Plenarsitzung
des Nationalrates
274. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich
Freitag, 5. Juli 2024
XXVII. Gesetzgebungsperiode
Nationalratssaal
Stenographisches Protokoll
274. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich
XXVII. Gesetzgebungsperiode Freitag, 5. Juli 2024
Dauer der Sitzung
Freitag, 5. Juli 2024: 9.05 – 17.21 Uhr
*****
Tagesordnung
1. Punkt: Bericht über das Volksbegehren „Impfpflichtgesetz abschaffen – Volksbegehren“
2. Punkt: Bericht über das Volksbegehren „COVID-Strafen-Rückzahlungsvolksbegehren“
3. Punkt: Bericht über das Volksbegehren „Gerechtigkeit den Pflegekräften!“
4. Punkt: Bericht der Bundesregierung über die Volksgruppenförderung des Bundeskanzleramtes 2021
5. Punkt: Bericht der Bundesregierung über die Volksgruppenförderung des Bundeskanzleramtes 2022
6. Punkt: Bericht über den Antrag 4098/A der Abgeordneten Mag. (FH) Kurt Egger, Mag. Eva Blimlinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das KommAustria-Gesetz geändert wird
7. Punkt: Bericht über den Antrag 4097/A der Abgeordneten Mag. (FH) Kurt Egger, Mag. Eva Blimlinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Publizistikförderungsgesetz 1984 geändert wird
8. Punkt: Bericht über den Antrag 4112/A der Abgeordneten Mag. Wolfgang Gerstl, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesstatistikgesetz 2000 geändert wird
9. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Qualifizierte-Einrichtungen-Gesetz erlassen wird und die Zivilprozessordnung, das Konsumentenschutzgesetz, das Gerichtsgebührengesetz und das Rechtsanwaltstarifgesetz geändert werden (Verbandsklagen-Richtlinie-Umsetzungs-Novelle – VRUN)
10. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Grundbuchsumstellungsgesetz, das Rechtspflegergesetz und das Außerstreitgesetz geändert werden (Grundbuchs-Novelle 2024 – GB-Nov 2024)
11. Punkt: Bundesgesetz über die Veröffentlichung länderbezogener Ertragsteuerinformationsberichte (CBCR-Veröffentlichungsgesetz – CBCR-VG)
12. Punkt: Bundesgesetz, mit dem die Strafprozeßordnung 1975 geändert wird
13. Punkt: Bericht über den Antrag 4124/A der Abgeordneten Mag. Michaela Steinacker, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Notariatsordnung, das Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter, die Rechtsanwaltsordnung und das Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz geändert werden (Berufsrechts-Änderungsgesetz 2024 – BRÄG 2024)
14. Punkt: Bericht über den Antrag 4123/A der Abgeordneten Peter Haubner, Dr. Elisabeth Götze, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Genossenschaftsgesetz, das Vereinsgesetz, das Firmenbuchgesetz, das Genossenschaftsrevisionsgesetz 1997, das Genossenschaftsinsolvenzgesetz, das Genossenschaftsverschmelzungsgesetz, das Genossenschaftsspaltungsgesetz
und das Unternehmensgesetzbuch geändert werden (Genossenschaftsrechts-Änderungsgesetz 2024 – GenRÄG 2024)
15. Punkt: Bericht über den Antrag 4131/A der Abgeordneten Lukas Hammer, Andreas Ottenschläger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wohnungseigentumsgesetz 2002 geändert wird
16. Punkt: Sammelbericht über die Petitionen Nr. 78, 89, 93, 100, 102, 108, 119, 123 bis 126, 130, 132 bis 134 und 136 bis 138 sowie über die Bürgerinitiativen Nr. 50 und 60
17. Punkt: Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern gemäß Artikel 15a B-VG, mit der zum Zweck der Anpassung ausgewählter Kostenhöchstsätze die Grundversorgungsvereinbarung geändert wird (Grundversorgungsänderungsvereinbarung)
18. Punkt: Dritte Lesung: Bericht des Geschäftsordnungsausschusses über den Antrag 3847/A der Abgeordneten Mag. Ernst Gödl, Mag. Jörg Leichtfried, Werner Herbert, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Geschäftsordnungsgesetz 1975 geändert wird
*****
Inhalt
Personalien
Verhinderungen ........................................................................................................... 20
Ordnungsrufe ..................................................................................................... 99, 103
Geschäftsbehandlung
Wortmeldung der Abgeordneten Eva Maria Holzleitner, BSc betreffend Wahrung der Würde des Hauses ........................................................................................................................... 35
Antrag des Abgeordneten Philip Kucher, dem Gesundheitsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 3921/A(E) der Abgeordneten Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen betreffend „dringende Maßnahmen gegen den Pflegepersonalnotstand“ gemäß § 43 Abs. 1 GOG eine Frist bis 8. Juli 2024 zu setzen – Ablehnung ............................... 83, 301
Antrag der Abgeordneten Eva Maria Holzleitner, BSc, dem Ausschuss für Familie und Jugend zur Berichterstattung über den Antrag 4035/A(E) der Abgeordneten Petra Wimmer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Recht auf einen ganztägigen Kinderbildungs- und betreuungsplatz“ gemäß § 43 Abs. 1 GOG eine Frist bis 8. Juli 2024 zu setzen – Ablehnung 83, 301
Antrag des Abgeordneten Ing. Reinhold Einwallner, dem Ausschuss für innere Angelegenheiten zur Berichterstattung über den Antrag 4019/A(E) der Abgeordneten Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Österreich fehlen 4.000 Polizist*innen“ gemäß § 43 Abs. 1 GOG eine Frist bis 8. Juli 2024 zu setzen – Ablehnung ................... 83, 302
Antrag des Abgeordneten Josef Muchitsch, dem Ausschuss für Arbeit und Soziales zur Berichterstattung über den Antrag 3918/A der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Pensionsgesetz – APG geändert wird“ gemäß § 43 Abs. 1 GOG eine Frist bis 8. Juli 2024 zu setzen – Ablehnung 83, 302
Antrag des Abgeordneten Alois Schroll, dem Ausschuss für Wirtschaft, Industrie und Energie zur Berichterstattung über den Antrag 3976/A(E) der Abgeordneten Alois Schroll, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Schluss mit den obszönen Übergewinnen – her mit leistbaren Preisen!“ gemäß § 43 Abs. 1 GOG eine Frist bis 8. Juli 2024 zu setzen – Ablehnung 83, 302
Antrag der Abgeordneten Petra Tanzler, Kolleginnen und Kollegen, dem Unterrichtsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 2845/A(E) der Abgeordneten Petra Tanzler, Kolleginnen und Kollegen betreffend
„Kostenfreies, qualitativ hochwertiges Mittagessen für alle Kinder in elementarpädagogischen Einrichtungen und Schulen“ gemäß § 43 Abs. 1 GOG eine Frist bis 8. Juli 2024 zu setzen – Ablehnung ......................................... 83, 303
Antrag der Abgeordneten Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen, dem Wissenschaftsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 1972/A(E) der Abgeordneten Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Maßnahmen gegen den ÄrztInnenmangel in Österreich“ gemäß § 43 Abs. 1 GOG eine Frist bis 8. Juli 2024 zu setzen – Ablehnung 83, 303
Antrag der Abgeordneten Katharina Kucharowits, dem Außenpolitischen Ausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 3954/A(E) der Abgeordneten Katharina Kucharowits, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Neutralität sichern, aktive Friedenspolitik betreiben“ gemäß § 43 Abs. 1 GOG eine Frist bis 8. Juli 2024 zu setzen – Ablehnung 84, 303
Antrag der Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek, dem Gleichbehandlungsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 277/A der Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen betreffend „ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommenstransparenzgesetz geschaffen wird“ gemäß § 43 Abs. 1 GOG eine Frist bis 8. Juli 2024 zu setzen – Ablehnung ........................................................................... 84, 303
Antrag der Abgeordneten Mag. Ruth Becher, dem Ausschuss für Bauten und Wohnen zur Berichterstattung über den Antrag 3961/A(E) der Abgeordneten Mag. Ruth Becher, Kolleginnen und Kollegen betreffend „ein umfassendes Maßnahmenpaket für leistbares Wohnen“ gemäß § 43 Abs. 1 GOG eine Frist bis 8. Juli 2024 zu setzen – Ablehnung 84, 303
Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 5 GOG ............................................................................................................................... 84
Verlesung der vorgesehenen Fassung eines Teiles des Amtlichen Protokolls dieser Sitzung durch Präsident Mag. Wolfgang Sobotka ........................................................................... 304
Genehmigung des verlesenen Teiles des Amtlichen Protokolls .......................... 306
Fragestunde (30.)
Bundeskanzleramt ...................................................................................................... 21
Norbert Sieber (381/M); Maximilian Linder, Mag. Martina Künsberg Sarre, Christian Oxonitsch
Philip Kucher (385/M); Johann Singer
Mag. Agnes Sirkka Prammer (390/M); Eva-Maria Himmelbauer, BSc
Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (388/M); Kai Jan Krainer, Gabriel Obernosterer
Peter Haubner (382/M); Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kai Jan Krainer
Eva Maria Holzleitner, BSc (386/M); Angela Baumgartner, Dr. Elisabeth Götze
Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (389/M)
Mag. Michaela Steinacker (384/M); Dr. Dagmar Belakowitsch, Barbara Neßler
Bundesregierung
Vertretungsschreiben ................................................................................................. 20
Ausschüsse
Zuweisungen ................................................................................................................ 82
Verhandlungen
1. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über das Volksbegehren (2407 d.B.) „Impfpflichtgesetz abschaffen – Volksbegehren“ (2526 d.B.) ............................... 85
Redner:innen:
Dr. Werner Saxinger, MSc ....................................................................................... .... 85
Rudolf Silvan ............................................................................................................ .... 87
Dr. Dagmar Belakowitsch ....................................................................................... .... 89
Ralph Schallmeiner .................................................................................................. .... 92
Fiona Fiedler, BEd .................................................................................................... .... 95
Peter Wurm .............................................................................................................. .... 96
Mag. Gerald Hauser ................................................................................................... 100
Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 2526 d.B. ............................................. 103
2. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über das Volksbegehren (2408 d.B.) „COVID-Strafen-Rückzahlungsvolksbegehren“ (2703 d.B.) ................................................ 104
Redner:innen:
Mag. Friedrich Ofenauer ......................................................................................... .. 104
Alois Stöger, diplômé ............................................................................................... .. 107
Werner Herbert ........................................................................................................ .. 108
Mag. Agnes Sirkka Prammer ................................................................................... .. 112
MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky ....................................................................... .. 114
Dr. Susanne Fürst ..................................................................................................... .. 115
Mag. Georg Bürstmayr ............................................................................................ .. 118
Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 2703 d.B. ............................................. 119
3. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über das Volksbegehren (2409 d.B.) „Gerechtigkeit den Pflegekräften!“ (2693 d.B.) ..................................................... 119
Redner:innen:
Mag. Ernst Gödl ....................................................................................................... .. 120
Josef Muchitsch ....................................................................................................... .. 122
Dr. Dagmar Belakowitsch ....................................................................................... .. 125
Bedrana Ribo, MA ...................................................................................................... 128
Fiona Fiedler, BEd ....................................................................................................... 130
Mag. Christian Drobits ............................................................................................... 131
Mag. Christian Ragger ................................................................................................ 134
Pia Philippa Beck ........................................................................................................ 137
Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 2693 d.B. ............................................. 139
Gemeinsame Beratung über
4. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über den Bericht der Bundesregierung über die Volksgruppenförderung des Bundeskanzleramtes 2021 (III-916/2624 d.B.) ... 139
5. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über den Bericht der Bundesregierung über die Volksgruppenförderung des Bundeskanzleramtes 2022 (III-1129/2625 d.B.) 139
Redner:innen:
Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich ............................................................................... .. 139
Mag. Christian Drobits ............................................................................................ .. 142
Christian Ries ........................................................................................................... .. 144
Dipl.-Ing. Olga Voglauer .......................................................................................... .. 146
Michael Bernhard .................................................................................................... .. 148
Bundesministerin MMag. Dr. Susanne Raab ......................................................... .. 151
Christoph Zarits ....................................................................................................... .. 153
Mag. Eva Blimlinger ................................................................................................. .. 154
Kenntnisnahme der beiden Berichte III-916 und III-1129 d.B. ........................... 156
Gemeinsame Beratung über
6. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 4098/A der Abgeordneten Mag. (FH) Kurt Egger, Mag. Eva Blimlinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das KommAustria-Gesetz geändert wird (2626 d.B.) 157
7. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 4097/A der Abgeordneten Mag. (FH) Kurt Egger, Mag. Eva Blimlinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Publizistikförderungsgesetz 1984 geändert wird (2627 d.B.) ............................................................................................................................. 157
Redner:innen:
Mag. (FH) Kurt Egger ............................................................................................... .. 157
Sabine Schatz ........................................................................................................... .. 159
Mag. Eva Blimlinger ................................................................................................. .. 160
Henrike Brandstötter ............................................................................................... .. 163
Bundesministerin MMag. Dr. Susanne Raab ......................................................... .. 165
Mag. Friedrich Ofenauer ......................................................................................... .. 167
Andreas Ottenschläger ............................................................................................ .. 168
Annahme der beiden Gesetzentwürfe in 2626 und 2627 d.B. ........................... 170
8. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 4112/A der Abgeordneten Mag. Wolfgang Gerstl, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesstatistikgesetz 2000 geändert wird (2628 d.B.) ............................................................................................................................. 171
Redner:innen:
Irene Neumann-Hartberger .................................................................................... .. 171
Mag. Christian Drobits ............................................................................................ .. 173
Annahme des Gesetzentwurfes in 2628 d.B. ........................................................ 175
9. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (2602 d.B.): Bundesgesetz, mit dem ein Qualifizierte-Einrichtungen-Gesetz erlassen wird und die Zivilprozessordnung, das Konsumentenschutzgesetz, das Gerichtsgebührengesetz und das Rechtsanwaltstarifgesetz geändert werden (Verbandsklagen-Richtlinie-Umsetzungs-Novelle – VRUN) (2616 d.B.) ............................................................................................................................. 175
Redner:innen:
Mag. Christian Drobits ............................................................................................ .. 176
Mag. Ulrike Fischer .................................................................................................. .. 178
MMag. Katharina Werner, Bakk. ............................................................................ .. 180
Peter Wurm .............................................................................................................. .. 182
Mag. Michaela Steinacker ....................................................................................... .. 188
Bundesministerin Dr. Alma Zadić, LL.M. ................................................................ .. 190
Mag. Agnes Sirkka Prammer ................................................................................... .. 193
MMMag. Gertraud Salzmann ................................................................................. .. 195
Entschließungsantrag der Abgeordneten Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Evaluierung der Umsetzung der Verbandsklagen-Richtlinie-Umsetzungs-Novelle-VRUN bis zum 31. Dezember 2026“ – Ablehnung ....................................................... 184, 197
Annahme des Gesetzentwurfes in 2616 d.B. ........................................................ 197
10. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (2606 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Grundbuchsumstellungsgesetz, das Rechtspflegergesetz und das Außerstreitgesetz geändert werden (Grundbuchs-Novelle 2024 – GB-Nov 2024) (2617 d.B.) ............................................................................................................................. 198
Redner:innen:
MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky ....................................................................... .. 198
Mag. Agnes Sirkka Prammer ................................................................................... .. 200
Mag. Harald Stefan .................................................................................................. .. 201
Dr. Gudrun Kugler .................................................................................................... .. 202
Annahme des Gesetzentwurfes in 2617 d.B. ........................................................ 204
11. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (2556 d.B.): Bundesgesetz über die Veröffentlichung länderbezogener Ertragsteuerinformationsberichte (CBCR-Veröffentlichungsgesetz – CBCR-VG) (2618 d.B.) .................................. 204
Redner:innen:
Mag. Nina Tomaselli ................................................................................................ .. 204
Mag. Ruth Becher .................................................................................................... .. 206
MMag. DDr. Hubert Fuchs ...................................................................................... .. 207
Mag. Johanna Jachs ................................................................................................ .. 208
Bundesministerin Dr. Alma Zadić, LL.M. ................................................................ .. 209
Mag. Gerald Loacker ................................................................................................ .. 211
Annahme des Gesetzentwurfes in 2618 d.B. ........................................................ 212
12. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (2557 d.B.): Bundesgesetz, mit dem die Strafprozeßordnung 1975 geändert wird (2619 d.B.) 213
Redner:innen:
Mag. Agnes Sirkka Prammer ................................................................................... .. 213
Mag. Selma Yildirim ................................................................................................. .. 215
Mag. Philipp Schrangl .............................................................................................. .. 217
Mag. Johanna Jachs ................................................................................................ .. 219
Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M. ................................................ .. 221
Dr. Nikolaus Scherak, MA ....................................................................................... .. 222
Annahme des Gesetzentwurfes in 2619 d.B. ........................................................ 224
13. Punkt: Bericht des Justizausschusses über den Antrag 4124/A der Abgeordneten Mag. Michaela Steinacker, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die
Notariatsordnung, das Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter, die Rechtsanwaltsordnung und das Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz geändert werden (Berufsrechts-Änderungsgesetz 2024 – BRÄG 2024) (2621 d.B.) ........................................................................................... 225
Redner:innen:
Mag. Agnes Sirkka Prammer ................................................................................... .. 225
Mag. Selma Yildirim ................................................................................................. .. 226
Mag. Harald Stefan .................................................................................................. .. 228
Mag. Michaela Steinacker ....................................................................................... .. 229
Annahme des Gesetzentwurfes in 2621 d.B. ........................................................ 234
14. Punkt: Bericht des Justizausschusses über den Antrag 4123/A der Abgeordneten Peter Haubner, Dr. Elisabeth Götze, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Genossenschaftsgesetz, das Vereinsgesetz, das Firmenbuchgesetz, das Genossenschaftsrevisionsgesetz 1997, das Genossenschaftsinsolvenzgesetz, das Genossenschaftsverschmelzungsgesetz, das Genossenschaftsspaltungsgesetz und das Unternehmensgesetzbuch geändert werden (Genossenschaftsrechts-Änderungsgesetz 2024 – GenRÄG 2024) (2622 d.B.) ...................................................................................... 235
Redner:innen:
Dr. Elisabeth Götze .................................................................................................. .. 235
Dr. Harald Troch ...................................................................................................... .. 238
Peter Haubner .......................................................................................................... .. 239
Bettina Zopf ............................................................................................................. .. 241
Annahme des Gesetzentwurfes in 2622 d.B. ........................................................ 242
15. Punkt: Bericht des Justizausschusses über den Antrag 4131/A der Abgeordneten Lukas Hammer, Andreas Ottenschläger, Kolleginnen und
Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wohnungseigentumsgesetz 2002 geändert wird (2623 d.B.) ............. 242
Redner:innen:
Mag. Philipp Schrangl .............................................................................................. .. 243
Lukas Hammer ......................................................................................................... .. 247
Mag. Ruth Becher .................................................................................................... .. 255
Johann Singer ........................................................................................................... .. 256
Ing. Martin Litschauer ............................................................................................. .. 257
MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky ....................................................................... .. 259
Bundesministerin Dr. Alma Zadić, LL.M. ................................................................ .. 260
Annahme des Gesetzentwurfes in 2623 d.B. ........................................................ 262
16. Punkt: Sammelbericht des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen über die Petitionen Nr. 78, 89, 93, 100, 102, 108, 119, 123 bis 126, 130, 132 bis 134 und 136 bis 138 sowie über die Bürgerinitiativen Nr. 50 und 60 (2672 d.B.) ................................ 262
Redner:innen:
Hans Stefan Hintner ................................................................................................ .. 262
Andreas Kollross ...................................................................................................... .. 263
Christian Ries ........................................................................................................... .. 265
Hermann Weratschnig, MBA MSc .......................................................................... .. 267
Michael Bernhard .................................................................................................... .. 269
Ing. Mst. DI (FH) Kerstin Fladerer, MSc .................................................................. .. 272
Michael Seemayer .................................................................................................... .. 273
Alois Kainz ................................................................................................................ .. 275
Mag. Faika El-Nagashi ............................................................................................. .. 276
Ing. Josef Hechenberger .......................................................................................... .. 278
Dietmar Keck ........................................................................................................... .. 279
Dr. Astrid Rössler ..................................................................................................... .. 282
Ing. Johann Weber ................................................................................................... .. 284
Christoph Zarits ....................................................................................................... .. 286
Nikolaus Prinz .......................................................................................................... .. 287
Robert Laimer ........................................................................................................... .. 289
Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 2672 d.B. hinsichtlich der Petitionen Nr. 78, 89, 93, 100, 102, 108, 119, 123 bis 126, 130, 132 bis 134 und 136 bis 138 sowie der Bürgerinitiativen Nr. 50 und 60 ............................................................................................................. 291
17. Punkt: Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern gemäß Artikel 15a B-VG, mit der zum Zweck der Anpassung ausgewählter Kostenhöchstsätze die Grundversorgungsvereinbarung geändert wird (Grundversorgungsänderungsvereinbarung) (2657 d.B.) .................................................................................................................. 291
Redner:innen:
Mag. Hannes Amesbauer, BA ................................................................................. .. 291
Mag. Johanna Jachs ................................................................................................ .. 293
Ing. Reinhold Einwallner .......................................................................................... .. 295
Mag. Georg Bürstmayr ............................................................................................ .. 296
Dr. Stephanie Krisper .............................................................................................. .. 298
Genehmigung der Vereinbarung in 2657 d.B. ....................................................... 300
18. Punkt: Dritte Lesung: Bericht des Geschäftsordnungsausschusses über den Antrag 3847/A der Abgeordneten Mag. Ernst Gödl, Mag. Jörg Leichtfried, Werner Herbert, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Geschäftsordnungsgesetz 1975 geändert wird (2592 d.B.) ................................ 300
Annahme des Gesetzentwurfes in 2592 d.B. in dritter Lesung .......................... 301
Eingebracht wurden
Anträge der Abgeordneten
August Wöginger, Mag. Markus Koza, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Allgemeine Pensionsgesetz, das Pensionsgesetz 1965, das Bundestheaterpensionsgesetz und das Bundesbahn-Pensionsgesetz geändert werden (4141/A)
Mag. Romana Deckenbacher, Mag. Eva Blimlinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehaltsgesetz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrpersonen-Dienstrechtsgesetz, das Landesvertragslehrpersonengesetz 1966, das Land- und forstwirtschaftliche Landesvertragslehrpersonengesetz, das Land- und Forstarbeiter-Dienstrechtsgesetz, die Reisegebührenvorschrift 1955, das Bundes-Gleichbehandlungsgesetz, das Bundes-Personalvertretungsgesetz, das Ausschreibungsgesetz 1989, das Pensionsgesetz 1965, das Bundes-Bedienstetenschutzgesetz und das Bundeslehrer-Lehrverpflichtungsgesetz geändert werden (Dienstrechts-Novelle 2024) (4142/A)
Petra Tanzler, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Eröffnung eines Wachzimmers am Bahnhof in Wiener Neustadt und mehr Planstellen für die Polizei“ (4143/A)(E)
Mag. Ruth Becher, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz (WGG) 1979 geändert wird (4144/A)
Mag. Friedrich Ofenauer, David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend Österreichs Teilnahme an der European Sky Shield Initiative und Bekenntnis zur Stärkung der Luftverteidigung (4145/A)(E)
Anfragen der Abgeordneten
Julia Elisabeth Herr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft betreffend Budget für die Instandhaltung der Wanderwege und Schutzhütten (19088/J)
Julia Elisabeth Herr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Budget für die Instandhaltung der Wanderwege und Schutzhütten (19089/J)
Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft betreffend Budgetäre Ausgestaltung der Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik im Jahr 2024 (19090/J)
Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Warum wird die Polizei nicht entlastet? (19091/J)
Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend „Haager Konferenz für Internationales Privatrecht“ (19092/J)
Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Desaster Signa: Ermittlungsverfahren zum Verdacht der Insolvenzverschleppung, Gläubigerbeeinträchtigung und anderer Straftaten (19093/J)
Mag. Selma Yildirim, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend forensisch-therapeutisches Zentrum Garsten – Personalausstattung (19094/J)
Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Morde und Gewaltverbrechen durch Nichtösterreicher und Menschen mit Migrationshintergrund (19095/J)
Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Morde und Gewaltverbrechen durch Nichtösterreicher und Menschen mit Migrationshintergrund (19096/J)
Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Road Runner im 10. Wiener Gemeindebezirk (19097/J)
Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Roadrunner im 10. Wiener Gemeindebezirk (19098/J)
Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Steht uns 2025 ein Ansturm auf die Staatsbürgerschaft bevor? (19099/J)
Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Folgeanfrage – Gefährden datensammelnde Behördenfahrzeuge bald die nationale Sicherheit? (19100/J)
Mag. Dr. Martin Graf, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport betreffend Schwarz-grünes Gedränge im Berliner Olympiastadion beim EM-Spiel Österreich gegen Niederlande – und NAbg. Sirkka Prammer „adabei“! (19101/J)
Petra Steger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Fußball-Europameisterschaft 2024 (19102/J)
Petra Steger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Fußball-Europameisterschaft 2024 (19103/J)
Petra Steger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Fußball-Europameisterschaft 2024 (19104/J)
Petra Steger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Fußball-Europameisterschaft 2024 (19105/J)
Petra Steger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft betreffend Fußball-Europameisterschaft 2024 (19106/J)
Petra Steger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Fußball-Europameisterschaft 2024 (19107/J)
Petra Steger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft betreffend Fußball-Europameisterschaft 2024 (19108/J)
Petra Steger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport betreffend Fußball-Europameisterschaft 2024 (19109/J)
Petra Steger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Fußball-Europameisterschaft 2024 (19110/J)
Petra Steger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Fußball-Europameisterschaft 2024 (19111/J)
Petra Steger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landesverteidigung betreffend Fußball-Europameisterschaft 2024 (19112/J)
Petra Steger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend Fußball-Europameisterschaft 2024 (19113/J)
Werner Herbert, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Schaffung der Gruppe Bundespolizeidirektion in der Sektion II des BM.I (19114/J)
Werner Herbert, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Reduzierung des Objektschutz-Assistenzeinsatzes durch das Bundesheer in Wien mit 30.06.2024 (19115/J)
Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien betreffend Verfügbarkeit barrierefreier Sender (19116/J)
Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien betreffend Junge Mädchen, die aus dem „System“ verschwinden (19117/J)
*****
Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen an den Präsidenten des Nationalrates betreffend Verdacht des Verstoßes gegen das Unvereinbarkeits- und Transparenzgesetz durch Klubobmann Herbert Kickl (98/JPR)
Zurückgezogen wurden die Anfragen der Abgeordneten
Dipl.-Ing. Gerhard Deimek, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Carbon Capture and Storage sowie Carbon Management Strategie (Zu 19051/J)
Dipl.-Ing. Gerhard Deimek, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Carbon Capture and Storage sowie Carbon Management Strategie (Zu 19052/J)
Beginn der Sitzung: 9.05 Uhr
Vorsitzende: Präsident Mag. Wolfgang Sobotka, Zweite Präsidentin Doris Bures, Dritter Präsident Ing. Norbert Hofer.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Ich darf Sie recht herzlich zu unserer 274. Sitzung begrüßen, es ist die letzte vor dem Sommer. Ich darf recht herzlich die Damen und Herren Journalistinnen und Journalisten auf der Galerie, unsere Besucher:innen auf der Galerie und auch die Damen und Herren zu Hause, die uns vor den Bildschirmen folgen, begrüßen. Die Sitzung ist damit eröffnet.
Die Amtlichen Protokolle der 270. und der 271. Sitzung vom 3. Juli 2024 sind in der Parlamentsdirektion aufgelegen und wurden nicht beanstandet.
Für die heutige Sitzung als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Mag. Martin Engelberg, Tanja Graf, Mag. Dr. Maria Theresia Niss, MBA, Mag. Muna Duzdar, Klaus Köchl, Mag. Andrea Kuntzl, Maximilian Lercher, Petra Wimmer, Christian Lausch, Wolfgang Zanger, Dr. Johannes Margreiter und Mag. Yannick Shetty.
Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Für den heutigen Sitzungstag hat das Bundeskanzleramt über die Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung folgende Mitteilung gemacht:
Bundesminister für Inneres Mag. Gerhard Karner wird durch Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M. vertreten.
Ich darf ferner bekannt geben, dass Mitglieder der Bundesregierung, welche sich in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union aufhalten, wie folgt vertreten werden:
Bundesministerin für EU und Verfassung Mag. Karoline Edtstadler wird durch Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft Mag. Norbert Totschnig, MSc vertreten.
*****
Ich darf bekannt geben, dass diese Sitzung wie üblich live von ORF 2 bis 13 Uhr, von ORF III dann bis 19.15 Uhr und anschließend auf ORF ON übertragen wird.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen nun zur Fragestunde.
Das Prozedere ist Ihnen ja bestens bekannt. Ich darf den Herrn Bundeskanzler recht herzlich begrüßen und darf ihn bitten, zum Pult zu kommen.
Bundeskanzleramt
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Sieber stellt die 1. Anfrage. – Guten Morgen, Herr Abgeordneter.
Abgeordneter Norbert Sieber (ÖVP): Guten Morgen, Herr Bundeskanzler! Familien sind oft in der Diskussion: Ihre Situation wird diskutiert und manchmal wird auch ihre Standfestigkeit, ihr Zustand etwas bejammert.
Ich sage, Familien sind nach wie vor das Rückgrat dieser Gesellschaft. Sie sind der Stütz- und der Bewegungsapparat dieser Gesellschaft und sollten nicht nur in Krisensituationen als wichtig erachtet und gelobt werden, sondern wir sollten Familien unbedingt umfassend in den Mittelpunkt unserer Überlegungen stellen.
Meine Frage an Sie: Es sind viele Familien trotzdem herausgefordert, finanziell über die Runden zu kommen. Was tut die Regierung, um echte Wahlfreiheit sicherzustellen, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf auch in Zukunft sicherzustellen?
*****
Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 381/M, hat folgenden Wortlaut:
„Für viele Menschen stellt die Vereinbarkeit von Beruf und Familie eine große Herausforderung dar, was unternimmt die Bundesregierung, um die Kinderbetreuung auszubauen und echte Wahlfreiheit sicherzustellen?“
*****
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundeskanzler.
Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Vielen Dank. Einen schönen guten Morgen, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Wir haben mit dem neuen Finanzausgleich 2024 bis 2028 die Finanzierungsströme zwischen Bund, Ländern und Gemeinden auf neue Beine gestellt, damit die Finanzierung von großen Zukunftsthemen auch tatsächlich gesichert ist.
Einen zentralen Stellenwert stellt dabei eben auch der Ausbau der Kinderbetreuung dar. Konkret heißt das, die Bundesregierung investiert bis zum Jahr 2030 4,5 Milliarden Euro in den weiteren Ausbau der Kinderbetreuung. Das war vor allem deshalb wichtig, damit die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, die ja die Hauptlast zu tragen haben, tatsächlich eine Finanzierungssicherheit vorfinden.
Bei den Drei- bis Fünfjährigen liegt die Betreuungsquote derzeit schon bei 95 Prozent. Jetzt geht es darum, das Angebot auch für unter dreijährige Kinder deutlich zu verbessern, die Öffnungszeiten auszuweiten und die Schließtage zu reduzieren.
Völlig neu ist, dass der Bund die Länder und Gemeinden erstmalig auch bei den Personalkosten der Pädagoginnen und Pädagogen finanziell unterstützt. So sollen nicht nur neue Räumlichkeiten gebaut werden, sondern eben auch bestehende Angebote quantitativ und qualitativ verbessert werden.
Ich habe mich auch schon selbst von der Umsetzung überzeugen können – ich war bei einer Kindergartengruppe, die neu dazugekommen ist, in Stetteldorf dabei. Es kommen drei weitere Betreuungspersonen dazu, die dann für die kleinen Kinder da sein werden.
Es ist mir als Bundeskanzler wichtig, dass die Familien echte Wahlfreiheit haben – das war eigentlich das Ziel des Ganzen –, dass die Eltern darüber frei entscheiden können, wie die Kinder betreut werden. Das ist aber nur möglich, wenn Kinderbetreuung auch in ausreichendem Ausmaß angeboten wird.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage, Herr Abgeordneter? – Bitte.
Abgeordneter Norbert Sieber (ÖVP): Herr Bundeskanzler, es sind gute Nachrichten, dass der qualitative und quantitative Ausbau der Kinderbetreuung vorangetrieben wird, um eben die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sicherzustellen.
Trotzdem sind einige Familien in der Situation, dass sie finanziell immer vor große Herausforderungen gestellt werden: Was macht die Bundesregierung, um Familien umfassend auch finanziell zu unterstützen?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundeskanzler.
Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Es ist tatsächlich so, dass Österreich führend in der Europäischen Union ist, wenn es darum geht, Familien direkt finanziell zu unterstützen. Das ist jetzt keine politische Behauptung, sondern das ist auch ein Ergebnis des Research Centre der Europäischen Kommission, das genau das festgestellt hat.
Essenziell – gerade wegen der hohen Belastungen der letzten Jahre, wegen der Teuerung – ist auch, dass die Valorisierung der Familienleistungen erfolgt ist; wir passen damit alle Familienleistungen inklusive beispielsweise Familienbeihilfe, Mehrkindzuschlag oder Schulstartgeld jährlich an die Inflation an. Das bedeutet allein für 2024 eine Erhöhung von 9,7 Prozent. Zusätzlich haben wir schon circa
in der Mitte dieser Gesetzgebungsperiode das erfolgreiche Modell des Familienbonus Plus von 1 500 auf 2 000 Euro pro Jahr und Kind ausgeweitet. Ziel des Ganzen ist – es ist tatsächlich so, wie Sie gesagt haben, Herr Abgeordneter –, den Familien in einer besonders herausfordernden Situation auch zur Seite zu stehen.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage: Abgeordneter Linder. – Bitte.
Abgeordneter Maximilian Linder (FPÖ): Herr Bundeskanzler, die Realität ist wirklich so, dass sich heutzutage die Familien mit einem Einzelverdiener das Leben nicht mehr leisten können. Es müssen beide arbeiten gehen, und daher stehen sie vor der Herausforderung, genügend Kinderbetreuungsplätze zu bekommen. Es ist nicht nur für uns Gemeinden die große Herausforderung, das finanzieren zu können, eine der größten Herausforderungen ist auch, dementsprechend Personal zu finden, pädagogisches Personal zu finden. Es ist heute fast nicht mehr möglich, die Gruppen voll zu betreiben, weil einfach keine Leute für die Kinderbetreuung zu bekommen sind.
Das zweite Thema ist natürlich die Finanzierung. Wenn Sie auch sagen, die Gelder sind auch für den laufenden Betrieb, wissen wir aber, der Finanzausgleich ist nur für drei Jahre verhandelt, das gibt uns keine längerfristige Sicherheit, sodass es für uns eine ganz große Herausforderung ist, noch weitere Gruppen zu schaffen und das Personal zu bekommen.
Was gedenken Sie, in diesem Bereich zu tun?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.
Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Zum einen haben wir 4,5 Milliarden Euro bis 2030 sichergestellt, Herr Abgeordneter, das heißt, damit ist auch eine Planungssicherheit für die Gemeinden gegeben. Wie gesagt, ich weiß, die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister tragen da die Hauptlast. Und ja, Sie haben recht, es ist das eine, das Geld zur Verfügung zu stellen, aber das noch
viel Wichtigere wird sein, die Pädagoginnen und Pädagogen und auch die Unterstützungskräfte zu finden.
Das heißt, wir haben mit der Initiative bis 2030 – abgebildet im Finanzausgleich –, mit der Vereinbarung Bund-Länder und dem Zukunftsfonds mit 500 Millionen Euro jährlich, die Möglichkeiten geschaffen, damit jetzt tatsächlich die Umsetzungsschritte eingeleitet werden können. (Abg. Linder: Danke!)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage: Frau Abgeordnete Künsberg Sarre. – Bitte sehr.
Abgeordnete Mag. Martina Künsberg Sarre (NEOS): Herr Bundeskanzler, guten Morgen! Die Unterschiede zwischen den Bundesländern in der Kinderbetreuung sind ja enorm.
Was tun Sie, dass die Nachzügler, wie beispielsweise Oberösterreich und Niederösterreich, diesen Aufholprozess starten? Laut Kinderbetreuungsmonitor von Frau Bundesministerin Raab ist in diesen Ländern der Anteil an VIF-konformen Plätzen sogar zurückgegangen.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundeskanzler.
Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Wir haben es ja tatsächlich bei den Verhandlungen zum Finanzausgleich – und Sie wissen, das ist sehr komplex, es braucht die Einstimmigkeit, damit der Finanzausgleich, also die Aufteilung der Steuereinnahmen Bund-Land, tatsächlich zustande kommt – auch erreicht, der Finanzminister im Besonderen, gemeinsam mit der Familienministerin, dass im Zukunftsfonds auch Ziele abgebildet sind, und damit ist sichergestellt, dass das Geld von den Ländern auch abgerufen werden kann, um da die Investitionen zu tätigen.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage: Abgeordneter Oxonitsch. – Bitte.
Abgeordneter Christian Oxonitsch (SPÖ): Guten Morgen, Herr Bundeskanzler! Sie haben angesprochen, dass Österreich laut einer Studie führend im Bereich der Familienförderung ist. Die Frage ist nur: Ist das System der Familienförderung auch gerecht? Sie verteidigen – und Sie haben es auch angesprochen – immer wieder ein Modell der Familienförderung, das Menschen mit besserem Einkommen, theoretisch Sie oder mich, eigentlich im Bereich des Familienbonus Plus mehr bevorzugt und diesen mehr Geld zur Verfügung stellt als einer Alleinerzieherin. Wir wissen natürlich auch aus diversen Untersuchungen, dass gerade Alleinerzieher:innen zum Beispiel von der Teuerung besonders stark betroffen sind.
Daher stellt sich für mich die Frage: Haben Sie vor, an diesem Modell, das Besserverdienende, einkommensstärkere Familien eindeutig bevorzugt, etwas zu ändern? (Beifall bei der SPÖ.)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.
Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Ich glaube, sehr geehrter Herr Abgeordneter, man muss auch differenzieren. Das eine ist so, dass der Familienbonus Plus mit jetzt 2 000 Euro pro Jahr und Kind auch für die Menschen da ist, die tatsächlich die Leistungsträgerinnen und Leistungsträger in der Finanzierung unseres solidarischen Wohlfahrtsstaates sind und eben auch da die Unterstützung im Familienbereich aus meiner Sicht im wahrsten Sinne des Wortes verdienen, weil sie auch einen großen Beitrag zur solidarischen Gesellschaft leisten, dass dann eben Menschen mit schlechteren finanziellen Voraussetzungen geholfen werden kann.
Wir haben auch bei der Abschaffung der kalten Progression, des schleichenden Lohnfraßes, hinsichtlich des letzten Drittels gerade auch auf Alleinerziehende besonders Rücksicht genommen, um sie finanziell besserzustellen. Diese erhalten nun 60 Euro pro Monat und Kind. Das heißt, dass wir einerseits durch Maßnahmen generell im Steuersystem und in der Familienförderung, und andererseits aber auch wieder bei der Abschaffung der kalten Progression mit
dem letzten Drittel besonders genau auf diese Gruppe auch Bedacht genommen haben. (Beifall bei der ÖVP.)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Abgeordneter Kucher. – Bitte sehr.
Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ): Guten Morgen, Herr Bundeskanzler! Herr Präsident! Zahlen lügen nie. (Der Fragesteller zeigt eine Tafel mit der Aufschrift „Bilanz ÖVP-Grün“, „Höchste Teuerung + geringstes Wachstum in Westeuropa“, „Teuerung: +22%“, „Wohlstand: -2,4% BIP/Kopf“, „10 Mrd. Euro fehlen im Budget“ in Richtung Bundeskanzler Nehammer.) Herr Bundeskanzler, erstmals in der Geschichte Österreichs wird der Wohlstand am Ende einer Regierungsperiode geringer sein als am Beginn, erstmals seit 1945, und kein Land in ganz Westeuropa hat in den letzten Jahren beim Bruttoinlandsprodukt pro Kopf eine ähnlich schlechte Entwicklung wie Österreich. Österreich ist seit 2019 ärmer geworden, unser Volkseinkommen ist gesunken, das betrifft wirklich vom Baby bis zu den Großeltern alle Menschen in Österreich. Wir reden von einem Wohlstandsverlust von 1 300 Euro pro Mensch. Gabriel Felbermayr hat es auf den Punkt gebracht: Österreich hat mit sechs verlorenen Jahren zu kämpfen gehabt.
Meine Frage daher:
„Welche Gründe gibt es aus Ihrer Sicht dafür, dass Österreich in Zeiten der schwarz-grünen Regierung mit einem Wohlstandsverlust von 2,4% pro Kopf die schlechteste Wirtschaftsentwicklung in ganz Westeuropa – gemessen an den ursprünglichen EU-15 Ländern – aufweist?“ (Beifall bei der SPÖ.)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundeskanzler.
Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Bei allem Respekt, Herr Klubobmann, aber die Tatsache, dass Sie als Messwert die ursprünglichen EU-15-Länder
heranziehen, also die Konstellation der Europäischen Union von vor 25 Jahren, zeigt, wie tief Sie da graben mussten, um die Arbeit der Bundesregierung in ein schlechtes Licht zu rücken. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Krainer: 19 Jahre! 19 Jahre! ..., das sollte man eigentlich wissen als Bundeskanzler!)
Der österreichische Wohlstand nach realem BIP pro Kopf liegt seit Jahren im EU-27-Vergleich gut, im vorigen Jahr waren wir auf Platz sechs hinter den Niederlanden, Schweden, Dänemark, Irland und Luxemburg. Der Wohlstand nach BIP pro Kopf im ersten Quartal 2024 liegt tatsächlich 2,4 Prozent unter jenem vom ersten Quartal 2019, das liegt aber eben auch daran, dass in Österreich wie auch weltweit eine durch Krisen ausgelöste wirtschaftliche Seitwärtsbewegung stattgefunden hat, während aber die Bevölkerung auch stetig gewachsen ist.
Fakt ist, dass die Mehrheit der Branchen im ersten Quartal 2024 weiter über Vor-Corona-Niveau liegt, genauso wie übrigens auch die Arbeitslosigkeit weit unter Vor-Corona-Niveau liegt und auch weiter unter jener in den vielen Jahren mit SPÖ-Kanzlerschaft. (Beifall bei der ÖVP.)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kucher? – Bitte.
Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ): Herr Bundeskanzler, auch wenn Sie redlich versuchen, irgendwelche Zahlenspielereien zu machen: Die Situation wird weder für Sie noch für die Republik besser. (Rufe bei der ÖVP: Geh, geh! – Abg. Michael Hammer: Hast schlecht geschlafen, dass du so einen Blödsinn redest? – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP. – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.) Sie haben uns beim Wohnen, bei den Lebensmitteln, bei den Zinsen immer erzählt, wir brauchen in diesen Bereich nicht einzugreifen. Alle anderen Staaten haben reagiert und sind deutlich besser durch die Krise gekommen.
Gibt es nicht rückblickend wenigstens ein paar Punkte, die Sie vielleicht selbstkritisch ansprechen möchten? Wenn man sich diese Bilanz ansieht, die ja vor
allem für die Menschen in Österreich dramatisch ist, weil wir am schlechtesten in ganz Westeuropa durch diese Krise gekommen sind (Abg. Michael Hammer: So ein Blödsinn!), gibt es nicht ein paar Punkte, von denen Sie rückblickend sagen würden: Da hätten wir vielleicht doch deutlich besser agieren können?!
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundeskanzler.
Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Zum einen, Herr Klubobmann, ist es tatsächlich so, dass es immer gut ist, sich selbst zu hinterfragen und darüber nachzudenken, was man besser machen kann – also das verbindet uns.
Das, wo ich glaube, doch darauf hinweisen zu müssen, ist, dass Sie ja gerade auch in den letzten Monaten und auch im letzten Jahr besonders gerne Fallbeispiele von Staaten verwendet haben, die angeblich besser durch die Krise gekommen seien mit den Gegenmaßnahmen. Ziel der österreichischen Bundesregierung war immer, den Weg der Mitte zu gehen, auch in der Krisenbekämpfung, das heißt, auf der einen Seite sowohl in die Preisgestaltung einzugreifen – denken Sie an den Strompreisdeckel, denken Sie an den Mietpreisdeckel (Abg. Holzleitner: Ein Schmähpreisdeckel!) – und gleichzeitig den Menschen aber auch mehr Geld zu geben, damit sie die Teuerung auch überwinden können. Die Kaufkraft ist faktisch tatsächlich gestiegen, das ist eben auch von dem von Ihnen zitierten Wirtschaftsforscher bestätigt worden, und die Länder, die Sie oft gerne zitieren, sind jetzt in der Inflationsentwicklung schlechter – wenn ich an Italien denke oder auch an Spanien, in dem Fall oft von Ihnen als Musterbeispiel zitiert, und andere – als Österreich.
Es war eine hochdramatische Zeit letztes Jahr. Vor eineinhalb Jahren hatten wir eine Inflation von über 11,4 Prozent, jetzt ist es uns gelungen, die Inflation auf 3 Prozent zu drücken. Ich glaube, der österreichische Weg der Mitte und der Vernunft und der Ausgewogenheit in den Maßnahmen bewährt sich jetzt.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage: Abgeordneter Singer. – Bitte sehr.
Abgeordneter Johann Singer (ÖVP): Herr Bundeskanzler! Eigentum zu schaffen ist gerade auch für die wirtschaftliche Unabhängigkeit der Menschen wichtig. Welche Maßnahmen planen Sie, um die Eigentumsquote der Menschen in Österreich zu erhöhen?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundeskanzler.
Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Das ist eine sehr wichtige Frage, Herr Abgeordneter. Eigentum bedeutet tatsächlich auch Selbstständigkeit und Freiheit. Die gute Nachricht ist, dass wir schon entscheidende Schritte für den Eigentumserwerb der Menschen, zur Erleichterung des Eigentumserwerbs setzen: einerseits mit der Befreiung von Grundbuch- und Pfandeintragungsgebühren bis zu einem Kaufpreis in der Höhe von 500 000 Euro; damit sparen sich Menschen, die sich Eigentum schaffen, 1 000 Euro.
Andererseits hat die Bundesregierung im Februar ein großes Wohnbaupaket beschlossen. In diesem Wohnbaupaket in Verbindung mit dem gemeinnützigen Wohnbau ist die Förderung von 10 000 Eigentumswohnungen, genauso wie von 10 000 geförderten Mietwohnungen und 5 000 Wohnungen, die saniert werden, vorgesehen. Auch das ist ein Anreiz dafür, dass Eigentum leistbar wird, weil die Preise kalkulierbarer sind und weil es auch eine Perspektive gibt, diese Wohnungen tatsächlich auch finanzieren zu können. Weiters stehen darin fast 400 Millionen Euro für neu gebaute Eigentumswohnungen – eben in dieser Frage, entweder Miete mit Kaufoption oder anderen Finanzierungsmöglichkeiten – zur Verfügung.
Mein Ziel ist klar – ich habe es auch im Österreichplan so festgeschrieben –: Ich möchte die Eigentumsquote bis 2030 von 48 auf 60 Prozent anheben. Es braucht daher diese Initiativen, damit die Menschen tatsächlich leichter zu Eigentum kommen.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Frau Abgeordnete Petra Steger. – Bitte.
Abgeordnete Petra Steger (FPÖ): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, Sie haben gestern mit der Ablehnung unseres Misstrauensantrags gegen Bundesministerin Gewessler nicht nur eine Sternstunde der Unglaubwürdigkeit hingelegt, sondern auch den Beweis erbracht, dass Sie tatsächlich der Totengräber der heimischen Landwirtschaft sind. (Ruf bei der ÖVP: Na!)
Dieses Gesetz ist nicht nur ein Attentat auf die österreichischen Bauern und Konsumenten, sondern auch ein perfektes Beispiel dafür, dass die Europäische Union wieder einmal versucht, etwas zentral zu steuern, das viel besser dezentral in der Region zu regeln ist.
Fakt ist, dass Sie, Herr Bundeskanzler, den angekündigten Verrat an unseren Bauern und die Gefährdung unserer Ernährungssouveränität sehenden Auges haben passieren lassen. Sie hätten zum Bundespräsidenten gehen können und die Entlassung verlangen können. Sie hätten im EU-Hauptausschuss meinem Antrag gegen das Gesetz zustimmen können. Dann wäre die Regierung gebunden gewesen. Sie hätten gestern unserem Misstrauensantrag zustimmen können. Doch das alles haben Sie nicht getan.
Sie haben die Mauer gemacht. Sie haben ihr das Vertrauen ausgesprochen. Wofür das Ganze? – Um noch ein paar Wochen länger im Amt zu bleiben und ein paar Posten zu verteilen.
Daher meine Frage:
„Was entgegnen Sie den heimischen Landwirten, die Ihnen zu Recht vorwerfen, dass Ihr Festhalten an Bundesministerin Gewessler deren Zustimmung zum EU-Renaturierungsgesetz erst ermöglicht hat, weshalb Sie auch die volle Verantwortung tragen?“
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr
Bundeskanzler.
Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Zum einen entgegne ich, dass diese Form des Aktionismus, die Sie angesprochen haben – mit dem Misstrauensantrag gegen die Ministerin –, nicht einmal 87 Tage vor der Wahl nichts gebracht hätte, um die Renaturierungsverordnung in diesem Fall aufzuhalten. (Abg. Kickl: War aber Ihre Anzeige! – Abg. Michael Hammer: Das war eine schwache Vorstellung gestern! Eine sehr schwache Vorstellung war das! Das war ein Redeversager! – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)
Das Entscheidende ist, dass – und das ist ja tatsächlich ausreichend diskutiert worden, auch gestern hier im Hohen Haus – es einen Rechtsbruch der Energieministerin gegeben hat. Wir haben darauf hingewiesen, wir haben auch in Brüssel darauf hingewiesen – das war uns wichtig –, aber ich habe den Menschen in Österreich auch versprochen, dass es bis zum Wahltag kein Chaos gibt, dass wir die Regierung geordnet bis zur Wahl führen, bei der die Wählerinnen und Wähler dann genau darüber abstimmen können. (Abg. Holzleitner: Parlamentarismus ist kein Chaos, Herr Kanzler! – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen. – Abg. Krainer: Die Regierung ist ein Chaos! – Abg. Holzleitner: Kein Chaos!)
Wenn es darum geht, im Spiel der freien Kräfte Wahlzuckerl zu verhindern (Abg. Krainer: Ja, das machen Sie jede Woche im Ministerrat! – Abg. Leichtfried: Herr Präsident, das Parlament ist kein Chaos!), die die Menschen seit 2008 mehr als 30 Milliarden Euro kosten, dann ist das aus meiner Sicht ein verantwortungsvolles Führen der Regierung bis zum Ausdienen der Legislaturperiode – denn wir dienen den Menschen im wahrsten Sinne des Wortes. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Krainer: Zumindest eine Zurechtweisung!)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka (in Richtung SPÖ): Sie kommen eh dann zur Frage, Herr Abgeordneter.
Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Steger? – Bitte. (Abg. Holzleitner: Herr Präsident, es geht auch um die Würde des Hauses! – Abg. Krainer: Herr Präsident! Wenn
jemand sagt, das Parlament ist Chaos, dann ist es Ihre Verantwortung, die zurechtzuweisen! – Abg. Leichtfried: Es geht auch um den Umgang mit Ihrem ...! – Ruf bei der ÖVP: Was regt ihr euch denn auf? Ist doch wahr!)
Abgeordnete Petra Steger (FPÖ): Sehen Sie, Herr Bundeskanzler? – Genau deswegen sind Sie und Ihre Partei auch so unglaubwürdig.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka (das Glockenzeichen gebend): Warten Sie, darf ich ganz kurz einmal unterbrechen? Seien Sie so gut, lassen Sie Abgeordnete Steger ausreden. Sie kommen ja dann dran. (Abg. Leichtfried: Sind Sie da jetzt der Präsident oder nicht? – Abg. Krainer: Sind Sie hier als ÖVP-Funktionär oder als Präsident des Nationalrats?)
Abgeordnete Petra Steger (fortsetzend): Genau deswegen, Herr Bundeskanzler, glauben Ihnen die Österreicher tatsächlich kein Wort mehr (Abg. Zarits: Aber euch schon, gell? Euch schon! – Abg. Michael Hammer: Dem Vokaki, dem glaubt keiner! Voll-Kaki!), denn Sie halten nicht nur an Bundesministerin Gewessler fest, sondern auch an jener Person, die auf EU-Ebene die Verantwortung dafür trägt: der Kommissionspräsidentin von der Leyen.
Das Renaturierungsgesetz ist nämlich das Kernelement des Green Deals. Wissen Sie, wessen Prestigeprojekt der Green Deal tatsächlich war? – Das von Frau von der Leyen. Wissen Sie, wessen Spitzenkandidatin Frau von der Leyen war? – Ihre Spitzenkandidatin. Wissen Sie, wer erst kürzlich dafürgestimmt hat, dass Frau von der Leyen trotz fünf Jahren EU-Wahnsinns und trotz Korruptionsermittlungen gegen sie tatsächlich weiterhin im Amt bleiben soll? – Ja, das waren Sie, Herr Bundeskanzler. (Abg. Michael Hammer: Das können Sie in Brüssel erzählen! Von der eigenen Bezirkspartei abgewählt und nach Brüssel abgeschoben! Auf Wiedersehen! – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch. – Abg. Michael Hammer: Na ist ja so! – Zwischenrufe der Abgeordneten Zarits und Prinz. – Abg. Michael Hammer: Das ist Ihre letzte Rede!)
Das war aber nicht die einzige katastrophale Fehlbesetzung, der Sie zugestimmt haben. Die EU-Einheitspartei hat auch in Brüssel getagt und alle möglichen Topjobs wieder einmal untereinander - -
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte die Frage, Sie haben die Minute schon ausgeschöpft. Sie müssen die Frage stellen. – Bitte.
Abgeordnete Petra Steger (fortsetzend): Daher meine Frage: Wie können Sie sich als Vertreter der Landwirtschaft und der Wirtschaft und Industrie verkaufen, wenn Sie genau jene Politiker auf EU-Ebene unterstützen, die für die Zerstörung unserer Wirtschaft und Industrie und des Wohlstands in Europa verantwortlich sind? (Abg. Zarits: Und was ist die Frage?)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundeskanzler.
Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Also die Frage, die Sie grundsätzlich ansprechen, ist ja eine sehr bedeutende. Warum waren wir immer gegen die Verordnung (Abg. Belakowitsch: War gar nicht dagegen! – Abg. Kassegger: Der Karas hat dafürgestimmt!), so wie sie aus Brüssel zentralistisch durchgesetzt wird?– Weil die österreichische Landwirtschaft stets eine Verbündete von Umweltschutz und Klimaschutz und Naturschutz in diesem Land war.
Österreich ist ein Vorzeigeland: Die Qualität der österreichischen Seen ist so herausragend, dass man aus ihnen trinken kann. 50 Prozent der Fläche Österreichs sind mit Wald bedeckt. Wir sind in der glücklichen Lage, Holz als Energieträger und Baustoff verwenden zu können und trotzdem einen größeren Wald für die Zukunft vorzufinden, als wir ihn jetzt haben, weil der Wald weiter wächst.
Wir haben eines der strengsten Forstgesetze in der Europäischen Union – und deswegen war es aus meiner Sicht völlig klar, dass die Verordnung, das Gesetz aus Europa so nicht kommen darf und soll. Genau dafür habe ich mich eingesetzt; das ist auch ausreichend diskutiert worden.
Sie wissen, das sind Mehrheitsentscheidungen, die getroffen werden – deswegen war das Verhalten der Energieministerin in dem Fall auch so verantwortungslos, weil diese Mehrheitsentscheidung dadurch möglich gemacht worden ist. Es gab Länder wie Schweden oder Finnland, die genauso wie Österreich dagegengestimmt haben – aus dem gleichen Grund. (Abg. Steger: Hab’ nach den Posten gefragt!)
