibt es auch Fangnetze wie das AMS und auch das Frühwarnsystem im AMS; und mit den Maßnahmen, die unsere Bundesregierung jetzt setzt,
helfen wir den Betroffenen. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP. – Ruf bei der SPÖ: Wer hat diese Rede geschrieben?)

Sie vermischen jetzt verschiedene Dinge. Sie zeichnen ein total verworrenes Bild der Lage, das den Tatsachen überhaupt nicht gerecht wird. Dadurch, dass
Sie ein Politikum aus dem Ganzen machen, verunsichern Sie unglaublich viele Menschen. (Ruf bei der SPÖ: Das tun Sie!) – Ihre Showeinlage hilft keinem einzelnen Betroffenen bei Kika/Leiner. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwi­schenruf des Abg. Schroll.)

Ihre alte Strategie aus dem Untersuchungsausschuss setzt sich auch jetzt im Plenum fort. Ihr oberstes Ziel ist keine Verbesserung der politischen
Lage in diesem Land (Abg. Herr: Wir haben drei Forderungen eingebracht!), sondern rein die Volkspartei in ein schlechtes Licht zu rücken. (Abg. Kollross: Nein,
das macht ihr eh selber! Dafür braucht ihr uns nicht! Das könnt ihr selber besser!)

Herr Kollege Kucher, ich darf Ihnen an dieser Stelle natürlich auch zu Ihrer neuen Funktion gratulieren, ich habe aber schon eine erste Anmerkung zu Ihrer ersten Amtshandlung als geschäftsführender Klubobmann: Benko hatte nie ei­nen einzigen Termin bei Bundeskanzler Nehammer. (Abg. Belakowitsch:
Ah so, da war er noch nicht Bundeskanzler!)
Ich darf aber schon daran erinnern, dass dafür Ihr Genosse Gusenbauer Mitglied des Beirats der Signa Hol­ding ist (Ah-Rufe und Aha-Rufe bei der ÖVP. – Rufe: Na so was! Wahrscheinlich braucht der gar keinen Termin! – Ruf bei der ÖVP: Rote Netzwerke!) und in
den jeweiligen Aufsichtsräten auch vorsitzt. Sie schaffen also genau das Gegen­teil von dem, was unser aller Ziel sein sollte, nämlich gemeinsam für dieses
Land zu arbeiten.


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Zum Schluss noch ein Appell: Heben Sie, liebe SPÖ, Ihre Blockadetrotzhaltung endlich auf! Kommen Sie Ihrer parlamentarischen Verantwortung (Ruf bei
der SPÖ: Ha, ha, ha!)
wieder redlich nach (Abg. Kollross: Ja, weil der Kanzler nicht kommt!), damit es auch für Sie bald wieder heißt: Die Richtung stimmt.
(Beifall bei der ÖVP. – Abg. Reifenberger: Fürs Protokoll: Kein Klatschen des grünen Koalitionspartners!)

16.19


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Wurm. – Bitte.


16.19.41

Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Werte Zuseher zu Hause! Werte Anwesende auf der ÖVP-Regierungsbank! Ja, natürlich diskutieren wir heute einen ÖVP-Skandal. (Heiterkeit bei Abgeordneten der ÖVP.) Also da brauchen wir, glaube ich, nicht lange nachzudenken.

Für die Zuschauer zu Hause: Sie brauchen es nur zu googeln. Geben Sie einmal Benko, Törggelen und High-Society-Event in Wien ein und schauen Sie die
Fotos durch! Da wird es ganz wenige ÖVP-Politiker geben, die nicht auf einem Foto sind – das ist also ganz offensichtlich. (Zwischenruf des Abg. Hörl.) Also natürlich gibt es ein Naheverhältnis zwischen der ÖVP und dem Skandal, den wir hier haben.

Es ist natürlich – das ist heute auch schon mehrmals erwähnt worden – nicht nur die ÖVP. Nicht nur Gusenbauer ist aufgetaucht, auch Kollegin Rendi-Wagner, Drozda – da gibt es einige von der SPÖ, die da immer wieder dabei waren, von den NEOS sowieso. (Abg. Köchl: Ihr wart auf der Jagd! ...!)

Es ist schon klar, dass René Benko natürlich Teil des Systems war und das System auch mit unterstützt hat (Abg. Michael Hammer: Das System Gusenbauer!) – und damit diese vier Systemparteien, die natürlich alle mit im Boot sind. (Ruf bei der SPÖ: Lass dir was Besseres einfallen!) Das macht
die Geschichte aber natürlich nicht besser.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll219. Sitzung, 219. Sitzung des Nationalrats vom 14. Juni 2023 / Seite 303

Als Tiroler, muss ich sagen, geniere ich mich jetzt wirklich für einen Tiroler Unternehmer. Das muss man schon sagen: Man kann als Unternehmer scheitern, man kann einen Konkurs hinlegen, einen Ausgleich, das ist im Wirtschafts­leben alles möglich, aber wenn man mit 300 Millionen Euro Gewinn aus einer In­solvenz aussteigt, dann stinkt das zum Himmel. – Lieber Kollege Hörl, ganz,
ganz viele Unternehmer in Tirol verstehen diese Geschichte auch nicht. (Beifall bei der FPÖ.)

Das muss man einmal eindeutig sagen, und da muss man jetzt kein Kommunist oder Marxist wie Babler sein. Noch einmal: Wir stehen für anständige Unternehmer, die auf die Mitarbeiter schauen. (Abg. Hörl: Wir auch!) Gerade in Tirol haben wir sehr, sehr viele Traditionsbetriebe, die immer auf die Mit­arbeiter geschaut haben. Das, was Benko da mit seinem Gewinn gemacht hat – den Rest, die Mitarbeiter, hinten zu lassen –, kann keiner ernsthaft ver­teidigen. (Beifall bei der FPÖ.)

Deshalb ist grundsätzlich einmal das Anliegen von der SPÖ okay. Also noch ein­mal: Da ist viel aufzuklären. Es ist schon das System – ich sage es nur ganz
kurz, weil ich da ein bisschen durchgescrollt habe. Wenn man jetzt anschaut, wer auf diesen Fotos ist, sieht man: Zum Beispiel Kollege Peschorn, ehemaliger Innenminister, und Frau Bierlein, die unabhängige Bundeskanzlerin, waren natür­lich auch immer wieder dort. Jetzt ist Peschorn der Finanzprokurator. Das
ganze System in Österreich ist schon so ineinander vernetzt. (Zwischenrufe der Abgeordneten Höfinger und Egger.) Ich würde jetzt nicht tiefer Staat sagen,
aber als Bürger dieses Landes und Steuerzahler hoffe ich schon
(weitere Zwischenrufe bei der ÖVP – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen), dass ich mich darauf verlassen kann, dass es da eine echte Aufklärung
im Sinne der Steuerzahler, der Mitarbeiter gibt, denn das Ganze, wie es gelaufen ist, ist natürlich nichts, das man gutheißen kann.

Ich muss halt immer wieder darauf verweisen – wie heute Vormittag schon –: Ausgangslage auch bei vielen dieser Dinge war diese Coronapolitik, bei
der alle vier dabei waren, auch die SPÖ. Die berühmte Cofag – Frau Tomaselli,


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weil Sie sich hierherstellen –: Ihr von den Grünen habt ermöglicht, dass
es da keine Transparenz gibt. (Abg. Schwarz: Wieso? Die Steuerstundung ist doch genau so, wie ihr es haben wolltet! ... Finanzbehörden!) Normalerweise sollte
man sich als grüner Politiker dazu gar nicht äußern, denn ihr steckt in der ganzen Geschichte so tief, bis zum Hals, drinnen, dass es eigentlich nur peinlich ist.
(Abg. Schwarz: Die Steuerstundungen hat nicht die Cofag gemacht!) Also das kann mir ja keiner erklären. (Beifall bei der FPÖ.)

Da vergesse ich die 100 000 Euro, die Chorherr für seinen Verein von Benko be­kommen hat, gleich einmal. (Abg. Zorba: 2018, wer war denn in der Regierung?)

Noch einmal: Dass es diese ganze Geschichte mit 100 Milliarden Euro Schaden bei Corona gegeben hat, habe ich, glaube ich, schon 17 Mal erklärt – da will
ich mich nicht vertiefen.

Zusammenfassend: Es kann nicht sein, dass wir das gesetzlich zulassen. Da muss man aber auch wieder sagen: Das endet ja nicht hier in Wien im Parlament, sondern die Verlängerung ist ja Brüssel. Man muss halt die Themen
schon bis zum Ende denken, auch die Kollegen von den NEOS: Woher hat denn der geschätzte Herr Benko dieses Geld gehabt? Woher? – Ja, natürlich,
klar, ihr habt ja in Brüssel die Geldschleusen aufgemacht. Milliarden sind zu null Zinsen herumgelegen, die Benko ganz gern für seine Deals hergenommen
hat. (Abg. Meinl-Reisinger: Das ist in Frankfurt!) Man muss das also schon auch ein bisschen weiterdenken und darf nicht nur populistisch sagen: Okay, das
ist nur der Benko alleine. – Ihr habt dieses System des Turbokapitalismus, das wir ablehnen, in Brüssel auch ermöglicht.

Geschätzte Sozialdemokratie, ich hoffe, ihr kommt von diesen Lippenbekennt­nissen einmal weg und zu einer echten Sozialpolitik – aber dann bitte
zu einer durchgängigen bis Brüssel und international (Abg. Meinl-Reisinger: Der Gouverneur gehört aber schon euch, oder?), denn da seid ihr als Sozial-


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demokratie in den letzten Jahrzehnten immer dabei gewesen. Ihr habt ermög­licht, dass Milliardäre reicher geworden sind. Das habt ihr mit unter­stützt. (Abg. Kollross: Darum seids ihr für die Millionärssteuer, oder?)

Deshalb, bitte schön, sage ich noch einmal: Die einzig Glaubwürdigen in diesen Angelegenheiten sind wir Freiheitliche. (Heiterkeit der Abg. Maurer.) Das
ist die Wahrheit, ja! – Danke. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Meinl-Reisinger: Euer Gouverneur ...! – Weitere Zwischenrufe bei SPÖ und Grünen.)

16.25


16.25.17

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter, ich bitte Sie, den Aus­druck „Systemparteien“ zurückzunehmen. (Abg. Wurm: Weil?) – Weil es
ein Begriff aus der nationalsozialistischen Zeit ist (Abg. Kickl: Das ist ja ein Blöd­sinn! Das stimmt ja nicht!), aus den Dreißigerjahren. (Beifall bei SPÖ und
Grünen sowie bei Abgeordneten der ÖVP. – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)
Nehmen Sie es zurück? Dafür wurde schon ein Ordnungsruf erteilt.
(Abg. Wurm: Nehme ich nicht zurück, nein!)

*****

Dann erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf. Sie sollten sich dessen bewusst sein und diese Ausdrücke nicht verwenden. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie
bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Kassegger: ... verwendet es auch! –
Abg. Kickl: ... Sprache verbieten!)

*****

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Götze. – Bitte.


16.26.01

Abgeordnete Dr. Elisabeth Götze (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Frau Staatssekretärinnen! Werte Kolleginnen und Kollegen!
Werte Zuseher:innen, die Sie heute hier oder zu Hause sind! Gleich vorweg: Nein, es gibt nichts zu beschönigen – ein neuer Kriminalfall, die Justiz


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und die sonstigen Behörden ermitteln. Wie immer in diesen Fällen muss ich hin­zufügen: Es gilt die Unschuldsvermutung.

Normalerweise lese ich gerne Krimis, wie den letzten von Mark Elsberg. Heute im „Falter“ von Eva Konzett, fast wie eine Fortsetzungsgeschichte über
die Gewinne und die nicht versteuerten Gewinne – wir werden schauen, was da herauskommt. Das ist nicht die einzige Verdachtslage: Es steht Insolvenz­verschleppung im Raum. In der „ZIB 2“ vor zwei Tagen hat Finanzprokurator Wolfgang Peschorn davon gesprochen – schwerwiegende Verdachte.

Trotzdem möchte ich die Förderungen und auch die Steuerstundungen davon trennen, weil ich viele Unternehmen kenne – und ich nehme an, auch
Sie alle kennen viele –, denen die Hilfen, die diese Regierung gegeben hat, das Überleben gesichert haben. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Hörl.)

Es gibt dazu Studien: Alle Wirtschaftsforschungsinstitute – Wifo, IHS – haben sich das angeschaut und festgestellt, dass allein bis Ende 2021 knapp
11 Prozent der Unternehmen in Österreich dadurch gerettet worden sind, bei­spielsweise durch Steuerstundungen, die ermöglicht haben, dass die Steu­erzahlungen nicht erlassen, sondern bis zu 21 Monate aufgeschoben wurden. Ja, in Liquiditätsschwierigkeiten hilft das einem Unternehmen, sichert das Überleben, und das ist gelungen. (Beifall bei den Grünen sowie der Abgeordne­ten Haubner, Hörl und Pfurtscheller.)

Nicht zuletzt sind so auch 200 000 Arbeitsplätze in Österreich erhalten worden. Und nein, es wurden keine Zombieunternehmen erhalten, sondern Unter­nehmen, die uns jetzt die Versorgung sichern, die innovativ sind und die im Land weiterarbeiten können.

Zusammenfassend kann man sagen – und das haben auch die Wirtschaftsfor­schungsinstitute bestätigt –, dass die Hilfen in Österreich in Summe besser als in anderen Ländern funktioniert haben – nicht zuletzt auch dank der Kurzarbeit. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)


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Aber ja, gleichzeitig müssen wir sehen, wo Betrug vorliegt, wo Missbrauch, Fördermissbrauch vorliegt. Da müssen wir hinschauen, da müssen wir aufdecken, und da muss es auch Konsequenzen geben. Daran wird gearbeitet.

Den 1 900 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die zur Kündigung angemeldet wurden, gilt unsere Solidarität. Auch da funktioniert der Rechtsstaat: Ihre finanziellen Ansprüche werden ausgezahlt. – Herr Minister, Sie haben gesagt, der Insolvenzentgeltfonds ist gesichert. Dank der Lage am Arbeitsmarkt werden hoffentlich die meisten von ihnen bald wieder einen guten Job finden. Ich glaube, alleine die Post hat 800 Jobs angeboten. Inwieweit diese vergleichbar und attraktiv sind, muss sich sicher der Einzelne, die Einzelne anschauen.

Wir vertrauen auf den Rechtsstaat und wir arbeiten weiter an guten Gesetzen. Die Finanzprokuratur ermittelt, die Wirtschafts- und Korruptionsstaats­anwaltschaft ermittelt, und hier arbeiten wir an neuen, guten Gesetzen. (Präsi­dentin Bures übernimmt den Vorsitz.)

Wir schauen kurz zurück: Das Whistleblowinggesetz haben wir hier neu beschlossen, damit aus dem Inneren von Unternehmen Dinge, die nicht sauber sind, aufgedeckt werden. Wir haben die Transparenz für alle Hilfen erhöht –
die EU sagt: ab 100 000 Euro; wir haben es auf 10 000 Euro runtergesetzt –, das heißt, es ist für alle von uns einsehbar, welches Unternehmen wie viel be­kommen hat. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Die Prüfung muss natürlich auch ausführlich erfolgen. Tatsächlich haben auch schon zahlreiche Unternehmen zurückgezahlt: 25 Millionen Euro wurden
von 2 000 Unternehmen zurückgezahlt.

Parteiengesetz: Auch das wurde novelliert. Infofreiheit – hat auch am Rande damit zu tun –: Auch da gibt es erste Schritte; alle Gebietskörperschaften, Bund, Länder, Gemeinden, müssen ihre Studien offenlegen, und wir hoffen auf be­ziehungsweise arbeiten an noch mehr Transparenz.


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Letztendlich möchte ich noch das Korruptionsstrafrecht erwähnen. Genau heute hat die Justizministerin die Novelle eingebracht, die auch da wesentliche
Schritte setzt, damit wir zu einem gerechteren, zu einem korruptionsfreien Staat werden. – Danke dafür. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der
ÖVP. – Abg. Schroll: 16 sind nur da von der ÖVP!)

16.31


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Johannes Margreiter. – Bitte.


16.31.38

Abgeordneter Dr. Johannes Margreiter (NEOS): Frau Präsidentin! Geschätzte Staatssekretärinnen! Geschätzter Herr Bundesminister! Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher im Haus! Wer diese Debatte zu diesem durchaus interessanten und wichtigen Dringlichen Antrag bis jetzt mitverfolgt hat, der wird halt einmal mehr das Vorurteil bestätigt sehen, dass wir hier im Haus mitunter wirklich nicht den Fokus dorthin richten wollen oder können, wo wirklich die Probleme liegen, sondern dass wir uns darin erschöpfen, dass wir uns anschütten.

Kollege Stocker glaubt, dass es der Sache dienlich ist, wenn er hier die SPÖ anschüttet, weil Herr Gusenbauer irgendwann einmal in Kontakt mit der Signa war. (Zwischenruf des Abg. Stocker. – Abg. Pfurtscheller: Was heißt „irgend­wann einmal“? – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Es geht ähnlich weiter. (Abg. Schmidhofer: Der ist Aufsichtsrat! Der hat ja Pflichten!) – Ja, das ist aber
nicht wesentlich, das ist nicht das Problem. (Neuerliche Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Das Problem, das wir jetzt haben, das Problem, das wir zu lösen haben,
erfordert einen anderen Blick. Das ist nicht der Blick aus diesem parteipoliti­schen Hickhack heraus. Schauen wir uns doch wirklich an, wo es fehlt
und wo die systemischen Ursachen dafür liegen, dass es eben dazu kommen kann, dass wir jetzt einmal mehr eine Großinsolvenz in Österreich haben,
bei der annähernd 2 000 Menschen ihren Job verlieren und bei der eine Hin­tergrundgeschichte läuft, die tatsächlich kriminelle Aspekte aufweist!


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Beispielsweise: Was war mit diesen Mieten? Da werden Gesellschaften ge­gründet und Mietzahlungen getätigt, die aus dem einen operativen Unternehmen sehr viel Geld herausnehmen und das reine Immobilienunter­nehmen bereichern. Das wird man sich sehr genau anschauen müssen. Ich hoffe wirklich, dass die Worte des Leiters der Generalprokuratur in dem Sinn zu
Taten führen, dass man sich das sehr genau anschauen wird.

Dann wird man sich aber auch doch die Sache anschauen müssen: Warum ist es immer wieder Thema, dass die Politik die Nähe zu Figuren wie René Benko sucht? Was ist da die Ursache?

Eine Ursache, das sage ich Ihnen, ist darin gelegen, dass Österreich ein Hoch­steuerland ist. Wir haben eine Abgabenbelastung, eine Steuerbelastung,
die es erst fördert, dass eben solche Dinge passieren, wie wir sie heute im „Fal­ter“ nachlesen müssen: dass Immobilien plötzlich innerhalb von 14 Ta­gen 50 Millionen Euro an Wert gewinnen. (Abg. Tomaselli: Nein, eben nicht!) – Ja, eben nicht (Abg. Hanger: Wie jetzt? Ja oder nein?), aber es wurde so behan­delt, und die Steuer, die Körperschaftsteuer, wurde dann eben auf
Basis der niedrigen Bemessungsgrundlage berechnet, wodurch Herr Benko einmal mehr um 3,5 Millionen Euro bereichert worden ist – aufgrund
der Nähe zur Politik, die er sucht und die vice versa natürlich erwidert wird.

Die Frage, die auch zu stellen ist: Ein Punkt im Dringlichen Antrag betrifft Lücken im Insolvenzrecht. (Abg. Schwarz: Wenn die Körperschaftsteuer 20 Prozent gewesen wäre ...!) Ich kann solche Lücken nicht erkennen. Ich halte es für richtig und sachgerecht, dass die Steuerforderungen, Abgabenforderungen mit
allen anderen Gläubigerforderungen gleichgestellt sind. Das war nicht immer so, und das wäre das Einzige, was man ändern müsste, um diesem Ansinnen
gerecht zu werden, eine Bereicherung Einzelner auf Kosten der Allgemeinheit zu verhindern, um dem beizukommen.

Man muss sich aber da die Kehrseite anschauen, anschauen, was das bedeuten würde, wenn wir wirklich diese Systeme wieder einführen würden, dass


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Abgabenforderungen und Steuerforderungen als Masseforderungen vorrangig behandelt werden: Das würde zu einem großen Schaden im Wirtschafts­leben und im Insolvenzfall zu einer eklatanten Ungleichbehandlung aller Gläubi­ger führen. Ich denke also nicht, dass es Lücken im Insolvenzrecht sind,
die dazu führen, dass sich Einzelne auf Kosten der Allgemeinheit unrechtmäßig bereichern können, sondern dass es eben genau die von mir aufgezeigten systemischen Probleme einer generell viel zu hohen Abgabenlast sind, dass wir vom Hochsteuerstaat, der das Wirtschaften erschwert, der wirtschaftli­ches Unternehmertum behindert, herunterkommen müssen und dass wir auf eine Steuerquote kommen sollten, wie wir sie von der Schweiz kennen,
wo solche Themen überhaupt keine Rolle spielen, weil eben vom Steuerkorsett her kein Anreiz dafür da ist, dass man Konstruktionen findet, um wider­rechtlich Steuern zu sparen.

Da sollten wir ansetzen, und das wäre der richtige Weg, um solche Situationen, die viele Menschen in existenzielle Not stürzen, zu verhindern. – Vielen
Dank. (Beifall bei den NEOS.)

16.37


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Christian Drobits. – Bitte.


16.37.21

Abgeordneter Mag. Christian Drobits (SPÖ): Geschätzte Frau Präsidentin! Werte Mitglieder der Regierung! Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Werte Zuse­herinnen und Zuseher! Sofern die Gäste noch hier sind – es sind heute eine Grup­pe vom Gymnasium Oberschützen und auch eine Gruppe aus Jabing,
beide aus meinem Bundesland, Burgenland, hier –: Ich gratuliere, ah, ich begrüße alle herzlich. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP, Grünen
und NEOS. – Abg. Meinl-Reisinger: „Gratuliere“!)

Ich komme jetzt aber zu dem Thema, das uns alle berührt, und da bin ich gleich beim Punkt. Ich war einer derjenigen, die am Dienstag um 7.30 Uhr bei


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den ersten Betriebsversammlungen dabei waren, und ich schaute in die Augen von 40 Menschen, die Existenzangst haben, die verunsichert sind, die ver­bittert sind, die wütend sind – die dermaßen wütend sind, weil es möglich ist, dass eine Person namens René Benko in Österreich 300 Millionen Euro
Gewinn machen kann, dass er Steuerstundungen von 150 Millionen Euro be­kommen hat und in der Coronazeit auch Coronabeihilfen in einem
enormen Ausmaß bekommen konnte.

Eine dieser Personen, eine 53-jährige Frau, die auch den Job verlieren wird und, da sie sehr schwer krank ist, womöglich in den nächsten Jahren bis zur Pensionierung keinen Job mehr finden wird, sagte wörtlich: Mir ist zum Speiben. Mir ist deshalb zum Speiben, weil wir als Arbeitnehmerinnen und Arbeit­nehmer im Stich gelassen werden und die Regierung nur denjenigen den roten Teppich ausrollt, die mehr Geld haben, die ihnen mehr zurückgeben kön­nen, aber wir als kleine Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind denen nichts mehr wert. – Zitatende.

Deshalb ist meine Partei – und das gilt auch für meine Person – wirklich der Meinung, dass wir an der Seite dieser Menschen stehen sollen und ste­hen werden. (Beifall bei der SPÖ.) Wir haben sicherlich nicht solch ein Desinter­esse, wie es die ÖVP bekundet. Wenn ich in die Reihen (in Richtung ÖVP) schaue – es sind vielleicht 20 Abgeordnete hier, 70 habt ihr (Abg. Schmidhofer: Lasst das Zählen, das könnt ihr nicht!) –, denke ich mir, das Interesse der
ÖVP an diesem Thema ist sehr, sehr gering. (Abg. Schmidhofer: Hände weg vom Zählen!)

Da die ÖVP in der Person von Herrn Stocker gesagt hat, es ist eine billige Politik und eine billige Show, die wir abliefern, möchte ich diesen Personen, denen
ich am Dienstag in die Augen geschaut habe, Folgendes sagen: Die ÖVP
steht nicht an eurer Seite. Es ist die SPÖ, die an eurer Seite steht, und wir wer­den weiter bei euch sein. (Beifall bei der SPÖ.)


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Das zeigt auch die Abwesenheit von August Wöginger, der sich als ÖAABler outet, aber gerade bei einem für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh­mer so wichtigen Thema nicht hier ist. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Eine weitere Dienstnehmerin hat gesagt: Wir sind die fleißigen Bienen, um uns kümmert sich niemand, aber um die Heuschrecken und um die Immobilien­haie kümmert sich sehr wohl jemand! (Abg. Hörl: Ah geh! So ein Blödsinn!) – Und das ist genau der Unterschied, der uns ausmacht: Ihr seid für die Immobi­lienhaie, für den Herrn Benko – wir sind für die arbeitenden Menschen, egal ob Arbeiter, Angestellte, und wir wollen auch in Zukunft für diese Gruppe da
sein. Das ist nämlich die Mehrheit und die verdient es auch, dass wir für sie da sind. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Arbeitsminister oder Herr Wirtschaftsminister, wie ich in dem Fall sagen darf, wenn ich höre, dass Sie selbst gesagt haben, dass es genug Arbeits­plätze gibt und diese Arbeitsplätze von denjenigen, die gekündigt werden, zu­künftig besetzt werden können, dann muss ich Ihnen schon sagen: Es
sind das Beschäftigte, die 25 Jahre in der Möbelindustrie beschäftigt sind, die 25 Jahre Tätigkeiten ausgeübt haben, die nichts mit Regaltätigkeiten zu
tun haben und die nichts mit Tätigkeiten im Baustoffhandel zu tun haben. Ich finde, gerade diese Menschen, die jetzt unschuldig zum Handkuss kom­men, haben ein Recht und einen Anspruch darauf, nunmehr eine adäquate, gleichwertige, vielleicht sogar höherwertige Beschäftigung zu erhalten. Um die müssen Sie sich kümmern – und nicht um die Großen, die eventuell eh Ge­winne schreiben! (Beifall bei der SPÖ.)

Kollegin Scharzenberger – ich weiß nicht, ob sie jetzt im Haus ist; Herr Kollege Stocker, richten Sie es ihr aus! –, zu sagen, wir haben de facto Vollbeschäf­tigung, bei 320 000 Beschäftigungslosen inklusive der Schulungsteilnehmer, bei 3 Prozent mehr als letztes Jahr, also da sind Sie weit weg von der Realität.
Das ist Realitätsverlust pur und, das kann ich Ihnen mitteilen, diesen Realitäts­verlust werden wir nicht hinnehmen. Wir stehen an der Seite der Arbeit­nehmerinnen und Arbeitnehmer, wir werden auch weiter dafür stehen, und ich


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denke, das ist auch der richtige Weg. Dafür stehen wir ein. Das ist die
SPÖ. Und wenn Sie sagen, dass die SPÖ neu ist, dann ist die SPÖ halt neu. Wir bleiben bei den Arbeitnehmerinnen und bei den Arbeitnehmern und wir
werden sie weiter unterstützen. – Danke sehr für die Aufmerksamkeit. (Beifall
bei der SPÖ.)

16.42


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Kurt Egger. – Bitte.


16.42.22

Abgeordneter Mag. (FH) Kurt Egger (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Mit­glieder der Regierung! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuse­her:innen auf der Galerie und via Livestream! Ich darf, bevor ich einsteige, die Vertreter des Wirtschaftsbundes Wien mit Direktor Christoph Biegel­mayer an der Spitze ganz herzlich begrüßen – herzlich willkommen im Parla­ment! (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von FPÖ und Grünen.)

Ein spannender Antrag, eine spannende Diskussion, aber mir fehlen die Ant­worten. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich möchte auch ganz besonders herzlich Kollegen Kucher zu seiner neuen Aufgabe gratulieren. Er hat heute ein bisschen eine Hektik, weil er
immer hinausrennen muss, um mit Traiskirchen zu telefonieren. Vielleicht kann man eine Direktleitung ins Parlament legen, damit das für ihn vereinfacht
wird. (Abg. Keck: Da geht es um die Zukunft von 2 000 Menschen! Das
ist sehr lustig!)
Ich wünsche dir alles Gute für deine neue Aufgabe und gratuliere dir auch sehr herzlich dazu.

Es gibt scheinbar neue Köpfe in der SPÖ, aber anstatt alte Zöpfe abzuschneiden, hat man sich wieder alte Hüte aufgesetzt. Wie vielleicht ein paar wissen:
Ich komme aus Graz und ich denke, die kommunistische Bürgermeisterin wird ob


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dieser kommunistischen und marxistischen Ideen des neuen Parteivorsit­zenden blass werden. Ich gehe davon aus, dass es der SPÖ gelingen wird, die KPÖ links zu überholen. (Abg. Schroll: Zur Sache!)

Ich bin ja ein wenig verwundert, dass sich die SPÖ nach diesem politischen Desaster, das sie in den letzten Wochen abgeliefert hat, mit so viel Selbstvertrauen hierherstellt. (Abg. Schroll: Themenverfehlung, Herr Kollege!) Da muss es mittlerweile einen besonderen Zaubertrank in der Löwelstraße
geben, anders kann ich mir das nicht erklären. (Zwischenruf der Abg. Holzleit­ner.– Keine Sorge, ich komme schon zum Thema.

Weil Kollegin Herr die Jobgarantie angesprochen hat: Ich muss ja ein wenig schmunzeln, dass eine Partei, die gerade eine Parteivorsitzende vor
die Tür gesetzt hat, die gerade einen burgenländischen Landeshauptmann als Kurzzeitparteiobmann wieder vor die Tür gesetzt hat, von einer Jobga­rantie spricht. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Schroll: Hahaha! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Gusenbauer brauche ich nicht mehr zu erwähnen, es wurde hinlänglich erklärt. Kollege Drobits sollte vielleicht auch einmal mit Kollegen Gusenbauer telefonieren, da könnte er sich an erster Stelle informieren. (Abg. Schroll: The­menverfehlung!)

Diese Diskussion gibt mir aber auch die Gelegenheit, diese Mär mit der In­solvenzstatistik richtigzustellen. (Abg. Schroll: Die Zeit ist schon aus!) Im Jahr 2019 hatten wir 5 000 Insolvenzen, wir hatten im Jahr 2020 knapp über 3 000,
2021 knapp über 3 000 und 2022 4 700. Wir werden wahrscheinlich im heuri­gen Jahr in einer Vor-Corona-Situation landen. Jede Insolvenz ist bedauer­lich, jeder verlorene Arbeitsplatz ist bedauerlich, aber wir als ÖVP werden dafür sorgen, dass die richtigen Rahmenbedingungen für den Wirtschaftsstandort gegeben sind. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Meinl-Reisinger: Wann denn endlich? Bis wir weiter abgesandelt sind?) Und wir haben mit den Hilfen, den verteufelten Coronahilfen, dafür gesorgt, dass Arbeitsplätze gesichert werden.


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Zum Abschluss jetzt noch ein paar Daten und Fakten zur SPÖ-Wirtschaftskom­petenz. Ich sage Ihnen ein paar Zahlen: 23 Gesellschaften, 13 000 Mitar­beiter, 14 Milliarden Schulden – könnt ihr euch erinnern, was das ist? – Konsum! (Abg. Herr: Nein, das ist wirklich schon ein bisschen eine Zeit her!) Eigentlich
nicht der Konsum, sondern die Wirtschaftskompetenz der SPÖ; ich erwähne noch Bawag und den Niedergang der Verstaatlichten.

Zum Schluss sei mir noch eine Bemerkung erlaubt: Mir fehlt heute jemand auf der Rednerliste (Abg. Schroll: Schlechte Rede!), nämlich der Arbeitsmarktsi­cherungsexperte Christoph Matznetter, der als Aufsichtsrat der ATB im Murtal dafür gesorgt hat, dass dort 360 Arbeitsplätze verloren gehen. (Oh-Rufe
bei der ÖVP.)
Der ist heute etwas leise. Vielleicht meldet er sich ja noch. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Matznetter.)

16.47


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Markus Koza. (Abg. Herr: Das ist 25 Jahre her, worüber Sie sprechen! Da war ich drei Jahre
alt! – Abg. Egger: Ich kann auch nichts dafür!)


16.47.43

Abgeordneter Mag. Markus Koza (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Sehr geehrte Damen
und Herren und liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ein gutes Geschäft sei der Ver­kauf von Kika/Leiner gewesen, meinte Anfang Juni ein Signa-Manager.
Für die Beschäftigten von Kika/Leiner war es mit Sicherheit kein gutes Geschäft.

1 900 Beschäftigte drohen ihre Jobs zu verlieren, 23 Filialen werden ge­schlossen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das nennt man: Gewinne privatisieren, Verluste sozialisieren. Was in den letzten Tagen in der
Causa Kika/Leiner zu erleben war, das ist geradezu ein Musterbeispiel dafür,
wie es geht.


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Unsere Solidarität hier im Haus hat zuallererst einmal den Arbeitnehmer:innen zu gelten, die von dieser Insolvenz, von dieser Sauerei betroffen sind! (Bei­fall bei den Grünen.)

Ein Dank geht an die Gewerkschaften und an die Arbeiterkammern, die im Augenblick und in den nächsten Wochen die Beschäftigten von Kika und Leiner beraten werden, und ich kann nur ganz dringend allen Menschen, die betrof­fen sind und zusehen, das raten, wozu die Gewerkschaften aufrufen: Lassen Sie sich, bevor Sie irgendetwas unterschreiben, zuallererst ausführlich beraten! Dafür sind die Kolleg:innen der Gewerkschaften, der Arbeiterkammern da, und sie machen da sicher einen guten Job. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

Glücklicherweise – das ist tatsächlich Glück in der aktuellen Situation – ist die Arbeitsmarktsituation so, dass auf jeden Fall einmal zumindest gute Job­chancen bestehen. Viele Unternehmen haben auch bereits Angebote an Betrof­fene gemacht, und das AMS unterstützt, wie es auch sein Job ist.

Erfreulicherweise prüft auch die Finanzprokuratur, ob bei den Kika/Leiner-Deals alles mit rechten Dingen zugegangen ist, um die Verluste für die Allge­meinheit – es wurde heute schon viel darüber geredet – möglichst klein zu hal­ten, denn es steht ja letztlich auch der Verdacht der Insolvenzverschlep­pung im Raum.

Es bleibt aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, bei dem, was ich am Anfang erwähnt habe: Gewinne werden privatisiert und Verluste werden sozialisiert.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das deutsche Grundgesetz, die Verfassung, mahnt die soziale Verantwortung von Eigentum in Deutschland ein, wenn es dort heißt: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das sind sehr schöne Töne, sehr schöne Sätze, das klingt sehr gut – in der österreichischen Verfassung steht ja


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nichts Dementsprechendes –, die Realität schaut allerdings sehr viel an­ders aus, sowohl in Österreich als auch in Deutschland. Wir erleben gerade heu­te die soziale Verantwortungslosigkeit von Eigentum, und sehr viele Eigen­tümer fühlen sich zu überhaupt nichts verpflichtet, schon gar nicht zum Wohle der Allgemeinheit.

Das ist in Österreich so, das ist in Deutschland so, da können Grundgesetze mahnen, soviel sie wollen. Und genau darum setzen wir Grüne uns seit inzwischen Jahrzehnten für die Wiedereinführung von Vermögensteuern ein (Beifall bei den Grünen), denn Vermögensteuern sind genau das: Sie sind in
Zahlen gegossene soziale Verantwortung von Eigentümern, von Multi­millionär:innen, von jenen, die mit Immobiliengeschäften wie aktuell Millionen­gewinne machen. Wer Eigentum in Millionenhöhe hat, der soll gefälligst
auch einen Beitrag zum Wohle der Allgemeinheit leisten, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Grünen.)

Es war meines Erachtens einer der größten Fehler, als im Jahr 1993 SPÖ und ÖVP hier in diesem Haus die Vermögensteuer abgeschafft haben. Es war
aber ein noch größerer Fehler, dass eine Vermögensteuer auf große Finanzver­mögen nur mehr mit einer Zweidrittelmehrheit eingeführt werden kann!

Dennoch müssen wir den Druck dafür weiter erhöhen, und ich bin auch sehr froh, dass die SPÖ es inzwischen oder seit mehreren Jahren auch so sieht, dass wir dringend wieder Vermögensteuern brauchen, weil gerade der aktuelle
Fall Kika/Leiner (Zwischenruf des Abg. Schroll) noch einmal ganz klar zeigt, wie wichtig die Wiedereinführung von Vermögensteuern ist, denn die Privatisierung von Gewinnen und die Sozialisierung von Verlusten kann nicht mehr so weitergehen.

Ich fordere hier seitens der Grünen die Parteien rechts der Mitte, auch die Partei der sogenannten Mitte (neuerlicher Zwischenruf des Abg. Schroll), die NEOS,
die FPÖ und die ÖVP auf, sich endlich zu bewegen und den Weg frei für die Be­steuerung von Millionenvermögen zu machen (Beifall bei den Grünen); denn,


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meine sehr geehrten Damen und Herren: Eigentum verpflichtet (Zwischenruf des Abg. Höfinger) und Eigentum soll dem Wohle der Allgemeinheit dienen. (Abg. Wurm: Hahaha! Wer hat das gesagt?) Die Besteuerung größerer Vermögen würde das sicherstellen. – Danke! (Beifall bei den Grünen.)

16.52


16.52.58*****

Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Koza, für den Ausdruck der „Sauerei“ erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf. Bei jedem Verständnis für eine emotionale Debatte: Das ist ein Ordnungsruf.

*****

Herr Abgeordneter Michael Bernhard, ich erteile Ihnen das Wort. – Bitte.


16.53.12

Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Sehr geehrte Regierungsmitglieder! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Ich bin tatsächlich – ich habe die Debatte sehr intensiv verfolgt – von einigen Redebeiträgen betroffen, und ich finde die Wahl des Themas von den Sozialdemokratinnen und Sozialdemo­kraten eigentlich sehr passend, denn es beschäftigt viele Menschen, was jetzt bei Kika und Leiner gerade passiert ist, auf der Ebene von Freunderlwirtschaft
und auf der Ebene von persönlicher Betroffenheit.

Klar ist natürlich, dass bei jedem Menschen, der jetzt mit einer Kündigung konfrontiert ist, gerade etwas passiert. Da gibt es Existenzangst, da passiert, dass die Lebensrealität sich verändert, und man weiß nicht, wohin es geht.

Die Antworten sind vielleicht unterschiedliche, aber dass wir als Politik einmal grundsätzlich sagen: Das ist echt schwierig für die Betroffenen!, das hätte
ich ehrlicherweise allen Parteien zugetraut; und dass dann eine ÖVP, die bei dem Thema sonst recht wortkarg war, nur rausgeht und austeilt und kein Wort
des Mitgefühls und des Verständnisses, der Empathie für die Betroffenen über


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die Lippen bringt, das finde ich tatsächlich extrem schwierig, gerade wenn
so eine Partei in der Bundesregierung sitzt. (Beifall bei den NEOS.)