Das, was die Bäuerinnen und Bauern in Österreich wissen und worauf sie sich verlassen können, ist, dass sie in der Volkspartei den verlässlichsten Ansprechpartner haben, wenn es darum geht, sich für die Landwirtschaft einzusetzen. (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP. – Heiterkeit bei der FPÖ. – Abg. Michael Hammer – in Richtung FPÖ –: Ihr habt Abgeordnete, die wissen, dass der Bauer in der Früh aufsteht! Sehr schlaue Leute sind das! Peinlich! – Rufe bei der SPÖ: Herr Präsident! Zur Geschäftsordnung, Herr Präsident!)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Meldung ist zur Geschäftsbehandlung. – Bitte sehr.
*****
Abgeordnete Eva Maria Holzleitner, BSc (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Nachdem der Herr Bundeskanzler in einer Zeitung bereits das Parlament im Zustand eines koalitionsfreien Raums als Kollaps bezeichnet hat, hat er nun auch in der Beantwortung der Frage ein freies Spiel der Kräfte, den Parlamentarismus, als Zustand des Chaos bezeichnet. (Abg. Leichtfried: Das ist ein Demokrat! – Abg. Zarits: Ist er sehr wohl! Super Wortmeldung! – Abg. Michael Hammer: Recht viel fällt ihnen aber nicht mehr ein! – Abg. Wöginger: Showtime! – Weitere Rufe bei der ÖVP: Ist ja erbärmlich! Das ist Wahlkampf!)
Ich würde Sie wirklich bitten, im Sinne der Würde des Hohen Hauses den Bundeskanzler aufzufordern, diese Würde des Hohen Hauses auch zu berücksichtigen. Er war selbst ehemals Abgeordneter zum Nationalrat und weiß
deshalb, dass auch der Parlamentarismus, das wirkliche Aushandeln von Positionierungen hier in diesem Saal, in diesem Haus, etwas Wertvolles ist, das niemals mit Chaos oder Kollaps zu vergleichen ist. (Abg. Steinacker: Was ist die Geschäftsordnungsfrage?)
Das wissen wir gerade auch in unserer österreichischen Geschichte. Deshalb würde ich Sie wirklich bitten, den Bundeskanzler aufzufordern, die Würde des Hohen Hauses zu wahren (Abg. Zarits: Geh komm! Das musst dem Krainer sagen!) und eventuell, wenn ein derartiger Vergleich nochmals angestellt wird, auch diesem Regierungsmitglied einen Ordnungsruf zu verpassen. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Na geh, komm! – Abg. Michael Hammer: Pure Verzweiflung! Wieder 1 Prozent weniger!)
9.27
*****
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Abgeordnete Sirkka Prammer. – Bitte.
Abgeordnete Mag. Agnes Sirkka Prammer (Grüne): Herr Bundeskanzler, wir haben - - (Weitere Rufe und Gegenrufe zwischen ÖVP und SPÖ.)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka (das Glockenzeichen gebend): Frau Sirkka Prammer ist am Wort.
Abgeordnete Mag. Agnes Sirkka Prammer (fortsetzend): Herr Bundeskanzler, wir haben im letzten Jahr gemeinsam das Informationsfreiheitsgesetz beschlossen und damit das Amtsgeheimnis abgeschafft und für Transparenz in der gesamten Verwaltung gesorgt – sowohl im Bund als auch in den Ländern bis hin zu Gemeinden wie Attnang-Puchheim. (Abg. Zarits – in Richtung SPÖ –: Ihr wollt ja wirklich verlieren, gell? – Abg. Steger: Das ist jetzt eine Selbsterkenntnis! – Rufe bei der FPÖ: Besser schaut es bei euch auch nicht aus! 30 Prozent! Haushoch! – Abg.
Kickl: Ich gönn’ euch - -! Noch ein paar historische Kracher! – Abg. Zarits – in Richtung Abg. Kickl –: Auch wieder da! Grüß Gott! – Abg. Steger: Du bist bald nimmer da! – Abg. Michael Hammer: Der Vokaki!)
Wir haben damit für eine Transparenz gesorgt, die dafür sorgt, dass Vertrauen in den Staat und in das staatliche Handeln wiederhergestellt wird und bei den Menschen erhalten wird. Jeder kann Anfragen stellen, jeder muss Antworten bekommen und vor allem: Die Behörden sind auch verpflichtet, gewisse Informationen von sich aus zu erteilen.
Nun haben wir aber festgestellt – während dieses Gesetz beschlossen wurde –, dass es zahlreiche Verwaltungsbestimmungen gibt, die sich noch auf Geheimhaltungsbestimmungen beziehen beziehungsweise die Informationsrechte enthalten, die teilweise mit dem Informationsfreiheitsgesetz nicht ganz kompatibel sind.
Was machen Sie in Ihrem Haus und wie weit sind die Fortschritte dabei, da die notwendigen Adaptierungen zu setzen?
*****
Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 390/M, hat folgenden Wortlaut:
„Welche Maßnahmen werden derzeit in Ihrem Haus gesetzt, um die beschlossene Abschaffung des Amtsgeheimnisses und den Start des Grundrechts auf Informationsfreiheit im Herbst 2025 vorzubereiten?“
*****
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundeskanzler.
Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Vielen Dank für die Frage, Frau Abgeordnete. Verfassungsministerin Edtstadler hat während des gesamten Prozesses bis zum Beschluss des Informationsfreiheitsgesetzes stets betont, dass der Paradigmenwechsel nur gemeinsam funktionieren kann. Dazu gehört auch, dass die
informationspflichtigen Stellen in der Vorbereitung und im Vollzug informiert und auf diesem Weg begleitet werden.
Es gab und gibt nach Beschlussfassung des Gesetzes weiterhin einen engen Austausch mit den informationspflichtigen Stellen – weil es auch eine Kulturänderung ist, und Kulturänderungen, wie wir wissen, brauchen Zeit, um dann umgesetzt zu werden –, die bereits jetzt Schritte zur Vorbereitung der Umsetzung setzen.
Der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes hat vergangene Woche ein Rundschreiben an alle Ressorts versendet, in dem die Schritte für die notwendigen Anpassungen in den betroffenen Materiengesetzen festgelegt werden. Die jeweils fachlich zuständigen Ressorts müssen zunächst diverse Bestimmungen auf ihre Vereinbarkeit mit dem neuen Grundrecht auf Zugang zur Information prüfen. Die erforderlichen Änderungen werden im Rahmen einer Sammelnovelle zusammengefasst und sollen zeitgerecht begutachtet und dem Parlament zugeleitet werden.
Zusätzlich zum erwähnten Rundschreiben ist seitens des Bundeskanzleramtes demnächst auch ein erster überblicksmäßiger Leitfaden für Gemeinden und Städte für dieses Vorgehen in Planung.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.
Abgeordnete Mag. Agnes Sirkka Prammer (Grüne): Wir haben ja, weil die Ausgestaltung des Informationsfreiheitsgesetzes doch sehr viel Zeit in Anspruch genommen hat, eine Art Übergangsregelung geschaffen, nämlich den Art. 20 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz, der bestimmt, dass von der öffentlichen Hand in Auftrag gegebene Gutachten, aber auch andere Expertenstellungnahmen zu veröffentlichen sind.
Meine Frage: Welche dieser Gutachten werden von Ihnen veröffentlicht? Sie haben vorhin auch den Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes
angesprochen: Welche Gutachten des Verfassungsdienstes werden im Rahmen dieses Art. 20 Abs. 5 von Ihnen veröffentlicht?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundeskanzler.
Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Von der Veröffentlichungspflicht nach Art. 20 Abs. 5 B-VG sind dem Gesetzeswortlaut nach solche Gutachten umfasst, die „in Auftrag gegeben“ wurden – also von Dritten erbrachte entgeltliche Werke. Dementsprechend ist die interne Erbringung von beispielsweise Fachgutachten innerhalb desselben Verwaltungsorgans oder auch zwischen verschiedenen Verwaltungsorganen nicht umfasst.
Nichtsdestotrotz werden für die Öffentlichkeit relevante Stellungnahmen und Gutachten des Verfassungsdienstes auf der Homepage des Bundeskanzleramtes veröffentlicht, zuletzt etwa im Fall der Renaturierung, als die Beurteilung der verfassungs- und einfachgesetzlich beschränkten Handlungsmöglichkeiten der Energieministerin veröffentlicht wurden.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage: Frau Abgeordnete Himmelbauer. – Bitte.
Abgeordnete Eva-Maria Himmelbauer, BSc (ÖVP): Herr Bundeskanzler, ich darf das Stichwort Grundrechte aufgreifen. Wir müssen uns immer wieder auch den technologischen Entwicklungen stellen und prüfen, inwieweit sie auch in Grundrechte eingreifen oder welchen Einfluss sie nehmen.
Ich darf daher die Frage an Sie stellen: Welche Maßnahmen planen Sie, um den Rechtsstaat an neue Anforderungen – resultierend aus der zunehmenden Digitalisierung und technologischen Entwicklungen wie KI – anzupassen?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundeskanzler.
Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Das ist tatsächlich auch ein sehr fordernder Punkt, Frau Abgeordnete. Der Rechtsstaat ist ja eine der Grundsäulen unserer
Verfassung. Wir müssen aber auch dafür sorgen, dass er sich im Interesse der Bürgerinnen und Bürger weiterentwickeln kann.
Wie Sie richtig sagen, stellen uns gerade neue Anforderungen wie die digitale Transformation vor neue große Herausforderungen und legen auch Regelungslücken offen. Neben der Stärkung des Persönlichkeitsschutzes von Beschuldigten, bei der wir in der Koalition ja gerade noch in der Endabstimmung sind und die wir im September noch im Nationalrat beschließen werden, setze ich mich deshalb auch beispielsweise für eine Klarnamenpflicht im Internet ein.
Das Internet darf und soll kein rechtsfreier Raum sein, wo man tun und lassen kann, was man will und dabei auch die Rechte oder die Freiheit anderer verletzt. Das halte ich tatsächlich für ein Riesenthema, gerade dann, wenn man sich hinter der Anonymität versteckt.
Weil Sie das explizit ansprechen: Hinsichtlich künstlicher Intelligenz haben wir ja auch den KI-Beirat ins Leben gerufen. Künstliche Intelligenz wird wie keine andere Maßnahme oder Errungenschaft im Bereich Digitalisierung unser Leben verändern, und die digitale Revolution wird sich tatsächlich durch das Ausbreiten künstlicher Intelligenz in allen Lebensbereichen manifestieren.
In diesem Gremium beraten elf Expertinnen und Experten die Bundesregierung in allen Fragen der derzeitigen Entwicklung im Bereich künstlicher Intelligenz, vor allem, wie wir als Staat auch die Chancen nutzen können. (Abg. Himmelbauer: Danke schön!)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Frau Abgeordnete Doppelbauer. – Bitte sehr.
Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Guten Morgen, Herr Bundeskanzler! Herr Präsident! Diese Bundesregierung hat in finanzieller Sicht der Republik eine große Bürde beziehungsweise einen großen Rucksack umgehängt. Wir machen alleine heuer über 20 Milliarden Euro Schulden. Sehr viele Gelder, die mit der Gießkanne verteilt werden, sind nicht treffsicher
und haben auch nicht wirklich geholfen, das Land nach vorne zu bringen. Es waren sehr viele Investitionen in nicht nachhaltige Projekte.
Deswegen unsere Frage:
„Welche Schritte setzen Sie und Ihre Regierung bereits im laufenden Budgetjahr, um nicht – wie von Fiskalrat, WIFO und Europäischer Kommission prognostiziert – im heurigen Jahr die Maastricht-Defizitgrenze von 3% zu überschreiten?“
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundeskanzler.
Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Zum einen: Die Bundesregierung bekennt sich zu den europäischen Fiskalregeln. Wir gehen nach wie vor davon aus, dass wir auch die Grenzen der Maastrichtkriterien einhalten. Am Jahresende wird abgerechnet, und dann lässt sich der Beweis führen, wer in dem Fall dann in der Einschätzung recht hatte.
Aber man muss auch eines ehrlich sagen, Frau Abgeordnete, und da haben Sie natürlich recht: Die Arbeit der Regierung war wie nie zuvor in der Geschichte von den Folgen globaler Krisen beeinflusst. Es war notwendig, oft sehr massiv gegen diese Form der Krisen, die bis dahin auch unbekannt waren oder für die es keine Handlungsanleitungen gegeben hat, vorzugehen, sie anzugehen, den Wirtschaftsstandort Österreich abzusichern, den Menschen in dieser schwierigen Zeit zu helfen.
Erinnern Sie sich zurück: Sowohl die Pandemie, mit der niemand in dieser Form und Dramatik der Auswirkungen gerechnet hat, als auch die Energiekrise, wie wir sie erlebt haben, ausgelöst durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, waren mit Teuerung und Inflation – wie schon von mir angesprochen, lag sie letztes Jahr im Jänner noch bei 11,4 Prozent – verbunden, und das hat es notwendig gemacht, als Staat eben über diesen Weg der Mitte, den ich vorhin schon angesprochen habe, gegenzusteuern.
Darüber hinaus gibt es Herausforderungen, denen wir uns zu stellen haben, so etwa dem Klimawandel. Es gilt, die Energiewende fortzuführen. Wir sehen, wie wichtig es ist, von fossilen Energieträgern unabhängiger zu werden. Aufgrund der Digitalisierung und durch die erhöhte geopolitische Unsicherheit, die wir jetzt leider feststellen müssen– nicht nur durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, sondern auch aufgrund der Lage im Nahen Osten –, bedeutet das langfristige und vor allem auch strukturelle Veränderungen unserer Gesellschaft.
Wenn man diesen Phänomenen begegnen und vor allem den Wirtschaftsstandort, den Forschungs- und Innovationsstandort Österreich weiter absichern will, ist es notwendig, weiter zu investieren. Vorletzte Woche hat die Europäische Kommission ihren Referenzpfad im Zuge der neuen EU-Fiskalregeln an Österreich geschickt, und das Finanzministerium hat diesen inklusive ausführlicher Erläuterungen des weiteren Vorgehens auch bereits an den Nationalrat übermittelt.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.
Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Danke, Herr Kanzler, dass Sie auch auf diesen Bericht, der aus Brüssel kommt, eingehen. Dahin geht auch meine Zusatzfrage, weil ja auch sehr klar herausgekommen ist, dass Österreich, um den Budgetpfad gehen zu können, sehr viele Einsparungen vorzunehmen hat.
Es ist das eben vom Budgetdienst des Parlaments durchgerechnet worden, mit dem Ergebnis, dass es ein Einsparungserfordernis bei den Ausgaben von fast 10 Milliarden Euro für die nächsten vier Jahre geben muss.
Haben Sie sich jetzt schon konkrete Gedanken gemacht, wie Sie in diesem Jahr noch mit diesem Pfad starten können? Und was genau haben Sie für dieses Jahr geplant, um schon Einsparungen vorzunehmen, oder wollen Sie das alles, diesen
finanziellen Scherbenhaufen, dem nächsten Finanzminister oder der nächsten Finanzministerin überlassen? (Abg. Holzleitner: Gute Frage!)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundeskanzler.
Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Zum einen ist es so, dass ich im Österreichplan auch schon sehr klar skizziert habe, wie wir uns vorstellen, ein ordentliches Budget auf der einen Seite, auf der anderen Seite aber auch den Rahmen dafür zu schaffen, dass die Wirtschaft in Österreich auch wieder wachsen kann.
Sie wissen, wir sind gerade in einer sehr herausfordernden Zeit, was dieses Themenfeld betrifft. Wir sehen auch, dass die deutsche Wirtschaft nach wie vor in einer sehr schwierigen Situation ist. Auch das hat große Auswirkungen auf die österreichische Wirtschaft.
Daher ist es aus unserer und aus meiner Sicht wichtig, zweierlei zu tun: Auf der einen Seite sind viele Maßnahmen, die wir gesetzt haben, jetzt nicht mehr notwendig. Das heißt, wir können die Unterstützungsleistungen betreffend die Krisenbewältigung sukzessive zurücknehmen. Es geht vielmehr darum, dass wir von der Subventionitis wieder wegkommen hin zu Investitionsprämien; so wie bei der Forschungsförderung, bei der wir eindeutig sehen, dass es Sinn macht, zu investieren. Wir sind das drittinnovativste Land innerhalb der Europäischen Union; wir wollen an die erste Stelle kommen und damit auch hier wieder Investitionen zulassen.
Warum ist das wichtig? – Es muss sich lohnen, wieder in einen Arbeitsplatz in Österreich zu investieren. Wirtschaftswachstum, ein besseres Wirtschaftswachstum, führt zu mehr Steuereinnahmen und damit auch zur Möglichkeit, das Budget damit zu entlasten.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Zusatzfrage stellt Herr Abgeordneter Krainer. – Bitte.
Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Guten Morgen, Herr Bundeskanzler! (Abg. Michael Hammer: Er kann sogar höflich sein!) Alle Wirtschaftsforscher sagen in der Zwischenzeit, dass die Bundesregierung die gesamte Zeit jetzt einfach ungedeckte Schecks ausgestellt hat. Sie hat die Körperschaftsteuer, also die Konzerngewinnsteuer, ohne Gegenfinanzierung gesenkt. Sie hat Wahlzuckerl verteilt – man braucht das Parlament gar nicht dazu, das macht der Ministerrat eh jede Woche; Milliarden, Milliarden –, ohne jede Gegenfinanzierung.
Wir stehen jetzt vor dem Scherbenhaufen dieser verantwortungslosen Politik und werden 10 Milliarden bis 12 Milliarden Euro gegenfinanzieren müssen. Wann sagen Sie endlich, wie diese ungedeckten Schecks, die auch Sie persönlich ausgestellt haben, finanziert werden? (Beifall bei der SPÖ.)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundeskanzler.
Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Sehr geehrter Herr Abgeordneter, es wird Sie jetzt nicht überraschen, dass ich eine andere Einschätzung zur Lage habe. (Abg. Krainer: Als alle Experten! Das ist interessant!) Wenn Sie den Expertinnen und Experten zuhören, werden Sie auch feststellen (Abg. Herr: Das sagt der Fiskalrat!), dass diese in der Krisenbewältigung mehrfach auch ihre Meinung revidiert haben – das ist nun einmal so. (Abg. Krainer: Wir nicht!) Bei einer unbekannten Lageentwicklung ist das notwendig.
Entscheidend ist, dass wir tatsächlich den Weg der Mitte gewählt haben. Das heißt, dass wir auf der einen Seite bei der Kostenexplosion durch den Stromkosten- und den Mietpreisdeckel – wie vorhin schon erwähnt – eingegriffen haben (Abg. Krainer: Schmähpreisdeckel!) und den Menschen mehr Geld zur Verfügung gestellt haben, damit sie tatsächlich die Teuerung auch besser bewältigen können. (Abg. Krainer: Das Ergebnis ist, dass Österreich ärmer geworden ist!) Wenn Sie den Expertinnen und Experten zuhören, werden Sie feststellen, dass das bestätigt worden ist.
Es ist auch bestätigt worden, dass durch diese Maßnahmen – nach wie vor – gerade im Bereich Dienstleistungssektor ausreichend Nachfrage besteht, weil die Haushaltseinkommen gestiegen sind. (Abg. Krainer: Nein, leider nicht! Leider nicht!) Das heißt: Durch das Mehr an Haushaltseinkommen gibt es natürlich aufgrund des höheren Konsums auch ein Mehr an Steuereinnahmen. Das führt eben dazu, dass unsere Einschätzung bei Weitem weniger pessimistischer ist als Ihre.
Es ist aus meiner Sicht notwendig, gegen die Krise zu investieren, es ist notwendig, dass wir auch Wirtschaften wieder viel stärker zulassen, deswegen war die Körperschaftsteuersenkung richtig und wichtig. Wir müssen Konzerne nach Österreich bringen, wir müssen die Industrie dazu bringen, weiter in Österreich zu investieren.
Industrie und Kleinunternehmen hängen zusammen, Sie wissen das. Es braucht einander. Ich glaube wir müssen auch damit aufhören: da die bösen Unternehmer, da die bösen Konzerne, da die armen Arbeitskräfte. – Es braucht ein Miteinander, das ist auch geschehen. Wir sehen eben, dass wir durch die unterschiedlichen Maßnahmen, auch die Abschaffung der kalten Progression, tatsächlich dafür gesorgt haben, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mehr Geld zur Verfügung haben. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Michael Hammer: Nicht genügend, setzen, Krainer!)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Zusatzfrage stellt Herr Abgeordneter Obernosterer. – Bitte.
Abgeordneter Gabriel Obernosterer (ÖVP): Grüß Gott, Herr Bundeskanzler! Wir wissen ja, dass gerade in der Vergangenheit die Situation europaweit, weltweit wirklich schwierig war: Zuerst die Pandemie, während der man den Unternehmern geholfen hat, während der man mit der Kurzarbeit geschaut hat, dass es keine Arbeitslosigkeit gibt. Das hat viel Geld gekostet. (Abg. Michael Hammer –auf den leeren Sitzplatz des Abg. Kickl weisend –: Der Kickl war lange da heute!)
Dann ist die Inflation dahergekommen, und Sie haben in Ihren Ausführungen ja schon geschildert, dass das noch einmal viel Geld gekostet hat, weil man einfach geschaut hat, dass die Kaufkraft der Arbeitnehmer entsprechend erhalten bleibt. Wenn man das internationale Ranking anschaut, wissen wir, dass wir da sehr gut dastehen, wenn man immer das gesamte Bild anschaut.
Das hat viel Geld gekostet, es sind Schulden dazugekommen. Wir kennen auch die Schulden anderer Industriestaaten, auch da brauchen wir uns nicht zu verstecken.
Wie sehen Sie den weiteren Ausblick in der Schuldenentwicklung?
Ich bin selbst Unternehmer. Irgendwann muss man das wieder in den Griff bekommen (Abg. Herr: Ja, nach der Wahl!), muss man sich auch mit anderen vergleichen, aber wie ist Ihr Ausblick für die Zukunft betreffend die Schuldenentwicklung in Österreich?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.
Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Danke für die Frage, Herr Abgeordneter. Wie bereits ausgeführt, haben die Krisen die Staatskasse ja tatsächlich mehr als belastet. Wir haben immer versucht, gegen die Krise zu investieren. Das hat Geld gekostet, und aus meiner Sicht war das auch richtig so.
Langfristig geht es natürlich darum, die krisenbedingt hohen Defizite wieder zu reduzieren und auch tatsächlich ein ausgeglichenes Budget herzustellen. (Abg. Krainer: Das strukturelle Defizit ist bei 2,7!) Um das zu bewerkstelligen, brauchen wir zum Beispiel auch Maßnahmen, die viele andere Bereiche treffen – also man muss es auch systemisch denken –, wie den Stopp der Zuwanderung ins Sozialsystem. Es gibt auch Vorschläge, wie wir das erreichen können.
Es ist ja tatsächlich so, dass viele Parteien auch hier im Hohen Haus den Begriff der sozialen Gerechtigkeit gerne vor sich hertragen. Das ist gut so – Österreich ist stolz darauf, zu den stärksten Sozialstaaten der Europäischen Union zu
gehören –, noch wichtiger ist aber vor allem, dass es zur sozialen Gerechtigkeit eben auch die Leistungsgerechtigkeit geben muss.
Das heißt, wir müssen besonders auf die achten, die fleißig sind. Die, die fleißig sind, gehören entlastet, deswegen braucht es hier Maßnahmen, dass die Menschen, die arbeiten und den solidarischen Wohlfahrtsstaat finanzieren, auch tatsächlich mehr davon haben. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Obernosterer: Danke schön!)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Herr Abgeordneter Haubner. – Bitte.
Abgeordneter Peter Haubner (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Wir haben es heute schon gehört: Wir haben schwere Zeiten hinter uns. Wir haben die größten Krisen, die es in der Geschichte gegeben hat – mit Corona, dem Angriffskrieg der Russischen Föderation in der Ukraine – erlebt. Es waren schwere Herausforderungen sowohl für die Bevölkerung als auch für die Wirtschaft – natürlich auch für die Politik.
Jetzt komme ich zu meiner Frage:
„Welche Maßnahmen haben Sie gesetzt, um die Menschen in den Krisen, mit denen wir in den letzten Jahren konfrontiert waren und derzeit konfrontiert sind, zu entlasten und unseren Wohlstand zu sichern?“
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.
Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Danke für Ihre Frage, Herr Abgeordneter. Tatsächlich sind es so viele umfassende Maßnahmen, dass es hier und jetzt wohl den Rahmen sprengen würde, sie alle im Detail zu besprechen.
Die Bundesregierung hat in den letzten viereinhalb Jahren viele Meilensteine gesetzt, hat trotz Krisenbewältigung auch Veränderungen im System herbeigeführt, die notwendig waren: Denken Sie an die ökosoziale Steuerreform mit
der Senkung aller Tarifstufen, damit arbeitenden Menschen tatsächlich auch wieder mehr von ihrem Gehalt bleibt, und das inklusive der Abschaffung der kalten Progression, die Jahrzehnte diskutiert, aber niemals umgesetzt worden ist – von dieser Bundesregierung wurde das sehr wohl gemacht. Jetzt wird eben, so wie versprochen, den Menschen auch noch das letzte Drittel des Geldes gegeben, das ihnen zusteht, um auch zu zeigen, dass Leistung der entscheidende Faktor ist, um eben den Wohlstand, von dem Sie sprechen, tatsächlich zu erhalten und in der Zukunft auch zu vermehren.
Das heißt, dass in weiterer Folge auch Maßnahmen gesetzt worden sind, die durchaus auch budgetwirksam waren – denken Sie an die Stromkostenbremse –, die in Zeiten explodierender Energiepreise notwendig waren, um den Leuten aufgrund der Teuerung tatsächlich zu helfen.
Wir haben auch eine Übergewinnsteuer für Energielieferanten eingeführt, um die Energiepreise wieder zum Sinken zu bringen, da Anreize für die Unternehmen zu setzen und so den Kostendruck zu reduzieren.
Wir haben für jene, die sich aufgrund sozialer Verhältnisse in einer schwierigen Situation befinden, den Wohn- und Heizkostenzuschuss, mit dem wir dafür gesorgt haben, dass die Menschen in dieser schwierigen Lage tatsächlich unterstützt werden, deutlich erhöht. Weiters haben wir den Klima- und den Antiteuerungsbonus, die geleistet werden mussten, um rasch zu helfen, als die Teuerung explodiert ist, ausgezahlt.
Sie sehen, es ist eine Vielzahl von Maßnahmen gesetzt worden. Besonders wichtig ist mir, dass trotz dieser akuten Krisenbewältigung durch die ökosoziale Steuerreform vorgesorgt wurde, dass den Menschen nachhaltig mehr Geld im Geldbörsl bleibt.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage?
Abgeordneter Peter Haubner (ÖVP): Ja, danke vielmals.
Ein wesentlicher Teil der Wirtschaftspolitik ist ja ein gut funktionierender Standort, der ganz wichtig ist. Es wurden Maßnahmen gesetzt wie zum Beispiel die KöSt-Senkung, die für die Unternehmen in unserem Lande sehr wichtig ist (Abg. Krainer: Für die Konzerne!), und es geht da ja nicht nur um die Unternehmen, sondern es geht vor allem auch um die Arbeitsplätze. Wir haben ja nichts davon, wenn die Rahmenbedingungen nicht passen und die Unternehmen weggehen und wir dadurch die Arbeitsplätze verlieren.
Wer etwas von Wirtschaftspolitik versteht, wird diese KöSt-Senkung, die einen Beitrag zur Sicherung der Arbeitsplätze leistet, auf jeden Fall begrüßen.
Sie haben gestern mit dem Herrn Vizekanzler, dem Finanz- und dem Sozialminister weitere Entlastungen für 2025 angekündigt. Können Sie uns diese auch ganz kurz erläutern?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundeskanzler.
Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Die Entlastungen sind in dem Paket im Zusammenhang mit der Abschaffung der kalten Progression, diesem schleichenden Lohnfraß, enthalten, in diesem letzten Drittel, dessen Verwendung immer wieder politisch neu bestimmt werden muss, damit man auf die Situation und auf die Lageentwicklung flexibel eingehen kann.
Das heißt, dass die Stufen – bis zum Höchststeuersatz – um knapp 4 Prozent angehoben werden, damit eben auch da eine Entlastung für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler erfolgt. Gleichzeitig haben wir ein Volumen von 650 Millionen Euro, um den Menschen – seien es Familien, seien es Unternehmer – tatsächlich wieder mehr Spielraum zu verschaffen.
Was wichtig ist, sind auch Maßnahmen, die unmittelbare Wirkung entfalten, wie die Erhöhung des Kilometergeldes – auch das ist eine langjährige Forderung, die jetzt umgesetzt worden ist – auf 50 Cent pro Kilometer. (Abg. Krainer: Ist noch gar nicht umgesetzt! Wovon reden Sie?) Das ist wichtig für jene, die auf das Auto angewiesen sind. (Abg. Krainer: Bis jetzt ist gar nichts ...!)
Genauso soll und muss es auch sozusagen Verwaltungserleichterung, Entbürokratisierung, weniger Regulierungen geben – das ist kein leeres Versprechen. Auch die Erhöhung der Kleinunternehmergrenze, die jetzt auf 55 000 Euro angehoben worden ist, bedeutet eine Entlastung, was zum Beispiel die Bürokratie betrifft.
Für sozial Betroffene, die vor allem damit kämpfen, dass sie Alleinverdiener sind, Kinderbetreuungsverantwortung haben – auch schon von mir heute erwähnt –, erfolgt eine gezielte Entlastung mit 60 Euro im Monat pro Kind, um auch diesen Menschen direkt zu helfen.
Das sind ein paar Beispiele aus diesem Paket, aber diese zeigen, dass wir die Versprechen, die wir geben, auch tatsächlich halten.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Zusatzfrage stellt Abgeordnete Doppelbauer. – Bitte.
Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Herr Bundeskanzler, Sie haben gerade gesagt, dass Sie das halten, was Sie versprechen.
Gerade im Zusammenhang mit der Bürokratie, die Sie auch angesprochen haben, wäre das wichtig. Ich glaube, das ist im Augenblick bei den Unternehmerinnen und Unternehmern ein irrsinnig präsentes Thema, weil die letzten Jahre diesbezüglich einfach viel zu wenig passiert ist. Und da rede ich nicht nur von der europäischen Ebene, sondern vor allem auch von der österreichischen Ebene.
Sie haben ja im Regierungsprogramm versprochen, eine Monitoringstelle zur Messung des Bürokratieabbaus, also zum Fortschritt bei der Entbürokratisierung einzusetzen. Warum wurde denn das nicht umgesetzt?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundeskanzler.
Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Mit einem haben Sie völlig recht: Es ist tatsächlich notwendig, die Deregulierung voranzutreiben. Wir haben im EU-Rat,
und da habe ich meine Verantwortung als Bundeskanzler wahrgenommen, die Kommission beauftragt – es ist wichtig, dass das von Brüssel aus beginnt –, die Anzahl der Vorschriften und Regulierungen um 25 Prozent zu reduzieren. Ich halte das für einen wichtigen Impuls, damit dann tatsächlich auch eine Entlastung der Unternehmerinnen und Unternehmer, aber auch der Bäuerinnen und Bauern – es sind alle gleichermaßen von Dokumentationspflichten mehr als belastet – stattfinden kann. (Beifall bei der ÖVP.)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage: Abgeordneter Krainer. – Bitte.
Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Herr Bundeskanzler! Sie reden immer von Entlastung (eine Tafel mit der Überschrift „Steuer- und Abgabenquote“ und einer Grafik in Richtung Bundeskanzler Nehammer zeigend), Zahlen lügen aber nicht. Die Steuer- und Abgabenquote ist, seit die SPÖ nicht mehr in der Regierung ist, fast jedes Jahr gestiegen (Rufe bei der ÖVP: Ja, ja!) und ist um über 1 Prozent höher. (Abg. Michael Hammer: Sind heute die Taferlklassler ...?)
Da geht es um 4,5 Milliarden Euro, die in Österreich mehr an Steuern und Abgaben bezahlt werden, als das früher der Fall war. (Abg. Michael Hammer: Warum braucht man für eine Frage ein Taferl?)
Die entscheidende Frage ist ja – Sie haben bei Antritt dieser Bundesregierung selber versprochen, dass Sie die Steuer- und Abgabenquote senken werden –: Wieso haben Sie Ihr Wahlversprechen gebrochen und das Gegenteil gemacht und dafür gesorgt (Abg. Michael Hammer: Eine Frage endet mit einem Fragezeichen!), dass die Österreicherinnen und Österreicher mehr Steuern zahlen müssen als am Anfang, als Sie in die Regierung eingetreten sind?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundeskanzler.
Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Es wird Sie, Herr Abgeordneter, nicht überraschen – auch wenn Sie hier ein besonderes Zahlenwerk präsentieren –, dass ich das anders sehe (Abg. Krainer: Das ist von der Wirtschaftskammer! Das sind die Zahlen der Wirtschaftskammer!), dass wir durch die Abschaffung der
kalten Progression die Menschen nachweislich entlastet haben. Auch diese Zahlen können Sie darstellen. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Stögmüller. – Abg. Krainer: „WKO“! Das sind die Zahlen der Wirtschaftskammer! – Abg. Michael Hammer: Es gibt keine Diskussion in der Fragestunde! Zuhören!)
Es geht mir darum, dass wir nicht nur einerseits mit der Entlastung durch die Abschaffung dieses schleichenden Lohnfraßes, sondern andererseits auch mit dem vorhin von mir bereits zitierten wichtigen Reformschritt der ökosozialen Steuerreform die Tarifstufen schon deutlich gesenkt haben und damit sichergestellt haben, dass auch wieder mehr Einkommen möglich ist. (Abg. Krainer: Wenn Zahlen nicht lügen, wer lügt dann? – Abg. Michael Hammer: Das ist eine Fragestunde! Zuhören!)
Sie wissen selbst: Es waren letztes Jahr tatsächlich sehr schwierige Verhandlungen – auch in der Sozialpartnerschaft –, die ja ein Ergebnis gebracht haben. Das Interessante für die Menschen ist: Das Ergebnis dieser Verhandlungen der Sozialpartnerschaft ist nachhaltig im Geldbörsl spürbar, weil eben dieser schleichende Lohnfraß abgeschafft worden ist. Das heißt, die Entlastungsmaßnahmen wirken, und dieser Weg wird und soll aus meiner Sicht auch konsequent fortgesetzt werden. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Stögmüller. – Zwischenrufe der Abgeordneten Lindinger und Obernosterer.)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Abgeordnete Holzleitner stellt die nächste Anfrage. – Bitte.
Abgeordnete Eva Maria Holzleitner, BSc (SPÖ): Ob die Maßnahmen wirken oder nicht – viele Bürgerinnen und Bürger empfinden es nicht so. Ein sehr wichtiger Indikator neben den nicht sehr rosigen Wirtschaftsdaten ist vor allem die extrem hohe Inflation bei den Preisen, die weit höher als in allen anderen Ländern Westeuropas (Ruf bei der ÖVP: Dafür ist die Kaufkraft gestiegen!) war und es nach wie vor ist. (Die Fragestellerin zeigt eine Tafel mit der Aufschrift „Bilanz ÖVP-Grün“, „Höchste Teuerung + geringstes Wachstum in Westeuropa“, „Teuerung: +22%“,
„Wohlstand: -2,4% BIP/Kopf“, „10 Mrd. Euro fehlen im Budget“ in Richtung Bundeskanzler Nehammer.) Die Preise sind gestiegen, die Preise steigen weiter. (Abg. Wöginger: 3 Prozent ...! – Rufe bei der ÖVP: Die Preise sinken! Was ist denn die Inflation?) 22 Prozent hat die Teuerung bisher betragen (auf die Tafel deutend), und laut den Zeitungsartikeln dieser Woche betrifft das nach wie vor viele Güter des täglichen Bedarfs (Ruf bei der ÖVP: Die Frage! Was ist die Frage?), darüber hinaus aber zum Beispiel auch Tierfuttermittel. (Abg. Wöginger: Katzenfutter! Aber die Kinder haben nichts zum Essen!)
Deshalb ist meine Frage:
„Wieso verhindern Sie nach wie vor eine Politik, die in Preise eingreift“ (Abg. Michael Hammer: Weil wir keine Kommunisten sind! Ganz einfach!) „und somit die Inflation senkt, wo doch längst – zuletzt auch bestätigt von Wirtschaftsforscher:innen – erwiesen ist, dass die Regierungspolitik des Nicht-Eingreifens in die Preise gescheitert und ökonomisch schädlich ist?“
*****
Und an den Block der ÖVP: Sie haben wohl offenbar nichts für Tiere übrig. (Abg. Wöginger: Doch, schon! Aber du sagst, dass Kinder nichts zum Essen haben und ... Katzenfutter daher! Sei mir nicht böse! – Abg. Krainer: Jetzt beruhig dich! Alles gut! Hey!) Das merkt man an Ihren Zwischenrufen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Michael Hammer: Die sind auch für die Katz’! – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen. – Abg. Wöginger: Komplett Wahnsinn! – Abg. Michael Hammer: ... sind für die Katz’! Oder für die Fisch’! – Abg. Krainer: Alles mit der Ruhe!)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte! Der Herr Bundeskanzler gelangt zu Wort.
Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Frau Abgeordnete! (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Frau Abgeordnete, ich glaube tatsächlich, dass es so ist, dass wir in
der Regierung uns eben für den Weg der Mitte entschieden haben, was einen Maßnahmenmix bedeutet. Es ist nicht so, dass wir keine Preisdeckel gemacht haben, wir haben sie nur sehr behutsam gemacht. Erinnern Sie sich an den Stromkostendeckel, der eben eingeführt worden ist, oder auch an den Mietpreisdeckel!
Was aber ein wichtiger Punkt ist – er ist in einem Zwischenruf auch schon angesprochen worden –: Das Entscheidende ist, dass man der Marktwirtschaft so weit Freiheit gibt und lässt, dass sie sich auch selbst weiterentwickeln kann, auch wenn die Krisen groß sind.
Sie haben die Länder zitiert, die durch Deckel massiv in die Preisstrukturen eingegriffen haben. Die Zahlen, die Sie ja auch gerne selbst präsentieren – auch jetzt hier in dieser Fragestunde –, zeigen dann ein ganz anderes Bild von der Effizienz: Ich denke da zum Beispiel an Spanien.
Ich kann mich erinnern, dass uns als Bundesregierung Spanien oft vorgehalten worden ist, weil tatsächlich in einer Phase der Teuerungswelle Spanien eine deutlich geringere Inflation aufzuweisen hatte als Österreich, was dafür aber das Budget durch die Maßnahmen, die dort gesetzt wurden, massiv belastet hat. Mittlerweile haben sie eine höhere Inflation als Österreich: Die spanische Inflation beträgt derzeit 3,8 Prozent, die österreichische 3 Prozent. Ich halte das für wichtig, um zu sehen, dass unser Weg der Mitte der nachhaltigere war, um eben durch die Mitte ins Ziel zu kommen, sodass sich die Wirtschaft, die Einnahmensituation entsprechend entwickelt und die Budgetkonsolidierung tatsächlich stattfinden kann.
Ich möchte Ihnen noch ein Beispiel nennen, das auch wichtig ist: Ungarn war auch ein Land, das versucht hat, massiv in die Preisgestaltung einzugreifen, hat fast ein Jahr lang eine Preisbremse auf Benzin und Diesel festgelegt, musste diese wieder aufheben und hat einen Spitzeninflationswert von über 20 Prozent erreicht.
Das heißt, aus meiner Sicht muss man so redlich sein: Wenn man Krisen bewältigt, dann gibt es nicht die eine richtige Antwort. Es gibt das Ringen darum, die Krise bestmöglich so in den Griff zu bekommen, dass sie die Menschen nicht überbordend belastet. Ich bin mir sicher, dass Sie auch feststellen können, dass die eine oder andere Maßnahme der Regierung nicht die Wirkung erreicht hat, die wir uns versprochen haben. Das Wichtige aber ist, dass wir uns ständig darum bemüht haben, die Situation wieder in den Griff zu bekommen; und ein Inflationswert von 3 Prozent heute, eineinhalb Jahre später, ist ein deutliches Zeichen – denken Sie wirklich noch einmal daran, dass im Jänner letzten Jahres die Inflation bei 11,4 Prozent lag! (Beifall bei der ÖVP.)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage, Frau Abgeordnete? – Bitte.
Abgeordnete Eva Maria Holzleitner, BSc (SPÖ): Das ist richtig. Die 3 Prozent kommen nämlich noch einmal on top auf die 11 Prozent des vergangenen Jahres, also auf einen extrem hohen Inflationswert kommt noch einmal etwas drauf, auch in diesem Jahr. Und da Sie von Budgetbelastungen in anderen Ländern gesprochen haben: Man kann nicht verneinen, dass in Österreich durch die Politik dieser Bundesregierung auch eine extreme Budgetbelastung stattgefunden hat, während das nicht bei den Menschen angekommen ist.
Sie sprachen von Wahlzuckerl, die vieles kosten. Wir hätten eine Maßnahme, die nichts kostet, die wir hier im Hohen Haus noch beschließen könnten, wenn Sie uns beispielsweise eine Regierungsvorlage zuleiten würden, nämlich ein tatsächlicher Mietpreisstopp, ein Einfrieren der Mieten bis 2026 beispielsweise. (Beifall bei der SPÖ.)
Wir wissen, dass Mieten und Wohnen in Österreich nach wie vor ein Faktor ist, der Haushalte extrem belastet, und mit einem Mietpreisstopp bis 2026, getragen von Immobilienbesitzerinnen und -besitzern, statt eines Schmähpreisdeckels, wie Sie ihn beschlossen oder vorgeschlagen haben, wäre eine gute Maßnahme und in diesem Jahr noch umsetzbar. (Beifall bei der SPÖ.)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundeskanzler.
Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: War das jetzt ein Statement oder eine Frage? (Abg. Holzleitner: Die Frage ist: Wollen Sie uns eine derartige Regierungsvorlage zuleiten?) – Sie sehen, wir haben da natürlich unterschiedliche Zugänge. Auf der einen Seite haben wir die Wohnbauoffensive gestartet mit 10 000 geförderten Mietwohnungen, 10 000 geförderten Eigentumswohnungen. (Abg. Krainer: Für acht Millionen Menschen!) Auch das bedeutet Entlastung am Wohnungsmarkt.
Wir haben andererseits durch unterschiedliche Maßnahmen die Kaufkraft der Menschen gestärkt, und Sie sagen eines zu Recht: Die Menschen fühlen sich aber trotzdem weiter belastet, was ja auch logisch ist, denn die Preise sind ja hoch.
Das, wofür wir gesorgt haben, ist, dass durch mehr Geld das Leben auch besser bewerkstelligbar ist. Dass ist ein mühsamer Kampf, aber Eingriffe, so wie Sie es sich vorstellen, führen oft dazu, dass das Problem für die Menschen, die betroffen sind, nicht gelöst, sondern noch dazu verschärft wird. Das haben andere Länder bewiesen, Deutschland ist ein ganz schlechtes Beispiel. In Großstädten, die diesen Weg eingeschlagen haben, den Sie gerade vorschlagen, hat das zu einer Wohnraumverknappung geführt.
Daher: Mein Zugang ist einerseits, den Menschen nach wie vor durch Entlastung zu helfen, die Fleißigen in der Gesellschaft besonders zu animieren, weiter fleißig zu sein (Abg. Krainer: Viel Geld für die Hausbesitzer! Eine tolle Politik!), weil sie tatsächlich den solidarischen Wohlfahrtsstaat finanzieren, und auf der anderen Seite durch konkrete Fördermaßnahmen wie die Wohnbauoffensive auch die Bauwirtschaft und andere dabei zu unterstützen, wieder anzuspringen, damit tatsächlich auch da durch mehr Wirtschaftswachstum wieder mehr Wohlstand entstehen kann. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Holzleitner – auf dem Weg zu ihrem Sitzplatz –: Gerade dort steigt die Arbeitslosigkeit, in der Baubranche!)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Eine Zusatzfrage stellt Frau Baumgartner. – Bitte.
Abgeordnete Angela Baumgartner (ÖVP): Guten Morgen, Herr Bundeskanzler! Wir sehen eine deutliche Erholung der Wirtschaft und der Inflation von der Krise. (Abg. Krainer – erheitert –: Wo sehen Sie die? – Abg. Herr: Wo?) Welche Vorhaben sollen vor allem die arbeitende Mitte weiterhin entlasten? (Abg. Herr: Welche Quelle ist das? – Abg. Krainer: Aus welchem Paralleluniversum kommen Sie? Wahnsinn!)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundeskanzler.
Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Danke für Ihre Frage, Frau Abgeordnete: Wir haben mit der ökosozialen Steuerreform, glaube ich, schon einen guten Weg eingeschlagen.
Besonders möchte ich noch einmal hervorstreichen: Nach unzähligen Bundesregierungsversuchen waren wir die Bundesregierung, die es tatsächlich geschafft hat, diesen schleichenden Lohnfraß, die kalte Progression abzuschaffen – ein Vorhaben, das wichtig ist. Man muss sich Folgendes vorstellen: Alleine seit 2023 bedeutet das 7,5 Milliarden Euro Entlastung für die Menschen – Geld, das ihnen zusteht und das ihnen davor zu Unrecht immer wieder vorenthalten worden ist.
Was braucht es aus meiner Sicht noch? – Es braucht aus meiner Sicht eine weitere Senkung des Eingangssteuersatzes von 20 auf 15 Prozent. Das entlastet alle Steuerzahlerinnen und Steuerzahler und leistet einen wichtigen Beitrag dazu, einen Unterschied zwischen den Menschen, die arbeiten, und denen, die nicht arbeiten, zu machen.
Zweitens stehen wir immer noch vor der Herausforderung, die Menschen in Vollzeit zu bringen. Deswegen ist auch der Vollzeitbonus geplant, nämlich alle, die Teilzeit arbeiten, aber keine Betreuungspflichten haben, zu animieren, tatsächlich mehr zu arbeiten, dafür aber eben nachhaltig über mehr Einkommen zu verfügen. Leistung muss sich lohnen: Das ist aus meiner Sicht der wichtigste
Grundsatz; das darf keine leere Phrase sein, sondern muss sich direkt auswirken.
Wir müssen da weitere Schritte setzen, wie die komplette Streichung der Besteuerung von Überstunden. Nochmals: Die Fleißigen in unserem Land, der Mittelstand in unserem Land, tragen den solidarischen Wohlfahrtsstaat, und diese gilt es in diesem Falle auf dem Weg der Leistung für unser Land besonders zu unterstützen. (Beifall bei der ÖVP.)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Eine Zusatzfrage stellt Abgeordnete Götze. – Bitte sehr, Frau Abgeordnete.
Abgeordnete Dr. Elisabeth Götze (Grüne): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sie haben soeben erläutert: Die Bundesregierung hat sich entschieden, die Haushalte unter anderem durch die Abschaffung der kalten Progression zu stärken. Ich möchte aber auch die Valorisierung der Sozialleistungen noch erwähnen, und wir beschließen ja auch im Rahmen des dritten Drittels zum Beispiel zusätzlich 60 Euro pro Kind, damit sich die Familien auch – es wurde erwähnt – Katzenfutter, aber auch Kopfsalat und alles, was sie zum Leben brauchen, leisten können.
Zielgerichtete Maßnahmen oder Preisbremsen, könnte man sagen, gab es aber sehr wohl: die Strompreisbremse – ich glaube, die war wichtig –, aber auch den Mietpreisdeckel. – So viel zu Kollegin Holzleitner.
Eine Frage zu den weiteren Forderungen, die von der Opposition gekommen sind, wie generelle Preiseingriffe wie zum Beispiel die Senkung der Umsatzsteuer, der Mineralölsteuer oder auch die künstliche Senkung oder Deckelung von Gaspreisen: Welche Verteilungswirkung hätte das gehabt? Oder warum hat man sich nicht dafür entschieden?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.
Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Das ist eine ganz wichtige Frage. Das ist in der Regierung immer wieder sehr intensiv diskutiert worden, auch mit den Expertinnen und Experten. Gerade zu Beginn der Krise war da die einhellige Meinung der Expertinnen und Experten, dass Preiseingriffe eigentlich die klassische Gießkanne sind – es profitieren davon auch jene, die es gar nicht brauchen. Die Bundesregierung hat daher Maßnahmen gesetzt, die vor allem immer die unteren Einkommen im Fokus gehabt haben, um diese zu entlasten. Das hat übrigens auch der Budgetdienst des Parlaments bestätigt.
Wie vorhin schon ausgeführt, sehen wir bei Ländern, die tatsächlich die Preiseingriffe vorgenommen haben, dass es schlichtweg oft nicht funktioniert hat und massiv belastend war, wenn sie dann bei den Preiseingriffen kompensieren mussten, damit es keinen Angebotsmangel gibt. Andere Länder haben eingegriffen und hatten dann wiederum auch eine Angebotsverknappung – also auch da mit viel Mühsal für die Menschen.
Das, was man gesehen hat, ist: Preiseingriffe sind nicht treffsicher, sie sind massiv budgetbelastend. Deswegen haben wir sie nur sehr maßvoll vorgenommen (Abg. Belakowitsch: Maßvoll?!) und uns eben für den anderen Weg entschieden, durch Entlastungsmaßnahmen immer wieder darauf zu achten, dass die Menschen mehr Geld zur Verfügung haben, um diese schwierige Phase besser überstehen zu können.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Abgeordneter Hauser. – Bitte sehr.
Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (FPÖ): Guten Morgen, Herr Bundeskanzler! Sie kennen meine erste Frage, die ist ja vorher kundzutun. Trotzdem interessiert mich Ihre Antwort. Sie unterstützen also die Wiederwahl Ursula von der Leyens, obwohl Ursula von der Leyen in der letzten Periode wirklich viele Verfehlungen gemacht hat. (Abg. Michael Hammer: The schwurbler has a mind!)
Konkret zwei Punkte: Mich interessiert, wieso Sie Ursula von der Leyen unterstützen, obwohl Ursula von der Leyen erstens einmal das Mercosur-Abkommen – das Was-ihr-persönlich-wichtig-ist-Abkommen – unbedingt realisieren möchte und zweitens die Beitrittsverhandlungen der Ukraine zur Europäischen Union gestartet hat. (Abg. Michael Hammer: Wo ist die Frage?!)
*****
Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 380/M, hat folgenden Wortlaut:
„Warum unterstützen Sie den politischen Postenschacher, der zur Wahl Ursula von der Leyens zur Präsidentin der EU-Kommission führen soll, obwohl diese entgegen der Interessen Österreichs EU-Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine gestartet hat und das Mercosur-Abkommen befürwortet?“
*****
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.
Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Zum einen – da, wo ich Ihnen recht gebe, Herr Abgeordneter –: In der letzten Periode der Kommission war es durchaus so, dass es viele Entscheidungen der Kommission gab – nicht zuletzt auch mit der Renaturierung –, die nicht die Unterstützung von uns gefunden haben, weil sie aus unserer Sicht – und auch aus meiner Sicht – überschießend waren, überregulierend sind. Wir brauchen genau das Gegenteil. Getragen war das aber auch davon, dass es eine linke Mehrheit im Europäischen Parlament gegeben hat, die wiederum natürlich auch die Kommission – durch die Wirkung des Parlaments auf die Kommission – sehr beeinflusst hat.
Im Wahlkampf war Ursula von der Leyen die Spitzenkandidatin der Europäischen Volkspartei. Sie hat ein klares Wahlprogramm vorgelegt, das Wettbewerbsfähigkeit, Deregulierung, wiederum mehr Subsidiarität für die Mitgliedstaaten vorsieht. Das sind Inhalte, die mir sehr wichtig sind, auch in der Umsetzung der Politik.
Die Europäische Volkspartei hat bei diesen Europawahlen, wenn man sie gesamthaft sieht, gewonnen und dazugewonnen. Viele andere haben verloren. Aus meiner Sicht ist jetzt genau diese Veränderung im Parlament auch zu nutzen, damit eine Kommission gebildet wird, mit der diesen Versprechen der zukünftigen Kommissionspräsidentin Rechnung getragen werden kann. Wir brauchen mehr Wettbewerbsfähigkeit, wir brauchen mehr Deregulierung und wir brauchen vor allem mehr Subsidiarität, das heißt also mehr eigenstaatliche Verantwortung bei den Problemen, die die Nationalstaaten effizienter und besser lösen können. (Beifall bei der ÖVP.)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage, Herr Abgeordneter? – Bitte.
Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (FPÖ): Sie unterstützen also von der Leyen aufgrund ihrer Versprechungen – die Vergangenheit war nicht sonderlich rühmlich.
Weil auch immer die Schwierigkeit dieser Regierung dargestellt wird, Krisen zu meistern: Sie kennen schon die Protokolle des Robert-Koch-Instituts, die zum Teil geschwärzt veröffentlicht wurden? Sie wissen zum Beispiel, dass am 16. März 2020 (Zwischenrufe bei der ÖVP) die Experten des Robert-Koch-Instituts festgestellt haben (Abg. Pfurtscheller: ... nicht für Österreich! – Abg. Michael Hammer: Schwurbel woanders weiter! – neuerlicher Zwischenruf der Abg. Pfurtscheller), dass Covid nur mäßig gefährlich ist und dass am Wochenende hochskaliert wird? Das war also (eine Tafel, auf der unter der Überschrift „Lagezentrum des RKI, Protokoll des Covid-19-Krisenstabs“, in roter Schrift das Datum „16.3.2020“ sowie ein Text mit dem Titel „Aktuelle Risikobewertung“ zu sehen sind, in Richtung Bundeskanzler Nehammer zeigend) eine politische Anweisung (Abg. Michael Hammer: Frage!), einen wenig gefährlichen Virus hochzuskalieren ...
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter (Abg. Michael Hammer: Du kannst eh nachher noch beim Volksbegehren schwurbeln!), die Zusatzfrage muss mit der Hauptfrage wenigstens ein bisschen im Zusammenhang stehen. (Beifall
bei SPÖ, NEOS und Grünen. – Heiterkeit bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Ich würde Sie bitten, wirklich ein wenig dazu zu sagen. – Bitte.
Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (fortsetzend): Herr Präsident, sie ist sehr im Zusammenhang (Abg. Michael Hammer: Na geh, jetzt gib a Ruh’! – Abg. Steinacker: Das ist ja ... jetzt stell die Frage!), weil von der Leyen aufgrund dieser Hochskalierung in einem persönlichen Beschaffungsstil (Abg. Michael Hammer: Frage!) um 35 Milliarden Euro 1,8 Milliarden Pfizer Impfstoffdosen bestellt hat und die Staatsanwaltschaft gegen sie ermittelt. Wieso unterstützen Sie trotzdem die Wiederwahl von von der Leyen? (Abg. Steinacker: Sie hat sicher keine persönliche Beschaffung gemacht!)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.
Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Ihre Frage, Herr Abgeordneter, hat ja ganz viele Ebenen. Ich möchte versuchen, in der 1 Minute, die mir bleibt, vielleicht einen Anreiz für Sie darzubieten.
Die österreichische Bundesregierung ist die einzige von jenen der 27 EU-Mitgliedstaaten, die sämtliche Coronamaßnahmen sozialwissenschaftlich hat aufarbeiten lassen – von der Akademie der Wissenschaften. (Abg. Belakowitsch: Was genau hat der Bundeskanzler in der Europäischen Union ...?) Der Bericht liegt umfassend vor. Er betrifft alle wesentlichen Bereiche – Politik, Medien, Wissenschaft – und er ist sehr lehrreich für die Zukunft. (Abg. Hauser zeigt die Tafel mit der Überschrift „Lagezentrum des RKI, Protokoll des Covid-19-Krisenstabs“ erneut in Richtung Bundeskanzler Nehammer.)