Es gibt ja da ganz viele Geschädigte und anscheinend auch nur einen Gewinner. Kollege Drobits hat vorhin gesagt, dass das Fiasko rund um Kika und
Leiner – das wird jetzt aufzuarbeiten sein, und das werde nicht ich tun – tatsäch­lich auf mehreren Ebenen schwierig sei. Er hat gesagt, dass die Regierung
auf der einen Seite nicht für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer arbeitet. Ich möchte aber eines auch ganz klar sagen: Für die Unternehmerinnen
und Unternehmer arbeitet ihr auch nicht! Es sind 400 000 Menschen in Öster­reich Unternehmer, Unternehmerinnen, selbstständig. Sie gehen ins Risi­ko, haben keine Garantien, und sie haben auch nicht die Behandlung, die Herr Benko hatte. Wir als Unternehmer gehen jeden Tag ins Risiko, schlafen manchmal schlecht, und wir kriegen nicht die Behandlung, die wir hätten, wenn wir ein ÖVP-Freund oder eine ÖVP-Freundin wären.

Das, was hier gezeigt wird, nämlich dass Behörden über Weihnachten geöffnet werden, dass Steuerstundungen ohne großes Nachfragen gewährleistet werden, dass es Wirtschaftshilfen gibt, das kriegt die normale Wirtschaft nicht! Das kriegt man nur, wenn man entweder ein Parteibuch hat oder schöne Events macht, bei denen viele türkise und schwarze Politikerinnen und Politiker auftauchen. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Es ist mir aber noch ein anderer Punkt wichtig, der relativ unsympathisch von Kollegen Egger vorher präsentiert worden ist, der aber wichtig ist. Wir müssen den Menschen reinen Wein einschenken und sagen: Es gibt keine Si­cherheit, die allumfassend ist! Es gibt weder für Angestellte oder Arbeit­nehmer:innen eine Sicherheit, eine Jobgarantie, mit der man jedes Problem löst, mit der man mit Sicherheit wieder einen gleichwertigen Job bekommt,
noch gibt es für all die Unternehmerinnen, Unternehmer die Sicherheit, dass sie morgen wieder aufsperren können.


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Das, was es aber gibt, ist, dass wir die Sicherheit auf gute Chancen für die Zu­kunft erhöhen, wenn wir eine gut funktionierende Wirtschaft haben.
Und damit meine ich jetzt nicht, dass die Konzerne ABC machen, sondern, dass das Unternehmertum an sich in Österreich gut funktioniert.

Ich möchte da nur einen kleinen Einblick geben, der mich auch als Unternehmer beschäftigt: Es ist der Arbeitsmarkt heute anders als in der Vergangenheit.
Wenn man als Unternehmer jemanden für sein Unternehmen sucht, dann liest man Zeitung, und wenn ein Unternehmen pleitegeht, wenn es insolvent
wird, dann ruft man dort an. Man ruft beim AMS an und sagt: Hallo, ich habe Arbeitsplätze, habt ihr vielleicht jemanden? – Bei uns war das in Salzburg genauso: Ein Textilunternehmen mit 100 Menschen hat Insolvenz angemeldet, wir und mehrere Unternehmen haben sich sofort gemeldet und gesagt:
Wir sind jederzeit bereit, unter bestimmten Voraussetzungen Mitarbeiter zu übernehmen!

All denjenigen, die jetzt bei Kika und bei Leiner betroffen sind, kann man also schon eines sagen: Es gibt sehr viele Unternehmerinnen, sehr viele Unter­nehmer, die hoffen, dass sie diese Mitarbeiter in Zukunft in ihrem Team begrü­ßen dürfen, wertschätzend, ohne auf dem Rücken der Mitarbeiter irgend­welche komischen Geschichten zu machen, und mit einem Blick in die Zukunft. Das ist nämlich das, was normalerweise den Mittelstand und die kleinen Unternehmen verbindet, und das ist etwas, was wir als Wirtschaft sicherlich auch den Betroffenen anbieten können, wenn auch nicht allen. In Bezug auf das, was geschildert worden ist, in Härtefällen, da wird es sicherlich bessere Lösungen brauchen. Wenn jemand krank und kurz vor der Pension ist, dann ist das ein Szenario, das extrem schwierig ist, und da braucht man tatsächlich
auch eine andere Lösung.

Insgesamt ist es aber so, dass man schon, wenn man jetzt gekündigt wird, opti­mistisch in die Zukunft schauen kann. Wenn wir das auch weiter so haben wollen und wenn wir auch in Zukunft mit Insolvenzen so umgehen wollen, dann


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brauchen wir jetzt eine tatsächlich mutige und progressive Wirtschafts­politik, die Unternehmertum ermöglicht und die so auch Arbeitsplätze für die Zukunft sichert. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

16.57


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Selma Yildirim. – Bitte.


16.57.58

Abgeordnete Mag. Selma Yildirim (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Rund 1 900 Menschen, womöglich
noch mehr, verlieren ihre Arbeitsplätze, und was hier in diesem Hohen Haus seit eineinhalb Stunden passiert, ist eigentlich auch skandalös.

Wir haben eine Regierung von ÖVP und Grünen hier. Die Regierungsmitglieder der ÖVP ignorieren mehr oder weniger die Schicksale und halten ihre Sonn­tagsreden. (Widerspruch bei der ÖVP.) Sie halten Ihre Sonntagsreden
(Abg. Pfurtscheller: Überhaupt nicht! Haben Sie nicht zugehört?) und sagen: Haben Sie keine Angst, sehr geehrte Damen und Herren, wir leben in einem
sicheren Land! – Sie filetieren die soziale Sicherheit, seit Sie an der Macht sind, Stück für Stück (Beifall bei der SPÖ), und Sie haben die Courage, sich hierherzustellen und den Menschen zu sagen: Nur Zuversicht!, wie in einer Sonntagspredigt. Das ist wohl unfassbar! (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Seit eineinhalb Stunden gibt es von der ÖVP nur Vernebelungstaktik. Seit eineinhalb Stunden müssen wir uns anschütten lassen. (Anhaltender Widerspruch bei der ÖVP.) Jeder holt aus der Mottenkiste Namen von früheren Politikern
und sagt, wie korrupt der andere ist. (Abg. Zarits: Und was macht ihr?) Verstehen Sie das, dass die Bevölkerung sich angewidert von der Politik abwendet?
(Beifall bei der SPÖ.) Verstehen Sie das? (Zwischenruf des Abg. Gerstl.)

Eines wird sich nicht ändern: dass wir in diesem Hohen Haus noch viele, viele Schicksale betrauern oder beklagen werden müssen, weil Sie die Wirtschaft wie immer nur entfesseln wollen. (Abg. Höfinger: ... größten Skandal der Zweiten


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Republik! Ist ja unglaublich!) Sie wollen eine entfesselte Wirtschaft, und deswegen wird es solche Schicksale in diesem Land noch und nöcher und tausendfach geben; und das müssen wir ändern! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren, dort müssen wir den Hebel ansetzen, sonst können Sie noch etliche Sonntagsreden halten und sagen: Ja, ja, wir kümmern uns
schon um sie! – Dann fällt Ihnen auf einmal die soziale Sicherheit ein.

Ich war echt verwundert. Ich war verwundert - - (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Warum sind Sie denn so nervös? Lassen Sie mich halt ausreden! Nur die
Ruhe! (Beifall bei der SPÖ.) – Ich war auch über meine grünen Kolleg:innen von der Regierungsbank verwundert, ich war wirklich verwundert. (Zwischen­ruf des Abg. Gerstl.) Sie reden von einer Millionärssteuer, lehnen aber jeden An­trag in diese Richtung ab. (Abg. Koza: ... Mehrheit!) Sie haben das Thema
auch heute wieder aufgegriffen, daher bekommen Sie die Chance: Beweisen Sie Ihre Glaubwürdigkeit! (Abg. Lukas Hammer: ... brauchen wir eine Zweidrittel­mehrheit!)

Ich bringe hiermit einen Entschließungsantrag ein (Abg. Schallmeiner: Der bringt genau gar nichts!) und gebe Ihnen die Möglichkeit, unter Beweis zu stellen
(Abg. Schallmeiner: ... brauchen eine Zweidrittelmehrheit, okay?), dass Sie eine se­riöse, ehrliche Sozialpolitik in diesem Land wollen. (Beifall bei der SPÖ. –
Abg. Schallmeiner: Ein Antrag, der genau gar nichts bringt!)

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Julia Elisabeth Herr, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Einführung einer Millionärssteuer“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Finanzen, wird er­sucht, dem Nationalrat bis 31.12.2023 eine Gesetzesvorlage zuzuleiten,
mit der eine Millionärssteuer für die Reichsten in Österreich eingeführt wird,


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denn auch sie sollen einen Beitrag für den Wohlfahrtsstaat leisten.“ –
Für den Sozialstaat leisten.

*****

In der Causa Kika/Leiner erwarte ich mir eine umfassende Steuerprüfung ohne politische Interventionen, sehr geehrte Damen und Herren der ÖVP (Bei­fall bei der SPÖ) – ohne politische Interventionen! –, und schließen Sie endlich diese Schlupflöcher! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Michael Hammer: Ist das
jetzt die neue Regel, dass alle so aufgebracht sein müssen? Das nennt man das neue Bildungsniveau der Führung! – Abg. Stocker: An der Frau Kollegin ist eine Stell­vertreterin verloren gegangen! – Ruf bei der ÖVP: Ein neuer Klubobmann! –
Abg. Michael Hammer: Studienabbrecher-Fraktion! Nichts dahinter!)

17.01

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Julia Elisabeth Herr,

Genossinnen und Genossen

betreffend: Einführung einer Millionärssteuer

eingebracht im Zuge der Debatte zum Dringlichen Antrag 3426/A(E) betreffend „Jobgarantie für die von der Massenkündigung bei Kika/Leiner betroffenen Beschäftigten durch die Bundesregierung“

Begründung

Die skandalösen Vorgänge rund um die Insolvenz von Kika/Leiner zeigen, dass Mil­liardäre der Regierung ihre Politik diktieren. Vor allem wenn sie Unternehmen aufkaufen, diese filetieren, aus den Immobilienverkäufen astronomische Gewinne ma-


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chen und den Rest des Unternehmens in die Insolvenz schicken, in Kauf neh­mend, dass tausende Beschäftigte dadurch ihren Arbeitsplatz und ihr Einkommen verlieren. Damit muss Schluss sein!

Aus den Reihen der Regierungsfraktionen wurde heute die Forderung nach der Ein­führung einer Millionärssteuer erhoben. Dies hat auch Vizekanzler Kogler vor
Kurzem angekündigt:

„Wer sein Leben lang arbeitet, der zahlt für sein Arbeitsleben hunderttausende Euro Steuern und Abgaben.

Aber gleichzeitig zahlen jene, die viele Millionen erben, große Villen, astronomische Aktienpakete oder sonstige riesige Vermögen, genau nichts. Null. Also zahlen
diese Millionenerben auch nichts für die öffentlichen Aufgaben, für die sozialen Er­rungenschaften und für die Gemeinschaft. Und durch die immer höheren Millionenerbschaften, werden die Vermögen von Wenigen immer noch größer.

Das ist eine große Ungerechtigkeit.

Die Millionenerben sollen ihren fairen und gerechten Beitrag leisten. Der Nationalrat spricht sich dafür aus, dass dieser Beitrag jenen zugutekommt, die viel leisten,
aber wenig verdienen. Zum Beispiel die Menschen, die in der Pflege arbeiten. Oder jene, die in den Kindergärten für unsere Kleinsten ihr Bestes geben.

Schlicht, weil es fair, sozial und gerecht ist!“

Daher stellen die unterfertigten Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Finanzen, wird ersucht, dem Nationalrat bis 31.12.2023 eine Gesetzesvorlage zuzuleiten, mit der eine


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Millionärssteuer für die Reichsten in Österreich eingeführt wird, denn auch sie sollen einen Beitrag für den Wohlfahrtsstaat leisten.“

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß einge­bracht und steht daher mit in Verhandlung.

Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dagmar Belakowitsch. – Bitte.


17.02.00

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen und hier herinnen! Wenn Sie diese Debatte vor den Bildschirmen jetzt verfolgt haben und eigentlich nicht genau wissen, wovon hier ge­sprochen wurde, dann kann ich das nachvollziehen. Es passiert hier gerade eine massive Kindesweglegung, zuletzt vonseiten der SPÖ.

Frau Kollegin Yildirim, wenn Herr Benko zu seinen Törggelenfesten geladen hat, dann sind sie alle gekommen, beispielsweise Frau Rendi-Wagner. (Zwi­schenruf der Abg. Oberrauner.) Ich weiß nicht, Sie haben gesagt: „Namen aus der Mottenkiste“, ich meine, noch ist sie ja in Amt und Würden; vielleicht ist sie nächstes Monat in der Mottenkiste versunken.

Herr Gusenbauer ist aktuell Vorsitzender im Aufsichtsrat mehrerer Subunterneh­men. (Abg. Schroll: ... 15 Jahre!) Das ist ja keine Mottenkiste, das ist etwas
ganz Aktuelles. Er mag als Politiker abgetreten sein, aber in den Unternehmen hat er sehr wohl etwas zu sagen. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Herr: In der
SPÖ nicht mehr!)

Zum Wiener Bürgermeister Ludwig: Ich weiß jetzt nicht, was in den letzten Stunden bei euch passiert ist, da geht es ja drunter und drüber, aber mein letzter Wissensstand war, dass er noch amtierender Bürgermeister ist, und auch


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er ist auf allen Fotos drauf und hat sich gerne in dieser illustren Gesellschaft ge­zeigt. (Abg. Michael Hammer: Babler ist ja der Genosse der Bosse!) Also hören
Sie auf mit dieser Kindesweglegung! Natürlich hängen Sie da mit drinnen, genau­so wie die ÖVP – no na net – mit drinnen hängt, aber auch die Grünen, die
heute so auffallend ruhig hier sind.

Besonders spannend war ja der Redebeitrag des Kollegen Koza, der sich hierher­gestellt hat und von irgendwelchen Eigentumsbeschneidungen und Eigen­tum für alle gesprochen hat. Man hat ja das Gefühl, der Kommunismus wird jetzt gerade in diesem Hohen Haus salonfähig gemacht. Jetzt haben wir schon
zwei kommunistische Parteien, die sich gegenseitig überdribbeln. (Abg. Koza: Deutsches Grundgesetz! Deutsches Grundgesetz heißt das! Deutsches Grundgesetz!)

Ich sage Ihnen etwas, Herr Kollege Koza, weil Sie ja gerade vorhin noch am Wort waren: Fangen wir bei Herrn Ronny Pecik an! Wissen Sie, Ronny Pecik, der
ist mittendrin, Teil dieser Familie, Freund von Thomas Schmid, mit guten Verbin­dungen zu Herrn Chorherr – das ist heute schon gesagt worden; er hat auch
für den Verein von Herrn Chorherr gespendet –, der Immobilien- und Investorjongleur Ronny Pecik. Vielleicht hat die WKStA bisher deswegen immer weggeschaut, vielleicht ist deswegen nichts passiert in den Bereichen.

Herr Benko hat 31 Millionen Euro an Steuernachlass in etwa um den Jahres­wechsel 2021 bekommen. Wissen Sie, wer damals Justizminister war? – Das war der Schwager des Herrn Ronny Pecik, nämlich ein gewisser Vizekanzler
Werner Kogler, der damals auch noch das Justizministerium übernommen hatte. Also hören Sie auf mit dieser Kindesweglegung! Sie hängen hier ganz genau­so mit drinnen, es sind auch Ihre Leute, die Teil dieser Familie sind!
(Beifall bei der FPÖ.)

Natürlich ist es die ÖVP, ja, dass Ronny Benko - - Ah, jetzt bringe ich schon alle durcheinander (Ruf bei der SPÖ: Das stimmt, Frau Kollegin! Das ist oft so!)
Dass Benko natürlich aus der ÖVP stammte, ja, das wissen wir, und wir alle ken-


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nen die Geschichte. Wir alle wissen, wie damals zu Weihnachten ein Beam­ter aus dem Urlaub zurückgeholt werden musste, damit dieser das Kaufhaus auf der Mariahilfer Straße bekommt. Dann wurde filetiert und dann haben
Sie alle weggeschaut. (Abg. Herr: Ja, und wer war da in der Regierung? – Abg. Lukas Hammer: Wer war da eigentlich in der Regierung, Frau Kollegin?) Dann hat er natürlich die erfolgreichen Immobilienanteile gewinnbringend verkauft, und jetzt, vor zwei Wochen, hat er dann den Handelsbetrieb, die Möbelhäuser, ver­kauft. (Abg. Herr: Und wer war in der Regierung? – Die FPÖ!)

Sagen Sie einmal, Frau Herr, hören Sie gar nicht zu? Wer sitzt denn jetzt im Auf­sichtsrat? Wer hätte es denn verhindern können und müssen? (Abg. Matz­netter: Sie haben gesagt, Sie sind verwirrt, Frau Kollegin! Das war ein Geständnis!) Wer hätte es denn verhindern müssen? – Natürlich der Aufsichtsrat, der
hätte es in der Hand gehabt! Was Sie, Frau Herr, hier machen, ist Kindeswegle­gung. Das geht genau in Ihre Richtung: Sie sind hier genauso involviert,
wie es die ÖVP ist. Sie können sich davon nicht wegstehlen. (Beifall bei der FPÖ.) Das ist einfach so: Die SPÖ hängt da ganz genauso tief mit drinnen.

Das ist genau dieses Spiel, das Sie machen: Sie versuchen jetzt, ein bisschen auf Kommunistische Partei zu spielen: Jetzt machen wir eine Enteignung,
eine Millionärssteuer – ich weiß nicht, was da heute noch alles an irgendwelchen Thesen und Ideen geboren wurde. Meine Damen und Herren, damit werden
wir solche Probleme überhaupt nicht in den Griff bekommen!

Die Frage ist: Wie gehen wir jetzt damit um? – Jetzt kommen Sie, Herr Wirt­schaftsminister und Arbeitsminister, einmal ins Spiel, denn von Ihrer Re­de hätte ich mir schon ein bisschen mehr erwartet, als dass Sie gesagt hätten: Na ja, das AMS ist angewiesen, den Leuten zu helfen.

Wissen Sie, Herr Minister, wenn Sie das so ernsthaft betreiben, wie Sie beim Kampf gegen Scheinfirmen agieren, haben wir ein Problem, denn das ist das System, das sich hier in unserem Land etabliert hat: Jeder kriegt für irgendwelche Dinge Geld. – Herrn Benko lässt man in großen Summen Steuern


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nach, aber jeder kleine Betrüger kann in Österreich vom AMS Förde­rungen bekommen. Die können das mit krimineller Energie, und dem Herrn Ar­beitsminister ist das eigentlich egal. Der schickt dann die Listen, welche
Firmen jetzt wieder aufgepoppt sind.

Sie haben nichts dagegen in der Hand, Sie machen nichts dagegen, und genauso ambitionslos sind Sie jetzt, wenn es darum geht, 2 000 Mitarbeitern zu
helfen. – Das sind Schicksale, das sind Kinder, das sind 2 000 Familien, denen Sie flapsig nichts anderes sagen, als dass sie zum AMS gehen sollen. – Da, Herr Arbeitsminister, sind Sie noch mehr gefordert. (Beifall bei der FPÖ.)

17.07


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Christoph Matznetter. – Bitte. (Abg. Michael Hammer: Ah, die SPÖ-alt kommt auch
noch! – Abg. Schallmeiner: Damals, im Jahr 1848!)


17.07.36

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren auf der Regierungsbank, Damen und Herren hier im
Saal, aber vor allem jene Tausende, die sich so etwas im Lichte einer Existenz, die weg ist, anhören müssen! (Abg. Michael Hammer: Und anschauen in dem Fall! – Abg. Eßl: Die schalten jetzt eh ab!)

Es tut mir leid, ich muss mich in dem Fall auch für Kollegen und Kolleginnen anderer Fraktionen entschuldigen. Ich weiß nicht, warum man – wie
Herr Stocker – so eine ernste Situation dafür ausnützt und nachdenkt, wer ir­gendwelche Dinge gemacht hat, wer wo sein könnte (Abg. Stocker: Nein,
nicht wer!),
statt sich darum zu kümmern, was wir jetzt tun. (Abg. Lopatka: Kennen Sie noch Gusenbauer?)

Er ist kein einziges Mal (einen Ausdruck in die Höhe haltend) auf den Antrag, den wir hier behandeln, eingegangen (Abg. Michael Hammer: Ja, der ist ja
schlecht!),
nämlich Ihnen, meine Damen und Herren, sofort zu helfen, indem mit


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einer Stiftung geschaut wird, dass Sie einen anderen Job, ein men­schenwürdiges Leben haben. Das interessiert die doch nicht! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich muss mich auch entschuldigen – obwohl ich das nicht will, ich muss mich fast fremdschämen – für meine Vorrednerin Belakowitsch von der FPÖ. Wir
reden hier von einem Kriminalfall, bei dem 300 Millionen Euro abgesahnt wor­den sind und gleichzeitig der Rest in einer Konstruktion in die öffentli­che Hand gebracht wird – und sie redet von einem anderen Kriminalfall, nämlich Kindesweglegung. Julia Herr soll schuld sein. Die hat gar keine Kinder, Frau Kollegin! (Ruf bei der ÖVP: Wie lächerlich ist das? Wie lächerlich ist denn dieser Ver­gleich jetzt? – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Wir reden hier über Schick­sale und nicht über parteipolitische Geschichten. (Abg. Michael Hammer: Da hast du noch viel Arbeit mit der Chaostruppe!)

Kümmern Sie sich einmal um die Menschen, anstatt hier mit so einem billigen Kalkül Julia Herr anzugreifen! (Abg. Kickl: Herr Dr. Matznetter! – Ruf bei
der ÖVP: Kucher tritt heute noch zurück! – Weitere Zwischenrufe bei FPÖ und ÖVP.)

Worum geht es hier? – Dieser Antrag (einen Ausdruck in die Höhe haltend) bedeu­tet, für die Menschen zu handeln, dieser Antrag bedeutet, lückenlos aufzu­klären, wie das Steuergeld hereingebracht werden kann (Abg. Michael Hammer: Kucher, da hast du eine Partie übernommen! Wow!), und dieser Antrag bedeu­tet, dass Sie, meine Damen und Herren der Regierungsparteien, schleunigst jene Lücken im Insolvenzrecht schließen müssen, die so eine Konstruktion mög­lich machen. (Abg. Kickl: Hoffentlich können Sie jetzt damit umgehen,
dass wir zustimmen! – Rufe bei der ÖVP: Armer Kucher! – Abg. Lopatka: Kucher, du tust uns leid!)

Vielleicht kann man dem Kollegen Egger, der dann auch noch mit Spielberg seinerzeit kam, sagen: Selbst die schlimmsten Heuschreckenkonzerne aus China haben den Anstand, die Aktiva drinnen zu lassen – die wurden nämlich dort
mit verwertet, die wurden von Gerichts wegen versteigert –, nicht wie
Herr Benko, der daneben, am gleichen Tag verkauft. In meiner Jugend war


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Benco noch ein gutes Kakaogetränk. (Abg. Michael Hammer: Der macht
schlau und stark! Du hast nicht viel getrunken!)
Davon sind wir leider weit weg, und das war die ÖVP, das war die türkise Truppe, das war Sebastian
Kurz. (Ruf bei der ÖVP: Eine sehr ernsthafte Rede!)

Und ob Frau Rendi-Wagner bei einem Fest war, rührt uns ehrlich gesagt, Frau Belakowitsch, relativ wenig, denn wir kümmern uns um die Menschen,
Sie nur um Kindesweglegung. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Michael Hammer: Ja, um die Genossen!)

17.10


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist niemand mehr - - – Ich habe noch eine Wortmeldung. Mitten im Satz hat sich Herr Abgeordneter Dietmar Keck zu Wort gemeldet. (Oh-Rufe bei der ÖVP. – Abg. Lopatka: Na der kennt sich aus! Es
lebe die Voest!)
 – Herr Abgeordneter, ich wollte Ihnen nur kurz sagen, es gibt noch eine Restredezeit von 5 Minuten für Ihre Fraktion, damit Sie das
wissen. (Abg. Eßl: So viel bringt er eh nicht z’samm!) Dann breche ich Ihre Rede ab.


17.11.19

Abgeordneter Dietmar Keck (SPÖ): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Ist schon irgendwie komisch, wenn ein Abgeordne­ter hierher ans Pult geht und man gleich Rufe wie Oh! und Voest! und noch alles Mögliche hört.

Meine Damen und Herren und speziell du, Kollege Hammer, hört mir jetzt bitte zu! Wir haben eine Situation in Österreich, von der mindestens 2 000 Men­schen betroffen sind, die um ihre Existenz fürchten, 2 000 Menschen, die von einem Tag auf den anderen nicht wissen, wie es weitergehen soll. Und auch wenn ihnen hier versprochen wird, dass es in Oberösterreich 1 450 freie Plätze im Handel gibt, weiß eine Beschäftigte aus Altenberg, die beim Lei­ner in Linz arbeitet, jetzt nicht, ob sie dann vielleicht den nächsten Job in Bad Goisern bekommt, den sie aber nicht annehmen kann, weil sie ein Kinder­gartenkind hat und der Kindergarten vielleicht um 13 Uhr zusperrt. Da stehen ja


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viele, viele Probleme dahinter. Und wir sitzen hier herinnen in diesem
Haus, das sich mit dieser Problematik befassen sollte, und hören ständig, der Gusenbauer, der Huber, der Maier oder sonst irgendjemand könnte daran schuld sein. (Beifall bei der SPÖ.)

Ja, meine Damen und Herren, da geht es um Menschen! Reden wir einmal von den Menschen, reden wir einmal von dieser Thematik, die da ist! Schlagen
wir doch Lösungen vor! – Die Lösungen sind ja mit diesem Entschließungsantrag gekommen, aber den nimmt man nicht zur Kenntnis, weil der von einer
anderen Partei ist, da kann man nichts machen. Dort sind sehr wohl gute Lösun­gen drin!

Wissen Sie, was ich mir erwartet hätte, zum Beispiel von Kollegen Egger oder von Ihnen, lieber Herr Kollege? – Dass wir hier in diesem Haus hinterfra­gen: Wieso fordern wir Herrn René Benko nicht auf, einen freiwilligen Sozialplan für die Beschäftigten zu erstellen und zumindest die Hälfte des Gewinns,
den er eingestreift hat, für diesen Sozialplan zur Verfügung zu stellen? (Beifall bei der SPÖ.) Eines nämlich hat er ganz genau gewusst, der liebe Herr, meine
Damen und Herren: Er braucht von Gesetzes wegen keinen Sozialplan zu ma­chen, denn bei einer Insolvenz gibt es das nicht. Daher hat er sich auch
da herausgeschlichen. Genau das sind die Lücken, die wir im Insolvenzgesetz haben, die wir auch schließen müssen, damit wirklich alle Betroffenen
zu ihren Rechten kommen.

Auch wenn jetzt Jobs frei sind, lieber Herr Arbeitsminister, der:die Beschäftigte kann nicht so einfach einen Job annehmen, denn wenn er:sie jetzt kündigt, verliert er:sie all seine:ihre Ansprüche. Auch wenn ihnen jetzt ein Job angeboten wird – sie müssen einmal abwarten, wie es mit diesem Verfahren ausschaut,
was los ist, ob das bei dem Ganzen überhaupt geht, meine Damen und Herren! (Abg. Haubner: Das stimmt ja nicht! Das stimmt ja alles nicht!)

Ich kann Ihnen nur sagen: Auch im Handel sind die Jobs nicht alle gleich. Schauen Sie sich das doch an! Man kann einem wirklich qualifizierten Verkäufer


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im Möbelhandel nicht einfach sagen, er soll in den Lebensmittelhandel wechseln und dort eben etwas anderes verkaufen. (Abg. Haubner: Hast du nicht aufgepasst?) Das wäre dasselbe, wie einem Mechatroniker, der den Job verliert, zu sagen, er soll halt Bauschlosser werden. Das geht einfach nicht, dafür braucht es Maßnahmen, es wären Stiftungen einzurichten, Umschulungen
zu machen. Und das ist das, was wir auch machen können, was wir hier in die­sem Haus auch beschließen können. (Beifall bei der SPÖ.)

Wie gesagt, es sind sehr, sehr viele persönliche Schicksale dahinter, Menschen, die vor den Trümmern ihrer Existenz stehen. Ich würde mir wirklich erwar­ten, dass wir hier in diesem Haus diesen geldgierigen Investmenthaien, die über­all herumschwimmen, endlich zeigen, dass wir mit diesen miesen Prakti­ken, die sie machen, womit sie wirklich - - (Abg. Schmidhofer: Gusenbauer!) – Ist mir wurscht, wer das ist! Das kann der Gusenbauer, der Huber und der
Maier sein (Abg. Michael Hammer: Genossen!), das spielt keine Rolle (Abg. Schmid­hofer: Aber es ist der Gusenbauer!), sondern es geht darum, die Beschäftigten,
die davon betroffen sind, wirklich zu stützen. Das würde ich mir erwar­ten, anstatt ständig bei dem einen und dem anderen den Kübel draufzuhauen. (Beifall bei der SPÖ.)

17.14


17.14.50

Präsidentin Doris Bures: Jetzt ist dazu niemand mehr zu Wort gemeldet, und somit ist die Debatte geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Selbständigen Antrag 3436/A(E) der Ab­geordneten Herr, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Jobgarantie für die
von der Massenkündigung bei Kika/Leiner betroffenen Beschäftigten durch die Bundesregierung“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem die Zustimmung geben, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.


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Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Julia Herr, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Einführung einer Millio­närssteuer“.

Wer spricht sich für diesen Entschließungsantrag aus? – Das ist die Minderheit, abgelehnt. (Abg. Ries: Das wird den Gusenbauer nicht freuen!)

17.15.45Fortsetzung der Tagesordnung


Präsidentin Doris Bures: Somit nehme ich die Verhandlungen über den 13. Ta­gesordnungspunkt wieder auf.

Ich möchte Ihnen nur sagen, dass zurzeit nur eine Rednerin zu Wort gemeldet ist und wir sofort wieder zu Abstimmungen kommen würden.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Karin Greiner. – Sie haben das Wort. Bitte.


17.16.06

Abgeordnete Mag. Karin Greiner (SPÖ): Frau Präsidentin! Hohes Haus! In der vorangegangenen Debatte standen 2 000 Personen im Mittelpunkt, die möglicherweise ihren Job verlieren, und vielleicht sieht man jetzt die aktuelle Debatte zum Licht-ins-Dunkel-Zuwendungsgesetz auch in einem
anderen
Licht.

Es war voriges Jahr im November, als die Regierungsspitze bei einer Gala zu Licht ins Dunkel vor zahlreich vertretenen Medien kundgetan hat: Wir verdoppeln die Spenden! – Es haben mich dann zahlreiche Besucher:innen und Bürger:innen gefragt: Ja, können die das einfach so?, und das hat mich sehr nachdenklich gestimmt. Warum, was ist mit dieser Ansage: Wir verdoppeln die Spenden!, passiert, was wurde da vermittelt? – Es wurde eben vermittelt,
dass Sie das einfach so können, sprich, willkürlich Zusagen darüber machen, wie Steuergeld eingesetzt wird.


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Jetzt sind wir uns, glaube ich, alle hier in diesem Saal einig, die Aktivitäten, die von Licht ins Dunkel ausgehen, soziale Projekte für Menschen mit Behin­derung, die Bedeutung, auch die Wichtigkeit stehen außer Zweifel. Ist es aber notwendig, dass die Spitze der Regierung Willkür vermittelt, zumal wir alle wissen, dass Familien gravierende Probleme mit Überteuerungen, mit Inflation, mit viel zu hohen Kosten im alltäglichen Leben haben und im aktuellen Fall 2 000 Menschen nicht wissen, wie es mit ihren Jobs weitergeht?

Die Aktivitäten über Licht ins Dunkel stehen außer Zweifel, sind eminent wichtig, aber bitte, liebe Regierungsspitze: in Zukunft keinerlei Zusagen ohne Budgetbedeckung und keinerlei Zusagen, die auch nur den Verdacht von Willkür entstehen lassen! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

17.18


17.18.05

Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht
der Fall.

Somit gelangen wir nun zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 2068 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die dem die Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit so angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung. – Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung angenommen.

17.18.4414. Punkt

Bericht des Budgetausschusses über den Antrag 3410/A der Abgeordneten Mag. Wolfgang Sobotka, Doris Bures, Ing. Norbert Hofer, Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA, Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Parlamentsgebäudesanierungsgesetz


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geändert und ein Bundesgesetz, mit dem eine Ermächtigung zur Überschreitung der Höchstgrenzen des Parlamentsgebäudesanierungsgesetzes erteilt
wird, erlassen wird (2067 d.B.)


17.18.45

Präsidentin Doris Bures: Wir kommen zum 14. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort ist dazu niemand gemeldet.

Damit kommen wir gleich zur Abstimmung.

Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 2067 der Beilagen: Wer sich dafür ausspricht, den bitte ich um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist einstimmig so angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung. – Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung einstimmig angenommen.

17.19.5215. Punkt

Bericht des Umweltausschusses über den Antrag 3428/A der Abgeordneten Johannes Schmuckenschlager, Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA, Kolleginnen
und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den regionalen Klimabonus (Klimabonusgesetz – KliBG) geändert wird (2071 d.B.)

16. Punkt

Bericht des Umweltausschusses über den Antrag 3254/A(E) der Abgeordneten Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Klimabonus für ver­urteilte Straftäter inklusive Antragsservice abschaffen (2072 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Wir kommen nun zu den Tagesordnungspunkten 15 und 16, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll219. Sitzung, 219. Sitzung des Nationalrats vom 14. Juni 2023 / Seite 336

Ich begrüße die Frau Bundesministerin im Hohen Haus.

Ich erteile Frau Abgeordneter Elisabeth Feichtinger das Wort. – Bitte.


17.20.42

Abgeordnete Elisabeth Feichtinger, BEd BEd (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen und Zuseher hier und vor
den Fernsehbildschirmen! Heute wird von den Regierungsparteien die Auszah­lung des Klimabonus 2023 beschlossen. Beim Klimabonus 2022 gab es
aus unserer Sicht aber leider einiges aufzuzeigen, das nicht funktioniert hat. Spe­ziell die Probleme bei der Auszahlung des Klimabonus 2022 waren ein Riesenthema. Es gibt nämlich Personen, die diesen Klimabonus noch immer nicht erhalten haben – und das, obwohl sie eindeutig anspruchsberechtigt sind.

Der erste Weg zur Lösung dieses Problems wäre natürlich, im Internet zu schauen, wie man das Problem lösen kann, wie man zu seinem Geld kommt. Was aber machen die Menschen, die keinen Internetzugang haben? Ohne
Hilfe von anderen ist es schwierig, diese Telefonnummern herauszufinden und die Servicehotline dann anzurufen.

Haben Sie diese Hürde erst einmal geschafft, kommen Sie zu sehr netten Mitar­beiterinnen und Mitarbeitern am Telefon. Diese können Ihnen aber auch
nur bis zu einem gewissen Grad helfen, dann sind ihnen die Hände gebunden, weil nämlich Personen, die den RSA-Brief mit diesen Sodexo-Gutscheinen
nicht erhalten haben, wieder einmal ins Internet einsteigen, ein Formular ausfül­len und dann noch einen Scan eines Ausweises anhängen müssen – dafür braucht man auch wieder, wie vorhin gesagt, einen digitalen Zugang, und das ist ein riesengroßes Problem.

Wir haben es schon im Ausschuss besprochen und ich muss auch hier noch einmal darauf hinweisen, dass das ein Riesenthema ist, wie auch die Handysignatur sowie Finanzonline, weil es einfach nicht jeder hat. (Beifall
bei der SPÖ.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll219. Sitzung, 219. Sitzung des Nationalrats vom 14. Juni 2023 / Seite 337

Digitalisierung ist grundsätzlich zu befürworten. Es sollte aber immer sicherge­stellt werden, dass für die Menschen in Österreich auch analoge Lösun­gen angeboten werden. Es gibt verschiedenste Gründe, warum manche Men­schen keinen Internetzugang haben – sei es aus Kostengründen, aber auch, weil man vielleicht technisch nicht so versiert ist. Auf diese Menschen, Frau Ministerin, dürfen wir definitiv nicht vergessen. Der Gesetzgeber darf nicht davon ausgehen, dass alle Bürgerinnen und Bürger einen Internetzugang haben.

Außerdem stellt sich für mich tatsächlich die Frage, warum 100 000 RSA-Briefe nicht bei den Menschen angekommen sind. Es sind rund 1,2 Millionen Briefe ausgesendet worden, und es gibt eine Riesenquote an Briefen, die nicht bei den Menschen angekommen sind. Gab es Probleme bei der Zustellung der RSA-Briefe? Das würde mich interessieren. Haben wirklich alle eine Benach­richtigung erhalten, dass ihr RSA-Brief bei der Post zum Abholen bereitliegt?

Auch die Wartezeit auf den Klimabonus 2022 war wirklich unglaublich unterschiedlich, selbst innerhalb des gleichen Hauptwohnsitzes. Es gibt Fälle, in denen Österreicherinnen und Österreicher ihren Hauptwohnsitz durchge­hend in Österreich hatten und die Auszahlung erst im Jänner 2023 erhalten ha­ben. Auch da würde mich interessieren: Warum gab es diese Verzögerungen?

Liebe Mitglieder der Regierung und der Regierungsparteien, wir wünschen uns – und es ist Ihre Aufgabe, dafür zu sorgen – eine reibungslose Auszahlung
des Klimabonus 2023. Im Sinne der Bürger:innen hoffen wir, dass das dieses Mal wirklich funktioniert. (Beifall bei der SPÖ.)

17.23


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Schmuckenschlager. – Bitte. (Rufe bei der ÖVP: Rauch! Was ist mit Rauch?) –
Herr Abgeordneter Schmuckenschlager. (Ruf bei der ÖVP: Er kommt schon!) – Ich habe ihn schon gesehen, danke. – Bitte, Sie sind am Wort. (Rufe bei der
ÖVP: Rauch! Was ist mit Rauch?) –
Er wurde gestrichen. (Ruf bei der ÖVP: Wir dachten, Rauch kommt dran!) – Ich auch, aber die Parlamentsdirektion


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll219. Sitzung, 219. Sitzung des Nationalrats vom 14. Juni 2023 / Seite 338

ist da dankenswerterweise immer ganz am letzten Stand, hoffe ich doch, und daher: Herr Abgeordneter Schmuckenschlager.


17.24.35

Abgeordneter Johannes Schmuckenschlager (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Bun­desministerin! Da fügen wir uns natürlich dem Urteil der Präsidentin – und
es ist ja auch gut, ein bisschen Redezeit zu bekommen.

Geschätzte Damen und Herren, es geht in der jetzigen Debatte um das Klima­bonusgesetz. Der Klimabonus ist ja seitens der Regierungsfraktionen ein­geführt worden, um die Frage rund um die CO2-Bepreisung von Treibstoff ent­sprechend sozial abzufedern und da auch zu unterstützen, sodass wir so­zusagen zwei Probleme gemeinsam lösen können: einerseits die große Ambition, CO2 aus dem Verkehrssystem hinauszubekommen, eine Bepreisung dazu­zufügen, und andererseits aber abzufedern, dass es nicht zu große Belastungen für die einzelnen Bürger sind. Das hat sich im vergangenen Jahr als abso­lutes Erfolgsmodell herausgestellt.

Nun wollen wir das weiterschreiben, auch im ursprünglichen Sinne, sodass wir mit einem Pauschalbetrag von 110 Euro und dann mit dem sogenannten Regionalausgleich noch einmal auf spezifische Gegebenheiten, Distanzen, länd­lichen Raum et cetera eingehen und noch einen Zuschlag haben.

Das ganze System wird dann über den Klimabonus abgewickelt, und der Zugang zu diesem Bonus soll noch vereinfacht werden. Ich glaube, nach den anfäng­lichen Problemen da und dort hat sich das aber sehr gut etabliert, und
wir können auf diesem Wege sicherlich weitergehen.

Ein weiteres Problem lag auch in der Frage, wem dieser Klimabonus letztendlich zusteht und wer Anspruch auf den Klimabonus hat. Auch da sind wir jetzt
noch einmal klarer geworden und haben eine Spezifizierung vorgenommen. Das betrifft einerseits Häftlinge, die längere Zeit in Österreich in Haft sind –


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diese sind ab einer gewissen Zeit vom Anspruch ausgeschlossen –, und anderer­seits auch Personen, die Aufenthalt in Österreich genießen – da haben
wir natürlich auch darauf geschaut, dass wir das ganz genau regeln.

Darum darf ich auch einen entsprechenden Abänderungsantrag einbringen – ich lese ihn vor –:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA, Johannes Schmuckenschlager, Kolleginnen und Kollegen

zum Bericht des Umweltausschusses über den Antrag 3428/A der Abgeordneten Johannes Schmuckenschlager, Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den regionalen Klimabonus (Klimabonusgesetz – KliBG) geändert wird (2071 d. B.) – TOP 15

Der Nationalrat wolle in 2. Lesung beschließen:

Der Antrag 3428/A der Abgeordneten Johannes Schmuckenschlager, Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Bundesgesetz über den regionalen Klimabonus (Kli­mabonusgesetz – KliBG) geändert wird, in der Fassung des Berichtes des Um­weltausschusses (2071 d.B.) wird wie folgt geändert:

1. In Z 2 lautet die Novellierungsanordnung: „2. § 2 Abs 4 bis 6 lautet:“ und es wird vor Absatz 5 folgender Absatz 4 eingefügt:

„(4) An Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, wird der Klima­bonus nur dann ausbezahlt, wenn sie sich nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, rechtmäßig in Österreich aufhalten oder sie über einen gültigen, befristeten Aufenthaltstitel, oder einen un­befristeten Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt-EU“ nach dem Niederlassungs-


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll219. Sitzung, 219. Sitzung des Nationalrats vom 14. Juni 2023 / Seite 340

und Aufenthaltsgesetz, BGBl. I Nr. 100/2005, oder einen Aufenthalts­titel „Artikel 50 EUV“ verfügen oder gegen sie als EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige keine aufenthaltsbeen­dende Maßnahme aufrecht ist.“

2. In Z 5 wird in § 5 Abs. 1 Z 1 die Wortfolge „das Vorliegen einer österrei­chischen Staatsbürgerschaft“ durch die Wortfolge „die Staatsange­hörigkeit“ ersetzt.

*****

Damit wollen wir sicherstellen, dass nur all jene Personen einen Klimabonus erhalten, die auch rechtmäßig in Österreich aufhältig sind. Ich glaube,
das ist ganz, ganz wesentlich. Die Änderung soll auch den zuständigen Minis­terien ermöglichen, miteinander zu kommunizieren, entsprechend auf
Daten zuzugreifen.

Somit haben wir den Klimabonus noch weiterentwickelt, verbessert und können den Weg in die Zukunft getrost vorangehen, nämlich mit dem großen Ziel,
CO2 aus dem Verkehrssektor noch stärker herauszubringen.

Ich möchte heute auch noch eine Anregung bringen, und zwar, dass wir vielleicht auch dort, wo wir über die CO2-Besteuerung diskutieren, gerade im Bereich
des Treibstoffes, dort, wo wir mit E10 10 Prozent Beimischung im Benzin haben, oder bei der Dieselbeimischung, jene Teile der Beimischung, die aus er­neuerbaren und regenerativen Treibstoffen bestehen, noch steuerlich begüns­tigen; dann könnten wir den Treibstoff noch billiger machen.

Das werden wir aber noch im Zusammenhang mit anderen Materien diskutieren können. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

17.29

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll219. Sitzung, 219. Sitzung des Nationalrats vom 14. Juni 2023 / Seite 341

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Jakob Schwarz, Johannes Schmuckenschlager, Kolleginnen und Kollegen

zum Bericht des Umweltausschusses über den Antrag 3428/A der Abgeordneten Johannes Schmuckenschlager, Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den regionalen Klimabonus (Klimabonusgesetz – KliBG) geändert wird (2071 d.B.)

Der Nationalrat wolle in 2. Lesung beschließen:

Der Antrag 3428/A der Abgeordneten Johannes Schmuckenschlager, Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem
das Bundesgesetz über den regionalen Klimabonus (Klimabonusgesetz – KliBG) geän­dert wird, in der Fassung des Berichtes des Umweltausschusses (2071 d.B.)
wird wie folgt geändert:

1. In Z 2 lautet die Novellierungsanordnung: „2. § 2 Abs 4 bis 6 lautet:“ und es wird vor Absatz 5 folgender Absatz 4 eingefügt:

„(4) An Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, wird der Klimabonus nur dann ausbezahlt, wenn sie sich nach den Bestimmungen des Asylgeset­zes 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 rechtmäßig in Österreich aufhalten oder sie über einen gültigen, befristeten Aufenthaltstitel, oder einen unbefristeten Aufent­haltstitel „Daueraufenthalt-EU“ nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, BGBl. I Nr. 100/2005, oder einen Aufenthaltstitel „Artikel 50 EUV“ verfügen
oder gegen sie als EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsan­gehörige keine aufenthaltsbeendende Maßnahme aufrecht ist.“

2. In Z 5 wird in § 5 Abs 1 Z 1 die Wortfolge „das Vorliegen einer österreichischen Staatsbürgerschaft“ durch die Wortfolge „die Staatsangehörigkeit“ ersetzt.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll219. Sitzung, 219. Sitzung des Nationalrats vom 14. Juni 2023 / Seite 342

Begründung

Mit der Änderung in § 2 Abs. 4 soll sichergestellt werden, dass alle Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, sich aber auf Basis der verschiedenen mögli­chen Rechtsgrundlagen legal in Österreich aufhalten und die Anspruchsvorausset­zung des § 2 Abs. 1 erfüllen, Anspruch auf den Klimabonus erhalten. Ein Aus­schluss dieser Personen vom Bezug des Klimabonus ist im Umkehrschluss in jenen Fällen vorgesehen, in denen kein gültiger Aufenthaltstitel vorliegt oder eine aufenthaltsbeendende Maßnahme aufrecht ist. Mit der Anpassung in § 5 Abs. 1 Z 1 wird die gegenständliche Anpassung auch datenseitig nachgezogen.

*****


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Walter Rauch.

Herr Abgeordneter Bernhard, durch die Streichung eines Pro-Redners
hat sich die Reihenfolge der Pro- und Contra-Redner verschoben.

Bitte, Herr Abgeordneter.


17.30.03

Abgeordneter Walter Rauch (FPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Hohes Haus! So leicht lässt sich die eine oder der andere irritieren – nein, Spaß beiseite.

Zum Klimabonus - -


Präsidentin Doris Bures: Entschuldigung, Herr Abgeordneter.

Den Abänderungsantrag, den Herr Abgeordneter Schmuckenschlager einge­bracht hat, habe ich in der Hand. Er ist ordnungsgemäß eingebracht, steht mit in Verhandlung. – Jetzt sind Sie am Wort.


Abgeordneter Walter Rauch (fortsetzend): Der Klimabonus: Kollege Schmuckenschlager hat schon ausgeführt, wer ihn in Zukunft nicht mehr bekommen soll – das wäre eigentlich von Haus aus ein logischer


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Zugang gewesen, dass ihn Häftlinge nicht bekommen dürfen. (Zwischenruf
bei der ÖVP.)

Wir setzen noch eines drauf, nämlich dass natürlich auch Asylanten oder auch Scheinasylanten diesen Klimabonus nicht bekommen sollen. Warum, was
ist die Begründung? – Auszahlungsgrund für den Klimabonus war immer, dass es natürlich aufgrund der CO2-Steuer eine Mehrbelastung für die Bevölke­rung gibt – für die arbeitende Bevölkerung. Was ist in diesem Fall der Grund? – Asylanten und Häftlinge leben auf Kosten des Staates in der Sozialhilfe,
und daher ist dieses Faktum einmal generell falsch.

Wir lehnen aber den Klimabonus insgesamt aus einem wesentlichen Grund ab, Frau Bundesminister, nämlich weil wir auch die CO2-Steuer ablehnen.
Die CO2-Steuer ist ein Preistreiber, und das ist die grüne Inflation, Herr Kollege Hammer. Das ist die grüne Inflation, die Sie unverhältnismäßig gegenüber anderen Staaten in Europa nach Österreich tragen. Diesen Vorwurf müssen Sie sich gefallen lassen. (Beifall bei der FPÖ.)

Der Klimabonus wird in unterschiedlichen Regionen, dementsprechend auch in unterschiedlicher Höhe – mit Prozentzahlen, die Grundbasis sind
110 Euro – ausbezahlt. Wenn man die Regionen genau filetiert und jetzt meine Heimatgemeinde Bad Radkersburg ganz im Süden, Südosten der Steier­mark hernimmt, so sieht man, diese bekommt einen geringeren Klimabonus als alle anderen Gemeinden davor – das sind Halbenrain, Mureck, alle an der südlichen Grenze; Sie kennen sich aus, Sie kommen ja auch aus der Steiermark. Sie liegt aber auf der gleichen infrastrukturellen Linie des öffentlichen Ver­kehrs. Das wäre jetzt zu begründen, warum in bestimmten Regionen oder Gebie­ten jemand mehr oder weniger kriegt. Es ist unrealistisch, unfair und unso­zial, einerseits.

Aber auch wenn man in Ballungsräumen wohnt – in Graz, Linz, Sankt Pölten; auch Wien kann man theoretisch hernehmen – und nicht einpendelt, kriegt man


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einen geringeren Klimabonus. Pendelt man aber von Wien aus, hat
man auch einen Nachteil, weil man ja höhere Kosten hat.

Der Punkt ist: Sie finanzieren in eine Richtung, aber nicht in die andere. Daher ist dieser Bonus abzulehnen und zu streichen, auch im Sinne dessen, dass wir
diese CO2-Steuer ablehnen. (Beifall bei der FPÖ.)

Auf einen wesentlichen Punkt möchte ich noch eingehen, weil er sehr aktuell ist: Sie und Ihre Fraktion übernehmen auch sehr viel von den Grünen in Deutschland, das sind regierungstechnisch Ihre Vorbilder. (Abg. Weratschnig: Umgekehrt! Der Klimabonus ist Vorbild für Deutschland!) Sie werden auch
von einer Dame aus Deutschland, falls das noch aktuell sein sollte, beraten. Um aber dem, was Ihre deutschen Kollegen jetzt vorschlagen, gleich vorzu­bauen, bringe ich folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Nein zum Sanierungszwang und zum Verbot von Öl- und Gasheizungen“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie werden aufgefor­dert, von Plänen, die zu einem Sanierungszwang für Gebäude sowie zu einem De-facto-Verbot von Öl- und Gasheizungen führen und die österreichi­schen Haus- und Wohnungseigentümer ökonomisch völlig überfordern würden, Abstand zu nehmen und auf EU-Ebene gegen solch eigentumsfeindliche Tendenzen entschieden aufzutreten.“

*****

Warum komme ich auf diesen Antrag? – Ganz einfach: Diesen Vorschlag machen die Grünen in der Bundesregierung in Deutschland. Das heißt im Endeffekt:


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Die Bürger, die sich diese Maßnahmen nicht leisten können, werden in dieser Art und Weise zwangsbeglückt. Warum? – Ihr Faktor – so auf die Art mit den überschlagsmäßigen Förderungen – ist recht und schön, nur wenn man in einem Haushalt oder in einem Gebäude eine Heizungsumstellung finanzieren
muss, liegt das weit, weit über den Kosten, die Sie irgendwann fördern wollen. Daher Nein dazu. (Beifall bei der FPÖ.)

17.35

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Walter Rauch, MMMag. Dr. Axel Kassegger, Petra Steger

und weiterer Abgeordneter

betreffend Nein zum Sanierungszwang und zum Verbot von Öl- und Gasheizungen

eingebracht im Zuge der Debatte zum Bericht des Umweltausschusses über den An­trag 3428/A der Abgeordneten Johannes Schmuckenschlager, Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den regionalen Klimabonus (Klimabonusgesetz – KliBG)
geändert wird (2071 d.B.) (TOP 15).

Die Inflation ist für viele Menschen in Österreich bereits zur Armutsfalle geworden. Während die meisten Bürger sich Gedanken darüber machen müssen, wie sie
Monat für Monat über die Runden kommen, befeuern ÖVP und Grüne die Inflation durch die CO2-Strafsteuer als politische Teuerungsmaßnahme immer weiter.
Die deutsche Ampel-Regierung hat einstweilen schon den nächsten ideologischen Angriff auf die Bevölkerung durchgeführt:

Das neue deutsche Gebäudeenergiegesetz ist ein Schlag ins Gesicht aller fleißigen Bürger. Wohl schon ab 2024 soll im Hauruckverfahren durchgedrückt
werden, was die meisten sich bis vor Kurzem nicht hätten vorstellen können. Öl- und Gasheizungen soll der Garaus gemacht werden. Ab 2024 sollen dafür alle neu


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installierten Heizungen zu mindestens 65 % mit sogenannten „erneuerbaren Ener­gien“ betrieben werden müssen. Bestandsheizungen dürfen zwar weiter
betrieben werden – doch hier drohen unbezahlbare Preise. Gas und Öl sollen inner­halb weniger Jahre so sehr im Preis steigen, dass viele Hausbesitzer vor die
Wahl zwischen zwei Übeln gestellt werden: Entweder sie bezahlen astronomische Kosten für Gas bzw. Öl – oder sie müssen ihre voll funktionstüchtige
Heizung zugunsten einer Wärmepumpe entsorgen. Hausbesitzern drohen fünfstellige Investitionen oder der Verlust des Hauses. Für Mieter bedeutet es unweigerlich
noch viel höhere Mieten.1

Im EU-Parlament wurden zudem teure Sanierungspflichten für Altbauten beschlos­sen, damit Gebäude europaweit bis 2050 den selbstgesetzten Klimaschutz­zielen gerecht werden. Österreichischen Hausbesitzern drohen dadurch weitreichen­de Konsequenzen: Rund drei Viertel der Gebäude in Österreich wurden vor
dem Jahr 1990 errichtet. Davon gelten etwa 60 Prozent aus energetischer Sicht als sanierungsbedürftig. Die betroffenen Haushalte müssen mit Kosten in der
Höhe von zehntausenden Euro rechnen. Für ältere, ungedämmte Gebäude drohen zudem gravierende Wertverluste. Während Bundeskanzler Nehammer diese
Pläne vordergründig als „völlig weltfremd“ kritisiert,2 hat sein Parteifreund Othmar Karas der Vorlage in Brüssel zugestimmt.3

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere die Bundesministerin für Klimaschutz, Um­welt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie werden aufgefordert,
von Plänen, die zu einem Sanierungszwang für Gebäude sowie zu einem De-facto-Verbot von Öl- und Gasheizungen führen und die österreichischen Haus-
und Wohnungseigentümer ökonomisch völlig überfordern würden, Abstand zu neh­men und auf EU-Ebene gegen solch eigentumsfeindliche Tendenzen entschie­den aufzutreten.“


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1     https://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/703604/Ampel-einigt-sich-beim-Heizungsgesetz-Union-uebt-schwere-Kritik

2     https://www.bild.de/politik/ausland/politik-inland/oesi-kanzler-lehnt-eu-plaene-ab-zwangssanierung-von-haeusern-voellig-weltfremd-83243174.bild.html

3     https://howtheyvote.eu/votes/9772

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß einge­bracht und steht mit in Verhandlung.

Nächster Redner: Herr Abgeordneter Jakob Schwarz. – Bitte.


17.35.39

Abgeordneter Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA (Grüne): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Kollege Rauch hat die Frau Ministerin gebeten, das EWG nicht einzubringen – es
ist bereits eingebracht, wir verhandeln es im Parlament, falls das noch nicht bis zur FPÖ vorgedrungen ist. Ich werde dann gleich noch einmal darauf ein­gehen. Warum das EWG sehr wichtig ist, hat auch etwas mit dem Klimabonus und der ökosozialen Steuerreform zu tun – darauf komme ich am Ende
noch zu sprechen.

Zu Beginn ist es mir wichtig, festzuhalten, was wir heute beschließen, nämlich die Grundlage für den Klimabonus 2023. Der Beschluss heute und sozusagen ein paar Maßnahmen rundherum tragen dazu bei, dass die ökosoziale Steuerre­form in Summe noch einmal treffsicherer wird.

Das ist aus meiner Sicht insbesondere drei Punkten geschuldet: Der eine ist, wir erhöhen den Klimabonus um mehr, als die CO2-Bepreisung steigt, also um 10 Prozent – mindestens 110 Euro kriegt jede:r Österreicher:in und
jeder Mensch, der in Österreich lebt, die Kinder die Hälfte.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll219. Sitzung, 219. Sitzung des Nationalrats vom 14. Juni 2023 / Seite 348

Zweitens: Wir werden zusätzliche Kontodatensätze verwenden können. Das heißt, schon jetzt sind von den 8,6 Millionen Zahlungen, die erfolgt sind, 7,4 Millionen vollautomatisch erfolgt. Alle Klimaboni werden antragslos und vollautomatisch ausgezahlt, aber 7,4 Millionen von diesen 8,6 Millionen
sind direkt auf die Konten überwiesen worden, nur der Rest über diese Gut­scheine, und dieser Anteil der direkt auf Konten überwiesenen Klima­boni wird noch einmal steigen.

Drittens: Der Urban-Rural-Index der Statistik Austria wird noch einmal feiner ge­gliedert und für den Klimabonus zur Verfügung gestellt. Deshalb können
wir jetzt auch innerhalb von Wien genauer auflösen, wie weit die CO2-Beprei­sung mit Kosten für Menschen verbunden ist, und deshalb auch den Klima­bonus entsprechend anpassen.

Das sind also drei Maßnahmen, die diesen Klimabonus und damit insgesamt die CO2-Bepreisung treffsicherer und besser machen. (Beifall bei den Grünen
und bei Abgeordneten der ÖVP.)

In Richtung SPÖ gerichtet noch einmal, warum die CO2-Bepreisung wichtig ist – da ist aber auch etwas für die FPÖ dabei –: Einerseits ist es wissenschaft­lich sehr klar, denn es gibt keine namhaften Klimaforscherinnen oder Klimafor­scher, die sagen, es brauche nicht zumindest auch eine CO2-Bepreisung,
es gibt quasi keinen Klimaplan, der das nicht beinhaltet. Zweitens ist es auch so, dass die Empirie sagt, dass es das braucht. Es gibt mittlerweile in sehr, sehr vielen Ländern CO2-Bepreisungssysteme, 61 Systeme insgesamt. Davon sind die Hälfte Emissionshandelssysteme, die andere Hälfte sind CO2-Steuersysteme. Und sogar China, auf das die FPÖ immer so gerne wartet, wenn es um Klimaschutz geht, weil man ja beim Klimaschutz nicht nur Schlusslicht in Europa, sondern auch Schlusslicht auf der ganzen Welt sein könnte, hat eine CO2-Bepreisung eingeführt: 2 000 Kraftwerke sind mittlerweile erfasst. – So viel auch zu diesen Kohlekraftwerken, die Sie immer wieder einbringen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll219. Sitzung, 219. Sitzung des Nationalrats vom 14. Juni 2023 / Seite 349

Gleichzeitig muss man sicherstellen, dass die CO2-Bepreisung nicht dazu führt, dass Menschen, die nicht unmittelbar aus den Emissionen herauskommen,
durch diese Mehrkosten dann Schwierigkeiten haben, mit ihrem Einkommen auszukommen. Da kommt eben genau der Klimabonus ins Spiel: Wir ha­ben das so aufgesetzt, dass nur 10 Prozent der bestverdienenden Österreiche­rinnen und Österreicher quasi weniger aus dem Klimabonus herauskrie­gen, als sie in die CO2-Bepreisung einzahlen. Alle anderen profitieren und haben durch den Klimabonus mehr als die Mehrkosten durch die CO2-Bepreisung abgedeckt. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich komme jetzt auf die Staffelung zu sprechen, die von Ihnen vorhin kritisiert worden ist, die auch gleich von meinem Nachredner kritisiert werden
wird und die sozusagen die Voraussetzung dafür ist, dass das überhaupt möglich ist. Damit das möglich ist, müssen wir schauen, wo Emissionen entstehen,
die in kurzer Frist sehr schwer abzubauen sind. Das ist insbesondere bei der Mo­bilität, bei der Frage der Versorgung mit Gütern des täglichen Bedarfs der
Fall. Das betrifft Menschen, die zum Beispiel in ländlichen Regionen wohnen, das betrifft auch – Richtung SPÖ – Mieterinnen und Mieter, die sich die Gas­heizung nicht ausgesucht haben, aber insbesondere in der Mobilität ist es mit sehr, sehr hohen Kosten verbunden, weil ich das Auto nicht unmittelbar tauschen kann. Deshalb ist es wichtig, das zu staffeln.

Dieser Index, den wir da heranziehen, setzt in erster Linie darauf auf, wie hoch die Bevölkerungsdichte in einem gewissen Gebiet ist, und deshalb ist es
quasi logisch, dass, wenn man den Weg zur Behörde, zur Schule, zum Super­markt, zum eigenen Job zu Fuß gehen kann, man nicht einmal ein Auto braucht – man kann immer noch mit dem Auto fahren, dann zahlt man halt die CO2-Bepreisung, aber man bräuchte es nicht einmal –, die Emissionen dann natürlich niedriger sein werden als irgendwo, wo man 15 Minuten zum nächsten Supermarkt fahren muss. Das hat schon eine gewisse Berechtigung, und erst in zweiter Ordnung kommt dann die Frage der Verfügbarkeit der öffentli­chen Verkehrsmittel dazu.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll219. Sitzung, 219. Sitzung des Nationalrats vom 14. Juni 2023 / Seite 350

Letzter Punkt, der Einwand: Was ist mit den Mieterinnen und Mietern mit
der Gasheizung? Die sind ja genauso betroffen. Wenn man am Land aufgewachsen ist, kann man ja nichts dafür, dass man dort wohnt und es weit zum Supermarkt hat, aber auch wenn man als Mieter:in eine Gasheizung
vom Vermieter mitkriegt, kann man sich das ja auch nicht aussuchen, und des­halb ist dieses EWG so wichtig.

Damit haben dann die Vermieter auch die Aufgabe, ihre Heizungssysteme
zu tauschen, und das ist auch der Grund, warum es umso schmerzhafter ist, dass die SPÖ da in den letzten Wochen blockiert hat. Ich hoffe, dass diese Blo­ckade tatsächlich bald aufgegeben wird und wir auch dort einen Schritt weiter­kommen. 
Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten
der ÖVP.)

17.41


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Michael Bern­hard. – Bitte.


17.41.14

Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Ja, geschätzte Kolleginnen und Kol­legen, Kollege Schwarz hat es eh schon angekündigt, dass wir den Klima­bonus kritisch sehen. Ich möchte vielleicht ein paar allgemeine, grundsätzliche Gedanken zum Klimabonus vorneweg schicken.

Das eine ist – und das ist, glaube ich, hinreichend bekannt –, dass wir uns zu dem durchaus sportlichen Klimaziel, in Österreich bis 2040 klimaneutral zu sein, bekennen und wissen, dass es dafür massive Maßnahmen braucht und viele da­von heute noch gar nicht vorhanden sind. Dass ein Teil dieser Maßnahmen
eine CO2-Besteuerung sein muss, ist unbestritten, dass der CO2-Preis, der heute da ist, nicht dafür ausreichen wird, auch. Es war aber in der Vergangenheit,
als jetzt die Energiepreise so explodiert sind, tatsächlich auch ein Glück, dass dieser nicht höher war.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll219. Sitzung, 219. Sitzung des Nationalrats vom 14. Juni 2023 / Seite 351

Die Frage ist ja: Will man den Menschen davor die CO2-Steuer sozusagen tat­sächlich einfach verrechnen und auf der anderen Seite einfach andere
Steuern reduzieren – Einkommensteuer, Mehrwertsteuer, Lohnnebenkosten –, damit von Haus aus mehr im Börserl bleibt, womit man das bestreiten
kann, oder nimmt man über die CO2-Steuer etwas ein und verteilt es dann wie­der zurück? Und dieses Zurückverteilen ist irgendwie kritisch zu sehen,
weil wir der Überzeugung sind, dass es wesentlich sinnvoller ist, dass wir den Menschen vorher weniger aus dem Börsel rausnehmen und es nachher
auch nicht rückverteilen. Das ist eine zutiefst liberale Überzeugung von unserer Seite, und deswegen haben wir mit dem Klimabonus ein grundsätzliches Problem.

Jetzt könnten wir natürlich über unseren Schatten springen und sagen: Trotz grundsätzlichen Problems ist es ja möglicherweise klimawirksam, und des­wegen unterstützen wir es. Und da kommt dann diese Regionalität schon rein, und, Kollege Schwarz, die Argumentation, die du hier vorgebracht hast,
ist zumindest lückenhaft.

Ich nehme ein einfaches Beispiel und komme dann noch zu ein paar anderen: Wenn man in Wien im 18. Bezirk wohnt, 20 Meter von der U6-Station
weg, im Umkreis von 100 Metern hat man wahrscheinlich fünf Supermärkte, dann hat man um 50 Euro mehr Klimabonus, als wenn man in Wien im
9. Bezirk mit der gleichen Distanz zur U-Bahn-Station und mit der gleichen Anzahl von Supermärkten wohnt.

Das heißt, wir sprechen da nicht von einem ländlichen Raum, wo ein Mensch quasi auf der Alm sitzt und jedes Mal das Auto braucht, wenn er irgend­wohin fahren will, sondern es ist tatsächlich so, dass diese regionale Unterschei­dung vielfach einfach ein Topfen ist.

Kommen wir aber zu einem anderen Punkt: Selbst wenn die regionale Unter­scheidung tatsächlich hinsichtlich Mobilität ausschlaggebend ist, dann berücksichtigt dieses Argument noch immer nicht, dass die Menschen, die in der


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Stadt leben – meistens freiwillig, weil die Mehrheit davon in den größeren Städten zugezogen ist –, tatsächlich höhere Wohnkosten haben, meistens zur Miete leben und sich deswegen auch gar nicht aussuchen können, wel­ches Heizsystem sie haben, und wenn sie ein Auto haben, auch höhere Parkkos­ten haben. Das heißt, die Lebenshaltungskosten in den Städten – in Wien,
in Salzburg, in Innsbruck – sind bedeutend höher, als wenn man im ländlichen Raum wohnt.

Jetzt ist die Frage: Was sind die Gesamtkosten? Ist das die Frage der Politik? Muss ich durch eine Umverteilung ganz genau ausdifferenzieren, wer
wie viel kriegt, oder ist das nicht auch eine Verantwortung, die der Mensch an sich hat? Wir sehen da schon mehr Potenzial darin, dass wir das Vertrauen
in die Bevölkerung haben, dass die richtigen Entscheidungen vor Ort getroffen werden, und nicht so massiv durch die Politik gelenkt wird, wie der Klima­bonus das tut.

Letzter Punkt, und der ist aus meiner Sicht nicht weniger wichtig, wenn wir jetzt über diese Anpassung reden: Der Klimabonus ist ein bisschen Klimapolitik
und ein bisschen Verteilungspolitik. Das wurde ja auch von Vorrednern der Grü­nen mehrfach erwähnt. Das kann man wollen. Aus unserer Sicht wäre
das die Aufgabe der Sozialpolitik und nicht der Umwelt- und Klimapolitik. Wenn der Klimabonus mehr Geld ausschüttet, als die CO2-Steuer insgesamt ein­nimmt, dann ist das keine Rückverteilung der CO2-Steuer, sondern eine bewuss­te Umverteilung. Aus unserer Sicht ist das aber in der Klimapolitik eine The­menverfehlung. Wenn wo eine weitere Umverteilung stattfinden soll, die wir als NEOS so nicht sehen, dann ist es tatsächlich das falsche Ressort.

Abschließend, und das ist, glaube ich, nicht minder wichtig, wenn wir jetzt über den Klimabonus reden: Er ist auch ein zusätzlicher Verwaltungsaufwand.
Wir haben das gesehen: Es musste zusätzliches Personal im Ministerium aufge­nommen werden, es mussten zusätzliche Dienstleister beschäftigt wer­den, es sind zusätzliche Eskalationen gewesen. Ein Modell, das darauf aufbaut,


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dass man den Menschen weniger aus der Börse nimmt und auf der ande­ren Seite eine CO2-Steuer einführt, würde auch eine schlankere Verwaltung be­deuten. Es ist wenig überraschend, dass wir als NEOS auch eine schlan­kere Verwaltung befürworten.

Was allerdings fehlt, und das kann ich Ihnen heute nicht ersparen und auch nicht beim nächsten Mal, wenn wir uns sehen: Wirksame Klimapolitik lebt nicht
alleine von einem Klimabonus, egal, ob dieser jetzt mit viel oder wenig Verwal­tung verbunden ist, ob da die Häftlinge etwas bekommen oder ob Asylbe­rechtigte oder -werber:innen mehr oder weniger bekommen. Es fehlt etwas an­deres in der Klimapolitik, und das schon seit vielen Jahren, und Sie
werden das jetzt erraten können, Frau Ministerin: Es ist das Klimaschutzgesetz.

Deswegen möchte ich auch für meine Fraktion folgenden Entschließungs­antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Michael Bernhard‎‎, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Klimaschutzgesetz endlich vorlegen“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie, wird aufgefordert, dem Nationalrat bis spätestens 15. Juli 2023 ein neues Klimaschutzgesetz vorzu­legen, welches folgende Aspekte beinhaltet:

- Einen Emissions-Reduktionspfad, welcher der Effort-Sharing Vereinbarung auf EU-Ebene entspricht

- Ein daraus abgeleitetes, verbindliches jährliches Treibhausgasbudget

- Sektorale Emissionsreduktionsziele


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- Verbindliche Emissionsreduktionsziele für die Bundesländer

- Die Schaffung eines Klimarechnungshofes, welcher die klimapolitischen Aus­wirkungen von Gesetzen und größeren Infrastrukturprojekten evaluiert.“

*****

Klimapolitik ist mehr als das, was bisher geleistet worden ist. Man kann die Ver­gangenheit unterschiedlich bewerten, aber in der Zukunft liegt noch viel
vor uns. 
Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

17.46

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Michael Bernhard‎‎, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Klimaschutzgesetz endlich vorlegen

eingebracht im Zuge der Debatte in der 219. Sitzung des Nationalrats über den Bericht des Umweltausschusses über den Antrag 3428/A der Abgeordneten Johannes Schmuckenschlager, Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den regionalen Kli­mabonus (Klimabonusgesetz – KliBG) geändert wird (2071 d.B.) – TOP 15

Das 2011 beschlossene Klimaschutzgesetz (KSG) ist eine der wichtigsten Rechts­grundlagen für den Klimaschutz in Österreich. Es hat bis 2020 - gemäß europäischer Vorgaben - die österreichischen Klimaziele definiert und pro Sektor festge­schrieben. Seit Jänner 2021 fehlt aber aufgrund des Ausbleibens einer Novelle des KSG ein gesetzlich definierter Emissionsreduktionspfad für die Republik Öster­reich, sowie auch für die einzelnen Sektoren. Dies bedeutet, dass sich sowohl die Kli­mapolitik, als auch die Berichterstattung darüber gemäß §6 des KSG im Blind­flug befindet und nicht mehr effektiv betrieben werden kann.


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Zusätzlich soll das neue KSG einige wichtige klimapolitische Innovationen enthalten, welche für den langfristigen Wandel hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft, Gesellschaft und Verwaltung dringend notwendig sind, wie etwa die Einführung eines Klimachecks sowie eines jährlichen Emissionsbudgets. Ebenso sollen klare Verantwortlichkeiten für Maßnahmen und Sanktionsmechanismen für mangelnde Fortschritte festgelegt werden. Das Fehlen des KSG verzögert auch diese
wichtigen klimapolitischen Instrumente und behindert so einen effektiven Kampf gegen den Klimawandel. Zusätzlich verursacht das Fehlen eines Klimaschutz­gesetz langfristige Planungssicherheit und mangelnde Rechtssicherheit
bei Unternehmen.

Gerade aufgrund der Tatsache, dass die Regierung bei Antritt die Priorisierung von Klimaschutz großspurig verkündet hat, ist das Fehlen des Klimaschutzge­setzes inakzeptabel.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie, wird aufgefordert, dem Natio­nalrat bis spätestens 15. Juli 2023 ein neues Klimaschutzgesetz vorzulegen, welches folgende Aspekte beinhaltet:

•    Einen Emissions-Reduktionspfad, welcher der Effort-Sharing Vereinbarung auf EU-Ebene entspricht

•    Ein daraus abgeleitetes, verbindliches jährliches Treibhausgasbudget

•    Sektorale Emissionsreduktionsziele

•    Verbindliche Emissionsreduktionsziele für die Bundesländer


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•    Die Schaffung eines Klimarechnungshofes, welcher die klimapolitischen Auswir­kungen von Gesetzen und größeren Infrastrukturprojekten evaluiert."

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß einge­bracht und steht mit in Verhandlung.

Als Nächste hat sich Frau Bundesminister Leonore Gewessler zu Wort gemel­det. – Bitte.


17.46.58

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Frau Präsidentin! Werte Abgeord­nete! Werte Zuseherinnen und Zuseher hier im Haus und auch zu Hause oder wo auch immer vor den Bildschirmen! Nach dem Klimabonus ist vor dem Klimabonus. Das habe ich auch schon im Ausschuss so formuliert, denn auch dieses Jahr wird der Klimabonus wieder völlig antragslos, vollautoma­tisch an alle anspruchsberechtigten Menschen in Österreich ausbezahlt. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir haben im vergangenen Jahr gesehen – Staatssekretär Tursky ist jetzt nicht mehr hier –: Der Klimabonus ist nicht nur eine Erfolgsgeschichte, sondern
er ist ohne Zweifel das größte Digitalisierungsprojekt dieser Verwaltung, das die Verwaltung und diese Regierung je umgesetzt hat. (Beifall bei den Grünen
sowie der Abgeordneten Ofenauer, Pfurtscheller und Smolle.)

Da auf die Erfahrungen des letzten Jahres auch schon repliziert worden ist: Wir haben knapp neun Millionen Anspruchsberechtigte für das gesamte Jahr.
Wir haben knapp 99 Prozent dieser Zahlungen völlig problemlos abgewickelt, entweder per Überweisung oder per Brief, und 85 Prozent all dieser Zah­lungen wurden vollautomatisch auf ein Konto überwiesen. Das war für eine Pre­miere eine Bilanz, die sich wirklich sehen lassen kann! Ein großes Danke


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an das Team dahinter, das da wirklich ganz hervorragende Arbeit geleistet hat. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Nach dem Klimabonus ist vor dem Klimabonus: Das heißt natürlich auch, dass wir 2023 wieder genau hinschauen, letztes Jahr gut zugehört haben und
einige Veränderungen für dieses Jahr vorhaben, um ihn noch effizienter und die Abwicklung auch noch besser zu machen beziehungsweise auch, wie es vorgesehen ist, jährlich zu adaptieren.

Ich möchte kurz vier dieser Veränderungen skizzieren, wie wir sie auch im Ge­setz beziehungsweise im Antrag haben:

Der Sockelbetrag des Klimabonus erhöht sich parallel zur Erhöhung
des CO2-Preises von 100 auf 110 Euro für das Jahr 2023. 
Das ist der erste Punkt.

Der zweite Punkt ist – auch das ist ja schon angesprochen worden –: Wir
kehren zum ursprünglichen System der regionalen Differenzierung zurück. Die­ses nimmt auf die unterschiedliche Infrastruktur rund um den Lebensmittel­punkt der Anspruchsberechtigten Rücksicht. Das heißt einheitlicher Sockelbetrag plus ein Regionalausgleich in unterschiedlicher Höhe. Auch das – Abgeordneter Schwarz hat es schon erklärt – hängt von den infrastruktu­rellen Voraussetzungen, von den Anbindungen an den öffentlichen Verkehr ab. Das ist eine Gliederung und eine Kategorisierung, die die Statistik Austria anhand zweier Typologien vornimmt, nämlich der Urban-Rural-Typologie und der ÖV-Güteklassen-Typologie.

Jede Kategorisierung hat irgendwo eine Grenze, das lässt sich nicht wegdiskutieren. Wir haben es deswegen bewusst an eine wissenschaftliche Institution ausgelagert und um ein neutrales System basierend auf zwei Typologien gebeten, um da wirklich einen sinnvollen Ausgleich vornehmen zu können.


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Die vier Kategorien für 2023 sind 110, 150, 185 und 220 Euro, auch das
ist schon erwähnt worden; Kinder bekommen die Hälfte. Was heute aber noch nicht erwähnt worden ist: Personen mit Mobilitätseinschränkungen, für
die also die Benutzung des öffentlichen Verkehrs unzumutbar ist, bekommen immer den Höchstbetrag des jeweiligen Klimabonus, auch unabhängig
vom Alter.

Der dritte Punkt ist in der ersten Rede angesprochen worden: Wie können wir die Überweisungsquote noch erhöhen? – Indem wir auch mit dieser gesetz­lichen Anpassung noch weitere Datenlieferanten einbinden und damit die Quote an aktuellen und für diese Überweisungen nutzbaren Kontodaten weiter erhöhen können. Dezidiertes Ziel ist, die Überweisungsquote von 85 Prozent dieses Jahr deutlich zu steigern.

Der vierte Punkt ist auch schon angesprochen worden: Häftlinge bekommen den Klimabonus 2023 nicht mehr.

Wie schaut der weitere Ablauf aus? – Die Auszahlung startet, wie im letzten Jahr, im September. Dort, wo uns aktuelle Kontodaten aus den jeweili­gen Partnerinstitutionen übermittelt werden, nehmen wir die Überweisungen vor, alle anderen anspruchsberechtigten Personen bekommen den Kli­mabonus sicher per RSA-Brief. Wir haben relativ viele Briefe gehabt, die nicht abgeholt wurden – wir haben das aber alles auch individuell nachverfolgt –,
daher der Wunsch, die Überweisungsquote noch einmal zu steigern.

Damit aber alle über dieses System 2023 gut informiert sind, gibt es ein Informationsschreiben an alle Haushalte in Österreich. Am 14. Juni geht das mit all diesen Informationen, die ich heute hier berichtet habe, raus, auch mit
den näheren Informationen zur regionalen Kategorisierung. Alles, was man zum Klimabonus 2023 wissen muss, gibt es also auch dieses Jahr in einer analogen Form der Information. Natürlich gibt es auch auf der Homepage klimabonus.gv.at alles, was man zum Klimabonus wissen muss; mit Eingabe der


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Postleitzahl bekommt man auch die Info über die jeweilige Höhe des Klima­bonus 2023 am eigenen Wohnort.

Ich darf Sie bitten, diese konzise, für die Abwicklung sehr wichtige Novelle zu unterstützen und bedanke mich. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordne­ten der ÖVP.)

17.52


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Joachim Schnabel. – Bitte.


17.53.01

Abgeordneter Joachim Schnabel (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Mi­nisterin! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren hier im Haus sowie
vor den Monitoren oder Endgeräten! Ja, zum Klimabonusgesetz wurde schon einiges gesagt; ich möchte vielleicht noch eine Etappe zurück zur ökoso­zialen Steuerreform gehen, die eigentlich die Basis dieses Klimabonusgesetzes war.