Das, Herr Abgeordneter, bei dem ich Ihnen nicht folgen kann und bei dem ich es auch nach wie vor für einen schweren Fehler halte, dass Sie diese Position vertreten, ist:
Ich habe bei meinen unzähligen Besuchen in Intensivstationen und im Austausch mit dem Pflegepersonal, den Ärztinnen und Ärzten – die würden jetzt bei dieser Zahl, die Sie mir da zu nennen versuchen, oder Ihren Ausführungen einfach nur entsetzt den Kopf schütteln (Abg. Hauser zeigt eine Tafel mit der Überschrift „EU-Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Von der Leyen“ in Richtung Bundeskanzler Nehammer) – erlebt, welche Leistung die Pflegerinnen und Pfleger und Ärztinnen und Ärzte erbracht haben.
Ich halte es nach wie vor für einen schweren Fehler, Corona in dieser Form zu verharmlosen, und ich würde auch davor warnen, denn Pandemien sind ernst zu nehmen. Die Bedrohung war ernst. Es sind viel zu viele Menschen gestorben. Ich alte es für redlich und wichtig, dass politisch Verantwortliche alles tun, um Menschenleben zu retten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Michael Hammer: Der letzte Schwurblertag heute!)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Nächste Anfrage: Abgeordneter Reimon. – Bitte.
Abgeordneter Michel Reimon, MBA (Grüne): Herr Bundeskanzler, bei meiner Frage geht es um Viktor Orbán. Aber: Auf das muss man dann auch noch eingehen, auf seinen neuen Kooperationspartner.
Viktor Orbán hat die Ratspräsidentschaft übernommen, und die Ratspräsidentschaft hat die Politik der Europäischen Union neutral – als neutraler Mittler – zu führen. Jetzt gibt es ein Rechtsstaatlichkeitsverfahren gegen Ungarn, dass Viktor Orbán nun selbst durchführen sollte.
Jetzt möchte ich Sie fragen, wie Sie es einschätzen, dass Orbán ein neutraler Vermittler im Interesse der Union bei seinem eigenen Verfahren sein wird.
Das lässt mir jetzt keine Wahl, da muss man nachlegen: Er hat zwei Signale in den ersten Tagen seiner Präsidentschaft gesetzt, die überhaupt nicht einer neutralen Vermittlung oder einer neutralen Mittlerschaft entsprechen. Er hat
unmittelbar vor der Übernahme der Ratspräsidentschaft eine Arbeitsgemeinschaft mit zwei rechten, rechtsextremen faschistoiden Parteien geschlossen und geht so in die Ratspräsidentschaft. (Rufe bei der FPÖ: Geh bitte! – Abg. Steger: Herr Präsident! Herr Präsident, das ist ein Ordnungsruf! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ. – Ruf bei den Grünen: Wieso?) Wie glauben Sie, dass er fähig ist, ein neutraler Mittler zu sein?
*****
Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 391/M, hat folgenden Wortlaut:
„Welche Maßnahmen werden Sie innerhalb der EU ergreifen, damit das Artikel-7-Verfahren gegen Ungarn weiterhin unter der ungarischen EU-Präsidentschaft gewissenhaft fortgesetzt bzw im Fall unseres gemeinsamen Nachbarlandes Slowakei eingeleitet wird?“
*****
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich bitte Sie, den Ausdruck faschistoid zurückzunehmen, weil ich sonst einen Ordnungsruf erteilen muss. (Abg. Wurm: ... ist ein Wahnsinniger, ist ein Geistesgestörter! Du bist ein Geistesgestörter!)
Abgeordneter Michel Reimon, MBA (Grüne): Herr Präsident, ich habe eben recherchiert und sage bewusst nicht faschistisch. Ich nehme ihn nicht zurück. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte. (Abg. Wurm: ... ein Geistesgestörter, schwer angeschlagen! Seit Corona bist du schwer angeschlagen! – Abg. Steger: Für die Würde des Hauses ist es gut, dass Sie bald nicht mehr herinnen sitzen! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ. – Der Präsident gibt das Glockenzeichen.)
Der Herr Bundeskanzler hat das Wort!
Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Zum einen, Herr Abgeordneter - - (Abg. Maurer: Ordnungsruf! – Abg. Reimon – in Richtung Abg. Maurer –: Lasst ihn! Ist eines Ordnungsrufes nicht würdig! – Ruf bei den Grünen: Ein Witz eigentlich! – Zwischenrufe bei FPÖ und Grünen. – Abg. Belakowitsch: Ein Witz seids schon ihr! –Zwischenrufe bei FPÖ und ÖVP.)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, wir sind nicht im Wahlkampf! (Heiterkeit und Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.) – Nein, hier herinnen nicht. Es geht um die Beantwortung von Fragen. (Abg. Hoyos-Trauttmansdorff: Also wenn Sie die Antworten des Bundeskanzlers hören, ist das Wahlkampf!) – Herr Bundeskanzler, bitte.
Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc (fortsetzend): Sehr geehrter Herr Abgeordneter, zum einen: Aus meiner Sicht ist es klar: Es darf bei der Thematik Rechtsstaatlichkeit keine Kompromisse geben. Der Ratsvorsitz ist verpflichtet, als ehrlicher Makler zu agieren und während des Vorsitzes europäische Interessen in den Vordergrund zu stellen. Das gilt dann natürlich auch für Ungarn.
Außerdem kann ein Vorsitz in dieser Rolle nicht alleine agieren. Es gibt beispielsweise Vorprozesse für die Annahme von Tagesordnungen. Diese werden ja auch im Ausschuss der Ständigen Vertreter besprochen. Es gibt also auch da Checks and Balances.
Bei der letzten Anhörung Ungarns im Rahmen des Artikel-7-Verfahrens im RAA Ende Juni hat Ungarn mehrmals seine Bereitschaft bekundet, mit der Kommission zusammenzuarbeiten.
Ich möchte auch darauf hinweisen, dass man immer wieder darauf achten muss, dass Viktor Orbán in Ungarn oft anders auftritt als dann in Brüssel im Rat. Was ich damit meine, ist, dass er dort deutlich kompromissbereiter und auch kooperationsbereiter ist, er allerdings in Ungarn sozusagen in seiner Sprache und in seiner nationalen Politik andere Akzente setzt.
Ich gehe aber davon aus, dass sich auch der ungarische Vorsitz an die Vorgaben des Rechtsstaates, an die Rechtsstaatlichkeit und an die Verträge der Europäischen Union halten wird.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.
Abgeordneter Michel Reimon, MBA (Grüne): Ich möchte das noch einmal vertiefen: Sie haben eben zu Recht gesagt, dass er die gemeinsame europäische Politik umzusetzen hat. Nun ist er am zweiten Tag seiner Ratspräsidentschaft in die Ukraine gefahren – deswegen auch der Anschluss an den Beitrag der FPÖ zuvor –, hat dort Putins Position zu Friedensverhandlungen, nämlich einen Waffenstillstand, der die Gebietsgewinne bei Putin lässt, gegenüber der Ukraine vertreten. (Ruf bei der ÖVP: Waren Sie dabei?)
Er widerspricht damit sowohl der österreichischen Position als auch der Position der überwiegenden Mehrheit der EU-Staaten. Er macht das bewusst am zweiten Tag seiner Ratspräsidentschaft, nicht in all den Monaten davor. Wie werden Sie vorgehen, wenn Viktor Orbán weiter so gegen die Regeln der Ratspräsidentschaft verstößt, er sie schlicht und einfach nicht einhält? (Abg. Steger: Das ist ein souveräner Staat, er kann sehr wohl hinfahren und Gespräche führen! – Ruf bei den Grünen: Sie sind nicht gefragt!)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die Antwort, bitte. (Abg. Reimon: Absolut, das kann er, aber nicht als Ratspräsident! Dann kann er fragen, wer das ...! – Abg. Steger: Ich weiß schon, dass die EU das nicht akzeptieren will!)
Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Es gibt ja dazu auch schon eine Stellungnahme des Ratspräsidenten Charles Michel, der klar festgestellt hat, dass Viktor Orbán bei seiner Reise nach Russland, nach Moskau kein offizielles Mandat der EU vertreten hat.
Persönlich, sage ich, ist mir der österreichische Weg, den wir einschlagen, deutlich lieber. Es freut mich sehr, dass seit über 40 Jahren erstmals ein indischer Premier nach Österreich kommt. Indien ist ein wichtiger Partner, Indien gehört
zu den Brics-Staaten. Indien ist vor allem auch ein Land, das großen Einfluss auf die Russische Föderation hat. Wir sind eines der Länder, die Modi aufsucht, nachdem er in Moskau war. Das heißt, unsere Bemühungen zahlen sich aus: Wenn wir einen der großen Player unter den Brics-Staaten zu Gast haben – Indien zählt mit immerhin über 1,3 Milliarden Einwohnern zu den ganz großen, gemessen am Bevölkerungsschlüssel –, haben wir Chancen, tatsächlich als Brückenbauer aufzutreten, um gemeinsam Rahmenbedingungen zu finden, damit Frieden einkehren kann.
Konkret zu Ihrer Frage: Viktor Orbán hat kein offizielles Mandat der EU gehabt, das wurde auch vonseiten der EU klargestellt. (Abg. Reimon: Danke!)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Abgeordneter Hoyos-Trauttmansdorff. – Bitte.
Abgeordneter Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Sie kennen die Geschichte des furchtbaren Angriffskrieges auf die Ukraine, Sie kennen auch die Diskussion um unsere Österreichische Sicherheitsstrategie, die damit gestartet worden ist. Sie war ja durchaus schon davor zu überarbeiten, insbesondere der Passus – aber nicht nur der – betreffend die Partnerschaft mit dem gleichberechtigten strategischen Partner Russland. Sie ist aber auch darüber hinaus veraltet.
Wir wissen, die Sicherheitslage hat sich massiv verändert. Sie haben dann – nach Druck von uns und anderen Oppositionsparteien – angekündigt, die ÖSS zu überarbeiten, haben als Deadline den 31.12. des Vorjahres angegeben. Sie wollten dann – das haben Sie gemeinsam mit den Grünen angekündigt – einen parlamentarischen Prozess dazu aufsetzen, damit wir, was ja notwendig ist, diese Sicherheitsstrategie auf breite Beine stellen.
Jetzt ist es so, dass die Österreichische Sicherheitsstrategie nach wie vor nicht da ist; inzwischen geht es sich aber zeitlich auch gar nicht mehr aus, diesen parlamentarischen Prozess zu starten. Deswegen ist meine Frage: Wie schaut es
mit der Einigkeit insbesondere im Kapitel Energiesicherheit aus? Wann kommen Sie dazu, die Österreichische Sicherheitsstrategie hier zu präsentieren?
*****
Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 389/M, hat folgenden Wortlaut:
„Können Sie angeben, wann Sie zusammen mit Ministerin Gewessler eine Einigung bezüglich der Energiesicherheit in der Sicherheitsstrategie erreichen werden, um dieses Thema, wie von Ihnen versprochen, in einem eigens dafür geschaffenen Unterausschuss parteiübergreifend und öffentlich zu diskutieren und so einen breiten gesellschaftlichen Konsens zu erzielen?“
*****
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.
Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Herr Abgeordneter, Sie haben völlig recht, dass sich die Sicherheitslage dramatisch verändert hat. Die österreichische Bundesregierung hat dieser dramatischen Veränderung auch Rechnung getragen, indem sie das Verteidigungsbudget deutlich erhöht hat, indem sie neue Initiativen unterstützt, wie den Beitritt zum Raketenschutzschirm Sky Shield, der aus meiner Sicht zukünftig eine deutliche Verbesserung der Sicherheitslage bringen wird. Es ist eben auch für neutrale Staaten möglich, ihre Sicherheitsinteressen wahrzunehmen.
Es gibt nach wie vor ein klares Bekenntnis der Bundesregierung, diese Sicherheitsstrategie zu überarbeiten. Der Prozess ist tatsächlich weitgehend abgeschlossen, es gibt aber ein Kapitel, über das noch intensiv verhandelt wird, das ist das Kapitel Energiesicherheit.
Wenn Sie mich persönlich fragen: Natürlich wäre es mir lieber, wir hätten sie schon fertiggestellt, aber das, was ich den Österreicherinnen und Österreichern versichern kann, ist, dass wir die Zeichen der Zeit sehr ernst genommen haben.
Wir haben stark in die militärische Landesverteidigung investiert, wir haben neue Allianzen gebildet – soweit das für ein neutrales Land möglich ist –, um auch abseits der Sicherheitsstrategie mehr Sicherheit für die Österreicherinnen und Österreicher zu gewährleisten.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage, Herr Abgeordneter? – Bitte.
Abgeordneter Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS): Ich möchte nur anmerken, dass das Budget das Parlament beschlossen hat und nicht die Bundesregierung. Das ist, glaube ich, ein feiner, aber wichtiger Unterschied.
Im Zuge der Erarbeitung der Sicherheitsstrategie geht es natürlich auch immer um das Thema Spionage, um russische Spionage – auch das ist ein großes Thema. Wir wissen seit spätestens Anfang dieser Woche, dass der Mord an einem Piloten, der von Russland zur Ukraine übergelaufen ist, zumindest was die Finanzierung betroffen hat, aus Österreich gesteuert wurde. Hier wurde höchstwahrscheinlich das Geld an die Auftragsmörder, die ihn umgebracht haben, übergeben.
Sie haben beziehungsweise die Justizministerin hat angekündigt, den Spionageparagraphen zu überarbeiten. Ich weiß nicht genau, wie Ihre Position dazu ist und wo dieses Projekt steht. Das ist höchst wichtig, um Spionage im Zentrum der Spionage – wie Wien oft bezeichnet wird – zu unterbinden und da auch klare Kante zu zeigen.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.
Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Vielleicht noch eine Ergänzung zu Ihrer Klarstellung: Es ist richtig, dass das Parlament das beschließt, aber genauso einigt sich die Regierung einstimmig darauf, dass solche Vorhaben als Regierungsvorlage dann im Parlament beschlossen werden. So gesehen haben wir beide ein Stück weit recht.
Der Kampf gegen die Spionage ist für uns ganz wesentlich und wichtig. Wir sehen vor allem, dass die Russische Föderation auch bereits massiv in die österreichische Demokratie eingegriffen hat. Man sieht das anhand der Erkenntnisse aus den letzten Ermittlungen. Wir haben mehrfach Diplomaten ausgewiesen, die der Militärspionage in Österreich verdächtigt werden. Wir sind da in enger Abstimmung mit wichtigen westlichen Verbündeten wie den Vereinigten Staaten von Amerika und dem Vereinigten Königreich, die da mehr als unterstützend wirken.
Wir arbeiten tatsächlich an der Verschärfung des Spionageparagraphen, auch im Sinne dessen, dass das mehr Sicherheit für die Republik bedeutet, das aber auch zu unserem Vernetztsein mit anderen westlichen Partnerdiensten beiträgt. Das, was ich gerade beschrieben habe, kann ich Ihnen zum Prozess mitteilen.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Abgeordneter Gödl. – Bitte sehr.
Abgeordneter Mag. Ernst Gödl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Migration im Allgemeinen und illegale Migration im Speziellen war, ist und bleibt eine große Herausforderung für ganz Europa. Es hat sich vor allem im letzten Jahr gezeigt, dass in Österreich – im Verhältnis zu vielen anderen europäischen Staaten – die Asylantragszahlen stark gesunken sind.
Ich darf an Sie daher die Frage richten:
„Welche Maßnahmen haben Sie gemeinsam mit dem Innenminister gesetzt, um zu erreichen, dass – gemessen am EU-Durchschnitt – die Asylantragszahlen in Österreich tatsächlich sinken?“
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.
Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Danke für die Frage, Herr Abgeordneter. Während in anderen Mitgliedstaaten und Nachbarländern wie Italien, aber auch den Niederlanden oder der Schweiz die Asylantragszahlen steigen, haben wir in Österreich einen gegenteiligen Trend einleiten können: Bei uns sinken sie nämlich.
Um das zu erreichen, war es notwendig, ein Bündel an Maßnahmen zu ergreifen. Es wurde einerseits die Schlepperei bekämpft, und andererseits – das ist damit verbunden – auch die organisierte Kriminalität. Wir haben sehr strenge Grenzkontrollen durchgeführt, auch mittels polizeilicher Kooperationen.
Es ist uns gelungen, illegale Grenzübertritte von Ungarn Richtung Österreich – Sie wissen, das war einer der Hauptschwerpunkte der illegalen Migration – um 93 Prozent zu reduzieren.
Es konnte durch die polizeilichen Maßnahmen erreicht werden, dass an die 725 Schlepper festgenommen worden sind. Die starke Polizeipräsenz und die ermittlungstaktischen Maßnahmen haben dazu geführt, dass die Schlepper mittlerweile einen Bogen um Österreich machen. Wir müssen diesen Weg der konsequenten Sicherheitskooperation mit unseren Nachbarstaaten einerseits und des Einsatzes der österreichischen Polizei und auch des österreichischen Bundesheeres andererseits weiter verstärken.
Zum anderen haben wir beim Familiennachzug eine deutliche Reduzierung erreicht, indem wir die Kontrollen deutlich angezogen haben. Es gibt jetzt verpflichtende DNA-Tests, die durchzuführen sind, um die Familienzugehörigkeit tatsächlich auch nachzuweisen.
Was auch wichtig ist, sind konsequente Abschiebungen. Wir haben neue Vereinbarungen treffen können, wir haben mit Ländern, mit denen die Kooperation schwierig war, Rücknahmen von Straftätern vereinbart. Die Kooperation dahin gehend hat sich deutlich verbessert. Ich denke nur an das Rückübernahmeabkommen und an den Kooperationsvertrag mit Marokko.
Daraus hat sich eine ausgezeichnete wirtschaftliche Partnerschaft und darüber hinaus eine Sicherheitspartnerschaft entwickelt.
Der Schlüssel zum Erfolg wird aber sein – und das ist ein Bohren harter Bretter –, dass wir weiter daran arbeiten, gemeinsam mit mittlerweile 15 Verbündeten in der Europäischen Union Asylverfahren in sicheren Drittstaaten durchzuführen, um so tatsächlich den Druck von den Außengrenzen zu nehmen.
Es braucht gerade auch am Westbalkan die ständige Kooperation und das ständige Engagiertsein. Dort treten immer wieder neue Problemfälle auf, zum Beispiel wenn es eine Visaliberalisierung gibt, die sich dann wieder in erhöhten Migrationszahlen in Österreich niederschlägt. Da braucht es vertrauensvolle Zusammenarbeit und ein Einwirken auf die Staaten. Wir konnten zum Beispiel deutliche Reduktionen erreichen, indem die betreffenden Staaten diese Visaliberalisierung wieder zurückgenommen haben. (Beifall bei der ÖVP.)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Keine.
Frau Abgeordnete Herr kommt als nächste Fragende dran. – Bitte sehr, Frau Abgeordnete.
Abgeordnete Julia Elisabeth Herr (SPÖ): Guten Morgen, Herr Bundeskanzler! Die EU-Kommission hat in einem Brief an das Finanzministerium festgehalten, dass sich in Österreich bis 2028 ein Budgetloch von mehr als 10 Milliarden Euro beziehungsweise bis zu 12 Milliarden Euro auftun wird, dass es also notwendig ist, 10 bis 12 Milliarden Euro einzusparen, um auf den Pfad zu kommen, der mit den EU-Fiskalregeln tatsächlich kompatibel ist. Das deckt sich mit den Aussagen des Chefs des österreichischen Fiskalrates, der auch schon gesagt hat, die kommende Regierung wird höchstwahrscheinlich ein Sparpaket schnüren müssen.
Wir wissen aus der Vergangenheit: Wenn ÖVP und FPÖ regieren, dann kommt meistens ein Sparpaket bei Pensionen, bei Gesundheit und beim Wohnen. Als SPÖ sind wir der Meinung, dass die Menschen vor der Wahl ein Recht darauf
haben, zu erfahren, wie dramatisch denn tatsächlich die Situation um das Budget ist und was nach der Wahl auf sie zukommt.
Deshalb meine Frage: Werden Sie sich angesichts dieser aktuell wirklich schwierigen Budgetsituation, die Sie hinterlassen, und der Aussagen des Fiskalrates und der EU-Kommission dafür einsetzen, dass es noch vor der Wahl einen Kassasturz gibt und dass die Wähler und Wählerinnen dann wirklich wissen, wie es um das Budget steht? (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Michael Hammer: So ein Einsatz, da wird schon für Fragen geklatscht!)
*****
Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 387/M, hat folgenden Wortlaut:
„Werden Sie sich angesichts der aktuellen Budgetsituation, der Aussagen des Fiskalrats sowie der Mitteilung der EU-Kommission dafür einsetzen, dass der Finanzminister noch vor der Nationalratswahl einen Kassasturz macht und den Menschen sagt, wie groß die Lücke im Budget ist?“
*****
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundeskanzler.
Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Danke für die Frage, Frau Abgeordnete! Zum einen eine inhaltliche Klarstellung, die, glaube ich, wichtig ist: Sie werden sehen, dass in den letzten Jahren besonders darauf geachtet worden ist, dass Menschen mit geringeren Einkommen und in schwierigen sozialen Situationen in besonderem Maß unterstützt worden sind, in Verbindung mit einer Entlastung derjenigen, die fleißig sind, die viel arbeiten, die diesen solidarischen Wohlfahrtsstaat erhalten. Es braucht beides zusammen. Ich glaube, ein Blick ins Detail lohnt sich und lässt Sie Ihre doch sehr kritische Sichtweise vielleicht auch überdenken.
Zum anderen: Das Finanzministerium übermittelt ja – das wissen Sie als Abgeordnete – monatlich einen Budgetbericht, der die Budgetsituation genau darstellt, und dieser monatliche Budgetbericht ist auch öffentlich abrufbar, er ist auf der Website des Finanzministeriums einsehbar. Auch der von Ihnen angesprochene Brief, Frau Abgeordnete, wurde ja wie vom Hohen Haus gewünscht an den Nationalrat übermittelt und ist ebenfalls auf der Website des Finanzministeriums veröffentlicht.
Zu dem Brief gibt es ein angehängtes Begleitschreiben des Finanzministers an den Budgetausschuss. Darin wird klar ausgeführt, wie weiter vorgegangen wird.Ich unterstütze jedenfalls das Vorgehen des Finanzministers. (Beifall bei der ÖVP.)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.
Abgeordnete Julia Elisabeth Herr (SPÖ): Gut, einen allumfassenden Kassasturz wird es also nicht geben.
Ich komme zu meiner Zusatzfrage: Für einen Teil des Budgetlochs waren ja auch die hohen Cofag-Förderungen, die ausbezahlt wurden, verantwortlich. Wenn wir uns jetzt anschauen, wie viel Österreich im Vergleich mit Deutschland ausgeschüttet hat, dann sehen wir, dass Österreich pro Kopf gerechnet doppelt so viele Förderungen wie Deutschland ausgeschüttet hat, dass diese Förderungen aber zu Gewinnen von Unternehmen wurden, es also wirklich auch zu einer Überförderung gekommen ist – das hat auch der Rechnungshof bestätigt.
Auch in der Teuerungskrise haben Sie 1,6 Milliarden Euro an Energiehilfen ausbezahlt; 1,4 Milliarden Euro davon – also der überwiegende Teil – sind ebenfalls eins zu eins in die Unternehmensgewinne geflossen.
Sind Sie bereit, dieses Geld, das ja von den Steuerzahlern und Steuerzahlerinnen finanziert wurde und in die Gewinne von Unternehmen gesteckt wurde, zurückzuholen? (Beifall bei der SPÖ.)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundeskanzler.
Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Zum einen, Frau Abgeordnete, handelt es sich, wenn wir über das Budget sprechen, ja immer um Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, ansonsten würde es sich ja nicht als solches darstellen.
Auf der einen Seite ist es so, dass die Bundesregierung das Ziel hatte, in einer sehr schweren Zeit sehr rasch zu helfen, und gleichzeitig hat sie den Anspruch – der wird auch schon umgesetzt –, dort, wo es tatsächlich zu Überförderungen gekommen ist, diese auch wieder zurückzufordern.
Aus meiner Sicht ist es aber wichtig, auch festzuhalten, dass es durch diese Maßnahmen in Summe gelungen ist, den Wirtschaftsstandort Österreich deutlich besser zu stabilisieren als jenen der Bundesrepublik Deutschland. Sie sehen gerade jetzt die großen Probleme der Ampelkoalition, Sie sehen gerade jetzt in der wirtschaftlichen Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland Riesenherausforderungen. Wären wir nicht in der Zwischenzeit doch auch wieder um ein deutlich größeres Maß gestärkt, hätten wir noch größere Probleme.
Erinnern Sie sich an den alten Spruch, der leider oft wahr geworden ist: Hat die deutsche Wirtschaft einen Schnupfen, dann bekommt Österreich die Grippe. – In diesem Fall ist es Gott sei Dank noch abgewendet worden. Das heißt: Wir haben tatsächlich herausfordernde Zeiten, aber ohne die Investitionen gegen die Krise wären Arbeitsplätze massiv gefährdet gewesen.
Erinnern Sie sich daran: Cofag-Hilfen sind ja zum Beispiel auch für Kurzarbeit ausbezahlt worden, also um Arbeitsplätze zu sichern und dann in weiterer Folge wieder ein Wirtschaften und Investieren in Österreich – in den Unternehmensstandort und damit in den Arbeitsplatzstandort Österreich – zu ermöglichen. (Beifall bei der ÖVP.)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Abgeordnete Steinacker. – Bitte sehr.
Abgeordnete Mag. Michaela Steinacker (ÖVP): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Ich beginne mit der Feststellung, dass wir grundsätzlich durch Statistiken belegt vorfinden, dass die Straftäter immer jünger werden. Es gibt die meisten Anzeigen, die es jemals gegeben hat – die Anzeigen sind auf dem Höchststand – gegen Straftäter, die zehn bis 14 Jahre alt sind, Straftäter, die aber nicht nur kleine Delikte begehen, sondern wir sprechen da von schweren Delikten: Wir sprechen von Raub, wir sprechen von Vergewaltigung, wir sprechen von Erpressung, wir sprechen von Messerstechereien mit schweren körperlichen Folgen, schweren Körperverletzungen.
Den Staatsanwaltschaften und den Gerichten sind die Hände gebunden, weil sie diese jugendlichen Straftäter zwischen zehn und 14 Jahren eben nicht verfolgen können. Wenn ich daran denke, was bei dem schweren sexuellen Missbrauch an dem zwölfjährigen Mädchen, das von 18 Tätern vergewaltigt wurde, geschehen ist: Zwei davon sind unter 14 Jahre und können strafrechtlich nicht verfolgt werden. Andere Täter, die Schutzgelderpressungen machen, werden angestiftet, gerade damit sie nicht verfolgt werden können.
Ich darf Ihnen, Herr Bundeskanzler, folgende Frage stellen:
„Welche Maßnahmen setzt die Bundesregierung bzw. welche Maßnahmen sind derzeit in Planung, um den Anstieg von Delikten von strafunmündigen Jugendlichen, wie wir ihn derzeit besonders in Wien – Stichwort Reumannplatz – beobachten müssen, zu verhindern und unsere Sicherheit zu gewährleisten?“
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundeskanzler.
Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Sie haben völlig recht, Frau Abgeordnete: Da gilt es, zu handeln. Es ist inakzeptabel, dass diese Zunahme an Straftaten in
vielen Fällen ohne Konsequenz bleibt, weil eben das Strafalter mit 14 festgelegt ist. Es braucht aus unserer Sicht neben vielen anderen Maßnahmen auch eine Senkung des Strafalters.
Kommen wir aber zu den Maßnahmen, die sonst noch notwendig sind: Es gab von mir mehrere Aufträge, einerseits an die Verfassungsministerin, andererseits auch an den Innenminister. In der Zuständigkeit des Innenministers wurde zum Beispiel die Einsatzgruppe Jugendkriminalität aufgestellt, die bereits Schwerpunktaktionen in sogenannten Brennpunktzonen durchführt, es wurden auch Waffenverbotszonen eingeführt, beispielsweise am Reumannplatz, den Sie vorhin genannt haben, mit dem Ergebnis – ich konnte mich selbst vor Ort davon überzeugen –, dass die Straftaten dort deutlich zurückgegangen sind und sich die Menschen – das ist aus meiner Sicht so besonders wichtig –, besonders auch Frauen, im öffentlichen Raum wieder deutlich sicherer fühlen.
Es braucht trotzdem weitere Maßnahmen. Aus meiner Sicht müssen auch die Eltern stärker in die Pflicht genommen werden. Ein Vorschlag ist daher beispielsweise die Einführung einer polizeilichen Regelbelehrung für Kinder und Jugendliche, die Straftaten begangen haben, mit verpflichtender Teilnahme der Eltern, um auch die Verantwortung sichtbarer zu machen, die Eltern nun einmal für ihre Kinder haben.
Es braucht auf der anderen Seite eben diese strafrechtlichen Konsequenzen, von denen wir gesprochen haben, natürlich entsprechend dem Alter der Straftäter. Es braucht diese Konsequenzen, daher ist die Senkung des Alters der Strafmündigkeit auf zwölf Jahre nach wie vor mein Ziel. Es geht darum, dass wir gemeinsam für mehr Sicherheit sorgen. Diese Rechtslücke, die jetzt besteht, ist zu schließen, weil es eben ein faktenbasierter Befund ist, den Sie angesprochen haben. Es geht nicht um überzogene politische, parteitaktische Strategie, sondern tatsächlich um mehr Sicherheit für die Menschen.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.
Abgeordnete Mag. Michaela Steinacker (ÖVP): Ja, die formuliere ich kurz und knackig: Welche Maßnahmen planen Sie, Herr Bundeskanzler, generell in Bezug auf Straftäter aus Drittstaaten?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundeskanzler.
Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Auch dazu gibt es eine ganz klare Haltung von mir als Bundeskanzler, die hatte ich auch schon damals als Innenminister: Wer sein Gastrecht hier durch eine Straftat verletzt und damit auch das Gastrecht in unserem Land missbraucht, hat aus meiner Sicht in unserem Land nichts mehr zu suchen. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)
Es geht um die rasche Rückführung von Straftätern, deswegen braucht es diese Übereinkommen mit vielen Partnern. Ich habe daher immer den Weg unterstützt, den die Europäische Union jetzt eingeschlagen hat, sei es mit Vereinbarungen mit der Türkei, Ägypten, Tunesien, aber auch wie wir selbst mit Marokko, um Straftäter rascher tatsächlich rückführen zu können, aber auch mit Modellen, nach denen Straftäter Haftstrafen dann auch in Drittstaaten verbüßen können. Auch da gibt es bereits Versuche, dass man dafür Kooperationsstaaten findet.
Das Wesentliche dabei ist, dass wir einen Paradigmenwechsel vornehmen: Länder, die mit uns kooperieren, brauchen immer auch einen wirtschaftlichen Anreiz, brauchen Wertschätzung und Respekt im Umgang miteinander. Sie wollen nicht auf ein Thema wie das Thema Migration reduziert werden. In Summe gelingt es uns aber, wenn wir wirtschaftliche Kooperationen und Ausbildungskooperationen eingehen können, tatsächlich auch mehr Kooperation im Sicherheitsbereich zu erreichen.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Eine Zusatzfrage stellt Frau Abgeordnete Belakowitsch. – Bitte.
Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Guten Morgen, Herr Bundeskanzler! Sie haben gerade gesagt, Sie würden so gerne das Alter der
Strafmündigkeit senken. Herr Bundeskanzler, das möchten Sie vielleicht schon lange, aber es ist Ihre ÖVP gewesen, die das hier herinnen immer verhindert hat, immer blockiert hat. Wir haben diese Problematik bereits mehrmals auf die Agenda gesetzt.
Sie wissen aber auch, dass genau diese Straftaten von Jugendlichen, aber auch von älteren Tätern aus Drittstaaten Folge einer Migration sind, die völlig unkontrolliert gewesen ist. Vor wenigen Minuten haben Sie Abgeordnetem Gödl erklärt, wie grandios Sie nicht die Asylzahlen vom Höchststand wieder runtergebracht haben. Mag sein, dass sie von einem Höchststand gesunken sind – allerdings weniger stark als Ihre Umfragewerte –, aber, Herr Bundeskanzler, seit dem Jahr 2020 sind Illegale in einer Anzahl von mehr als 230 000 Personen in das Land eingedrungen – Sie sind seit fünf oder nahezu fünf Jahren Mitglied dieser Bundesregierung, zuerst als Innenminister, jetzt als Kanzler –, das ist eine Größenordnung, die nahezu der Größe der Stadt Linz entspricht.
Herr Bundeskanzler, sind Sie tatsächlich der Meinung, Sie haben da für die österreichische Bevölkerung Gutes getan?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundeskanzler.
Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Zum einen, Frau Abgeordnete, ist es, glaube ich, wichtig, in der Diskussion redlich zu sein. Ja, illegale Migration ist eine große Herausforderung – nicht nur für Österreich, sondern für die Europäische Union. Wie Sie wissen, verdient die organisierte Kriminalität ein Vermögen mit dem Schicksal von Menschen, und es ist tatsächlich unser gemeinsames Ziel, die organisierte Kriminalität zu zerschlagen und damit den Menschenschmuggel und auch den Menschenhandel deutlich zu dämpfen, im besten Falle sogar zu verhindern.
Das, was Sie aber auch sehen – und deswegen sage ich, dass Redlichkeit angebracht ist –: Sie haben einen Klubobmann in Ihren Reihen, der selbst
Innenminister war, und an den Zahlen, Daten und Fakten sehen Sie, dass auch in seiner Zeit die Zahl der Anerkennungen hoch war, zum Teil höher waren als unter Innenminister Karner. (Abg. Belakowitsch: ... das war 2015!) Also ich glaube, es ist wichtig, darüber redlich zu befinden. Ich glaube nicht, dass es nützt, sich in Polemik zu verlieren, sondern es gilt, tatsächlich konkrete Maßnahmen zu setzen.
Was es dafür braucht, ist die Kooperation mit Drittstaaten – das ist das, was ich vorhin angesprochen habe –, deswegen unterstützen wir den Türkei-Deal, den Libanon-Deal, den Deal mit Tunesien, Ägypten und anderen. Wir müssen Asylverfahren in sicheren Drittstaaten erreichen, dafür braucht es internationale Politik und internationale Verbündete. Wir müssen das EU-Recht verändern, damit wir das auch tatsächlich durchführen können.
Es braucht eben ein Maßnahmenbündel, um tatsächlich eine Veränderung zu erreichen. Dann können wir beide hoffentlich zu dem Befund gelangen und feststellen, dass es nachhaltig gelungen ist, den Migrationsdruck Richtung Europäische Union – denn die Union ist ja in Summe davon betroffen – auch tatsächlich zu reduzieren.
Das, was mir wichtig war, ist: Durch die polizeilichen Kooperationen und Maßnahmen, die gesetzt worden sind, ist es tatsächlich erreicht worden, dass die Asylantragszahlen in Österreich deutlich zurückgegangen sind. (Beifall bei der ÖVP.)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Eine Zusatzfrage stellt Frau Abgeordnete Neßler. – Bitte.
Abgeordnete Barbara Neßler (Grüne): Guten Morgen, Herr Bundeskanzler! Alle Experten und Expertinnen sind einhellig der Meinung, dass nur Präventionsmaßnahmen gegen Jugendkriminalität wirksam sind, also dass angesetzt wird, bevor überhaupt etwas passiert.
Daher meine Frage: Welche Präventionsmaßnahmen wurden – neben dem breiten Kinderschutzpaket, das wir auf die Beine gestellt haben – im Bereich Bildung, Gesundheit, Sozialarbeit, Kinder- und Jugendhilfe gesetzt beziehungsweise welche Maßnahmen sollen noch gesetzt werden, um effektiv, ohne populistische Showpolitik, der Jugendkriminalität entgegenzutreten?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundeskanzler.
Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Frau Abgeordnete, ich stimme Ihnen völlig zu: Die Prävention ist grundsätzlich immer das Anzustrebende – denn dann ist ja die Straftat auch tatsächlich verhindert, indem sie nicht stattfindet.
Aus meiner Sicht braucht es aber zwei Dinge: Auf der einen Seite braucht es die Schließung einer Rechtslücke, weil wir feststellen, dass sich die Jugendkriminalität deutlich verändert, Straftaten auch wirklich in Form von Gewaltdelikten begangen werden, und wir auch dafür sorgen müssen, dass es dann für die Straftäter Konsequenzen gibt. Das ist aus meiner Sicht wichtig. Das hat aus meiner Sicht auch nichts mit Populismus zu tun, sondern ist unsere Verantwortung gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern.
Auf der anderen Seite – auch da gebe ich Ihnen Recht – ist es wichtig, immer in einem System zu denken. Es braucht aus meiner Sicht auf der einen Seite tatsächlich die Senkung des Alters der Strafmündigkeit, um Konsequenzen sichtbar zu machen, wenn jemand die Rechtsnorm verletzt, Menschen verletzt, und auf der anderen Seite braucht es aber die Prävention, die Sie angesprochen haben – und die gibt es und die findet statt, eben auch durch das Innenministerium mit der Polizei an Schulen. Es gibt Gewaltschutzbeauftragte an den Schulen – diese kommen sehr gut an, das muss aus meiner Sicht noch ausgebaut werden –, Polizistinnen und Polizisten, die in den Schulklassen mit den Schülerinnen und Schülern in den Dialog treten. Einerseits ist das wichtig, um auch die Berührungsängste zwischen Polizei und Jugend abzubauen – weil es wichtig ist, dass man sieht, dass man in der Polizei einen vertrauensvollen
Partner und keinen Gegner hat; das ist einmal das eine –, und auf der anderen Seite eben auch, weil das ein Problembewusstsein schafft.
Aus meiner Sicht können dazu auch noch mehr Initiativen gesetzt werden. Auch die Familienministerin hat viele Maßnahmen im Bereich des Gewaltschutzes gesetzt. Im Detail kann ich Ihnen diese dann gerne auch schriftlich nachreichen lassen. Worin wir aber, glaube ich, Verbündete sind, ist die Ansicht, dass in der Präventionsarbeit gar nicht genug getan werden kann, weil jede verhinderte Straftat eine ist, die dann tatsächlich nicht stattfindet. (Beifall bei der ÖVP.)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Danke schön.
Da alle Anfragen zum Aufruf gelangt sind, darf ich die Fragestunde für beendet erklären. Ich darf mich beim Herrn Bundeskanzler herzlich bedanken. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.
Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:
Eingelangte Verhandlungsgegenstände:
Schriftliche Anfragen: 19088/J bis 19117/J
Zurückziehung: 19051/J und 19052/J
Schriftliche Anfragen an den Präsidenten des Nationalrates:
*****
Fristsetzungsanträge
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Vor Eingang in die Tagesordnung teile ich mit, dass Herr Abgeordneter Kucher beantragt hat, dem Gesundheitsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 3921/A(E) eine Frist bis zum 8. Juli zu setzen.
Weiters hat Frau Abgeordnete Holzleitner beantragt, dem Ausschuss für Familie und Jugend zur Berichterstattung über den Antrag 4035/A(E) eine Frist bis zum 8. Juli zu setzen.
Ebenso hat Herr Abgeordneter Einwallner beantragt, dem Ausschuss für innere Angelegenheiten zur Berichterstattung über den Antrag 4019/A(E) eine Frist bis zum 8. Juli zu setzen.
Ich darf weiters mitteilen, dass Herr Abgeordneter Muchitsch beantragt hat, dem Ausschuss für Arbeit und Soziales zur Berichterstattung über den Antrag 3918/A eine Frist bis zum 8. Juli zu setzen.
Ebenso hat Herr Abgeordneter Schroll beantragt, dem Ausschuss für Wirtschaft, Industrie und Energie zur Berichterstattung über den Antrag 3976/A(E) eine Frist bis zum 8. Juli zu setzen.
Weiters teile ich mit, dass Frau Abgeordnete Tanzler beantragt hat, dem Unterrichtsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 2845/A(E) ebenfalls eine Frist bis zum 8. Juli zu setzen.
Herr Abgeordneter Kucher, Kolleginnen und Kollegen haben beantragt, dem Wissenschaftsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 1972/A(E) eine Frist bis zum 8. Juli zu setzen.
Ferner hat Frau Abgeordnete Kucharowits beantragt, dem Außenpolitischen Ausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 3954/A(E) eine Frist bis zum 8. Juli zu setzen.
Frau Abgeordnete Heinisch-Hosek hat beantragt, dem Gleichbehandlungsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 277/A eine Frist bis zum 8. Juli 2024 zu setzen.
Ebenso hat Frau Abgeordnete Becher beantragt, dem Bautenausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 3961/A(E) eine Frist bis zum 8. Juli zu setzen.
Die gegenständlichen Anträge werden gemäß der Geschäftsordnung nach Beendigung der Verhandlungen in dieser Sitzung zur Abstimmung gebracht werden.
Behandlung der Tagesordnung
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Es ist vorgeschlagen, die Debatten über die Punkte 4 und 5 sowie 6 und 7 der Tagesordnung zusammenzufassen.
Gibt es dagegen einen Einwand? – Das ist nicht der Fall.
Redezeitbeschränkung
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir haben in der Präsidialkonferenz Konsens über die Dauer der Debatten erzielt. Die Tagesblockzeit beträgt 8 „Wiener Stunden“, daher ergeben sich die Redezeiten wie folgt: Auf die ÖVP entfallen 156, auf die SPÖ 108, auf die FPÖ 88, auf die Grünen 80 und auf die NEOS 64 Minuten.
Gemäß § 57 Abs. 7 der Geschäftsordnung beträgt die Redezeit jener Abgeordneten, die keinem Klub angehören, für die gesamte Tagesordnung 32 Minuten; die Debattenredezeit beträgt je 5 Minuten.
Wir kommen gleich zur Abstimmung.
Wer mit den soeben dargestellten Redezeiten einverstanden ist, den bitte ich um ein dementsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig. Ich bedanke mich.
Wir gehen in die Tagesordnung ein.
Bericht des Gesundheitsausschusses über das Volksbegehren (2407 d.B.) „Impfpflichtgesetz abschaffen – Volksbegehren“ (2526 d.B.)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen zum 1. Punkt der Tagesordnung.
Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.
Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Saxinger. Bei ihm steht das Wort. – Bitte sehr, Herr Abgeordneter.
Abgeordneter Dr. Werner Saxinger, MSc (ÖVP): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren! Ich wünsche allen einen wunderschönen Morgen! Ich bin heute durch den Volksgarten gegangen, und da war eine ganz besondere Stimmung: Sommer, Sonne, und ich habe in fröhliche Gesichter geschaut. Ich wünsche mir für heute, dass diese gute Stimmung von draußen auch ein bisschen im Plenum zu spüren ist, dass man dieses konstruktive, friedliche Miteinander auch ein bisschen spürt, diese gute Stimmung vielleicht auch ein bisschen in den Reden zu spüren ist und sich auch im Tun abbildet. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP sowie der Abgeordneten Holzinger und Rössler.)
Zum Thema: Die Initiatoren des Volksbegehrens Impfpflichtgesetz abschaffen fordern die Abschaffung des COVID-19-Impfpflichtgesetzes durch das Parlament.
Wie wir wissen, sind Volksbegehren ja mittlerweile ein gutes Geschäftsmodell für die Initiatoren geworden: Bei über 100 000 Unterschriften – was zur Folge hat, dass es dann im Plenum behandelt wird – gibt es Geld, circa 17 000 Euro. Zur Erinnerung, was den Inhalt betrifft: Das Impflichtgesetz wurde längst abgeschafft, nämlich im Juli 2022. Eigentlich könnte ich jetzt meine Rede schon wieder beenden, aber vor der Wahl wird das natürlich wahltaktisch, parteipolitisch ein bisschen am Köcheln gehalten, deshalb gibt es natürlich schon einiges zu sagen.
Um ein bisschen darauf zu replizieren: Das Impfpflichtgesetz, das wissen wir alle, war ein Rahmengesetz. Es war nie wirksam. Es war damals die Ultima Ratio, wir haben es uns alle nicht leicht gemacht. Glücklicherweise sind dann mildere Omikronvarianten aufgetreten. (Abg. Stefan: Danach oder davor?) Es war auch nie ein Impfzwang, sondern eine Impfpflicht, und das Impfpflichtgesetz ist nie effektiv geworden. Retrospektiv ist man immer gescheiter, das ist bei allen Entscheidungen so – es war aber wie gesagt nie in Kraft. Und es gilt natürlich weiter: Die Impfung wirkt und schützt, nicht nur einen selbst, sondern auch Mitmenschen, und deswegen ist Impfen auch ein Akt der Solidarität. (Abg. Belakowitsch: Ja, ganz genau! Glauben Sie das jetzt immer noch?)
In diesem Volksbegehren sind zehn Punkte angeführt. Jeder dieser zehn Punkte kann medizinisch, wissenschaftlich widerlegt werden. Ich erwähne einige Punkte. Zum Beispiel steht bei Punkt vier, „Schwere Nebenwirkungen“: „Die Impfpflicht schadet [...] der Gesundheit der Bevölkerung.“ – Ja, es ist leider so, jede Impfung kann Nebenwirkungen haben, leider auch schwere, und jede Nebenwirkung ist eine zu viel. Unsere Prämisse war aber stets, und dazu stehen wir auch, Menschenleben zu schützen und die Überlastung unserer Spitäler und Intensivstationen zu verhindern.
Ein paar Zahlen und Fakten: Stand April 2021 wurden in Österreich 21 Millionen Covid-Impfungen verabreicht. Bisher wurden 2 300 Anträge nach dem Impfschadengesetz eingereicht, das ergibt eine Quote von 0,1 Prozent bei
schwerwiegenden Nebenwirkungen. 412 Anträge wurden nach dem Impfschadengesetz bewilligt, in 316 Fällen wurde eine einmalige Pauschalentschädigung gewährt und 78 Personen erhalten eine befristete beziehungsweise laufende Rentenzahlung.
Die Covid-Impfung hat unzählige Leben gerettet und viele Menschenleben geschützt. Ich wiederhole mich immer wieder: Die Covid-Impfung hat unsere Spitäler und Intensivstationen vor dem Kollaps bewahrt.
Ein besonderes Schmankerl für mich als Arzt ist Punkt zehn im Volksbegehren. Da steht in der Überschrift: „Es gibt bessere Alternativen“ als die Impfung. Was sind diese besseren Alternativen? – Ich zitiere: „Eine weitaus bessere Alternative“ als die Impfung „ist, mit gesunder Ernährung, Sonnenlicht (Vitamin D), Bewegung und psychische Entlastung für die Gesundheit der Menschen zu sorgen.“ – Diese Empfehlungen könnten wirklich aus der Feder von Klubobmann Dr. Dr. Dr. Kickl stammen. (Abg. Belakowitsch: Sehr wertschätzend! Ist das die gute Stimmung, die konstruktive? Sie sind wirklich konstruktiv! – Abg. Stefan: ... immer noch im Volksgarten?) Es ist nicht ganz falsch, diese Empfehlungen sind richtig – aber nicht statt der Impfung, sondern ergänzend zur Impfung. (Beifall bei der ÖVP.)
Sehr geehrte Damen und Herren! Das Impfpflichtgesetz ist seit zwei Jahren abgeschafft, ist derzeit kein Thema und eigentlich nur ein Wahlkampfthema. Ich wiederhole mich: Die Impfung wirkt und schützt. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)
10.43
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Silvan. – Bitte.
Abgeordneter Rudolf Silvan (SPÖ): Hohes Haus! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren hier auf der Galerie und zu Hause!
Einen recht herzlichen Dank erst einmal an die Menschen, die dieses Volksbegehren unterstützt haben, über 100 000 – herzlichen Dank dafür, dass Sie das Mittel der direkten Demokratie genützt haben.
Es ist doch ein bisschen verwunderlich, wie Kollege Saxinger vorhin schon gesagt hat, dass dieses Volksbegehren am 6. Juli 2022 zur Unterschrift aufgelegt wurde, obwohl schon Wochen vorher klar war, dass das Impflichtgesetz am 7. Juli wieder aufgehoben wird. Ich vermute da auch einen gewissen Geschäftssinn dahinter.
Um diese ganze Pandemie in Kürze Revue passieren zu lassen: Dieses Impfpflichtgesetz war so quasi der Höhepunkt des Coronamissmanagements dieser Regierung. Wir hatten einen Bundeskanzler, der, glaube ich, im Jahr 2020 über 200 Pressekonferenzen gegeben hat. Wir hatten einen Gesundheitsminister, der mit dem Spruch bekannt geworden ist: „Die nächsten zwei Wochen sind entscheidend“! Wir hatten eine FPÖ mit Kollegen Kickl, der im März 2020 eine härtere Gangart gegen Unverbesserliche gefordert hat und dann immer wieder gegen Maßnahmen der Regierung war. – Das alles hat insgesamt zu einer gewissen Impfskepsis geführt, dazu, dass auch bei anderen Impfungen die Impfbereitschaft generell zurückgegangen ist. (Abg. Belakowitsch: Da war schon eher die Impflicht dran schuld!)
Impfungen schützen Menschen, Impfungen haben in der Geschichte der Menschheit Krankheiten neutralisiert. Impfungen haben auch etwas mit der Fürsorgepflicht von Arbeitgebern zu tun; nicht umsonst müssen zum Beispiel Beschäftigte in niederösterreichischen Spitälern gegen gewisse Krankheiten geimpft werden, um sie selbst zu schützen, aber auch um die Patientinnen und Patienten zu schützen.
Was auch interessant ist, ist, dass im Zuge der Pandemie, leider nicht in Österreich, aber in anderen europäischen Ländern, gewisse Forschungen angestellt wurden – wir haben das in der letzten Sitzung des Gesundheitsausschusses behandelt –, in denen man sich zum Beispiel die Luftqualität in den Schulklassen
näher angeschaut hat. Es gibt ja kaum irgendwelche Räume, wo Menschen auf so engem Raum für so lange Zeit zusammensitzen – außer hier im Parlament vielleicht –, und es gibt dazu Forschungen in den USA, auch in Belgien, zwar noch ohne konkrete Ergebnisse, aber man vermutet, dass eine Vielzahl von Viruserkrankungen verhindert werden können, auch in der Erwachsenenwelt, wenn die Luftqualität in den Schulklassen besser wird. (Beifall bei der SPÖ.)
Insgesamt ist zu sagen, dass dieses Volksbegehren eigentlich überflüssig war und wir aus diesen Erfahrungen in der Pandemie alle etwas gelernt haben.
Ich möchte bei dieser Gelegenheit auch noch unseren Freundinnen und Freunden in England zu diesem großartigen Wahlerfolg gratulieren. Wir werden versuchen, es ihnen im September gleichzutun. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)
10.46
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Belakowitsch. – Bitte.
Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ein Volksbegehren, Herr Kollege, ist nie unnötig. (Beifall bei der FPÖ.) Das ist nämlich Demokratie, so nennt man das.
Es zeigt sich auch, gerade bei diesem Volksbegehren, dass das Thema Impfpflicht bei den Coronamaßnahmen immer noch ein großes Thema ist. Ein solches Volksbegehren erreicht immer noch die Grenze von über 100 000, sodass es hier herinnen diskutiert werden muss, weil es eben so ein unfaires Gesetz war.
Kollege Saxinger hat versucht, redlich versucht, zu erklären, dieses Impfpflichtgesetz sei ja gar nicht wirklich wirksam geworden, und überhaupt und außerdem. – Herr Kollege Saxinger, das Gesetz wurde zu einem Zeitpunkt beschlossen, als bereits die Omikronvariante in Österreich angekommen war, also zu einem Zeitpunkt, als die Erkrankungen vielleicht in der Menge viel waren,
aber nicht mehr die Krankenhausaufenthalte. Zu einem Zeitpunkt, als Omikron bereits die vorherrschende Variante war, wurde dieses Impfpflichtgesetz erst beschlossen. Das heißt, es war zu keinem Zeitpunkt mehr notwendig.
Diesem Impfpflichtgesetz ging natürlich vieles voran. Diese ganze Coronazeit war ja geprägt von Druck, von Angstmache, von Panikmache. (Abg. Zarits: Von euch!) Ich möchte nur sagen: „Jeder wird jemanden kennen“, 100 000 Tote wird es geben! – Bis heute gibt es keine Veröffentlichung der Protokolle der ersten Coronakommissionssitzungen, in denen Herr Kurz dann gesagt hat: Wir müssen den Menschen mehr Angst machen, damit sie sich wirklich daran halten!
Dann wurden die Pflegeheime gesperrt, alte Menschen sind ganz alleine gestorben, sie durften keine Verwandten mehr sehen. Das ist für beide Seiten traumatisch gewesen, viele Angehörige leiden heute noch darunter. Die Kinder hat man aus den Schulen ausgesperrt, man hat in Kauf genommen, dass sie in ihrer Entwicklung, in ihrer sozialen Entwicklung komplett abgeschnitten werden, unabhängig von dem Lernverlust, den man ihnen aufgebürdet hat.
Man hat die Menschen eingeteilt: Der Herr Bundeskanzler in seiner damaligen Funktion als Innenminister hat die Menschen in die Braven und in die Bösen eingeteilt, in die „Lebensgefährder“ und – die, die sich an alle Maßnahmen halten – in die „Lebensretter“. Das waren wörtliche Zitate des damaligen Innenministers und heutigen Bundeskanzlers.
Die Bevölkerung wurde gespalten. Man hat die Polizisten missbraucht und auf die Bevölkerung losgelassen. Man hat alte Frauen angezeigt, die sich auf einer Parkbank ausgerastet haben, weil sie einfach an die frische Luft wollten. Man hat Mütter angezeigt, die in einem Geschäft Schulhefte für ihre Kinder gekauft haben. Es gab dann einen Bundeskanzler, der gesagt hat: Die Ungeimpften werden ein ungemütliches Weihnachtsfest haben!
Gestern hat hier herinnen vor allem die ÖVP bejammert, wie schlimm das jetzt nicht ist: der viele Onlinehandel! – Das sind doch Folgen Ihrer Politik, Ihrer
ganzen Lockdownpolitik, mit der Sie die Bevölkerung in den Onlinehandel gedrängt haben. Dass sich das natürlich dann irgendwann auswirkt, damit mussten Sie rechnen.
Man hat Ärzten, die sich kritisch geäußert haben, die Approbation entzogen. Es gab Anrufe, man hat Druck ausgeübt. Man hat indirekte Impfpflichten eingeführt: Viele, viele Leute, vor allem im öffentlichen Dienst, im Landesdienst, haben überhaupt nur eine Anstellung bekommen, wenn sie sich vorher haben impfen lassen.
Mit freiwillig hatte das also von Anfang an nicht viel zu tun. Es hat dann eben in der Impfpflicht gegipfelt. Weil all diese Druckszenarien schon davor aufgebaut gewesen sind und weil sich viele Leute einfach unter Druck gesetzt gefühlt haben, gibt es immer noch Volksbegehren zu diesen Themen. Das ist tatsächlich auch noch immer ein Thema in der Bevölkerung, die Leute haben das nicht vergessen, dieses Gefühl des Unterdrücktseins ist immer noch präsent.
Wissen Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien und von der SPÖ und auch von den NEOS – die Klubobfrau der NEOS war ja freudestrahlend lachend bei der Regierungspressekonferenz mit dabei, als die Impfpflicht verkündet wurde (Abg. Meinl-Reisinger: So sind wir halt! Bösartige Menschen!) –: Das ist genau das, was die Leute eben nicht wollen, dieser Druck, dieser Zwang. Es ist genau der gegenteilige Effekt eingetreten: Mit der Verkündigung der Impfpflicht sind die Impfzahlen rasant runtergegangen, weil die Leute selbst entscheiden können, was sie für sich und ihren Körper wollen.
So etwas darf einfach nie wieder passieren, nie wieder, meine Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ.)
10.51
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Schallmeiner. – Bitte.
10.51
Abgeordneter Ralph Schallmeiner (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren zu Hause vor den Bildschirmen beziehungsweise hier im Haus auf der der Galerie! Das Volksbegehren, über das wir hier diskutieren, fordert die Abschaffung der Impfpflicht oder des COVID-19-Impfpflichtgesetzes.