Wir haben – das war ja eigentlich schon das Versprechen aus der Wahl 2019 – mit dieser ökosozialen Steuerreform die ökosoziale Marktwirtschaft auch
in das Steuerrecht gegossen und den Bürgerinnen und Bürgern, den Unterneh­merinnen und Unternehmern über diese Steuerreform Steuermittel über 18 Milliarden Euro erlassen, um dementsprechend die Wertschöpfung und auch den Wohlstand in unserem Land hochzuhalten und auch die Leistungsträ­gerinnen und -träger mit dieser Steuerreform zu entlasten.

Was haben wir mit dieser ökosozialen Steuerreform eingeführt? – Es ist eine CO2-Bepreisung im Upstreammodus; es gab auch eine lange Diskussion,
auf welche Art und Weise das eingeführt wird. Im heurigen Jahr liegen wir mit einem Preis von 32,50 Euro pro Tonne nicht, wie Kollege Rauch von der
FPÖ gesagt hat, im europäischen Spitzenfeld, sondern in einer guten Bandbreite und, vor allem im Vergleich zu Deutschland, genau auf dem richtigen Niveau.


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International – ich habe das auch in meiner letzten Rede schon gesagt – gibt es mittlerweile 73 Systeme von CO2-Bepreisungen. Ungefähr 23 Prozent
aller weltweit ausgestoßenen CO2-Emissionen sind mittlerweile umfasst, Ten­denz stark steigend, und wir haben vorhin auch hier in der Diskussion
die Bandbreite gesehen: von der FPÖ, für die nicht einmal Chat-GPT ein Klima­schutzprogramm irgendwo im Internet findet, die quasi alles ablehnt, was
mit Klimaschutz zu tun hat, bis hin zu den NEOS – Kollege Bernhard hat gesagt, der CO2-Preis sei viel zu niedrig –, in deren Programm ja der CO2-Preis im Endausbau mit 350 Euro pro Tonne beziffert ist. Umgelegt heißt das, dass jeder, der tanken geht, laut den NEOS 1 Euro bis 1,20 Euro CO2-Bepreisunggsab­gabe zahlen müsste.

Man muss das auch im internationalen Kontext anschauen. Ich habe eine Tabelle von der Weltbank (eine Tafel, auf der Balkendiagramme abgebildet sind, in die
Höhe haltend) mitgenommen. Diese grünen Balken symbolisieren, wie hoch die CO2-Bepreisung international ist. Es ist so, dass Schweden – das wird ja
immer wieder genannt – mit circa 130 Euro in der EU natürlich an der Spitze ist, Liechtenstein ist als kleines Land nicht gerade erwähnenswert, die Schweiz
sogar noch etwas teurer als Schweden. Uruguay aber hat 143 Euro, Herr Kollege Bernhard, und Sie wollen 350 Euro haben. Also das, muss man sagen, ist
eher eine Vertreibungsklimaschutzpolitik und sichert nicht den Standort in Ös­terreich. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

Dass die ländlichen Regionen andere Herausforderungen haben als das urbane Umfeld, vor allem was die Mobilität betrifft, ist hinlänglich bekannt. Wir
haben auch im Zuge des Klimatickets schon mehrfach diskutiert, dass zwei Mil­lionen Menschen nicht oder nicht sehr gut an den öffentlichen Verkehr an­geschlossen und dementsprechend auf ihr eigenes Fahrzeug angewiesen sind. Genau mit diesen Maßnahmen, mit diesem Klimabonusgesetz, entlasten
wir die Menschen im ländlichen Raum, um dementsprechend die Mehrkosten für sie abzufedern.


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Uns vonseiten der ÖVP ist es eben wichtig, dass wir die Klimapolitik einerseits für die Wirtschaft, die eine entsprechende Wertschöpfung braucht, die
auch eine entsprechende Investitionssicherheit braucht, machen, das ganze Thema aber mit einer Offenheit und einer Innovationsfreundlichkeit
und im Gegensatz zur Letzten Generation vor allem mit Optimismus angehen, weil wir Klimapolitik für die nächsten – im Plural gesprochen – Genera­tionen machen und nicht mit Panikmache und Depression für eine Letzte Gene­ration. Wir müssen das mit Optimismus und Weitblick angehen, dann wird
es auch, so wie viele andere Dinge, die die Menschheit schon bewältigt
hat, gelingen. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Geschätzte Frau Ministerin, abschließend noch eine Bitte – das mache ich ja öfters bei meinen Reden –: Vor allem für den ländlichen Raum und für
die Verkehrswende, für die sich mehrere Möglichkeiten bieten, ist E-Mobilität ein starkes Thema. Um das Henne-Ei-Problem aufzulösen, brauchen wir
einen stärkeren Anreiz, eine stärkere Investition in die Infrastruktur, wir brau­chen bei der Ladeinfrastruktur Transparenz, was die Preisfindung betrifft.

Wir brauchen mehr als nur die Mindesterfüllung der europäischen Ziele. Dann wird die Dekarbonisierung des Verkehrs, des Verkehrssektors dementspre­chend mit Sicherheit und Zuversicht gelingen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP, bei Abgeordneten der Grünen sowie der Abg. Seidl.)

17.57


Präsidentin Doris Bures: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abge­ordneter Michael Bernhard gemeldet. – Bitte.


17.58.03

Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Frau Präsidentin! Kollege Schnabel hat in seiner Rede fälschlicherweise behauptet, dass sich die NEOS für eine zu­sätzliche CO2-Besteuerung von 350 Euro je Tonne CO2 einsetzen.


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Ich berichtige tatsächlich: Es ist in unserem Programm richtigerweise ein Preis von 350 Euro je Tonne CO2 bei gleichzeitiger Steuerreduktion vorgese­hen, damit die Menschen in unserem Land in Summe nicht mehr belastet sind. Das hat er anscheinend zu sagen vergessen, und das ist auch der Grund,
warum wir uns in unserem Programm auf einer anderen Seite für sinnerfassen­des Lesen einsetzen. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS. Zwischenruf
des Abg. Michael Hammer.)

17.58


Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Abgeordneter Andreas Kollross zu Wort. – Bitte.


17.58.46

Abgeordneter Andreas Kollross (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher auf der Galerie und zu Hause! Man kann, wenn man etwas neu einführt, ja durchaus nicht alles richtig machen, man kann durchaus auch den einen oder anderen Feh­ler machen, das muss man auch nicht unbedingt kritisieren. Schlimm ist es, wenn man aus den Fehlern nicht lernt und wenn man als Regierung oder Regie­rungsfraktion nicht bereit ist, Vorschläge, die zu den Fehlern kommen, anzuneh­men, und einfach so weitermacht wie bisher.

Was meine ich damit zum Beispiel? – Kollege Schwarz hat zum Beispiel von der CO2-Bepreisung und davon, dass das eine sinnvolle Maßnahme ist, gespro­chen. Das stellen wir als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten gar nicht in Abrede.

Was wir schon meinen, ist – da ja die CO2-Bepreisung unter anderem auch so etwas wie ein Lenkungsinstrument sein soll –: Wir halten es für einen fal­schen Zugang, wenn man in Zeiten massiver Teuerung, in Zeiten massiver Infla­tion, in Zeiten, in denen die Menschen tagtäglich mit den Energiepreisen
zu kämpfen haben, als Regierung die Preise künstlich noch einmal zusätzlich er­höht und somit die Inflation und die Teuerung anheizt, meine sehr geehr­ten Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.) Das ist ein falscher Lenkungseffekt.


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Was wir immer schon kritisiert haben und was sich leider auch in der jetzi­gen Gesetzesvorlage nicht verändert, ist die Betrachtung des Klimabonus auf Basis der Postleitzahl. Das ist aus unserer Sicht schlicht und einfach
falsch und beinhaltet überhaupt keine soziale Berücksichtigung in dieser Frage. Ich möchte Ihnen nur ein Beispiel aus meinem Bezirk bringen: Drei
Gemeinden liegen da unmittelbar nebeneinander. Kottingbrunn: Klimabonus 150 Euro; Enzesfeld-Lindabrunn: Klimabonus für jede Bürgerin und jeden Bürger 150 Euro; Leobersdorf: Klimabonus für jede Bürgerin und jeden Bür­ger 185 Euro.

Jetzt ratet einmal, wo der Bahnhof ist, von dem alle aus diesen drei Gemeinden fortfahren! (Abg. Schwarz: Es geht nicht nur um den Bahnhof! Es geht auch
um ...!) 
– Nicht in Kottingbrunn, nicht in Enzesfeld-Lindabrunn, sondern in Leo­bersdorf, dort, wo die Menschen den höchsten Klimabonus bekommen.
Dort müssen alle hin, damit sie mit der Bahn fortfahren können.
(Abg. Weratschnig: PV ist nicht nur Bahnhof! PV ist nicht nur Bahnhof!)

Solche Beispiele gibt es viele. Und ich weiß, dass es nicht nur ums Bahnfahren geht und dass es um mehr geht (Abg. Schallmeiner: Warum sagst du das
dann?),
aber es geht auch darum. Es geht in dieser ganzen Frage auch um Mobi­lität. (Abg. Weratschnig: Um die gesamte Mobilität!) Es geht auch darum, ob
die Menschen überhaupt die Möglichkeit haben, mit öffentlichen Verkehrsmit­teln fortzufahren, oder ob sie eben erst mit dem Auto irgendwo hinfahren müssen, damit sie von dort mit öffentlichen Verkehrsmitteln fortfahren können. So ist nämlich der ländliche Raum. Das ist nämlich das Problem, glaube ich,
das man oftmals nicht berücksichtigt: dass es im ländlichen Raum ganz einfach andere Voraussetzungen gibt. Das löst die Betrachtung alleine der Postleit­zahl leider gar nicht. (Beifall bei der SPÖ.)

Ein Nebensatz noch, meine sehr geehrten Damen und Herren, weil meine Redezeit schon aus ist, aber das möchte ich hier herinnen den Regie­rungsparteien nicht ersparen – Kollege Schwarz hat es eh auch selbst ange-


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sprochen –: Wenn man die CO2-Bepreisung so gestaltet, dass die Mie­terinnen und Mieter, die ja keinen Einfluss darauf haben, welches Heizsystem in dem Haus, in dem sie wohnen, vorhanden ist, am Ende des Tages die Ze­che zahlen, dann ist das falsch und auch keine Sozialpolitik, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

18.02


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Lukas Hammer. – Bitte.


18.02.48

Abgeordneter Lukas Hammer (Grüne): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beschließen heute die Erhöhung des Klimabonus, der im Herbst an alle Menschen, die in Österreich leben, ausbezahlt wird.

Ich habe schon Kollegen Rauch von der FPÖ gehört, der sich wieder davor fürchtet, dass, wie er sagt, „Scheinasylanten“ den Klimabonus ausbe­zahlt bekommen. Ich möchte hier schon klarstellen: Der Klimabonus wird an alle Menschen ausbezahlt, die sich rechtmäßig in Österreich aufhalten – damit
das klargestellt ist. – Ganz ehrlich, Herr Kollege Rauch von der FPÖ,
es ist ein bisschen erstaunlich, mit welcher bösartigen Kreativität Sie es wirklich schaffen, bei jedem Gesetz, das wir hier behandeln, Menschen gegenein­ander aufzuhetzen, egal worum es geht. (Beifall bei den Grünen. –
Abg. Rauch: ..., weil es ein Blödsinn ist!)

Meine Damen und Herren, der Klimabonus ist das Geld, das durch den CO2-Preis eingenommen wird und das wir rückverteilen. Ich kann mich noch
gut erinnern: Als wir über die ökosoziale Steuerreform, über die Einführung eines CO2-Preises gesprochen haben, da haben sehr viele Menschen angezweifelt, dass wir das wirklich machen werden und dass wir wirklich die Einnahmen an die Bevölkerung rückverteilen. Wir haben mit diesem Gesetz unser Verspre­chen gehalten. Jeder einzelne Cent, der mit dem CO2-Preis eingenommen wird,


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wird über den Klimabonus an die Menschen zurückverteilt. (Beifall bei den Grünen.)

Mehr noch: Die Rückverteilung der Einnahmen entspricht ja dem Sockelbetrag – das ist das, was alle bekommen, das sind die Einnahmen aus der CO2-Be­preisung. Der Regionalbonus, der darüber hinausgeht, wird vor allem aus zusätz­lichen Budgetmitteln gedeckt. So kommt es, dass die meisten Menschen – Kollege Schwarz hat es angesprochen –, die den Klimabonus erhalten, wesent­lich mehr Klimabonus erhalten, als sie CO2-Preis zahlen.

Noch zur sozialen Gerechtigkeit – wir haben das auch im Ausschuss bespro­chen –: Der viel zitierte – unter Anführungszeichen – „kleine Mann“ und die viel zitierte „kleine Frau“ haben auch einen kleinen CO2-Fußabdruck. Die
reichsten 10 Prozent haben mindestens vier Mal so viel CO2-Emissionen wie die ärmsten 10 Prozent, und sie zahlen deswegen auch mehr. Alle bekommen
aber den gleichen Klimabonus ausbezahlt, und deswegen ist das so ein gerechtes System: weil es das Klima schützt, aber auch einen sozialen Ausgleich schafft. (Beifall bei den Grünen.)

Der CO2-Preis soll die Menschen motivieren, auf klimafreundliche Alternativen umzusteigen, weil das das Klima schützt. Er soll also motivieren, aber er
soll die Menschen auch nicht überfordern. Und wer das Klima mehr schützt, dem bleibt auch mehr Klimabonus übrig.

Nun sagen viele – ich habe das heute immer wieder gehört –: Jetzt haben wir die Inflation, jetzt muss man das abschaffen! – Das sagt die FPÖ, aber das sagt
leider auch immer wieder die SPÖ. (Abg. Herr: Aussetzen! – Abg. Rauch:
Das ist ... die Realität! Das ist die Realität! Die SPÖ ...!)
Für die SPÖ –
die ist ja eigentlich immer für Klimaschutz – ist immer gerade ein schlechter Zeitpunkt.

Liebe Julia Herr, ihr wart immer schon gegen eine CO2-Bepreisung. Du warst eine Ausnahme, aber ihr habt mittlerweile schon mehrere Anträge zur


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Aussetzung des CO2-Preises eingebracht. Ich finde das schade und auch fachlich falsch. Nur weil Kollege Rauch immer wieder sozusagen dieses Märchen
erzählt, dass es der Klimaschutz ist, der schuld an der Teuerung ist, wird es nicht weniger falsch. Es wird nicht weniger falsch. (Abg. Rauch: Die Grünen sind
schuld! Die Grünen sind mit ihrer Steuerpolitik schuld!)

Die Wurzel unseres Problems ist, dass wir aufgrund hoher Gaspreise eine fossile Inflation haben (neuerlicher Zwischenruf des Abg. Rauch), und der CO2-Preis
mit dem Klimabonus ist eine wesentliche Maßnahme, mit der wir an
dieser Abhängigkeit, an der Wurzel dieses Problems arbeiten. Das heißt, nicht trotz der Inflation ist dieses System so gut, sondern eben weil es dieses
Problem gibt, haben wir einen Klimabonus mit CO2-Preis. (Beifall bei den Grünen.)

Wir können sowieso nicht so wie bisher weitermachen. Wir sehen die dramatischen Folgen der Klimakrise in Österreich. Letzte Woche ist gerade wieder ein halber Berg in sich zusammengebrochen, weil ja nicht nur
die Gletscher verschwinden, sondern auch der Klebstoff in den Alpen, der Permafrost, auftaut und uns die Berge mittlerweile um die Ohren
fliegen.

In New York – vielleicht haben Sie die Bilder gesehen – bricht aufgrund der Waldbrände in Kanada das halbe öffentliche Leben zusammen, weil
die ganze Stadt in eine dichte, giftige Rauchwolke gehüllt ist.

Der CO2-Preis, den wir eingeführt haben – und ich halte das für eine historische Tat, die wir da letztes Jahr geschafft haben –, ist – ich betone das – nur
einer der vielen wesentlichen Schritte, um für unsere Energieunabhängigkeit, aber auch für Klimaschutz zu sorgen. Der Klimabonus ist ein wesentlicher Faktor dafür, dass, so wie wir immer Klimaschutz betreiben, Klimaschutz und so­zialer Ausgleich Hand in Hand gehen, weil es keine Klimagerechtigkeit ohne so­ziale Gerechtigkeit gibt. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Ab­geordneten der ÖVP.)

18.07



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Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Maximilian Linder. – Bitte.


18.08.13

Abgeordneter Maximilian Linder (FPÖ): Frau Präsident! Frau Minister! Ge­schätzte Kolleginnen und geschätzte Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und liebe Zu­hörer! Die FPÖ ist klar gegen das Klimabonusgesetz, weil wir grundsätzlich
die Umverteilung verurteilen und nicht mittragen wollen. Wir sind deshalb ganz klar für die Abschaffung der CO2-Steuer und des Klimabonus.

In Österreich brauchen viele Leute im ländlichen Bereich das Auto zum Arbeiten, weil sie anders nicht zur Arbeit kommen können. Genau das verteuern wir
mit der CO2-Steuer.

Dass dieser Klimabonus bei der Umverteilung natürlich auch den Asylanten zugutekommt, Kollege Hammer, wird nicht von uns geschürt, sondern
das ist das, was uns die Leute draußen sagen, das ist das, weswegen die Leute mit so einem Hals durch die Gegend laufen und sagen: Es kann nicht
sein, dass die Menschen, die in einem geschützten Bereich leben, die ohnehin vom Staat ausgehalten werden, noch zusätzlich den Klimabonus kriegen!
Es geht nicht darum, dass wir das schüren, sondern das ist das, was wir draußen von vielen Menschen hören. Wenn all jene, die das kritisieren, FPÖ-Wähler wären, dann wären wir ganz glücklich, weil das weit mehr sind. Aus
allen Parteien kommen die Leute, die das kritisieren. (Beifall bei der FPÖ.)

Es hat mir gutgetan, dass alle Redner – ob es Kollege Bernhard von den NEOS war, ob es Kollege Kollross war – anhand von praktischen Beispielen auf­zeigen, wie dieser Regionalausgleich beim Klimabonus überhaupt nicht zusam­menpasst, dass da einfach Unklarheiten da sind. Deshalb möchte ich auch
das Beispiel meiner Heimatgemeinde bringen.

Afritz am See ist eine langgezogene Gemeinde über 4 Kilometer; vielfach ist die Besiedelung rechts und links am Berg oben. Das ist aber seit Jahrhunder­ten gewachsen, es ist kein Raumordnungsfehler der letzten 30, 40, 50 Jahre. Die


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Entfernungen sind so, dass ein Einkaufen, ein Arztbesuch, der Besuch der Schule, des Kindergartens, der Kindertagesstätte, ein Besuch der Gemeinde oder der Freizeiteinrichtungen nur mit dem Auto möglich sind. Du hast keine
Chance, irgendwie anders zu diesen Einrichtungen zu kommen.

Afritz ist aber, wie gesagt, ein langgezogener Ort über 4 Kilometer, deshalb haben wir viele Bushaltestellen. Das Ergebnis ist, dass wir Klimabonus­kategorie 3 sind, unsere Bürger 185 Euro bekommen. Die Nachbargemeinde – ich will nicht neidisch sein – hat es wesentlich näher zum nächsten
Zentrum Radenthein, hat ein konzentriertes Ortsgebiet und dadurch weniger Bushaltestellen, man hat aber die gleichen Buslinien. Der Bus fährt
durchs Tal durch, da hört keiner an der Gemeindegrenze auf. Wir sind alle an den gleichen Bus angebunden, und die haben Klimabonuskategorie 4
und kriegen 220 Euro. (Abg. Schwarz: Es gibt Zehntausende solche Beispiele! ...!)

In Wernberg, einer Speckgürtelgemeinde mit einer Bombeninfrastruktur,
mit vielen Buslinien, mit einem Bahnhof und einer ganz kurze Strecke nach Vil­lach ins Zentrum, kriegt man 220 Euro.

Liebe Frau Minister, liebe Kollegen, diese fehlerhafte Verteilung des Regionalbo­nus muss überarbeitet werden. Das ist ja nicht etwas, das nur wir alleine
haben. Nahezu jeder zweite Redner hat heute auf ein Beispiel Bezug genommen, bei dem es Fehler und Unklarheiten gibt.

Deshalb noch einmal: Die Menschen, die zur Arbeit fahren, dürfen nicht mit der CO2-Steuer bestraft werden. Wir müssen es schaffen, in diesem Fall eine ge­rechte Verteilung des Regionalausgleichs zu schaffen, sonst wird die­ser Klimabonus in der Bevölkerung nie Akzeptanz finden. (Beifall bei der FPÖ.)

18.12


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Ernst
Gödl. – Bitte.



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18.12.09

Abgeordneter Mag. Ernst Gödl (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Mi­nisterin! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren zu Hause! Es wurde schon vieles über den Klimabonus und über seine Neuausgestaltung gesagt. Ich
möchte als ein Vertreter eines Bezirkes, in dem drei verschiedene Stufen des Kli­mabonus spruchreif sind, ganz klar sagen: Ja, es ist wichtig und richtig, dass
wir eine Regionalisierung vornehmen, denn tatsächlich finden wir gera­de hinsichtlich der Anbindung an den öffentlichen Verkehr nicht in allen Ge­meinden die gleichen Voraussetzungen.

Sie wissen es ganz genauso (in Richtung Bundesministerin Gewessler), Sie kommen ja auch aus demselben Bezirk. Sankt Marein, Ihre Heimatgemeinde, in der
Sie aufgewachsen sind, ist etwa eine Gemeinde mit der Kategorie 4, weil dort zwar der Zentralort durchaus nicht so schlecht an den öffentlichen Ver­kehr angebunden ist, aber viele Nebenräume, viele Streusiedlungen tatsächlich einen erhöhten Bedarf an Individualverkehr haben und damit natürlich
auf ein Auto, auf ein Fahrzeug, auf den motorisierten Individualverkehr ange­wiesen sind.

Diese Differenzierung zwischen städtischen Räumen, zwischen Ballungsräumen und ländlichen Räumen vorzunehmen ist richtig, weil wir uns ausdrücklich
dazu bekennen, dass ländliche Räume auch in Zukunft bevölkert sein sollen. Es sollen dort ja auch in Zukunft Menschen wohnen. – Das ist das eine.

Die Österreichische Volkspartei hat sich immer ganz stark zum Klimaschutz be­kannt. Die ökosoziale Marktwirtschaft war übrigens schon ein Stecken­pferd der vergangenen Jahrzehnte, um eben auch ökosoziales Handeln ganz klar in den Mittelpunkt zu stellen, daher sind wir auch besonders stolz, dass wir
diese Steuerreform zustande gebracht haben.

Es wäre im Sinne der NEOS durchaus denkbar, mitzugehen, denn wir schaffen mit dem Klimabonus ein Anreizsystem. Wenn ich mich klimafreundlicher verhalte, habe ich quasi einen positiven Gewinn; das Gegenteil davon ist der Fall,


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wenn ich mich nicht so klimafreundlich verhalte. Das macht durchaus Sinn
und ist auch, denke ich, eine durchaus liberale Idee. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ganz besonders wichtig für den Klimaschutz ist natürlich auch die Ausstattung mit Infrastruktur. Dazu kann ich sagen, dass gerade in der Steiermark in
den letzten Jahren viel passiert ist. Wir haben in den vergangenen Jahren und auch besonders in diesem Jahr ganz viele neue Buslinien installiert. Wir
haben erst vor Kurzem in Kumberg, auch in der Nähe von unserem Bezirk, einen großen Busbahnhof eröffnet. Wir wollen diesen öffentlichen Verkehr also
ganz klar verstärken.

Ich selbst wohne ganz in der Nähe von zwei Großbaustellen; die eine davon ist die Koralmbahn. Die Baustellen von heute sind die Beschlüsse von gestern
und vorgestern. Sie sind die Klimapolitik und die Klimazukunft, denn die Koralm­bahn macht es dann möglich, dass wir den südlichen Raum Österreichs von
Graz, Steiermark bis Kärnten komplett neu erschließen. Und diese maßgeblichen Entscheidungen sind vor 20, 30 Jahren von verschiedenen Regierungen ge­fallen. Es war ganz besonders unsere damalige Landeshauptfrau Waltraud Klas­nic und es war ein Landeshauptmann Jörg Haider in Kärnten, die damals durchgesetzt haben, dass der südliche Raum nicht weiterhin in der Erschließung des öffentlichen Verkehrs benachteiligt ist. (Zwischenruf des Abg. Einwall­ner.) Daher wurde auch viel Geld in die Hand genommen.

Just in dieser Woche fand die erste Durchfahrt durch den Koralmtunnel statt, ein Meilenstein in der Verkehrspolitik. Frau Voglauer wird sich auch
freuen, wenn sie in Zukunft noch viel schneller mit dem Zug von Kärnten nach Wien fahren kann. In zwei Jahren soll es dann so weit sein. Es ist also
auch ein Meilenstein im Sinne einer guten Klimapolitik.

Ich habe auch noch eine zweite Baustelle vor meiner Haustür, das ist der Güterterminal; da feiern wir nächste Woche 20 Jahre. Vor 20 Jahren haben wir


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in der Nähe von Graz, südlich von Graz, einen Güterterminal eröffnet, da­mals auch ein Meilenstein in der Politik. Daran war gleichfalls wieder Landeshauptfrau Waltraud Klasnic maßgeblich beteiligt. Wir wollten damals – und tun das auch heute sehr aktiv – nämlich den Gütertransport, wo es
nur geht, auf die Schiene verlagern. Derzeit arbeiten wir gerade an der zweiten, riesigen Ausbaustufe. Der Güterterminal hat sich so gut entwickelt, dass
wir dort einen zweiten Güterbahnhof bauen und brauchen, um die vielen Pro­duktionsströme gut abwickeln zu können.

Meine geschätzte Frau Ministerin, es ist meine wirklich große Bitte, dass Sie sich das vor Ort anschauen, und Sie wissen, worauf ich jetzt hinauswill. Ein Gü­terterminal braucht, damit er gut funktioniert, eine optimale Anbindung an das Straßenverkehrsnetz, weil ein Güterterminal logischerweise sehr viel Lkw-Verkehr produziert. Es müssen ja die Rohstoffe, die zur Produktion mit dem Zug hingebracht werden, dann zu den Firmen abtransportiert werden, und die fertigen Güter werden wieder zum Güterterminal gebracht und dort verladen. Das heißt, wir haben einen enormen Verkehrserreger vor Ort, der auch be­dingt, dass wir eine gute Anbindung haben. Daher mein Appell im Interesse aller Bürgerinnen und Bürger, die in diesem Raum wohnen: Bitte, Frau Ministe­rin, schauen Sie sich das an! Wir brauchen dringend die dritte Spur auf der A 9 in diesem Bereich, um den Güterterminal besser auszustatten, um diesem
Projekt Güterterminal wirklich zum Erfolg zu verhelfen! (Beifall bei der ÖVP.)

Zu guter Letzt noch eine Bitte im Sinne des Individualverkehrs: Schauen Sie sich Ihre eigene Situation in Sankt Marein an: Sie sind in Holzmannsdorf aufge­wachsen, einem kleinen Dorf in Sankt Marein. Dort kann man vieles
zu Fuß Richtung Bushaltestelle, Richtung Schule erreichen. Es gibt aber auch
in Ihrer Umgebung Dörfer und Orte, wie zum Beispiel die Buschen­schank Schellauf in Graberberg, die man nur mit einem Auto erreichen kann.

Für einen aktiven und vitalen ländlichen Raum werden wir jedenfalls
immer Individualverkehr benötigen. Wir müssen diesen dekarbonisieren, da sind


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wir uns einig. Hüten wir uns aber davor, vorzuschreiben, worin die For­schung bestehen soll, hüten wir uns davor, vorzuschreiben, in welche Richtung es gehen soll. Lassen wir die Forscher forschen, lassen wir Innovation zu,
lassen wir alle Möglichkeiten zu, auch ganz im Sinne unseres Bundeskanzlers, wie er es in der Kanzlerrede angekündigt hat: eine Technologieoffenheit,
sodass in jede Richtung geforscht werden kann! Wir brauchen für vitale ländliche Räume auch in Zukunft Individualverkehr und dazu eine Offenheit für den
Weg, wie wir dort hinkommen. – Das wäre meine Bitte auch im Interesse jenes Raumes, in dem Sie aufgewachsen sind.

In diesem Sinne: Beschließen wir jetzt ein gutes Klimabonusgesetz, aber mit der großen Bitte, im Klimaschutz auch noch weitere positive Schritte zu setzen. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Bernhard.)

18.18


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Christian Lausch. – Bitte.


18.18.43

Abgeordneter Christian Lausch (FPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Hohes Haus! Wenn man hier den Rednern zuhört, hat man das Gefühl, dass auch die geringe Wertschätzung des Steuergeldes ein bisschen zutage kommt.

Ich muss zu meinem Vorvorredner Max Linder noch ergänzen, dass wir diesem Gesetz schon alleine deshalb nicht zustimmen, weil es Ihr Haus und Sie
nicht schaffen, den Klimabonus zu verteilen. Sie sind fern aller Ethik hergegan­gen und haben 2022 verurteilten Straftätern – es waren immerhin
17 000 – 500 Euro Klimabonus ausgeschüttet. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Jetzt habe ich den grünen Vorrednern Lukas Hammer und Jakob Schwarz
genau zugehört, und sie sagen beide, der Klimabonus sei dazu da, die CO2-Be­preisung abzufedern. Frau Bundesminister, jetzt frage ich Sie: Wenn Sie
eine Straftat verübt haben und in einem österreichischen Gefängnis in Haft sit­zen: Welche CO2-Bepreisung zahlen Sie? – Keine!


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Was Sie gemacht haben, war eigentlich nichts anderes, als 8 Millionen Euro Steuergeld einfach zu verprassen (Abg. Zarits: Das stimmt ja nicht!) –
das zahlen weder Sie noch Ihr Haus noch der Grüne Klub und auch nicht die ÖVP – und den Klimabonus 2022 einfach so salopp an verurteilte Straf­täter auszuzahlen, so nach dem Motto: Ist ja nicht mein Geld.

Da können natürlich auch die Kollegen Hammer und Schwarz hier heraußen recht gescheit reden, denn wenn das Geld nicht ihres ist, sondern Steuer­geld, dann tut man sich da sehr, sehr leicht. Was Sie aber nicht geschafft haben: Seit 2022 warten noch immer brave österreichische Steuerzahler auf ih­ren Klimabonus, circa 1 000 warten. Das heißt, Sie und Ihr Haus können es nicht. Das sage jetzt nicht ich, Frau Bundesminister, aber wenn Sie dort hinauf­schauen, steht dort vielleicht schon der Volksanwalt, und die Volksanwaltschaft sagt, dass das nicht funktioniert hat und dass bei ihnen in der Volksanwalt­schaft 2022 viele Beschwerden eingegangen sind.

Ich lese Ihnen auch noch kurz etwas vor. Es haben sich auch etliche Bürger an uns gewendet und uns auch geschrieben, warum sie den Klimabonus 2022
nicht erhalten haben. Weil Kollegin Feichtinger bei ihrer Rede gesagt hat, alle haben keinen Computer oder Onlinekenntnisse, ist mir noch wichtig:
Nein, das klappt auch nicht, wenn sie Onlinekenntnisse und einen Computer haben, liebe Kolleginnen und Kollegen der SPÖ. Denn da hat ein Herr
aus dem Weinviertel geschrieben – erste Nachricht an den Klimabonus, da kriegt man eine Ticketnummer –: Sehr geehrte Damen und Herren! Nach mehr­maligem Intervenieren habe ich bis heute keinen Klimabonus erhalten. Meine Daten sind richtig bei Finanzonline hinterlegt. Es hieß, im Frühjahr 2023
bin ich im nächsten Lauf dabei. Der April ist nun fast vorbei – Zitatende –, immer noch hat er das Geld nicht gekriegt.

Er hat dann ein zweites Mail geschrieben, er hat sie telefonisch kontaktiert. (Abg. Feichtinger: Ja, aber wir haben das eh auch aufgezeigt!) – Ja, ja, eh, aber du
hast gemeint, das sei der Fall, wenn man älter ist und keine Kenntnisse hat. (Abg. Feichtinger: Na nicht nur! Verschiedene Sachen!) Der hat das aber. Er hat


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Mails geschrieben, er hat angerufen, nur die Frau Bundesministerin und ihr Haus waren nicht fähig, endlich Zahlungen zu leisten.

Laut Volksanwaltschaft warten noch 1 000 Leute auf die Auszahlung, aber man hat 2022 das Steuergeld an 17 000 verurteilte Straftäter verteilt – natür­lich mit Duldung dieser ÖVP, das muss man auch sagen; denn auch der ÖVP ist das natürlich nichts wert, die denken auch nicht mehr darüber nach, was
sie mit dem Steuergeld machen. Da kriegen es natürlich auch verurteilte Straftä­ter. Das ist ja überhaupt keine Frage, es ist ja nichts wert. (Abg. Weratsch­nig: Gescheit hineintreten!)

Herr Stocker schmunzelt jetzt. Er muss es ja auch nicht zahlen, auch nicht
aus seiner Klubkassa. Da kann man das leicht verteilen; aber habt ihr euch Ge­danken darüber gemacht, dass man, wenn man heute im Gefängnis sitzt,
einfach überhaupt keinen Beitrag zum Klimaschutz leistet? – Nein, das habt ihr überhaupt nicht bedacht gehabt. (Abg. Weratschnig: Nur neidgesteuert! Un­glaublich! Unfassbar!)

Ihr habt so vieles nicht bedacht, darum verliert ihr auch alle Wahlen. Das ist ganz klar. Das hat die Bevölkerung schon überrissen, dass ihr da komplett
schwach übersetzt seid. Ihr seid mit euch selber beschäftigt, und das ist es, aber Politik für die Menschen: null! Null und nichtig, und dann kommt so etwas heraus: 8 Millionen Euro. Ja, da kann man nur den Kopf schütteln, denn ihr zahlt es ja nicht. Freilich, die Steuerzahler zahlen es! (Abg. Prinz: Schönen
Gruß von Ibiza!)
Denen zieht es der Finanzminister ab, und die dürfen es zahlen! Frau Gewessler verteilt es und verteilt es auch ungerecht, und ihr schaut
zu und lacht. – Das ist alles. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Weratschnig: Ihr tretet nur nach unten! Unglaublich! Nur nach unten treten!)

18.23


Präsidentin Doris Bures: Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete, ich mache Sie nur darauf aufmerksam, dass wir ein technisches Gebrechen
oder Problem mit der elektronischen Redezeiterfassung haben. Daher stimmt


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das auf Ihren Bildschirmen nicht. Wir werden das aber händisch machen.
Für die Abgeordneten selbst kann ja ich die Redezeit einstellen. Das funktioniert noch.

Herr Abgeordneter Franz Hörl, Sie gelangen zu Wort. Ich stelle Ihnen die frei­willig gewählte Redezeit von 4 Minuten ein. (Abg. Rauch: Endlich ein
gescheiter Redner!)
 – Bitte.


18.23.50

Abgeordneter Franz Hörl (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesmi­nister! In Anlehnung an meinen Kollegen Gödl hätte ich auch einen Wunsch:
Die Autobahnauffahrt Kreuz Wiesing zwischen Zillertal und Achental ist mit dem Brettfalltunnel nach der Südosttangente wahrscheinlich das am meisten fre­quentierte Verkehrskarussell. Sie können nichts dafür, aber in Ihrem Ministerium gibt es ein paar, die das bremsen. (Abg. Schallmeiner: Ist heute Sprechstunde
der Ministerin?)
Wir haben uns mit der Asfinag geeinigt, und wir bräuchten da Ih­re Unterstützung, genau wie ich sie auch bei der Zillertalbahn brauche.
Frau Bundesminister, ich wollte nur diesen Wunsch loswerden, denn wir kämp­fen in Tirol schon sehr, sehr lange darum, dass wir da eine vernünftige Auf­fahrt bekommen.

Herr Kollege Lausch, du kannst dich abregen: Die Straftäter sind draußen, also sucht euch ein anderes Thema, bei dem ihr euch ständig aufregen könnt!

Ich denke, dass auch dieses Thema Umwelt mit dem Klimabonusgesetz an das Lebenshaltungs- und Wohnkosten-Ausgleichs-Gesetz – ein kompliziertes Wort ‑, das wir heute früh beschlossen haben und bei dem benachteiligte Fami­lien eben diese 60 Euro pro Kind und bis Ende des nächsten Jahres so­mit 1080 Euro bekommen, und an die Verdoppelung der Spenden von Licht ins Dunkel mit noch einmal 14,5 Millionen Euro nahtlos anschließt. Auch da­bei geht es nämlich um Entlastungsmaßnahmen für die Bevölkerung. Übrigens haben wir – hat diese Regierung, hat dieses Parlament – im vergangenen
Jahr über 40 Milliarden Euro an Entlastungs- und Hilfspaketen beschlossen, um


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Familien, Haushalte und Unternehmen zu entlasten – bei Unternehmen na­türlich auch die Arbeitsplätze. Das wird ja gerade von dieser Seite (in
Richtung SPÖ weisend)
auch immer wieder vergessen.

Es waren vielfältige Maßnahmen: Einmalzahlungen, Energiezuschüsse, eine ökosoziale Steuerreform, Pensionserhöhungen, die Abschaffung der
kalten Progression, die stufenweise Senkung der Körperschaftsteuer, die Absenkung der unteren Einkommensstufen. Wie in keinem anderen Land in Europa wurde gezielt und umfangreich reagiert und den Menschen und Betrieben spürbar durch die Krisen geholfen. (Zwischenruf des
Abg. Hoyos-Trauttmansdorff.)

Zur Erinnerung: Wir geben 50,7 Milliarden Euro, also fast 50 Prozent des Budgets, für Soziales aus, und Sie (in Richtung SPÖ) kommen daher und sagen, wir sind gegen die Menschen. Wir sind ein Sozialstaat mit enormen Aus­gaben, und Sie tun so, als würden wir hier die Leute verarmen lassen. (Beifall bei der ÖVP.) Das ist Theater, was Sie machen! (Abg. Herr: Sie haben gerade
gegen eine Jobgarantie gestimmt! 300 000 armutsbedrohte Kinder!) 
– 50 Prozent des Budgets gehen in Soziales. (Abg. Herr: 300 000 armutsbedrohte Kin­der!) – Ja, gut, es nutzt nichts, Ihnen werden wir das sowieso nicht beibringen. Mit Zählen und Zusammenzählen haben Sie sowieso Probleme. (Heiterkeit
und Beifall bei der ÖVP. – Abg. Krainer: Und haben Sie Ihre Förderung, die Sie von der Cofag bekommen haben, schon zusammengezählt? Haben Sie die Bi­lanz 2021 schon abgegeben? Wie viel Geld haben Sie gekriegt, wenn Sie so gut
im Zählen sind?)

Dieser Klimabonus war ein gewaltiger Aufwand, Frau Bundesminister: die Art und Weise, wie er bei über 8,6 Millionen Berechtigten abgerechnet wur­de. Ich denke, diese Abwicklung war hervorragend. Jeder, der sich jetzt wundert, warum er heuer weniger Geld bekommt: Letztes Jahr wurden 500 Euro ausbezahlt. Das waren der Klimabonus und der Antiteuerungsbonus. Das ist heuer nicht der Fall. Die Summe wird also zwischen 110 und 220 Euro betragen. (Abg. Wurm: Zu wenig!)


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An der Diskussion, wer anspruchsberechtigt ist, werde ich mich nicht beteiligen. Ich sage nur: Es sind keine Gäste – nicht die Gäste, für die ich als Touris­mussprecher verantwortlich bin. Deren Aufenthalt dauert nur 3,5 Tage. Es sind also nicht die 183 Tage, keine Sorge. Der Tourismus, Frau Bundesminis­ter – das darf ich immer wieder betonen – ist jene Sparte in dieser Republik, die den höchsten Anteil an erneuerbaren Energien hat. (Abg. Herr: Direkt klima­neutral!) Über Seilbahnen rede ich gar nicht, weil wir schon völlig auf elektrische Energie umgestellt sind.

Ist Kollege Matznetter noch hier? – Nein, schon abgedampft. Herr Kollege Matznetter hat sich letztens ja so aufgeregt, dass wir in Wien bei den Straßen Un­terschiede machen: Einmal sind es 100 Euro, auf der anderen Seite be­kommt man schon 150 Euro. – Auch da hat man nachgebessert. Alle Wiener, die außerhalb des Gürtels wohnen – also auch Herr Matznetter –, bekommen 40 Euro mehr. (Abg. Krainer: Stimmt ja gar nicht! Favoriten nicht! Sie haben ja keine Ahnung, wo der Gürtel ist! – Heiterkeit bei SPÖ und FPÖ.) Ich denke, alle Außenbezirke, Floridsdorf, Donaustadt, Simmering, Döbling – nicht gerade ein armer Bezirk –, Währing und Liesing, bekommen einen höheren Bonus.
Auch das wurde also repariert. (Abg. Wurm: Döbling kriegt mehr!)

Wichtig ist aber – und das finde ich schon –, dass die Bewohner der ländlichen Regionen, die ja in den abgelegenen Tälern oder auf den Bergen wohnen,
eben nicht im Fünf-Minuten-Straßenbahntakt oder mit der U-Bahn bequem ins Büro fahren können, beispielsweise jene aus meiner Heimat Hochfügen.
(Abg. Hoyos-Trauttmansdorff: Mit der Seilbahn vielleicht!) Sie brauchen ein Auto, damit sie nach Fügen kommen. Dann müssen sie in die Zillertalbahn um­steigen, die leider noch mit Diesel fährt.

Wir könnten schon Wasserstoff haben. Frau Bundesminister, da brauche ich Ihre Hilfe, weil der Innovationswille in diesem Land unterschiedlich verteilt ist.
Alle reden von Wasserstoff. Man kann das auch ruhig im Regierungsprogramm der Bundesregierung und auch im Regierungsprogramm des Landes Tirol


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stehen haben, und es wird immer noch diskutiert. Ich hoffe aber, es geht mit Ih­rer Hilfe, Frau Bundesminister, dann der Wende zu.

„Der Standard“ schreibt heute, dass die Idee, eine CO2-Steuer einzuheben und dann die Einnahmen aus der Bepreisung von CO2-Emmissionen über
den Klimabonus als Steuerungselement wieder zurückzugeben, ein europäisches Pionierprojekt sei. Also ich denke, in Deutschland diskutiert man darüber –
und wir haben es umgesetzt. Ich glaube, das verdient auch einen gewissen Re­spekt. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Wurm: Nein! Franz, was ist los mit dir?
Bist du irre? Was erzählst du da?)

Kollege Schwarz hat auch ausgeführt, dass es derzeit ja nur die Besserverdienen­den betrifft. Der Großteil der Bevölkerung macht sogar ein Geschäft, weil
der Klimabonus höher ist als die CO2-Bepreisung. (Abg. Rauch: Geh, Franz, bitte! Du bist ja ein Wirtschaftler! Du kannst ja rechnen! – Neuerlicher Zwischenruf
des Abg. Wurm.)

Dann hätte ich aber noch etwas, das ich schon auch einmal hier im Parlament sagen wollte: In den letzten zwei Tagen war in Innsbruck Chaos, weil sich
die Letzte Generation auf die Straße setzt. Ich denke, die Letzte Generation – so sehe ich es – ist die erste, die in einem von der Menschheit bis dato nicht erlebten Wohlstand aufwächst und die mit ihren Blockaden und Klebeprotesten Menschen, die für diesen Wohlstand arbeiten, täglich behindert, sekkiert
und ihnen das Leben erschwert. (Beifall der Abgeordneten Rauch und Wurm.) Ich habe der Reihe nach Anrufe bekommen, dass Familien, die ihre Kinder
zur Schule bringen müssen und dann zur Arbeit müssen, zu spät gekommen sind.

Ich hatte vorgestern eine Wasserrechtsverhandlung in Gerlos, und drei oder vier Beamte sind gar nicht aufgetaucht, weil sie nicht aus Innsbruck hinausge­kommen sind. Ich fordere diese Leute auf, dass, wenn sie demonstrieren und ihr Recht auf freie Meinungsäußerung und Demonstration, das ihnen unbe­nommen ist, ausüben wollen, sie sich auch an die Regeln halten, das heißt, ord-


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nungsgemäß eine Anmeldung durchführen, wo und wie die Protest­aktionen stattfinden. Auch das kann man erwarten. (Beifall bei der ÖVP sowie
der Abgeordneten Deimek und Spalt.)

Ich denke, wenn Universitätsprofessoren die Klimaprotestaktionen unterstützen, dann sollen sie mit ihrer Intelligenz darüber nachdenken, wie man Demons­trationsmöglichkeiten findet, mit denen man die freie Meinungsäußerung so dar­bringt, dass man Menschen, die zur Arbeit müssen, nicht stört. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

18.30


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Andreas Min­nich. – Bitte.


18.30.53

Abgeordneter Andreas Minnich (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bun­desminister! Werte Kollegen im Hohen Haus! Liebe Zuseher hier auf der
Galerie und zu Hause vor den Fernsehbildschirmen! Zu Beginn möchte ich Ihnen, Frau Bundesminister, und auch der Bundesregierung Danke sagen. Heute
ist, glaube ich, ein Freudentag für alle Kosovaren in Österreich. Mit der zukünfti­gen Anerkennung kosovarischer Führerscheine ist ein ganz großer Schritt gelungen. Vielen, vielen Dank, dass das möglich gemacht worden ist. Für viele Berufsgruppen, für viele Kosovaren, die hier in Österreich leben, ist da­mit das Leben massiv erleichtert worden. Herzlichen Dank! (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von Grünen und NEOS.)

Ich habe heute in der Früh mit einem Berufspendler aus meinem Wahlkreis, aus Stockerau, gesprochen und ihn gefragt: Was hast du eigentlich vor dem Klimaticket monatlich beziehungsweise im Jahr für das Pendeln bezahlt und was bezahlst du heute? Er hat nachgesehen und siehe da: Er spart sich mit dem Klimaticket jetzt jährlich über 250 Euro. (Abg. Loacker: Die er mit seinen Steuern zahlt!) Dazu kommt noch der Klimabonus von 185 Euro. Durch diese zwei Maßnahmen wird er im öffentlichen Verkehr also um 435 Euro entlastet. Das ist


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nicht nur eine wichtige Entlastungsmaßnahme, sondern auch ein Anreizsys­tem für nachhaltige öffentliche Mobilität. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Drei Punkte zu Klimaticket und Klimabonus: Erstens: Wir entlasten damit die Menschen; zweitens: Klimaschutz durch Anreiz und Förderung; drittens: nachhaltige Mobilität ohne Verbotspolitik.

Geschätzte Damen und Herren, diese drei Punkte zeigen ganz klar und deutlich, dass wir das Beste aus beiden Welten meinen und umgesetzt haben. Aktiver Klimaschutz und ökosoziale Marktwirtschaft gehen sich aus und sind der richtige Weg, der richtige Ansatz. Klimabonus, Klimaticket und CO2-Bepreisung zu­sammen sind ein durchdachtes Paket und sie sind Bestandteil der größten öko­sozialen Steuerreform mit einem klaren Ziel, nämlich bis 2040 Klima­neutralität herzustellen. Das ist nachhaltige Mobilität gemeinsam mit unserer Bevölkerung.

Last, but not least ist der Klimabonus Bestandteil der ökosozialen Steuerreform, mit der wir die Österreicher bis 2025 mit über 18 Milliarden Euro entlas­ten. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

18.33


18.33.57

Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Damit kommen wir zu den Abstimmungen, die ich über jeden Ausschuss­antrag getrennt vornehme.

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 15: Entwurf betreffend Klimabonusgesetz in 2071 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Jakob Schwarz, Johannes Schmuckenschlager, Kolleginnen und Kollegen einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungs­antrag eingebracht.


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Ich werde daher zunächst über die vom erwähnten Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag betroffenen Teile und schließlich über die restli­chen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Jakob Schwarz, Johannes Schmuckenschlager, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag betreffend die Ziffern 2 und 5 eingebracht.

Wer sich dafür ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen? – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abge­stimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fas­sung des Ausschussberichtes.

Wer spricht sich dafür aus? – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Nein zum Sanierungs­zwang und zum Verbot von Öl- und Gasheizungen“.

Wer ist für diesen Entschließungsantrag? – Das ist die Minderheit, abgelehnt. (Abg. Wurm: Wo sind die Vernünftigen? Die Vernünftigen von der ÖVP? – Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Wir sind im Abstimmungsvorgang.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag des Abgeordneten Michael Bernhard. (Unruhe im Saal.) – Vielleicht entsteht dann wieder ein wenig Ruhe.

Es ist der Antrag des Abgeordneten Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Klimaschutzgesetz endlich vorlegen“.


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Wer spricht sich dafür aus? – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Tagesordnungspunkt 16: Antrag des Umweltausschusses, seinen Bericht 2072 zur Kenntnis zu nehmen.

Wer sich dafür ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung? – Das ist mit Mehrheit zur Kenntnis genommen.

18.36.2617. Punkt

Bericht des Umweltausschusses über den Antrag 3423/A(E) der Abgeordneten Ing. Martin Litschauer, Johannes Schmuckenschlager, Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend geologische Auswertungen im Zuge der Baumaßnahmen für das AKW PAKS II (2073 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen nun zum 17. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Erster Redner: Herr Abgeordneter Martin Litschauer. – Bitte.


18.37.07

Abgeordneter Ing. Martin Litschauer (Grüne): Frau Ministerin! Frau Präsidentin! Sehr geehrte Zuhörerinnen und Zuhörer! Es geht heute wieder einmal um
das AKW Paks. Es ist an und für sich nicht das erste Mal, dass wir uns hier darü­ber unterhalten. Die meisten – ich hole da vielleicht aus – werden wissen:
Es gibt da ein bestehendes AKW, das im Prinzip schon in einer Erdbebenzone steht, und Ungarn möchte einen Ausbau machen, der sich allerdings auch
wieder auf einer Erdbebenzone befindet, eigentlich – wie unsere Geologen und Wissenschafter sagen – auf einer Erdbebenbruchlinie.

Über diese Erdbebenbruchlinie und die Gutachten ist ein gewisser wissenschaft­licher Streit entbrannt, und auf ungarische Seite gibt es dahin gehend
aktuell kein Einsehen. Es wurde trotzdem eine Standortgenehmigung für das AKW erteilt, was im Übrigen interessanterweise nach russischem Recht
gar nicht möglich gewesen wäre, in Ungarn aber schon.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll219. Sitzung, 219. Sitzung des Nationalrats vom 14. Juni 2023 / Seite 383

Wir haben die EU-Kommission schon voriges Jahr mit einer Anfrage beschäftigt und sie hat gesagt: Ja, das muss man sich genauer anschauen. Ich habe
leider noch nicht nachvollziehen können, dass sich die EU-Kommission das ge­nauer angeschaut hätte. Das heißt, wir haben dazu noch eine sehr offene
Frage.

Stattdessen hat die EU-Kommission jetzt aber die Finanzierungsänderungen der Verträge mit Ungarn und Russland genehmigt. Dazu muss man wissen: Russ­land will dieses AKW nicht nur bauen, sondern auch an dessen Betrieb
und bei der Finanzierung beteiligt sein. Das ist eigentlich ein russisches AKW-Projekt mitten in Ungarn. Deshalb ist noch weniger nachvollziehbar, dass
die EU-Kommission einerseits für die Finanzierung grünes Licht gibt, aber auch bei der Genehmigung des Standortes ein bisschen wegschaut.

Jetzt stehen die Baumaßnahmen, also das Ausheben der Baugrube, unmittelbar bevor und während dieser Aushebearbeiten wäre es eigentlich notwendig,
dass wir diese Erdbebenbruchlinien ganz genau untersuchen. Das ist das Anlie­gen, weil wir da auf wissenschaftlicher Seite bisher keinen Konsens
mit Ungarn gefunden haben und es aber sehr wichtig wäre, dass genau diese Untersuchungen jetzt stattfinden, dass wir auch vonseiten des Parla­ments noch einmal darauf hinweisen, wie wichtig die Sicherstellung dieser
Daten ist.

Aus diesem Grund habe ich die Initiative für den Entschließungsantrag, der uns heute vorliegt, gesetzt und habe die anderen Fraktionen eingeladen. Ich
freue mich, dass der Antrag schon beim Einbringen von mehreren Fraktionen und im Ausschuss dann im Prinzip von allen Fraktionen unterstützt wor­den ist. Deswegen hoffe ich und glaube ich auch, dass wir zu diesem Antrag dann ein einstimmiges Abstimmungsergebnis bekommen. Ich denke,
wir müssen da ganz intensiv dranbleiben und gemeinsam die Sicherung des Standortes vorantreiben.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll219. Sitzung, 219. Sitzung des Nationalrats vom 14. Juni 2023 / Seite 384

Immerhin geht es da nämlich um die europäische Sicherheit, und wir
haben ja schon gesehen, wie so etwas in anderen Fällen wie in der Ukraine und Co schnell auch ausarten kann. Atomkraftwerke sind eine atomare Bedro­hung, einerseits im Falle von Krieg oder Terror, andererseits aber auch im Be­trieb – und da geht es vor allem um den Betrieb –, und diese Bedrohung
wollen wir abwenden.

Das Einfachste wäre natürlich, aus der Atomkraft auszusteigen und gleich die Energiewende zu starten. Da richte ich meinen Blick auch ein bisschen
nach Slowenien, dessen Ministerpräsident vor Kurzem hier war und gemeint hat, Österreich könnte sich doch an der Finanzierung des slowenischen Atom­kraftwerks beteiligen: Ich glaube, wir könnten uns an der Finanzierung der Ener­giewende, an Vorhaben der erneuerbaren Energien beteiligen, das wäre sinnvoll – aber sicher nicht an AKW-Projekten.

Da sieht man jetzt beispielsweise in Frankreich, dass EDF verstaatlicht werden musste, und auch in England muss der Steuerzahler wieder einspringen
und das ausbügeln. Die Atomkraft ist überall unwirtschaftlich geworden, und daher ist es noch unverständlicher, warum man diese Projekte nach wie
vor verfolgt.

In diesem Sinne sage ich noch einmal Danke, dass dieses Anliegen auch von den anderen Fraktionen unterstützt wird. Ich bin natürlich jederzeit offen, so
etwas gemeinsam zu machen, und ihr wisst, als Antiatomsprecher lade ich immer alle Fraktionen ein, das auch gemeinsam vorzubereiten. Wenn es Anre­gungen gibt, dann bitte gerne wieder her damit, dann machen wir wieder et­was. – Danke. (Beifall bei den Grünen, bei Abgeordneten der ÖVP sowie
des Abg. Bernhard.)

18.41


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Robert Laimer. – Bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll219. Sitzung, 219. Sitzung des Nationalrats vom 14. Juni 2023 / Seite 385

18.41.29

Abgeordneter Robert Laimer (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesmi­nisterin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir stehen mit Paks II vor einer Bedrohung, die nicht ignoriert werden darf. Der geplante Bau zweier
neuer Atomreaktoren in Ungarn direkt auf einer aktiven Verwerfungslinie ist
ein fahrlässiges Spiel mit dem Feuer.

Eine aktive Verwerfung ist eine tickende Zeitbombe, zwei tektonische Platten stoßen dabei aneinander und bewegen sich entlang einer Bruchlinie. Die Wahrscheinlichkeit für Erdbeben in einem solchen Gebiet ist hoch, und was be­deutet das? – Es bedeutet, dass nicht nur das Kernkraftwerk selbst gefähr­det ist, sondern vor allem auch die damit verbundenen Einrichtungen in einem großen Radius.

Stellen Sie sich einmal vor, was passieren könnte: Ein starkes Erdbeben er­schüttert die Region, und die Blöcke des Kraftwerkes können dem
nicht standhalten. Die Folgen sind verheerend, ein nuklearer Unfall und eine Kernschmelze, und das alles im Bereich der unmittelbaren Nachbar­schaft. Ein Erdbeben in der Nähe des Kernkraftwerkes gefährdet außerdem
die Sicherheit der radioaktiven Abfälle, des Atommülls, der dort gela­gert wird. Wenn Lagerstätten beschädigt werden, dann besteht die reale Gefahr einer Freisetzung von Radioaktivität in die Atmosphäre – die Folgen
für die Gesundheit der Bevölkerung und für die Umwelt wären katastrophal.

Als Sprecher für Landesverteidigung möchte ich aber noch auf einen weiteren Aspekt hinweisen. Österreich wäre natürlich gezwungen, unverzüglich Katastrophenschutzmaßnahmen einzuleiten, um die Folgen eines solchen Un­glücks zu bewältigen. Es ist alarmierend, dass das österreichische Bun­desheer, das bereits jetzt mit personellen Engpässen zu kämpfen hat, in einem solchen Szenario als ein Hauptakteur im Katastrophenschutz dienen müsste. Ein Atomkraftwerksunfall in Ungarn würde sämtliche professionelle Sicherheitskräfte zusätzlich belasten und ihre Fähigkeiten, im Katastro­phenfall angemessen zu reagieren, erheblich fordern.


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Seitens der Regierungsparteien wurde da zu wenig getan, auch auf europäischer Ebene, und zwar zu wenig in der konservativ geführten EU-Kommission durchgesetzt. (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Offensichtlich wurde da zu wenig Druck ausgeübt, und das ist angesichts
der Geburtsstunde der Grünen 1978 in Zwentendorf geradezu verwunderlich, aber anscheinend scheint der Markenkern der Grünen auch da im Koali­tionsbett mit der ÖVP zu schmelzen.

An die Regierung adressiert: Es ist Ihre Pflicht, sich für den Schutz unseres Landes auf EU-Ebene und auf bilateraler Ebene einzusetzen. Meine Damen und Herren, wir brauchen entschlossenes Handeln, um diese Bedrohung abzu­wenden. Unserer Umwelt zuliebe darf es keinen Kompromiss geben,
denn AKWs in Erdbebenzonen sind irrational. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

18.44


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Walter
Rauch. – Bitte.


18.44.54

Abgeordneter Walter Rauch (FPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Hohes Haus! Wir stimmen diesem Antrag natürlich zu, es gibt ja ein einhelliges Commitment dazu hier im Hohen Haus, dass wir gegen Atomkraft
geschlossen auftreten, was, glaube ich, ein sehr, sehr wichtiger Punkt ist.

Die Risiken wurden schon aufgezeigt, dass es sich beim Standort des Atomkraftwerks im ungarischen Paks um eine geologische Erdbebenlinie han­delt. Das ist natürlich ein sehr, sehr hohes Risiko auch im Hinblick auf Fol­geerscheinungen und, und, und, das ist uns allen sehr bewusst.

Wichtig ist aber, dass wir dieses Anliegen auch auf die europäische Ebene tra­gen. Das ist dann wieder Ihr Part in diesem Bereich (in Richtung Bundesmi­nisterin Gewessler), dass dementsprechend auch in der Taxonomie die Atomkraft


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nicht als grün bezeichnet wird. Das ist, glaube ich, auch ein wesentlicher Bestandteil unseres Commitments, zumindest gehe ich davon aus.

Es gibt ja noch einen weiteren Punkt, ich glaube, Kollege Litschauer hat ihn angesprochen: Bei Slowenien ist es mit Krško ja eine ähnliche oder
fast die gleiche Situation. Auch da bedarf es eines politischen Commitments auf europäischer Ebene, auch da muss die Bundesregierung entsprechend auf­treten und mit aller Vehemenz den Ausbau von Krško verhindern. Da sind natür­lich auch die Landesregierungen von Kärnten und der Steiermark gefordert,
also jener Bundesländer, die an der slowenischen Staatsgrenze liegen.

Sollte es zu einem Reaktorunfall kommen: Wir erinnern uns alle noch an Tschernobyl und welche Folgen das hatte, das wünscht sich hier
sicherlich niemand. Ich bin daher froh, dass dieser Antrag heute einstimmig beschlossen wird. (Beifall bei der FPÖ.)

18.46


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Friedrich Ofenauer. – Bitte.


18.47.01

Abgeordneter Mag. Friedrich Ofenauer (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen im Hohen
Haus! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Ohne Strom geht heutzutage fast nichts mehr, Strom ist eine der Grundlagen für unsere moderne Le­bensweise: ohne Strom keine Wirtschaft und kein Leben, wie wir es gewohnt sind.

Die nachhaltige Erzeugung elektrischer Energie wird daher eines der Zu­kunftsthemen sein, und wir in Österreich setzen dabei vor allem
auf Wasserkraft, Windkraft, Fotovoltaik und auch Hackschnitzel. Seit Zwen­tendorf jedoch ist es parteiübergreifender Konsens, dass es in Öster­reich kein Atomkraftwerk geben wird. Das ist auch gut so, es gibt einen guten


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Grund dafür, denn die Gefahren sind nicht beherrschbar. Nicht beherrsch­bare Strahlung, dazu die Endlagerung – es sind Gefahren, die nicht in den Griff zu bekommen sind.

Österreich fordert daher auf Ebene der Europäischen Union, keine öffentlichen Gelder für die Förderung von Atomkraft einzusetzen und insbesondere
auch keine öffentlichen Beihilfen dafür zu gewähren, um den Wettbewerb in der Stromerzeugung nicht zu verzerren.

Infrage zu stellen ist meiner Ansicht nach natürlich auch die mögliche Ein­stufung der Atomenergie als grüne Energie.

Nun haben wir aber den Fall, dass in Ungarn beim Atomkraftwerk Paks II rus­sisches Geld in alte russische Technologie investiert wird. Bei allem Ver­ständnis dafür, dass man natürlich alle Möglichkeiten der Stromerzeugung nutzt: Vor allem bei Atomkraftwerken muss ganz genau auf die Sicherheit ge­schaut und geachtet werden! Der Wind, der eine radioaktive Wolke vor sich hertreibt, kennt nämlich keine Grenzen, wie wir ja von Tschernobyl
wissen.

Jetzt kann Österreich natürlich nicht die Entscheidung treffen, ob Ungarn
das Atomkraftwerk Paks II baut oder nicht – wir können aber auf
jeden Fall unser Wissen und unsere Erfahrungen, die wir zum Beispiel mit Zwentendorf gemacht haben, einbringen. Falls das Atomkraftwerk gebaut wird – natürlich wäre es besser, wenn das nicht der Fall ist –, muss sichergestellt werden, dass es zumindest so sicher wie möglich gebaut wird.

Da ist natürlich die Frage des Standortes eine ganz wesentliche, und wir haben schon beim AKW Zwentendorf Erfahrungen mit dem Thema Geologie ge­macht. Auch Zwentendorf liegt in einer geologisch sensiblen Zone:
Es gab dort 1590 ein Erdbeben, das wurde damals festgestellt, und solche geo­logisch und seismologisch gefährlichen Gebiete eignen sich natürlich nicht
für den Bau von Kernkraftwerken.


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Beim grenzüberschreitend durchgeführten UVP-Verfahren wurde vonseiten Ungarns darauf aber nicht eingegangen.

Das österreichische Umweltbundesamt hat entsprechende Untersuchungen ge­macht und auch detailliert erhoben, dass das Kraftwerk Paks II in einer
solchen seismologischen und geologisch gefährlichen Zone liegt, die aufgrund von möglichen Oberflächenverschiebungen und der Erdbebengefährdung
eben genau nicht dafür geeignet ist, dort ein Atomkraftwerk zu errichten. Das ist auch eine Information, die für Ungarn ganz wesentlich ist, und ich hoffe
doch, dass letztendlich die Entscheidung getroffen wird, das Atomkraftwerk dort nicht zu errichten.

Deswegen ersuchen wir auch die Bundesregierung und die zuständige Ministe­rin, sich bei allen, die dazu beitragen können – auf europäischer Ebene,
aber auch auf bilateralem Wege –, dafür einzusetzen, dass zumindest bei diesem Grubenaushub die entsprechenden wissenschaftlichen Begleitmaßnahmen gesetzt werden, die dann hoffentlich auch dazu führen, dass Einsicht einkehrt und dieses Kraftwerk nicht errichtet wird, denn letztendlich geht es dabei
auch um die Sicherheit der österreichischen Bevölkerung. Es geht um
die Abwehr von Bedrohungen, nicht nur von Terrorgefahr. Auch wenn es zu einem solchen Erdbeben kommt und Radioaktivität freigesetzt wird, ist
das eine veritable Bedrohung der österreichischen Bevölkerung, und im weiteren Sinne kann man sogar sagen, dass der Einsatz gegen den Bau dieses Kraft­werks unter die umfassende Landesverteidigung fällt, weil es dabei auch darum geht, solche Bedrohungen abzuwenden.

Meine Damen und Herren, da ich schon die umfassende Landesverteidigung an­gesprochen habe: Im Übrigen bin ich der Meinung, dass vor allem der geis­tigen Landesverteidigung wieder neues Leben eingehaucht werden müsste. (Bei­fall bei der ÖVP.)

18.51


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Michael Bern­hard. – Bitte.



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18.51.36

Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Frau Präsidentin! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Ich möchte mich zuerst bei Kollegen Litschauer bedanken, der wieder einmal eine Initiative gestartet hat, in der es um
die österreichischen Bemühungen geht, bei der Atomkraft klar Grenzen auf­zuzeigen, und zwar in Wirklichkeit unsere Grenzen.

Wenn ich mich mit dem Kraftwerk Paks II beschäftige, erinnert mich das sehr an meine eigene Jugend. Ich bin schon als 13-Jähriger in der Slowakei gewesen,
um gegen Mochovce zu demonstrieren – in Bratislava, nicht vor dem
Reaktor, der war damals noch nicht gebaut. Damals war auch das Thema, dass in einem Land ein Kraftwerk gebaut wird, das aber im schlimmsten Fall ein
anderes Land, nämlich unser Land, und die eigene Bevölkerung bedrohen kann, wenn dort ein erheblicher Unfall passiert.

Jetzt haben wir die Situation, dass wir als österreichisches Parlament natürlich respektieren müssen, wenn in Ungarn ein Kernkraftwerk gebaut wird,
wenn es so weit im Landesinneren ist, dass es uns als Österreich nicht betrifft. Die grenzüberschreitende UVP war ja ein Signal, dass das nicht der Fall
ist, sondern dass wir auch unmittelbar davon betroffen sind. Man
hat festgestellt – meine Vorredner haben das ohnehin auch schon alle angesprochen –, dass es eben ein erdbebensensibles Gebiet ist.

Das ist im Gutachten des Umweltbundesamts auch sehr genau ausgeführt. Da steht: „Die Studie kommt deshalb zu der abschließenden Einschätzung,
dass es mehr als zweifelhaft ist, dass das ungarische Regierungsdekret [...] von 2011 über die Anforderungen an die nukleare Sicherheit [...] erfüllt ist.
Die Möglichkeit des Auftretens einer dauerhaften Oberflächenverschiebung am Standort Paks II kann durch wissenschaftliche Belege nicht zuverlässig ausgeschlossen werden.“ Deswegen sieht man den Standort Paks II auch als un­geeignet für so einen Kraftwerksbau.


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Bei Tschernobyl hat man uns zuvor gesagt, menschliche Fehler sind ausge­schlossen, das Ding kann nicht in die Luft fliegen; hinsichtlich Fuku­shima hat man gesagt, Naturkatastrophen würden da jedenfalls keine Auswir­kungen haben. Wir sind mittlerweile durch solche Katastrophen mit
dem Wissen gesegnet, dass man bei einem solchen Bau immer vom Schlimmsten ausgehen muss. In einem Gebiet, in dem Erdbeben auftreten können, die
eine dauerhafte Oberflächenverschiebung zur Folge haben, ist eben ein solcher Bau aus unserer Sicht, aus österreichischer Sicht abzulehnen.

Ob wir das verhindern können, ist mehr als zweifelhaft, aber jedenfalls wün­schen wir uns von der Bundesregierung, namentlich von der Ministe­rin, dass sie sich dafür einsetzt, dass wir auf fachlicher, wissenschaftlicher Ebene alles daransetzen, dass wir alle Informationen bekommen und diese auch
mit unseren ungarischen Partnern und auch den Kollegen in Brüssel so teilen, dass man zumindest ein so sicheres Kraftwerk wie möglich baut.

In diesem Sinne: Danke für den gemeinsamen Antrag, und ich hoffe auf große Zustimmung. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS sowie der Abgeordne­ten Litschauer und Diesner-Wais.)

18.54


Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich Frau Bundesministerin Gewessler zu Wort gemeldet. – Bitte.


18.54.24

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Frau Präsidentin! Werte Abgeord­nete! Werte Zuseherinnen und Zuseher hier auf der Galerie! Sicher ist nur das Risiko: Diesen Satz haben wir in Bezug auf Atomkraftwerke, glaube ich,
alle schon sehr oft gehört, aber er stimmt natürlich noch einmal mehr, wenn es darum geht, dass wir über ein seismisches Risiko sprechen, also über das
Risiko, das ein Erdbeben, das eine Störzone für ein Atomkraftwerk bedeuten kann.


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Daher möchte ich meine Rede damit beginnen, Ihnen allen Danke zu sagen für diesen Antrag und für dieses, wie ich jetzt den Redebeiträgen entnehme, gemeinsame und sehr starke Signal, das dieses Parlament in dieser Sitzung heute wieder sendet: dass wir nicht wegschauen, dass wir nicht lockerlassen,
dass wir nicht aufhören werden, auf dieses Risiko hinzuweisen, uns in diese Ver­fahren einzubringen, den Finger in die Wunden zu legen und mit unseren Nachbarn, wenn wir betroffen sind, das Thema immer und immer und immer wie­der anzusprechen. Da ist ein Antrag wie dieser für uns in unserer Arbeit im Ministerium einfach eine ganz wichtige Rückenstärkung. Deswegen möchte ich Ihnen allen für dieses gemeinsame starke Signal ein herzliches Danke aussprechen. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von ÖVP und SPÖ.)

Wir haben tatsächlich vor mittlerweile rund sechs Jahren ein Projekt gestartet. Einige Ergebnisse aus diesem Projekt sind in den vorigen Redebeiträgen
schon angesprochen worden. Wir haben uns am grenzüberschreitenden Um­weltverträglichkeitsprüfungsverfahren beteiligt, wir haben das Thema Erdbebensicherheit gerade im Hinblick auf Paks II immer und immer wieder mit der ungarischen Seite intensiv diskutiert. Es gibt, so klar muss man das auch heute hier aussprechen, nach wie vor unterschiedliche Ansichten zum The­ma, aber aus unserer Sicht ist völlig klar: Es fehlen nach wie vor die Daten,
um eine aktive Bruchlinie am Standort ausschließen zu können, und was das für die Sicherheit und für das Risiko bedeutet, brauche ich Ihnen in diesem
Rahmen nicht weiter zu erläutern.

Wir werden weiterhin und gestärkt durch diesen Antrag in unserer bilateralen Arbeit mit den Nachbarn unsere Sicherheitsbedenken intensiv vortragen.
Wir werden weiterhin auf die Einhaltung aller Regeln, aller Sicherheitsstandards drängen, die ja insbesondere in Europa nach dem katastrophalen Unfall in Fukushima noch einmal verstärkt wurden. Gerade auf dem Bereich Erdbebensi­cherheit liegt ein besonderes Augenmerk. Das prägt unsere bilaterale Ar­beit, das wird sie auch weiter tun.


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Weil unsere europäische Antiatomarbeit jetzt in zwei Reden angesprochen wurde, möchte ich auch dazu noch ganz kurz etwas sagen: Es gibt auf europäischer Ebene wohl kein zweites Land, das sich derartig intensiv, kon­sequent und auch lautstark gegen die Atomkraft einsetzt, und zwar
egal durch welches Hintertürl, in welcher Verkleidung oder in welchem Er­pressungsversuch sie wieder daherkommt. Ich möchte Ihnen kurz zwei Beispiele nennen: Wir haben die von Abgeordnetem Rauch vorhin bereits ange­sprochene Taxonomie, wo es darum geht, dass Atomkraft auf europäischer Ebe­ne ein grünes Manterl bekommen soll.

Es war Österreich, das auch noch die letzte Konsequenz gezogen hat, nämlich diesen delegierten Rechtsakt der Europäischen Kommission einzuklagen.
Das heißt, wir holen die Europäische Kommission vor den Gerichtshof der Euro­päischen Union, um zu sagen: Das geht nicht! Es ist inhaltlich falsch, es ist prozedural falsch, es überschreitet die Kompetenzen der Kommission. – Und wir sind sehr zuversichtlich, dass wir in diesem Verfahren auch wirklich einen Präzedenzfall für den Umgang mit der Atomkraft in Europa schaffen können. Das ist das eine Beispiel.

Das zweite Beispiel, ich habe es an dieser Stelle auch schon ein paar Mal erwähnt: Die Debatte um die Atomkraft kriegt in Europa mehr Kraft, oder sie wird konfliktärer, und sie spielt derzeit in ziemlich jedem einzelnen Dos­sier, das wir auf europäischer Ebene im Energiebereich verhandeln, eine Rolle. Wir haben aktuell gerade eine große Konfrontation auch rund um die Erneuerbare-Energien-Richtlinie, wo sich im Vorfeld dieser Verhandlung eine Gruppe der Freunde der Nuklearenergie gegründet hat, Friends of
Nuclear Energy. Selbstverständlich lässt Österreich das nicht so stehen. Selbst­verständlich lassen wir das nicht so stehen. Deswegen gibt es jetzt auf österreichische Initiative eine Gruppe der Friends of Renewables, die sich auf meine Einladung auch am kommenden Montag wieder trifft, denn die
muss genauso gut koordiniert, abgestimmt und mit genau derselben einheitli-


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chen Stimme auch auf europäischer Ebene agieren. Genau das koordi­nieren wir aus Österreich, und ich freue mich immer sehr, wenn ich zu diesen Treffen mit einem neuen und bestärkten Mandat aus dem Parlament
kommen kann. Deswegen ein herzliches Danke dafür. (Beifall bei den Grünen, bei Abgeordneten der ÖVP sowie des Abg. Schroll.)

18.59


Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Herr Abgeordneter Alois Kainz zu Wort. – Bitte.


18.59.44

Abgeordneter Alois Kainz (FPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Geschätzte Kollegen und Kolleginnen! Österreich verweigert schon seit vielen Jahren mit vollem Erfolg die Atomenergie, und das ist auch gut und richtig
so. Heute sagen 62 Prozent der Österreicher, dass wir in Österreich ohne Atom­kraft leben können, sollen und müssen.

Jedoch sind wir in Österreich leider von Atomkraftwerken umgeben. Ich möchte einmal die Problematik verdeutlichen: Es befinden sich neun problemati­sche Atomkraftwerke in unserer Umgebung. Das nächste, das AKW Dukovany, liegt in Tschechien und ist nicht einmal 40 Kilometer von der österreichi­schen Staatsgrenze entfernt. Das am weitesten entfernte ist das AKW Paks in Ungarn – das ist 180 Kilometer von unserer Grenze entfernt. Nun gelan­gen wir gleich zu unserem Sorgenkind, über das wir jetzt sprechen: Da laufen vier Generatorenblöcke, die mindestens die Hälfte des Strombedarfs
von Ungarn liefern. In Zukunft sollen zwei weitere Reaktorblöcke dazukommen und die Betriebszeit der bestehenden Blöcke soll um mindestens 20 Jahre verlängert werden.

Dabei hat sich laut einem Gutachten des österreichischen Umweltbundesamts herausgestellt, dass ziemliche Probleme vorhanden sind. In den letzten 10 000 Jahren hat es wiederholt massive Erdbeben in dieser Zone gegeben, die


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sogar nach ungarischem Recht eigentlich ungeeignet für den Bau und Be­trieb eines AKWs ist. Nun haben alle Parteien einem Entschließungsantrag zuge­stimmt, in dem die Bundesregierung dazu aufgefordert wird, mit diploma­tischen Mitteln auf Ungarn einzuwirken, am Standort der Baugrube eine inten­sive wissenschaftliche Beurteilung und Begleitung zuzulassen.

Vor zwei Jahren haben die Grünen und die ÖVP das Euratom-Volksbegehren mit den Argumenten ignoriert, dass man unbedingt Teil jenes Vertragswerks
sein muss, um weiter ein Mitspracherecht zu haben und einen gewissen Einfluss geltend machen zu können. Nun wird sich dies zeigen – und ich hoffe auch,
dass diese Entscheidung richtig und gut war, um den Einfluss in diesem Bündnis ausreichend kundzutun und auf Ungarn einzuwirken. Jetzt möchte man
quasi mit Ungarn einen gut-nachbarschaftlichen Deal um das umstrittene Projekt aufbauen, dass sie einsichtig werden.

Ich glaube allerdings, unsere Bundesregierung, die SPÖ und die NEOS haben zum Beispiel mit der Resolution, dass man Ungarn sein Recht auf die
EU-Ratspräsidentschaft verweigern möchte, der Sache keinen guten Dienst erwiesen. Auch wenn diese Resolution des Europäischen Parlaments
keine rechtlichen Auswirkungen hat, trägt ein solches Verhalten sicher nicht dazu bei, dass man unseren Nachbarn positiv in diese Richtung bewe­gen kann. Diplomatisches Agieren schaut etwas anders aus. Sucht man nach einer Definition für diesen Begriff, findet man Stehsätze, was es mög­lichst zu vermeiden gilt, und dazu zählt: andere bei Verhandlungen bloßzustellen oder sie in die Enge zu treiben.

Man kann allerdings auch eine Win-win-Situation suchen. Nichts dergleichen ist geschehen – und das ist eigentlich schon eine vergeudete Chance. Es
wird sich zeigen, wie Ungarn auf unser Ansinnen reagiert. (Beifall bei der FPÖ.)

19.03


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Martina
Diesner-Wais. – Bitte.



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19.03.41

Abgeordnete Martina Diesner-Wais (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren im Hohen Haus! Liebe Zuse­her! Es ist schön, dass uns die Materie der Atomkraft eint und dass es diesbezüg­lich Usus ist, parteiübergreifend der gleichen Meinung zu sein. Es geht heute um das ungarische Kernkraftwerk Paks, für das zwei neue Kraftwerkblö­cke geplant sind, obwohl der Standort in einer Region mit geologischen Schwierigkeiten liegt.

Unser Umweltbundesamt hat festgestellt, dass in den letzten 10 000 Jahren wiederholt schwere Erdbeben auf dieser Linie stattgefunden haben und dass dieser Standort auch laut ungarischem Recht eigentlich nicht für den Bau eines AKWs geeignet wäre. Die geologischen Bedenken führen natürlich auch zu Ängsten und Sorgen in der Bevölkerung, denn die Sicherheit und die Nachhaltigkeit eines Projekts sollte gewährleistet sein. Die Ängste bestehen nicht nur in der unmittelbaren Umgebung in Ungarn, sondern auch über die Grenzen hinweg.