Die Impfpflicht wurde am 7. Juli 2022 abgeschafft, fünf Monate nach deren Einführung. In dieser Zeit war die Umsetzung des Gesetzes ausgesetzt, es war nie aktiv. Der VfGH hat dem Gesetz im Zuge einer Überprüfung die Verfassungskonformität beschieden. – Das sind die Fakten.
Ich könnte damit eigentlich meine Rede beenden beziehungsweise könnte ich jetzt über Kopfsalat oder über Hummelbrummeln reden. Das tue ich aber nicht, denn ich möchte mich mit Ihnen ganz gerne nochmals über das Impfen unterhalten. Ich möchte vor allem über Antiimpfpropaganda reden, darüber, wie die FPÖ Unsicherheit und Angst für ihre eigene politische Agenda nutzt und dabei die Gesundheit der Menschen in unserem Land gefährdet.
Beispiele gefällig? – Am 17. März 2021, also keine drei Monate nach Beginn der Impfkampagne, postete meine Vorrednerin Abgeordnete Belakowitsch eine Tabelle auf Facebook, die angeblich 3 963 Todesfälle in Zusammenhang mit Covid-19-Impfungen in der EU zeigte. Die Behauptung war natürlich Fakenews. (Abg. Belakowitsch: Nein!) Es gab diese Todesfälle nie, weder damals noch heute. Eine Entschuldigung gibt es von Kollegin Belakowitsch bis heute nicht. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von ÖVP und SPÖ.)
Abgeordneter Hauser, der später dann noch heraustreten wird, spricht auf seinem Telegram-Kanal am 28. Juni diesen Jahres, also erst vor wenigen Tagen, von Turbokrebs durch Impfungen. (Heiterkeit der Abg. Meinl-Reisinger. – Abg. Belakowitsch: Sehr witzig! ...!) Bis heute gibt es keinen wissenschaftlichen Beweis für Turbokrebs. Das Robert-Koch-Institut, das RKI, das in diesen Fragen etwas mehr Kompetenz als Kollege Hauser hat, bezeichnet es als Mythos, dass
Impfungen Krebs verursachen könnten. (Zwischenruf des Abg. Matznetter.) Das Ansprechen von Ängsten bezüglich Krebs ist eine gezielte Strategie, die immer wieder von Impfgegnern genutzt wird.
Sie versuchen so, mit erfundenen Begriffen wie – unter Anführungszeichen – „Turbokrebs“ eine Assoziation zwischen Impfungen und Krebs herzustellen. Die behaupteten Studien dazu existieren entweder nicht oder erfüllen einfach schlicht die notwendigen wissenschaftlichen Standards nicht – Hauptsache, man macht Stimmung gegen Impfungen.
Ein weiteres Beispiel, auch wieder von Kollegen Hauser, das zeigt, dass es einzig und allein um politischen Profit geht: Kollege Hauser greift auch die HPV-Impfung an, die erste Impfung, die nachweislich gegen Gebärmutterhalskrebs hilft, die jetzt bis zum Alter von 30 Jahren kostenlos verfügbar ist. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)
Er verbreitet Fakenews, er verbreitet Antiimpfpropaganda, indem er die Impfung auf seinem Telegram-Kanal als problematisch und gesundheitsgefährdend darstellt. Anstatt den wissenschaftlichen Fortschritt außer Streit zu stellen und mitzuhelfen, die Gesundheit unserer Bevölkerung zu schützen, schürt er gemeinsam mit seiner Partei Ängste in unserer Bevölkerung, in unserem Land. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)
Dann gibt es natürlich immer noch diesen Fall des Säulenheiligen der Antiimpfpropaganda aus Deutschland, den die FPÖ eingeladen hat. Der FPÖ-Klubobmann bezeichnet ihn ja als Lichtgestalt für Frieden und Gesundheit für Milliarden von Menschen. Diese Lichtgestalt behauptet übrigens, es gebe keinen wissenschaftlichen Beweis für die Wirksamkeit der Polioimpfung. Das ist nichts anderes als Wissenschaftsleugnung und Feindlichkeit gegenüber wissenschaftlichen Erkenntnissen. (Abg. Lukas Hammer: Das ist gefährlich!)
Die Folgen dieser verantwortungslosen Propaganda sind gravierend: Die Zahl der geimpften Kinder sinkt. Krankheiten wie Masern, die wir glaubten,
ausgerottet zu haben, kehren wieder zurück. (Abg. Krainer: Was sagt eigentlich der Kollege Kaniak zu dieser Frage? Der schämt sich hoffentlich!) Mitte Juni diesen Jahres hatten wir bereits doppelt so viele Keuchhustenfälle in Österreich wie im gesamten letzten Jahr. Oder andersrum gesagt: Wenn sich die Zahlen bei Keuchhusten weiter so entwickeln, dann werden im Laufe des Jahres so viele Menschen an Keuchhusten erkrankt sein, wie in Attnang-Puchheim leben.
Impfungen gehören zu den wichtigsten Innovationen der Wissenschaft. Sie bedeuten Prävention, sie verhindern Leid. Sicherheit und Wirksamkeit von Impfungen sind durch zahllose Studien belegt. Beispielsweise schützt die HPV-Impfung effektiv vor humanen Papillomviren, die unter anderem Gebärmutterhalskrebs verursachen können. Das steht in der Wissenschaftscommunity außer Frage, außer bei Kollegen Hauser, der ist halt immer gescheiter als 97 Prozent aller Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in diesem Land. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)
Nicht umsonst haben wir auch die HPV-Impfung bis 30 Jahre kostenfrei gemacht. Jugendliche, Männer und Frauen ersparen sich jetzt nicht nur 700 Euro an Kosten, sondern sie gewinnen auch guten Gesundheitsschutz dazu. Die FPÖ nutzt aber lieber die Angst der Menschen, um politische Vorteile für sich selbst zu erzielen. Sie stellt sich gegen wissenschaftliche Erkenntnisse, sie gefährdet die Gesundheit unserer Gesellschaft.
Sehr geehrte Damen und Herren, es ist unsere Pflicht in diesem Land, uns diesen Desinformationskampagnen der FPÖ entgegenzustellen, denn, wie schon gesagt, die Gesundheit der Menschen in diesem Land ist mehr wert als der politische Erfolg der Freiheitlichen. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von ÖVP, SPÖ und NEOS. – Abg. Krainer: Was Kollege Kaniak dazu sagt, interessiert mich so brennend!)
10.56
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Fiedler. – Bitte.
Abgeordnete Fiona Fiedler, BEd (NEOS): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! (Die Begrüßung auch in Gebärdensprache ausführend:) Liebe gehörlose Menschen! Es ist eh schon viel gesagt worden. Das Impfpflichtgesetz wurde am 7. Juli 2022 abgeschafft. Warum wir hier stehen dürfen, ist, weil wir wieder ein Volksbegehren hereinbekommen haben – das siebente zu diesem Thema. Das heißt, wir sehen auch im Nationalrat, dass dieses Thema die Menschen bewegt. Wir finden Volksbegehren als demokratisches Instrument extrem wichtig und freuen uns, dass wir dieses Thema wieder und wieder hier behandeln dürfen.
Allerdings hat man leider auch im Ausschuss gesehen, wie wichtig den Proponenten so ein Volksbegehren mittlerweile ist: Sie sind nicht einmal aufgetaucht, was ich sehr schade finde, denn wenn man ein Volksbegehren durchbringt, es im Nationalrat behandelt wird, dann sollte man sich zumindest die Mühe machen, auch in den Ausschuss zu kommen und darüber zu berichten. Offenbar ist das Thema aber schon etwas ausgelutscht. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und Grünen. – Zwischenruf des Abg. Matznetter.)
Stattdessen könnten wir die Energie besser verwenden und vielleicht versuchen, Impfraten zu steigern, gerade was Keuchhusten, was Masern betrifft. Da gibt es Auffrischungsimpfungen, die ganz dringend notwendig wären. Im Sinne der Prävention in unserem Gesundheitssystem wäre es vielleicht ganz schlau, einmal dort hinzuschauen und nicht immer gegen Impfungen zu wettern und alles schlechtzureden, denn so steigern wir die Impfraten auf keinen Fall und es wird uns allen in Zukunft nicht helfen.
Was die Polioimpfung betrifft: Wenn die Impfung Polio ausrottet, brauche ich keinen wissenschaftlichen Beweis mehr. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und Grünen.)
Generell an all die Proponenten, die in Österreich herumschwirren: Vielleicht nehmen Sie sich einmal Prävention als Thema für ein Volksbegehren vor! Das würde vielleicht Sinn machen, dann könnte man alle Impfungen dort hineinpacken, man könnte die Patientenwege dort hineinpacken, man könnte die Themen Ernährung und Schlaf und Vitamin D dort hineinpacken – das hat alles Platz. Dort ist es, glaube ich, besser aufgehoben. – Danke. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von ÖVP, SPÖ und Grünen.)
10.58
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Wurm. – Bitte.
Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Werte Zuseher zu Hause! Wir sprechen an diesem schönen Sommertag über eine sehr dunkle Zeit, dunkle drei Jahre. Ich habe eine meiner Coronamappen mitgebracht (eine Mappe in die Höhe haltend) und in der Vorbereitung wieder durchgeblättert. (Abg. Schallmeiner: Ist das dein Panini-Album mit den schönsten Fotos von ...?) Es ist erschreckend, wie viel man auch selbst von diesen drei Jahren vergisst, was da alles passiert ist. (Abg. Schallmeiner: Ein echter ...!)
Die 4 Minuten reichen natürlich nicht, um das alles aufzuarbeiten, aber ich werde doch versuchen, noch einmal diese dunklen Jahre, die natürlich Sie alle von diesen vier Parteien, dieser Einheitspartei, ganz gerne verdrängen würden, wieder aufzuarbeiten. (Abg. Schallmeiner: Wer da was aufzuarbeiten hat, Peter?)
Wie man sieht, ist das nach wie vor für ganz, ganz viele Menschen, für Hunderttausende in Österreich, ein Thema, das sie nicht vergessen werden. Das erlebe ich jeden Tag, wenn ich mit diesen Menschen spreche, die mir sagen: Ich werde nie vergessen, was mir diese Politik, diese Regierung, diese Parteien angetan haben, mir, meinen Eltern, die allein im Altersheim gestorben sind, oder meinen
Kindern. – Das sollten Sie bitte ernst nehmen, und deshalb ist es gut, dass wir heute auch dieses Volksbegehren besprechen.
Ich sage aber auch Folgendes im Rückblick: Diese drei Jahre haben für mich trotz allem natürlich schon auch eine positive Geschichte gehabt, weil eben ganz, ganz viele – Hunderttausende! – Menschen plötzlich aus einem Dornröschenschlaf aufgewacht sind und plötzlich selber nachgedacht haben, selber recherchiert haben, hinterfragt haben. Das ist eine ganz, ganz wichtige demokratiepolitische Entwicklung, und die hält auch nachhaltig an.
Da hat sich ganz massiv etwas verändert: Ich glaube, dass es hier in Österreich – oder generell – nicht mehr so leicht sein wird, die Menschen durch Propaganda und Einheitsmedien am Gängelband in eine Richtung zu lenken. Der Widerstand, warum dieses Impfpflichtgesetz auch gefallen ist, hat sich auf der Straße abgespielt – und zwar friedlich, extrem friedlich! Man kann sich an die Bilder von der Ringstraße erinnern: Mütter mit Kinderwägen, alte Menschen, junge Menschen, Arbeiter, Angestellte, Akademiker, auch viele ehemalige Grünfunktionäre und -wähler, die nicht verstanden haben, was ihre ehemalige Partei da plötzlich macht. (Abg. Zorba: ..., überhaupt kein Problem!) Das hat also viel, viel Positives bewegt, das bis heute anhält, und das freut mich natürlich.
Betreffend Negatives, noch einmal, ist die Liste fast unendlich lang, beginnend mit den Kosten von 100 Milliarden Euro. – Liebe Bevölkerung, 100 Milliarden Euro haben uns diese drei Jahre gekostet.
Von Impfschäden haben wir heute auch schon gehört – das würde auch eine eigene Sendung füllen. Dass es keine Impfschäden gibt (Abg. Schallmeiner: Das hat ja keiner gesagt! Das behauptet ja keiner!), erzählen Sie bitte einmal jenen, die mit Impfschäden zu Hause liegen, oder erzählen Sie das vielleicht auch einmal den Long-Covid-Patienten, denn diesbezüglich hört man heute nichts mehr von Ihnen. (Zwischenrufe bei den Grünen.) Alle der wenigen – der wenigen! – Studien, die vorliegen, sagen eindeutig: Long-Covid-Patienten sind
eins zu eins Geimpfte. Sie werden auf Long-Covid-Stationen keine Ungeimpften finden. (Abg. Neßler: Na, bitte! – Zwischenruf des Abg. Schallmeiner.) – Ja, geschätzte Kollegen, dann beweisen Sie mir bitte schön das Gegenteil! Wir haben ja auch einige mit Long Covid hier, die sind im Übrigen alle geimpft – so –, aber das wäre ein ewige Geschichte.
Sie haben die Spaltung der Gesellschaft verursacht, darüber brauchen wir auch nicht zu diskutieren (Abg. Höfinger: Ja, das glaube ich!), und Sie haben eben diese generelle Impfskepsis, die wir haben, verursacht, nicht wir. (Abg. Zarits: Oh!) Jetzt schauen die Menschen bei einer Impfung halt genauer hin, und das ist auch kein Schaden.
Ich darf das Größte beziehungsweise das Schlimmste, das ich persönlich empfunden habe (Abg. Höfinger: Das war die Rede vom Hauser! Das war die Rede vom Hauser!) – auch in Diskussionen mit Kollegen hier im Haus –, kurz ausführen: Das Schlimmste, das für mich persönlich nachhaltig gewirkt hat – und da ist ganz, ganz viel Porzellan zerbrochen worden und ein Riesenschaden angerichtet worden –, ist das, was Sie unseren Kindern und Jugendlichen angetan haben (Abg. Höfinger: Ja, genau!), teilweise auch Sie selber im persönlichen Umfeld zu Hause.
Das, was Sie den Kindern und Jugendlichen angetan haben, ist meiner Meinung eigentlich unverzeihlich. Das Ergebnis sehen wir auch heute, und da brauche nicht ich eine Statistik zu präsentieren, die haben Sie schon selber präsentiert. Sie wissen, wo wir bei den Kindern und Jugendlichen stehen: extrem hohe Selbstmordraten, psychische Schäden. Das ist auch das Ergebnis Ihrer Politik für die Kinder und Jugendlichen, und das verzeihe ich persönlich Ihnen nie. (Beifall bei der FPÖ.)
Auch Folgendes haben wir heute schon gehört: Wie gesagt, das berühmte Wort „alle Experten“ können Sie der Bevölkerung heute auch bei anderen Themen nicht mehr erzählen, weil man gelernt hat, dass „alle Experten“ immer nur jene sind, die die Regierung aufstellt, und auch wenn es heißt „die Wissenschaft“,
werden sehr, sehr viele hellhörig, und das ist richtig so, denn Wissenschaft ist immer zu hinterfragen. Das hat die Menschheit in der Entwicklung auch weitergebracht.
Vielleicht auch noch ein Thema – zum Schluss – ist die Rolle des Parlaments. Sie selber, geschätzte Kollegen, haben das Parlament mehr oder weniger ad absurdum geführt: Sie haben dieser Regierung mit Verordnungsermächtigungen fast diktatorische Befugnisse in die Hände gegeben, und Sie haben immer mitgespielt, immer mitgemacht. Ich habe heute nachgedacht: ÖVP und Grüne haben in diesen fünf Jahren nicht ein Mal – nicht ein Mal! – gegen die Regierung gestimmt, nicht ein einzelner Abgeordneter. (Abg. Schallmeiner: Na! – Rufe bei der ÖVP: Nein!? – Ruf: Das ist ja ein ...!– Abg. Zarits: Hast du schon einmal gegen deine Partei gestimmt?) Das ist ja bitte schön ein Armutszeugnis für jeden Parlamentarier von Grün und ÖVP. Da hätte man das Parlament ja diese vier Jahre lang überhaupt weglassen können. (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP. – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.)
Schlusssatz meinerseits: Es wäre jetzt höchst an der Zeit – höchst an der Zeit! – für ganz, ganz viele vor allem von der Regierung, aber auch von Ihnen, sich einmal zu entschuldigen: sich zu entschuldigen für die Fehler, die Sie gemacht haben. Auch eine Wiedergutmachung wäre angesagt, und meiner Meinung nach wäre da oder dort auch eine Bestrafung angesagt. (Beifall bei der FPÖ.)
11.05
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter! In der Fragestunde hat Abgeordneter Wurm Kollegen Reimon herabgewürdigt, und zwar mit Worten, die ich nicht wiederholen möchte. Dafür erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Sie wissen das.
Ich bitte wirklich die Kollegen, das nicht zu tun, auch nicht in der Hitze des Gefechtes. (Abg. Belakowitsch: Die Wahrheit ist den Menschen zumutbar! – Abg. Hafenecker: Der Herr Reimon hat sich selber herabgewürdigt mit seiner Wortmeldung! – Zwischenruf der Abg. Disoski.)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Hauser. – Bitte.
Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (FPÖ): Mir eilen ja schon Vorschusslorbeeren voraus; ich mache es euch eh immer einfach. Bevor ich aber thematisch einsteige, möchte ich mich bei den Einbringern des Volksbegehrens, Mag. Robert Marschall und seinen Mitstreitern, recht herzlich bedanken. Volksbegehren sind eine Notwendigkeit in der Demokratie, und es würde uns guttun, wenn wir so wie in der Schweiz die Bevölkerung wesentlich öfter über politische Fragen entscheiden lassen würden. Wahrscheinlich würden wir so weniger unvernünftige Gesetze beschließen. – Also einen herzlichen Dank an alle, die das Volksbegehren unterstützt haben, und eine herzliche Gratulation an die Einbringer! (Beifall bei der FPÖ.)
Ich glaube, über eine Sache sollte man sich doch einig sein, nämlich dass Impfungen, die man gesunden Menschen verabreicht, nicht zu Schädigungen von gesunden Menschen führen sollten, denn dann hätte die Impfung ja überhaupt keinen Sinn. (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)
Um dieses Volksbegehren anzusprechen: Basierend auf den Fakten hätten Sie eine Impfpflicht überhaupt nie – überhaupt nie! – beschließen dürfen, wenn Sie diese Prämisse akzeptieren, dass eine Impfung nicht schädigen soll. Unabhängig davon, dass Sie das mittlerweile wissen – wir wussten es schon vorher, weil wir uns mit der Thematik beschäftigt haben. (Zwischenruf der Abg. Voglauer.) – RKI-Protokolle, schaut euch das bitte an! Es ist die Verpflichtung
eines jeden Mandatars, sich zu informieren und nicht unqualifiziert dazwischenzuschreien. (Abg. Voglauer: Deshalb sind wir so froh, dass ...!)
Die Wissenschaftler des Robert-Koch-Institutes haben unter anderem festgestellt, dass Grippe gefährlicher ist als Covid – das steht so drinnen –, und ich brauche nur dann eine Impfung, wenn von einer Krankheit eine Gefahr ausgeht. Die ist in diesem Fall so nicht davon ausgegangen, und es gab und gibt auch Medikamente. Sie hätten das nie beschließen dürfen!
Jetzt aber inhaltlich zum Thema: Ich zitiere heute hier (einen Ausdruck in die Höhe haltend) aus Ihrer Institution Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen – das ist eine Institution des Gesundheitsministeriums. (Zwischenruf des Abg. Schallmeiner. – Abg. Voglauer: Aber ... können wir noch weniger lesen ... Taferln!) – Kollege Schallmeiner und Co, akzeptieren Sie einmal die Fakten! (Abg. Schallmeiner: Du bist ...! ... Fakten und Daten sind ...!) Durch Ihre plumpe Impfpropaganda haben Sie nämlich alle Impfungen ruiniert. Das wart ihr (Abg. Schallmeiner: Du kannst ...!), weil ihr die Bevölkerung vollkommen falsch und faktenwidrig informiert habt, und das ist das große Problem, ausgehend von euch – von Kollegen Schallmeiner und Co –, die ihr vollkommen falsche Fakten verbreitet habt. (Abg. Lukas Hammer: ... alternative Fakten!) – So.
Dieser Bericht hat acht Seiten, und es wäre, glaube ich, schon angebracht, dass jeder Mandatar, der hier mitdiskutiert, sich einmal so einen Bericht anschaut, denn acht Seiten kann man lesen. (Abg. Voglauer: ... ein bisschen lauter!) Ich habe den Bericht mitgebracht (Abg. Disoski: Sie kann dich nicht hören! – Abg. Voglauer: Lauter!): Zeitraum 27.12.2020 bis 31.12.2021 (Abg. Voglauer: Lauter! – Ruf bei den Grünen: Lauter!), drei Wochen bevor ihr diese vollkommen faktenwidrige Impfpflicht beschlossen habt.
Was steht da drinnen? Das (der Redner hält neuerlich den Ausdruck in die Höhe) ist eure Institution, nicht meine, nicht unsere. Was steht da drinnen? „Schwerwiegende Auswirkungen“. „Dem Bundesamt [...] wurden 231 Todesfälle [...] gemeldet“, aufgezählt nach dem Impfstoffproduzenten – 231 Todesfälle! „170
weitere Fälle“ waren „in Abklärung“. (Zwischenruf des Abg. Schallmeiner.) Das wusstet ihr! Es wurden dem BASG gemeldet: „184 Fälle einer Herzmuskelentzündung“ (Abg. Voglauer: Lauter!), „112 weitere [...] in Abklärung“. (Abg. Schallmeiner: ... Unterschied zwischen ...!) „Bei 374“ Patienten „Nebenwirkungen“, die „als lebensbedrohend“ galten, bitte. „214 weitere Fälle [...] in Abklärung“. Und: 1 716 Patienten hatten einen Krankenhausaufenthalt notwendig, 970 weitere Fälle befanden sich noch in Abklärung.
Das heißt, ihr kanntet diese Fakten und habt eine Impfpflicht beschlossen – wissend, dass diese Impfung zu Todesfällen, zu lebensgefährlichen Erkrankungen und zu Krankenhausaufenthalten führen kann.
Was ist dann weiter passiert? Das steht auch drinnen, und ich habe das mehrmals im Parlament aufgezeigt, ich zitiere aus diesem Bericht, acht Seiten (Abg. Voglauer: Das hast du schon gesagt!): „Nach erfolgter Bearbeitung und Begutachtung werden die Daten gemäß den geltenden europäischen Gesetzen und Richtlinien an die Europäische Arzneimittelbehörde [...] weitergeleitet.“ – Das heißt, alle EU-Staaten haben diese Fakten, die geprüft wurden, an die EMA weitergeleitet. Ich habe mehrmals darauf hingewiesen. Vor der Beschlussfassung der Impfpflicht habe ich diese Zahlen kundgetan, ihr wusstet das; Datenstand 17. Jänner 2022 (eine Tafel mit der Überschrift „Überblick über Gesamtzahlen nach Schwere-Kategorie“ auf das Redner:innenpult stellend): 21 251 Todesfälle europaweit durch die Impfungen. (Abg. Schallmeiner: Das stimmt doch nicht! – Abg. Stögmüller: Wieder so eine Supertabelle!)
Kollege Schallmeiner, wie kannst du es verantworten, eine Impfpflicht zu beschließen, wenn der EMA 21 251 Todesfälle aufgrund von Nebenwirkungen der Impfung gemeldet wurden? Das ist ja ungeheuerlich! (Abg. Schallmeiner: Du verstehst es immer noch nicht!) Und jetzt geht ihr her und leugnet die Nebenwirkungen. Die Zahl aller Fälle mit Nebenwirkungen: 1 387 000, das sind erschreckende Zahlen. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Disoski: Was redest du bitte? Ich kann dich nicht hören!)
Geschätzte Damen und Herren! Die Kollegen sind beratungsresistent, es hat keinen Sinn, ich spreche daher zu Ihnen. Schauen Sie sich das an: Hier im österreichischen Parlament werden Fakten des Bundesamtes für Sicherheit im Gesundheitswesen, einer Behörde, die beim Gesundheitsministerium ressortiert, ignoriert! Es wurde eine Impfpflicht wider besseres Wissen beschlossen. Man hat Todesfälle, schwerste Nebenwirkungen einfach so zur Kenntnis genommen, und jetzt macht man blöde Zwischen- und Nebenbemerkungen. Es ist eine Schande, was hier herinnen abläuft, anstatt dass man einmal hergeht und sagt: Wir entschuldigen uns und nehmen endlich einmal zur Kenntnis, dass wir mit dieser Impfpropaganda Menschen geschädigt haben! – Es sind Menschen, die man jetzt im Regen stehen lässt, anstatt zu sagen: Nie mehr wieder! – Das wünsche ich mir. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Disoski: Nie mehr wieder!?)
11.12
Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Hauser, für die Aussage: Sie machen blöde Zwischenrufe, erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf.
Präsidentin Doris Bures: Damit ist dazu jetzt niemand mehr zu Wort gemeldet. Ich schließe die Debatte. (Abg. Martin Graf: Wer hat denn den blöden Zwischenruf gemacht?)
Wir kommen zur Abstimmung.
Abstimmung über den Antrag des Gesundheitsausschusses, seinen Bericht 2526 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.
Wer für die Kenntnisnahme ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Dieser Bericht ist einstimmig zur Kenntnis genommen.
2. Punkt
Bericht des Verfassungsausschusses über das Volksbegehren (2408 d.B.) „COVID-Strafen-Rückzahlungsvolksbegehren“ (2703 d.B.)
Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir zum 2. Punkt der heutigen Tagesordnung.
Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.
Erster Redner: Herr Abgeordneter Friedrich Ofenauer. – Bitte.
Abgeordneter Mag. Friedrich Ofenauer (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Zuseherinnen und Zuseher! Ich werde bei diesem Tagesordnungspunkt versuchen, wieder etwas mehr Sachlichkeit und weniger Emotionalität in die Debatte hineinzubringen.
Eines ist tatsächlich so: Volksbegehren sind ein wichtiges Element, das unsere repräsentative Demokratie ergänzt, ein Instrument, mittels dem dem Gesetzgeber interessante und auch bereichernde Anstöße gegeben werden können und bei dem die Wählerinnen und Wähler mit ihrer Unterschrift, mit ihrer Unterstützung zum Ausdruck bringen können, ob sie den Inhalt dieses Volksbegehrens für gut befinden. Bei Erreichung von über 100 000 Unterschriften muss dieses Volksbegehren dann auch im Parlament behandelt werden. Das Volksbegehren, um das es jetzt geht, das Covid-Strafen-Rückzahlungs-Volksbegehren, hat diese Schwelle knapp überschritten.
Setzt man sich mit der Begründung dieses Volksbegehrens auseinander, muss man allerdings schon feststellen, dass teilweise faktenwidrige Feststellungen getroffen werden und einzelne Ausführungen durchaus auch etwas fragwürdig erscheinen.
Eines muss man an der Stelle schon festhalten: Wir hatten es vor allem zu Beginn mit einem Virus zu tun, das die Menschen dahingerafft hat, das vor allem unsere Gesundheitseinrichtungen, Pflegeeinrichtungen und so weiter massiv überfordert hat. Wir wussten zu Beginn noch nicht genau, wie es übertragen wird, wie man sich am besten davor schützt. Das Ziel der Bundesregierung war es – das möchte ich hier nochmals klar festhalten –, Menschenleben zu retten und Menschen zu schützen. Das war das Ziel. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Stögmüller.)
Das ist zum Großteil auch gelungen, und wir sind jetzt in der Lage, darüber zu diskutieren, was gut und was weniger gut gelaufen ist. Natürlich, mit Blick zurück würde man manches heute nicht mehr so machen, wie wir es getan haben. Eines ist aber auch fix: Die Bundesregierung hat sich mit diesem Thema intensiv auseinandergesetzt. Ich möchte auf die Coronastudie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften verweisen, in der auch Lehren für den zukünftigen Umgang mit solchen Seuchen, mit solchen Krisen aufgezeigt wurden.
Abgesehen davon ist die Impfpflicht – das ist beim vorherigen Tagesordnungspunkt schon angesprochen worden – außer Kraft gesetzt worden beziehungsweise gar nicht schlagend geworden und mittlerweile auch wieder aufgehoben worden.
Im Rahmen eines Hearings haben wir uns mit dem Inhalt dieses Volksbegehrens intensiv auseinandergesetzt. Ich möchte doch einige wesentliche Argumente aus diesem Hearing hier nochmals öffentlich ansprechen. Der Leiter des Verfassungsdienstes hat im Hearing ganz klar festgehalten und dabei auf Hans Kelsen, auf einen Kommentar aus dem Jahr 1922 zum Bundes-Verfassungsgesetz hingewiesen, nämlich dass „rechtskräftig gewordene Entscheidungen von der Aufhebung der gesetzlichen Grundlage in späterer Folge nicht berührt“ werden. Das heißt, eine nachträgliche Aufhebung der Rechtsgrundlage ändert nichts an der Strafbarkeit zum Zeitpunkt der Entscheidung. Das Institut der
Rechtskraft ist in einem Rechtsstaat ein ganz wesentliches, weil es den Staat berechenbar macht.
Ich möchte aber auch auf die Stellungnahme des Herrn Dr. Stöger hinweisen, der das Volksbegehren so verstanden hat, wie er sagt, „dass die Strafbarkeit rückwirkend beseitigt werden soll“, also aufgehoben werden soll. Das heißt, im Nachhinein würde festgestellt werden, dass kein unrechtmäßiges Verhalten gesetzt wurde. Das wäre dann so etwas wie eine Amnestie, die im Artikel 93 der Bundesverfassung für gerichtlich strafbare Handlungen geregelt ist. Er meint, man könnte eine solche Amnestie auch für Verwaltungsstrafen umsetzen, allerdings weist er darauf hin, dass dabei unbedingt der Gleichheitsgrundsatz zu berücksichtigen ist und dass solche gesetzlichen Amnestien nur dann unproblematisch sind, wenn sie auf einer Änderung der grundsätzlichen Wertehaltung oder „auf einer Änderung von gesellschaftlichen Ansichten beruhen“, so wie es in der Vergangenheit bei der Aufhebung von Verurteilungen wegen homosexueller Handlungen der Fall war. Dann, so meint er, ist es unproblematisch.
Im konkreten Fall allerdings sagt er, „dass der Verfassungsgerichtshof die meisten Verordnungen und damit auch die meisten Strafen bestätigt hat“. Der Verfassungsgerichtshof hat also keine solch gravierende „Verfassungswidrigkeit in Einzelfällen“ festgestellt, „dass Gründe für eine Amnestie vorliegen“ würden.
Er meint weiter, man könnte natürlich ein Verfassungsgesetz machen, aber man muss ganz genau aufpassen, welches Signal man damit aussendet. Das Signal wäre nämlich, „dass die Maßnahmen in ihrer Gesamtheit nicht nötig waren“, und das wäre aus seiner Sicht problematisch. Für zukünftige Seuchen könnte das nämlich bedeuten, dass seuchenrechtliche Verbote in Zukunft überhaupt nicht mehr ernst genommen werden.
Ich erinnere daran, dass Experten auch vor der Möglichkeit der Übertragung der Vogelgrippe auf den Menschen warnen und wir uns auch mit solchen Gefährdungen, mit solchen Bedrohungslagen auseinandersetzen müssen. Natürlich müssen wir auch darüber nachdenken, wie man solchen Seuchen in Zukunft begegnet, und vor allem, was jeder Einzelne tun kann, nicht nur um sich zu schützen, sondern auch die Gesellschaft und die Gemeinschaft zu schützen.
Unter Berücksichtigung all dieser Argumente kann man den Forderungen dieses Volksbegehrens eigentlich nicht nachkommen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)
11.19
Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Alois Stöger. – Bitte.
Abgeordneter Alois Stöger, diplômé (SPÖ): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Abgeordneter Ofenauer hat die Argumente, wie wir sie im Ausschuss besprochen haben, gut und richtig dargestellt, wie ich finde. Insofern brauche ich sie nicht mehr zu wiederholen.
Aus meiner Sicht ist eines sehr entscheidend: In dieser Phase sind sehr kurzfristig Verordnungen erlassen worden und in Kraft getreten. Manchmal sind sie erst um 10 Uhr am Abend veröffentlicht worden und um Mitternacht in Kraft getreten. Das war natürlich für viele Normunterworfene und jene, die Verantwortung in Betrieben übernommen haben, oft schwierig.
Ich gebe zu, ich habe auch manchmal darüber geflucht, was ich schon wieder einhalten muss – das ist richtig –, aber insgesamt war das eine herausfordernde Situation und wir haben das in vielen Unternehmen, in den Betrieben gut geregelt.
Ich möchte von dieser Stelle aus auch sagen, dass der österreichische Verfassungsgerichtshof – auch wenn ich nicht mit jeder Entscheidung einverstanden
war – seine Rolle insgesamt sehr gut wahrgenommen hat, nämlich in einer schwierigen Situation ausgleichend zu sein und auch auf die Rechte der Normunterworfenen zu achten. Ich kann dazu sagen: Der Verfassungsgerichtshof hat seine Funktion gut wahrgenommen und dem Rechtsstaat recht gegeben. Er hat jedem Bürger, jeder Bürgerin die Chance gegeben, ein Rechtsinstitut zu haben, und das zeichnet den Rechtsstaat aus.
Wir haben die Rechtsschutzinstrumente zu nutzen. Wenn man ein Organmandat zahlt, kann man nachher nicht mehr sagen: Mir gefällt es nicht!, sondern man muss sich auch wehren. Österreich ist ein Rechtsstaat und Österreich soll ein Rechtsstaat bleiben, und das ist, glaube ich, die zentrale Aussage.
Ich bedanke mich bei allen Menschen – das waren sehr, sehr viele –, die in dieser schwierigen Situation an dem Platz, an dem sie gestanden sind – in der Gemeinde, beim Roten Kreuz, in den Betrieben –, Verantwortung gezeigt haben, Verantwortung des Miteinander-Umgehens in der Pandemie.
Ich kann mich meinem Vorredner nur anschließen: Dieses Volksbegehren hat, wenn man den Text liest, eigentlich keine Grundlage – in Wirklichkeit hat sich der österreichische Rechtsstaat bei dieser Frage bewährt. Das ist gut so. (Beifall bei der SPÖ.)
11.21
Präsidentin Doris Bures: Nun ist Herr Abgeordneter Werner Herbert zu Wort gemeldet. – Bitte.
Abgeordneter Werner Herbert (FPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Das in Rede stehende Covid-Strafen-Rückzahlungs-Volksbegehren, das immerhin von 101 652 Personen unterzeichnet wurde, die damit einen wichtigen Beitrag für gelebte direkte Demokratie geleistet haben, zeigt, dass gerade diese ganze Covid-Sache mit den Verordnungen, mit den Maßnahmen, die damals gesetzt wurden, und auch all den Zwangsmaßnahmen, die ja
über die Bevölkerung in einer oft überfallsartigen, kurzfristigen und für die Bevölkerung sehr undurchsichtigen Art und Weise hereingebrochen sind, noch lange nicht aufgearbeitet ist und die Bevölkerung noch immer – zu Recht, muss man sagen – massiv bewegt.
Konkret geht es in diesem Volksbegehren darum, dass es eine Rückzahlung von Strafen, die im Zuge der Covid-Maßnahmensetzung – also durch Verordnungen, in denen Dinge festgelegt wurden, die man nicht tun darf – verhängt wurden, geben soll. Es wurde ja auch tatsächlich vom Verwaltungsgerichtshof festgestellt, dass etliche dieser Verordnungen rechtlich nicht in Ordnung beziehungsweise mangelhaft ausgeführt waren und daher eine Strafgrundlage fehlt.
Was wurde alles bestraft? – Nur ein kleiner Auszug dieser Kuriositäten, die damals unter Strafe gestellt wurden: Verletzungen des 1- bis 2-Meter-Abstandes; das Nichttragen von Mund-Nasen-Schutzmasken und FFP2-Masken, deren Wirksamkeit mittlerweile ohnedies widerlegt ist; das unangemessene und nicht im Rahmen der Verordnung geleistete Spazierengehen; und eine besonders gute Kuriosität ist das Tragen der Ungeimpft-Buttons, wozu man beim Verfassungsdienst festgestellt hat: Das könnte vielleicht nationalsozialistisch geprägt sein!, und für das man die Leute gleich einmal ordentlich mit der Nazikeule bedient hat. (Zwischenruf des Abg. Koza.)
In diesem Zusammenhang - - (Abg. Lukas Hammer: Das verteidigen Sie auch noch, oder was?) – Herr Kollege, stellen Sie sich hier heraus, bringen Sie Ihre Vorgaben zum Ausdruck (Abg. Lukas Hammer: Na, ich frage Sie!), aber lassen Sie mich ausreden! (Abg. Lukas Hammer: Verteidigen Sie das? – Abg. Kucharowits: Zwischenrufe gehören dazu, Herr Kollege! ...!)
In diesem Zusammenhang darf ich aber auch eine Lanze für unsere Polizistinnen und Polizisten brechen. Natürlich wurden diese Strafen von der Polizei verfügt, durch die Polizei erlassen, Tatbestände wurden von Polizisten wahrgenommen, aber es ist schon so, dass ein Polizist natürlich auch da ist, um dafür zu sorgen,
dass die geltenden Gesetze eingehalten werden. Viele haben das ohne die Überzeugung – von der persönlichen Überzeugung her gesehen –, dass man dabei tatsächlich etwas Richtiges tut, eben gemacht, weil es ihr Job war. Bis heute – ich kenne selbst viele Polizistinnen und Polizisten – bleibt da auch innerhalb der Polizei ein sehr mulmiges, ein sehr unangenehmes Gefühl zurück, dass man von der Bundesregierung vielleicht missbraucht worden ist, um gegen die Bevölkerung Sanktionen aussprechen zu müssen, die überzogen, die überbordend waren.
Zur Kurzfristigkeit der Gültigkeit dieser Maßnahmen: In einer Woche waren sie gültig und 14 Tage später haben sie schon wieder nicht mehr gegolten oder waren keiner Strafe unterworfen. So gesehen ist das auch ein Zeichen (Abg. Disoski: Glaubst du das wirklich, was du da erzählst?) dafür, dass dabei viel zu unangemessen, aber auch viel zu hektisch und ohne Weitblick in dieser schwierigen Situation von dieser Bundesregierung gearbeitet wurde.
Was mir bis dato auch fehlt, ist eine Entschuldigung der Bundesregierung. Es gab bis jetzt von keinem Vertreter eine Aussage, dass man sagt: Liebe Bevölkerung, wir haben da vielleicht etwas über die Stränge geschlagen (Abg. Disoski: Wer hat denn als Erster einen totalen Lockdown gefordert? Wer war denn das? Wart ihr das?), vielleicht war die eine oder andere Maßnahme doch nicht so gut und dafür wollen wir uns entschuldigen! – Das fehlt von dieser Bundesregierung bis heute. (Abg. Lukas Hammer: Wer hat als Erster den Lockdown gefordert? Das war Ihr Parteichef!)
Ich denke, gerade die Bevölkerung hat nicht nur ein Recht darauf, dass man mit ihr fair und ordentlich umgeht, sondern es ist auch wichtig (Ruf bei der FPÖ: Ihr wolltet die Polizei in Schutzanzüge stecken! – Abg. Disoski: Wer wollte die Polizei in Schutzanzüge stecken? Wer hat als Erster den Lockdown gefordert? – Abg. Michael Hammer: Der kleine Herbert ...!) – Kollegin, Sie sind dann nachher dran, okay? (Abg. Disoski: Ihr schreit rein, und wenn wir es machen ...! Einfach antworten, Kollege!) –, dass man der Bevölkerung das Gefühl gibt, die richtigen Rechtsnormen aufzustellen, denn nur wenn man versteht, warum man gewisse Dinge
nicht machen soll oder darf, ist es auch für den Normunterworfenen klar und nachvollziehbar, dass er es nicht tun darf, und dann wird er es auch nicht tun.
Zum fairen Umgang mit der Bevölkerung: Wie man tatsächlich zeigt, dass man die Bevölkerung schätzt und dass man versucht, Fehler aus der Vergangenheit (Abg. Lukas Hammer: Red weiter! – Abg. Disoski: Ihr schätzt die Bevölkerung? Ihr belügt die Bevölkerung!) aufzuarbeiten, das zeigen gerade die Freiheitlichen in Niederösterreich. (Abg. Disoski: Geh bitte, da musst ja selber lachen!) Dort wird mit dem Niederösterreich-Covid-Hilfsfonds für die Coronafolgen ein wichtiger, ein wertvoller Beitrag (Abg. Disoski: Da musst selber lachen, oder?) als Wiedergutmachung im kleinen Rahmen geleistet. Es gibt ihn halt leider nur in Niederösterreich. Es wäre ein tolles Zeichen von dieser Bundesregierung gewesen, hätte man diese Anregung aufgenommen und auch bundesweit eine solche Maßnahme gesetzt.
Zumindest ist es aber in Niederösterreich so, dass man das richtige Zeichen setzt, um einerseits im Zuge von Corona (Abg. Disoski: Corona?!) gesetzte Maßnahmen ordentlich aufzuarbeiten und tatsächlich entstandene Schäden – so gut es im Nachhinein halt möglich ist – wiedergutzumachen. Mit Stand April wurden 7 000 Anträge gestellt, 5 000 davon sind in der Prüfung positiv ausgefallen. Dort wird in objektiver, transparenter und nachvollziehbarer Weise vorgelebt, wie man Politik am Volk, für das Volk und mit dem Volk tatsächlich machen soll.
In diesem Sinne darf ich die Bundesregierung einmal mehr auffordern, sich daran ein Beispiel zu nehmen, oder – noch besser – besser morgen, ah heute als morgen abzutreten (Rufe bei den Grünen: Besser morgen als heute!), um endlich jene Möglichkeiten zu schaffen, unter einem Volkskanzler Kickl (Oh-Rufe bei den Grünen) das Modell Niederösterreich auch bei dieser wichtigen Coronafrage endlich gesamtösterreichisch umzusetzen. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)
11.29
Präsidentin Doris Bures: Nun ist Frau Abgeordnete Agnes Sirkka Prammer zu Wort gemeldet. – Bitte.
Abgeordnete Mag. Agnes Sirkka Prammer (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ich darf zunächst im Namen meiner Kollegin Ulrike Fischer die Neue-Wege-Schule aus Greifenstein mit dem Schulleiter Andi Deutsch hier bei uns im Parlament begrüßen. (Beifall bei Grünen und NEOS sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)
Weiters habe ich jetzt direkt im Anschluss an diese Rede leider die unangenehme Aufgabe, zu versuchen, wieder zu einer faktenbasierten Diskussion zurückzukommen.
Es ist eines der Volksbegehren, die sich in eine lange Reihe einreihen. Ich muss ehrlich sagen, ich finde – unabhängig davon, dass Volksbegehren generell ein gutes Mittel der direkten Demokratie sind – auch diese Volksbegehren wichtig, denn sie machen eines: Sie kanalisieren Emotionen, Unmut und Ärger in einem demokratischen Instrument. Ich denke, das ist etwas sehr Wichtiges, denn so kann man die Anliegen wirklich direkt ins Parlament bringen und im Parlament besprechen. (Beifall bei den Grünen.)
Zum Inhalt dieses Volksbegehrens kann ich Ihnen aber sagen, dass wir damit aus mehreren Gründen nicht übereinstimmen. Wir haben uns aber trotzdem sehr intensiv damit befasst. Diese Befassung hat im Verfassungsausschuss stattgefunden, wo es ein Hearing mit vier Expert:innen gegeben hat, die unterschiedliche Standpunkte vertreten haben. Drei von diesen vieren sind ganz, ganz, ganz eindeutig zu der Aussage gekommen, dass diese Rückzahlung im Rahmen unseres Rechtsstaates kontraproduktiv wäre, einmal ganz abgesehen davon, dass in diesem Volksbegehren wahllos die Rückzahlung von allen Strafen gefordert wird, die im Rahmen der Pandemiebekämpfung verhängt wurden, also ohne Unterscheidung, ob es Verordnungen oder Gesetze betroffen hat, die dann aufgehoben wurden, oder solche, die ohnehin bestätigt wurden und in Kraft
blieben. Strafen zurückzuzahlen, die aufgrund von geltenden Gesetzen zu bezahlen waren, ist rechtsstaatlich so etwas von verquer, dass ich dafür eigentlich gar keinen Ausdruck finde. (Beifall bei den Grünen.)
Es haben sich im Anschluss an die Expertinnen und Experten auch die einzelnen Fraktionen damit befasst und auseinandergesetzt. Da haben wir ganz deutlich gesehen, dass drei der Fraktionen eindeutig auf dem Gerüst der Verfassung und des Rechtsstaates stehen und sagen, das ist unzulässig. Eine Partei, die NEOS, die mich mit ihrer Ansicht ein bisschen verwirrt hat, war der Meinung, man könnte bestimmte Strafen, die aufgrund einer bestimmten aufgehobenen Verordnung bezahlt wurden, zurückzahlen und diejenigen, die auf anderen aufgehobenen Verordnungen beruhen, nicht. Diese Unterscheidung ist nicht nachvollziehbar, ist auch verfassungsrechtlich – und das wundert mich wirklich sehr angesichts dessen, woher sie kommt – einfach nicht haltbar. Eigentlich ist es reiner Populismus, zu sagen, ein bisschen sind wir ja doch auch dafür, weil wir doch auch ein paar Stimmen von denen haben wollen, die dagegen waren. Danke, NEOS, das ist sehr enttäuschend.
Was aber das Schlimmste ist, ist, dass man jetzt plötzlich auch fordert, Strafen zurückzubezahlen – nämlich hier in der Debatte wurde das von meinem Vorredner aufgebracht –, die gar nicht aufgrund irgendwelcher Covid-Maßnahmen, Covid-Verordnungen, Covid-Gesetze erlassen wurden, sondern aufgrund unseres Strafgesetzbuches. Es ist immer, immer, immer strafbar, wenn man NS-Verbrechen verharmlost, wie durch das Tragen dieses Ungeimpft-Sterns; man setzt das NS-Verbrechen gleich und verharmlost diese damit – wie es der Kollege vorhin gemacht hat –, und das ist immer strafbar. (Beifall bei den Grünen.) Das hier jetzt gleichzusetzen ist an und für sich unter jeder Kritik. (Neuerlicher Beifall bei den Grünen.)
Grundsätzlich halte ich es wie gesagt für ein gutes Instrument, und ich finde es gut, dass mit diesen Volksbegehren die Coronadiskussion in demokratische Bahnen gelenkt wurde. Es ist aber wichtig, dann auch die demokratischen
Entscheidungen zu akzeptieren. Wir haben eben entschieden, keine Gesetzgebung zu machen, die diese Forderung erfüllt, und auch das ist in einem demokratischen Rechtsstaat zu akzeptieren. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)
11.34
Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Abgeordneter Karl-Arthur Arlamovsky zu Wort. – Bitte.
Abgeordneter MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS): Ich werde mich nicht lange mit der Begründung dieses Volksbegehrens aufhalten, weil die großteils leider unterirdisch ist. Ich möchte aber auf das grundsätzliche Thema eingehen, das auch Kollegin Prammer vor mir angesprochen hat, wie wir denn zur Rückzahlung von Strafen stehen, die aufgrund von Covid-Maßnahmen verhängt worden sind.
Wir haben ja einen Antrag eingebracht, der in irgendeinen Ausschuss verräumt worden ist, der sich darauf bezieht, dass Verwaltungsstrafen, die aufgrund von Rechtsgrundlagen, die nachträglich vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben worden sind, verhängt worden sind, durchaus auch zurückgezahlt werden können. Insbesondere meinen wir damit Strafen, die aufgrund des sogenannten ersten Lockdowns verhängt worden sind. Da ging es darum, dass Betretungsverbote viel zu weiträumig ohne gesetzliche Grundlage verhängt worden sind.
Es wurden vom Verfassungsgerichtshof ja gar nicht so wenige Covid-Maßnahmenrechtsgrundlagen aufgehoben, unter anderem auch, was die Anordnung von Quarantäne aufgrund von Einreise aus dem Ausland betrifft.
Es ist so, dass die Rechtsordnung die Möglichkeit kennt, dass bereits rechtskräftig gewordene Bestrafungen im Nachhinein aufgehoben werden – ich sage nur: § 52a VStG –, dass die Behörde selbst oder die sachlich in Betracht
kommende Oberbehörde im Nachhinein Bestrafungen aufhebt. Das wäre eine Möglichkeit.
Es gibt natürlich auch die Möglichkeit, eine eigene gesetzliche Grundlage zu schaffen, die einfachgesetzlich oder, wenn man auf Nummer sicher gehen will, verfassungsgesetzlich sein kann.
In Bezug auf dieses Volksbegehren, das die Rückzahlung aller Covid-Strafen betrifft, sind wir natürlich nicht einverstanden, aber wir sind der Meinung, dass es zu einem Rechtsstaat gehört, dass Bestrafungen, die aufgrund von Rechtsgrundlagen verhängt worden sind, die aufgrund von rechtsstaatlichen Mechanismen, wie zum Beispiel durch den Verfassungsgerichtshof, im Nachhinein als nicht gesetzes- oder verfassungskonform erkannt werden, schon auch zurückgezahlt werden können. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)
11.37
Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Frau Abgeordnete Susanne Fürst zu Wort. – Bitte sehr.
Abgeordnete Dr. Susanne Fürst (FPÖ): Frau Vorsitzende! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir wollen es heute nicht mehr wahrhaben, dass wirklich Leute bestraft worden sind, weil sie zu wenig Abstand zu anderen Menschen eingehalten haben oder von vier oder fünf Leuten Besuch zu Hause bekommen haben – das war tatsächlich verboten – oder eine Maskenpflicht verletzt haben oder eine Ausgangssperre übertreten haben, aber, ja, dennoch ist es über viele Monate und in Tausenden Fällen passiert. Daher danke ich den Initiatoren des Volksbegehrens. Es ist immer sehr viel Mühe, es bedarf sehr vielen Engagements, so ein Volksbegehren aufzuziehen. (Beifall bei der FPÖ.) Daher sage ich ein Dankeschön an die Unterzeichner.
Wenn man auch nicht in allen Punkten bei der Begründung mitgeht: Das Begehren selbst, dieses Begehren nach einer umfassenden Rückzahlung der
verhängten Covid-Strafen, ist nicht nur legitim, sondern es wäre meiner Ansicht nach auch erforderlich, zumindest zum Teil begangenes Unrecht wiedergutzumachen und diese schändlichen Strafen aufzuheben.
Die Experten im Ausschuss haben uns auch versichert, dass es rechtlich möglich wäre, auch wenn das jetzt hier anders dargestellt wurde. Es ist rechtlich möglich, und wir leben das ja auch in Niederösterreich, mit dem dortigen Modell. Der Großteil des angerichteten Schadens ist nicht wiedergutzumachen, aber eine Rückzahlung der Strafen und damit auch eine Geste, auszudrücken, dass das nicht richtig war, wäre sehr, sehr wichtig.
Leider ist die Einsicht bei der Bundesregierung, bei den Regierungsparteien, aber auch bei der SPÖ nicht vorhanden. Bundeskanzler Nehammer hat ja eine Aufarbeitung versprochen. Die ist dann in Form eines Papierbergs von der Akademie der Wissenschaften gekommen, in dem es eigentlich nur so vor Uneinsichtigkeit strotzt. Letztlich sieht man nur ein: Man hat das Ganze zu wenig erklärt. Also mit Aufarbeitung oder irgendeiner Einsicht hat das nicht das Geringste zu tun. Es steht mehr so etwas drinnen wie: Das nächste Mal müssen wir das besser erklären! – Da fragt man sich: Was wird damit angekündigt?
Die Maßnahmenkritiker und die, die das auch wirklich journalistisch recherchiert haben und in den Medien veröffentlicht haben, sind als Dank dafür im Rahmen dieser Aufarbeitung im Sektenbericht gelandet. So sollte es nicht sein. Die Gesetze, aufgrund derer die Strafen verhängt wurden, wurden von den Regierungsparteien und von der SPÖ beschlossen. Die Parteien, vor allen Dingen die Regierungsparteien, haben uns gesagt, dass die Wissenschaft diese Maßnahmen und diese Coronapolitik verlangt hätte – die einhellige Wissenschaft, der wir zu folgen hatten. Nun, wir haben immer gesagt, diese eine Wissenschaft kann es nicht geben. Das hatte Methode: Man nahm sich nur die Experten, die das Genehme sagten, die anderen bekamen keine Auftritte mehr und wurden unterdrückt.
Mittlerweile ist es aber schwarz auf weiß bewiesen: Schon in den USA ist im Rahmen einer Senatsanhörung klar geworden, dass es anders gelaufen ist, und in unserem Nachbarland Deutschland findet zumindest ansatzweise so etwas wie eine Aufarbeitung statt. Die Protokolle des Robert-Koch-Instituts sind zum Teil veröffentlicht, und daraus geht ganz klar hervor, dass das zum Teil sogar eine Rehabilitierung für die Ärzte und für die Wissenschafter im Robert-Koch-Institut ist, die sich gegen die Maßnahmen gestemmt haben, und dass die Maßnahmen von der Politik – damals von Gesundheitsminister Spahn –gewünscht wurden. Zum Beispiel ist er mit der Vorgabe dahergekommen, bei einer Inzidenz von 35 Infizierten – also bloß 35 positiven Tests, da sind wir alleine bei der Fehlerquote – auf 100 000 Einwohner hätten Lockdowns zu folgen. Es war eine Vorgabe der Politik; die Wissenschafter im Robert-Koch-Institut haben gesagt, das ist nicht zu machen, das hat keine Evidenz, das können wir nicht begründen.
Dann hat es geheißen: Okay, dann gibt es keine Aufträge mehr für das RKI! Dann hat man sich gebeugt. Es hat also an die Wissenschaft geheißen: Folgen Sie der Politik, sonst gibt es kein Geld mehr, keine Aufträge mehr, für die Experten keine Mittel mehr und keine Auftritte in den Medien! Und dann steht man im Eck. So hat es ausgesehen. Das steckt hinter diesem Satz: Folgen Sie der Wissenschaft! Merken wir uns das bitte, weil es ja jetzt auch schon beim Klimathema gespielt wird – da spielt es sich natürlich genau gleich ab –: Folgen Sie der Wissenschaft! (Beifall bei der FPÖ.)
Das ist eine äußerst traurige Tatsache. In Österreich verweigert man wie gesagt die Aufarbeitung. Es wird wohl niemand glauben, dass es hier in Österreich anders abgegangen ist als in Deutschland. Das heißt, die Politik hat die Vorgaben gemacht, die Wissenschaft und die Bevölkerung hatten zu folgen. Das muss aufgearbeitet werden. Es ist jetzt bewiesen, dass es bei dieser überbordenden Coronapolitik nicht darum gegangen ist, Leben zu retten oder die Intensivstationen zu entlasten – das war es nicht. Es ist darum gegangen, politische
Experimente auszuprobieren und ihnen ein wissenschaftliches Kleid zu verleihen. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Eßl: Das ist eine Unterstellung!)
11.43
Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Georg Bürstmayr. – Bitte.
Abgeordneter Mag. Georg Bürstmayr (Grüne): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Freiheitliche Partei hat wieder einmal so viele Falschbehauptungen aufgestellt, dass ich 20 Minuten bräuchte, um sie alle richtigzustellen.
Ich möchte nur auf zwei Dinge ganz kurz eingehen: Erstens hat der Verfassungsgerichtshof einige der gegen die Covid-Pandemie gesetzten Maßnahmen tatsächlich aufgehoben. Warum? – Nicht, weil sie inhaltlich falsch gewesen wären, sondern weil sie – so war die Argumentation – nicht ausreichend begründet waren. Warum waren sie nicht ausreichend begründet? – Weil das Gesundheitsministerium, das diese Verordnungen erlassen hat, eine Legistikabteilung hatte, die bis dahin relativ wenig Erfahrung mit so vielen Verordnungen hatte. Die Legistikabteilung im Gesundheitsministerium hat gelernt; die weiteren Maßnahmen wurden mit zahlreichen Dokumenten ausführlich begründet und haben dann auch einer höchstgerichtlichen Prüfung standgehalten.
Zum Zweiten: Warum haben wir diese Maßnahmen überhaupt gesetzt? – Weil wir Leben retten wollten; und für die allermeisten Menschen hätte es auch keine Verordnungen und keine Strafandrohungen gebraucht – so, wie die meisten Menschen selbstverständlich ein Tempolimit oder das Rauchverbot in der Gastronomie einhalten (Heiterkeit der Abg. Belakowitsch), weil sie verstanden haben, dass das andere Menschen schützt. Trotzdem sind das Maßnahmen, die strafbewehrt sind, weil sie andere Menschen schützen. (Zwischenruf des Abg. Michael Hammer.)
Da geht es also um etwas, womit Sie, meine Damen und Herren von der Freiheitlichen Partei, ein großes Problem haben: Zusammenhalt, Solidarität. (Abg. Amesbauer: Spaltung war das, das war Spaltung!) Ich möchte mich an dieser Stelle noch einmal bei all den vielen Menschen da draußen in ganz Österreich bedanken, die vor allen Dingen in der ersten Phase der Pandemie, als wir noch keinen Impfstoff hatten, intuitiv begriffen haben, worum es geht: nämlich Abstand zu halten, zu versuchen, einander nicht anzustecken, zu versuchen, einander zu schützen und so gemeinsam Leben zu retten – und wir haben mit diesen Maßnahmen Tausende Leben gerettet. Dafür danke ich Ihnen. – Danke fürs Zuhören! (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Michael Hammer: Das schnallen die da drüben nimmer!)
Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.
Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.
Dann kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Verfassungsausschusses, seinen Bericht 2703 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.
Wer sich für die Kenntnisnahme ausspricht, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Der Bericht ist einstimmig zur Kenntnis genommen.
Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über das Volksbegehren (2409 d.B.) „Gerechtigkeit den Pflegekräften!“ (2693 d.B.)
Präsidentin Doris Bures: Damit kommen wir zum 3. Punkt der Tagesordnung.
Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.
Herr Abgeordneter Ernst Gödl, Sie gelangen zu Wort.
11.46
Abgeordneter Mag. Ernst Gödl (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Meine geschätzten Damen und Herren! Bei diesem Tagesordnungspunkt besprechen wir nun ein Volksbegehren zum Thema Pflege, es nennt sich Gerechtigkeit den Pflegekräften, und es haben tatsächlich 132 000 Menschen unterschrieben.
Die Pflege ist ein extrem wichtiges Thema. In dieser Legislaturperiode mit dieser Bundesregierung haben wir einen ganz besonderen Schwerpunkt auf das Pflegethema gelegt. (Abg. Belakowitsch: Und trotzdem ... ein Volksbegehren ...!) Mit den großen Pflegereformpaketen der letzten drei Jahre haben wir einen wirklich großen Sprung nach vorne gemacht. Es waren die größten Reformmaßnahmen im Bereich der Pflege seit der Einführung des Pflegegeldes 1993.
Wir haben für den Pflegebereich tatsächlich – ganz im Sinne dessen, was die Unterstützerinnen und Unterstützer des Volksbegehrens gefordert haben – viel mehr finanzielle Mittel bereitgestellt. Sie erinnern sich sicher noch sehr gut: Vor zwei Jahren gab es das erste große Reformprojekt mit in Summe 20 Maßnahmen. Eine dieser wichtigen Maßnahmen war, mehr Mittel für die Erhöhung der Gehälter im Pflegebereich bereitzustellen. Es gab diesen sogenannten Zweckzuschuss an die Länder mit der Aufforderung, die Gehälter zu erhöhen. Es waren in Summe für zwei Jahre, für 2022 und 2023, 570 Millionen Euro.
An alle, die damals gerufen haben, dass das nur einmalig sei: Nein, das ist nicht einmalig! Das haben wir nun auch im Wege des Pflegefonds, im Wege des Finanzausgleichs abgesichert. Der Pflegefonds wurde vom letzten Jahr auf heuer, auf 2024 von etwas über 400 Millionen Euro auf 1,1 Milliarden Euro jährlich aufgestockt. Es zeigen auch alle Statistiken, dass von der öffentlichen Hand noch nie so viel in die Pflege investiert wurde wie jetzt. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.) Etwa 3 Milliarden Euro pro Jahr macht derzeit das Pflegegeld aus, das der Bund ausbezahlt, und etwa 2,8 Milliarden Euro sind die
Nettoausgaben für alle Pflegedienstleistungen von den Gemeinden, von den Ländern und auch vom Bund.
Das heißt, ganz im Sinne dessen, was in diesem Volksbegehren gefordert wurde, haben wir in den letzten zwei Jahren bereits konkrete Schritte umgesetzt. Wir wissen, dass das Pflegethema uns weiter sehr herausfordern wird. Wir haben das auch gestern diskutiert. Es ist ja keine Frage, dass in vielen Bereichen zu wenig Personal vorhanden ist. Das sehen wir in vielen Pflegeheimen, das sehen wir bei den mobilen Diensten. Dabei – und auch das zeigt die Statistik – arbeiten mehr Menschen in der Pflege denn je. Der Bedarf steigt allerdings stark, weil sich natürlich viele Parameter in unserer Gesellschaft verändern, etwa die Haushaltsstrukturen, und weil die demografische Entwicklung so ist, dass die Menschen immer älter werden und dadurch auch durchschnittlich mehr pflegerische Leistungen in Anspruch nehmen müssen und in Anspruch nehmen möchten.
Daher bleiben die Herausforderungen im Bereich der Pflege auch für die nächste Bundesregierung groß. Doch wir haben uns wirklich redlich bemüht. Wir haben gemeinsam hier im Parlament viele wichtige Beschlüsse gefasst. Es wird auch weiterhin notwendig sein, die verschiedenen Themenbereiche weiterzuentwickeln und gerade auch die Pflege zu Hause zu stärken. Es wurde zum Beispiel der Angehörigenbonus eingeführt. Gestern haben wir beschlossen, dass dieser Angehörigenbonus auch jährlich valorisiert wird. Darüber hinaus haben wir erst vor Kurzem die Förderung für die 24-Stunden-Betreuung maßgeblich erhöht.
All diese Maßnahmen tragen dazu bei, dass die Pflege in unserer Gesellschaft, in unseren Familien, in unseren Gemeinden auch wirklich organisiert werden kann. Es bedarf wie gesagt weiterer Reformen, keine Frage; aber wir stehen wie immer für einen klaren, geradlinigen Weg, nicht für populistische Forderungen. Wir gestalten unsere Politik mit ernsthaftem Bemühen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)
11.50
Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Josef Muchitsch. – Bitte.
Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ): Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Sehr geschätzte Damen und Herren! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ja, Kollege Gödl hat recht, die Pflege ist eine große Herausforderung, da sind weitere Maßnahmen notwendig. Deswegen war es uns als Sozialdemokratie so wichtig, ein Hearing zu diesem Volksbegehren einzufordern, und dieses Hearing hat stattgefunden.
Fakt ist, die Unterstützer fordern mehr Geld für aktive Pflegekräfte, sie fordern mehr Budgetmittel, um die Personalnot zu lindern. Das ist eine sehr einfach klingende Forderung, aber es braucht dazu wesentlich mehr Inhalte und wesentlich mehr Maßnahmen.
Dieses drohende Pflegechaos und dieser Pflegenotstand ist von ÖVP und Grünen nicht ausreichend angegangen worden. Ich werde ein paar Beispiele für Bereiche bringen, bei denen das nicht ausreichend war, wobei das nichts mit Populismus zu tun hat.
Fakt ist, wir haben dieses Hearing gemacht, und es war gut, dass wir es gemacht haben. Warum? – Alle fünf politischen Parteien haben eine Expertin oder einen Experten vorgeschlagen, und wir haben uns im Ausschuss die Ansicht dieser Expertinnen und Experten anhören dürfen, wie sie diesen Pflegenotstand in Österreich wissenschaftlich, also real, beurteilen. Das war wirklich sehr erkenntnisreich, weil Menschen von außen aufgezeigt haben, wo die Probleme liegen.
Da wurde einiges aufgelistet. Ich darf jetzt zusammenfassen:
Klar war, die Dienste werden eine immer größere Belastung. Durch zu wenig Personal gibt es immer mehr Dienste, und immer mehr Dienste bedeuten
natürlich mehr Belastung. Mehr Belastung bedeutet weniger Planbarkeit, weniger Freizeit, weniger Erholung.
Eines ist auch wieder einmal klar bestätigt worden: Pflege ist weiblich. 80 Prozent des Pflegepersonals sind Frauen.
Was auch von allen Beteiligten, von allen Vertretern der politischen Parteien klargemacht wurde: Nachtdienste alleine auf Stationen sind ein Riesenproblem. Da wird ein österreichweiter verpflichtender Personalschlüssel unbedingt eingefordert.
Es wurde auch die Pflegelehre angesprochen, wobei festgestellt wurde, dass es schon ein Problem ist, Menschen im jungen Alter diese Lehre zuzumuten. Das wurde kritisch bewertet.
Auch die pflegenden Angehörigen wurden angesprochen. Die Menschen werden immer älter, die Menschen bleiben immer länger in der Pflege und es gibt immer mehr Herausforderungen für die pflegenden Angehörigen. Das heißt, es ist umso mehr notwendig, ausreichend Pflegepersonal zu lukrieren.
Genau da setzt unser Kritikpunkt an: Wenn man für eine Pflegeausbildung trotz eines Stipendiums etwas bezahlen muss, während andere Ausbildungen nichts kosten, wie es zum Beispiel bei den Polizeischülerinnen und Polizeischülern ist, dann muss man sagen, es ist seitens dieser Regierung zu wenig gemacht worden.
Polizeischülerinnen und Polizeischüler bekommen monatlich 2 300 Euro brutto, und das 14 Mal im Jahr, sind sozialversichert und erhalten ein Klimaticket. Und es versteht niemand, dass man bei einer Ausbildung in der Pflege nur 600 Euro bekommt, und zwar nur 12 Mal im Jahr, nicht sozialversichert ist und kein Klimaticket bekommt. Das ist diese Ungerechtigkeit, diese Unfairness! (Beifall bei der SPÖ.)
Das versteht wirklich niemand, wenn man sagt: Junge Menschen, kommt in die Pflege, ihr dürft euch die Ausbildung selber bezahlen! Für die Sozialversicherung
wird die Ausbildungszeit nicht angerechnet. (Abg. Gödl: ... Pflegestipendium vergleichen; das ist ein Vergleichen von Äpfeln und Birnen, was du da machst, wissentlich!) – So werden wir den Pflegenotstand nicht beseitigen können, Kollege Gödl. Da habt ihr eindeutig diese betroffenen Menschen benachteiligt. (Abg. Gödl: ... Pflegestipendium vergleichen! Das Pflegestipendium ist 1 500 netto, mindestens!)
Wenn man sich dann noch anschaut, dass Polizeischülerinnen und Polizeischüler einen fixen Arbeitsplatz haben, wenn sie die Ausbildung schaffen, aber jene Menschen, die in der Pflegeausbildung sind, nicht (Ruf bei der ÖVP: Was?!): Das ist auch eine Ungerechtigkeit. Es braucht wirklich ein Bündel an Maßnahmen, um diesen drohenden Pflegenotstand in den Griff zu bekommen. Das war auch das Ergebnis des Hearings mit den Expertinnen und Experten aller politischen Parteien.
Es ist umso unverständlicher, dass ÖVP und Grüne unsere Anträge dazu in den letzten fünf Jahren immer wieder abgelehnt haben. Das, was im Hearing von den Expertinnen und Experten aufgezeigt wurde, beantragen wir seit fünf Jahren. Kollege Drobits wird Ihnen und auch den Menschen zu Hause vor den Bildschirmen heute hier heraußen noch einmal unsere Anträge in Erinnerung rufen.
Gleich wird meine Lieblingskollegin von den Grünen, Kollegin Ribo, hierher ans Rednerpult kommen, und ich weiß schon, was wieder kommen wird: die alte Platte, wie toll eure Reformen sind, wie super ihr das gemacht habt (Abg. Schallmeiner: Machen wir, im Gegensatz zu euch!), und dass davor 30 Jahre Stillstand war. (Abg. Schallmeiner: Danke! – Abg. Tomaselli: Glaubt ihr es eigentlich selber? – Abg. Heinisch-Hosek: ... überheblich! – Abg. Tomaselli: ... tut körperlich weh, na wirklich!)
Was ist eure Pflegebilanz? – 4,16 Euro pro Tag für pflegende Angehörige – bleibt zu Hause, pflegt die Angehörigen für 4,16 Euro pro Tag! (Abg. Heinisch-Hosek: Unglaublich! – Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von Grünen und SPÖ); mehr Gehalt, aber nicht für alle; Pflegebonus nicht für alle; Menschen, die mit
Behinderten arbeiten, die ja auch zu pflegende Menschen sind, habt ihr in all euren Reformen vergessen. (Anhaltende Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von Grünen und SPÖ.)
Deswegen, Frau Kollegin Ribo, sage ich Ihnen gleich, was unsere Bilanz ist. (Abg. Tomaselli: ... Pflegebonus, erzähl mir mal ...!) – Hört zu, lernt ein bisschen Geschichte! Die SPÖ-Pflegebilanz: 1993: Einführung des Pflegegelds unter SPÖ-Sozialminister Hesoun (Abg. Tomaselli: Ja, jetzt ist es höher!); 2007: 24-Stunden-Pflege, SPÖ-Sozialminister Buchinger; 2011: Pflegefonds; 2014: Pflegeregress abgeschafft, Pflegeteilzeit eingeführt, Pflegekarenz eingeführt, alles unter SPÖ-Sozialminister Hundstorfer (Beifall bei der SPÖ – anhaltende Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von Grünen und SPÖ); 2018: unter Sozialminister Stöger (Abg. Gödl – erheitert –: 2018!) Pflegeregress für Menschen in Pflegeheimen abgeschafft.
Das ist eine Bilanz, das sind Meilensteine gewesen. (Ruf bei den Grünen: Nein!) Es ist höchste Zeit, dass die Sozialdemokratie wieder in Regierungsverantwortung kommt, damit in der Pflege nicht mehr passiert, was jetzt passiert ist, nämlich dass Menschen ungleich behandelt und zurückgelassen werden. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)
Deshalb ist es wichtig, dass wir in die Regierung kommen, meine sehr geehrten Damen und Herren, um diesen Notstand zu beseitigen! (Abg. Tomaselli: Da klatschen nicht einmal die eigenen ...! – Beifall und Bravoruf bei der SPÖ.)
11.57
Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Dagmar Belakowitsch. – Bitte.
Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Sehr geehrte Damen und Herren! Auch hierbei handelt es sich um ein Volksbegehren. Dessen Proponenten fordern Gerechtigkeit für Pflegekräfte. Meine Damen und Herren, ich finde es
ein bisschen traurig, weil es wahrscheinlich kaum ein Thema gibt, mit dem wir uns hier beschäftigen, das so wenig ideologisch ist wie die Pflege. Die geht uns alle an, und ich glaube, wir haben alle ein gemeinsames Ziel.
Es gibt unterschiedliche Maßnahmenbündel, Maßnahmenpakete, über die man diskutieren kann, aber ich glaube, dass sich gerade der Themenkomplex Pflege nicht für ein Schreiduell eignet. Das bringt niemanden weiter, am wenigsten die zu Pflegenden und die Pflegekräfte.
Ja, die Bundesregierung hat dazu in den letzten fünf Jahren drei Reformen vorgelegt – oder drei Reformschritte, würde ich sagen –, und es gibt mehr Geld, teilweise.
Herr Kollege Gödl, das ist ja da auch noch ein bisschen ein Thema: Nicht alle sind in den Genuss dieser Pflegeprämie gekommen. Manche haben sie bis heute nicht bekommen, manche haben das als Prämie bekommen, andere haben es gleich als Gehaltsbestandteil bekommen. Das ist ein Themenkomplex, über den man noch lang diskutieren kann.
Ein ganz großes Problem, das wir haben, ist aber der Personalmangel. Wenn Sie mit Pflegekräften reden, und ich tue das sehr häufig, dann merken Sie, es gibt da ein Thema, das wirklich alle, die in der Pflege arbeiten, egal in welchem Pflegebereich, vereint: Das sind die vielen, vielen Überstunden, die dort geleistet werden müssen, weil es schlicht und einfach zu wenig Personal gibt. Ich glaube, wenn wir von Pflegegerechtigkeit reden, dann müssen wir dieses Thema ernsthaft angehen.
Da gibt es eben unterschiedlichste Ideen – ich sage jetzt gar nicht: ideologische Zugänge. Es sind schlicht und einfach Ideen, wie man dazu kommen kann, dass man Personal rekrutiert, wie man es schafft, jungen Menschen diesen Beruf auch wirklich zu erklären.
Es gibt immer wieder solche Fälle: Erst vor Kurzem habe ich einen jungen Mann kennengelernt, der Zivildienst bei einer Rettungsorganisation gemacht hat; er
wollte eigentlich ein technisches Studium beginnen und hat jetzt auf Pflege umgesattelt.
Ich glaube, viele junge Menschen haben einfach ein falsches Bild. Ich glaube, wir sollten aufhören, die Pflege als ein Drama darzustellen. Es ist ein grandios schöner Beruf. Man kommt mit vielen, vielen Dingen in Berührung. Es ist ein sehr differenzierter Beruf mit unterschiedlichsten Karrierechancen. Ich glaube, es ist auch Aufgabe der Politik, das nach außen zu vermitteln, unseren jungen Menschen auch zu vermitteln: Das ist nicht nur alles schlimm und alles schlecht! (Abg. Gödl: Bravo!)
Aber ja, je weniger Personal, umso stressiger ist es für den Einzelnen. Da müssen wir hinschauen und da braucht es tatsächlich Maßnahmen. Mein Kollege Ragger wird dann auch noch auf ganz andere Aspekte hinweisen, die diesen Pflegedienst erleichtern können. Ich glaube, wir brauchen diese Fülle und dieses Bündel an Maßnahmen, denn Pflege geht uns letztlich alle etwas an. Wir alle können in die Situation kommen, dass wir Pfleger brauchen; wir wünschen es uns nicht, aber wir wissen es nicht.
Für unsere Bevölkerung, für jene, die sie jetzt schon brauchen, für alle pflegenden Angehörigen, für Menschen, die in der Pflege arbeiten – in der Hauspflege, im intramuralen Bereich –, für Betreuer:innen im Behindertenbereich sind wir gefordert, auch ein positives Bild zu zeichnen.
Ich glaube, dazu sollte auch dieses Volksbegehren beitragen. Es geht nicht darum, dass wir uns da jetzt irgendwie herumcatchen, denn Pflege ist wirklich unideologisch. Pflege ist etwas, was wir alle im Sinne unserer Bevölkerung brauchen. (Beifall bei der FPÖ und der Abg. Diesner-Wais sowie Beifall und Bravoruf des Abg. Gödl.)
12.01
Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Bedrana Ribo. – Bitte.
12.02
Abgeordnete Bedrana Ribo, MA (Grüne): Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher:innen hier auf der Galerie und zu Hause vor den Bildschirmen! In den Fluren unserer Krankenhäuser, in den Wohnzimmern der Pflegebedürftigen, in den Pflegeheimen, also überall dort, wo Menschen auf Hilfe angewiesen sind, sind auch sie zu finden: die Pflegekräfte. Sie sind diejenigen, die mit ihrer Arbeit das Leben anderer Menschen würdevoller machen.
Die Herausforderungen, denen sich die Pflegekräfte täglich – wirklich täglich – stellen müssen, sind enorm. In dieser Branche herrscht massiver Personalmangel. Die Belastungen – körperlich und seelisch – sind immens, und es wurde – Kollege Muchitsch, ja das stimmt – viel zu lange weggesehen. Die Wertschätzung fehlte oft. In der Covid-Zeit haben wir alle gesagt: Das Klatschen ist zwar nett, aber es reicht nicht! – Und es blieb auch nicht beim Klatschen.
Wenn es eine Regierung und einen Gesundheitsminister gibt, die sich den Problemen in der Pflege gestellt haben, und wenn es jemanden gibt, der das Thema Pflege ernst genommen hat, dann ist es diese Bundesregierung und der grüne Bundesminister Johannes Rauch. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Scheucher-Pichler.)
Die Pflegereform – ich habe es gestern schon gesagt; lassen Sie sich das bitte auf der Zunge zergehen! –: Drei Pflegereformen haben wir in dieser Regierungsperiode beschlossen, und viele Maßnahmen sind bereits in Umsetzung.
Ich möchte einige davon noch einmal hier aufzählen: der Pflegebonus für alle Pflegerinnen und Pfleger; die Einführung der sechsten Urlaubswoche, der sogenannten Entlastungswoche ab dem 43. Lebensjahr; die Erhöhung des Erschwerniszuschlags – all das sind Maßnahmen, die den Menschen in der Pflege zugutekommen.
Ja, es ist kein Geheimnis, dass es in Zukunft noch mehr Menschen, die Pflege benötigen, geben wird, denn wir wissen, wir werden alle älter, was auch gut ist.
Das stellt uns vor neue Herausforderungen, und deshalb ist es auch wichtig, die Pflege zukunftsfit und zukunftssicher zu machen.
Es wurden auch Maßnahmen im Bereich des Ausbildungssektors gesetzt, weil wir wissen, wir brauchen noch mehr Menschen in der Pflege, damit wir das alles stemmen können. Wir haben in der Ausbildung vieles weitergebracht: Im Erstbildungsweg bekommen die angehenden Pflegerinnen und Pfleger während des Praktikums 600 Euro. Es gibt ein Pflegestipendium – und nein, es sind nicht 600 Euro, das Pflegestipendium beträgt über 1 500 Euro! (Beifall bei den Grünen.)
Wir haben gestern hier darüber gesprochen, dass wir das Pflegestipendium ausgeweitet haben, also nicht nur für Pflegeassistent:innen und Pflegefachassistent:innen, sondern eben auch für die Ausbildung auf der FH. Wir haben die Kompetenzen erweitert. Das ist vor allem für diplomiertes Pflegepersonal wichtig, damit die Möglichkeit der Erst- und Weiterverordnung von Arzneimitteln geregelt wird und weiterhin besteht.
Ich möchte es hier noch einmal sagen: Wenn wir über Pflege reden, dann dürfen wir auf eine Gruppe nie – nie! – vergessen, und das sind die pflegenden Angehörigen. Wir reden von fast einer Million Menschen, die tagtäglich zu Hause ihre Lieben pflegen. Auch da wurden Verbesserungsmaßnahmen gesetzt, um es ihnen einfacher zu machen – wahrscheinlich wird es eh nie einfach sein. Wir haben den Angehörigenbonus gestern noch einmal valorisiert. Ab 1.1.2025 wird der Angehörigenbonus nicht einmal im Jahr, sondern jedes Monat ausbezahlt und valorisiert. Das sind auch Maßnahmen, die den pflegenden Angehörigen zugutekommen. (Beifall bei den Grünen.)
Und ja, ich habe gestern auch gesagt, dass es natürlich mehr braucht. Es wird immer mehr brauchen, weil einfach sehr lange weggeschaut worden ist – das ist eine Tatsache. Wir alle müssen uns bemühen, in der nächsten Regierungsperiode die Pflege weiterhin auf der Prioritätenliste ganz oben zu halten, weil wir es uns nicht leisten können, wegzuschauen. Das können wir nicht, weil wir alle
davon irgendwann einmal in irgendeiner Art und Weise betroffen sein werden. Deswegen auch ein Appell an alle: Bitte lassen wir die Pflege nie, nie wieder im Stich! (Beifall bei den Grünen.)
Ganz zum Schluss muss ich kurz auf Kollegen Muchitsch eingehen: Ganz ehrlich, 30 Jahre Regierungsbeteiligung und Ihre Erfolge lassen sich in 1 Minute aufzählen – das ist auch zu wenig! (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Gödl. – Abg. Krainer: Auf die Qualität kommt es an, nicht auf die Quantität!)
12.06
Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Fiona Fiedler. – Bitte.
Abgeordnete Fiona Fiedler, BEd (NEOS): Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! (Die Begrüßung auch in Gebärdensprache ausführend:) Liebe gehörlose Menschen! Mehr Gerechtigkeit den Pflegekräften – das klingt eigentlich nach einer sehr legitimen Forderung, wenn auch das Begehren selbst nicht weit genug geht. Da ist nämlich hauptsächlich von mehr Geld die Rede. Mehr Geld ist zwar gut, aber wenn man sich genau überlegt, was die Expert:innen während des Hearings gemeint und auch gefordert haben, geht es da noch viel mehr um die Arbeitsbedingungen.
Es geht um die Frage, warum so viele Menschen relativ schnell nach dem Einstieg ins Berufsleben wieder aus der Pflege verschwinden. Es geht um die Notwendigkeit von Weiterbildungen und Fortbildungen. Und es geht darum, wie Pflegekräfte auch selbstständig Gesundheitsleistungen erbringen können.
Wir haben von den körperlichen Belastungen, von den psychischen Belastungen, die in der Pflege vorherrschen, gehört, dass wir betriebliche Vorsorge anders sehen sollten, die Digitalisierung als eine Chance sehen müssen, und auch, dass
eine bessere Nutzung von Elga den Alltag für Pflegekräfte erleichtern könnte und auch die Patientenoutcomes verbessern würde.
Aber: Wir haben diese Dinge ja alle gehört, und das nicht erst seit der Pandemie, sondern schon viele, viele Jahre davor – zehn, 20 Jahre davor. Was wir aber nicht gehört haben, sind Reaktionen darauf. Daran sind jetzt nicht die Grünen alleine schuld, obwohl der Minister im Finanzausgleich ja zusätzliche Hebel hätte nutzen können. Daran sind alle Parteien hier herinnen schuld – sowohl die ÖVP als auch die SPÖ als auch die FPÖ haben als Regierungsparteien nichts gemacht. Man sieht auch an der Anzahl der Anwesenden hier herinnen, wie wichtig Ihnen dieses Pflegethema ist.
Der Angehörigenbonus wurde vorhin erwähnt: Der ist zwar nett, aber das sind 125 Euro im Monat – wow, da könnt ihr euch selber (in die Hände klatschend) applaudieren, großartig! –, die reißen niemanden heraus.
Wir kennen auch die Personalbedarfsprognosen. Wir kennen die prognostizierten Entwicklungen des demografischen Wandels. Wir diskutieren da über Minireformen, die hinter verschlossenen Türen verhandelt (Abg. Gödl: Geh bitte!) und auf eine sehr undemokratische Weise per Initiativ- oder Abänderungsantrag von der Regierung durchgepeitscht werden.
Man kann natürlich Minierfolge feiern, das steht jedem zu, aber es muss in der nächsten Regierungsperiode einfach besser werden, damit den Pflegekräften endlich Gerechtigkeit zukommt. – (Den Dank auch in Gebärdensprache ausführend:) Danke. (Beifall bei den NEOS.)
12.09
Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Christian Drobits. – Bitte.
Abgeordneter Mag. Christian Drobits (SPÖ): Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher und
Zuhörer:innen! Nun, dieses Volksbegehren Gerechtigkeit den Pflegekräften hat 132 000 Menschen überzeugt, es zu unterschreiben. 132 000 Menschen wollen mehr Gerechtigkeit für die Pflegekräfte und sagen, dass zu wenig Geld für das Personal, für die Pflege, für das Altern in Würde vorhanden ist.
132 000 Menschen erfahren nunmehr von den Regierungsparteien: Wir haben eh viel gemacht! Wir haben die Pflege neu aufgestellt, wir sind die Besten in der Pflege, wir haben alles nachgeholt, was andere nicht gemacht haben! (Zwischenruf der Abg. Ribo.) Ich sage Ihnen offen und ehrlich: Das ist falsch und diese 132 000 Menschen haben recht. Warum haben sie recht? – Diese 132 000 Menschen sagen nämlich, dass die Pflegekräfte in Österreich nicht gerecht und fair behandelt werden.
Ich sage Ihnen zwei Beispiele, zwei Beispiele, die wir selbst in den letzten Wochen, Monaten aufgegriffen haben. Das eine Beispiel habe ich immer wieder erwähnt, sieben Mal wurde da unser Antrag vertagt (Zwischenruf des Abg. Schallmeiner): die Schwerarbeitspension für Pflege- und Betreuungskräfte. Ich kenne Personen, die weinen, wenn sie mich fragen: Warum bekomme ich keine Schwerarbeitspension, obwohl ich besonders belastende Arbeit leiste? Da muss ich ihnen sagen: Ihr kriegt sie deshalb nicht, weil die derzeitigen Bestimmungen nicht ausreichen, weil ihr nicht in die Schwerarbeitsverordnung aufgenommen werdet.
Es gibt mittlerweile Einzelne in der ÖVP, die mir sagen: Ja, das müsste endlich kommen (Zwischenruf der Abg. Ribo), aber der große Chef der ÖVP sagt dann, das schaffen wir nicht. Und die Grünen sagen: Na ja, das kriegen wir nicht durch, für einen Kompromiss ist das zu wenig. (Abg. Schallmeiner: Na, das haben wir nicht gesagt, ...!) Das heißt, die Schwerarbeitspension ist so ein Punkt, von dem ich sage, da geht es um Fairness und Gerechtigkeit für die Pflegekräfte, das müsste kommen, das fordern wir und das werden wir weiterhin fordern. (Beifall bei der SPÖ.)
Ein zweiter Punkt – den hat auch Kollege Muchitsch angesprochen –: Im Endeffekt heißt Fairness für mich, dass alle, die in diesen Bereichen tätig sind, die gleichen sogenannten Einmalzahlungen – ich schaue da Kollegen Gödl an – bekommen sollen. Behindertenbetreuer, die auch in der Pflege tätig sind, erhalten nicht das Gleiche, wenn es um Entgeltzuschüsse geht, die erhalten nicht die Entlastungswoche wie andere. Bislang haben Sie es nicht geschafft, geschätzte Regierungsparteien, dass Sie alle fair und gleich behandeln. Das ist diskriminierend, und deshalb sage ich, das ist nicht gerecht. Ich gratuliere den 132 000 Menschen, dass sie genau das aufgezeigt haben, was Ihre Handschrift in der Pflegepolitik war. (Beifall bei der SPÖ.)
Und jetzt kommt der springende Punkt. Der springende Punkt ist: Sie haben zugelassen, dass Finanzinvestoren, dass Giganten im Finanzbereich, die die Chance witterten, ihren Fokus auf die Pflege richten. Die greifen mittlerweile schon drauf, die sehen Steuervorteile, die sehen Gewinnabschöpfung, die sehen die Rosinentheorie (Abg. Ribo: Wer regiert in der Steiermark? Ist die SPÖ in der Steiermark nicht in der Regierung?), und was machen die? – Die versuchen natürlich mittlerweile, auf Rehaeinrichtungen, auf Pflegeeinrichtungen und auch auf gewisse Gesundheitseinrichtungen zu greifen. (Zwischenruf der Abg. Ribo. – Abg. Schallmeiner: ... 1996!)
Und wenn Sie nach England schauen, Herr Kollege Schwarz, wenn Sie nach England schauen: Der Erfolg der Labour Party hat damit zu tun, dass in England genau die Partei, die Sie verkörpern, zugelassen hat, dass Private das Gesundheits- und Pflegesystem zerstört haben. (Abg. Tomaselli: Ja, aber ihr seid nicht die Labour Party, wirklich nicht! – Abg. Ribo: ... Pflege in der Steiermark ...!) Das werden wir nicht zulassen! Wir haben andere Vorschläge. (Abg. Schallmeiner: Wer ist wir? ...! Sie oder der Babler?) Wir wollen, dass Pflege und Betreuung gemeinnützig sind, und wollen das stärken. Wir wollen auch, dass das gesetzlich geregelt wird, und wir wollen verhindern, dass Sozialversicherungsbeiträge, liebe Grüne, für sogenannte Heuschreckenfonds und Hedgefonds gewährt werden. Das bedeutet auch, dass wir natürlich dagegen sind, dass Rehaeinrichtungen an
große Baufirmen wie die Strabag und Porr ausverkauft werden. Wir wollen auch nicht, dass die Öbag sich aus Einrichtungen der Vamed zurückzieht (Zwischenrufe der Abgeordneten Tomaselli und Schallmeiner) und dann die Aktionäre in Frankreich die Dividende bekommen. Die Grünen wissen genau, dass die Dividenden 3,5 Prozent sind – zum Beispiel wenn es um Fresenius geht; bei Tesla 0 Prozent –, das heißt, das Geld fließt nicht zurück.
Wir wollen, dass das Geld in die Pflege geht, wir wollen, dass das wieder hineinfließt, und wir wollen nicht – Herr Gödl (Abg. Gödl steht zwischen den Sitzreihen der SPÖ), weil Sie da stehen und mich so ungläubig anschauen (Abg. Schallmeiner: Vranitzky ... 1996!) –, dass es mit dem Profit und der Gier, der maximalen Gier derer so weitergeht. (Heiterkeit des Abg. Muchitsch. – Abg. Tomaselli: Da lacht sogar der Beppo!) Das ist der falsche Weg! Das ist Ihre Politik und die werden wir verhindern! – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)
12.14
Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Christian Ragger. – Bitte.
Abgeordneter Mag. Christian Ragger (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren des Hauses! Zum Volksbegehren: Wir möchten das noch einmal aufdröseln, weil wir, auch wenn es vereinzelt zwischen den Koalitionsparteien gegeben hat, sodass es zu Verbesserungen gekommen ist, trotzdem in den nächsten Jahren vor einer riesigen Debatte stehen werden, wie denn diese Pflege zu finanzieren ist. Man sollte auch darüber nachdenken, wie die Ungleichgewichtungen bestehen. Das beginnt mit drei Punkten, und die möchte ich kurz ausführen.
Das Erste ist, das haben wir bei diesem Volksbegehren klar erkannt, auch aus den Expertenrunden heraus, dass es nach wie vor keine geregelte Finanzierung gibt. Das heißt, wir haben Finanzierungsströme der Gemeinde, wir haben Finanzierungsströme des Landes, wir haben Finanzierungsströme des Bundes
(Abg. Michael Hammer: Aber es ist trotzdem geregelt, oder!?), und es geht nicht an, dass man da in einem bürokratischen Sumpf erstickt und Bittsteller ist – denn anders kann man es leider nicht bezeichnen, als dass diese Familien, die heute Pflege benötigen und nach einer Möglichkeit der Pflege suchen, Bittsteller sind. Das muss die Politik als Aufgabe lösen, dass es da ein einfaches, geordnetes Verfahren gibt, durch das man Pflege und Hilfe angedeihen lassen kann. – Das ist der erste Punkt.
Der zweite Punkt: Es ist schön und nett, dass man immer wieder über die Ausbildung redet – Beppo hat das nämlich jetzt auch noch einmal gebracht, was für Anträge eingebracht worden sind –, aber seid doch ehrlich: Wir haben nach wie vor neun Bundesländer und jedes schnipselt auf diesem Bonsaibaum herum, es gibt keine einheitliche Ausbildung und keine einheitliche Finanzierungsdarstellung. Es gibt genug unattraktive Jobs in der Pflege, weil eben auch die Ausbildung nach wie vor von den einzelnen Ländern bestimmt wird.
Und das Dritte ist etwas, das Sie alle bis jetzt nicht angesprochen und diskutiert haben: Wo passiert denn die Pflege? Die passiert ja nicht im Pflegeheim, das ist ja nur ein Bruchteil. – Die Pflege passiert zu Hause. Jetzt frage ich mich: Wie attraktivieren Sie diese Pflege zu Hause, wo die einzelne Frau oder der einzelne Mann diese Pflege unterstützt?
Sie sagen immer dazu, die Pflegekräfte sind überfordert. – Ja, sie sind überfordert. Sie sind deswegen überfordert, weil Sie immer nur den Fokus auf das Pflegeheim lenken, weil Sie den Fokus darauf lenken, dass sie entweder besser bezahlt werden müssen oder dass sie überfordert sind, weil sie mit den Stunden nicht mehr auskommen. Wenn wir aber ehrlicherweise über den Pflegeschlüssel diskutieren wollen, dann sind alle auf Tauchstation. Der Pflegeschlüssel ist es nämlich, der in Wirklichkeit die tatsächliche Überlastung der Pflegekraft von heute zeigt. (Beifall bei der FPÖ.)
Wenn man heute als diplomierte Pflegerin 25, 30 Personen an einem Tag pflegen muss, waschen muss, vielleicht anziehen muss, für sie das Essen
ausgeben muss, dann ist man überfordert. Dieses Burn-out-Vorgeschehen ist gegeben und dann will keiner mehr in diesem Bereich arbeiten.
Und der letzte Bereich: Wenn wir schon darüber nachdenken, dann nehmen Sie sich bei der eigenen Nase! Jeder fährt immer noch schön brav zum Forum Alpbach, lässt sich dort abfeiern, jeder Minister, jeder Wirtschaftstreibende, auch die Gewerkschaft ist dabei, aber wenn ihr schon darüber sprecht, dass man die Pflege entlasten will, dann sollte man darüber nachdenken, wie man denn – und gestern hat es Herr Kollege Taschner aufgezeigt – die Pflege daheim automatisiert. Denken wir doch einmal darüber nach, wie wir heute in einem Haus, in einer Wohnung die Pflege attraktivieren können, indem wir für Ambient Assisted Living, nämlich begleitende technische Mittel beim Wohnen, Anreize schaffen – das geht von der Wohnbauförderung über die Bauordnung bis hin zur Förderung der Wirtschaftsleistung –, damit heute ein Mann oder eine Frau selbstbestimmt leben kann.
Witzigerweise schaffen es die Holländer. Die Holländer schaffen es mittlerweile, 20 Prozent ihrer Altbestände, also ihrer Menschen, die 80 Jahre und älter sind (Abg. Herr: Ihrer Altbestände!?), in solchen Wohneinrichtungen zu versorgen. Wissen Sie, was das jedes Jahr an Millionen an Entlastung bedeutet? Darüber sollte man nachdenken! Daher war vielleicht dieses Volksbegehren gar nicht so schlecht dafür, einmal einen Anstoß in Richtung dieser neuen Entwicklung zu setzen.
Ambient Assisted Living gibt es seit zehn Jahren, es ist im Forum Alpach seinerzeit vorgestellt worden. Passiert ist aber nichts mehr in dieser Zeit. Setzen wir diese Schritte als Erstes um und beginnen wir, die private Pflege zu Hause zu attraktivieren, dann werden wir auch eine andere Diskussion führen können! – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)
12.19
Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Frau Abgeordnete Pia Philippa Beck zu Wort. – Bitte, Frau Abgeordnete.
12.19
Abgeordnete Pia Philippa Beck (ohne Klubzugehörigkeit): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Liebe Parlamentsgäste! Ein Volksbegehren, das sich mit dem Thema Pflege auseinandersetzt, unterzeichnet von rund 132 000 Menschen, zeigt die Dringlichkeit, denn die Pflege befindet sich in keiner Krise, sondern eigentlich schon längst in einer Katastrophe.
Was ist bei der Pflege niemals zu vergessen? – Im Zentrum der Debatte steht der Mensch: der Mensch, der pflegt, und der Mensch, der gepflegt wird. Alleine der emotionale Aspekt im Bereich der Pflege ist ein Punkt, der enorm viel Kraft kostet. Im österreichischen Pflegesystem gibt es grob gesagt drei unerlässliche Stützpfeiler: die Menschen in den Gesundheitspflegeberufen, die Angehörigen, die Pflege zu Hause leisten, und die zu Pflegenden selbst.
Blicken wir, wie im Volksbegehren erwähnt, auf das Jahr 2020 zurück. Damals hat die WHO dazu aufgerufen, einen besonderen Fokus auf Gesundheitsberufe zu legen – auf eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen, der Entlohnung –, um sicherzustellen, dass es künftig noch beruflichen Nachwuchs in diesem System gibt. 2020, da war eigentlich schon lange klar, dass die Pflege selbst ein einziger Pflegefall ist, dass Applaus alleine eben nicht reicht, dass Wertschätzung für ein System, das tagtäglich Übermenschliches leistet, eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte und nichts, woran man erinnert werden muss.
Wer spätestens seit der Coronakrise nicht verstanden hat, dass der Pflege viel zu wenig Achtung entgegengebracht wird, der wird es womöglich erst verstehen, wenn er einmal selbst darauf angewiesen ist oder einmal erlebt hat, was diese Berufsgruppen Tag für Tag an Leistung erbringen. So sehr die Pflege in der Coronapandemie als systemrelevant beschworen wurde, so fast schon unbedeutend ist sie im politischen Diskurs der Gegenwart.
Dabei ist eigentlich seit dem 19. Jahrhundert klar, dass es neben einem ärztlichen Bereich auch einen nicht weniger unerheblichen Pflegebereich geben
muss. Tragischerweise ignoriert man politisch seit Jahren erhebliche Probleme. Eines dürfte nämlich immer noch nicht im Bewusstsein vieler angelangt sein, nämlich dass Pflege keine Assistenz für Ärztinnen und Ärzte ist, sondern ein eigener Faktor im Gesundheitswesen, der endlich die dringend notwendige Beachtung als ein solcher Faktor verdient.
Die Realität in Österreich für pflegebedürftige und pflegende Menschen sieht anders aus. Ein Blickpunkt, den man beachten sollte, liegt in der Versorgung, in der Heimpflege pflegebedürftiger Menschen. Da wird die Hauptverantwortung einmal mehr von Frauen getragen – eine erhebliche Mehrarbeit, die kaum anerkannt oder unterstützt wird. Es ist eben so, dass Fürsorglichkeit als eine angeborene Sache der Frauen verstanden wird – das ist in diesem Punkt schlicht eine Geschlechterfrage –, dabei ist es gerade ihrem Beitrag zu verdanken, dass dieses System in der Form überhaupt noch machbar ist.
Private Pflege – die Pflege zu Hause – ist in Wahrheit als größter Pflegedienstleister des Landes zu sehen, wenn man so will. Politisch wird seit Jahren nicht genügend getan, um diese mehrheitlich von Frauen getragene Arbeit der Angehörigen, die Pflege zu Hause, zu entlasten und zu unterstützen. Pflegende Angehörige, das sind fast eine Million Menschen, dürfen in diesem Bereich bitte nicht vergessen werden.
Ein sehr wichtiges Thema wäre dabei eventuell auch der Ausbau von Kurzzeit- und Tagespflegeplätzen. Besonders wichtig wäre auch die umfassende Beratung von pflegenden Angehörigen und natürlich der Pflegebedürftigen selbst.
Das Thema Pflege, der Inhalt dieses Volksbegehrens, ist ein Thema, das jeder relevant finden muss – denn früher oder später werden wir alle einmal Pflege brauchen oder pflegen dürfen. Ich möchte allen in dieses Volksbegehren Involvierten danken, denn unser Gesundheitswesen, in diesem Fall die Pflege, braucht einfach mehr Gerechtigkeit und Aufmerksamkeit für alle Beteiligten. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS.)
Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.
Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.
Dann kommen wir jetzt zur Abstimmung über den Antrag des Gesundheitsausschusses, seinen Bericht 2693 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.
Wer dem die Zustimmung gibt, den ersuche ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig zur Kenntnis genommen.
Bericht des Verfassungsausschusses über den Bericht der Bundesregierung über die Volksgruppenförderung des Bundeskanzleramtes 2021 (III-916/2624 d.B.)
5. Punkt
Bericht des Verfassungsausschusses über den Bericht der Bundesregierung über die Volksgruppenförderung des Bundeskanzleramtes 2022 (III-1129/2625 d.B.)
Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir nun zu den Tagesordnungspunkten 4 und 5, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.
Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.
Erster Redner: Herr Abgeordneter Nikolaus Berlakovich. – Bitte.
Abgeordneter Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Die österreichischen Volksgruppen sind ein wesentlicher Teil unserer Identität. Sie ergeben sich aus
der Geschichte Österreichs und sind unverzichtbar. Wir sind sehr stolz auf unsere Volksgruppen.
Nur zur Erinnerung: Wir haben in Österreich sechs anerkannte Volksgruppen, das sind die burgenländischen Kroaten, die Kärntner Slowenen, die Ungarn, die Tschechen und Slowaken in Wien und die Roma. Die Republik Österreich bekennt sich in der Bundesverfassung zu den Volksgruppen. Ich darf zitieren: „Die Republik“ – das ist der Bund, das sind aber auch die Länder und die Gemeinden – „bekennt sich zu ihrer gewachsenen sprachlichen und kulturellen Vielfalt, die in den autochthonen Volksgruppen zum Ausdruck kommt. Sprache und Kultur, Bestand und Erhaltung dieser Volksgruppen sind zu achten, zu sichern und zu fördern.“ – Autochthon heißt, dass sie in einem Siedlungsgebiet definiert sind, wie eben burgenländische Kroaten und Kärntner Slowenen.
In dieser Legislaturperiode hat sich die Bundesregierung ein sehr ambitioniertes Programm für die österreichischen Volksgruppen gegeben, wie wir es schon lange nicht hatten. Ich bedanke mich beim Koalitionspartner, weil es sehr ambitioniert und sehr dicht war, um unseren Volksgruppen zu helfen.
Worum geht es da? – Der zentrale Punkt bei dem Erhalt der Volksgruppen ist neben der Kultur die Sprache. Wenn die Sprache innerhalb und außerhalb der Volksgruppe nicht verwendet wird – im Alltagsleben, im Gesellschaftsleben, am Sportplatz, in der Kirche, im Kulturbereich –, dann hört die Volksgruppe mehr oder weniger zu existieren auf. Daher ist der zentrale Fokus für die Volksgruppen, die Sprache zu erhalten. Das war der wesentliche Teil im Regierungsprogramm.
Wie funktioniert denn das in der Praxis? – Es gibt im Siedlungsgebiet und auch außerhalb viele Institutionen und insbesondere Vereine, die viele Veranstaltungen machen – kulturelle Ereignisse, Buchpräsentationen, Zusammenkünfte –, bei denen die Kultur gelebt wird und die Sprache gelebt und weitergegeben wird. Daher war es so wichtig, dass die Arbeit dieser Vereine unterstützt wird.
Einer der zentralen Punkte war die Volksgruppenförderung, die finanziellen Mittel für die Arbeit dieser Vereine. Die war in etwa bei 4 Millionen Euro und wurde seit 25 Jahren nicht erhöht. Es ist uns im Regierungsprogramm gelungen – ein Danke auch an Ministerin Raab und die Bundesregierung –, diese zu verdoppeln. Die Volksgruppenförderung wurde auf etwa 8 Millionen Euro verdoppelt. Jetzt können die Vereine sehr viel tun. (Beifall bei der ÖVP.) – Der Applaus ist gerechtfertigt, weil die Arbeit dieser Volksgruppenvereine natürlich mühsam ist.
Junge Leute zu gewinnen, die ältere Generation zu gewinnen, Lieder zu singen, Diskussionen zu führen, wenn die sprachliche Kompetenz teilweise nicht mehr so gegeben ist – da ist es unverzichtbar, dass diese Vereine in den Regionen draußen Derartiges organisieren. Sie tun auch aktiv mit. Sie versuchen, diese Volksgruppenfördermittel auszuschöpfen, und das belebt ja letztendlich auch die Wirtschaft.
Ein weiterer Punkt, der für die Sprachen wichtig war: Natürlich lesen die Angehörigen der Volksgruppen, was sich in ihrem Bereich im Sport, in der Kultur tut. Wir haben uns entschlossen und das auch umgesetzt, dass ein Leitmedium pro Volksgruppe finanziell gefördert und unterstützt wird. Bei den burgenländischen Kroaten sind das die „Hrvatske Novine“, die „Novice“ bei den Slowenen, „Vídeňské svobodné listy“ bei den Tschechen und Slowaken, Radio Mora bei den Roma, um auch die Sprache zu hören. Natürlich ist der ORF das zentrale Organ, bei dem in der Volksgruppenredaktion in den Bundesländern Ausgaben gemacht werden, Fernsehbeiträge gemacht werden, sodass die Sprache auch lebt. Dieser Bereich wurde dort auch ausgeweitet, was wichtig war.
Die Gemeinden sind von zentraler Bedeutung. Im zweisprachigen Siedlungsgebiet waren Bürgermeister meiner Fraktion, der ÖVP, im Burgenland immer die, die auf den Feuerwehrhäusern, auf den Kindergärten, auf den Schulen, auf den Gassen, Straßenschildern zweisprachige Bezeichnungen hatten, wie es in Ungarn ist – dort ist es sogar dreisprachig – und in vielen anderen europäischen Ländern,
um einfach entkrampft, aber positiv zu zeigen: Hier leben Menschen mit unterschiedlicher Sprache und Kultur friedlich miteinander und bekämpfen sich nicht. Ich finde schon, dass das in der heutigen Zeit ein Wert in einem unruhigen Europa ist, wo Menschen gerade wegen Sprache und Kultur verfolgt werden.
Daher haben die Gemeinden sehr viel getan: zweisprachige Homepages, um die Sprachen anzubieten, auch Digitalisierungsförderung, bis hin – und (auf die rotleuchtende Lampe am Redner:innenpult weisend) jetzt leuchtet es leider schon – zum Bildungsbereich. Das ist, finde ich, der Aspekt der Zukunft. Durch die gesellschaftliche Entwicklung leben viele Volksgruppenangehörige in Wien, und daher müssen wir, auch wenn das nicht autochthones Siedlungsgebiet ist, in der nächsten Periode den Bildungsbereich so aufbauen, dass im Volksschul- und Kindergartenbereich bis hin zum Mittelschulbereich ein zweisprachiges Bildungsangebot gemacht wird. Das ist ganz wichtig und von zentraler Bedeutung. – Srdacno hvala da ste me poslušali! Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)
12.29
Präsidentin Doris Bures: Ich begrüße Frau Bundesministerin Susanne Raab im Hohen Haus und erteile nun Herrn Abgeordneten Christian Drobits das Wort. – Bitte.
Abgeordneter Mag. Christian Drobits (SPÖ): Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Das Thema Volksgruppenförderung ist gerade im Burgenland und für mich als burgenländischen Mandatar ein wichtiges Thema. Darum werden heute auch einige Redner aus dem Burgenland von diversen Parteien zu diesem Thema sprechen.
Meine Fraktion ist beim Bereich Volksgruppen natürlich sehr offen. Wir haben auch mitgewirkt, wir sind den Einladungen gefolgt. Erst diese Woche war eine Dialogplattform, zu der Präsident Sobotka eingeladen hat, bei der wir auch
vertreten waren. Wir sind auch große Befürworter der Erweiterung der Volksgruppenfördergelder. Und ich muss ehrlich sagen, es ist uns gemeinsam gelungen, Frau Bundesministerin, die Erhöhung dieser Volksgruppenbeiträge zu erreichen.
Kollege Berlakovich hat es erwähnt, das ist über den gesamten Zeitraum eine Verdoppelung. Ich denke, das ist lobend zu erwähnen, denn die Arbeit der Volksgruppen ist nicht leichter geworden, sondern wird immer schwieriger.
Es steht ein Generationenwechsel bevor. Es ist notwendig, die Sprache an die nächsten Generationen weiterzugeben. Und deshalb sind aus unserer Sicht drei Punkte aufzuzeigen:
Erstens: Man muss für die Anliegen der Volksgruppenbeiräte offen sein, egal von welcher Volksgruppe.
Es gibt offene Briefe, die geschrieben werden. Es gibt ein Memorandum, das der Vorsitzende der Ständigen Konferenz, Kollege Ivancsics, für alle verfasst hat. Diese Memoranden, diese offenen Briefe sagen genau die Anliegen aus, sagen, was es braucht.
Zwei Punkte möchte ich hervorgreifen, die mir auch wichtig sind. Der eine Punkt ist: Ich denke, das Minderheiten-Schulgesetz ist aufgrund der Mobilität, der Gesellschaftsänderungen nicht mehr das, was es vielleicht vor vielen Jahrzehnten war.
Es ist bereits angesprochen worden: Die Abwanderung von vielen Familien aufgrund der beruflichen Situation in die Zentren erfordert es einfach, dass wir auch danach trachten, dass die Möglichkeit der sprachlichen Weiterbildung – ab der Elementarpädagogik, ab dem Kindergarten, bis ins hohe Alter – auch bei Abwanderung und Mobilität gewährleistet werden muss. Derzeit ist es im Minderheiten-Schulgesetz so definiert, dass es nur einzelne Gemeinden sind, in denen der zweisprachige Unterricht durchgeführt werden kann. Ich denke, das wäre ein guter Weg, um weiterzukommen.
Eine zweite Sache, die mir auch wichtig ist, ist Kultur und Tradition. Gerade das Burgenland ist stolz darauf. Wir haben erst vor Kurzem 100 Jahre Burgenland gefeiert und dabei durften wir die Vielfalt kultureller und sprachlicher Natur durch die Volksgruppen klar aufzeigen. Es gibt alles, es gibt Musik, es gibt Tanz, es gibt Sport und es gibt natürlich auch Vereine, die das durchführen. Davon lebt das Burgenland, das ist der Zusammenhalt. Ich denke, die Volksgruppen verdienen den Zusammenhalt, verdienen auch die Unterstützung durch die Politik, egal welcher Partei.
Meine Fraktion wird jedenfalls auch zukünftig die Volksgruppen einerseits durch die finanziellen Mittel, andererseits auch durch das Aufgreifen von Ideen, die sie einbringen, unterstützen und ihnen helfen. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)
12.33
Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Christian Ries. – Bitte.
Abgeordneter Christian Ries (FPÖ): Frau Präsident! Frau Bundesministerin! Werte Kollegen im Hohen Haus! Liebe Angehörigen der österreichischen Volksgruppen! Als Burgenländer, der auch in Kärnten familiär verwurzelt ist, habe ich so etwas wie ein natürliches Naheverhältnis zu den Volksgruppen. Ich bin zwar familiär mit den Volksgruppen nicht verbandelt (Abg. Voglauer: Ah, nicht verwandt!), aber ich darf sagen, dass ich viele gute Kollegen und auch viele nette Freunde sowohl unter den Kroaten, den Slowenen als auch unter den Magyaren und sogar den Roma habe. Das ist bei uns im Burgenland so, das ist keine Besonderheit, das ist bei uns gelebte Normalität und das hat bei uns wahrscheinlich auch historisch bedingte Wurzeln.
Ich bin wie gesagt Angehöriger der deutschen Volksgruppe im Burgenland und wir waren über 1 000 Jahre selber als Ungarndeutsche Angehörige einer
Minderheit. 1 000 Jahre – das bleibt natürlich irgendwo bei der Mentalität haften. Wir sind ganz einfach so.
Wir sind dorthin gegangen, die Deutschen und die Kroaten, weil wir uns im damaligen Ungarn – historisch – kulturell viel besser entfalten durften als im damaligen Österreich.
Dieses offene Klima hat viele bekannte Persönlichkeiten hervorgebracht, ich kann hier aufzählen: Franz Liszt, Joseph Haydn, der zwar Niederösterreicher war, aber im Burgenland gewirkt hat, Ignaz Semmelweis und Richard Berczeller. Übrigens: Auch Albrecht Dürer hatte Ungarndeutsche Wurzeln. Und dieses offene Klima kommt heute den Kroaten und Ungarn im Burgenland zugute. Jeder kennt heute die Brüder Resetarits, jeder kennt den Kabarettisten Stipsits, Christian Kolonovits – alles prominente Burgenländer. Und ich kann sagen, dass wir auf unsere Volksgruppen wirklich stolz sind, weil sie unser kulturelles Leben bereichern und es auch keinerlei Rivalität zwischen den Volksgruppen bei uns gibt.
Ich finde es erfreulich, dass es auch in Kärnten so ist. Und da muss man dazusagen, dass die Historie in Kärnten eine etwas andere war. Dort gibt es Belastungen aus der Vergangenheit, aber auch dort ist es nach meinem Gefühl so, dass die Rivalität, die es einmal gab, heute in Kärnten so nicht mehr anzutreffen ist.