Ich komme aus dem Waldviertel, das reich an Naturparks und Naturdenkmälern ist und wo ein starkes aktives und innovatives Engagement für erneuer­bare Energie vorhanden ist. Ich möchte nur das Projekt Sonnenwelt hervorhe­ben. Es ist natürlich auch der Bevölkerung wichtig, dass man Energiesys­teme auf stabilen und sicheren Grundlagen aufbaut, die Sicherheit für die jetzige Bevölkerung, aber auch für zukünftige Generationen geben.

Es wäre schon an der Zeit, dass man auch international verstärkt auf erneuer­bare Energie setzt und dahin gehend investiert, damit der Anteil der Atomenergie verringert wird. Daher appelliere ich im Sinne meiner Fraktion, aber auch meiner Heimatregion, dass die verantwortlichen Stellen garantieren,
dass wir ständig über die zukünftigen grenzüberschreitenden UVP-Verfahren ge­nau informiert werden. Im Falle von Paks II ist es natürlich wichtig, dass es
auch weiterhin eine wissenschaftliche Begleitung und dahin gehende Untersu­chungen gibt, wie es auch im Antrag drinsteht.


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Meine Damen und Herren, es liegt in unserer Verantwortung, in Zukunft auf erneuerbare Energie zu setzen und diese zu fördern. Erneuerbare Energie sichert Arbeitsplätze und Wirtschaftswachstum bei uns im Land und bietet eine nachhaltige Energieversorgung – auch für die kommende Generation, das liegt mir am Herzen.

In diesem Sinne, Frau Bundesminister, wollen wir Sie mit diesem Antrag in den Verhandlungen stärken, damit wir in Zukunft auch in unserer Grenznähe
eine atomfreie Zone haben. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

19.06


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Nikolaus Berlakovich, Sie
gelangen zu Wort. – Bitte.


19.07.09

Abgeordneter Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsi­dentin! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Die jahrzehntelangen Bemü­hungen der Umweltpolitik, der Klimaschutzpolitik, aber auch der Zivilgesellschaft haben letztendlich Früchte getragen. International haben viele Regionen ehrgeizige Klimaschutzziele entwickelt – vielleicht auch unter dem Eindruck extremer Wetterereignisse. Enorme Dürren, großflächige Überflutungen
und Waldbrände in vielen Teilen der Welt haben letztlich dazu geführt, dass die EU den Vorsatz geäußert hat, 2050 klimaneutral zu sein. Die USA wollen selbiges erreichen und auch China – der größte Emittent – verspricht, bis 2060 klimaneutral zu sein.

Das sind sehr ehrgeizige, wichtige und gute Ziele. Sie rücken aber natürlich die Energieversorgung in ein ganz neues Licht, weil wir ja aus den Fossilen aussteigen sollen. Bereits damals haben schon Diskussionen von bekannten Atomenergiebetreibern begonnen, Atomenergie stärker zu nutzen.
Dann kommt der Ukrainekrieg und plötzlich erhält das Thema Energie eine völlig neue Dimension. Auch wir in Österreich erkennen, wie abhängig wir von russischem Gas sind. Die Bemühungen der Bundesregierung, davon


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wegzukommen, sind ja sehr positiv und erfolgreich. Viele Regionen erkennen, dass sie Energie aus Krisengebieten beziehen und davon wegkommen
müssen. Das ist natürlich schon ein Turbo für manche, die immer schon für die Atomkraft waren.

Nun muss man aber trotzdem dagegenhalten, dass es sehr wohl andere Kon­zepte gibt. Wir haben ja in Österreich auch Konzepte gehabt, die ein energieautarkes Österreich propagiert haben. Das wurde immer von vielen Organisationen und Gruppierungen, die sie schlechtgeredet haben
und in Wahrheit auch geholfen haben, sie zu verhindern, hintertrieben. Dass das kein einfacher Weg ist, ist klar – aber konsequent Energie einzusparen,
effizient zu verwenden und auf erneuerbare Energie zu setzen, wäre doch ein faszinierender Gedanke, weil Atomkraft eben keine Lösung sein kann.
Viele Menschen fragen sich zu Recht: Werden die Leute nicht gescheiter, lernen sie nicht aus Katastrophen?

Der Super-GAU in Tschernobyl, der seinerzeit passiert ist, hat laut inter­nationalen Schätzungen Schäden im Ausmaß von rund 200 Milliarden US-Dollar verursacht. In Fukushima wurden nach derzeitigem Stand 260 Milliarden
US-Dollar an Schäden verursacht – und man weiß nicht, wohin mit dem radio­aktiven Wasser, das zur Kühlung verwendet wird. Das sind enorme
Faktoren.

Jetzt lesen wir permanent über und hören permanent von dem ukrainischen Kraftwerk Saporischschja. Das ist das leistungsstärkste Kernenergiekraftwerk in Europa, und permanent hört man: Es wird von den Russen besetzt, es
wird beschossen – wer immer dorthin schießt. Jetzt ist der Stausee weg, das Kühlwasser fehlt, und es schwingt immer mit, dass dort etwas passieren
kann. Es kann doch nicht sein, dass die Ukrainer zittern, dass halb Europa zittert, wenn dort in diesem Atomkraftwerk – Gott bewahre! – etwas passiert,
weil es eben zu kriegerischen Handlungen kommt. Daraus muss doch die Lehre sein, dass Atomkraft keine Antwort geben kann.


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Tschernobyl hat es gezeigt, Fukushima zeigt es, und auch Saporischschja –
so tragisch diese Ereignisse dort sind – zeigt es: Atomkraft kann keine Lösung sein. Alle, die das propagieren, müssen doch auch umdenken. Daher sind
die Bemühungen Österreichs ja redlich und richtig. Es ist in Wahrheit ein Kampf gegen Windmühlen, den man da führt, aber es ist trotzdem ein richtiger
Weg. Natürlich soll man nicht besserwisserisch sein und haben wir andere Vo­raussetzungen als beispielsweise Ungarn.

Aber, Herr Kollege Kainz, weil Sie die Diplomatie hinsichtlich Ungarn ansprechen: Ich bin sehr dafür, dass wir mit Ungarn partnerschaftlich umgehen, aber Schlepper aus ungarischen Gefängnissen zu entlassen und zu sagen:
Das kostet uns recht viel, deswegen lassen wir die Schlepper aus!, ist kein diplo­matisch freundlicher Akt, den die Ungarn Österreich gegenüber setzen –
ohne, dass ich da garstig bin. (Beifall bei der ÖVP.)

Lange Rede, kurzer Sinn: Es ist richtig, dass wir uns da auf europäischer Ebene gemeinsam bemühen und auch vorzeigen, dass es ohne Atomkraft auch
gehen kann. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

19.11


19.11.25

Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Dann kommen wir zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 2073 der Beilagen angeschlossene Entschließung betreffend „geologische Auswertungen im Zuge der Baumaßnahmen für das AKW PAKS II“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich dafür aussprechen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen. (328/E)


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19.11.5918. Punkt

Bericht des Volksanwaltschaftsausschusses über den 46. Bericht der Volks­anwaltschaft (1. Jänner bis 31. Dezember 2022) (III-846/2069 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir nun zum 18. Punkt unserer heutigen Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Ich begrüße die Volksanwälte, Frau Volksanwältin Gabriela Schwarz, Herrn Volksanwalt Bernhard Achitz und Herrn Volksanwalt Walter Rosen­kranz, hier bei uns im Hohen Haus und erteile zum Bericht der Volksanwalt­schaft als erster Rednerin Frau Abgeordneter Martina Diesner-Wais
das Wort. – Bitte.


19.12.50

Abgeordnete Martina Diesner-Wais (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Frau Volksanwältin! Liebe Herren Volksanwälte! Meine Damen und Herren
im Plenum! Liebe Zuseher! Wir diskutieren heute den Bericht der Volksanwalt­schaft 2022. Der Bericht zeigt uns, dass die Volksanwaltschaft vor große Herausforderungen gestellt wurde und dass es eine wichtige Institution ist, die die Bürger ernst nimmt.

Im Jahr 2022 verzeichnete die Volksanwaltschaft ein enormes Beschwerde­aufkommen. Aufgrund der Pandemie und der Energiekrise gab es einen
neuen Spitzenwert mit fast 24 000 Beschwerden – genau gesagt 23 958 ‑, die eingegangen sind. Die hohe Anzahl der Beschwerden zeigt uns auch, dass
es ein großes Vertrauen in unsere Volksanwaltschaft gibt und man
ihr die eige­nen Anliegen vorbringt.

Die Bürgerinnen und Bürger schätzen den niederschwelligen Zugang, die gute Erreichbarkeit der Volksanwaltschaft und dass ihre Beschwerden wirklich unkompliziert behandelt werden. Ich denke, die Sendung „Bürgeranwalt“ ist eine


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wichtige Sendung, die auch sehr hohe Einschaltquoten hat, und mit dieser
wird die Volksanwaltschaft auch bei vielen Leuten bekannt, die sie vorher noch nicht gekannt haben.

Das Themenfeld, das die Volksanwaltschaft abbildet, ist ein großes. Die wichtigsten Gründe für die Beschwerden im Jahr 2022 waren natürlich auch die Covid-Absonderungen. Das waren Maßnahmen, die die Menschen einge­schränkt haben, und so sind auch die Beschwerden gekommen. Die Volksanwalt­schaft hat sich da wirklich für alle Bürgerinnen und Bürger sehr bemüht,
auch Lösungen zu finden. Ein Schwerpunkt waren auch die Auszahlungen des Klimabonus und des Teuerungsausgleichs, die Beschwerden hervorgeru­fen haben.

Beeindruckend für mich ist aber auch, dass trotz der Pandemie der Kontakt mit der Bevölkerung aufrechterhalten wurde. So hat es im letzten Jahr 116 Sprechtage und 920 Beratungen gegeben. Das zeigt auch das enorme Bedürfnis der Menschen, dass sie wirklich – neben den Telefonaten, Videokonferenzen, E-Mails oder den Onlineformularen – wieder besonders die Sprechtage, das Besprechen vor Ort wollen.

Das Jahr 2022 war zudem aber auch ein großes Jahr für die Volksanwaltschaft, denn es war ein Jubiläumsjahr. Die Volksanwaltschaft konnte ihr 45-jäh­riges Bestehen, zehn Jahre Mandat zum Schutz der Menschenrechte und fünf Jahre Heimopferrentenkommission feiern, und sie hat das wirklich in ein­drucksvoller Form gemacht – diese Meilensteine und diese langjährige Arbeit! Das Engagement der Volksanwaltschaft, für die Rechte der Menschen zu kämpfen und einzutreten, ist gegeben.

In diesem Sinne möchte ich mich ganz, ganz herzlich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Volksanwaltschaft für den ausführlichen und guten
Bericht, natürlich für die Bürgernähe, die die Volksanwaltschaft auszeichnet, und auch für die gute Zusammenarbeit mit uns, mit dem Ausschuss hier im Parla­ment, bedanken.


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Vor allem aber möchte ich unserer Frau Volksanwältin Gaby Schwarz, die jetzt den Vorsitz hat, aber natürlich auch dem Volksanwalt Bernhard Achitz
und dem Volksanwalt Walter Rosenkranz für ihre Stimme und für ihren ständi­gen Einsatz für unsere Bevölkerung herzlichen Dank sagen. – Herzlichen
Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

19.16


Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Herr Abgeordneter Rudolf Silvan zu Wort. – Bitte.


19.16.53

Abgeordneter Rudolf Silvan (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Sehr geehrte Frau Volksanwältin! Sehr ge­ehrte Herren Volksanwälte! Herzlichen Dank für den Bericht von 2022!
Ich möchte auf die Besuche in den Alten- und Pflegeheimen näher eingehen, 98 Kontrollen insgesamt. Wie schon 2021 gab es eine sehr angespann­te Personalsituation, die teilweise mit einem drohenden Qualitätsverlust ver­bunden ist.

Wir dachten noch vor einigen Jahren, es ist doch in Zusammenhang mit der Pan­demie zu sehen, aber es stellt sich natürlich heraus, dass wir, wie wir alle wissen, im Gesundheitsbereich und auch in den Alten- und Pflegeheimen einen massiven Personalmangel haben. Wie schon im Bericht 2021 beschrie­ben, ist es auch 2022 so gewesen, dass zahlreiche Betten und auch Stationen aus Personalmangel gesperrt waren.

Dazu kommt, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Pflege-
und im Altenbereich aus Selbstschutz die Arbeitszeit reduzieren, dann den Aus­stieg aus dem Beruf überlegen oder auch vollzogen haben – Langzeitkran­kenstände und so weiter –, was dazu führt – auch wieder im Bericht angeführt –, dass massive Vernachlässigungen der Heimbewohner stattgefunden ha­ben: Dehydrierung, Mangelernährung, fehlende Schmerzprävention, Einschrän­kung der Bewegungsfreiheit und so weiter.


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Natürlich ist leider auch, wie im Bericht 2021, ein privates Alten- und Pflegeheim auffällig geworden, diesmal in Salzburg; letztes Mal war es in Niederöster­reich. Ich sage das auch immer wieder im Gesundheitsausschuss: Es ist einfach so, dass private Firmen – vor allem private Aktiengesellschaften – im Ge­sundheits- und Pflegebereich nichts verloren haben. Es kann nicht sein, dass private Firmen mit dem Leid und mit der Not von Menschen Profite ma­chen. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Rössler.)

Zur präventiven Menschenrechtskontrolle, die aus unserer Sicht eine der wich­tigsten Kontrollen der Volksanwaltschaft ist, sage ich auch noch ein­mal herzlichen Dank an die Kommissionen. 460 Kontrollen: Bei 70 Prozent der Kontrollen sind menschenrechtswidrige Situationen festgestellt worden.

Weil wir die Reform des Mutter-Kind-Passes heute schon diskutiert haben: Auch da war die Volksanwaltschaft tätig. Sie ist auch zu dem Ergebnis gekom­men, dass es natürlich logisch ist, dass es, wenn Untersuchungen an den Neuge­borenen nicht gemacht werden, zu einer Rückzahlung des Kinderbetreu­ungsgeldes kommen muss, weil es ja daran gekoppelt ist. Es kann aber nicht sein, dass, wenn man die Untersuchungen verspätet einreicht oder wenn der Kassenarzt eine Unterschrift oder ein Datum vergisst, die betroffenen Eltern ebenso diese 1 300 Euro an Kinderbetreuungsgeld zurückzahlen müs­sen. Auch da bedarf es wirklich einer grundlegenden Reform. Ich gehe davon aus, dass der Sozial- und Gesundheitsminister noch einiges zu tun hat.

Auch vonseiten der Sozialdemokratie herzlichen Dank für die Berichte, herzli­chen Dank für Ihre Arbeit und auch ein herzliches Dankeschön an die Beschäftigten der Volksanwaltschaft; dieser Bericht ist eine gute Lektüre, eine gute Grundlage für jede Abgeordnete und jeden Abgeordneten. – Danke
schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie bei Abgeordneten der Grünen.)

19.20


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Werner Her­bert. – Bitte.



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19.20.37

Abgeordneter Werner Herbert (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Meine Dame und meine Herren Volksanwälte! Auch ich
darf mich namens meiner Fraktion für diesen einmal mehr sehr gut und reprä­sentativ dargestellten Bericht – beziehungsweise für die beiden Berichte,
muss man ja genau genommen sagen – bedanken. Ich darf aus diesen Berichten je ein Thema herausnehmen, das, wie ich meine, nicht nur für das Hohe
Haus, sondern auch für die Bevölkerung eine wichtige Sache darstellt, etwas, das uns allgemein berührt.

Das erste Thema ist im Band präventive Menschenrechtskontrolle dargestellt, nämlich der Personalmangel an der Polizeiinspektion Hohe Warte in
Wien. Seitens der Volksanwaltschaft wurde festgestellt, dass aufgrund des eklatanten Personalunterstandes nicht nur laufend und latent eine extrem hohe Überstundenbelastung vorhanden ist, sondern auch permanent Stress
und Überlastung für das Personal gegeben ist.

Nun weiß ich, da ich ja auch Personalvertreter bei der Polizei in Wien bin, dass diese Feststellung nicht nur diese einzelne Polizeiinspektion betrifft, son­dern diese symptomatisch und repräsentativ für alle Polizeidienststellen in ganz Österreich ist, weil die Polizei aufgrund der aktuellen Personallage eben
einen extremen Unterstand hat.

Zur Verdeutlichung darf ich kurz ein paar Zahlen an Sie richten: Wir haben pro Quartal in Wien 252 Ausbildungsplätze zu besetzen oder könnten diese besetzen. Das heißt, es gibt ungefähr knapp über 1 000 Ausbildungsplätze pro Jahr. Bis 1. Juli dieses Jahres haben genau 85 Polizeischüler in Wien den
Dienst angetreten. Das sind nicht einmal 10 Prozent von den 1 000 Auszubil­denden, die wir brauchen, um die Personallage einigermaßen in den Griff zu bekommen. Momentan decken wir nicht einmal den Personalabgang ab, der uns aufgrund der Pensionswelle tagtäglich zu schaffen macht.


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Das ist keine Spontanereignislage, sondern das wissen wir schon seit dem Jahr 2007. Damals wurde nämlich vom Bundeskanzleramt, das damals noch für den öffentlichen Dienst und natürlich auch für die Personallage bei der
Polizei zuständig war, in einen sehr umfangreichen Bericht, der den Personalzu­stand und die Entwicklung bis zum Jahr 2020 dargelegt hat, festge­stellt, dass bis zum Jahr 2020 ein Drittel aller Polizisten in Pension gehen würde.

Was ist zwischenzeitlich geschehen? – Es gab eine Rekrutierungsoffensive
unter dem damaligen Innenminister Kickl, die sehr erfolgreich, ja, ich muss sagen, die erfolgreichste in den letzten zehn Jahren war. (Beifall bei der FPÖ.)

Seit dieser Zeit ist nicht viel passiert. Wir haben sinkende Personalstände – wohl auch der Situation geschuldet, aber auch, weil da in der Vergangenheit
eklatante Fehler gemacht wurden.

Die zweite Geschichte, die ich gerne ansprechen möchte, betrifft die Kontrolle der öffentlichen Verwaltung. Dazu wurde seitens der Volksanwaltschaft festgestellt, dass es gerade in den Asylverfahren im vorigen Jahr massiv Beschwerden gab, insbesondere deswegen, weil ab dem Sommer 2022 wieder vermehrt Asylanträge gestellt wurden, die die Behörden natürlich
an die Grenzen ihrer Kapazitäten gebracht haben.

Es ist überhaupt festzustellen, dass sich Österreich im vergangenen Jahr im internationalen Geschehen wieder einmal zu einem Migrationsmagne­ten entwickelt hat. Wir haben im letzten Jahr hier 112 000 Asylanträge ver­zeichnen müssen – Asylanträge, die bedeuten, dass uns der Großteil
dieser Asylwerber im System erhalten bleibt. Nur eine geringe Anzahl verlässt uns wieder freiwillig oder wird zwangsweise abgeschoben. Die meisten
bleiben wie gesagt zulasten der österreichisch Bevölkerung und zulasten unseres Budgets im System hängen.

Einmal mehr hat sich gezeigt, dass diese Versprechen, die in der Vergangenheit gemacht wurden, nicht eingehalten wurden, und dass ein eklatantes


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Scheitern nicht nur der österreichischen Asylpolitik, sondern auch der Maßnah­men der EU, sei es die Schengenaußengrenzsicherung oder die Durchfüh­rung der Dublinverfahren, im Raum steht.

Auch das neue in Rede stehende Asylantenpaket, das propagiert wird, ist eigentlich im weitesten Sinne eine Mogelpackung, denn es prolongiert das schon derzeit auf EU-Ebene bestehende Asylchaos. Es wird weiterhin die offenen Grenzen geben, der geforderte Außengrenzschutz bleibt im weitesten Sinne auf der Strecke, und der Verteilungsmechanismus, der angestrebt wird, geht
einmal mehr zulasten von Österreich und zulasten unserer Bevölkerung. (Beifall bei der FPÖ.)

Aus diesem Grund darf ich folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Asyl­stopp – keine Wiederholung der Migrationskrisen 2015 und 2022“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend eine Regierungsvorlage zuzuleiten, die insbesondere folgende Maßnah­men zur Eindämmung der neuen Völkerwanderung beinhaltet:

1. Asylstopp-Jetzt: Aussetzen der Asylanträge auf österreichischem Boden Ös­terreich hat genug geleistet. Die von Ex-Innenministerin Mikl-Leit­ner 2016 formulierte Obergrenze von 37.500 ist längst erreicht. Die Bundes­regierung kann und muss eine „Notverordnung für eine Asyl-Obergren­ze“ – die „Verordnung zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und des Schutzes der inneren Sicherheit während der Durchführung von Grenzkon­trollen“ gemäß § 36 ff Asylgesetz erlassen. Das Ziel muss NULL sein.


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2. Nur mehr Sach- statt Geldleistungen für Asylwerber und Asylberechtigte Asylwerber sollen grundsätzlich in der Grundversorgung ausschließ­lich Sachleistungen und keine Geldleistungen bekommen, bis ihr Verfahren abgeschlossen und ihr Aufenthalt zu Ende ist. Gleichzeitig soll für ar­beitsfähige Asylwerber in der Grundversorgung eine Verpflichtung zur unent­geltlichen Arbeit in ihrem Umfeld bzw. in der Infrastruktur (z.B. Asyl-Un­terkunft reinigen) eingeführt werden. Asylberechtigte sollen genauso wie Asyl­werber Grundversorgung nur durch Sachleistungen bekommen.“

******

(Beifall bei der FPÖ.)

In diesem Sinne darf ich Sie einladen, diesen Entschließungsantrag zu unterstüt­zen. Ich bedanke mich noch einmal bei der Volksanwaltschaft für ihre gute
und effiziente Arbeit. (Beifall bei der FPÖ.)

19.28

Der Antrag halt folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten KO Herbert Kickl, Werner Herbert

und weiterer Abgeordneter

betreffend Asylstopp – keine Wiederholung der Migrationskrisen 2015 und 2022

eingebracht im Zuge der Debatte über den Tagesordnungspunkt 18, Bericht
des Volksanwaltschaftsausschusses über den 46. Bericht der Volksan­waltschaft (1. Jänner bis 31. Dezember 2022) (III-846/2069 d.B.) in der 219. Sit­zung des Nationalrates, XXVII. GP, am 14. Juni 2023

Der Bericht der Volksanwaltschaft an den Nationalrat und an den Bundesrat 2022, Band Kontrolle der öffentlichen Verwaltung, beinhaltet, dass Beschwerden


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über die Dauer von Asylverfahren erster Instanz aufgrund der vermehrten Asyl­anträge insbesondere ab dem Spätsommer 2022 stark anstiegen.

Österreich ist unter der türkis-grünen Regierung zum Migrationsmagnet mit 112.272 Asylanträgen im Jahr 2022 geworden. Fast 400.000 Asylanträge in 10 Jah­ren, das ist die Einwohnerzahl des Bundeslandes Vorarlberg. Dem stehen nur
geringe Ausreisen (freiwillige und zwangsweise) gegenüber. Diese neue Völkerwande­rung ist ein Scheitern auf allen Ebenen: EU-weit, nationalstaatlich und regional.

Bei einem Vergleich der Asylanträge der EU-Mitgliedstaaten 2022 steht Österreich auf Platz 4 hinter Deutschland, Frankreich und Spanien. Bei der Pro-Kopf –Be­lastung der Asylanträge im Vergleich mit den EU-Mitgliedstaaten liegt Österreich auf Platz 2 hinter Zypern. Österreich stellt 2 Prozent der EU-Gesamtbevölkerung,
hat aber 13,2 Prozent der Asylanträge. Das ist mehr als eine Schieflage, das ist ein asylpolitischer Totalschaden, weil Österreich ausschließlich von sicheren Län­dern umgeben ist.

Deutschland hatte 2022 etwa doppelt so viele Asylanträge wie Österreich, ist aber zehnmal so groß. Wäre das Verhältnis Österreich zu Deutschland auch in die­sem Bereich 1:10, so würden sich die asylbedingten Kosten für Österreich auf etwa
3 Milliarden Euro im Jahr belaufen, zumal Deutschland sie mit bis zu 30 Milliar­den auswies.1 Zu befürchten ist jedoch, dass die tatsächlichen jährlichen Kosten in Österreich angesichts des beschriebenen Missverhältnisses bei den Asyl­werbern weit höher sind als 3 Milliarden Euro.

Die Regierung wirft also Milliarden Euro für die „neue Völkerwanderung“ zum Fenster hinaus. Dafür haben weder die heimische Bevölkerung Verständnis noch jene Menschen, die seit vielen Jahren hier leben, arbeiten, Steuern zahlen und – im Ge­gensatz zur Masse der „Neuankömmlinge“, die sich nur in unser Sozialsystem drängen wollen – Leistungsträger sind. Somit ist es nur eine Minimalforderung, Asyl­werbern und Asylberechtigten nur mehr Sachleistungen anstatt Geldleistungen zu­kommen zu lassen.


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Asylstopp und Sachleistungen statt Geldleistungen – nur so kann der Anreiz, als Wirtschaftsmigrant nach Österreich kommen zu wollen, abgestellt
und die Wiederholung der Migrationskrisen 2015 und 2022 verhindert werden.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend eine Regie­rungsvorlage zuzuleiten, die insbesondere folgende Maßnahmen zur Eindämmung der neuen Völkerwanderung beinhaltet:

1.         Asylstopp-Jetzt: Aussetzen der Asylanträge auf österreichischem Boden

Österreich hat genug geleistet. Die von Ex-Innenministerin Mikl-Leitner 2016 formulierte Obergrenze von 37.500 ist längst erreicht. Die Bundesregierung kann und muss eine „Notverordnung für eine Asyl-Obergrenze“ – die „Verordnung zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und des Schutzes der inneren Sicherheit während der Durchführung von Grenzkontrollen“ gemäß § 36 ff Asylgesetz
erlassen. Das Ziel muss NULL sein.

2.         Nur mehr Sach- statt Geldleistungen für Asylwerber und Asylberechtigte

Asylwerber sollen grundsätzlich in der Grundversorgung ausschließlich Sachleistungen und keine Geldleistungen bekommen, bis ihr Verfahren abgeschlossen und ihr Aufenthalt zu Ende ist. Gleichzeitig soll für arbeitsfähige Asylwerber in
der Grundversorgung eine Verpflichtung zur unentgeltlichen Arbeit in ihrem Umfeld bzw. in der Infrastruktur (z.B. Asyl-Unterkunft reinigen) eingeführt werden. Asylberechtigte sollen genauso wie Asylwerber Grundversorgung nur durch Sach­leistungen bekommen.“

1     https://www.focus.de/politik/pulverfass-migration-sieben-fakten-die-
uns-nicht-gleichgueltig-sein-duerfen_id_146467036.html

*****



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Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß einge­bracht und steht daher mit in Verhandlung.

Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Ulrike Fischer. – Bitte. (Abg. Ein­wallner: Ja, das ist ein gutes Gefühl ...!)


19.28.38

Abgeordnete Mag. Ulrike Fischer (Grüne): Frau Vorsitzende! Sehr geehrte Volksanwältin! Sehr geehrte Volksanwälte! Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn man diese beiden Berichte liest, jenen betreffend präventive Men­schenrechtskontrolle und jenen über die Kontrolle der öffentlichen Verwaltung, so wird eines klar: dass unsere Volksanwältin und unsere Volksanwälte
Großes vollbringen, und zwar tagtäglich.

Wenn ich mir anschaue, wie viele Einsätze es gibt, wie viele präventive Maßnahmen gesetzt werden und wie viele Gesetzesanstöße auch geleistet werden, dann muss ich den Volksanwälten sagen: vielen herzlichen
Dank für diese großartige Arbeit! (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Als wir neulich bei der Volksanwaltschaft eingeladen waren, wurde uns in einem eindrucksvollen Imagefilm gezeigt, was ihr tagtäglich leistet – alle Tätig­keitsberichte, alle Maßnahmen sind auf volksanwaltschaft.gv.at veröffentlicht.

Wenn man möchte, dass Menschenrechte zu einem kommen, und man Miss­stände bei einer Behörde, in Bezug auf eine Maßnahme oder sonstige Missstände aufzeigen will – wozu man tagtäglich die Möglichkeit hat –, dann sind die Volksanwälte bei den Leuten. Das zeigen die Sprechtage, das zeigen die Onlinebeschwerdeformulare, die Möglichkeit, sich telefonisch zu beschweren. Ihr seid hautnah bei den Menschen in den Gemeinden,
in den Bezirken, und auch dafür herzlichen Dank! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich möchte eine kleine traurige Geschichte aus meinem eigenen Familienkreis erzählen: Die Cousine meiner Mutter war, aus welchen Gründen auch


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immer, mit ihrer Schwester in einem Heim untergebracht. Sie wurden nicht in einem Heim untergebracht, weil in der Nachkriegszeit alles so lustig war, sondern weil schlichtweg keine Eltern da waren, die sich um diese Kinder küm­mern konnten. Und dann erzählt sie mir launig an einem Kaffeenachmit­tag: Ja, und weißt du, was uns in diesem Heim widerfahren ist? Wir wurden kör­perlich an die Wand gedrückt. Wir mussten das Essen, das uns nicht ge­schmeckt hat, trotzdem essen. Einmal habe ich mich erbrochen,
und dann musste ich es auch aufessen.

Was ich da beschreibe, wird mit dem Heimopferrentengesetz abgedeckt. Mit dem Heimopferrentengesetz werden alle Betroffenen, die zwischen
1945 und 1999 in einem Heim, in einer staatlichen Einrichtung, in einer Be­treuung waren – in der sie hätten Schutz bekommen sollen, weil es ihnen vorher schlecht gegangen ist –, aufgefangen. Wir haben dieses Gesetz auch repa­riert: Dort, wo es eine Lücke gegeben hat, hat der Nationalrat einstimmig eine Verbesserung beschlossen. Auch das zeigt, Volksanwaltschaft und Parla­ment arbeiten gut zusammen.

Es ist wichtig, dass ihr die Missstände aufzeigt. Vielen Dank dafür, für eure Ar­beit! – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.31


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Fiona Fiedler. – Bitte.


19.32.01

Abgeordnete Fiona Fiedler, BEd (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Volksanwältin! Sehr geehrte Volksanwälte! Zuerst einmal vielen Dank für diesen sehr ausführlichen Bericht. Ich möchte kurz etwas vorlesen:

„Wir setzen uns dafür ein, dass sich die Menschen als Teil der sozialen Sicherheit auf eine qualitätsvolle Pflege im Alter verlassen können. Mit der steigenden Lebenserwartung steigt auch der Pflegebedarf in einer alternden Gesellschaft. Menschen sollen so lange wie möglich in den eigenen vier Wänden leben


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können. Ambulante Pflegedienste sind auszubauen. Wir wollen vielfältige und flexible Pflegearrangements möglich machen, um pflegende Angehörige
zu entlasten.“

Das stammt aus dem Grundsatzprogramm der ÖVP aus dem Jahr 2015. Umso erschreckender ist es ein Stück weit, dass Volksanwalt Achitz jetzt bei
der Präsentation verlautbart: Es gibt kaum ein Pflegeheim, in dem wir keine massiven Menschenrechtsverletzungen feststellen müssen. (Präsident
Sobotka übernimmt den Vorsitz.)

Die Ursachen liegen natürlich an der gespannten Personalsituation. Gründe für diesen Personalmangel können hohe Qualifikationserfordernisse, schwie­rige Arbeitsbedingungen oder geringe finanzielle Attraktivität der Berufe sein. In der Pflege Beschäftigte müssen mit massiven Überlastungen kämpfen und teilweise die Arbeitszeit zum Schutz der eigenen Gesundheit reduzieren. Viele scheiden aus dem Beruf aus, beenden die Ausbildung nicht oder ändern
nach ihrer Ausbildung komplett ihre Lebenspläne.

Die Belastung des Pflegepersonals wirkt sich natürlich dann auch auf die Qualität und auf die Arbeit aus. Viele Pflegekräfte fallen wegen Krankheit aus, und es kommt zu Versorgungslücken. Teilweise gehen sie krank arbeiten,
und das erhöht wiederum die Gefahr, Fehler zu machen. Es kommt also zu einem massiven Qualitätsverlust in der Pflege. Der permanente Zeitdruck und die steigende Zahl an Überstunden machen das Ganze auch nicht besser und wirken sich auch negativ auf die seelische Gesundheit aus, bei der wir ohnehin
schon massive Probleme haben.

Eine Folge dieser Personalknappheit sind natürlich auch gesperrte Betten, zum Teil gesperrte Stationen in den Krankenhäusern. Fast ein Viertel der Pfle­gebetten in der Steiermark blieb Ende 2022 unbelegt, weil einfach das Personal fehlt.


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Was wir auch vom Rechnungshof gehört haben, ist, dass es kein einheitliches Qualitätsverständnis gibt, was die Kriterien betrifft. In den Bundeslän­dern ist alles irgendwie verschieden und weicht voneinander ab, was auch diesen ganzen Anforderungen nicht förderlich ist.

Wir müssen also die Pflegeberufe nachhaltig aufwerten. Wir sehen die Herausforderungen für jetzt – wir haben im Endeffekt keine Zeit, drei Jahre zu warten, bis die ersten Pflegelehrlinge fertig werden. Das heißt, wir haben
da einen massiven Handlungsbedarf.

Die Beispiele möchte ich Ihnen ersparen, weil da auch wirklich sehr drastische Beispiele gebracht werden, und ich möchte Sie jetzt nicht mit diesen Bil­dern in den Abend schicken.

Was ich aber auch noch sagen möchte, ist: Es sind auch Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen kontrolliert worden, wo zum einen positiv ist, dass bei der Qualität der Betreuung die Tendenz steigend ist, weil sich die Einrichtungen sehr stark an der UN-Behindertenrechtskonvention orientieren und sich deren schon bewusst sind. Es gibt aber trotzdem immer noch
keine Versorgungssicherheit für Menschen mit Behinderungen im großen Aus­maß, und viele Gesetze sind auf das medizinische Modell der Behinde­rung ausgerichtet anstatt auf das soziale Modell. Auch ist sehr oft das Sichver­lassen auf die Familie gefordert, besonders im Bereich der Kleinkinder
und Babys, weil eben keine Angebote vorhanden sind.

Was noch dazukommt, ist, dass 72,5 Prozent der Menschen mit Behinderungen sehr oft Opfer physischer Gewalt sind und das so auch angeben, aber auch sexueller Gewalt, vor allem wenn es sich um Menschen mit Lernbeeinträchtigun­gen handelt. Gerade da sollte es uns umso mehr ein Ansporn sein, diesen Menschen auch eine sexuelle Selbstbestimmung zu ermöglichen. Da gibt es auch keine Altersgrenze nach oben, denn es sind auch ältere Menschen davon betroffen.


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Was ich zum Schluss noch mitgeben möchte, weil wir ja bei einem anderen Ta­gesordnungspunkt die Ausführungen von Kollegin Grünberg gehört ha­ben, was Begrifflichkeiten im Zusammenhang mit Menschen mit Behinderungen betrifft: Es ist kurz danach wieder der Begriff der Menschen mit besonde­ren Bedürfnissen gefallen. Ich möchte das jetzt wieder und wieder hier feststel­len und Ihnen allen mit nach Hause geben: Wir haben alle besondere Be­dürfnisse, da ist niemand von uns ausgenommen. Ich möchte, dass
wir Menschen mit Behinderungen nicht so bezeichnen. – (Den Dank auch in Gebärdensprache ausführend:) Danke. (Beifall bei den NEOS, bei Abgeordneten von SPÖ und Grünen sowie der Abg. Diesner-Wais.)

19.37


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Weidin­ger. – Bitte sehr.


19.37.37

Abgeordneter Mag. Peter Weidinger (ÖVP): Herr Präsident! Werte Frau Volksanwältin! Die Herren Volksanwälte! Hohes Haus! Politik lebt von Vertrauen und von Hoffnung. Deswegen möchte ich an dieser Stelle dem Präsidenten
und seiner Vorgängerin besonders dafür danken, dass wir dieses schöne Hohe Haus den Österreicherinnen und den Österreichern in dieser Bestimmung wieder übergeben haben. Tausende Menschen säumen und besuchen dieses Haus täglich und werden damit auch Teil einer lebendigen Demokratie,
weil sie transparent und vor Ort selbst erleben, wie wir Entscheidungen treffen und wie Gesetze beschlossen werden.

Warum ist das so wichtig? – Wir wissen alle, dass wir in einer Zeit leben, in der es sehr viel Unsicherheit und viele Veränderungen gibt. Da ist es gut, zu
wissen, dass dieses Haus ein offenes ist. Daher ist auch die Volksanwaltschaft als Hilfsapparat des Parlaments eine so wesentliche Einrichtung, weil das Engagement der Mitarbeiterinnen und der Mitarbeiter und der Volksanwälte dem Anliegen gilt, dass Politik und die Entscheidungen, die getroffen


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werden, transparent sind. Dort, wo es Probleme gibt, kann man deren Darstel­lung auch auf diesem Weg einbringen und darüber miteinander diskutieren.

Was der Bericht zum Ausdruck gebracht hat, sind viele klare Punkte, die auch Handlungsanweisungen an uns sind, als Gesetzgeberinnen und Gesetz­geber entsprechende Anpassungen vorzunehmen.

Ich möchte in meinem Beitrag zwei Punkte herausgreifen und mit dem ersten beginnen, den auch meine Kollegin Frau Abgeordnete Fiona Fiedler be­nannt hat, das ist der Bereich der Pflege. Ich glaube, jeder von uns weiß aus der eigenen Familiengeschichte oder aus der Nachbarschaft, wie schön es ist,
dass wir in Würde altern können, dass aber natürlich mit dem Alter auch Krank­heitsbilder einhergehen, die eine besondere Fürsorge notwendig machen.
Ich glaube, wir haben da mit der Zurverfügungstellung einer zusätzlichen Milliar­de im Pflegebereich eine gute Entscheidung getroffen, um die Ausbildung
und vor allem die Rahmenbedingungen so zu verbessern, dass mehr Menschen, die sich für die Ausbildung im Bereich der Pflege entschieden haben, auch
der Pflege erhalten bleiben und dort ihrer Berufung nachgehen.

Ich teile auch die Meinung der Frau Kollegin, dass man da immer mehr machen muss, aber es ist auch gut, wenn man das Ohr bei der Bevölkerung hat.
Daher auch an dieser Stelle ein Danke an die Volksanwaltschaft dafür, dass sie neben dem Engagement der vielen Abgeordneten mit ihren regelmäßigen Sprechstunden klare Empfehlungen ausspricht!

Ein weiterer Punkt, dessen ich mich annehmen möchte, ist das Thema des Energiekostenausgleichs. Da hat es Schwierigkeiten gegeben, wir wissen es alle. Wir wollen schnell helfen, wir wollen zielsicher und treffsicher helfen, aber
das alles natürlich im Spannungsfeld der Rechtsstaatlichkeit und auch der mögli­chen Vorgaben – sei es die Anwendung der Technik, sei es aber auch das Zusammenspiel mit den Gebietskörperschaften. Deswegen hat man
da auch schnell und gut reagiert. Es ist auch Staatssekretär Florian Tursky im


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Auftrag des Bundeskanzlers zu verdanken, dass wir stärker auf die Digi­talisierung setzen, um eine bessere Verzahnung aller Daten möglich werden zu lassen, um treffsicherer auszuzahlen.

Ich möchte aber auch festhalten, dass wir mit vielen Maßnahmen der durchschnittlichen österreichischen Familie helfen. Nehmen Sie einen Pfleger, der 2 800 Euro brutto verdient! Seine Frau, Lehrerin, verdient 2 000 Euro
brutto. Sie haben zwei Kinder. Durch die Steuerreform, durch die Maßnahmen, die Hilfsleistungen und durch gute Gehaltsanpassungen hat diese Familie
jetzt, im Jahr 2023, 4 600 Euro mehr zum Leben. Das ist gut und richtig in unse­re Haushalte investiertes Geld. Das macht Österreich sozialer, das
macht Österreich so liebenswürdig, und das schafft Perspektive und Zukunft.