Die Förderung der Volksgruppen in monetärer Form, aber auch von der Systematik der Ausschüttung her erhält unsere Zustimmung – sie bekommt unsere Zustimmung, gereicht Österreich zur Ehre und wir sind dabei. – Danke. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)
12.35
Präsidentin Doris Bures: Frau Abgeordnete Olga Voglauer, Sie erhalten das Wort. Bitte.
12.35
Abgeordnete Dipl.-Ing. Olga Voglauer (Grüne): Spoštovana gospa predsednica, spoštovana gospa ministrica, dragi kolegi in kolegice! Spoštovani gledalci in gledalke, dragi zastopniki manjšin! Danes govorimo o stanju naših pripadnikov in pripadnic avstrijskih narodnih skupnosti. To pomeni šestih narodnih skupnosti o katerih smo v zadnjih letih veliko govorili. Da me bodo tudi vsi ostali razumeli, bom menjala v nemšcino.
Ich stehe als Angehörige der Kärntner Sloweninnen und Slowenen immer mit großer Demut an diesem Pult, wenn wir darüber sprechen, wie es den österreichischen Volksgruppen geht.
Es ist uns gelungen – und das zeigen auch die zwei Berichte zu den Volksgruppen aus dem Jahr 2021 und 2022 –, dass wir die Finanzierung der Arbeit unserer Volksgruppen wirklich auf andere Beine gestellt haben, auch eine wesentliche Professionalisierung erreicht haben.
Frau Ministerin, Ihrem Haus ist es auch gelungen, durch Wirkungsorientierung, durch Effizienzsteigerung, durch die Frage: Wohin wollen wir wirken?, einen neuen Zugang zu schaffen, und ich glaube, das ist durchaus lobenswert.
Was uns noch nicht gelungen ist – und dorthin gilt es jetzt zu schauen –: Wir haben fünf Jahre einer gemeinsamen Arbeit in diesem Haus hinter uns, im Rahmen derer wir öfter, und dazu haben vor allem auch die Dialogplattformen des Herrn Parlamentspräsidenten geführt, über die Thematik der Volksgruppen gesprochen haben, aber über das Sprechen sind wir nicht hinausgekommen.
Es ist uns in der gemeinsamen Regierung gelungen, die Sichtbarkeit zu erhöhen. Ich erinnere nur daran, dass ORF III jetzt ein 14-tägliches Magazin hat, das sich „WIR“ nennt und das Menschen darüber informiert, wie breit die Tätigkeit österreichischer Volksgruppen ist. Das heißt, von Gramatneusiedl über Attnang-Puchheim, Hallein bis nach Bregenz können sich Menschen informieren, die selber keiner Volksgruppe angehören, was Volksgruppen in Österreich leisten.
Es ist uns gelungen, die Kindergärten zu stärken, wo mehrere Sprachen angeboten werden und die Kinder ihre Sprache lernen. Doch dass es für Minderheitenangehörige wie zum Beispiel für die Kärntner Slowenen selbstverständlich wäre, das Wort Hummelbrummen zu übersetzen, cmrlji brencijo, das ist nicht mehr der Fall. Das war in meiner Kindheit ganz normal, nicht nur deshalb, weil Hummeln herumgeflogen sind, sondern weil wir alle untereinander noch Slowenisch gesprochen haben.
Wir wollen in Zukunft Volksgruppen so stärken, dass sie einen starken Rechtsstaat hinter sich haben. Das bedeutet, dass wir Gesetzgebungen modernisieren. Und allein gute Sichtbarkeit, allein, zu definieren und immer wieder festzuhalten, das politische Klima hätte sich verbessert, das bringt nichts, wenn die Sprache verstummt. Das bringt nichts!
In naša želja je, da bodo naši jeziki zveneli v takih hišah kakor je parlament, v deželnih svetih, ampak povsod tam kjer ste, dragi zastopniki in zastopnice aktivni. Da bomo vidni, da bomo slišni.
Unser Anliegen ist, dass hörbar bleibt, was Volksgruppen leisten, und das geht mit einer Modernisierung des Volksgruppengesetzes – das haben wir nicht geschafft. Schade, dass uns der Mut verlassen hat.
Ich hätte diesen Mut gerne gezeigt. Ich hätte gerne mehr Frauen in der Volksgruppenvertretung. Ich hätte gerne, dass wir auf die Jugend setzen und den Jugendlichen die Möglichkeit geben, überall, wo sie wirken, auch in ihren Muttersprachen als Potenzial erkannt zu werden.
Das ist Potenzial, das ist letztendlich auch ein Asset, mit dem wir uns in den Regionen neu aufstellen können, wo Volksgruppen wirken. Sie wirken aber nicht nur in den autochthonen Siedlungsgebieten, und auch dort müssen wir etwas ändern, Volksgruppen leben in Graz genauso wie in Wien. Und hier ist der Volksgruppenschutz für alle sechs Volksgruppen nicht ausreichend, beim Schulwesen,
darauf wird Kollegin Blimlinger noch eingehen, aber auch bei ihrem kulturellen und gesellschaftlichen Wirken.
Es gibt so viel zu tun, es gibt so viel zu stärken, aber lassen Sie mich mit einem positiven Beispiel enden, das gerade geschieht: Wir sind bei der Fußball-EM zwar im Achtelfinale stehengeblieben, aber heute spielt um 15 Uhr die Frauenmannschaft der Kärntner Slowenen bei der Europiade – das ist die europäische Fußballmeisterschaft der europäischen Volksgruppen. Unser Frauenteam hat es geschafft, sich um den dritten Platz – hoffentlich – zu bewerben. (Beifall bei den Grünen, bei Abgeordneten von ÖVP und SPÖ sowie der Abgeordneten Ries und Arlamovsky.)
Um 15.30 Uhr spielt die Männermannschaft; die sind im Halbfinale. Ich wünsche ihnen alles, alles Gute – fantje držim vam pesti; tudi vam dekleta! –, dass sie es ins Finale schaffen und die Europiade gewinnen. Was mich besonders freut: Sie werden auch von unserem Bundesministerium für Sport gefördert, womit wir zeigen, dass Vielfalt und Diversität in unterschiedlichster Form gelebt wird. – Hvala lepa. (Beifall bei Grünen und SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)
12.40
Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Michael Bernhard. – Bitte sehr.
Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Ministerin! In der Volksgruppenpolitik – man hat es bei den Vorreden teilweise herausgehört, nicht bei allen, aber bei manchen – gibt es ein gewisses Fremdeln. Man formuliert, man sei offen für die Volksgruppen, man ist quasi progressiv. Es wird in unserem Land noch nicht immer verstanden, dass die Volksgruppen in Wirklichkeit Teil von uns sind und dass neben der deutschen Sprache Ungarisch, Kroatisch, Slowenisch, Tschechisch, Slowakisch und Romanes ebenfalls Teile unserer Sprachenvielfalt sind.
Den Volksgruppen ist nach jahrzehntelangem wirklichem Kämpfen für ihre Rechte – obwohl sie verfassungsgemäß besondere Aufmerksamkeit und auch Schutz in unserem Land genießen – mittlerweile an Worten zu viel und an Taten zu wenig gespendet worden.
Wir haben sehr positiv wahrgenommen, dass im Regierungsprogramm von ÖVP und Grünen tatsächlich sehr viele umfangreiche Maßnahmen und konkrete Projekte vorgesehen waren. Man muss aber ehrlicherweise sagen – und das betrifft jetzt im Konkreten die Volksgruppenpolitik, ist aber in allen anderen Bereichen nicht anders gewesen –: Von den vielen Dingen, die man sich vorgenommen hat, wurde nur eine einzige Sache wirklich umgesetzt, nämlich die Verdoppelung der Förderung. Danach kam zweimal eine sehr hohe Inflation, das heißt, selbst diese Verdoppelung der Förderung wurde schon wieder deutlich reduziert.
Was wir wirklich machen müssten und wozu wir als NEOS auch sehr gerne einen konkreten Beitrag leisten wollen, sind in Wirklichkeit vier Bereiche: Der erste und wichtigste ist, dass wir den schulischen Bereich komplett auf neue Beine stellen müssen. Niki Berlakovich hat vorhin schon die Sprache angesprochen – da sind die Herausforderungen unterschiedlich.
In Kärnten geht es darum, dass man eher kleinräumige Gemeinden mit Betreuungsangeboten erreicht, damit Sprache nicht nur in den Städten oder in größeren Zentren verfügbar ist, sondern wirklich auch vor Ort, dort, wo die Minderheit lebt. In Ballungszentren beispielsweise geht es jedoch darum, dass man wirklich ein neues Bildungsangebot schafft, nämlich in Wien oder in Graz, weit über die Siedlungsgebiete von Sloweninnen und Slowenen oder auch Kroatinnen und Kroaten hinaus – und das ist enorm schwierig.
Wir als NEOS haben auch versucht, in Wien konkrete Schritte zu gehen – dazu braucht es alle Parteien. Unser konkreter Vorschlag – und es gibt ja etwas Vergleichbares, was die Komenský-Schule auch gerade anstößt – ist wirklich
eine Art Volksgruppencampus, wo vom Kindergarten bis zur Matura alles möglich ist, und zwar in allen Sprachen; das betrifft alle sechs Volksgruppen mit natürlich sehr unterschiedlichen Herausforderungen. Das klappt nur, wenn der Bund und das Land in der jeweiligen Stadt zusammenhelfen, anders wird es nicht gehen.
Wenn wir aber wollen, dass wir die Sprachen und die Kultur wirklich langfristig erhalten und vielleicht auch wieder zum Erstarken bringen, dann müssen wir über die bisherigen Strukturen hinausgehen. Man muss dann beispielsweise auch in allen Bundesländern verstehen, dass eine österreichische Volksgruppe nicht mit jeder anderen sprachlichen Minderheit, die vielleicht später zugezogen ist, gleichzusetzen ist. Sprache ist generell immer wertvoll, aber die Besonderheit, dass wir Volksgruppen gegenüber einen Auftrag haben, ist eben eine andere.
Ein letzter Punkt, der aus meiner Sicht im Parlament einer ist, den wir tatsächlich in der nächsten Gesetzgebungsperiode umsetzen können: Wir haben sogar für Südtirol einen Unterausschuss, wir haben aber keinen Ausschuss für Volksgruppenpolitik. Es wäre, da es da um alle Bereiche geht – um föderale Themen, um den Finanzausgleich, um die Bildung, um die Frage der Selbstverwaltung und vieles, vieles mehr, auch um die Förderung natürlich: Medien, Kultur –, dringend geboten, dass wir einen eigenen parlamentarischen Ausschuss haben, der sich mit der Volksgruppenpolitik auseinandersetzt und in dem man auch wirklich vertiefend Politik machen kann und nicht darauf angewiesen ist, dass Menschen, die sich ehrenamtlich einsetzen, immer mit großem Nachdruck auf das Parlament zugehen, um ihre Forderungen zu präsentieren. Da können wir noch viel besser werden, und uns als NEOS ist das ein sehr wichtiges Anliegen. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS sowie der Abgeordneten Voglauer und Schwarz.)
12.45
Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich Frau Bundesministerin Susanne Raab zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Ministerin.
12.45
Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Susanne Raab: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Im Besonderen möchte ich die Ortsgruppe Zemendorf-Stöttera auf der Galerie begrüßen! – Hallo! (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie der Abg. Voglauer.)
Ich möchte heute gerne die Gelegenheit nutzen, um mich zuallererst einmal zu bedanken, und zwar bei Ihnen allen für die gute und sachliche Zusammenarbeit im Bereich der Volksgruppen.
Zum Zweiten möchte ich mich natürlich bei den Volksgruppenvertretern und -vertreterinnen bedanken, mit denen es in den letzten Jahren einen ganz intensiven Dialog und Austausch gegeben hat.
Zum Dritten, glaube ich, ist dieses Haus der richtige Ort, um auch unserem Nationalratspräsidenten Wolfgang Sobotka einen Dank auszusprechen, der die Volksgruppen immer wieder – verstärkt mit Plattformen und gemeinsam mit Ihnen allen – ins Zentrum, ins Herz der Demokratie, nämlich in dieses Haus, gebracht hat. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)
Durch diese konstruktive Zusammenarbeit ist in den letzten Jahren recht viel gelungen, auf das ich stolz bin und wofür ich dankbar bin, dass es gelungen ist. Die Verdoppelung der Volksgruppenförderung wurde bereits mehrfach erwähnt. Nach einer jahrelangen Durststrecke im Bereich der Förderungen war es notwendig, die Volksgruppen wieder verstärkt zu unterstützen, um Projekte in die Regionen zu tragen. Es war auch notwendig, dass man das mit einer vernünftigen Wirkungsorientierung hinterlegt, damit wir auch sehen, wie die Fördermittel eingesetzt werden, und damit wir die Volksgruppen auch auf einem professionellen Weg mitnehmen.
Zum Zweiten bin ich stolz darauf, dass es in unserer Zusammenarbeit gelungen ist, über einen Förderansatz für Volksgruppenmedien nunmehr ein volksgruppensprachliches Leitmedium pro Volksgruppe einzurichten. Es ist natürlich ganz klar, dass es für die Volksgruppen wichtig ist, ein Medium zu haben, in dem zweisprachig gesprochen wird, mit dem man gerade auch die Jugend erreichen kann. Auch das ist geglückt.
Zum Dritten war es ein wesentlicher Wunsch der Volksgruppen, dass wir in die Digitalisierung investieren. Wie gesagt, auch da das Stichwort Jugend: Wir müssen gemeinsam mit den Volksgruppen versuchen, innerhalb von Jugend- und Nachwuchsprojekten den Zugang zur Volksgruppenkultur und -sprache auch für die nächste Generation zu ermöglichen. Das haben wir geschafft, indem wir die gezielte Unterstützung von Digitalprojekten zugesagt haben.
Dann haben wir auch Gelegenheiten, die uns geboten wurden, genutzt, beispielsweise in der Reform des ORF-Gesetzes. Als das ORF-Gesetz sozusagen offen war, haben wir uns gemeinsam mit dem Koalitionspartner dazu entschlossen, mit einem neuen ORF-Gesetz den Anteil der Programme in den Sprachen der Volksgruppen im ORF weiter zu erhöhen.
Dann natürlich der Bildungsbereich: Der Bildungsbereich ist sehr umfassend und davon geprägt, dass wir auf der einen Seite im Schulbereich tätig sein müssen und auf der anderen Seite auch in den Kindergärten, wofür die Länder zuständig sind.
Ich habe daher im Rahmen meiner Möglichkeiten eine neue Bund-Länder-Vereinbarung genutzt, die im Kindergarten wirkt, um bewusst neue finanzielle Mittel für die Bundesländer zur Umsetzung von Sprachen der Volksgruppen in den Kindergärten zu erwirken; das heißt, in der neuen Bund-Länder-Vereinbarung im Bereich der Elementarpädagogik sind die Volksgruppen und deren Sprachen verankert. Man muss dazusagen: Das Geld müssen die Bundesländer halt auch abrufen – und das tun sie nicht alle.
Ich glaube, dass gerade auch im Schulbereich der Fokus auch in der nächsten Legislaturperiode darauf gelegt werden muss, dass wir in den Spracherhalt der Volksgruppen hineingehen. Ich habe in meinem Bereich daher die Förderung der Komenský-Schule und auch von Sprachkursen im Rahmen der Volksgruppenförderung eingeführt. Es gibt eine übergreifende Zusammenarbeit mit dem slowenischen Volksgruppenbeirat, dem Bildungsministerium und auch Vertreterinnen und Vertretern des Landes Kärnten, mit der man versucht, neue Möglichkeiten auszuloten.
Ja, der Bildungsbereich ist der zentrale Bereich, den wir in der nächsten Legislaturperiode weiter unterstützen müssen. Ich freue mich natürlich auf die Zusammenarbeit mit den Volksgruppenvertreterinnen und -vertretern und möchte mich noch einmal herzlich für all das bedanken, was gelungen ist. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Blimlinger.)
12.49
Präsidentin Doris Bures: Nun ist Herr Abgeordneter Christoph Zarits zu Wort gemeldet. – Bitte.
Abgeordneter Christoph Zarits (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Die Frau Bundesminister hat meine Rede eigentlich schon vorweggenommen und hat sogar die Ortsgruppe Zemendorf-Stöttera begrüßt. – Herzlich willkommen, Bürgermeister Herbert Pinter und Landtagsabgeordnete Julia Schneider-Wagentristl, schön, dass ihr im Parlament seid – dobro došli auf Burgenlandkroatisch! (Beifall bei der ÖVP, bei Abgeordneten von Grünen und FPÖ sowie der Abg. Holzleitner.)
Die besonderen Rechte der Volksgruppen sind ja auch in der Verfassung abgebildet, und das ist auch gut so. Die Slowenen und die Burgenlandkroaten sind sogar im Staatsvertrag erwähnt. Ich kann sagen, dass ich als Burgenlandkroate stolz bin, dieser Volksgruppe anzugehören, und ich bin auch stolz
darauf, was wir in dieser Legislaturperiode alles für die Volksgruppen erreicht haben.
Seit dem Jahr 1995 gab es keine Anpassung, keine Valorisierung der Förderung, was die Volksgruppen betrifft, und wir haben es gemeinsam geschafft, Frau Bundesminister, auch mit unserem Sprecher für die Volksgruppen, mit Nikolaus Berlakovich, dass wir die Volksgruppenförderung nicht nur erhöht, sondern verdoppelt haben.
Sie haben die 15a-Vereinbarung mit den Ländern angesprochen, in der die Elementarpädagogik festgeschrieben ist, und das ist auch gut so. Die Förderungen für die zweisprachigen Gemeinden, was die Homepages betrifft, die Digitalisierung, müssen wir als Volksgruppen natürlich auch ernst nehmen und aufgreifen. Ein herzliches Dankeschön an alle, die da in den letzten fünf Jahren mitgewirkt haben, an alle Volksgruppensprecher der einzelnen Parteien – wir haben gemeinsam hier im Hohen Haus für die Volksgruppen viel erreicht.
Die Vielfalt, die wir leben, ist auch angesprochen worden. Unsere Traditionen, die wir in unseren Gemeinden leben, müssen wir auch an die nächste Generation weitergeben.
Ich glaube, die Politik hat in den letzten fünf Jahren gezeigt, dass sie die Verantwortung wahrnimmt und ein starker Partner für die Volksgruppen ist. – Lipa hvala, bog plati! Alles Gute! Ich wünsche uns allen heute noch eine schöne Sitzung. Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Tomaselli.)
12.51
Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Frau Abgeordnete Eva Blimlinger zu Wort. – Bitte.
Abgeordnete Mag. Eva Blimlinger (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte
Damen und Herren vor den Bildschirmen! Ich glaube, es ist von meinen Vorredner:innen und auch von der Frau Bundesministerin sehr gut zusammengefasst worden, was wir alles sozusagen in dieser Legislaturperiode erreicht haben, was das Fundament für die Zukunft ist. Daher möchte ich mich ein bisschen der zukünftigen Perspektive widmen, insbesondere was den Bildungsbereich betrifft.
Wir hatten letztens auf Initiative von Wolfgang Sobotka wieder einen runden Tisch, und da stand auch der Bildungsbereich im Zentrum. Ich denke, wir müssen uns, was den Bildungsbereich betrifft, wirklich von der Idee des Siedlungsgebiets verabschieden. In Zeiten der Berufsmobilität, der Bildungsmobilität ist es natürlich sinnvoll, sich zu überlegen, wo zweisprachige öffentliche Schulen sein können – die Privatschulen sind eine andere Sache, die man wie die Komenský machen kann.
Unser Interesse ist natürlich, dass es österreichweit – das wird man sich anschauen, wo es Bedarf gibt, aber sicher gehören da Wien und Niederösterreich dazu – zweisprachige Schulen gibt, und das muss von der Elementarpädagogik bis zur Matura, wenn man sozusagen alle Sektoren nimmt, ermöglicht werden. Es muss auch sichergestellt werden, dass an den Universitäten die dazu notwendigen Lehrkräfte, Pädagoginnen und Pädagogen, ausgebildet werden. Wir hatten immer wieder die Diskussion über die Slawistik, und das hängt natürlich damit zusammen, dass es zu wenige Studierende für eine Studienrichtung gibt. Daher ist dann immer wieder die Überlegung, das Studium einzustellen.
Es geht genau darum – und das ist der Zusammenhang –, die nächste Generation, die übernächste Generation mit dieser Sprache und auch mit dieser Kultur groß werden zu lassen; da meine ich nicht nur eine traditionelle Kultur. Wie das bei anderen Nichtvolksgruppenmenschen auch so ist, haben junge Menschen andere Interessen, und ich denke, das müssen sich auch die Volksgruppen überlegen, wie sie zum Beispiel auch durch andere Medien wie Podcasts und so weiter die eigene Volksgruppe und vor allen Dingen die nächste und übernächste Generation stärken.
Was uns noch ein Anliegen ist, ist insbesondere die Anerkennung weiterer autochthoner Minderheiten. Wir hatten das im Regierungsprogramm. Es ist ein bisschen schwierig, wie bei den Volksgruppen der Jenischen und auch der Bosnier. Die Bosnier haben ihre eigenen Regimenter in der K.-u.-k.-Monarchie gehabt. Sie sind tatsächlich eine Volksgruppe, die es lange in Österreich gibt. Dort wird unsere Energie auch hinfließen, diese als Volksgruppen anzuerkennen.
Was ich mir – und da schließe ich mich Olga Voglauer an – sehr wünschen würde, wäre, dass in den Volksgruppenbeiräten tatsächlich mehr Frauen und mehr jüngere Personen vertreten sind. Das adressiere ich jetzt sozusagen an die Volksgruppen, weil ich glaube, dass das unbedingt notwendig ist, dass auch bei den Volksgruppen eine breite Diversität gegeben ist.
Und im Übrigen bin ich der Meinung, dass die Terrororganisation Hamas endlich die Geiseln aus Israel freilassen soll. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.
Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.
Dann kommen wir zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehmen werde.
Abstimmung über Tagesordnungspunkt 4: Antrag des Verfassungsausschusses, den Bericht der Bundesregierung über die Volksgruppenförderung des Bundeskanzleramtes 2021, III-916 der Beilagen, zur Kenntnis zu nehmen.
Wer spricht sich dafür aus? – Danke. Das ist einstimmig so zur Kenntnis genommen.
Abstimmung über Tagesordnungspunkt 5: Antrag des Verfassungsausschusses, den Bericht der Bundesregierung über die Volksgruppenförderung des Bundeskanzleramtes 2022, III-1129 der Beilagen, zur Kenntnis zu nehmen.
Wer spricht sich dafür aus? – Auch das ist einstimmig so angenommen.
Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 4098/A der Abgeordneten Mag. (FH) Kurt Egger, Mag. Eva Blimlinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das KommAustria-Gesetz geändert wird (2626 d.B.)
7. Punkt
Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 4097/A der Abgeordneten Mag. (FH) Kurt Egger, Mag. Eva Blimlinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Publizistikförderungsgesetz 1984 geändert wird (2627 d.B.)
Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen zu den Punkten 6 und 7 der Tagesordnung, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.
Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.
Erster Redner: Herr Abgeordneter Kurt Egger. – Bitte.
Abgeordneter Mag. (FH) Kurt Egger (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher auf der Galerie und via Livestream! Ich glaube, wir können auch im Bereich des Journalismus, im Bereich der Medienpolitik auf eine sehr erfolgreiche Periode zurückblicken. Es ist uns einiges gelungen, auch aufgrund einer guten Zusammenarbeit mit dem Regierungspartner – auch herzlichen Dank an Eva Blimlinger,
die immer ein guter Partner gewesen ist und mit der wir da tatsächlich einiges auf die Reihe gebracht haben. (Abg. Herr: Na ja, geht so!)
Wir haben die Qualitätsjournalismusförderung in dieser Periode in der Höhe von 20 Millionen Euro beschlossen. Wir haben die Digitalisierungsförderung, in einem ersten Schritt mit 45 Millionen Euro und in einem zweiten Schritt mit 20 Millionen Euro, beschlossen.
Wir haben damit die Medienförderung in diesem Land versechsfacht. Wir befinden uns in einer Zeit, die für die Medienhäuser keine einfache ist. Die Kosten im Bereich des Papiers, im Bereich der Energie, im Bereich der Löhne, aber auch im Vertrieb explodieren, und das stellt die privaten Medienhäuser vor eine große Herausforderung. Wir haben mit diesen Unterstützungsleistungen versucht, die Medienvielfalt in diesem Land zu erhalten, damit unabhängiger Journalismus gewährleistet wird, dass qualitätsvoll gearbeitet werden kann. Wir sind da sozusagen natürlich noch nicht am Ende der Fahnenstange, sondern wir werden auch da in den nächsten Monaten und Jahren darauf schauen müssen, dass dieser Qualitätsjournalismus gewährleistet bleibt.
Wir haben im vorliegenden Entwurf eine Ergänzung im Bereich der Privatrundfunkförderung gemacht, also für die privaten Rundfunkanstalten. Wir erhöhen die Privatrundfunkförderung von 20 Millionen Euro auf 25 Millionen Euro. Wir bringen neu eine Podcastförderung, mit der es auch für diese moderne Entwicklung die Möglichkeit gibt, eine Unterstützungsleistung zu bekommen.
Ich glaube, das ist eine gute Geschichte. Ich würde mich freuen, wenn alle mitstimmen. Gerade in Zeiten von Fakenews, Echokammern und FPÖ-TV ist es notwendig, auch dort auf Qualität zu setzen, und das gewährleisten wir damit. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)
12.59
Präsidentin Doris Bures: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Sabine Schatz zu Wort. – Bitte.
13.00
Abgeordnete Sabine Schatz (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir diskutieren unter diesen Tagesordnungspunkten unter anderem die Änderung des KommAustria-Gesetzes. Dieses Gesetz regelt die Aufgaben und die Tätigkeit der Kommunikationsbehörde Austria, kurz KommAustria.
Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf schaffen wir eine neue Fördermöglichkeit für Podcasts, die über die KommAustria abgewickelt werden soll. Damit reagieren wir in Wahrheit auf das veränderte Medienkonsumverhalten der Bürgerinnen und Bürger. Ich gehe davon aus, dass sich auch das Konsumverhalten vieler hier im Saal in den letzten Jahren dahin gehend entwickelt hat, unterschiedliche Podcasts zu hören, beispielsweise „Die Dunkelkammer“ oder andere.
Man trifft auch immer und überall auf Menschen, die Podcasts hören, mit Kopfhörern, mit In-Ear-Stöpseln, via Autoradio oder anderen digitalen Endgeräten. Mittlerweile hat sich das Konsumverhalten auch entsprechend weiterentwickelt, und im Sinne der Gerechtigkeit, der Medienvielfalt und der Stärkung dieser Form des Journalismus ist es gut, dass die Fördermöglichkeiten umgestaltet werden und Podcasts jetzt auch Fördermittel erhalten sollen. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)
Was wir aber schon kritisch anmerken wollen, und das möchte ich noch erwähnen, ist, dass überhaupt keine Kriterien hinterlegt werden, wie diese Förderungen konkret ausgezahlt werden sollen. Das bleibt im Wesentlichen komplett der RTR überlassen, es gibt nicht einmal einschränkende Förderrahmenbedingungen. Das sehen wir sehr kritisch. Es wäre gut gewesen, im Gesetz zumindest die einen oder anderen Kriterien festzuhalten.
Was wir natürlich begrüßen, ist die schon vom Kollegen Egger angesprochene Erhöhung der Fördermittel für die privaten und nicht kommerziellen Rundfunkanstalten. Sie sollen noch heuer um 5 Millionen Euro von 20 Millionen auf
25 Millionen Euro erhöht werden. Das ist etwas, das wir als Sozialdemokratie natürlich unterstützen, das wir schon lange fordern. Das begrüßen wir im Sinne der Pressefreiheit und der Medienvielfalt natürlich, dem können wir zustimmen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)
Generell möchte ich festhalten, sehr geehrte Damen und Herren – das wissen wir –, die Pressefreiheit, die Medienvielfalt sind eine wichtige Säule unserer demokratischen Republik Österreich. Als Sozialdemokratie wollen wir diese Medienvielfalt auch entsprechend unterstützen. Wir wollen die Medienkompetenz stärken, vor allem von jungen Menschen, und deswegen schlagen wir mit der Idee des Meine-Zeitung-Abos auch eine ganz konkrete Unterstützung junger Menschen vor. (Präsident Hofer übernimmt den Vorsitz.)
Wir wollen, dass alle zwischen 16 und 30 Jahren die Möglichkeit haben, jährlich ein Abo auszuwählen, egal ob analog oder digital, und dieses entsprechend zur Verfügung gestellt bekommen. Wir unterstützen damit den unabhängigen Journalismus, den Qualitätsjournalismus, wir wirken Fakenews entgegen, und ich glaube, das ist gerade in Zeiten wie diesen besonders wichtig. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Disoski und Fischer.)
13.03
Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Mag. Eva Blimlinger. – Bitte, Frau Abgeordnete.
Abgeordnete Mag. Eva Blimlinger (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen! Lassen Sie mich, bevor ich auf die Tagesordnungspunkte eingehe, meinen Dank aussprechen, zunächst betreffend die Zusammenarbeit mit den jeweiligen Mediensprechern der ÖVP, zuerst mit Kollegen Melchior, dann mit Kollegin Gaby Schwarz und jetzt mit Kurt Egger. Ich denke, wir haben in der Medienpolitik wirklich
wahnsinnig viel weitergebracht, mehr als in den letzten 20, 25 Jahren passiert ist.
Ich möchte mich aber auch bei der Frau Bundesministerin, ihrem Kabinett und ihren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen bedanken, weil es letztlich immer ein konstruktives Arbeiten war – auch wenn es da natürlich unterschiedliche Positionen gibt. Wenn es die nicht gäbe, bräuchte man nicht zwei Parteien. Es gab auch hitzige Debatten, aber ich glaube beziehungsweise ich bin überzeugt, dass wir zu einem großartigen Ende gekommen sind und wirklich super Maßnahmen getroffen haben.
Kollege Egger hat schon vom Volumen geredet, ich möchte nur kurz sagen, dass wir ungefähr zwölf Gesetze im Medienbereich gemacht haben. Wir haben einen Paradigmenwechsel beim Journalismus eingeleitet und sind einer langjährigen Forderung der Concordia und anderer nachgekommen, nicht bedrucktes Papier, sondern journalistische Arbeitsplätze zu finanzieren. Das ist mit dem Qualitäts-Journalismus-Förderungs-Gesetz gelungen.
Ein zweiter Punkt ist die Digitaltransformationsförderung, eine Förderung, die aus den Digitalsteuern, die gezahlt werden, wenn auf den großen Plattformen inseriert wird, gespeist wird. Für Printmedien gibt es, da Printtageszeitungen ein Auslaufmodell sind, mit der Digitaltransformationsförderung die Möglichkeit der Förderung der Umstellung.
Wir haben aber auch viele kleinere Maßnahmen umgesetzt, und zu denen zählt auch das, was wir heute beschließen, nämlich die Erhöhung des Privatrundfunkfonds, und auch die Überführung von UKW in DAB plus. Das ist ein ganz zentraler Bereich, der sich auf das Radio bezieht. Man will das Radio erhalten. Das ist ähnlich wie bei der Printtageszeitung; das Radio ist aber wieder im Kommen, nicht zuletzt aufgrund neuer Technologien. Die Podcastförderung wurde erwähnt. Wir müssen uns bei den Förderungen immer wieder auf die neuen Medien und auf neue Möglichkeiten einstellen. Ich denke, das ist uns mit der Erhöhung des Digitalisierungsfonds gut gelungen.
Besonders wichtig war uns, das Doppelförderverbot in der Publizistikförderung aufzuheben. Das war der einzige Bereich, in dem so etwas existiert hat. In den Bereich Publizistikförderung fallen auch Monatszeitungen – aktuell darf ich ein bisschen Werbung für den „Ballesterer“ machen, der sich auf wunderbare Art mit dem Thema Fußball beschäftigt –, aber auch viele andere kleinere Zeitungen, das geht von Kirchenzeitungen bis hin zu kulturpolitischen Zeitschriften.
Frau Kollegin Schatz, Pressefreiheit ist essenziell, das ist keine Frage. Ich würde mir aber wünschen, dass Umfragen, die zur Pressefreiheit gemacht werden, einem gewissen wissenschaftlichen Standard folgen, was sie leider nicht tun, weshalb völlig verzerrte Ergebnisse herauskommen. Es wäre sinnvoll – und ich bin die Erste, die das unterstützt –, das zu untersuchen, aber dann bitte wirklich mit sozusagen abgesicherten Methoden und nicht irgendwelchen Seltsamkeiten, was zur Folge hat, dass wir irgendwo bei, ich weiß nicht, Moldau platziert sind (Abg. Egger: Ja, die sind knapp vor uns! – Ruf bei der ÖVP: Oder Albanien!), was natürlich eine gewisse Absurdität hat.
In diesem Sinne sage ich noch einmal wirklich aus vollstem Herzen danke dafür, dass uns da so viel gelungen ist – auch wenn uns die Medien dafür natürlich nie wirklich danken werden, sondern uns immer prügeln werden, dass das zu spät kommt, dass es zu wenig oder falsch oder wie auch immer ist. Ich bin der Überzeugung, es ist langfristig richtig.
Und im Übrigen bin ich der Meinung, dass die Terrororganisation Hamas endlich die israelischen Geiseln freilassen soll. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
13.08
Präsident Ing. Norbert Hofer: Die nächste Rednerin ist Henrike Brandstötter. – Bitte, Frau Abgeordnete.
13.08
Abgeordnete Henrike Brandstötter (NEOS): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Kolleginnen und Kollegen! Wir verhandeln und beschließen heute ein Medienpaket, und das Wesen eines Paketes ist es ja, dass in einem Paket viele unterschiedliche Dinge beziehungsweise Gegenstände drinnen sind. Ich möchte es kurz für Sie aufdröseln und auch die NEOS-Positionen dazu erläutern.
Wir begrüßen die Erhöhung des Privatrundfunkfonds von 20 Millionen auf 25 Millionen Euro pro Jahr. Es ist de facto eine Inflationsanpassung, eine Valorisierung. Der nicht kommerzielle Rundfunk, also Radio und Fernsehen aus der Zivilgesellschaft, hat schon 2022 eine Erhöhung von 3 Millionen auf 5 Millionen Euro erhalten, er bekommt jetzt weitere 1,25 Millionen Euro pro Jahr. Das ist eine Menge Geld für Radio und Fernsehen aus der Zivilgesellschaft.
Ich finde, und das vermisse ich bei diesem Paket, dass man im Gegenzug durchaus mehr Transparenz verlangen könnte: Wie sind die Marktanteile? Wie ist die Reichweite? Wie setzt sich die Seher- und Hörerstruktur denn eigentlich zusammen?
Mein dritter Punkt betrifft den Digitalisierungsfonds, da gibt es 1 Million Euro jährlich extra bis 2029, auch das macht Sinn, allerdings muss man die Richtlinien durchaus noch nachschärfen, weil auch Marketingradiosender wie zum Beispiel der Sender von XXX-Lutz, der ebenfalls eine DAB-plus-Frequenz bekommen hat, auf diesen Fonds zugreifen könnte. Das kann natürlich nicht im Sinne des Erfinders sein.
Auch die neue Podcastförderung ergibt Sinn, und ja, wir werden auch dem Antrag zustimmen, mit dem das Doppelförderverbot für kleinere Magazine und Zeitschriften gestrichen wird.
Was aber dieses Paket auch mit sich bringt, ist, dass der Förderdschungel noch mehr wächst, blüht und gedeiht. Statt einheitliche Förderkriterien zu schaffen,
ein Fördersystem aus einer Hand mit klaren Qualitätskriterien, durch das plattformunabhängige, redaktionelle Inhalte geschaffen werden, schafft diese Regierung immer neue Töpfe, wodurch man dann völlig den Überblick verliert und es Doppelförderungen gibt, die auch die falschen Anreize setzen, nämlich dass manche Medienhäuser auch Produkte zu Förderungen erfinden.
Generell haben die letzten Jahre gezeigt, dass unsere Regierung schon sehr daran glaubt, dass das Alte irgendwie erhalten bleiben muss, aber das wird nicht passieren. Wir haben im Medienbereich eine Disruption, die sich gewaschen hat, und wir brauchen im Medienbereich eine neue Gründerwelle und nicht immer noch mehr Förderungen, um alte Systeme zu erhalten.
Ich möchte diese Stunde heute auch nutzen, um kurz einmal aufzuzählen, was alles nicht gemacht worden ist.
Ich erinnere daran, dass der Verfassungsgerichtshof im Oktober entschieden hat, dass politische Postenbesetzungen des Stiftungsrates verfassungswidrig sind. Was ist passiert? – Gar nichts.
Zweiter Punkt: Inseratenkorruption. Gibt es irgendeine Idee, eine Vorstellung, wie man dieser Sache Herr werden kann? – Nichts.
Die „Wiener Zeitung“ wurde eingestellt und durch ein Digitalprodukt ersetzt, das jetzt übrigens auch Printprodukte produziert, und das Ganze kostet die Steuerzahlenden 16,5 Millionen Euro pro Jahr. Auf diese Art und Weise macht auch die Digitalausgabe der „Wiener Zeitung“, die jetzt auch Printprodukte produziert, den anderen, kommerziellen Medien Konkurrenz.
Fakenews, Desinformation – nichts! Wir haben eine Tiktok-Awarenesskampagne, die im Herbst starten soll, aber keine Medienkompetenzschulungen, keine gesamtstaatliche Anstrengung, wie wir dieser Sache von Fakenews und Fakereality irgendwie Herr werden.
Zugang zu Zeitungen für alle Schülerinnen und Schüler – wir haben es in der Kanzlerrede 2023 gehört, wir haben es in der Kanzlerrede 2024 gehört: Alle Schülerinnen und Schüler sollen Zugang zu Medien haben. – Passiert ist gar nichts.
So lässt sich halt die Liste des medienpolitischen Trödelns und teilweise auch Versagens wirklich lange fortsetzen, und das alles hilft am Ende des Tages den Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ. Die verweigern Interviews, sie dodeln den ORF runter, sie drohen den Medien (Abg. Hafenecker: Der Herr Wolf hat mir gedroht!), finden aber auch einen perfekt aufbereiteten Boden vor, denn wenn ich als Regierung alles daran setze, dass Bürgerinnen und Bürger durch Inseratenkorruption, durch Förderdschungel das Vertrauen in Medien verlieren, dann hat sich eine Partei wie die FPÖ auch schon mit Buddy Viktor Orbán (Abg. Kassegger: Uh, uh, böse, böse!), der eine perfekte Blaupause dafür geliefert hat, wie man eine Medienlandschaft in den Griff bekommt, zusammengetan und findet ideale Bedingungen vor. Und das ist das Ergebnis der Medienpolitik dieser Regierung. (Beifall bei den NEOS.)
13.13
Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer Stellungnahme hat sich nun Frau Bundesminister MMag.a Dr.in Susanne Raab zu Wort gemeldet. – Bitte schön, Frau Bundesministerin.
Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Susanne Raab: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Der heimische Medienmarkt steht ja bekanntlich vor großen Herausforderungen: steigende Papierpreise, abwanderndes Werbevolumen ins Ausland, die Digitalisierung, die immer weiter voranschreitet, und die Konkurrenz durch internationale Onlinegiganten am heimischen Markt.
Für uns war es daher wichtig, den österreichischen Medienmarkt, auch aufgrund der österreichischen Inhalte, die wir stärken wollen, abzusichern und zu unterstützen. Dementsprechend – wir haben es gehört – haben wir in den letzten Jahren hier in diesem Haus zwölf Gesetze verabschiedet – ich glaube, das ist mehr, als es in den 20 Jahren davor gegeben hat –, und wir haben neue Fördersysteme eingeführt, in genauer Abstimmung mit den österreichischen Medienunternehmen, damit wir treffsicher wirken können.
Es gibt eine Förderung für digitale Transformation, eine Qualitätsjournalismusförderung und jetzt eben auch die Erhöhung der Fördermittel für den privaten Rundfunk. Da gibt es halt nun einmal kein One-size-fits-all-Modell, wie es sich alle wünschen würden, sondern die Medien sind unterschiedlich, nicht nur in der Nutzung, sondern auch in der Ausgestaltung der einzelnen privaten Unternehmen. Deshalb braucht es auch unterschiedliche Fördermittel, die die Unternehmen in ihrem Wirken und Werken unterstützen.
Wir haben mit dem Gesetzentwurf nunmehr eine Erhöhung des Privatrundfunkfonds, wir haben die Digitalisierungsförderung für das Digitalradio verdreifacht, und wir haben eine neue Podcastförderung eingeführt, weil wir sehen, dass das einfach ein gutes Medium ist, das auch viele junge Menschen gerne in Anspruch nehmen, und wir diese digitale Entwicklung unterstützen möchten.
Ich freue mich sehr, dass in diesem Bereich so viel gelungen ist. Ich möchte mich auch sehr für die Zusammenarbeit mit den österreichischen Medienunternehmen bedanken, auch bei den Mediensprechern und -sprecherinnen hier im Parlament, und ich hoffe auf breite Zustimmung zu dieser Novelle. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Disoski.)
13.15
Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist nun Mag. Friedrich Ofenauer. – Bitte, Herr Abgeordneter.
13.15
Abgeordneter Mag. Friedrich Ofenauer (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen im Hohen Haus! Sehr verehrte Zuseherinnen und Zuseher! Mit der Novelle des Publizistikförderungsgesetzes fällt das Verbot der Förderung, wenn zum Beispiel eine Zeitung von einer Gebietskörperschaft eine andere Förderung erhält, weg – diese sogenannte Doppelförderung. Im Konkreten: Wenn die Qualitätsjournalismusförderung in Anspruch genommen wird, dann kann jetzt auch Publizistikförderung bezogen werden.
Damit unterstützen wir Printmedien und reagieren auch auf eine sich ändernde Medienlandschaft, denn Medien haben – wir haben es von den Vorrednern schon gehört (Unruhe im Saal) - -
Präsident Ing. Norbert Hofer: Entschuldigung, Herr Abgeordneter, wir haben da gerade ein ziemlich lautes Happening. Ich würde nur bitten, ein bisschen leiser zu sein, damit der Herr Abgeordnete besser sprechen kann. – Danke schön. (Abg. Tomaselli: Da werden nur wichtige Sachen besprochen! – Abg. Haubner: Wer ist schuld? Der Kucher! – Abg. Steinacker: Der Kucher war’s, vom 20gerhaus! – Abg. Egger: Hat er ein neues Taferl gekriegt?)
Bitte, Herr Abgeordneter.
Abgeordneter Mag. Friedrich Ofenauer (fortsetzend): Vielen Dank.
Medien haben in einer liberalen Demokratie eine wichtige Aufgabe, denn Entscheidungen basieren auf Informationen, und umso wichtiger ist es natürlich, dass diese Informationen belastbar sind und auch auf einer vertrauenswürdigen Quelle beruhen.
In den letzten Jahren wurden die Förderungen für Medien versechsfacht. Unser Mediensprecher, Kollege Egger, hat das bereits ausgeführt. An dieser Stelle auch herzlichen Dank an Frau Bundesministerin Raab und an ihren Mitarbeiterstab für ihren enormen Einsatz: Zwölf Gesetze wurden ja in dieser Legislaturperiode
beschlossen – ich darf dazu ganz herzlich gratulieren und mich auch bedanken. (Beifall bei der ÖVP.)
Das ist wichtig und hat auch einen guten Grund, weil wir in einer Demokratie natürlich gute Informationen brauchen, um gute Entscheidungen treffen zu können – sachliche, objektive, wissenschaftliche und auf Fakten basierende Informationen.
Ja, Kollegin Brandstötter, natürlich ist dabei auch die Medienkompetenz wichtig, denn man muss auch beurteilen können, ob die Quelle, aus der man Informationen bezieht, entsprechend vertrauenswürdig ist.
Medien haben aber auch im Rahmen der umfassenden Landesverteidigung – in der geistigen Landesverteidigung –, gerade wenn es um Medienkompetenz geht, eine ganz wichtige Aufgabe, denn wir sehen in den letzten Wochen und Monaten, dass gerade auch im Rahmen einer hybriden Kriegsführung gesellschaftliche Bruchlinien verwendet und Meinungen, Meldungen verbreitet werden, die emotionalisieren, polarisieren und damit auch die Gesellschaft spalten. Das hat nur ein Ziel: Uneinigkeit in einer Gesellschaft, in einer Gemeinschaft herzustellen und dadurch diese Gesellschaft und diese Gemeinschaft zu schwächen.
Ich sehe also gerade darin, in einer entsprechenden Förderung, einer entsprechenden Unterstützung von Medien, die genau darauf eingehen und genau darauf Bedacht nehmen, eine ganz wichtige Aufgabe. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)
13.18
Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Andreas Ottenschläger. – Bitte, Herr Abgeordneter.
Abgeordneter Andreas Ottenschläger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Normalerweise melde
ich mich nicht zur Medienpolitik, aber Frau Kollegin Brandstötter hat Kritik an der Medienpolitik der österreichischen Bundesregierung geübt.
Das sei ihr unbenommen (Abg. Brandstötter – erheitert –: Danke! – Abg. Einwallner: Großzügig, nicht?), ich darf hier aber trotzdem eine meiner Lieblingsausgaben (ein Exemplar der Zeitung „Mein Wien“ in die Höhe haltend) herzeigen – sie ist schon ein bisschen abgegriffen, weil ich so oft darin blättere –: Das ist „Mein Wien“. Das ist eine Zeitung, die die Stadt Wien herausgibt. Da sind tatsächlich keine Inserate drinnen, aber der Steuerzahler und die Steuerzahlerin bezahlen das natürlich. (Zwischenrufe der Abgeordneten Schatz und Brandstötter.)
Bemerkenswert ist schon: Das ist eine Ausgabe – keine Sorge, der Herr Bürgermeister ist drauf, auch der Herr Vizebürgermeister –, eben meine Lieblingsausgabe, weil Herr Vizebürgermeister Wiederkehr von den NEOS hier auf der Titelseite ist, dann – blättert man weiter – ist er auf Seite 4, dann auf Seite 7, dann ist er auf Seite 11 und so weiter und so fort. (Abg. Brandstötter: Er kann nichts dafür, dass er so gut aussieht! – Abg. Egger: Oh, wehleidig! – Abg. Haubner: Wiederkehr! Darum heißt er Wiederkehr! – Abg. Rainer Wimmer: ... Niederösterreich ...!)
Ich würde also vorschlagen, liebe Kolleginnen und Kollegen von den NEOS – auch da wieder einmal ein Beispiel (Abg. Schroll: Schaut euch mal das Stadtblatt von Melk an!) –: Wenn Sie da in Wien mitregieren, können Sie dann vielleicht auch diese Dinge hinterfragen, denn es ist auch Steuergeld (Abg. Brandstötter: Ja, weg damit!), das da ausgegeben wird?!
Wenn Sie sagen: weg, weg!, so bin ich sehr gespannt, ob Sie, wenn wir in Wien dann solche Anträge stellen, dem dann zustimmen werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Prinz: Ja, wie man in den Wald hineinschreit, so kommt es zurück, Frau Brandstötter!)
Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.
Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist offenbar nicht der Fall.
Wir kommen nun zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.
Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 6: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das KommAustria-Gesetz geändert wird, samt Titel und Eingang in 2626 der Beilagen.
Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.
Wir kommen zur dritten Lesung.
Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist einstimmig. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.
Wir kommen nun zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 7: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Publizistikförderungsgesetz geändert wird, samt Titel und Eingang in 2627 der Beilagen.
Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mehrheitlich angenommen.
Wir kommen wiederum sogleich zur dritten Lesung.
Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.
8. Punkt
Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 4112/A der Abgeordneten Mag. Wolfgang Gerstl, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesstatistikgesetz 2000 geändert wird (2628 d.B.)
Präsident Ing. Norbert Hofer: Nun kommen wir zum 8. Punkt der Tagesordnung.
Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.
Zu Wort gelangt Irene Neumann-Hartberger. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.
Abgeordnete Irene Neumann-Hartberger (ÖVP): Herr Präsident! Werte Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Wir beschließen heute eine Änderung im Bundesstatistik gesetz 2000, bei der es im Wesentlichen um eine Mittelerhöhung für die Bundesanstalt Statistik Österreich geht.
Ausgehend von einem negativen Jahresergebnis 2023 in der Höhe von 3,4 Millionen Euro geht es um einen Fehlbetrag für 2024 von in Summe 12,78 Millionen Euro. Ursächlich dafür ist die Steigerung des Personalaufwands, auch bedingt durch die Tarifabschlüsse 2023 und 2024 für den öffentlichen Dienst, aber auch durch zusätzliche Personalaufnahmen. Diese Finanzierungslücke soll jetzt zum Ersten durch Rücklagen der Bundesanstalt, zweitens durch interne kostendämpfende Maßnahmen und drittens eben durch die heute zu beschließende einmalige Erhöhung des Pauschalbetrags um 7,09 Millionen Euro geschlossen werden. Ab dem Jahr 2025 ist die Höhe des Pauschalbetrags wieder jene, die 2023 im Budgetbegleitgesetz festgelegt wurde.
In einer Zeit, in der wir tagtäglich mit einer Flut von Fakenews von unterschiedlichen Seiten konfrontiert werden, ist es, denke ich, schon entscheidend, dass uns auch präzise, objektive Daten zur Verfügung stehen, auf die wir auch vertrauen
können. Eine verlässliche Quelle, wenn es um solche Daten geht, ist absolut die Bundesanstalt Statistik Österreich. Die Aufarbeitung und Aufbereitung von Zahlen zu aussagekräftigen Datensätzen ist nämlich entscheidend. Die Statistik Austria erstellt Daten, die von höchster Qualität und Objektivität und außerdem für die Allgemeinheit frei zugänglich sind. Dieses Zeugnis stellt nämlich auch der Statistikrat, ein aus 16 Personen bestehendes Gremium, in seinem Tätigkeitsbericht über das Jahr 2023 der Bundesanstalt aus. Darin wurde auch ein Schwerpunkt auf die Möglichkeiten der weiteren Digitalisierung, die Entwicklung neuer Methoden und die Modernisierung im statistischen Produktionsprozess gelegt.
Prinzipien wie Aktualität, Genauigkeit und Relevanz haben bei der Arbeit höchste Priorität. Fundierte Entscheidungen basieren auf aussagekräftigen Zahlen und Fakten. Ob im Bildungsbereich, in der Wirtschaft, bei sozialpolitischen Fragen oder eben auch in der Landwirtschaft, präzise Daten sind als Grundlage unerlässlich. Nur durch umfassende statistische Modelle und Prognosen lässt sich erkennen, ob in einem bestimmten Bereich Handlungsbedarf besteht oder eben nicht. Man denke da beispielsweise an unsere agrarpolitischen Maßnahmen in der vergangenen Zeit, deren Umsetzung natürlich auch umfassende Erhebungen und statistische Auswertungen zugrunde lagen.
An dieser Stelle möchte ich ausdrücklich all jenen Betrieben, Unternehmen und Institutionen, die ihre Zahlen regelmäßig dokumentieren und schließlich auch zur Verfügung stellen, ein riesengroßes Danke, nämlich auch für ihren zeitlichen Aufwand, aussprechen. (Beifall bei der ÖVP.)
Abschließend noch einmal der Hinweis: Unwahre Behauptungen und Spekulationen müssen durch wissenschaftlich erhobene Fakten verdrängt werden. Umfangreiche statistische Daten und Fakten spielen in der öffentlichen Debatte eine wesentliche Rolle und sind zudem natürlich unverzichtbar für eine redliche, verantwortungsvolle Politik.
Diese Budgeterhöhung ist deshalb aus unserer Sicht notwendig und auch gerechtfertigt. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)
13.25
Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Mag. Christian Drobits. – Bitte, Herr Abgeordneter.
Abgeordneter Mag. Christian Drobits (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseher und Zuhörerinnen! Nun, zu diesem Thema haben wir im Verfassungsausschuss eigentlich ein einstimmiges Ergebnis gehabt, dass also alle Parteien, alle Fraktionen dieser Erhöhung der Finanzierung der Statistik Austria zustimmen. Frau Bundesministerin, anscheinend dürften aber nur zwei der Fraktionen Interesse haben, auch zu erwähnen, warum.
Meine Fraktion sagt klar und eindeutig: Die Statistik Austria und ihre Arbeit sind sehr wichtig für die Bürgerinnen und Bürger, für die Politik, für die Wirtschaft, aber natürlich auch für uns als Politiker im eigenen Haus. Ohne diese Daten, Fakten und Informationen zu kennen, würden wir nicht die Politik machen können, die es braucht. Es ist zwar eine trockene Materie, aber diese Materie ist wichtig.
Deshalb war es uns auch wichtig, zu sagen, dass die Statistik Austria in den letzten Jahren eigentlich immer nur einen gewissen Pauschalbetrag erhalten hat, der sich über die Jahre hinweg dann sogar reduziert hat – 2019 hat man einen niedrigeren Pauschalbetrag gezahlt als 2001 –, und das war nicht richtig. Das Personal wurde nicht aufgestockt, es wurde auch keine Valorisierung vorgenommen. Jetzt ist man draufgekommen: Okay, da fehlen 13 Millionen Euro! Nach Auflösung von Rücklagen betrug der Fehlbetrag im Endeffekt 7 Millionen Euro, und um die hat man jetzt die Mittel aufgestockt.
Ich denke, die Mitarbeiter der Statistik Austria verdienen es aber, dass die Finanzierung jährlich valorisiert wird, dass die Valorisierung ständig gemacht wird und nicht immer dieses Damoklesschwert über ihnen hängt. Ich möchte übrigens den Mitarbeitern der Statistik Austria auch im Namen meiner Fraktion gratulieren, ihre Arbeit ist sehr gut und ist auch sehr wichtig.
Es gibt aber noch einen Punkt, der mir sehr wichtig ist und den ich hier ansprechen möchte: Daten und Fakten sind uns allen wichtig. Wenn es darum geht, dass auch die Digitalisierung natürlich sehr wichtig ist, darf das meiner Meinung nach aber nicht bedeuten, dass diese zur Grundlage dafür wird, dass jemand diskriminiert wird. Und ich mache nicht Stopp, wenn ich sage, dass die Digitalisierung für einige Gruppen bedeutet, dass sie unfreiwilligerweise einer Diskriminierung und Benachteiligung ausgesetzt sind. Frau Bundesministerin – sie hört mir gerade nicht zu –, vielleicht haben Sie auch meine Anfrage erhalten, in der ich jedes Ministerium gefragt habe, wie viele Förderansuchen ausschließlich digital zu stellen sind. Die Anfrageserie wird am 15. Juli dann zu beantworten sein. Auch Sie haben diese Anfrage bekommen.
Ich denke, es wäre wirklich unfair, wenn man die Digitalisierung so weit vorantreibt, dass man ältere Menschen und Menschen, die mit der Digitalisierung nicht mitgekommen sind, im Endeffekt ohne analoge Welt dastehen lässt. Das ist ein falscher Weg, das ist ein falscher Zugang und das wollen wir nicht.
Man hat zuletzt auch gesehen, dass diese Daten und Fakten beim AMS und beim Finanzamt ein Problem werden. Beim AMS soll nächstes Jahr – wir haben es das letzte Mal diskutiert – ab 1.7.2025 Folgendes kommen: Anträge auf Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe sollen vorrangig digital gestellt werden. Das Wort vorrangig steht im Gesetzestext, das heißt, nachrangig ist die analoge Welt. Ich denke, das ist eine Ausgrenzung dieser Personengruppen, und dafür brauchen wir nicht die Daten und die Fakten.
Letztendlich – ich darf das sagen, obwohl der Finanzminister nicht da ist – finde ich es auch ungeheuerlich, dass im Finanzamtsbereich mittlerweile die Pforten der Finanzämter, zumindest im ländlichen Bereich, geschlossen sind. Mir hat gestern ein 80-jähriger Mann erklärt, er wollte nur seine Kontonummer bekannt geben, da wurde ihm lapidar gesagt: Wir dürfen nicht aufmachen, wir dürfen nichts machen, Sie müssen mit Sankt Pölten chatten! – Das ist die neue Welt, das ist die digitale Welt der Bundesregierung. Wir wollen aber auch die analoge Welt.