Daher: Danke für das Engagement aller Abgeordneten dafür, dass sie
so ein großes Ohr für die Bürgeranliegen haben, und für die Unterstützung durch die Volksanwaltschaft! In diesem Sinne ein kräftiges Glückauf, und pa­cken wir es weiter gemeinsam an! (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Fischer.)

19.41


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Bayr. – Bitte sehr, jetzt sind Sie an der Reihe, Frau Abgeordnete.


19.41.51

Abgeordnete Petra Bayr, MA MLS (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Herren Volksanwälte, Frau Volksanwältin! Danke auch meinerseits für
diesen wirklich sehr, sehr guten und umfangreichen Bericht! Ich möchte auf die internationale Dimension Ihrer Arbeit eingehen und einerseits betonen,
dass ich es sehr, sehr wichtig finde, dass es mit dem IOI, mit dem International Ombudsman Institute, auch gelingt, Volksanwaltschaftsinstitutionen an­derswo zu stärken – in anderen Ländern, in denen es etwa keine gute Regie­rungsführung gibt oder in denen das Gerichtssystem, das Rechtssystem
ein sehr schwaches ist.


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Ich möchte da als Beispiel Polen anführen, wo der vorletzte – er ist 2021 schon in Pension gegangen – Volksanwalt Adam Bodnar ein wirklicher Fels in
der Brandung im polnischen Rechtssystem, das ja, wie wir wissen, sehr, sehr hinterfragenswürdig ist, war. Eine polnische Regierung beschließt Ge­setze, die gerade Frauenrechte, sexuelle und reproduktive Rechte absolut aushöhlen, wir wissen, dass es LGBTIQ-freie Zonen et cetera gibt,
und da war der Volksanwalt wirklich immer ein Fels in der Brandung und auch eine Anlaufstelle für die Zivilgesellschaft, die sich dort wirklich gut aufge­hoben gefühlt hat.

Ich möchte auch Kolumbien nennen, wo es in weiten Teilen des Landes überhaupt keine Regierungsführung gibt, weil der Staat und seine Institutionen einfach nicht präsent sind, und die auch sehr dezentral aufgestellten Volks­anwaltschaften, die ich dort kennenlernen durfte, wirklich die Anlaufstellen für Menschen sind, die sich von irgendwelchen Strukturen, die oft gar keine staatlichen sind, vollkommen willkürlich behandelt fühlen. Das ist also eine sehr, sehr wichtige Aufgabe: dieses Stärken der Institution an sich.

Das Zweite ist die Zusammenarbeit etwa mit den Vereinten Nationen. Ich weiß aus dem Bericht heraus, dass es etwa Workshops zum UN-Übereinkom­men über die Rechte von Menschen mit Behinderungen gegeben hat. Es haben zwar viele Länder das UN-Übereinkommen an sich ratifiziert, aber das Zusatzprotokoll, in dem es um die Individualbeschwerdeverfahren geht, nicht. Sich da auszutauschen und auch zu sagen, welche Erfahrungen wir zum Beispiel in Österreich haben, wo wir es ratifiziert haben, und dass man keine Angst zu haben braucht, auch das Individualbeschwerdeverfahren einzu­führen, halte ich für sehr wichtig, weil es letztendlich Menschen mit Behinderun­gen einen viel einfacheren Weg zum Recht eröffnet.

Drittens komme ich auch noch auf die Europaratsebene zu sprechen, wo es einen Austausch zwischen den Kommissionen in Österreich und
dem CPT gibt, das auf europäischer Ebene Gefängnisse oder andere Einrichtun­gen besucht, in denen Menschen angehalten werden, und man sich da


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zum Beispiel über die Situation von besonders vulnerablen Gruppen austauscht. Da möchte ich Menschen, die in Gefängnissen älter werden und auf
deren Bedürfnisse in diesen Einrichtungen dann ganz oft nicht eingegangen wird, herausnehmen. Da tauscht man sich aus, wie man das gut kontrollieren
kann, wie man Mängel gut dokumentieren kann und welche Verbesserungen und Erleichterungen für diese Menschen notwendig und auch machbar
sind.

Das sind, denke ich mir, alles Arbeiten, die ausgesprochen wichtig und lobens­wert sind – danke dafür und: Weiter so! (Beifall bei der SPÖ sowie der Ab­geordneten Diesner-Wais und Fischer.)

19.45


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Lausch. – Bitte.


19.45.15

Abgeordneter Christian Lausch (FPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Frau Volksanwältin, die Herren Volksanwälte! Wir haben jetzt schon sehr, sehr viel gehört. An Kollegin Bayr: Daran, was Sie alles berichtet haben, sehen Sie, wie schön und gut es in Österreich ist, aber es ist natürlich auch gut, wenn man vergleicht, wie es in anderen Ländern ausschaut. Trotzdem glaube
ich, dass die Volksanwaltschaft da welt- und europaweit relativ wenig machen kann, aber trotz allem ist es eine gute Geschichte, das zu hören.

Der Prüfbericht war wieder ein ganz großartiger, sowohl im Sozialbereich als auch bei den Coronamaßnahmen – bei den überzogenen Coronamaß­nahmen, muss man sagen, dieser Bundesregierung, was natürlich die Arbeit der Volksanwaltschaft nicht leichter gemacht hat. (Zwischenruf des Abg.
Hörl.)
 – Kollege Hörl, ganz richtig, dass du meiner Meinung bist! (Heiterkeit des Abg. Hörl.) – Das macht natürlich die Arbeit der Volksanwaltschaft
jetzt nicht unbedingt leichter, genauso wie viele andere Maßnahmen, die die Volksanwaltschaft in dem Bericht sehr, sehr gut aufgezeigt hat.


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Man muss schon sagen, dass die Volksanwaltschaft natürlich ein ganz wichtiges Hilfsorgan für uns Parlamentarier ist, immer wieder Inputs gibt, Überprü­fungen im Strafvollzug, im Pflegebereich und bei der Polizei macht. Kollege Her­bert, mein Vorredner, hat schon ausgeführt, dass es bei der Rekrutierung
und den Pensionierungen bei der Polizei nicht gut läuft, und das kann man aus den Volksanwaltschaftsberichten auch sehr, sehr gut herauslesen. Da
sieht man, wo es in der Republik krankt, wo nicht gut gearbeitet wird und wo man nachbessern sollte. Da unterstützt uns die Volksanwaltschaft sehr,
sehr gut.

Es hat 2022 Probleme bei der Auszahlung des Klimabonus gegeben. Wir haben vor circa einer Stunde, eineinhalb Stunden in diesem Haus den Klimabo­nus 2023 mehrheitlich beschlossen – also man muss sagen, eigentlich haben ihn nur die Regierungsparteien beschlossen; die Opposition hatte auch beim
neuen Modus des Klimabonus wieder ihre Bedenken, was natürlich ganz, ganz klar ist: Wie gesagt ist man ja 2022 hergegangen und hat an verurteilte Straftäter ausbezahlt, die nie und nimmer eine Leistung oder einen Ausgleich verdient hätten, denn wenn man eingesperrt ist, braucht man natürlich
diesen Ausgleich nicht, weil man keine Stromrechnung, keine Spritrechnung und so weiter zahlt.

Das ist ja schon schiefgelaufen. Bis heute warten noch circa 1 000 auf den Kli­mabonus 2022, und der Klimabonus 2023 macht mich jetzt auch nicht
viel glücklicher. Seien wir gespannt! Es ist natürlich immer sehr, sehr gut, wenn die Bundesregierung Geld ausschüttet, aber dann sollte man es halt kön­nen. Das Klimaministerium unter der Leitung von Bundesministerin Gewessler hat bewiesen: Dort kann man es einfach nicht.

In diesem Sinne ist es immer wichtig, dass die Volksanwaltschaft ein Auge darauf hat und dann in ihren Berichten immer aufzeigt: Da krankt es, da gehört nach­geschärft. Dann wird auch sehr oft nachgeschärft, und das ist gut so.


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In diesem Sinne bedanke ich mich noch einmal bei den Volksanwälten und bei der Frau Volksanwältin und ihren Mitarbeitern in der Volksanwaltschaft
für diese hervorragende Arbeit für uns Parlamentarier. Ich wünsche gutes Gelin­gen und freue mich schon auf die nächsten Berichte. – Danke schön.
(Beifall bei der FPÖ.)

19.48


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Als Nächste ist Frau Abgeordnete Ribo zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Abgeordnete.


19.48.48

Abgeordnete Bedrana Ribo, MA (Grüne): Herr Präsident! Geschätzte Volksan­wältin, geschätzte Volksanwälte! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher:innen! Es ist sehr erfreulich, dass sich die Volksanwaltschaft in diesem Bericht dem Thema Pflege gewidmet hat. Es ist ein wichtiges Thema für
unser Land, für die Gesellschaft, und es ist auch ein Brennpunktthema – deswe­gen nochmals: Danke, dass Sie da genau hinsehen! (Beifall bei den Grünen
sowie der Abgeordneten Diesner-Wais und Pfurtscheller.)

Bis 2030 brauchen wir in der Pflege knapp 100 000 neue Personen. Der Fachkräftemangel ist in der Pflege das allgegenwärtige Thema – das wissen wir ‑, deshalb ist es umso schöner, dass auch die Ausbildungsoffensive, die die Bundesregierung mit der Pflegereform gestartet hat, von der Volksanwaltschaft positiv hervorgehoben wird.

Wir haben in diesem Bereich wirklich für alle, für alle Personen, die in der Pflege arbeiten möchten, die in die Pflege einsteigen möchten, Möglichkeiten ge­schaffen, Alternativen geschaffen – sei es nun über die drei- und fünfjährigen Pflegeschulen, sei es über die Pflegelehre, das Pflegestipendium für Quereinsteiger:innen, aber natürlich auch durch die volle Unterstützung weiterhin für die Akademisierung der Gesundheits- und Krankenpflegeberufe (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP); und das alles ge-


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paart damit – und das war uns ganz wichtig, das war wirklich sowohl dem Koali­tionspartner als auch uns wichtig –, dass wir für die vielen Frauen – weil
es oft Frauen sind, die in der Pflege arbeiten – eine Durchlässigkeit schaffen, damit eben auch dort Karrieren möglich sind.

Dass das erkannt wurde, freut mich sehr, und dass diese Schritte auch greifen werden, das ist jetzt schon in dem Bericht zu lesen und auch in
der Realität spürbar, aber in Zukunft wird es noch stärker spürbar sein.

Die Arbeit der Volksanwaltschaft ist es eben, genau hinzuschauen, auch dort, wo es Schwierigkeiten gibt, wo es Missstände gibt, und eben auch Punkte auf­zuzeigen, wo noch Handlungsbedarf besteht.

Gerade in der Pflege ist es besonders schwierig, zum Beispiel eben einheitliche Qualitätsstandards einzuführen, weil der Bund da nicht viel mitreden
kann. Die Verantwortung liegt da bei den Ländern, und grundsätzlich weiß jeder, der sich mit Pflege beschäftigt oder sich in dem Bereich auskennt, wie
schwierig die Zuständigkeitsbereiche in der Pflege sind.

Weiters hängt die Qualität natürlich auch bei den Pflegeheimen sehr oft indivi­duell von den Personen ab, von der Leitung, von den Menschen, die dort arbeiten, von ihrem Engagement. Die Kritik in diesem Punkt ist natürlich nach­vollziehbar: Es darf nicht passieren, dass Bewohner:innen durch Medika­mente in ihrer Freiheit beschränkt werden. Das darf es einfach nicht sein! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Die Überforderung und das fehlende Personal entschuldigen dieses Vorgehen keineswegs und es braucht da mehr Sensibilität. Dennoch gibt es natürlich auch Best-Practice-Beispiele – und das möchte ich hier auch noch einmal erwäh­nen –: Pflegeheime, Betreuungseinrichtungen, die trotz der sehr, sehr gro­ßen Herausforderungen, der sehr, sehr schwierigen personellen Situation her­vorragende Leistungen erbringen und ihren Betrieb wirklich gut über
den Tag bringen beziehungsweise in Zusammenarbeit mit den vielen engagierten


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Mitarbeiter:innen auch Großes leisten. Diese Best-Practice-Beispiele müs­sen wir auch immer wieder erwähnen, und natürlich ist es das Ziel,
dass es immer mehr und mehr Best-Practice-Beispiele gibt. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Zu guter Letzt möchte ich mich natürlich auch im Namen meiner Fraktion noch einmal für Ihre Arbeit bedanken. Es ist sehr wichtig, dass es eine Institution
wie die Volksanwaltschaft gibt, die genau hinschaut, Missstände aufzeigt, dass aber auch Positives nicht unerwähnt bleibt. – Danke. (Beifall bei den Grü­nen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.53


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Marg­reiter. – Bitte sehr, Herr Doktor.


19.53.24

Abgeordneter Dr. Johannes Margreiter (NEOS): Herr Präsident! Geschätzte Frau Volksanwältin! Meine Herren Volksanwälte! Hohes Haus! Geschätzte Zuse­herinnen und Zuseher! Ich knüpfe gleich bei meiner Vorrednerin an,
die ihre Dankesworte an den Schluss gestellt hat, und möchte mich wirklich aus tiefster Überzeugung für Ihre Arbeit bedanken.

Wir hatten unlängst im Ausschuss die Gelegenheit, den Bericht 2022 sehr ausführlich zu besprechen. Es war sehr aufschlussreich und auch
sehr überzeugend, wie Sie zu den einzelnen Fragen Stellung genommen haben und wie Sie die Probleme sehen, für deren Überprüfung Sie als Volksan­waltschaft eingerichtet sind.

Es geht einerseits um die Überprüfung der staatlichen Verwaltung und ande­rerseits um die präventive Menschenrechtskontrolle. Beides sind sehr zentrale, wichtige Themen, und in beiden Bereichen fahren Sie so quasi mit Ihrem Radar über alle Verwaltungsbereiche.


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Für mich von besonderem Interesse ist natürlich der Justizbereich, und da insbesondere der Bereich des Maßnahmenvollzugs, der dadurch gekennzeichnet ist, dass im vergangenen Jahr ein Gesetz betreffend die Reform des Maßnahmenvollzugs beschlossen worden ist (Abg. Lausch: Leider!), das aber meines Erachtens doch einige gravierende Mängel aufweist.

Wir stehen vor dem Problem, dass mit September 2023 ein wesentlicher Teil dieses Maßnahmenvollzugsgesetzes in Kraft treten wird, und zwar in
der Weise, dass eben viele Menschen, die als Jugendliche in den Maßnahmen­vollzug gekommen sind, jetzt zu entlassen sind. Diese Menschen wur­den geradezu hospitalisiert. Da ist es sicherlich wichtig, zu überlegen, ob diese Menschen in der Lage sind, den Alltag ohne Hilfe zu bewältigen.
Auf dieses Problem hat auch die Volksanwaltschaft aufmerksam gemacht.

Mit diesem Problem ist natürlich insbesondere die Frau Justizministerin sehr stark konfrontiert, und aus den Gesprächen ergibt sich, dass da sehr
wohl an Maßnahmen gearbeitet wird, um zu verhindern, dass sowohl für die Gesellschaft auf der einen Seite, aber auch für die Individuen, die
da freigelassen werden, auf der anderen Seite große Probleme entstehen.

Ein weiterer wichtiger Punkt, der auch irgendwie strukturelle Ursachen haben wird und auf den auch die Volksanwaltschaft sehr deutlich ihren Finger
legt, ist die doch hohe Zahl an Suiziden im Bereich des Strafvollzuges. Da muss man schon ganz genau hinschauen, weil es ja nicht sein kann, dass der Strafvollzug den Rahmen dafür bildet, dass Menschen sich aus Verzweiflung das Leben nehmen.

Das hat wie gesagt einerseits oft Ursachen in der baulichen Ausstattung – dass die Unterbringung einfach nicht adäquat ist, weil zu viele Menschen in
den einzelnen Hafträumen untergebracht sind –, hat aber wahrscheinlich ande­rerseits auch damit zu tun, dass wir einen Personalmangel im Bereich
der Justizwache zu beklagen haben – Kollege Lausch wird das wohl bestätigen können. Das führt dazu, dass, gerade weil am Wochenende zu wenig


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Personal zur Verfügung steht, die Menschen den Haftraum nicht verlassen kön­nen, was teilweise sogar den bestehenden gesetzlichen Regelungen wider­spricht. Da werden wir als die Legislative, gemeinsam mit der Volksanwaltschaft, also wirklich auch ständig den Finger auf diese Wunden legen müs­sen, damit wir zu einem zeitgemäßen und humanen Strafvollzug kommen.

Ich könnte jetzt natürlich noch sehr, sehr viele Punkte ansprechen, gehe aber da­von aus, dass meine Redezeit in der Zwischenzeit erschöpft ist, Herr Präsi­dent, und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Lausch.)

19.57


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Das waren 4 Minuten.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Hechenberger. – Bitte.


19.58.03

Abgeordneter Ing. Josef Hechenberger (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Ge­schätzte Frau Volksanwältin, liebe Gaby Schwarz! Geschätzte Herren Volksanwälte! Ich bin sehr froh und eigentlich sehr glücklich, dass ich zum The­ma Volksanwaltschaft ein paar Sätze sagen darf, weil mir die Arbeit, die ihr macht, extrem wichtig erscheint und sie sehr wertvoll ist, und ich muss wirk­lich – stellvertretend für viele – Danke sagen: für eure Arbeit, dafür, was
ihr Volksanwälte leistet. Ich möchte aber nicht nur euch Danke sagen, sondern auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, weil die, glaube ich, auch Übermenschliches leisten; und auch den Kommissionen ein herzliches: Danke!, für eure großartige Arbeit zum Wohle vieler. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ich denke, dass die Volksanwaltschaft an und für sich wirklich eine ganz, ganz wertvolle Einrichtung ist. Sie bietet für jene Menschen, die es vielleicht
nicht so leicht haben, die Möglichkeit einer niederschwelligen Auskunft, einer Beratung, einer Hilfestellung, um einfach auch schwierige Zeiten meis­tern zu können. Ich denke, dafür ist diese Einrichtung wirklich ausgezeichnet


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geeignet, und es ist umso wichtiger, dass wir sie haben und dass sie auch in Zukunft erhalten bleiben wird.

Ich darf ganz kurz auf den Bericht eingehen: Geprägt war das letzte Jahr natür­lich von diesen multiplen Krisen – einerseits Covid, andererseits der An­griffskrieg Russlands auf die Ukraine, dann die gestiegene Inflation –, und so hat es im letzten Jahr einen Rekord an Beschwerden gegeben. Wenn ich rich­tig informiert bin und den Bericht richtig zitiere, dann waren alleine im letzten Jahr über 24 000 Beschwerden zu bearbeiten, und das war – mehr
oder weniger – leider Gottes ein neuerlicher Rekord. Hauptbetroffen waren die Bereiche Soziales, Gesundheit und innere Sicherheit.

Ich möchte aber auch dazu einladen, die Sprechtage zu nutzen. Es ist ja so, dass die Reisebereitschaft der Volksanwälte in alle Bundesländer sehr groß ist.
Gott sei Dank werden diese Sprechtage in allen Bundesländern angeboten. So ist zum Beispiel der nächste Termin am 22. Juni in Innsbruck, und diesen wird Volksanwalt Achitz wahrnehmen.

Geschätzte Damen, geschätzte Herren! Ich möchte aber auf einen weiteren Aspekt des Berichtes eingehen. Es ist ja so, dass es in Kooperation mit dem ORF die Sendung „Bürgeranwalt“ mit Peter Resetarits gibt. Sie ist immer wieder
sehr interessant, und ich bin ein großer Fan dieser Sendung, weil immer wieder sehr interessante Fälle gebracht werden.

Ich darf von zwei Fällen berichten: Am 7. Jänner 2023 ist es darum gegangen, dass ein Waldbesitzer – 43 Hektar – einen sehr großen Wildschaden hatte, und da hat man dieses Thema intensivst diskutiert. Am 10. September 2022 – ich glaube, das war einer der ersten Auftritte unserer neuen Volksanwältin Gaby Schwarz – ging es um eine Hundezucht im Wohngebiet, wovon der Nachbar logischerweise nicht so begeistert war, einerseits
wegen dem Lärm und andererseits wegen der Geruchsbelästigung. Also das sind immer wieder interessante Fälle, und ich würde wirklich empfehlen, dass


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man sich diese Sendung ansieht, weil sie wie gesagt sehr interessant und durch­aus informativ ist.

Ich darf ganz kurz noch ein paar Sätze zum Thema Justizwacheanstalt in Inns­bruck, Tirol, sagen. Aus dem Bericht geht eindeutig hervor, dass es einer­seits aufgrund einer Baumaßnahme aus den Siebzigerjahren Platzmangel für die Insassen in den Zellen gibt und dass andererseits ein Offenhalten der Ordi­nation des Anstaltsarztes durchgehend sieben Tage die Woche nicht möglich ist, weil leider Gottes Personalmangel herrscht. Das Wesentlichste aus meiner
Sicht ist – ich denke, da muss man auch politisch vonseiten des Justiz­ministeriums entsprechende neue Akzente setzen –: Wir haben einfach das Pro­blem, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch in der Justizwache Man­gelware sind. Es ist so, dass dieser Fachkräftemangel auch in diesem Bereich Ein­zug gehalten hat. Also das sind durchaus Themenfelder, hinsichtlich
derer wir wieder eine politische Arbeit ableiten müssen, richtige Akzente setzen müssen und so letztendlich diese Situation verbessern können.

In diesem Sinne abschließend ein herzliches: Dankeschön für die Arbeit!, und ich würde alle einladen, die mit der Volksanwaltschaft noch nie Kontakt ge­habt haben, aber Hilfe suchend sind und den Kontakt brauchen: Nützt dieses Angebot, es ist großartig, was wir mit der Einrichtung der Volksanwalt­schaft in Österreich haben! – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der Grünen.)

20.02


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Lindner. – Bitte. (Abg. Lindner – auf dem Weg zum Redner:innenpult, erhei­tert –: Bei mir hat es das Problem eh nie gegeben!)


20.02.38

Abgeordneter Mario Lindner (SPÖ): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, dass ihr alle da seid (erheitert) bei der Debat­te zum Bericht der Volksanwaltschaft (Heiterkeit) – also wirklich:
Mein Kompliment!


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ganz zu Beginn möchte ich unseren Volksanwält:innen und den Mitarbeiter:innen der Volksanwaltschaft
Danke sagen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP, Grünen und NEOS.) Sie leisten sowohl bei der Kontrolle der öffentlichen Verwaltung
als auch im Bereich der präventiven Menschenrechtskontrolle enorm wichtige Arbeit für die Menschenrechte in unserem Land. Dafür wirklich ein gro­ßes Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

Auch wenn es schon spät ist, finde ich es schade, dass keine Mitglieder der Bundesregierung den Abend nutzen, um der heutigen Diskussion beizuwohnen. Liebe Kolleg:innen der ÖVP und der Grünen! Ich hoffe, ihr könnt euren Ministerinnen und Ministern etwas mitgeben, nämlich dass diese Berichte nicht einfach in der Schublade verschwinden sollen. Wir alle hier im Parlament,
aber auch in der Regierung wären wirklich gut beraten, uns diese beiden Berich­te der Volksanwaltschaft gut durchzulesen. Das könnte einigen von uns vielleicht endlich die Augen für die Probleme, vor denen viele Menschen Tag für Tag stehen, öffnen.

Zum Beispiel im Gesundheitsbereich: Da hat die Volksanwaltschaft 2022 mehr als 400 Beschwerden im Bereich der Krankenversicherungen und 700 in Gesundheitsfragen bearbeitet. Angesprochen sind dabei Bereiche, die wir hier im Parlament schon oft diskutiert haben und bei denen wir von der Regierung
oft genug gehört haben, dass es eh keine großen Probleme gibt. Eklatanter Res­sourcenmangel, fehlendes Personal, nicht besetzte Kassenplanstellen und enorme Kosten durch Inanspruchnahme von Wahlärzt:innen, einfach weil die Wartezeit bei Kassenärzten zu lange wäre: Mit all dem hat sich die Volksanwaltschaft beschäftigt und dazu auch konkrete Lösungen vorgeschlagen.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sie wären gut beraten, sich die­se Vorschläge anzuschauen, statt Probleme wegzureden, vor denen unzählige Österreicher:innen Tag für Tag stehen.


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Oder schauen wir uns den Sozialbereich und die sogenannten Antiteue­rungsmaßnahmen dieser Regierung an: Schwarz auf weiß finden Sie in diesem Bereich all das, wovor wir immer gewarnt haben: fehlende soziale Treff­sicherheit. „Vor allem ältere Menschen“, die – ich zitiere – „angesichts der vielen unterschiedlichen Einmalzahlungen den Überblick verloren“ haben, ge­nau diese älteren Menschen sind auch die, die von dieser Regierung viel zu oft im Stich gelassen worden sind. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Volksanwaltschaft berichtet zum Beispiel von einer 55-jährigen Wienerin, die ihren pensionierten Mann und ihre 13-jährige Tochter de facto allein
von ihrem Gehalt erhält. Ihr pensionierter Mann bekam trotz winziger Pension nicht die groß versprochene 500-Euro-Einmalzahlung, sondern gerade
einmal läppische 61 Euro und 55 Cent. In einem anderen Fall zahlte die Regie­rung einer niederösterreichischen Mindestpensionistin läppische 176 Euro
aus – mitten in der größten Teuerungskrise seit Jahrzehnten.

Daher, liebe Kolleginnen und Kollegen: Lesen Sie diesen Bericht und schauen Sie sich die Schicksale an, die von den Gesetzen und Beschlüssen dieses Hau­ses mitbestimmt werden! Vielleicht nehmen Sie unsere Warnung in Zukunft ein­mal ein bisschen ernster und helfen jenen Personen, die es wirklich brau­chen. (Beifall bei der SPÖ.)

20.06


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Volksanwältin Schwarz. – Bitte sehr.


20.06.14

Volksanwältin Gabriela Schwarz: Herr Präsident! Werte Abgeordnete! Sehr verehrte Damen und Herren hier – vorhin habe ich noch jemanden
auf der Galerie gesehen – und auch zu Hause, wenn Sie uns noch zusehen! Ganz zu Beginn möchte ich mich bei Ihnen bedanken, dass Sie den Mitarbei­terinnen und Mitarbeitern der Volksanwaltschaft so viel Respekt zollen und ihre Arbeit wirklich zu schätzen wissen, wir tun das auch – tägliche Arbeit, die


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nicht nur bei uns im Haus, in der Volksanwaltschaft, sondern auch von den Kom­missionen, die für uns unterwegs sind, geleistet wird; auch das sei an die­ser Stelle erwähnt. Sie alle leisten ihren Beitrag dazu, dass die Volksanwaltschaft diese Berichte vorlegen kann. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten von SPÖ und Grünen.)

Es wurde schon viel über die große Anzahl von Beschwerden, die wir zu bewälti­gen hatten, gesagt. Ich möchte das jetzt gar nicht wiederholen, sondern
nur einige Dinge herausnehmen und erwähnen.

Es war uns nach Covid wieder der direkte Kontakt zu den Menschen
wichtig. Es wurden zwar die digitalen Herausforderungen gut bewältigt, es war nach wie vor möglich, dass die Kommissionen unterwegs sind, dass die Volksanwälte ihre Arbeit verrichten, wir haben unzählige Briefe, Mails erhalten, es gab auch Videokonferenzen, aber wir merken sehr deutlich, dass die Sprechtage jetzt wesentlich besser angenommen werden, weil der persönliche Kontakt mit uns und mit unseren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen
extrem wichtig ist.

Ich möchte allerdings auch sagen, dass wir zu schätzen wissen, dass Österreich ein sehr gut verwalteter Staat ist. Das hindert uns aber nicht daran, die
Finger dort in die Wunden zu legen, wo wir glauben, dass Nachholbedarf besteht und wo die Luft nach oben noch sehr deutlich zu spüren ist. Dazu gibt es
auch die Volksanwaltschaft.

In meinem Geschäftsbereich gab es einige Auffälligkeiten. Das war zum Beispiel im Bereich des Finanzministeriums der Energiekostenausgleich, bei dem
wir sehr zeitig gemerkt haben, dass einiges nicht so funktioniert, wie es eigent­lich gedacht gewesen wäre, woraufhin wir dann das Finanzministerium
um Gespräche gebeten haben, was auch dazu geführt hat, dass die Hotline per­sonell wesentlich verstärkt wurde.


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Wir merken auch, dass die Menschen den persönlichen Kontakt mit der Sachbearbeiterin und dem Sachbearbeiter im Finanzamt vermissen. Auch da ist selbstverständlich Nachholbedarf gegeben, wenn es um die persönliche Betreuung geht.

Mir sind einige Dinge in den Reden aufgefallen, auf die ich ganz gerne Bezug nehmen möchte. Das eine ist das Thema Straf- und Maßnahmenvollzug:
Ja, wir stehen gerade im Strafvollzug und im Speziellen im Maßnahmenvollzug vor großen Aufgaben. Der Strafvollzug hat, was das Personal betrifft, ähnliche Probleme wie der Pflege- und Gesundheitsbereich, nämlich einen akuten Mangel sowohl im Exekutivbereich als auch beim Fachperso­nal – das betrifft Sozialarbeiter:innen, Psychotherapeut:innen und Psychiater –, wo wir sehr deutlich merken, dass da noch einiges aufzuholen ist. Es
wird an Verbesserungen gearbeitet, das heißt bessere Bezahlung, um eine zu­sätzliche Attraktivität bieten zu können.

Im Maßnahmenvollzug, das, was Abgeordneter Margreiter angesprochen hat, bereitet uns – wir haben darüber auch vor zwei Wochen im Menschen­rechtsbeirat gesprochen – die Nachbetreuung derjenigen, die ab September freikommen sollen, und ihrer Familien große Sorge, denn die Nachsor­geinstitutionen sind ja schon jetzt am Limit, was das Personal betrifft. Die Jus­tizministerin hat zugesichert, dass es Fallkonferenzen geben soll, in de­nen über jeden Fall individuell entschieden werden soll, ob es tatsächlich so sein kann, dass Menschen dann relativ unbetreut ihr Leben bestreiten können.

Wir werden vonseiten der Volksanwaltschaft und vonseiten der Bundeskommis­sion ein wachsames Auge oder mehrere wachsame Augen darauf haben.
Das kann ich Ihnen zusagen, denn auch uns ist es ein großes Bedürfnis, dieses Problem wirklich im Auge zu behalten und zusätzliche Maßnahmen
zu treffen, um den Menschen ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen.

Der Maßnahmenvollzug ist, auch was die Nachsorgeeinrichtungen betrifft, eine riesige Herausforderung, denn Pro Mente Plus zum Beispiel ist auch am


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Limit. Wir merken auch, dass es zusätzliche Kapazitäten in den Bundesländern geben sollte, weil es für die Menschen auch wichtig ist, sich in ei­nem sozialen Umfeld bewegen zu können. Das betrifft auch den Strafvollzug.

Ich möchte das, was Kollege Lausch als Antwort auf Frau Abgeordnete
Bayr gesagt hat, ein bissel relativieren. Ich möchte es sogar sehr stark relati­vieren, denn das, was Frau Abgeordnete Bayr gesagt hat, ist schon ein
extrem wichtiger Austausch, nämlich auf Europaebene und auch auf interna­tionaler Ebene.

Wir hatten vor Kurzem, zu Beginn des Monats Mai, 50 Nationen bei uns
in der Volksanwaltschaft im Haus, das Boardmeeting des International Ombuds­man Institute – wir in der Volksanwaltschaft sind ja das Generalsekretariat –,
und der internationale Austausch ist sehr wohl eine gute Möglichkeit, Menschen­rechte auch in anderen Staaten, in anderen Ländern überprüfen zu können.

Wir haben beim Boardmeeting eine Resolution verabschiedet, was die Ombuds­frau in Haiti betrifft, die extrem unter Druck ist – under threat –, und ich
konnte vergangene Woche mit dem High Commissioner Volker Türk, der bei uns in der Volksanwaltschaft zu Gast war, auch dahin gehend ein Gespräch
führen. Er war erst vor Kurzem in Haiti und konnte direkt berichten, wie kata­strophal die Zustände bezüglich Menschenrechte und für die Organisa­tionen, die sich dort um die Menschenrechte kümmern, sind.

Diese Verbindungen – zum High Commissioner, aber auch international – helfen uns, was die Fortbildung betrifft, was die Unterstützung betrifft, was die Weiterbildung betrifft, auch auf europäischer Ebene, und das sollten wir nicht außer Acht lassen: voneinander lernen und natürlich auch Menschen, Ombudsmenschen, unterstützen, und das weltweit.

Nur zur Größenordnung: Wir haben im Moment circa 200 Mitgliedsorganisa­tionen aus 100 verschiedenen Staaten, und wir sind selbstverständlich
auch mit einer eigenen UN Working Group dran. Diese Kontakte, diese Projekte,


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die wir bereits mit UN-Organisationen wie Unitar oder UNHCR haben,
zu verstärken ist auch eine wesentliche Aufgabe. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS.)

Sie sehen, meine Damen und Herren, wir werden auch weiterhin national und international gefordert sein. Ich möchte mich nochmals für Ihre Unter­stützung und für die konstruktive Zusammenarbeit mit Ihnen bedanken, auch im Ausschuss, weil ich sehr wohl merke, wie groß das Interesse Ihrerseits ist –
und auch das weiß ich als ehemalige Abgeordnete zu schätzen. Ich bedanke mich sehr dafür und hoffe, dass die nächsten Berichte der Volksanwaltschaft
auf ebenso großes Interesse stoßen. – Danke. (Beifall bei ÖVP,
SPÖ, Grünen und NEOS.)

20.12


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Danke schön.

Zu Wort gemeldet ist Volksanwalt Achitz. – Bitte sehr.


20.13.01

Volksanwalt Mag. Bernhard Achitz: Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte mich in
meinem Redebeitrag auf jene Punkte im Bericht konzentrieren, bei denen wir den Nationalrat gefordert sehen, weil die Probleme, die geschildert wur­den, nur durch gesetzliche Änderungen behoben werden können.

Ich beginne mit dem Heimopferrentengesetz, das Frau Abgeordnete Fischer schon angesprochen hat. Es wurde geschildert, dass es dabei um Men­schen geht, die in ihrer Kindheit oder Jugend in Heimen oder ähnlichen Ein­richtungen der Jugendhilfe schwer misshandelt wurden.

Im Moment melden sich sehr, sehr viele Bewohnerinnen und Bewohner von Taubstummeninstituten – so hieß das damals –, in denen gehörlose Kin­der und Jugendliche untergebracht und auch unterrichtet wurden. Diese wurden in diesen Einrichtungen auch sehr misshandelt.


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Eines dieser Taubstummeninstitute war in Speising. Dort waren Jugendliche und Kinder aus Wien und Niederösterreich, und das war eine Bundeseinrichtung.
Ich sage das deswegen hier, denn zusätzlich zur Heimopferrente, die die Volks­anwaltschaft abwickelt und die als Geste der Republik für das Leid, das
die Kinder und Jugendlichen erfahren haben, gedacht ist, gibt es noch die Mög­lichkeit, beim Betreiber der Einrichtung eine Entschädigung geltend zu
machen.

Sie kennen zum Beispiel die Klasnic-Kommission der katholischen Kirche, aber auch die Bundesländer haben solche Anlaufstellen. Wenn diese der Be­treiber der Kinderheime oder anderer Einrichtungen waren, in denen derartige Misshandlungen stattgefunden haben, dann kann man zusätzlich zu die­ser Heimopferrente, die man bekommt, die ja nicht sehr hoch ist, beim Betreiber der Einrichtung eine pauschalierte Schadenersatzleistung geltend machen.

Alle Bundesländer machen das noch, bis auf Wien – dort hat man die Entschä­digungszahlungen eingestellt. Man hat das eine Zeit lang abgewickelt
und dann gesagt: Jetzt nehmen wir keine derartigen Anträge mehr entgegen!, und auch der Bund hat die Entschädigungszahlungen eingestellt.

Das heißt, Menschen, die in Salzburg in einem Taubstummeninstitut waren, können zusätzlich zur Heimopferrente noch eine Entschädigung gel­tend machen; Menschen, die in Speising waren, können das nicht, weil der Bund die Entschädigungszahlungen eingestellt hat. Das gilt im Übrigen zum Bei­spiel auch für Menschen, die in ihrer Jugend in Kaiserebersdorf untergebracht waren. Auch diese können keine Entschädigung mehr geltend machen,
weil der Bund die Entschädigungszahlungen eingestellt hat. – Ich bitte Sie, das zu überdenken.

Eine zweite Sache, eben auch im Zusammenhang mit diesen Entschädigungszah­lungen, ist uns aufgefallen: Schwere Misshandlungen führen dazu, dass
sich die Entschädigungszahlungen dann in einer Höhe von 10 000, 15 000, wo­möglich 20 000 Euro bewegen. Wenn Sie zu dem Zeitpunkt, an dem Sie


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diese Entschädigungszahlung bekommen, Mindestsicherung beziehen, wird bei der nächsten routinemäßigen Überprüfung Ihres Kontostandes festge­stellt: Hoppala, da ist ja Geld am Konto!, und die Mindestsicherung wird einge­stellt, bis das Geld aufgebraucht ist.

Das heißt, die Menschen, die eine solche Entschädigungszahlung bekommen und Mindestsicherung beziehen, haben dann nichts von dieser Entschädigungs­zahlung. Ich halte auch das für unbefriedigend und würde Sie bitten,
sich auch das anzusehen und eine gesetzliche Änderung in diesem Bereich an­zudenken. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Im Bereich der nachprüfenden Kontrolle der Verwaltung haben wir besondere Probleme bei der Auszahlung des Kinderbetreuungsgelds festgestellt. Da
wurde heute in diesem Haus schon reagiert: Ich habe gehört, Sie haben heute schon einen Entschließungsantrag verabschiedet, der eine Härtefallrege­lung beim einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeld vorsehen soll. Ich halte das für äußerst notwendig – wir hatten viele Fälle in diese Richtung – und
hoffe, dass dieser Entschließungsantrag sehr bald zu einer gesetzli­chen Änderung führt.

Wo es auch riesige Probleme gibt, ist beim Bezug des Kinderbetreuungsgelds, wenn ein Elternteil im Ausland arbeitet. Da wartet man oft ewig auf die Auszahlung des Kinderbetreuungsgelds.

In einem Fall haben wir ein jetzt achtjähriges Kind, und die Eltern kämpfen noch immer ums Kinderbetreuungsgeld, weil zum Zeitpunkt der Geburt und da­nach ein Elternteil an der Uni in Wien gearbeitet hat, der andere Elternteil an der Uni in Utrecht, und die österreichischen Behörden verlangt haben, dass
man das Kinderbetreuungsgeld in den Niederlanden beantragt. Die niederländi­schen Behörden haben mehrfach ausgedrückt, dass es in den Niederlanden
keine derartige Leistung gibt und diese auch nicht zusteht, und trotzdem haben die österreichischen Behörden gesagt: Nein, da muss man in den Nieder­landen berufen, nachfragen, noch einmal versuchen, das zu bekommen!, und ha­ben die Leistung nicht ausgezahlt.