Danke aber für den Bericht und danke auch der Statistik Austria und den Mitarbeitern für die Informationen. (Beifall bei der SPÖ.)
Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.
Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.
Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 2628 der Beilagen.
Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.
Wir kommen zur dritten Lesung.
Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Auch das ist einstimmig. Der Gesetzentwurf ist somit in dritter Lesung angenommen.
Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (2602 d.B.): Bundesgesetz, mit dem ein Qualifizierte-Einrichtungen-Gesetz erlassen wird
und die Zivilprozessordnung, das Konsumentenschutzgesetz, das Gerichtsgebührengesetz und das Rechtsanwaltstarifgesetz geändert werden (Verbandsklagen-Richtlinie-Umsetzungs-Novelle – VRUN) (2616 d.B.)
Präsident Ing. Norbert Hofer: Jetzt kommen wir zum 9. Punkt der Tagesordnung.
Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.
Gleich wieder zu Wort gelangt Mag. Christian Drobits. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Keck: Drobits-Festspiele!)
Abgeordneter Mag. Christian Drobits (SPÖ): Herr Präsident! (Abg. Wurm: Schon wieder du, Christian!) – Ja, Peter, so ist es. Ich darf jetzt einleitend auf eine wichtige Materie des Konsumentenschutzes eingehen. Als Konsumentenschutzsprecher meiner Fraktion ist es mir eine Ehre, eine Thematik, die wir fünf Jahre lang diskutiert haben, jetzt heute endgültig auf der Tagesordnung zu sehen.
Wir als Fraktion wollten dieser Umsetzung der Verbandsklagenrichtlinie eigentlich zustimmen. Ich muss das bedauern: Es sind einige Punkte gut, aber wir können nicht zustimmen; wir dürfen nicht zustimmen.
Der erste Punkt, warum wir nicht zustimmen werden, ist folgender: Im Dezember 2000, am 5.12.2000, wurde erstmalig im Amtsblatt der Europäischen Union verlautbart, dass eine Verbandsklagenrichtlinie kommen wird, die Verbandsklagen ermöglicht, um kollektive Interessen durchzusetzen und den Verbraucherschutz damit zu stärken. – Das war im Jahr 2000.
Im Dezember 2022 hätte es eigentlich das Ziel sein müssen, die Umsetzung dieser Richtlinie durchzuführen. Heute, 600 Tage nach Ablauf dieser Frist, stehen wir da und stellen fest, dass die Stellungnahmen im Begutachtungsverfahren im Endeffekt nicht berücksichtigt worden sind. Demokratiepolitisch
ist der Ablauf dieser Umsetzung der Verbandsklagenrichtlinie ein typisches Beispiel dafür, was diese Bundesregierung in den letzten fünf Jahre gemacht hat. – Das war ein Grund.
Der zweite Grund ist aber folgender: Wenn man jetzt die Möglichkeit schafft, Klagen, Sammelklagen für verschiedene Interessen einzubringen, denke ich, dass das relativ einfach gemacht werden sollte und es keine Hürden hinsichtlich der Betroffenen, der Kläger geben sollte.
Es gibt da eine Hürde im Gesetz drinnen, die besagt, dass es 50 betroffene Personen, die diese Möglichkeit einer Klage wahrnehmen, braucht. 50 ist genau die gleiche Zahl wie in Deutschland. Deutschland hat 80,7 Millionen Einwohner, und bei uns gibt es eine Zahl, die gleich wie die in Deutschland angesetzt wird. (Abg. Scherak: Aber das ist ja wurscht!) Es kann ja nicht sein, dass im Endeffekt bei uns analog zu dem diese Mindestanzahl von 50 Personen vorausgesetzt wird! Wir haben immer die Ansicht vertreten, dass zehn bis 20 Personen ausreichen sollten, auch andere Fraktionen, auch die NEOS, glaube ich, Kollegen, haben das so gesehen. Ich weiß nicht, ob es heute so ist. Wir wollen nicht, dass diese Mindestanzahl von 50 Personen ein Ausschlusskriterium wird, sodass zukünftig Sammelklagen nicht durchgeführt werden können.
Wir sehen auch nicht ein, dass die Qualifikationen für einzelne Einrichtungen sehr niederschwellig angesetzt werden. Ich denke, genauso wie im Mietenbereich können jetzt die Prozessfinanzierer, aber vielleicht auch manche Rechtsanwaltssozietäten da sehr rasch und sehr schnell aktiv auftreten. Ich will nicht und wir wollen nicht, dass in diesem Fall das Kapital und der Kapitalismus in den Vordergrund treten.
Das heißt: Schade, Verbandsklagen sind wichtig, wir stehen dazu, aber mit diesen Einschränkungen können wir leider nicht mitgehen. Wir werden deshalb diesem Gesetz heute nicht zustimmen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)
13.34
Präsident Ing. Norbert Hofer: Ich darf die Frau Bundesministerin für Justiz Dr.in Zadić sehr herzlich im Parlament begrüßen.
Ich bitte nun Mag. Ulrike Fischer ans Rednerpult. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.
Abgeordnete Mag. Ulrike Fischer (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Ich freue mich, dass wir heute einen Meilenstein des Verbraucherschutzes beschließen können. Wir haben im Konsumentenschutzausschuss schon öfter darüber gesprochen, wie wichtig es ist, dass Konsumenten, Konsumentinnen ihre Interessen nicht nur äußern können, sondern dass die Verbraucherschutzorganisationen, die qualifizierten Einrichtungen, diese Einsprüche gesammelt vor Gericht für sie geltend machen können. Jetzt gibt es diese Möglichkeit mit dieser guten Novelle, mit dieser guten, wie man so sagt, Richtlinienumsetzung.
Verbandsklagen-Richtlinie-Umsetzungs-Novelle: Es klingt sperrig, aber es wird uns in vielem helfen. Ich habe zum Beispiel ein Auto oder ich habe ein Handy oder ich habe einen Vertrag mit einer Bank oder ich habe vielleicht auch ein gesundheitliches Problem, und das habe nicht nur ich allein, sondern das haben viele Menschen auch. Denken wir an die Spirale, die Hormonspirale – wie viele Frauen davon betroffen waren! Da ist es einfach wichtig, dass man die Last von den Schultern der Konsumenten, der Konsumentinnen nimmt und sagt: Liebe Verbände, wir geben euch eine gute Möglichkeit, mit der Verbandsklage gesammelt zu Gericht zu gehen! – Das machen wir damit. (Beifall bei den Grünen.)
Was dieses Instrument europaweit und österreichweit bringen wird, wird sich zeigen. Ich bin davon überzeugt, dass es europaweit einer der wichtigsten Schritte im Konsumentenschutz überhaupt ist. Insofern freut es mich, dass wir das heute kurz vor der Sommerpause beschließen können.
Zu den einzelnen Punkten des Gesetzentwurfes: Es wird das Handelsgericht Wien Zuständigkeit erlangen. Es wird eine Verjährungshemmung geben – das heißt, wenn es eine Verbandsklage gibt, dann ist die Verjährung gehemmt –, und das ist richtig und wichtig. Es betrifft verschiedene Verbände, die alle ihre Wichtigkeit haben, weil sie für den Konsumentenschutz Gutes leisten – ich darf nur ein paar herausgreifen: Der VSV, die Arbeiterkammer und der VKI (Abg. Drobits: In der Reihenfolge? So schaut das aus, okay!) können da alle gute Dienste leisten. Ich freue mich, dass es für diese qualifizierten Einrichtungen jetzt dieses Regulativ geben wird.
Wieso ist es so wichtig, dass es auf der einen Seite die Konsumenten, Konsumentinnen und auf der anderen Seite eine gute Lösung gibt? – Es ist deswegen wichtig, weil Unrecht sich nicht lohnen darf. Es geht nicht um die redlichen Konzerne, um die redlichen Unternehmen, sondern es geht um die, die sich nicht redlich verhalten. Da schaffen wir jetzt eine gute Maßnahme. (Beifall bei den Grünen.)
Oft sind wir in der Situation, dass wir etwas durchsetzen wollen, aber wir trauen uns nicht, weil wir nicht wissen, welches finanzielle Risiko auf uns zukommt. Auch da wird dieses Mittel helfen.
Die Verbandsklage ist natürlich kein Allheilmittel. Was es braucht, ist, dass auf der einen Seite die Vereine gut ausgestattet sind und dass auf der anderen Seite das Rechtsinstrument funktioniert und es eine Prozessvereinfachung gibt.
Damit es nicht zu kompliziert wird, möchte ich jetzt noch einmal ein Beispiel herausgreifen: Wir haben heute in der Früh über Pannenhilfe gesprochen. Rasche Pannenhilfe funktioniert deswegen nicht, weil die Software von den Autoherstellern, Autoherstellerinnen blockiert wird. Das muss sich ändern. Auch dabei wird dieses Mittel helfen, indem wir einfach die Ansprüche der Konsumentinnen und Konsumenten sammeln, die ein Recht darauf haben, dass ihre Daten für sie genutzt werden und nicht nur von den Autoherstellern, Autoherstellerinnen genutzt werden. Was es braucht, ist eine Datenautonomie
für Konsumenten und Konsumentinnen, und auch dafür setze ich mich ein. Meine Daten gehören mir! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Wurm: Du schon, aber nicht dein Klub! Dein Klub nicht, du schon!)
Noch in Bezug auf das, was Kollege Drobits gesagt hat: Gut Ding braucht Weile! Ich möchte mich auch bei Kollegin Michaela Steinacker bedanken. Wir haben sehr lang sehr hart miteinander verhandelt, und dieses Projekt kann sich sehen lassen. Allen voran möchte ich mich natürlich beim Justizministerium und bei unserer Justizministerin Alma Zadić bedanken.
Das ist ein großer Schritt für den Konsumentenschutz. Wie gehen wir diese Schritte weiter? – Gemeinsam. Ich möchte mich bedanken. Schönen Sommer! (Beifall bei den Grünen.)
13.39
Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun MMag. Katharina Werner. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.
Abgeordnete MMag. Katharina Werner, Bakk. (NEOS): Herr Präsident! Frau Ministerin! Verbandsklagen sind wichtig für die Konsument:innen, weil sie gegenüber den Unternehmen die Interessen besser durchsetzen können. Sie sind aber auch für die Unternehmen wichtig, weil sie, anstatt mehrere Prozesse zu führen, einen Prozess haben, der dann am Ende zu Rechtssicherheit führt.
Verbandsklagen sind aber auch für die Justiz wichtig, weil sie sich ganz schön viele Ressourcen ersparen kann, indem sie eben nur einen Prozess und nicht viele führt. Grundsätzlich sehen wir als NEOS also die Möglichkeit von Verbandsklagen prinzipiell einmal positiv.
Kollege Drobits hat jetzt schon erörtert, die Verbandsklagenrichtlinie ist am 24.12.2020 in Kraft getreten und hätte eigentlich bis zum 25.12.2022 in nationales Recht überführt werden müssen, und diese Umsetzung wurde halt
ziemlich verschleppt. Aber nicht nur das, es war auch das parlamentarische Verfahren kritikwürdig. Am 12.6. gab es eine Regierungsvorlage und sechs Tage später gleich die Ausschusssitzung dazu. Ein kooperatives parlamentarisches Verfahren sieht in unseren Augen anders aus. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)
Dabei wäre es gerade in Österreich total wichtig, diese Richtlinie ordentlich umzusetzen – die Kollegin von den Grünen hat vorhin ausgeführt, wer aller in Österreich aktuell befähigt ist, Verbandsklagen zu führen, und das ist sehr stark politisiert. Darum wäre es wichtig, diese Richtlinie ordentlich umzusetzen, um die Verbandsklagen zu entpolitisieren.
Es gibt aber noch zwei große Mängel: Den einen sehen wir bei den Prozesskostenfinanzierungen. Bis zu 20 Prozent der finanziellen Mittel können durch Unternehmen zur Verfügung gestellt werden. In Deutschland sind es nur 5 Prozent. Was könnte also passieren? – Ich mag meinen Konkurrenten nicht und verwende jetzt das Mittel der Verbandsklage, um den Konkurrenten zu klagen und einzuschüchtern. Das widerspricht eigentlich einem guten und redlichen Wettbewerb, und das finden wir nicht gut.
Das Zweite ist: Wieso stellt man an Einrichtungen, die nur in Österreich klagen können, höhere Anforderung als an Einrichtungen, die in Europa klagen können? Das ist einfach unsachlich.
Darüber hinaus, Kollege Drobits, muss ich Ihnen widersprechen. Wir können auch mit dem Antrag, den die FPÖ dann einbringen wird, nicht mitgehen. Wir denken, dass es durchaus sinnvoll ist, dass sich 50 Menschen zusammenschließen müssen, weil es sonst einfach zu einer Prozessflut führt und dann diese ressourcenschonenden Effekte, die es auch in der Justiz geben sollte, nihiliert werden. Wir wollen auch kein Land für Klagetourismus werden. Das sehen wir einfach so.
Unser Ansatz wäre gewesen, dass man sogar noch eine zusätzliche Schranke einfügt und sagt: Okay, dieser Verein muss ein Jahr lang bestehen, er muss diese Interessen der Konsumenten und Konsumentinnen schon dieses Jahr vertreten haben und er muss eine gewisse Anzahl an Mitgliedern haben, damit das wirklich ein Verein oder eine Organisation ist, die Konsumentenschutzpolitik macht und nicht die Interessen von einem Konkurrenten auf den anderen abwälzt. – Danke schön. (Beifall bei den NEOS.)
13.43
Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Abgeordneter Peter Wurm. – Bitte, Herr Abgeordneter.
Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ): Herr Präsident! Frau Minister! Hohes Haus! Werte Zuseher! Frau Minister, ich wünsche Ihnen alles Gute für die bevorstehende Schwangerschaft. Kinder braucht das Land. (Abg. Disoski: Für die bevorstehende Schwangerschaft?) Das ist eine gute Idee. Alles Gute und einen schönen Sommer!
Wir sprechen heute über die Verbandsklage oder Sammelklage, wie es vielleicht landläufig eher bekannt ist, wenn Sie da zum Beispiel an den VW-Abgasskandal denken. Um diesen Themenkreis geht es. Es ist jetzt auch keine Erfindung dieser Bundesregierung, sondern eigentlich die Umsetzung einer europäischen Richtlinie, die schon relativ lange auf diese Umsetzung wartet, die jetzt gemacht wird.
Wir werden zustimmen. Da wir ja, wie Sie alle wissen, eine sehr konstruktive Partei sind, stimmen wir zu. Es gibt natürlich da oder dort einige Dinge, die wir kritisch sehen, die wir gerne anders hätten, deshalb werde ich später einen Entschließungsantrag einbringen, aber grosso modo geht es zumindest in die richtige Richtung und wird das für Konsumenten doch eine Verbesserung bringen.
Diese Grenze von 50 Geschädigten sehen wir auch kritisch, die halten wir für zu hoch. Jetzt kann man diskutieren, ob es fünf oder zehn sein sollen, aber 50 Geschädigte zu finden, das ist doch ein bissel eine Hürde, um das schnell in Gang zu setzen. Diese Hürde hätten wir gerne geringer.
Wir hätten auch diese Verjährungsgeschichte anders umgesetzt, das heißt, vor allem dann, wenn es ein Urteil gibt. Das ist unserer Meinung nicht zielführend.
Ein Thema, das uns auch noch beschäftigt, ist die Kommunikation. Wir hätten gerne gehabt, dass Unternehmen, wenn sie verurteilt werden, das dann auch ihren Kunden, die möglicherweise auch einen Schaden erlitten haben, entsprechend kommunizieren müssen.
Sonst ist, glaube ich, das meiste eh schon erwähnt worden. Das Handelsgericht Wien wird zuständig sein. Interessant ist vielleicht – da haben wir doch ein bissel eine andere Sichtweise als die NEOS – Folgendes: Diese Begrenzung auf 20 Prozent, mit denen das quasi ein Prozessfinanzierer oder ein Privater mitfinanzieren kann, sehen wir als eine sinnvolle Grenze, muss ich sagen, und zwar auch deshalb, weil damit garantiert ist, dass die Betroffenen möglichst viel von einer Entschädigung bekommen, das heißt, zumindest diese 80 Prozent. Auch dieser Mindestsatz von 250 Euro pro Geschädigten ist, glaube ich, für jeden halbwegs finanzierbar.
Das heißt, summa summarum ist es jetzt eigentlich keine schlechte Geschichte, mit diesen Kritikpunkten, die ich erwähnt habe.
Deshalb bringe ich folgenden Antrag ein:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Evaluierung der Umsetzung der Verbandsklagen-Richtlinie-Umsetzungs-Novelle-VRUN bis zum 31. Dezember 2026“
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz und die Bundesministerin für Justiz, werden aufgefordert, dem Nationalrat einen Bericht zuzuleiten, der folgende Inhalte umfasst:
- Die Bewertung des Vollzugs der Verbandsklagen-Richtlinie-Umsetzungs-Novelle-VRUN, insbesondere im Hinblick auf:
- Das Mindesterfordernis von 50 Verbrauchern bei Klagseinbringung.
- Die nicht umgesetzte Verjährungshemmung für alle Verbandsklagen.
- Das Fehlen der gesetzlichen Regelung eines Folgenbeseitigungsbegehrens.
Dieser Bericht soll bis zum 31. Dezember 2026 an den Nationalrat übermittelt werden.“
*****
Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)
13.47
Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:
Entschließungsantrag
des Abgeordneten Peter Wurm
und weiterer Abgeordneter
betreffend Evaluierung der Umsetzung der Verbandsklagen-Richtlinie-Umsetzungs-Novelle-VRUN bis zum 31. Dezember 2026
eingebracht im Zuge der Debatte über Top 9.) Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (2602 d.B.): Bundesgesetz, mit dem ein Qualifizierte-
Einrichtungen-Gesetz erlassen wird und die Zivilprozessordnung, das Konsumentenschutzgesetz, das Gerichtesgebührengesetz und das Rechtsanwaltstarifgesetz geändert werden (Verbandsklagen-Richtlinie-Umsetzungs- Novelle – VRUN) (2616 d.B.) in der 274. Sitzung des Nationalrats am 5. Juli 2024
Mit der Verbandsklagen-Richtlinie-Umsetzungs-Novelle-VRUN wurde nun endlich ein erster entscheidender Schritt zur Stärkung der Konsumentenrechte im Zuge von Sammelklageverfahren umgesetzt. Experten haben im Zuge des Begutachtungsverfahrens zum Ministerialentwurf jedoch weiteren Verbesserungsbedarf in diesem Zusammenhang eingemahnt, um tatsächlich eine nachhaltige und effektive Rechtsdurchsetzung im Sinne der Konsumenten zu garantieren.
Folgende Punkte gelten als weiterhin umstritten:
- Mindesterfordernis von 50 Verbrauchern bei Klagseinbringung erscheint zu restriktiv
- Verjährungshemmung für alle Verbandsklagen
- Gesetzliche Regelung eines Folgenbeseitigungsbegehrens
Unter anderem wurden diese Kritikpunkte auch vom oberösterreichischen Arbeiterkammerpräsidenten Andreas Stangl formuliert.
„Verbandsklagen-Richtlinie: AK Oberösterreich fordert Nachbesserungen bei der Umsetzung
Linz (OTS) - Mit der EU-Verbandsklagen-Richtlinie soll der kollektive Rechtsschutz für Konsument:innen auf europäischer Ebene grundlegend verbessert werden. Anerkannten Verbraucherschutzorganisationen, wie z.B. der Arbeiterkammer, wird ermöglicht, bei Verstößen von Unternehmen, die eine größere Zahl von Verbraucher:innen betreffen, Ansprüche zusammenzufassen und stellvertretend in einer Abhilfeklage geltend zu machen. „Der nunmehr vorliegende Gesetzesentwurf zur Umsetzung der Richtlinie wird diesem Ziel aber nur zum Teil gerecht“, sagt AK-Präsident Andreas Stangl.
Grundsätzlich seien die vorgeschlagenen Änderungen für Verbraucher:innen zu begrüßen, so Stangl. „Der weite Anwendungsbereich der Unterlassungsklage auf sämtliche Verstöße, die die kollektiven Interessen von Verbraucher:innen beeinträchtigen oder zu beeinträchtigen drohen, und die mit den Verfahren verbundene Verjährungshemmung sind ganz wesentliche Verbesserungen“, sagt der Präsident der Arbeiterkammer Oberösterreich.
Mindesterfordernis von 50 Verbrauchern bei Klagseinbringung zu restriktiv
Eine Klage kann allerdings erst eingebracht werden, wenn mindestens 50 Konsumenten betroffen sind. Das schränkt die Effektivität der Regelungen massiv auf Verfahren mit sehr vielen Geschädigten ein. „Damit ist die neue Verbandsklage in vielen Fällen nutzlos“, sagt Stangl. Er fordert: „Die Mindestquote muss auf fünf Verbrauchern reduziert werden, damit die neue Abhilfeklage auch im Sinne des Konsumentenschutzes eingesetzt werden kann.“
Verjährungshemmung für alle Verbandsklagen
Die neue Verbandsklage hemmt die Verjährung. Wären z.B. Ansprüche nach drei Jahren verjährt, können sie nach positivem Ausgang der Unterlassungsklage auch nach den drei Jahren noch geltend gemacht werden. Voraussetzung dafür ist, dass die betroffenen Konsumenten dann rechtzeitig an der neuen Verbandsklage auf Abhilfe teilnehmen, indem sie sich beim AK-Konsumentenschutz melden.
Diese neue Verbandsklage auf Unterlassung soll die nach geltendem österreichischen Recht bestehenden Verbandsklagen unberührt lassen. „Für die bestehenden Instrumente zur Rechtsdurchsetzung muss dann aber auch die gleiche Verjährungshemmung zur Anwendung kommen, damit unsere Konsumentenschützern den Betroffenen bestmöglich zu ihrem Recht verhelfen können“, verlangt der AK-Präsident.
Gesetzliche Regelung eines Folgenbeseitigungsbegehrens
Bei bisherigen Verbandsverfahren war es immer schwierig, die betroffenen Verbrauchern über das Urteil und über die für sie positiven Rechtsfolgen zu
informieren. Präsident Stangl regt daher an: „Es braucht die zusätzliche gesetzliche Regelung eines Folgenbeseitigungsbegehrens bei Unterlassungsklagen.“ Dadurch können Unternehmen bei rechtswidrigem Verhalten verpflichtet werden, alle betroffenen Verbrauchern über das Urteil und dessen Rechtsfolgen (z.B. Rückerstattungsansprüche) informieren zu müssen.“
https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20240616_OTS0012/verbandsklagen-richtlinie-ak-oberoesterreich-fordert-nachbesserungen-bei-der-umsetzung
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden
Entschließungsantrag
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz und die Bundesministerin für Justiz, werden aufgefordert, dem Nationalrat einen Bericht zuzuleiten, der folgende Inhalte umfasst:
- Die Bewertung des Vollzugs der Verbandsklagen-Richtlinie-Umsetzungs-Novelle-VRUN, insbesondere im Hinblick auf:
- Das Mindesterfordernis von 50 Verbrauchern bei Klagseinbringung.
- Die nicht umgesetzte Verjährungshemmung für alle Verbandsklagen.
- Das Fehlen der gesetzlichen Regelung eines Folgenbeseitigungsbegehrens.
Dieser Bericht soll bis zum 31. Dezember 2026 an den Nationalrat übermittelt werden.“
*****
Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht somit auch mit in Verhandlung.
Zu Wort gelangt Mag.a Michaela Steinacker. – Bitte, Frau Abgeordnete.
Abgeordnete Mag. Michaela Steinacker (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Ja, gut Ding braucht Weile.
Ich darf gleich zu Beginn zu den Kritikpunkten des Kollegen Drobits von der SPÖ kommen, weil ich das einfach nicht verstehe. Gerade bei dir und euch als immer wieder selbst ausgedrückte Vorreiter beim Thema Konsumentenschutz kann ich gar nicht verstehen, dass man bei einer solch großen Neuerung und guten Lösung zum Schutz von Konsumentenanliegen nicht mitgeht.
Ich möchte dir auch gerne begründen, warum: Du hast gesagt, seit dem Jahr 2000 hat die Europäische Union gesagt, es wird eine Richtlinie geben. Ich möchte darauf hinweisen und den Zuseherinnen und Zusehern und auch den Kollegen hier ganz klar sagen: 18 Jahre lang hat es gedauert, bis in Europa diese Richtlinie entstanden ist.
Warum hat es so lange gedauert? – Weil es so verschiedene Interessengruppen gab, zwischen den Konsumentenschützern und denen, die in der Wirtschaft keine Vorverurteilung wollten und nicht wollten, dass die Wirtschaft komplett zugrunde geht. Genau diese haben 18 Jahre lang gebraucht, um eine Richtlinie zu machen.
Wenn wir heute eine Transformation in das österreichische Recht vornehmen, dann darf ich nur sagen: Sie ist deswegen auch so ausgezeichnet gelungen, weil alle, nämlich die Konsumentenschützer und die Wirtschaft, gesagt haben, es ist ein bisschen zu wenig von allem. Deswegen sage ich, es ist ein ausgewogenes, gutes System gelungen.
An dieser Stelle, liebe Ulli (in Richtung Abg. Fischer), möchte ich mich bei dir bedanken. Du bist nämlich eine – ich möchte jetzt fast sagen: der wenigen, aber für mich bist du es –, die Wort hält und die Handschlagqualität hat, bei allen
Verhandlungen hart, aber herzlich ist. Das zeichnet dich aus. – Danke dafür. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)
Des Weiteren möchte ich auch gleich zu den 50 betroffenen Personen Stellung nehmen. Wir haben uns das lange überlegt, und es war einer dieser wirklich harten Streitpunkte oder eine der Auseinandersetzungen zwischen uns. Was wollten wir aber verhindern? – Dass es in Europa verschiedene Systeme gibt, gerade wenn ganz viel von Österreichs Export nach Deutschland geht, wo Haftungen für Produkte bestehen. Dann kommen Deutsche herein und klagen bei uns, weil sie hier nur 20 und in Deutschland 50 Geschädigte brauchen. Auch da wollten wir eine Linie mit Augenmaß, damit sowohl für die Konsumenten als auch für die Wirtschaft eine gute, ordentliche, saubere Lösung gefunden wird.
Zum Inhalt selbst möchte ich ganz kurz sagen: Ich glaube, auch das Thema der Qualifizierten Einrichtungen – es wurde von allen Vorrednern ja angesprochen – ist anscheinend gut gelungen, denn den einen ist es wieder zu viel an Kriterien und den anderen zu wenig. Genauso ist beim Thema der Prozessfinanzierung die Grenze mit den 20 Prozent zu hoch oder zu niedrig. Genau an diesem Diskurs sehen Sie: Wir haben ein gutes Mittelmaß und eine gute Lösung gefunden, und all das wird machbar sein.
Mir ist es nur recht, wenn Qualifizierte Einrichtungen in der Prüfung durch den Kartellanwalt entsprechend hart hergenommen werden. Ja, warum denn nicht? Um Gottes Willen, es geht um Interessen der Konsumenten! Die müssen ja wissen, wohin sie sich wenden können und dass diese Qualifizierte Einrichtung ganz besonders dafür geeignet ist, ihre Interessen zu vertreten, denn wenn ich den Diskussionen von Ulrike folge, dann sind die Konsumenten, die sich ja zusammensammeln, um gemeinsam Rechtsansprüche geltend zu machen, angeblich gegenüber der Wirtschaft der schwächere Part.
So gesehen gleichen wir mit dieser Verbandsklage und mit Qualifizierten Einrichtungen, die ein hohes Maß an Transparenz, an Wissen, an Know-how
haben, genau das aus. Und wenn wir einige ex lege schon jetzt dazu befugen, geht es natürlich darum, dass wir mit dieser Verbandsklage auch loslegen wollen.
Ganz wichtig ist auch, dass wir ein neues Instrumentarium schaffen, nämlich das Instrumentarium, nicht nur eine Unterlassungsmöglichkeit einzuklagen – wie zum Beispiel bei Klauseln, die nicht passen –, sondern ganz einfach auch zum Beispiel direkt Schadenersatz durch die Verbandsklage auf Abhilfe neu machen. Da können sich eben 50 Personen durch ein Opt-in-System an dieser Klage beteiligen. Sie können das nicht nur bei Einbringen der Klage tun, sondern noch drei Monate danach. Auch damit haben wir, glaube ich, eine gute Lösung gefunden, denn alle diese Klagen – wenn es die ersten Verbandsklagen in Österreich geben wird – werden dann wahrscheinlich mit großer, auch medialer Begleitung durchgeführt werden.
Ich denke, wir haben eine gute – sehr gute! –, saubere und vor allem eine prozesstechnisch gute, ordentliche Lösung bei der Transformation geschaffen. – Danke noch einmal allen Mitwirkenden. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Disoski und Fischer.)
13.51
Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun die Frau Bundesministerin für Justiz. – Bitte schön, Frau Doktor.
Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren Abgeordnete! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Ich würde sagen, der heutige Tag ist ein guter Tag für die österreichischen Verbraucher:innen, denn wir haben nun die Möglichkeit, hier im Hohen Haus über ein Gesetz abzustimmen, das es den Verbrauchern endlich leichter macht, ihre Rechte gegenüber Konzernen durchzusetzen.
Die Ausschussvorsitzende Steinacker hat es schon erwähnt: Das war nicht so einfach, sonst hätten wir es längst umgesetzt – eine Verbandsklage wurde ja seit Jahrzehnten gefordert, weil Verbraucherinnen und Verbraucher schon seit Jahrzehnten darüber klagen, dass es allein sehr schwierig ist, ihre Rechte gegenüber großen Unternehmen durchzufechten. Ja, da finden sich unterschiedliche Interessen auf unterschiedlichen Seiten, und die haben wir, glaube ich, in einer guten Kompromisslösung miteinander vereint. Ja, alles, was lange währt, wird dann gut: Ich glaube, dass wir hier wirklich eine gute Lösung geschaffen haben. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Salzmann.)
Warum ist es denn für die Verbraucher und Verbraucherinnen schwieriger, sich vor Gericht gegenüber Konzernen durchzusetzen oder überhaupt zur Wehr zu setzen? – Erstens liegt es an der finanziellen Natur der Sache: Sehr oft haben Unternehmer:innen wesentlich mehr Ressourcen zur Verfügung, um Ansprüche durchzusetzen oder auch zu verteidigen, außerdem haben sehr viele auch spezialisierte Rechtsabteilungen; all das macht es für Verbraucherinnen und Verbraucher schwierig, ihr faktisches Recht durchzusetzen. Sehr oft ist es in der Vergangenheit passiert, dass sich viele gedacht haben: Ist egal, ich gehe nicht den Weg zum Gericht. – Genau aus diesem Grund ist das, was wir heute – hoffentlich mit einer breiten Zustimmung – beschließen, ein Meilenstein im Sinne der Verbraucher:innen. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Salzmann.)
Manchmal reicht es nicht, nur einfach das Recht zu haben, es braucht auch ordentliche Prozessregelungen, um dieses Recht durchzusetzen.
Was bedeutet das konkret? Ich werde ein paar Punkte nennen, aus denen sich herleiten lässt, warum unsere Regelung wirklich gut ist, auch dem Vergleich mit Deutschland durchaus standhält – weil hier in manchen Reden hervorgekommen ist, Deutschland hätte das wesentlich besser umgesetzt. Das meine ich nicht, denn ich finde, die Regelung, die wir getroffen haben, ist eine gute Regelung.
Was das minimierte Prozessrisiko für Verbraucher:innen betrifft, möchte ich erwähnen, dass die Träger:innen der Verbandsklage sogenannte Qualifizierte Einrichtungen sind. Erstens gibt es ja bereits etablierte Organisationen, die Qualifizierte Einrichtungen sind – die wurden ja schon genannt: Arbeiterkammer, Verein für Konsumenteninformation, Wirtschaftskammer –, aber es ist jetzt auch möglich, dass der Kartellanwalt bei Vorliegen strenger Voraussetzungen eine Organisation zu einer Qualifizierten Einrichtung erheben kann, weil sie die Voraussetzungen erfüllt, weil sie sich bereits mit Verbraucherinnen und Verbrauchern auseinandergesetzt hat und weil sie bereits etabliert ist. Das halte ich für wichtig, weil es sehr, sehr viele Organisationen gibt, die großartige Arbeit im Sinne der Verbraucher:innen machen.
Außerdem – der zweite wichtige Punkt – Prozessfinanzierung: Ich weiß, dass Prozessfinanzierung zum Teil auch umstritten ist, aber ich halte sie in diesem Bereich für besonders wichtig. Warum meine ich das? – Weil wir auch gesehen haben, dass sich in Deutschland mit dieser strengen Regelung kaum Prozessfinanzierer finden und somit auch in der Kommission das Gerücht umgeht, dass die Verbandsklage in Deutschland leider nicht so gut funktioniert, wie sich das die Kommission vorgestellt hat. Aus diesem Grund bin ich der Meinung, dass es so, wie wir sie umgesetzt haben, auch richtig ist. (Beifall bei den Grünen.)
Eine technische Sache möchte ich hervorheben, weil das mir auch als Juristin wichtig ist: Es gibt zwei Typen von Klagen: Klagen auf Unterlassung und Klagen auf Abhilfe. Die Unterlassungsklage richtet sich gegen rechtswidrige Verhaltensweisen von Konzernen, wenn zum Beispiel kollektive Interessen von Verbraucher:innen beeinträchtigt sind. In der Praxis betrifft das sehr häufig Klagen wegen benachteiligender Klauseln in AGBs, und für diese Klage auf Unterlassung reicht es auch, wenn sich nur ein betroffener Verbraucher findet.
Dann gibt es die Verbandsklage auf Abhilfe – das ist die klassische Variante, bei der es um Schadenersatzforderungen geht, Preisminderung, Reparatur –: Ja, da wird man 50 Verbraucher, die geschädigt worden sind, finden müssen, aber
wenn man an die großen Skandale denkt – VW-Skandal, falsche Brustimplantate, aber auch geschädigte Anleger –, dann sieht man, dass diese Zahl sehr leicht erreicht werden kann.
Ein weiterer Punkt ist uns gelungen, der auch einem Vergleich mit Deutschland, finde ich, standhält, bei dem wir im Vergleich zu Deutschland wesentlich besser dran sind, das ist, dass wir einen zentrierten Gerichtsstand haben. Nun können alle Klagen beim Handelsgericht Wien eingebracht werden. Das erleichtert das Finden von Verbrauchern und Verbraucherinnen, und andererseits vermeiden wir, dass über Österreich verteilt die Gerichte zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Das halte ich für einen sehr wichtigen Punkt, und ich freue mich, dass es gelungen ist, dass wir einen zentrierten, einheitlichen Gerichtsstand haben.
Weiters sind Verbandsklagen natürlich auf das gesamte österreichische Zivilrecht anwendbar und nicht nur auf vorgegebene Bereiche, das ist uns auch im Sinne der Rechtssicherheit besonders wichtig gewesen.
Ich glaube, dass wir mit dieser Umsetzung der Verbandsklage wirklich eine wichtige Errungenschaft für die Verbraucherinnen und Verbraucher erreichen, denn wie bereits gesagt: In einem Rechtsstaat reicht es nicht, das Recht zu haben, man muss es auch durchsetzen können. – Vielen Dank. (Beifall und Bravoruf bei den Grünen.)
13.58
Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächste Rednerin ist Frau Mag. Agnes Sirkka Prammer. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.
Abgeordnete Mag. Agnes Sirkka Prammer (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Ich glaube, ich brauche jetzt nicht noch einmal zu erzählen, was die Verbandsklagenrichtlinie alles kann und was die Neuerungen sind, denn wir haben jetzt ausführlich gehört, dass es wirklich
eine sehr, sehr gute, eine sehr, sehr ausgewogene Regelung ist, ich möchte aber schon noch einmal betonen, dass es nicht notwendig ist, sich davor zu fürchten.
Es ist wirklich nicht notwendig, sich davor zu fürchten, dass Menschen ihre Rechte geltend machen, denn das ist niemals eine böse Absicht, sondern es trägt immer dazu bei, Klarheit zu schaffen – Klarheit immer auf beiden Seiten –, und es ist schon wichtig, zu betonen, dass die Klarheit, die Rechtssicherheit auf beiden Seiten eintritt.
Bei einem Rechtsstreit gibt es immer zwei gleichrangige Rechtsmeinungen, aber es gibt oftmals keine zwei gleich starken Prozessparteien, und das ist das Element, bei dem wir hier mit der Verbandsklage eingreifen und das die Verbandsklage unterstützt: Es soll eine Gleichheit, eine Gleichwertigkeit nicht nur der zwei sich gegenüberstehenden Rechtsmeinungen geben, sondern sie soll auch eine Waffengleichheit, eine Kräftegleichheit bei den Prozessparteien bewirken.
Deshalb ist dieses Mittel auch notwendig, weil es eben in vielen Fällen viele kleine Verfahren sind, die gemeinsam geklärt werden sollen, und viele kleine Ansprüche, die vermeintlich vielleicht im Einzelfall unwichtig sind, die aber doch große Fragen klären sollen. Das ist ein wesentlicher Punkt, warum die Verbandsklage wichtig ist und warum sie ein wichtiges Instrument des Rechtsstaats in seiner Gesamtheit ist.
Deshalb noch einmal mein Appell: Fürchtet euch nicht, wir haben hier wirklich ein gutes Instrument geschaffen. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)
14.00
Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist MMMag.a Gertraud Salzmann. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.
14.00
Abgeordnete MMMag. Gertraud Salzmann (ÖVP): Herzlichen Dank, Herr Präsident, für die Worterteilung. – Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste, die Sie hier im Haus dieser Debatte folgen, und liebe Zuseher und Zuseherinnen vor den Fernsehbildschirmen daheim! Wir haben jetzt schon von einigen Rednerinnen und Rednern gehört, es geht um eine ganz wichtige Gesetzesvorlage, mit der wir jetzt die Verbandsklagenrichtlinie der EU umsetzen.
Warum ist diese Gesetzesvorlage so wichtig, meine Damen und Herren? – Wir alle sind in gewisser Hinsicht Verbraucherinnen und Verbraucher. Als Verbraucherinnen und Verbraucher sind wir halt in der Rechtskette oft einmal eher hinten angereiht. Daher ist es so wichtig, dass wir die Verbraucherinnen und Verbraucher mit guten Rechten ausstatten, aber nicht nur mit guten Rechten, sondern auch mit einem guten prozessualen Wesen, damit diese Rechte wirklich gut, sinnvoll und konstruktiv umgesetzt werden können. Das haben wir mit dieser Verbandsklagen-Richtlinie-Umsetzungs-Novelle sichergestellt.
Jetzt schaue ich in eure Richtung, liebe Kolleginnen und Kollegen aus der SPÖ: Gebt euch doch einen Ruck und stimmt mit! Was kann denn dagegen sprechen, dass wir diese Verbandsklagenrichtlinie jetzt auch in unser österreichisches Recht umsetzen, dass wir wirksame prozessuale Mittel zur Verfügung stellen, um diese unerlaubten Praktiken zu beenden, die immer wieder vorherrschend sind? (Beifall bei der ÖVP.)
Wir wollen gemeinsam die Rechte der Verbraucherinnen und Verbraucher stärken. Wir wollen, dass die Interessen der großen Zahl von Verbraucherinnen und Verbrauchern weniger geschädigt und weniger bedroht werden.
Bereits jetzt können Qualifizierte Einrichtungen Verbandsklagen erheben, um Verstöße gegen Unionsrecht wirklich zu unterbinden. Wir haben diese Möglichkeit mit der Unterlassungsklage. Jetzt fügen wir aber noch die Möglichkeit
einer ganz wesentlichen Klage hinzu, nämlich jene der sogenannten Klage auf Abhilfe. Das, meine Damen und Herren, ist neu und das ist auch wichtig. Die Zahl 50 – 50 Verbraucherinnen und Verbraucher mit einem gemeinsamen Interesse braucht es, damit eine Qualifizierte Einrichtung diese Verbandsklage auf Abhilfe einbringen kann –, diese Zahl 50 wird nicht der Stolperstein sein.
Ich sehe das Positive darin und das müssen wir voranstellen: Es ist jetzt möglich, eine gemeinsame Klage auf Schadenersatz, aber zum Beispiel auch auf Schmerzensgeld durch eine Qualifizierte Einrichtung einzubringen. Ja, und die Qualifizierte Einrichtung, das ist nicht irgendeine, dazu ist der Bundeskartellanwalt berufen, der die Einhaltung der Kriterien und die Zulassungsmöglichkeit prüft. Ex lege haben wir zum Beispiel die Wirtschaftskammer oder die Arbeiterkammer.
Meine Damen und Herren, das ist eine ganz wesentliche Stärkung der Verbraucherinnen- und Verbraucherrechte. Ich verstehe nicht, dass sich eine Fraktion hier herinnen einer Besserstellung und einer rechtlichen Absicherung der Verbraucherinnen und Verbraucher verschließt. Das kann ich nicht verstehen, denn wir stärken hier ganz bewusst und ganz klar die Rechte aller Verbraucherinnen und Verbraucher.
Meine Damen und Herren! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich bitte zum Schluss noch ein paar persönliche Worte an unsere Justizsprecherin Michaela Steinacker aus meinem Klub, der Volkspartei, richten!
Liebe Michaela, du hast über viele Jahre das Justizwesen, die Gesetzentwürfe, die Gesetzesthemen, die in den letzten Jahren vorangetrieben wurden, extrem stark begleitet. Du hast viele Verhandlungen mit unterschiedlichen Ministerinnen und Ministern, mit unterschiedlichen Koalitionspartnern geführt. Du hast dich wie kaum eine andere in diesen Bereich eingearbeitet und hast mit Herzblut da ganz viel weitergebracht.
Stellvertretend für alle bedanke ich mich an dieser Stelle für dein großes Engagement, und ich hoffe sehr, dass wir auf das ganze Wissen, das du dir in der Genese von vielen Gesetzen angeeignet hast, immer wieder auch zurückgreifen können. Vielen Dank für alles, was du hier eingebracht hast. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ, Grünen und NEOS.)
Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.
Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.
Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 2602 der Beilagen.
Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mehrheitlich angenommen.
Wir kommen zur dritten Lesung.
Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Evaluierung der Umsetzung der Verbandsklagen-Richtlinie-Umsetzungs-Novelle-VRUN bis zum 31. Dezember 2026“.
Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.
10. Punkt
Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (2606 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Grundbuchsumstellungsgesetz, das Rechtspflegergesetz und das Außerstreitgesetz geändert werden (Grundbuchs-Novelle 2024 – GB-Nov 2024) (2617 d.B.)
Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir kommen zum 10. Punkt der Tagesordnung.
Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.
Als Erster zu Wort gemeldet ist MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.
Abgeordneter MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Das Grundbuchsrecht gilt selbst unter den Praktikerinnen und Praktikern als eine sehr spröde technische Materie, daher die Frage: Warum ist das jetzt eine Rede wert? – Ganz konkret geht es da um eine Novelle, die durch eine Entscheidung des EGMR im April 2021 ausgelöst wurde, woraufhin der Oberste Gerichtshof eigentlich schon im März 2022 einen Lückenschluss vorgenommen hat. Trotzdem haben sich die Regierungsparteien entschlossen, eine ausdrückliche gesetzliche Regelung zu treffen.
Es geht um einen Konflikt zwischen dem Recht auf Schutz der Daten des Privat- und Familienlebens auf der einen Seite und der Publizität des Grundbuchs auf der anderen Seite, insbesondere der Urkundensammlung des Grundbuchs. Die gesetzliche Regelung sieht jetzt ein Verfahren vor, dass die Einsicht in die Urkundensammlung auf Antrag eingeschränkt werden kann. Die Antragstellerin, der Antragsteller hat ein berechtigtes Interesse darzulegen und allenfalls auch schon eine geschwärzte Urkunde – wir kennen das aus Untersuchungsausschüssen – beizulegen.
Dieser Antrag wird nicht durch die Rechtspflegerin, den Rechtspfleger, sondern durch die Richterin, den Richter entschieden. Zwischenzeitig ist die Einsicht in die ungeschwärzte Urkunde zu sperren. Als Ergebnis kann dem Antrag entweder zur Gänze oder teilweise stattgegeben werden oder er kann abgelehnt werden. Bei Gericht wird dann im Umfang der Stattgebung eine Urkunde wieder separat geschwärzt, oder der Antragsteller, die Antragstellerin wird aufgefordert, selber eine Urkunde zu schwärzen.
Das ist natürlich ein ordentlicher Aufwand, der da bei Gericht anfällt. Die Wirkungsfolgenabschätzung geht davon aus, dass das nur ein geringer Teil von Personen, die Grundbuchsanträge stellen, in Anspruch nehmen wird und eine Mehrbelastung im Umfang von insgesamt drei richterlichen Planstellen verursachen wird.
Wenn man sich aber die Stellungnahmen im Begutachtungsverfahren anschaut, der Praktikerinnen und Praktiker, nämlich auf der einen Seite der Richtervereinigung und auf der anderen Seite des Örak, des Österreichischen Rechtsanwaltskammertags, dann geht bereits daraus hervor, dass aus Gründen der anwaltlichen Vorsicht praktisch bei jeder Urkunde, die dem Grundbuch vorgelegt werden wird, die Beratung darauf hinauslaufen wird, diesen Antrag zu stellen – dieser Antrag ist ja gebührenfrei, es schadet nichts –, weil praktisch in jeder Urkunde Daten des Privat- und Familienlebens enthalten sind. Solche Daten sind ja bereits ein Verwandtschaftsverhältnis, das sich aus den Beträgen für Grunderwerbsteuer und Grundbucheintragungsgebühr ergibt. Solch persönliche Daten können auch die Art der Aufbringung des Kaufpreises sein: aus einem Darlehen oder aus Eigenmitteln.
Überhaupt ist die Frage, was Daten des Privat- und Familienlebens sind, sehr unklar geregelt. Es hätte andere Möglichkeiten gegeben, dem zu begegnen, wenn man schon eine gesetzliche Regelung machen will. Die Mehrbelastung wird von den Regierungsparteien heruntergespielt, aber diese Mehrbelastung wird stattfinden und sie wird zu Verfahrensverzögerungen führen.
Wir sehen das in diesem Fall so wie die Betroffenen, und deswegen lehnen wir diese Novelle ab. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)
14.09
Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächste Rednerin ist Mag.a Agnes Sirkka Prammer. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.
Abgeordnete Mag. Agnes Sirkka Prammer (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Ministerin! Wenn man sich in Österreich einvernehmlich scheiden lassen will, dann muss man einen Vergleich schließen, in dem man bestimmte Dinge regelt. Dazu gehört, wie man das Vermögen aufteilt, wie man die Obsorge über die Kinder regelt, wo die Kinder wohnen sollen und wer für sie sorgen soll. All das ist Inhalt eines Scheidungsvergleiches. Wenn man Vermögen hat, vor allem, wenn man Liegenschaften hat, dann muss man – damit man diese Regelungen dann in die Wirklichkeit umsetzen kann, wenn man sich darauf einigt, dass der eine dieses Grundstück und der andere jenes Grundstück bekommt – diese Grundstücke oder diese Vorgänge ins Grundbuch eintragen lassen, denn nur so kriegt man dann das alleinige Eigentum an den jeweiligen Dingen, wie man es sich ausgemacht hat.
Als Grundlage für diese Eintragung – so sieht es das Grundbuchsrecht vor – muss ich immer den Vertrag vorlegen, aus dem sich diese Rechteübertragung ergibt. Wenn ich also in einem Vertrag vereinbare, dass das Grundstück von Person A an Person B geht, dann muss ich diesen Vertrag vorlegen. Wenn die Grundlage dieser Scheidungsvergleich ist, muss ich den Scheidungsvergleich beim Grundbuch vorlegen. Beim Grundbuch lege ich ihn nicht einfach nur vor, damit es der Rechtspfleger oder der Richter sieht, sondern der kommt dann in die Urkundensammlung und ist dort für jedermann ohne irgendwelche Voraussetzungen einsehbar – und das ist eine gute Lösung, das ist wichtig und richtig, denn jeder soll sich über die Richtigkeit des Standes des Grundbuchs
Informationen beschaffen können und soll sich über die Vorgänge Informationen beschaffen können.
Da sieht man diesen Interessenkonflikt, mit dem sich der EGMR zu beschäftigen hatte. Ist es wirklich in jedem Fall zulässig, dass diese Urkunden in ihrer Gesamtheit der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, sodass sich die Öffentlichkeit immer über sämtliche privatesten Vorgänge der jeweiligen Vertragspartner informieren kann? – Der EGMR hat ganz klar gesagt: Nein, ist es nicht.
Was wir jetzt gemacht haben, ist, dass wir diese Interessenabwägung – in welchen Fällen ist es notwendig und richtig, dass die gesamte Urkunde vorliegt, und in welchen Fällen ist es notwendig und richtig, dass man gewisse höchstpersönliche Informationen nicht der Öffentlichkeit zugänglich machen kann? – gesetzlich geregelt haben.
Ich denke, das ist eine gute Lösung, dass wir das so ins Gesetz geschrieben haben, und ich denke auch, dass sich der Aufwand, der sich daraus ergibt, in Grenzen halten wird, denn es wird sehr schnell eine Rechtsprechung dazu geben, in welchen Fällen die Privathaltungsinteressen überwiegen und in welchen Fällen die Veröffentlichungsinteressen überwiegen. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Kugler.)
14.13
Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Mag. Harald Stefan. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.
Abgeordneter Mag. Harald Stefan (FPÖ): Sehr geehrte Frau Bundesminister! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! An sich haben alle Vorredner bis zu einem gewissen Grad recht. Auch Kollege Arlamovsky hat natürlich recht, dass das Ganze zu einem Mehraufwand führen wird, wenn man jetzt zwei Urkunden – möglicherweise als Vertragserrichter – vorbereiten
oder errichten muss, nämlich eine, in der alles drinnen steht, und eine zweite, reduzierte Urkunde, in der sensible Daten nicht erfasst sind. – Das ist richtig.
Auf der anderen Seite ist das nun einmal ein Anspruch, den die Menschen haben: dass ihre Daten nicht öffentlich einsehbar sind. Das Grundbuch ist öffentlich einsehbar, jeder kann sich die Urkunden anschauen und daher ist es richtig, dass wir das für die Bevölkerung so umsetzen. Wenn wir dadurch mehr Aufwand haben – wir als Vertragserrichter oder auch die Gerichte –, dann ist das halt einmal notwendig.
Es ist bei vielen Dingen so, dass wir einen großen Aufwand für etwas treiben, weil wir der Ansicht sind, dass das einfach sachlich gerechtfertigt ist, und so ist es auch dabei. Wir werden das daher unterstützen und es wird sich sicherlich auch so wie vieles einspielen, daher ist es eine richtige Novelle und dem werden wir beitreten.
Da ich heute einmal ausnahmsweise genug Redezeit habe, darf ich mir auch erlauben, mich noch einmal bei Frau Kollegin Steinacker zu bedanken – ich habe es schon im Ausschuss gemacht, aber ich wollte es auch hier nicht übergehen –: Vielen Dank für die tolle Zusammenarbeit, die du in den letzten, vielen Jahren als Ausschussvorsitzende gewährleistet hast! Du hast aus unserer Sicht immer völlig objektiv agiert, mehr kann man sich von einer Vorsitzenden nicht wünschen. Daher wünsche ich dir alles Gute, wenn du aus dem Parlament ausscheidest. Wir wissen alle: Du hast Gott sei Dank viele andere Dinge, die dir auch Freude machen – alles Gute für die Zukunft! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)
14.15
Präsident Ing. Norbert Hofer: Frau Dr.in Gudrun Kugler gelangt nun zu Wort. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.
Abgeordnete Dr. Gudrun Kugler (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Kolleginnen und Kollegen! Es wurde schon sehr viel gesagt –
einerseits über das Bundesgesetz, das wir beschließen, andererseits auch Dank an unsere Justizsprecherin Michaela Steinacker. Ich kann mich überall anschließen.
Was wir heute tun, ist: Wir stellen Konformität her, Menschenrechtskonformität im Bereich Urkundensammlung, Grundbuch, das Recht auf Achtung der Privatsphäre und des Familienlebens – das ist wichtig –, und, lieber Herr Kollege Arlamovsky, Aufwand ist sicher richtig, aber ist natürlich kein Argument, wenn es darum geht, Menschenrechtskonformität herzustellen.
Es wurde dazu eigentlich alles gesagt, darum bleibt nicht mehr viel zu sagen, nur mehr, dass ich noch einmal auf die Wirkungsfolgenanalyse der Ministerien hinweisen möchte, denn darin heißt es: Einerseits erwartet man, dass eine sehr geringe Anzahl von Personen diese Möglichkeit überhaupt in Anspruch nehmen wird – im ersten Jahr ein bisschen mehr, dann werden es weniger, bis 2028 rund 200 Personen. Andererseits gibt es bereits die Möglichkeit, in einem gewissen Bereich solche eigens angefertigten Urkunden machen zu lassen, das machen auch nicht sehr viele Leute. – So kommt die Wirkungsfolgenanalyse darauf, dass der Aufwand, 300 000 Euro Mehrkosten, überschaubar ist und dass diese Mehrkosten von den Auszahlungsobergrenzen des Bundesfinanzrahmengesetzes gedeckt werden können. In diesem Sinne, glaube ich, müssen wir diese Sorgen nicht haben. Man muss diese Situation natürlich beobachten.
Wichtig ist aber eines: Wenn es um Menschenrechtskonformität geht, dann darf das auch etwas kosten. Es geht dabei um Schutzwürdigkeit, um Achtung von Privat- und Familienleben, das stellen wir heute durch dieses Bundesgesetz her, und ich freue mich, dass wir es mit einer großen Mehrheit beschließen werden. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)
Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.
Die Frau Berichterstatterin wünscht offenbar kein Schlusswort.
Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 2606 der Beilagen.
Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mehrheitlich angenommen.
Wir kommen zur dritten Lesung.
Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.
Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (2556 d.B.): Bundesgesetz über die Veröffentlichung länderbezogener Ertragsteuerinformationsberichte (CBCR-Veröffentlichungsgesetz – CBCR-VG) (2618 d.B.)
Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir kommen bereits zum 11. Punkt der Tagesordnung.
Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.
Zu Wort gemeldet ist Mag. Nina Tomaselli. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.
Abgeordnete Mag. Nina Tomaselli (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Sie wissen ja und sehen das bestimmt nicht anders als ich: Unser System fußt auf Fairness und Solidarität und wir haben uns Regeln gegeben, die für alle gelten. Zu diesen Regeln gehört, dass der Staat die Aufgabe hat, für gute Bildung, Forschung, Sicherheit, Gesundheit, Pflege und Infrastruktur für die Bürgerinnen und Bürger
zu sorgen. Auf der anderen Seite gehört es aber auch zu diesen Regeln, dass dafür alle einen Beitrag zur Gemeinschaftskassa leisten, und zwar in der Höhe der eigenen Leistungsfähigkeit.
Deshalb ist es meiner Meinung nach nur nachvollziehbar, wenn sich Bürgerinnen und Bürger ärgern, wenn sie hören, dass sich Superreiche und Konzerne über die Regeln aller stellen und weniger Steuern zahlen als jedes einzelne Wiener Kaffeehaus, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Es gehört gewissermaßen zum Geschäftsmodell vieler Angehöriger dieser Gruppe, Steuerzahlungen zu vermeiden. Zur Wahrheit gehört aber auch, zu sagen, dass diese Superreichen und Konzerne Strukturen vorfinden, die ihnen das besonders einfach machen – das müssen wir ändern, denn die internationale Steuerpiraterie kostet richtig viel Geld; das kostet 1,3 Milliarden Euro in Österreich. Damit wir eine Größenordnung haben: Das entspricht ziemlich genau der Höhe des Gemeindepaketes, das wir vor zwei Tagen beschlossen haben – und in jeder einzelnen Sitzung beklagt sich irgendjemand hier herinnen über zu hohe Lohnnebenkosten.