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Die Familie hat inzwischen österreichische Gerichte angerufen, hat in erster Instanz gewonnen, hat in zweiter Instanz gewonnen. Die Krankenkasse, aufgefordert durchs Familienministerium, ist jedes Mal in Berufung gegangen. Die Eltern laufen dem Kinderbetreuungsgeld noch immer nach.

Und das ist kein Einzelfall! Das Familienministerium hat eine Weisung an die Krankenkassen, die das Kinderbetreuungsgeld zu vollziehen haben, herausgegeben. Am Deckblatt dieser Weisung steht: „Alle Rechte vorbehal­ten. [...] Jede Verwertung [...] ist ohne schriftliche Zustimmung des Medieninhabers unzulässig.“ – Das ist also eine Weisung, die offensichtlich geheim bleiben soll – schon das ist einmal seltsam, denn die Bürgerin­nen und Bürger sollen ja wissen, wie ein Gesetz vollzogen wird.

Im Inhalt dieser Weisung steht unter anderem: „Es haben keinerlei behördliche Kontaktaufnahmen bei Problemen der Eltern mit den ausländischen Behör­den zu erfolgen. Die KVT“ – die Krankenversicherungsträger, an die sich diese Weisung richtet und die mit der Vollziehung beauftragt sind – „sind nicht
die Vertreter der Eltern! Dementsprechende Aufforderungen durch die Eltern oder Dritte (auch, wenn es sich dabei um den Volksanwalt oder Interes­sensvertretungen handelt) sind daher kategorisch abzulehnen.“

Das ist eine Weisung, die die vollziehenden Behörden dazu auffordert, genau nicht bürger:innenfreundlich – und im Übrigen auch europarechtswidrig –
zu agieren. Ich würde Sie bitten, da einmal draufzuschauen und das möglichst rasch abzustellen, damit die Menschen dann zum Kinderbetreuungsgeld kommen, wenn sie es am dringendsten brauchen, nämlich dann, wenn die Kinder klein sind. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von FPÖ, Grünen
und NEOS.)

Beim Mutter-Kind-Pass, zu dem heute eine Gesetzesänderung vorgelegt wurde, wird durch diese Änderung ein Problem behoben, nämlich das Problem,
dass – banal ausgedrückt – Eltern die Untersuchungen durchführen lassen, den Nachweis aber nicht rechtzeitig erbringen und dafür dann sehr hohe Stra­fen zahlen. Das wird dadurch behoben, dass das Ganze in Zukunft elektronisch


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abgewickelt wird, was wir sehr begrüßen. Es dauert aber noch zwei, drei
Jahre, bis das elektronisch abgewickelt wird, und in der Zwischenzeit besteht das Problem weiter: Wenn jemand vergisst, den Nachweis zu schicken, kostet
ihn das mindestens 1 300 Euro.

Ich halte das für maßlos überzogen. Ja, es soll sanktioniert werden, wenn die Untersuchungen nicht durchgeführt werden, aber dann, wenn die Unter­suchungen durchgeführt werden – unter Umständen und meistens sogar durch Kassenärzte –, die Krankenkassen die Daten haben und nur der Nachweis
fehlt, 1 300 Euro von jungen Eltern einzubehalten, halte ich für überzogen, und man sollte auch in der Übergangsphase darauf schauen, dass das nicht pas­siert. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Rauch und Fischer.)

Letzter Punkt: der heute mehrfach angesprochene Punkt der Pflege. Es wurde auch schon ein Fall in Salzburg angesprochen, bei dem wir ganz beson­ders gravierende Missstände festgestellt haben. Das größte Problem bei dieser Missstandsfeststellung in Salzburg, wo wir dehydrierte, unterernährte,
nicht wundversorgte Patientinnen und Patienten vorgefunden haben, ist, dass die Aufsicht des Landes mehrmals in dieser Einrichtung war und keinen
Grund einzuschreiten gesehen hat, weil angemessene Pflege in Österreich nicht ausdrücklich und genügend definiert ist. Man hat gesagt: Na ja, wir ha­ben eh angemessene Pflege mit dem Betreiber der Einrichtung vereinbart, der ist zuständig, das zu gewährleisten, und wir sind irgendwie nicht zuständig, da einzuschreiten, wenn das nicht gewährleistet ist, sondern das ist die Verantwor­tung des privaten Betreibers.

Das halte ich für extrem problematisch. In solchen Fällen muss natürlich die Auf­sicht einschreiten, und dazu braucht es eine entsprechende Grundlage, da­zu braucht es eine Legaldefinition, was unter angemessener Pflege zu verstehen ist, und auch eine Vorgabe, was zu tun ist, wenn diese nicht gewährleistet ist.

Jetzt weiß ich schon, dass man darüber diskutieren kann, ob das Aufga­be des Bundesgesetzgebers ist oder ob das die Länder in ihren Pflegegesetzen


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machen müssen. Wenn es die Länder machen müssen, dann sollte der
Bund zumindest so weit koordinierend eingreifen, dass alle dieselben Regelun­gen haben, denn es regt die Menschen auch extrem auf, wenn Regelun­gen in verschiedenen Bundesländern gleiche Sachverhalte betreffen, aber dann doch sehr unterschiedlich sind. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Bei­fall bei der SPÖ, bei Abgeordneten der ÖVP sowie der Abgeordneten Lausch, Rauch, Fischer und Tomaselli.)

20.23


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Danke schön.

Nun gelangt Herr Volksanwalt Rosenkranz zu Wort. – Bitte sehr.


20.24.03

Volksanwalt Dr. Walter Rosenkranz: Herr Präsident! Geschätzte Abgeordnete des Hohen Hauses! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Frau Abgeordne­te Fischer hat hier etwas gesagt, was ich eigentlich ganz laut und deut­lich noch einmal wiederholen möchte: www.volksanwaltschaft.gv.at. Ich füge noch hinzu: Wien, 1. Bezirk, Singerstraße 17 und die Telefonnummer
0800 223 223 – die kann man kostenlos aus ganz Österreich anrufen. So er­reichen Sie die Volksanwaltschaft. Sie können aber auch etwas anderes
machen: Wenn Sie auf die Homepage gehen, dann können Sie jene Berichte, über die die Abgeordneten heute hier informiert werden und über die sie mit uns auch diskutieren, direkt dort lesen.

Zum Beispiel hat Herr Abgeordneter Werner Herbert einen Fall aufgezeigt, nämlich einen Besuch bei der Polizeiinspektion Hohe Warte. Wen das – oder die anderen Fälle, die aufgezeigt worden sind – interessiert: Dort kann man
diese und viele andere nachlesen. Tun Sie das! Vielleicht kommen Sie drauf: Das ist ja glatt ein Sachverhalt, der eigentlich auch mich betroffen hat oder be­trifft oder unter Umständen betreffen wird.

Meine Kollegen und auch Sie als Abgeordnete haben in der Diskussion zuvor gesagt, dass bei diversen Berufen Mangel herrscht: in der Pflege, in der


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Justizwache, bei den Ärzten – noch nicht erwähnt wurde der Lehrermangel und auch der bei der Polizei. Das ist natürlich für eine geordnete Verwaltung suboptimal, sowohl was die Qualität der Amtshandlungen direkt betrifft, aber natürlich auch, was den vorbeugenden, den präventiven Menschenrechts­schutz betrifft, weil ausgebrannte, müde, überstrapazierte Beamte leider Got­tes – das ist allzu menschlich – auch Fehler machen können, und das soll­te eigentlich in einem guten Verwaltungsstaat nicht passieren.

Sie haben die Zahl der Beschwerden angesprochen. – Ja, diese ist gestiegen, und das ist ganz logisch. Es ist zum Beispiel auch erwähnt worden, dass sich die Beschwerden bei Asylverfahren über zu lange Verfahrensdauern im Jahr 2022 gehäuft haben. Ich kann ein anderes Beispiel bringen: Auch im Jahr 2015
hat es auf einmal einen Anstieg gegeben. Ja, immer dann, wenn die Flüchtlings­zahlen höher werden, gibt es als Konsequenz logischerweise auch lange Verfahren und daher auch Beschwerden in der Volksanwaltschaft. Das ist
bei allen Verwaltungsmaßnahmen, die einen größeren Personenkreis
betreffen, so.

Ich darf da auch – Abgeordneter Lausch hat es angesprochen – mit dem Klima­bonus anschließen: Der Klimabonus ist in meinem Geschäftsbereich in
der Volksanwaltschaft seit dem Jahr 2022 ein täglicher – unter Anführungszei­chen – „Dauerbrenner“. Wenn ich das Jahr 2023 bis jetzt dazuzähle, gibt
es über 1 200 Beschwerden von Menschen, die den Klimabonus 2022 aus den unterschiedlichsten Gründen noch nicht bekommen haben.

Ich möchte Ihnen aber vielleicht ergänzend eines dazu sagen: Wir arbeiten nicht so, dass wir einen Bericht erstellen, diesen den Regierungsmitgliedern ein­fach zum Nachlesen zur Verfügung stellen, diesen dem Hohen Haus zur Verfü­gung stellen, und damit wäre unsere Arbeit getan, sondern wir sind selbst­verständlich bemüht, die geprüften Stellen auch einzuladen, an Lösungen zu ar­beiten, und wir versuchen auch, das mit der Expertise der Beamtinnen und Beamten, deren Tätigkeit Sie hier auch schon lobend erwähnt haben –


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dieses Lob werden wir alle gemeinsam natürlich auch weiterleiten –, zu unter­stützen. Manchmal gelingt uns das, manchmal gelingt es uns weniger.

Ich möchte Ihnen aber eines mitteilen: Morgen Vormittag kommt eine Delegation des Klimaschutzministeriums in die Volksanwaltschaft, weil wir im Blickfeld haben, dass sich die Zahl der Beschwerden betreffend den Klimabonus 2023 wahrscheinlich nicht wesentlich verringern wird, und zwar alleine schon deswegen, weil der Klimabonus in unterschiedlichen
Höhen ausbezahlt wird.

Dabei wird unter Umständen jemand, der die Medien oder Ähnliches nicht so beobachtet, wahrscheinlich nur sehen: Mein Cousin im Bezirk sowieso
hat mehr Klimabonus bekommen als ich in meinem Bezirk. – Sie alle hatten beim Beschluss Ihre guten Gründe, Argumente dafür – oder auch nicht. Wie
auch immer: Es gibt eine nachvollziehbare Gesetzeslage, die von den Beamtin­nen und Beamten zu vollziehen ist, aber natürlich können manche Rege­lungen auch Unbill hervorrufen, und dieser Unbill, diese tatsächlichen oder ver­meintlichen Ungerechtigkeiten kommen pfeilgerade in die Volksanwaltschaft.

Ich möchte es vielleicht auch an einem Beispiel beim Klimabonus festmachen, weil ich nicht weiß, ob Sie als Gesetzgeber an einen solchen Fall gedacht
haben. Die Eltern bekommen ja auch für Kinder einen Klimabonus, nach Alter gestaffelt. Voraussetzung dafür ist, dass man mehr als ein halbes Jahr sei­nen Hauptwohnsitz in Österreich gemeldet hat. Nun kommt von einem Vater eine Beschwerde: Er empfindet es als ungerecht, dass er für sein Kind
keinen Klimabonus bekommt, obwohl dieses Kind bereits die erforderliche Zeit in Österreich lebt, ganz einfach deswegen, weil das Kind am 30. Juni
zur Welt gekommen ist.

Der Vater dieses kleinen Kindes hat aber nicht rechtzeitig gehandelt, um
den Klimabonus sofort zu bekommen, er hat nicht als Erstes das gemacht, was nötig ist: sofort die Geburtsurkunde und die Unterlagen zu nehmen und
damit zum nächsten Meldeamt zu gehen und den Hauptwohnsitz anzumelden.


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Man sieht also, alles, was manchmal, auch von Ihnen, wirklich gut ge­dacht ist, kann im Detail in dem einen oder anderen Fall zu einer aus unserer Sicht nicht verständlichen Härte führen, wenn man das Gesetz nach Punkt und Beistrich vollzieht. Es ist wirklich so, objektiv: Dieses neugeborene Kind hat am 30. Juni respektive am 1. Juli keinen Hauptwohnsitz in Öster­reich gehabt, und weil es keinen Hauptwohnsitz gehabt hat, bekom­men die Eltern für dieses Kind keinen Klimabonus.

Das ist nur ein kleines von vielen Problemen, die wir mit dem Klimaschutzminis­terium verhandeln werden, um eben zu versuchen, dass das unter Um­ständen vielleicht auch repariert wird. Da gibt es unzählige Dinge, aber ich möchte nur das als Beispiel dafür erwähnen, dass wir nicht nur schauen, wo wir Kritik üben können, dann einen Bericht vorlegen – und das war es schon
wieder bis zum nächsten Jahr. Nein, die Volksanwaltschaft bemüht sich auch im Dialog mit den Verwaltungsbehörden und letztlich auch mit Ihnen als Ge­setzgeber, dass die Verwaltung und die Gesetzgebung für die Menschen hier in Österreich immer besser werden. (Beifall bei der FPÖ.)

20.31


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Mel­chior. – Bitte sehr.


20.31.34

Abgeordneter Alexander Melchior (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Volksanwältin! Sehr geehrte Volksanwälte! Liebe Kollegin­nen und Kollegen! Sehr geehrte Besucherinnen und Besucher auf der Galerie – ich sehe jetzt zwar niemanden mehr, aber zumindest allen, die noch
vor den Fernsehbildschirmen sitzen, einen lieben Gruß! Was ja ganz selten in diesem Haus vorkommt, ist, dass wir einmal alle einer Meinung sind, und
was bei den letzten Reden oder eigentlich bei allen Reden irgendwie besonders hervorgestochen ist, war: Lob, Dank und Anerkennung in Richtung der Volksanwältin und der Volksanwälte, und dem möchte ich mich anschließen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll219. Sitzung, 219. Sitzung des Nationalrats vom 14. Juni 2023 / Seite 441

Ich glaube, zum Jobprofil einer Volksanwältin, eines Volksanwalts gehört, dass man für die Interessen der Menschen kämpft. Jetzt kenne ich dich, Gabi,
von allen hier am besten und kann nur sagen: Ich weiß, dass du eine Löwin bist, wenn es um die Interessen der Menschen geht. Das hast du auch in unter­schiedlichen Positionen bewiesen, beim Kriseninterventionsteam im Burgenland zum Beispiel, wo du in ganz schwierigen Situationen einfach sehr sensibel
auf die Situation, auf die Menschen eingegangen bist. Das zeichnet
dich aus, aber gleichzeitig hast du, und das hilft dir jetzt auch sicher in der Volksanwaltschaft, auch ein offenes Ohr für die Behörden und gehst auf sie zu. Was mir von dir berichtet wurde, ist, dass diese Zuschreibung auch auf
deine Kollegen zutrifft – also vielen Dank, dass wir zwei solche Löwen und eine solche Löwin in der Volksanwaltschaft haben, danke für die Arbeit. (Beifall
bei Abgeordneten von ÖVP, FPÖ und Grünen.)

Aber natürlich braucht es viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die all das abwickeln. Wir haben heute schon einmal die Zahlen gehört, und das muss man sich nur vor Augen führen: 24 000 Anliegen sind im letzten Jahr an die Volksanwaltschaft herangetragen worden. Das sind – damit man ein Gespür bekommt – rund 96 Anliegen pro Arbeitstag, die man abwickeln muss.
Das ist wirklich beeindruckend, was da gelungen ist.

Es ist auch eine wichtige Arbeit. Wie wir heute zum Beispiel schon gehört haben, gibt es auch die präventive Menschenrechtskontrolle in den Pflegeheimen,
und es ist ganz wichtig, dass man dort auch hinschaut, sich die Situation vor Ort ansieht, um dann feststellen zu können – und das hat Volksanwalt Achitz
vorhin auch gesagt –: Ist es ein Einzelfall oder ist es ein systemischer Fehler, den man in Angriff nehmen muss? Deswegen ist die Arbeit so wichtig, dass
man genau dort hinhört. Es ist aber nicht nur wichtig, dass man hinhört, sondern es ist gleichzeitig auch ein Auftrag an uns hier im Parlament, zu überlegen: Müssen wir im Gesetz nachschärfen, braucht es neue Gesetze? Deswegen ist es immer sehr sinnvoll, dass wir gut zuhören.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll219. Sitzung, 219. Sitzung des Nationalrats vom 14. Juni 2023 / Seite 442

So haben wir es auch beim Thema Pflege gemacht. Mehr als 1 Milliarde Euro wird in die Pflege investiert, um die Ausbildung besser zu machen, um
die Wertschätzung zu steigern, auch dort, wo es um das Thema Bezahlung geht, um auch Weiterbildung und Ausbildung zu ermöglichen.

Das heißt, ihr (in Richtung Volksanwält:innen) seht, eure Arbeit wird gehört, es ist wichtig, dass sie stattfindet – vielen Dank. In diesem Sinne: Möge es so wei­tergehen, wir hören auf euch! – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

20.34


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Ein­wallner. – Bitte sehr.


20.34.49

Abgeordneter Ing. Reinhold Einwallner (SPÖ): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Volksanwältin! Meine Herren Volksanwälte! Ja, auch ich beginne mit einem Dank an Sie, ich habe
großen Respekt vor Ihrer Arbeit, die Sie tagtäglich leisten. Jetzt weiß ich schon, dass ich, ich glaube, der 15. Redner in Folge bin, der sich bei euch dreien bedankt. Mir ist nur wichtig, dass Sie den Dank auch an Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Volksanwaltschaft weitergeben, denn diese Arbeit
lastet ja nicht nur auf Ihren Schultern, sondern in dieser Volksanwaltschaft ist ein Stab dahinter, der großartige Arbeit leistet.

Meine Damen und Herren, ich finde es immer ein bisschen ambivalent, wenn wir als Erfolgsindikator die Anzahl der Anfragen, die bei Ihnen eingehen, her­nehmen. Der Idealzustand wäre ja, dass die Anfragen weniger und die Berichte dünner werden, denn das würde belegen, dass die Verwaltung dementspre­chend besser wird und auch besser arbeitet. Nichtsdestotrotz sieht
man aber, wie anerkannt die Volksanwaltschaft ist und welch wichtige Insti­tution die Volksanwaltschaft in Österreich darstellt.

Meine Damen und Herren, ich werde mich wie im Ausschuss relativ kurz halten und auf einen Themenpunkt fokussieren, und das ist der Bereich Inneres.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll219. Sitzung, 219. Sitzung des Nationalrats vom 14. Juni 2023 / Seite 443

Herr Volksanwalt Rosenkranz, Sie haben gesagt, einen großen Anteil nimmt natürlich der Asylbereich ein, die Verfahrensdauer ist Gegenstand von
einem großen Anteil der Beschwerden. Prozentuell steigt das noch einmal. Ich glaube, heuer sind es innerhalb des Bereiches Inneres fast 70 Prozent
der Beschwerden, die sich mit dem Thema Asyl beschäftigen. In absoluten Zahlen allerdings sinken die Beschwerden in Bezug auf die Verfah­rensdauer – ich glaube, das muss man auch erwähnen, dass es dort auch eine positive Entwicklung gibt.

Wir haben 2020/2021 einen Höhepunkt gehabt, jetzt ist die Situation wieder ein bisschen rückläufig. Das ist durchaus erfreulich. Ich glaube, das hängt auch
damit zusammen, dass man in Wien gut reagiert hat. Man hat jetzt Personal auf­gestockt, die Organisation verbessert, und so kann man jetzt auch in der Magistratsabteilung 35 dem hohen Aufkommen, das es in Wien natürlich gibt, etwas besser gerecht werden. – Das ist das eine.

Einen zweiten Punkt möchte ich noch ansprechen, weil er im Volksanwalt­schaftsbericht auch jedes Mal angeführt wird: Das sind die Beschwerden, die es gegen Exekutivbeamte von der Polizei gibt. Es wird immer wieder diese unabhängige Meldestelle gefordert, die ja auch im Regierungsabkommen steht. Jetzt ist es endlich so weit, dass diese Gesetzesvorlage im Haus ist, aber
das Problem ist, dass man weder das Parlament noch Experten eingebunden hat, also bei der Erstellung dieser Regierungsvorlage alle Stakeholder und leider
auch die Volksanwaltschaft ausgelassen hat.

Die Volksanwaltschaft, die eine hohe Expertise hat, hat man außen vor gelassen, und was jetzt eigentlich fast noch schlimmer ist: Ihr (in Richtung Volksan­wält:innen) verfasst eine hoch qualifizierte Stellungnahme zu diesem Gesetzent­wurf – und diese Stellungnahme wird auch wieder ignoriert! Der Minis­terialentwurf hat heute den Ministerrat passiert, und es ist nichts passiert.

Jetzt kann man sich als Vertreter einer Regierungspartei schon hier herausstellen und den Bericht loben, aber dann muss man natürlich auch einmahnen,


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll219. Sitzung, 219. Sitzung des Nationalrats vom 14. Juni 2023 / Seite 444

dass man das, was die Volksanwaltschaft kundtut, zumindest ernst nimmt, prüft und nach Möglichkeit einfließen lässt. Das fehlt mir ein bisschen. Es reicht
nicht, dass wir hier einmal im Jahr den Bericht diskutieren und debattieren und dann große Lobesworte aussprechen, sondern wir als Abgeordnete sollten
eines tun: Wir sollten den Bericht als Handlungsempfehlung sehen.
Die Vorschläge, die darin enthalten sind, die gemacht werden, in allen Fachbe­reichen, die die Volksanwaltschaft abdeckt, sollten in unsere politische
Arbeit einfließen und dementsprechend dann auch in unserer täglichen politi­schen Arbeit umgesetzt werden. – Ich danke Ihnen recht herzlich. Danke
schön. (Beifall bei der SPÖ.)

20.38


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Totter. – Bitte sehr.


20.38.59

Abgeordnete MMag. Dr. Agnes Totter, BEd (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Volksanwältin! Geschätzte Herren Volksanwälte! Geschätzte Kollegin­nen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren! Ich möchte mich zunächst für die wertvolle, für die äußerst wertvolle Arbeit der Volksanwaltschaft ganz herzlich bedanken. Allein im letzten Jahr wurden fast 24 000 Beschwerden an die Volksanwaltschaft herangetragen. Die meisten davon betreffen
den Sozialbereich, besonders hinsichtlich des Ausbleibens der Zustellung von Covid-19-Absonderungsbescheiden und langer Bearbeitungsdauern
von Kostenerstattungen bei der Krankenkasse sowie Beschwerden hinsichtlich Klimabonus und Energiekostenausgleich.

Während in vielen Fällen Lösungen für Probleme im Umgang mit Behörden gefunden werden, soll die Vermittlerrolle und die Kontrollfunktion
der Volksanwaltschaft im Allgemeinen effiziente Erledigungen sowie auch transparente Entscheidungsprozesse fördern.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll219. Sitzung, 219. Sitzung des Nationalrats vom 14. Juni 2023 / Seite 445

Meine Damen und Herren, in dieser Debatte möchte ich aber als ausgebildete Pädagogin besonders auf das Schulwesen eingehen. In diesem Bereich
gab es mit 94 Beschwerden wieder ähnlich viele Fälle wie vor 2021. Noch immer stand ein Drittel der Beschwerden in Zusammenhang mit der Corona­pandemie, insbesondere in Zusammenhang mit der Durchführung schulischer Coronatests.

Diesbezüglich möchte ich jedenfalls erwähnen, dass Lehrerinnen und Lehrer mit ihren Schulleitungen Enormes geleistet haben, um die Coronakrise zu be­wältigen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Mit der Durchführung der Coronatests leisteten sie an den Schulen einen wesentlichen Beitrag zur Volksgesundheit, denn gerade durch diese Tests der Schülerinnen und Schüler konnte auch ein guter Überblick über das Infek­tionsgeschehen in den heimischen Haushalten gewonnen werden.

Meine Damen und Herren, im Bericht der Volksanwaltschaft wird weiters ein Mangel an Gymnasialplätzen im Raum Feldbach, in meinem Heimatbezirk Südoststeiermark, angeführt. Diese Kritik geht aus meiner Sicht allerdings ins Leere, denn mittlerweile wurde eine zweizügige AHS-Langform einge­richtet, die jetzt natürlich in der Gestaltung der Bildungsregion mitgedacht werden muss.

Ich möchte dennoch festhalten, dass gerade in den ländlichen Regionen die Mittelschulen eine exzellente Ausbildung vor Ort bieten. Die gemein­same Lehrer:innenausbildung für die Sekundarstufe I und die Tatsache, dass begabte Schülerinnen und Schüler auf der Leistungsniveaustufe AHS
nach demselben Lehrplan wie an den Gymnasien unterrichtet werden, wertet die Mittelschule massiv auf. Ich bin überzeugt davon, dass die Mittelschulen
im ländlichen Raum die beste Bildung vor Ort bieten und die Lehrerinnen und Lehrer im höchsten Ausmaß engagiert sind. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll219. Sitzung, 219. Sitzung des Nationalrats vom 14. Juni 2023 / Seite 446

Unsere Gemeinden sind wichtige Partner für die Mittelschulen, und umgekehrt sind diese auch enorm wichtig für die Ausbildung der Jugendlichen vor Ort.

Meine Damen und Herren, wir alle sind gefordert, auch unseren Beitrag zum Kli­maschutz zu leisten. Daher ist es für mich zumindest nahe liegend, dass wir weiterhin daran arbeiten, dass unsere Kinder die beste Bildung vor Ort bekom­men und nicht schon mit zehn Jahren pendeln müssen. Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

20.42


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Rausch. – Bitte.


20.42.53

Abgeordnete Mag. Bettina Rausch (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Frau Volksanwältin! Liebe Herren Volksanwälte! Werte Kolleginnen und Kollegen und geschätzte Zuhörerinnen und Zuhörer hier im Haus und zu Hause! Wir haben heute, während dieser Debatte, schon viel über politische Kon­trolle, auch über Kontrolle von Verwaltungshandeln gehört, und politische Kon­trolle gibt es in Österreich ja in vielfältigster Ausführung – hier im Parla­ment und durch eine Reihe von Instrumenten.

Medien spielen eine wichtige Rolle, aber die Volksanwaltschaft ist wohl die mit Abstand wichtigste Möglichkeit und Instanz, wenn es um die Kontrolle und damit auch um die ständige Verbesserung der Verwaltung in Österreich geht. Sie schützt das „Recht, Rechte zu haben“, so hat es die Philosophin
Hannah Arendt einmal beschrieben, und deckt damit Lücken und Ungerechtig­keiten ab, die auch im bestdesignten Rechtssystem vorkommen können,
was zur Weiterentwicklung dient.

Vor allem die Berichte, die wir wie heute auch wieder debattieren, sind damit so etwas wie Puls- und Blutdruckmesser für unser politisches System, ebenso
wie für unsere Gesellschaft. Die Volksanwaltschaft festigt damit 
und
das ist, glaube ich, sehr entscheidend – unser demokratisches Gefüge, ist auch


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enorm wichtig für das Funktionieren des Rechtsstaates und stärkt in
unserer Gesellschaft auch das Vertrauen untereinander und das Vertrauen in Institutionen, indem dann auch immer wieder Feedback eingearbeitet wird.

Ich möchte da meinen zahlreichen Vorrednerinnen und Vorrednern recht geben und mich dem Dankesagen anschließen. Es ist heute schon oft passiert und
ich denke, es ist auch sehr wichtig, weil wir heute einen sehr umfassen­den Bericht diskutieren. Ich möchte auf der einen Seite allen Danke sagen, die vertrauensvoll im Team der Volksanwaltschaft beraten und unterstützen.
Ich möchte allen Danke sagen, die da überprüfen, kontrollieren und vorschlagen, und an der Spitze eben den beiden Volksanwälten und unserer Volksanwäl­tin für ihre Arbeit, die sie da entsprechend verantworten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Über 23 900 Menschen haben sich an die Volksanwaltschaft gewendet. Wir ha­ben es gehört, und ich möchte es noch einmal erwähnen, weil man sich im­mer so die Frage stellt: Was passiert denn da tatsächlich? 100 Anliegen pro Ar­beitstag sind es, mit denen ihr, mit denen Sie konfrontiert sind, und das ist
eine ganze Menge – als parlamentarischer Ombudsrat, Vertretungsrat
der Bürgerinnen und Bürger, als Kontrollorgan der öffentlichen Verwaltung; eine Erfolgsgeschichte, die über 45 Jahre alt ist.

In der jüngeren Geschichte hat die Volksanwaltschaft aber auch eine sehr wich­tige Aufgabe dazubekommen und erfüllt seit 2012 die Aufgabe als Natio­naler Präventionsmechanismus für Schutz und Förderung der Menschenrechte. Auch das haben wir gehört, aber ich möchte das heute noch einmal beson­ders erwähnen. Im Zusammenhang mit diesem Schutz und der Förde­rung der Menschenrechte wurden etwa in Justizanstalten, Polizeiinspektionen, psychiatrischen Einrichtungen und Pflegeheimen 481 Kommissionsein­sätze durchgeführt, also Besuchs- und Beobachtungsaktivitäten, ein reges Tun.

Wir haben da auch – da wir sehen, dass es in 70 Prozent der präventiven Kontrollen Beanstandungen gab – noch einiges zu tun, um auch sicherzustellen,


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dass Regeln, die wir im Menschenrechtsschutz haben, auch entsprechend einge­halten wurden.

Unsere Volksanwaltschaft beherbergt seit 2009 auch das Generalsekretariat des International Ombudsman Institute, das ist ein weltweit unabhängiges Kon­trollorgan von Verwaltungen, und dieses Institut haben wir letztes Jahr
dank Außenminister Schallenberg auch rechtlich aufgewertet und damit auch die internationale Zusammenarbeit, vor allem mit den Vereinten Nationen, erleichtert. Ich begrüße das persönlich sehr, weil es nichts Vergleichbares zu diesem International Ombudsman Institute gibt und ich darin auch die
große Chance für Reformen sehe, und Unterstützung von Bürgerinnen und Bür­gern weltweit in einer sehr turbulenten Welt, die wir heutzutage erle­ben, in der Menschenrechtsschutz nicht selbstverständlich ist, ist
umso wichtiger.

Verbunden also noch einmal mit einem Danke, das wir heute mehrfach begrün­det haben, möchte ich für diese wertvolle internationale Aufgabe alles,
alles Gute wünschen, gutes Gelingen im Sinne von Demokratie und Rechtsstaat­lichkeit, nicht nur in Österreich, sondern weltweit. 
Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

20.46


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Shetty, last, but not least. – Herr Abgeordneter, Sie beschließen den Reigen. (Abg. Michael Hammer: Das Letzte!)


20.47.12

Abgeordneter Mag. Yannick Shetty (NEOS): Kollege Hammer sagt: „Das Letzte!“, aber ich glaube, das meint er nicht so, wie er es sagt. (Ruf bei der SPÖ: Na oja!) – Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Volksanwältin! Sehr geehrte Herren Volksanwälte! Ich
würde hier ganz am Ende gerne noch über einen Missstand sprechen, den Sie, Frau Volksanwältin Schwarz, beleuchtet haben, und möchte Ihnen auch


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vorweg, bevor ich auf den Sachverhalt eingehe, wirklich für die präzise Aufnah­me dieses Sachverhalts danken und auch dafür – das kann man ja, glaube
ich, einfach so aussprechen, da Sie ja durchaus auch eine politische Zugehörig­keit haben –, dass Sie sehr deutlich gesagt haben, was da im Außenminis­terium falsch gelaufen ist. Das finde ich sehr gut und danke für diesen Bericht.

Ich würde gern kurz auf den Sachverhalt eingehen, damit er auch verständlich wird: Es geht um ein Ehepaar, um Tiad und Robert, die echten Namen sind andere. Robert ist ein österreichischer Unternehmer und sein Ehemann Tiad ist ein iranischer Arzt. Sie leben in Österreich in einer gleichgeschlechtli­chen Ehe, geheiratet haben sie 2021. Zu dieser Hochzeit wollten sie die Eltern von Tiad aus dem Iran nach Österreich einladen, und dafür ist natürlich,
kein Wunder, ein Visaantrag, ein Visum, notwendig.

Kurzer Nebensatz – es war mir nicht bekannt, bevor ich mich mit dem Fall beschäftigt habe, ich weiß nicht, ob Sie es wissen –: Visaanträge im Iran wickelt nicht die österreichische Botschaft ab, sondern ein ausgelagertes privates Dienstleistungsunternehmen mit Sitz in Dubai, die VFS Global.

Jetzt wissen Sie, dass wir als NEOS grundsätzlich keine Skepsis gegenüber priva­ten Unternehmen haben, aber wenn es einen Bereich gibt, wo wir beson­ders sensibel sein müssen und wo es besonders riskant ist, wenn Aufgaben aus­gelagert werden, dann den, wo es um hoheitliche Kernaufgaben des
Staates geht.

Auf jeden Fall, diese VFS Global, mit Sitz in Dubai, wickelt in Teheran mit irani­schen Mitarbeitern Visaanträge für Iranerinnen und Iraner ab, die nach Österreich kommen wollen. Die Eltern von Tiad stellen dort einen Visaantrag, und die beiden, das Ehepaar, sind schon alarmiert, weil sie wissen, dass
das iranische Mitarbeiter sind, die iranischem Recht unterliegen, und Sie wissen genauso gut wie ich, dass im Iran auf Homosexualität die Todesstrafe steht.


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Wenn iranische Behörden erfahren, dass man homosexuell ist, dann wird man hingerichtet, und die beiden wissen das. Sie schreiben deswegen dem Außenministerium, sie schreiben der österreichischen Botschaft, sie schreiben dem Konsul, und sie bekommen zuerst einmal gar keine Antworten, sie schreiben ihnen, weil sie darum bitten, von ihrem Recht, von ihrer Möglichkeit – das ist kein Anspruch –, von ihrer Möglichkeit Gebrauch zu machen, dass ausnahmsweise nicht dieses private Unternehmen den Visaantrag abwickelt, sondern die österreichische Botschaft, weil sie gern den Schutz der österreichischen Botschaft hätten – sie wollen eben nicht, dass iranische Behörden von der Homosexualität Tiads erfahren.

Die Antwort ist schockierend – ich meine, wenn man sich das durchliest, ist das wirklich ein Wahnsinn. Das Außenministerium antwortet einmal gar nicht, und die österreichische Botschaft sagt: Nein, ganz normales Prozedere! Wir ma­chen da keine Extrawürste, Sie haben nichts zu befürchten! – Aber es pas­siert, was die beiden befürchten: In diesem Großraumbüro der VFS Global wird die Homosexualität von Tiad ausgebreitet, in einem Unternehmen, bei
dem davon auszugehen ist, dass der iranische Geheimdienst Mitarbeiter hat. Tiad kann nicht mehr in den Iran einreisen. Er hat keinen Zugriff mehr
auf seine Vermögenswerte im Iran.

Dieses Beispiel zeigt doch, wie unsensibel österreichische Behörden, in dem Fall das Außenministerium, gerade mit einer sensiblen Personengruppe umge­hen, und ich finde, das ist wirklich unfassbar. (Beifall bei den NEOS so­wie des Abg. Lindner.)

Es hätte die österreichische Botschaft nichts gekostet, nur einen Federstrich, dass sie ausnahmsweise diesen Visaantrag abwickelt, aber man hat nur
plump und extrem präpotent geantwortet. Und anstatt dass man sich entschul­digt – der Außenminister hat noch immer kein Wort der Entschuldigung gesagt, obwohl die Volksanwältin einen groben Missstand in der Verwaltung festgestellt hat; kein Wort der Entschuldigung! –, klagt jetzt, im Gegen­teil, der österreichische Konsul im Iran den „Falter“-Chefredakteur, der kritisch


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über diesen Skandal berichtet hat, vor einem Strafgericht. Ich meine, das
ist wirklich unerhört! Diese Herangehensweise, diese Präpotenz, mit der da ge­arbeitet wird, ist unvorstellbar. (Beifall bei den NEOS.)

Österreicherinnen und Österreicher, egal ob heterosexuell oder homosexuell, sollten sich darauf verlassen können, dass die österreichischen Vertre­tungsbehörden auf der ganzen Welt sie schützen und sie nicht in Gefahr bringen. Das haben die beiden erwartet; sie wurden in dieser Erwartung enttäuscht. Das Mindeste, was zu erwarten ist, ist, dass der Herr Außenminister, der heute leider nicht hier ist, sich bei diesen beiden entschuldigt. (Beifall bei den
NEOS sowie der Abgeordneten Lindner und Schroll.)

20.52


20.52.07

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist nunmehr niemand mehr ge­meldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Berichterstatter ein Schlusswort? – Auch er wünscht
nicht das Wort.

Ich darf mich bei den drei Volksanwälten recht herzlich bedanken, und zwar nicht nur für ihre Arbeit, sondern auch für die Berichterstattung und die Diskussion hier im Hohen Haus. Ich wünsche weiterhin, gerade was Ihre Arbeit betrifft, einen regen Austausch, sodass wir die Möglichkeit haben, die Wün­sche, die Notwendigkeiten der Bevölkerung dann auch legistisch umzusetzen. – Vielen herzlichen Dank für Ihre Arbeit und dafür, dass Sie hier sind. (Allge­meiner Beifall.)

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag des Volksanwaltschafts­ausschusses, den vorliegenden Bericht III-846 der Beilagen zur Kenntnis
zu nehmen.

Wer dies tut, der möge das bitte mit einem Zeichen kundtun. – Das ist jetzt einstimmig angenommen.


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Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Asylstopp – keine Wiederholung
der Migrationskrisen 2015 und 2022“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Min­derheit, daher abgelehnt.

Die Tagesordnung ist damit erschöpft.

20.53.31Anträge gemäß § 69 Abs. 3 GOG-NR


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen nun zu den sieben Anträgen betreffend die Durchführung erster Lesungen von Volksbegehren.

Es liegt mir ein Antrag gemäß § 69 Abs. 3 der Geschäftsordnung vor, das Volks­begehren Echte-Demokratie-Volksbegehren, 2074 der Beilagen, in erste
Lesung zu nehmen.

Wer das tun möchte, möge das mit einem Zeichen bekunden. – Das ist ein­stimmig angenommen.

Weiters liegt mir ein Antrag gemäß § 69 Abs. 3 der Geschäftsordnung vor, das Volksbegehren Beibehaltung Sommerzeit in erste Lesung zu nehmen.

Wer ist dafür? – Das ist ebenfalls einstimmig.

Das Volksbegehren GIS-Gebühren – Nein, in 2076 der Beilagen, in erste Lesung zu nehmen:

Wer ist dafür? – Das ist ebenfalls einstimmig.

Das Lieferkettengesetz-Volksbegehren in 2077 der Beilagen – erste Lesung:

Wieder einstimmig.

Das Volksbegehren Unabhängige Justiz sichern, in 2078 der Beilagen, in erste Lesung zu nehmen:

Ebenfalls einstimmig.


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Antrag gemäß § 69 Abs. 3 der Geschäftsordnung, das Volksbegehren Nehammer muss weg, 2079 der Beilagen, in erste Lesung zu nehmen. (Unruhe im Saal.)

Weiters ein Antrag, das Volksbegehren Bargeld-Zahlung: Obergrenze – Nein, in 2080 der Beilagen, in erste Lesung zu nehmen:

Ebenfalls einstimmig.

Einlauf


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf bekannt geben, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 3437/A(E) bis 3478/A eingebracht wor­den sind.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die geschäftsordnungsmäßige Mitteilun­gen und Zuweisungen betreffen wird, berufe ich für 20.55 Uhr – das ist
gleich im Anschluss an diese Sitzung – ein.

Diese Sitzung ist geschlossen.

20.55.31Schluss der Sitzung: 20.55 Uhr

 

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