Ich verrate Ihnen etwas: Das wird sich nicht bessern, wenn wir nicht jene zwingen, die eh von allem genug haben, die eh von allem zu viel haben, einen fairen Beitrag zu leisten. (Beifall bei den Grünen.)
Und ja, es ist meiner Meinung nach die Pflicht der Politik, gegenüber den Konzernen ein neues Selbstbewusstsein zu zeigen. Es ist deshalb nur recht, dass mit der vorliegenden Gesetzesvorlage festgelegt wird, dass transparent wird, wo Konzerne Umsatzerlöse erzielen, wo die Steuern entrichtet werden, und damit auch die Frage beantwortet wird: Werden Gewinne in Niedrigststeuerländer verschoben? Die sogenannten Ertragsteuerinformationen machen zukünftig transparent, in welchen Territorien Gewinne erzielt werden, ob in den Niederlanden, in Nang-Pu oder in Österreich. Das alles wird öffentlich abrufbar. Transparenz ist der erste Weg zur Besserung in Richtung Steuerehrlichkeit für
Konzerne. – Danke schön. (Beifall bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Obernosterer: Da klatschen ja nicht einmal die Eigenen!)
14.21
Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Mag.a Ruth Becher. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.
Abgeordnete Mag. Ruth Becher (SPÖ): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Ökonom Piketty hat schon sehr treffend darauf hingewiesen, dass im Jahr 1970 die reichsten Menschen mehr als die Hälfte ihres Einkommens an Steuern abgeführt haben. Das ist immerhin doppelt so viel, wie die Durchschnittsverdiener damals hatten. Heute haben Milliardäre zum Teil einen niedrigeren Einkommensteuersatz als ihre Sekretärinnen.
Daher braucht es endlich gerechte Gesetze mit Bezug auf Steuern und große Vermögen. Dabei ist von dieser Bundesregierung keine Hilfe zu erwarten. Umso erfreulicher ist aber das vorliegende Gesetz, das die Bundesregierung umsetzen muss, weil es eine EU-Richtlinie ist. Das ist eine Maßnahme, die zwar keine höhere Besteuerung von Kapitalerträgen vorsieht, aber zumindest ein wenig mehr Transparenz in Bezug auf Kapitalgesellschaften bringen wird.
Konkret müssen Konzerne jenseits von 750 Millionen Euro Umsatz im Jahr jetzt einen Endbericht veröffentlichen. Dadurch bekommen wir in Österreich mehr Einblick, was von Österreich an Geld ins EU-Ausland geschleust wird, um dort durch Steuertricks gar nicht oder nur sehr gering besteuert zu werden.
Kurzum: Das vorliegende Gesetz ist ein Beitrag zu mehr Transparenz und daher völlig zu begrüßen. Es steht am Anfang einer Umverteilungsdebatte, die hier in diesem Haus zu führen ist, bevor sie woanders oder auf der Straße geführt wird. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)
14.23
Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun MMag. DDr. Hubert Fuchs. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.
Abgeordneter MMag. DDr. Hubert Fuchs (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Justizministerin! Hohes Haus! Die Erhöhung der Steuertransparenz ist ein wichtiger Schritt hin zur Steuergerechtigkeit. Daher war die Einführung des Verrechnungspreisdokumentationsgesetzes im Jahr 2016 ein begrüßenswerter Schritt in die richtige Richtung.
Das Verrechnungspreisdokumentationsgesetz hat jedoch zwei gravierende Mängel. Zum einen ist die jährliche Konzernumsatzgrenze von 750 Millionen Euro zu hoch und zum anderen fehlt es diesem Gesetz an einer öffentlichen Publizitätsverpflichtung der länderbezogenen Berichterstattung. Dieser zweite Mangel wird nunmehr mit dem Bundesgesetz über die Veröffentlichung länderbezogener Ertragsteuerinformationsberichte saniert, und daher werden wir diesem Gesetz auch unsere Zustimmung erteilen.
Bis dato wurden die länderbezogenen Ertragsteuerinformationsberichte nur den Steuerbehörden zugänglich gemacht, aber nicht der breiten Öffentlichkeit. Die nunmehrige öffentliche Publizitätsverpflichtung wird das Vertrauen der kleinen und mittleren Unternehmen, aber auch der Arbeitnehmer in das nationale Steuersystem stärken. Jeder Staatsbürger sollte sehen können, wo die multinationalen Großkonzerne ihre Steuern zahlen, und vor allem, wie viel Steuer sie zahlen. (Beifall bei der FPÖ.)
Ich habe vollstes Vertrauen in die österreichische Finanzverwaltung, welche eine hervorragende Arbeit leistet. Manchmal benötigen multinationale Großkonzerne aber eben den Druck der breiten Öffentlichkeit, damit diese Großkonzerne die Gewinne auch dort versteuern, wo sie diese erwirtschaften.
Als nächster Schritt zu mehr Steuertransparenz von multinationalen Großkonzernen ist eine massive Senkung der jährlichen Konzernumsatzgrenze von
750 Millionen Euro erforderlich. Steuervermeidung und aggressive Steuerplanung gibt es selbstverständlich auch in multinationalen Großkonzernen mit weniger als 750 Millionen Euro Konzernjahresumsatz. Eine massive Reduktion der Konzernjahresumsatzgrenze würde sicherstellen, dass nicht nur 122 multinationale Großkonzerne zur länderbezogenen Berichterstattung in Österreich verpflichtet werden. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)
14.26
Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächste Rednerin ist Mag. Johanna Jachs. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.
Abgeordnete Mag. Johanna Jachs (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Stellen Sie sich vor: Sie gehen am Abend mit einer netten Runde in ein Haubenlokal essen, lassen es sich gut gehen, das Essen schmeckt. Zum Zahlen gehen Sie dann aber ins Wirtshaus ums Eck, weil dort die Portionen größer sind, es mindestens genauso gut schmeckt und Sie nur die Hälfte zahlen.
So oder so ähnlich machen es auch so manche Konzerne. Da werden auch Sie sagen, das geht nicht, das darf nicht so sein. Darum ist es gut, dass wir heute die EU-Richtlinie umsetzen.
Es geht also darum, dass einige Konzerne, wie es meine Vorrednerinnen und Vorredner gesagt haben, die Vorteile Österreichs, aber vor allem auch die des EU-Binnenmarktes nutzen und ihre Umsatzerlöse, wenn es dann um die Steuern geht, in andere Länder verschieben.
Wir wollen also gegen die Steuervermeidungspolitik vorgehen. Ich möchte an dieser Stelle betonen, dass es schon ganz wichtig ist, festzuhalten, dass es, wie wir gehört haben, keine KMUs und auch fast keine größeren Unternehmen in Österreich betreffen wird. Es ist nämlich ganz wichtig, dass unsere KMUs, die
der Motor unserer Wirtschaft sind, nicht weiter mit Bürokratie überladen werden.
Wir haben die Zahlen gehört: Es betrifft wahrscheinlich nur 0,01 Prozent der in Österreich ansässigen Unternehmen, weil eben Unternehmen nur dann zur Berichtspflicht kommen, wenn sie in den letzten beiden Geschäftsjahren einen Umsatzerlös von mehr als 750 Millionen Euro erzielen. Dann müssen sie eben den Bericht beim Firmenbuch einreichen.
Das heißt auf gut Deutsch, dass die Öffentlichkeit jetzt sieht, wo Unternehmen ihre Gewinne erzielen und wie viel Steuern sie wo zahlen. Das ist ganz wichtig, schafft einfach mehr Transparenz, mehr Vergleichbarkeit in Europa und führt à la longue zu mehr Steuerehrlichkeit.
Ein Wort noch zur SPÖ: Ja, Steuerehrlichkeit ist auch uns ganz, ganz wichtig. Noch wichtiger ist aber, dass es keine neuen Steuern gibt. Dafür steht die Österreichische Volkspartei. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Scherak: 37 Jahre und eine Erkenntnis der ÖVP!)
14.28
Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer Stellungnahme: Frau Bundesministerin für Justiz Dr.in Zadić. – Bitte schön, Frau Bundesministerin.
Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Es geht um die Ertragsteuerinformationsberichte oder einfacher gesagt um das Country-by-Country-Reporting.
Letzen Endes: Das Wichtige bei dieser Umsetzung einer Richtlinie ist die Transparenz der Tätigkeit multinationaler Konzerne. Warum ist das wichtig? – Weil es wichtig ist, dass die Gewinnerwirtschaftung internationaler Unternehmen nachvollziehbarer wird, weil zum Teil – und das wurde von den Vorrednerinnen und Vorrednern bereits ausgeführt – schwer nachvollziehbar ist, wo manche
Unternehmen oder großen Konzerne ihre Gewinne erwirtschaften, wo sie Steuern zahlen.
Wenn wir das nicht wissen, dann verhindert das meines Erachtens eine ernsthafte demokratische Debatte und auch eine öffentliche Auseinandersetzung mit Steuertricks und Steuerehrlichkeit.
Genau deswegen ist es auch wichtig, dass es diesbezüglich Transparenz gibt – denn wenn etwas transparent und zugänglich ist, dann kann man auch darüber reden. Jeder und jede soll einen fairen Anteil an Steuern in diesem Land zahlen. Viele Klein- und Mittelbetriebe tun das in Österreich, aber es gibt auch einige große Konzerne, die eben ihre Gewinne anderswohin verschieben. Genau deswegen braucht es strengere Berichtspflichten für multinationale Konzerne, um eben ganz klar zu zeigen, in welchem Land verdient wird und wie viel an Steuern – konkret Ertragsteuern – in diesem Land gezahlt werden. Das ermöglicht eine transparente Debatte.
Ja, jedes Gesetz braucht auch Zähne. Das bedeutet, dass hinter solch einem Gesetz auch Strafen stehen müssen. Genau deswegen haben wir da zwei Straftypen vorgesehen.
Einerseits sind das Zwangsstrafen, wenn nichts offengelegt wird. Diese Strafen können auch wiederholt verhängt werden. Für mittelgroße Kapitalgesellschaften würde das ab der dritten Zwangsstrafe 20 000 Euro bedeuten, bei großen Kapitalgesellschaften ab der dritten Zwangsstrafe 50 000 Euro und sogar bis zu 100 000 Euro, wenn es Unternehmen von öffentlichem Interesse sind.
Erstmals haben wir Ordnungsstrafen vorgesehen. Das kennt unser Gesetz noch nicht, aber es ist wichtig, dass das da drinsteht, denn es ist auch wichtig, dass bei dem, was berichtet wird, Ehrlichkeit herrscht. Genau deswegen gibt es zum ersten Mal für falsche Eingaben auch eine Strafe von bis zu 20 000 Euro. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Ottenschläger.)
Ich glaube, dass wir damit einen ersten wichtigen Schritt für mehr Transparenz im Kampf gegen Steuervermeidung und aggressive Steuerplanung setzen können, und ich hoffe wirklich, dass dieses Gesetz auf breite Zustimmung stößt. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen.)
14.31
Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Mag. Gerald Loacker. – Bitte schön, Herr Abgeordneter. (Ruf bei den Grünen: ... 400. Rede!)
Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Dieses Gesetz ist ein Teil des Pakets rund um die internationale Übereinkunft zur Mindestbesteuerung. Natürlich ist es sinnvoll, dass das auch reportet wird. Ein guter Wettbewerb braucht faire Bedingungen. Guter Wettbewerb von Unternehmen, die international tätig sind, braucht faire Bedingungen, die auch die Position der Klein- und Mittelbetriebe auf dem Markt stärken.
Es gilt aber immer auch die andere Seite zu sehen: Österreich ist ein Hochsteuerland. Zum Glück lässt die Richtlinie immer noch Steuerwettbewerb in einem gewissen Rahmen zu, weil steuerlicher Wettbewerb der Schutz der Kleinen davor ist, vom staatlichem Ungetüm ausgepresst zu werden wie eine Zitrone; das darf man nie vergessen.
Es geht ja bei den Informationen, die da veröffentlicht werden, nicht um die Steuerleistung alleine. Da werden weitere Informationen veröffentlicht, und das ist nicht ganz unheikel, weil möglicherweise Rückschlüsse auf die Wettbewerbssituation eines einzelnen Unternehmens möglich wären. Daher sind Ausnahmen erlaubt. Es gibt die Möglichkeit, sensible Zahlen, die für die Wettbewerbsposition eines Unternehmens relevant sind, nicht zu veröffentlichen oder zeitverzögert zu veröffentlichen – das ist entscheidend.
Die Umsetzung dieser Richtlinie wird in vier Jahren evaluiert – das haben die europäischen Liberalen in die Richtlinie hineinreklamiert –, um eine Folgenabschätzung dahin gehend zu machen, was die Umsetzung der Richtlinie für positive und negative Folgen gehabt hat.
Man hat nämlich bei den letzten Reden ein bisschen den Eindruck bekommen können, dass internationale Konzerne grundsätzlich etwas Böses wären. Das ist natürlich nicht der Fall. Die Bilanzen werden von Wirtschaftsprüfern geprüft. Die Gehälter in den internationalen Konzernen sind besser als die beim Kleinunternehmen ums Eck, das muss auch einmal klar gesagt werden. Österreich profitiert sehr von den Steuerleistungen großer Unternehmen. Da pauschal alle in den Verdacht der Steuerhinterziehung zu stellen wird der Sache bei Weitem nicht gerecht. (Beifall bei den NEOS.)
Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.
Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.
Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 2618 der Beilagen.
Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.
Wir kommen zur dritten Lesung.
Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist einstimmig. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.
12. Punkt
Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (2557 d.B.): Bundesgesetz, mit dem die Strafprozeßordnung 1975 geändert wird (2619 d.B.)
Präsident Ing. Norbert Hofer: Nun kommen wir zum 12. Punkt der Tagesordnung.
Es wurde auf eine mündliche Berichterstattung verzichtet.
Zu Wort gemeldet ist nun Mag.a Agnes Sirkka Prammer. – Bitte, Frau Abgeordnete.
Abgeordnete Mag. Agnes Sirkka Prammer (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Was wir jetzt zu beschließen haben, ist etwas, das nicht nur mir, sondern eigentlich uns allen schon sehr lange sehr am Herzen liegt. Es geht darum, dass in einem Strafverfahren, das der Staat gegen eine Person führt, eine bestmögliche Verteidigung gewährleistet sein muss.
Es ist ein Grundrecht, dass sich ein Beschuldigter in einem Strafverfahren verteidigen kann und verteidigen darf und dass er das so macht, dass es auch qualitätsvoll und richtig ist. Dafür braucht man in den meisten Fällen einen Strafverteidiger oder eine Strafverteidigerin. Das kostet natürlich Geld. Dieses Geld war bisher in Wirklichkeit immer in diese Verteidigung investiert. Es war meistens so, dass man zwar, wenn man freigesprochen worden ist, einen Teil davon zurückbekommen hat – dieses Recht hat es schon immer gegeben –, aber das war in den meisten Fällen mehr oder weniger ein Tropfen auf den heißen Stein. Es war ein bisschen ein symbolischer Betrag, den man bekommen hat, aber es hat bei Weitem nichts mit einem Kostenersatz, so wie es eigentlich im Gesetz formuliert war, zu tun gehabt. Genau das ändern wir jetzt. (Beifall bei den Grünen.)
Wir schaffen jetzt einen richtigen, einen echten, einen werthaltigen Verteidigungskostenersatz. Das ist ein ganz, ganz wichtiges Recht, denn der Staat muss wie gesagt seiner Pflicht, Straftaten zu verfolgen, nachkommen. Das führt dazu, dass Strafverfahren geführt werden – auch gegen Personen, bei denen sich dann am Ende des Verfahrens, wie es in einem Rechtsstaat üblich ist, herausstellen kann, dass sie die Straftat nicht begangen haben und die dann freigesprochen werden. Auch im Falle dieses Freispruchs sind aber wie gesagt die Kosten für den Anwalt, für den Verteidiger, für die Verteidigerin schon angefallen.
Wir haben diesen Kostenersatz so massiv erhöht, dass man jetzt im Falle einer Einstellung bis zu 6 000 Euro an Kosten für die Verteidigung zurückbekommen kann. Eine Einstellung bedeutet, dass das Verfahren gar nicht erst in eine Hauptverhandlung geht, gar nicht erst einmal vor den Richter kommt, sondern schon die Staatsanwaltschaft sagt: Da ist nichts dran, das muss man einstellen.
Wir haben eine Systematik aus der bestehenden Regelung übernommen. Es wird zwischen bezirksgerichtlichen Verfahren, Verfahren mit einem Einzelrichter des Landesgerichts und Schöffen- und Geschworenenverfahren unterschieden; so, wie es auch ungefähr der Höhe der strafrechtlichen Vorwürfe entspricht. In diesen Stufen haben wir den Verteidigungskostenersatz massiv erhöht. Man bekommt jetzt bis zu 5 000 Euro beim bezirksgerichtlichen Verfahren, bis zu 13 000 Euro bei einem Verfahren mit einem Einzelrichter und bis zu 30 0000 Euro bei Schöffen- und Geschworenenverfahren. Wenn es besonders schwerwiegende, besonders umfangreiche Verfahren sind, dann gibt es auch noch zweimal die Möglichkeit, das zu erhöhen: bei schwierigen um die Hälfte und bei besonders umfassenden auf bis zu das Doppelte von diesen Ersatzbeträgen. Das, denke ich mir, ist schon ein Betrag, der nicht nichts ist. Das ist ein Betrag, mit dem man in den meisten Fällen, in den Regelfällen – und so wurde es auch berechnet – das Auslangen findet und eine notwendige und zweckmäßige Verteidigung bezahlen kann. (Beifall bei den Grünen.)
Ich denke, gerade in einem Rechtsstaat ist es wichtig, dass man nicht auf den Kosten sitzen bleibt, wenn ein Strafverfahren geführt wird. Ein Strafverfahren soll nicht dadurch schon belastend sein und eine Strafe sein, dass man, auch wenn man unschuldig ist, einen Haufen Kosten hat, auf denen man dann sitzen bleibt. Ich denke, das ist eine wichtige Regelung; und ich freue mich, dass wir sie hier heute gemeinsam beschließen können. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Scherak.)
14.39
Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Mag. Selma Yildirim. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.
Abgeordnete Mag. Selma Yildirim (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren Zuseherinnen und Zuseher! Wenn es eine Strafanzeige gibt, dann bedeutet das immer Stress und Belastung. Wenn so eine Strafanzeige gegen eine Person erstattet wird, die, wie sich dann im Zuge der Ermittlungen herausstellt, auch noch unschuldig war, ist es natürlich umso belastender, und das Ganze nicht nur psychisch, sondern auch finanziell.
Die Justiz hat sehr, sehr viel mit der Gerechtigkeit und der Qualität eines Landes zu tun: Wie geht man mit den Bürgerinnen und Bürgern im Staat um?
Diese Änderung bedeutet, dass auf der einen Seite der Zugang zu mehr Gerechtigkeit und zum Recht verbessert wird, auf der anderen Seite aber auch gewährleistet wird, dass die Qualität unserer Justiz und unserer Gesellschaft steigen wird.
Wenn ein Verfahren eingestellt wird, wird es – das haben wir gehört – einen Verteidigerkostenersatz geben, sodass die Sorge, finanziell wirklich belastet zu sein, dann nicht so groß sein wird.
Jedenfalls müsste man bei diesen Themen auch beachten, dass wir bei dieser Diskussion sehr wohl auch die prominenten Fälle im Kopf hatten, die sich
sogenannte Staranwaltskanzleien leisten. Dabei ist es auch wichtig, an sie die Information weiterzugeben, dass es nicht um diese Luxushonorare geht, sondern dass Richterinnen und Richter wirklich in jedem Einzelfall einen Beschluss fassen werden.
Damit sind wir schon beim Thema. Wir werden dieses Gesetz beschließen, und das bedeutet wiederum mehr Qualität, mehr Einsatz.
Frau Ministerin, Sie haben ursprünglich zwei Planstellen mehr für die Richterinnen und Richter vorgesehen und haben diese Zahl im Laufe der Diskussion um weitere vier erhöht, aber zeitgleich haben wir von der Standesvertretung der Richterinnen und Richter gehört, dass in ganz Österreich in Wahrheit 100 fehlen würden.
Mit jedem Beschluss, und wir haben einiges beschlossen, steigt ja auch der Arbeitsaufwand; und da die Justiz sehr viel mit Gerechtigkeit und mit Rechtsstaatlichkeit zu tun hat, ist es ganz wichtig, dass wir die Justiz und die Unabhängigkeit der Justiz durch entsprechende Ressourcen stärken. Das bedeutet jetzt nicht nur die 70 Millionen Euro mehr, sondern es braucht auch weitere 100 Richterinnen und Richter, damit es seriös und gut erledigt werden kann. (Beifall bei der SPÖ.)
Ich möchte aber nicht unerwähnt lassen, dass es zu Gerechtigkeit und zum Zugang zu Recht auch dazugehört, dass man bei einem Verfahren eine Dolmetscherin beziehungsweise einen Dolmetscher bekommt. Der Satz ist zwar ein bisschen erhöht worden, aber es braucht da wirklich entsprechende Honorierung.
Und da jetzt erst vor Kurzem Vertreterinnen und Vertreter der Sachverständigen Gespräche mit allen Parlamentsfraktionen geführt haben, möchte ich erwähnen: Es gibt viele Bereiche, die nicht gut gelöst sind, und das gilt auch für alltägliche Fälle, etwa wenn es darum geht, nach einem Verkehrsunfall ein Kfz-Gutachten
zu erstellen. Es sind ganze Existenzen damit verbunden, ob so ein Kfz-Gutachten entsprechend honoriert wird oder nicht.
Sehr viel größer ist aber der Sektor der Sachverständigen im medizinischen Bereich. Da haben wir noch einiges an Hausaufgaben zu machen, und dafür werden wir uns in den nächsten Monaten und in nächster Zeit einsetzen; weil es eben mehr braucht, um Zugang zum Recht zu ermöglichen. (Beifall bei der SPÖ.)
14.43
Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Mag. Philipp Schrangl. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.
Abgeordneter Mag. Philipp Schrangl (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete und Zuschauer! Wir sprechen heute über die Erhöhung des Verteidigerkostenbeitrages – natürlich nur bei Freispruch – sowie Gott sei Dank auch über die entsprechende Einführung bei Einstellung der Ermittlungsverfahren.
Da soll es ab jetzt bei der Einstellung des Ermittlungsverfahrens bis zu 6 000 Euro geben, wenn das Ermittlungsverfahren von besonderem Umfang ist, besonders lange dauert – bei einer Dauer über die gesetzliche Länge hinaus soll das sogar bis zum Doppelten möglich sein.
Das ist wirklich ein Meilenstein in der österreichischen Justizgeschichte. Ich habe nachgeschaut: Ich bin 2013 hier in den Nationalrat gewählt worden. Schon damals, bei meiner ersten Rede zum Budgetbegleitgesetz habe ich das gefordert, und es freut mich, dass das jetzt am Ende meiner derzeitigen Karriere im Nationalrat endlich umgesetzt wird. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)
Auch gut ist, dass die Verfahrensdauer weiterhin abgenommen hat. Die Frau Bundesminister hat uns dazu ja einen Bericht vorgelegt. Wie gesagt, es ist schön,
dass bei den Staatsanwaltschaften und überhaupt die Verfahrensdauer abgenommen hat.
Schlecht ist, dass es einen Bereich der Justiz gibt, bei dem die Verfahrensdauern noch immer enorm lang sind, und das ist der Bereich der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft. Ja, es ist uns bewusst, dass es in diesen Verfahren um sehr komplexe Bezüge geht. Es ist uns auch klar, dass es meistens einen großen Umfang gibt, aber auch dort muss der Rechtsstaat hinschauen, auch dort müssen wir hinschauen und die Verfahrensdauern begrenzen und für die Beschuldigten erträglicher machen.
Wir – die Justiz, aber auch das Parlament – sind es den Beschuldigten und den Bürgerinnen und Bürgern schuldig, wenn es dort Verbesserungspotenzial gibt, dieses auch zu heben. Aus unserer freiheitlichen Sicht wird es nicht das Allheilmittel sein, wenn wir nur die Weisungsspitze verändern, denn das wird zu keiner Verkürzung der Verfahrensdauern beitragen.
Der Strafrechtsprofessor Robert Kert hat einmal in einem Artikel und auch in einer Enquete gefordert, dass vor allem die Staatsanwälte der WKStA einen klareren Fokus auf ihre Verfahren legen müssen: Wenn in einem Verfahren 30 000 Chatnachrichten sichergestellt werden, muss es nicht sein, dass auch wirklich alle 30 000 einzeln gelesen werden. Es sollte eine stärkere Fokussierung geben, und ich glaube, das kann man auch umsetzen.
Im Übrigen möchte ich aber sagen, dass auch gerade bei der WKStA viele dieser Verfahren mit Freispruch enden, und daher sollte man dort genau hinschauen. Einen Freispruch hat es zum Beispiel beim ehemaligen grünen Politiker Chorherr gegeben, aber auch beim roten Landeshauptmann Kaiser, der ganze fünf Jahre in so ein Verfahren verwickelt war, wobei am Ende ein Freispruch beziehungsweise eine Einstellung herausgekommen ist.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, mir bleibt nur zu sagen: Gut, endlich eine Erhöhung, endlich eine Einführung bei der Einstellung! Bitte schauen wir,
dass wir auch bei der WKStA noch zu einer verkürzten Verfahrensdauer kommen! Ich glaube, das steht uns allen gut an und trägt zu einer größeren Akzeptanz der Justiz in unserer Bevölkerung bei. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)
14.47
Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Mag. Johanna Jachs. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.
Abgeordnete Mag. Johanna Jachs (ÖVP): Herr Präsident! Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Ja, wir haben es jetzt gehört, wir haben in Österreich eben diese Schieflage, dass Menschen, die freigesprochen werden oder deren Verfahren eingestellt werden, auf ihren Verteidigerkosten sitzenbleiben. Im Zivilprozess, sage ich dazu, haben wir diese Schieflage eben gerade nicht.
Was bedeutet das? – Dass diejenigen, die ihr Grundrecht auf ein faires Verfahren, auf Verteidigung in Anspruch nehmen, auch nach der EMRK, eben auf den Kosten sitzen bleiben; und in manchen Fällen folgt dann daraus, dass sie auch an ihre finanziellen Grenzen kommen. Der bisherige Kostenersatz, der wohl nur symbolischer Natur war, war da einfach viel zu gering. Genau damit machen wir heute Schluss, weil wir den Ersatzbetrag wirklich deutlichst aufstocken.
Wir haben jetzt schon gehört, was wir genau machen. Bei Gesetzesbeschlüssen, die einstimmig über die Bühne gehen, kennen wir alle die Details ganz gut. Wir haben es jetzt schon ein paarmal gehört, aber ich möchte es natürlich noch einmal hervorheben:
Bei der Einstellung eines Ermittlungsverfahrens gibt es jetzt einen neuen Ersatzanspruch. Bei der Einstellung eines Verfahrens, das einen extremen Umfang hat – haben wir auch gehört –, können wir den Ersatzanspruch auch verdoppeln oder um die Hälfte erhöhen.
Bei Verfahren vor Schöffen- und Geschworenengerichten versechsfachen wir den Betrag, beim Einzelrichter am Landesgericht erhöhen wir diesen Betrag auf 13 000 Euro, und beim Bezirksbericht verfünffachen wir diesen Betrag auf bis zu 5 000 Euro, wobei in extremen Fällen eben jeweils immer die Verdoppelung möglich ist.
Was ich dabei wirklich besonders gut finde, ist, dass die Personen, die sich wirklich intensivst mit den Verfahren beschäftigen, nämlich die Richterinnen und Richter, diesen Betrag dann festsetzen. Das schafft einfach die Sicherheit, dass da auch die besten Entscheidungen getroffen werden.
Auch noch wichtig zu erwähnen, ist, dass das Gesetz, das wir heute beschließen, rückwirkend ab Jahresbeginn gilt.
Ich möchte mich bei der Frau Justizministerin und auch beim Herrn Finanzminister dafür bedanken, dass sie diesen hohen Betrag ermöglicht haben. Er wurde auf 70 Millionen Euro aufgestockt, das bedeutet eine Verdreißigfachung. Alleine diese Tatsache, dass dieser Budgetposten verdreißigfacht wurde, zeigt einfach, dass das Bisherige wirklich zu wenig war und wir großen Handlungsbedarf hatten. Wir kommen also dieser Forderung aus Lehre, Literatur, Praxis jetzt tatsächlich nach. Wir haken einen weiteren Punkt des Regierungsprogramms ab. Das ist gut, darüber freue ich mich. Die Freude ist zu Recht groß.
Frau Bundesminister, aber auch wenn diese Freude hier groß ist, freue ich mich jetzt schon auf den Herbst, wenn wir dann endlich auch weitere zentrale Punkte einer Strafprozessrechtsreform beschließen werden – nach reiflicher Überlegung – und dann auch unserem Auftrag des VfGH nachkommen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)
14.51
Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt die Frau Bundesministerin für Justiz, Frau Dr. Zadić. – Bitte schön, Frau Doktor.
14.51
Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren Abgeordnete! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Ja, Sie haben es schon bei den Vorrednerinnen und Vorrednern gehört: Die Erhöhung des Verteidigerkostenersatzes war etwas, was schon lange gefordert wurde. Freisprüche und Einstellungen zeichnen doch einen gut funktionierenden Rechtsstaat aus. Das bedeutet – und das ist mir an dieser Stelle wichtig, zu sagen –, dass ein Ermittlungsverfahren oder eine Anklage in einem Rechtsstaat nicht automatisch einen Schuldspruch bedeutet, und ich finde, das muss sich finanziell auch widerspiegeln. (Beifall bei den Grünen.)
Wir Grüne haben schon vor über zehn Jahren darauf hingewiesen, dass der Kostenersatz für die Verteidigung erhöht werden muss, dringend erhöht werden muss. Wir erinnern uns an die Tierschützerprozesse, denn da wurden die Personen freigesprochen und waren am Ende trotzdem finanziell ruiniert. Wir haben uns deswegen nicht nur in den Regierungsverhandlungen mit Nachdruck dafür eingesetzt, dass der Verteidigerkostenersatz erhöht wird, sondern ich freue mich wirklich sehr, dass es uns gelungen ist, dass wir diesen verdreißigfachen.
Ich möchte mich explizit beim Koalitionspartner und beim Finanzminister bedanken, der im Herbst eben diese 70 Millionen Euro zur Verfügung gestellt hat, denn es standen uns nur 2,5 Millionen Euro für den Verteidigerkostenersatz zur Verfügung. Das ist ein Meilenstein für den Rechtsstaat. (Beifall bei den Grünen sowie der Abgeordneten Hechenberger und Jachs.)
Bedanken möchte ich mich auch beim Österreichischen Rechtsanwaltskammertag, denn auch die haben mit ihrer Expertise dazu beigetragen, dass wir ein Modell erarbeiten konnten, auf dem wir aufbauen und mithilfe dessen wir letzten Endes auch einen guten Ersatz errechnen konnten. Ja, dabei haben wir zwei Unterscheidungen getroffen. Einerseits kommt es auf die Form des Verfahrens an: Findet das Verfahren vor einem Bezirksgericht, vor einem Landesgericht, vor
einem Einzelrichter oder vor einem Geschworenen- oder Schöffengericht statt? Und: Wie komplex ist das Verfahren? Denn es macht einen Unterschied, ob ein Verfahren nach der ersten Hauptverhandlung geschlossen werden kann oder ob es doch einige Tage der Hauptverhandlung braucht.
So haben wir beispielsweise beim Bezirksgericht bei sehr komplexen Verfahren jetzt die Möglichkeit des Ersatzes bis zu 10 000 Euro, beim Einzelrichter, auch bei besonders komplexen Verfahren, 26 000 Euro und bei Verfahren vor Schöffen- oder Geschworenengerichten bei sehr komplexen Verfahren sogar bis zu 60 000 Euro. Erstmals haben wir jetzt auch einen Ersatz bei Einstellungen von Ermittlungsverfahren vorgesehen. Da beträgt der Höchstsatz bei besonders komplexen Ermittlungsverfahren 12 000 Euro.
Ich glaube, dass uns mit dieser Neuregelung wirklich etwas Großes gelungen ist. Es ist ein großer und wichtiger Schritt für den Rechtsstaat und für alle Betroffenen, die letzten Endes freigesprochen werden oder deren Ermittlungsverfahren eingestellt wird. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Hechenberger.)
14.54
Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner: Herr Dr. Nikolaus Scherak. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.
Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Ich war ein wenig überrascht, dass – bis auf Kollegin Prammer ein wenig und jetzt die Frau Bundesministerin – aus meiner Sicht fast ein bisschen zu wenig Euphorie im Zusammenhang mit diesem Gesetzesbeschluss aufgekommen ist, denn man muss sich überlegen, dass das, was bis jetzt in Österreich gegolten hat, eigentlich eines Rechtsstaates unwürdig ist.
Es geht der Staat auf jemanden zu, in Gestalt der Polizei und der Staatsanwaltschaft – jemand wurde davor angezeigt –, und beginnt mit Ermittlungen oder
erhebt Anklage. Das heißt, unter Umständen ist jemand vollkommen Unbescholtener, der vielleicht gar nichts gemacht hat, Ewigkeiten damit konfrontiert, dass die Staatsgewalt ihm entgegentritt und sagt: Na ja, aber ich vermute zumindest, dass du etwas gemacht hast! – Es ist gut, dass der Staat das macht, denn selbstverständlich muss man einem Verdacht nachgehen und schauen, ob da wirklich eine Straftat begangen wurde; aber was ist denn, wenn sich am Schluss herausstellt, dass gar nichts gewesen ist und es davor eine Einstellung gibt oder danach ein Freispruch erfolgt?
Der große Unterschied zum Zivilrecht, was Frau Kollegin Jachs angesprochen hat, ist eben, dass da nicht irgendein anderer Bürger quasi den Konflikt mit mir sucht, sondern der Staat in seiner vollen Staatsgewalt auftritt. Das Ergebnis, wozu das am Schluss führt, wenn ich dann unter Umständen freigesprochen werde: Es sind insbesondere wir Politikerinnen und Politiker leider Gottes auch immer wieder mit falschen Anschuldigungen konfrontiert. Eines der besten Beispiele – Kollege Schrangl hat es angesprochen – ist der ehemalige grüne Landtagsabgeordnete Chorherr, der aufgrund eines Verfahrens, bei dem er am Schluss freigesprochen wurde, nahezu vor den Trümmern seiner Existenz gestanden ist.
Es geht nicht darum, ob ich das irgendwie werten will, sondern es geht darum, dass jemand von einem unabhängigen Gericht freigesprochen worden ist. Ich glaube, Christoph Chorherr hat danach gesagt, er hat sich bei seiner Mutter Geld ausborgen müssen und zum Glück hat er sich deswegen die Prozesskosten leisten können.
Der ehemalige Vizekanzler Strache – ich bin denkbar unverdächtig, diesem irgendwie das Wort zu reden – musste sich auch mit vielen Prozessen auseinandersetzen, hatte extrem viele Kosten und dann sogar um Spenden gebeten, damit er sich die Prozesskosten leisten kann. Also ich erachte es als nur logisch in einem Rechtsstaat, dass wir sagen: Ja, wir ersetzen jemandem, der zu Unrecht – und das ist ja nichts anderes, wenn am Schluss ein Freispruch erfolgt – mit einem Strafverfahren konfrontiert wurde, natürlich die Verteidigerkosten! Alles andere wäre
verrückt und führt eben dazu, dass Menschen über die letzten Jahre leider Gottes teilweise wirklich vor den Trümmern ihrer Existenz gestanden sind.
Ein bisschen ein Schmerz bleibt dabei – selbst mit den 60 000 Euro wird man in sehr komplexen Verfahren nicht das Auslangen finden; wir kennen alle die Tierschützerprozesse, bei denen man noch viel mehr Verteidigerkosten hatte, weil sich die Prozesse über viele Jahre gezogen haben –, aber nichtsdestotrotz: Frau Bundesministerin, ich war die letzten Jahre sehr oft sehr kritisch mit Ihrer Arbeit, aber ich glaube, in diesem Zusammenhang ist Ihnen wirklich etwas gelungen, was über viele Jahrzehnte diskutiert wurde, was niemandem davor gelungen ist. Ich glaube, das ist ein wesentlicher Schritt für einen Rechtsstaat. Ich bin daher sehr froh, dass wir das heute auch beschließen können. (Beifall bei NEOS und Grünen sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)
Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.
Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 2619 der Beilagen.
Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.
Wir kommen gleich zur dritten Lesung.
Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist einstimmig. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.
13. Punkt
Bericht des Justizausschusses über den Antrag 4124/A der Abgeordneten Mag. Michaela Steinacker, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Notariatsordnung, das Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter, die Rechtsanwaltsordnung und das Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz geändert werden (Berufsrechts-Änderungsgesetz 2024 – BRÄG 2024) (2621 d.B.)
Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir kommen zum 13. Punkt der Tagesordnung.
Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.
Zu Wort gelangt Mag.a Agnes Sirkka Prammer. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.
Abgeordnete Mag. Agnes Sirkka Prammer (Grüne): Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Was wir hier jetzt beschließen, ist ein bisschen etwas Technisches und betrifft einige Berufsgruppen – Berufsgruppen, die allerdings für die Justiz sehr wichtig sind und mit denen die Justiz auch sehr gut im Austausch ist.
Es betrifft das Disziplinarrecht und das Standesrecht der Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen, der Notare und Notarinnen, aber auch der Richterinnen und Staatsanwälte. Wir haben da einige Regelungen gemacht und nachvollzogen, die sicher im Detail – gerade, was die Notare und Notarinnen betrifft – von Kollegen Stefan dann noch sehr gut erklärt werden können, sodass ich mich darin gar nicht vertiefen möchte. Wir haben hier einige Dinge nachvollzogen, die schon seit Längerem von den Berufsgruppen als problematisch erkannt wurden. In Dialogen und in Gesprächen haben wir dann gemeinsam zu Lösungen gefunden, wie man gewisse Missstände rechtlich regeln kann.
Was mir vor allem wichtig ist und was wir auch gemacht haben: Wir haben bei den Transparenzbestimmungen im Zusammenhang mit Geldwäsche einige wichtige Neuerungen gemacht und eine Lücke geschlossen. Und ja, ich bin wirklich der Meinung, es besteht eine Lücke – auch wenn es eine gegenteilige Stellungnahme gibt – im Disziplinarrecht für Richter:innen und Staatsanwält:innen, die nicht am Gericht, sondern im Justizministerium ihre Arbeit machen.
Ich möchte Sie mit den einzelnen technischen Bestimmungen gar nicht so sehr langweilen, sondern möchte, da ich im letzten Justizausschuss nicht zugegen sein konnte, den Rest der Redezeit, die ich noch habe, dafür nutzen, um mich bei Michi Steinacker zu bedanken: Ich freue mich sehr, dass meine erste Periode im Nationalrat sich mit deiner letzten überschnitten hat. Ich freue mich sehr, dass ich mit dir zusammen an diesen wichtigen Projekten, die wir hier umgesetzt haben, arbeiten durfte. Wir haben ganz, ganz viele Projekte auf den Weg gebracht, von denen, glaube ich, jedes für sich genommen immer wieder ein hartes Stück Arbeit war. Ich habe es sehr geschätzt, wie wir in den Verhandlungen gemeinsam an Lösungen gearbeitet haben, wie wir miteinander umgegangen sind und wie wir immer wieder versucht haben, uns aus unterschiedlichen Positionen auf eine gemeinsame Position zuzubewegen.
Wir haben eigentlich in allen Fällen Lösungen gefunden, die dann für uns beide im Endeffekt so waren, dass wir gesagt haben, das passt. Ich glaube, das ist schon eine Qualität an Zusammenarbeit, die nicht selbstverständlich ist. Ich freue mich wirklich sehr, dass wir das gemeinsam umsetzen konnten. Alles Gute weiterhin! – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)
15.01
Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächste Rednerin: Mag. Selma Yildirim. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.
Abgeordnete Mag. Selma Yildirim (SPÖ): Sehr geehrte Damen und Herren! Wir verhandeln das Berufsrechts-Änderungsgesetz. Es betrifft eine ganze Reihe von
Berufsgruppen, die in der Rechtspflege tätig sind und teilweise natürlich – wenn ich an die Notarinnen und Notare denke – auch öffentliche Aufgaben wahrnehmen und übernehmen. Ich sehe die vielen Änderungen, die wir beschließen werden, ob das jetzt die Rechtsanwaltsordnung oder Änderungen im Disziplinarstatut der Rechtsanwält:innen und Rechtsanwaltsanwärter:innen betrifft oder eben wie bereits erwähnt Regelungen, bei denen es um Überwachung von Geldwäschetransaktionen gehen könnte, wo Meldepflichten oder Möglichkeiten verstärkt werden, als doch wichtige Entscheidungen. Es wird damit auch ein Höchstgerichtsentscheid umgesetzt. – Das sind die rein technischen Geschichten.
Ich möchte anlässlich 150 Jahre Notariatsordnung nur kurz die Berufsgruppe der Notarinnen und Notare herausgreifen. Da, glaube ich, ist es ganz wichtig, dass diese Berufsgruppe im 21. Jahrhundert ankommt, betreffend Ernennungsregelungen oder Anpassung an neue Möglichkeiten, an ein verändertes Berufsumfeld oder gesellschaftliche Entwicklungen. Es werden auch die Möglichkeiten der Zusammenarbeit in Fällen von Vertretungen geändert.
Als ich mir das mit den Ernennungsvoraussetzungen genauer angesehen habe, war ich etwas erstaunt, dass die Dauer der Zugehörigkeit zu der Berufsgruppe bei der Möglichkeit, dann eben Notar oder Notarin zu werden, bis jetzt so viel Gewicht hatte. Deswegen ist es ganz wichtig, da zu sagen, dass die persönliche Eignung und die sozialen Fähigkeiten einer Person für so seine wichtige Position viel relevanter sind und dass bei der Entscheidung, wer zu diesem Beruf ernannt wird oder nicht, mehr Gewicht haben soll, ob die Anwärterin oder der Anwärter für ein Notariatsamt sich beruflich weiterentwickelt oder zusätzliche Qualifikationen erwirbt.
Ganz, ganz wichtig ist auch: Wer bringt sich denn ein, wenn es um Aufgaben der Standesvertretung geht, um die Vertretung von Kolleginnen und Kollegen oder bei der Vertretung des ganzen Berufsrechts, wenn es darum geht, die Voraussetzungen zu verbessern? Ich denke, das sollte auch besonders gewichtet werden
und nicht – wie es eben bis jetzt der Fall war – die Dauer der Zugehörigkeit, egal ob man fachlich, psychologisch oder sozial fähig war oder nicht.
Wir werden diese Novelle, weil sie sehr sinnvoll ist, unterstützen. (Präsident Sobotka übernimmt den Vorsitz.)
Im Sinne der guten Zusammenarbeit komme ich zu dem Punkt, an dem ich mich bei dir, liebe Michaela, sehr geehrte Frau Vorsitzende des Justizausschusses, auch für deine objektive Sitzungsführung – und das immer wieder, obwohl wir im Justizausschuss sehr viele Auseinandersetzungen und Meinungsverschiedenheiten zu den unterschiedlichsten Themen haben; nichtsdestotrotz ist das Persönliche immer auf einem respektvollen Niveau und sehr kollegial geblieben – bedanken möchte. Ich wünsche dir für deinen neuen Lebensabschnitt – du wirst ja dann nicht mehr weiter dem Nationalrat angehören – alles, alles erdenklich Gute. (Beifall bei der SPÖ, bei Abgeordneten der ÖVP sowie des Abg. Schrangl.)
15.05
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Stefan. – Bitte.
Abgeordneter Mag. Harald Stefan (FPÖ): Sehr geehrte Frau Bundesminister! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist schon gesagt worden, es geht nun um sehr technische Dinge, nämlich um Änderungen in Berufsrechten. Ich selbst bin Notar, daher liegt mir die Änderung der Notariatsordnung am meisten am Herzen.
Diese Änderungsvorschläge, die ja auch umgesetzt wurden, kommen natürlich weitgehend aus der Praxis. Frau Kollegin Yildirim hat hier gerade zum Beispiel erwähnt, dass es bis jetzt bei einer Ernennung sehr stark darauf angekommen ist, wie lange man bereits im Berufsstand war. In der Realität war das natürlich schon anders, zum Beispiel hat das Engagement in der Kammer für die Gemeinschaft einen Ausschlag gegeben – und nicht mehr rein die Jahre im Beruf – oder
ob man sonstige Qualifikationen erworben hat. Das war schon so und wird jetzt an sich gesetzlich erst richtig umgesetzt; es kommt eben aus der Praxis.
Es werden noch ein paar andere Punkte geändert: Es gibt künftig eine flexiblere Möglichkeit der Zusammenarbeit von Notariaten. Es gibt eine Klarstellung darüber, was es für Qualifikationen geben muss, damit man in den Notarstand aufgenommen werden kann, damit klargestellt wird, dass die Personen wirklich geeignet sind. Es war natürlich in der Vergangenheit auch schon so, dass man darauf geachtet hat, es wird halt jetzt im Gesetz dargestellt. Es werden auch Belehrungspflichten noch einmal klargestellt und Dolmetscher können künftig auch digital beigezogen werden.
Es werden also Dinge geregelt, die sehr technisch sind, wenn man so will, die aber natürlich für den Berufsstand selbst relevant sind. Das wird natürlich auch alles dann in Zusammenarbeit mit den Berufsgruppen ausgearbeitet und es wird geschaut, dass das eben auch einen wirklichen positiven Nutzen für die Zukunft hat. Daher unterstützen wir diese Gesetzesänderung.
Auch die Änderungen in den anderen Bereichen betreffend die anderen Berufsgruppen erscheinen uns sinnvoll, daher freuen wir uns, dass da ein Schritt in die Zukunft gemacht wurde, um das Notariat, aber eben auch die anderen Berufsstände noch einmal besser für die Zukunft zu rüsten. (Beifall bei der FPÖ.)
15.08
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Steinacker. – Bitte.
Abgeordnete Mag. Michaela Steinacker (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren, die zuhören! Ja, Sie haben es jetzt schon von den Vorrednern gehört, es geht um eine Weiterentwicklung und um Verbesserungen in den Berufsrechten von
Notaren und Rechtsanwälten – im Wesentlichen initiiert natürlich auch von den Berufsgruppen, die selbst an diesen Qualitätssteigerungen arbeiten wollen.
Das Thema der Disziplinargerichtsbarkeit bei den Rechtsanwälten wird geändert. Es soll bei leichten Verstößen leichter, schneller und unbürokratischer möglich sein, auf Verstöße zu reagieren. Was mir in dem Zusammenhang besonders wichtig erscheint, ist eine Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf im Falle der Geburt eines Kindes auch bei den Rechtsanwälten.
Bei den Notaren: Nach Notar Mag. Harald Stefan sprechend ist es natürlich ein bisschen schwierig, die Welt dahin gehend zu erklären, warum wir in der Notariatsordnung die Möglichkeit von Zusammenschlüssen regeln, die Reihungskriterien überarbeiten.
Ich möchte aber schon darauf hinweisen, dass Notare als Gerichtskommissäre – und das erscheint mir schon wichtig bei der Auswahl von Kandidaten, wenn es vermehrt auch um die erforderlichen sozialen Fähigkeiten geht, und daher ist es mir wichtig, das zu sagen – auch für die Abwicklung von Todesfällen verantwortlich sind und mit Trauernden zu tun haben. Da ist sicher eine hohe soziale Kompetenz gefordert, wenn man da eben auch entsprechend anleitet oder die Verlassenschaft abwickelt.
Ich darf einen Abänderungsantrag einbringen, bei dem es darum geht, dass es bei nicht oder nur schwer vorlesbaren Beilagen zu Notariatsakten – denken Sie zum Beispiel an Pläne – zukünftig ausreichen soll, dass diese, anstatt sie vorzulesen, den Parteien zur Durchsicht vorgelegt werden. Das Vorlegen setzt natürlich voraus, dass diese Beilagen überhaupt einer Verlesungspflicht unterliegen.
Abänderungsantrag
der Abgeordneten Mag. Michaela Steinacker, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Kolleginnen und Kollegen
zum Bericht des Justizausschusses über den Antrag 4124/A der Abgeordneten Mag. Michaela Steinacker, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Notariatsordnung, das Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter, die Rechtsanwaltsordnung und das Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz geändert werden, Berufsrechts-Änderungsgesetz 2024, 2621 der Beilagen.
Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:
Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag in der Fassung des Berichts des Justizausschusses (2621 d.B.) wird wie folgt geändert:
Art. I Z 22 lautet:
„22. § 68 Abs. 1 lit. f lautet:
„f) am Schluss die Anführung, dass der Notariatsakt den Parteien vorgelesen wurde und allfällige nicht oder schwer vorlesbare Beilagen, sofern deren Vorlesung erforderlich wäre, den Parteien im Einzelnen zur Durchsicht vorgelegt wurden, oder die Bezeichnung derjenigen Förmlichkeiten, durch welche nach den Bestimmungen dieses Gesetzes die Vorlesung ersetzt wurde, und die Anführung der Genehmigung des Notariatsaktes durch die Parteien;““
*****
Das ist richtiges, richtiges Notariatsdeutsch. Diesen Abänderungsantrag wollen wir gerne mitbeschließen.
Ich möchte mich jetzt an dieser Stelle noch bei den Kolleginnen und Kollegen im Justizausschuss ganz, ganz herzlich bedanken. Ich habe nicht nur meine Kolleg:innen von der ÖVP immer als Justizteam bezeichnet. – Ihr wart großartig, ihr habt mir die objektive Vorsitzführung sehr leicht gemacht, indem ihr immer bereit wart, die inhaltlichen Dinge, die ich oftmals verhandeln durfte, dann auch
entsprechend engagiert im Ausschuss zu vertreten. Danke für eure Freundschaft, für eure Unterstützung und für euer großartiges Mittun!
An die Kollegen von den Grünen: Liebe Kolleginnen und Kollegen, vor allem liebe Agnes, wir haben große Brocken gehoben, und wir sind die gewesen, die monate-, manchmal jahrelang an großen Reformen gearbeitet haben, deshalb, glaube ich, kennen wir inzwischen viele Details von Gesetzesvorlagen. Ich bedanke ich mich nicht nur für deine Expertise, sondern auch für deine besonders freundliche Art im Umgang und das respektvolle Miteinander. Danke vielmals dafür! (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)
An die Kolleg:innen Selma Yildirim, Niki Scherak und Harald Stefan: Auch ihr habt es mir leicht gemacht. Ich darf sagen, elf Jahre dem Justizausschuss vorzusitzen ist eine großartige Aufgabe gewesen. Auch ich durfte da erst hineinwachsen. Viele von euch haben nicht nur ein unfassbar großes Wissen, sondern auch Klugheit in der Diskussion, sind respektvoll und auch wertschätzend im Umgang miteinander. Manchmal würde ich mir wünschen, dass man Maß nimmt an unseren Ausschüssen – abgesehen von Berichten, die wir in der Öffentlichkeit diskutieren –, an dem, wie wir diskutieren: in der Sache hart, manchmal natürlich auch von unseren Wertvorstellungen her sehr konfrontativ, aber im Gesamten großartig und wertschätzend – und für mich persönlich immer auch sehr lehrreich.
Ich habe viel von allen mitgenommen, gerade auch von den Vorschlägen der Opposition. Und ihr wisst, ich habe es ja nicht nur einmal gesagt, viele Ideen haben wir dann mitunter auch – ich habe drei Regierungen mitverhandeln dürfen – in ein Regierungsprogramm aufgenommen.
In diesem Sinne sage ich vielen Dank, natürlich auch für die Zusammenarbeit mit dem Haus und mit dir, Frau Bundesministerin, auch wenn ich mit einem großen Bedauern unser größtes Projekt, das Agnes und ich im Detail verhandeln durften, heute nicht zur Abstimmung bringen kann. Ich hoffe aber, wir werden
das noch gemeinsam schaffen. In diesem Sinne möchte ich schon sagen, so wie wir im Justizausschuss miteinander in der persönlichen Kommunikation umgehen, aber auch in der Sache, wünsche ich mir, dass in dieser Republik viele Menschen – mit Ernsthaftigkeit und mit Verantwortungsbewusstsein – für Österreich arbeiten. – Danke schön. (Anhaltender allgemeiner Beifall.)
15.15
Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:
Abänderungsantrag
der Abgeordneten Mag. Michaela Steinacker, Mag. Agnes Sirkka Prammer,
Kolleginnen und Kollegen
zum Bericht des Justizausschusses über den Antrag 4124/A der Abgeordneten Mag. Michaela Steinacker, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Notariatsordnung, das Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter, die Rechtsanwaltsordnung und das Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz geändert werden (Berufsrechts-Änderungsgesetz 2024 – BRÄG 2024) (2621 d.B.)
Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:
Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag in der Fassung des Berichts des Justizausschusses (2621 d.B.) wird wie folgt geändert:
Art. I Z 22 lautet:
„22. § 68 Abs. 1 lit. f lautet:
„f) am Schluss die Anführung, dass der Notariatsakt den Parteien vorgelesen wurde und allfällige nicht oder schwer vorlesbare Beilagen, sofern deren Vorlesung erforderlich wäre, den Parteien im Einzelnen zur Durchsicht vorgelegt wurden, oder die Bezeichnung derjenigen Förmlichkeiten, durch welche nach den
Bestimmungen dieses Gesetzes die Vorlesung ersetzt wurde, und die Anführung der Genehmigung des Notariatsaktes durch die Parteien;““
Begründung:
Bei nicht oder nur schwer vorlesbaren Beilagen zu Notariatsakten (beispielsweise Pläne, Zeichnungen, grafische Darstellungen, Registerabfragen, Bilanzen oder Verzeichnisse) soll es künftig ausreichen, dass diese – anstatt sie vorzulesen – den Parteien im Einzelnen zur Durchsicht vorgelegt werden (wobei dies im Notariatsakt entsprechend anzuführen ist). Dies setzt freilich voraus, dass für diese Beilagen überhaupt eine Verlesungspflicht besteht; eine solche gilt gemäß § 48 NO (nur) für „Beilagen, deren Inhalt von den Parteien zum Bestandteil ihrer Erklärungen in der Notariatsurkunde gemacht“ wurden. Dies wird mit dem ergänzenden Einschub „sofern deren Vorlesung erforderlich wäre“ klargestellt.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Abänderungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.
Es ist dazu niemand mehr zu Wort gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.
Wünscht der Berichterstatter ein Schlusswort? – Das scheint nicht der Fall zu sein.
Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 2621 der Beilagen.
Hiezu haben die Abgeordneten Steinacker, Sirkka Prammer, Kolleginnen und Kollegen einen Abänderungsantrag eingebracht.
Ich werde daher jetzt über die vom Abänderungsantrag betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.
Die Abgeordneten Steinacker, Sirkka Prammer, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungsantrag betreffend Artikel 1 eingebracht.
Wer dafür ist, den bitte ich um ein dementsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig.
Wir kommen zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschussberichts.
Wer tut das? – Das ist ebenfalls einstimmig angenommen.
Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.
Wer tut das auch in dritter Lesung? – Gleiches Stimmverhalten, einstimmig angenommen.
Bericht des Justizausschusses über den Antrag 4123/A der Abgeordneten Peter Haubner, Dr. Elisabeth Götze, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Genossenschaftsgesetz, das Vereinsgesetz, das Firmenbuchgesetz, das Genossenschaftsrevisionsgesetz 1997, das Genossenschaftsinsolvenzgesetz, das Genossenschaftsverschmelzungsgesetz, das Genossenschaftsspaltungsgesetz und das Unternehmensgesetzbuch geändert werden (Genossenschaftsrechts-Änderungsgesetz 2024 – GenRÄG 2024) (2622 d.B.)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 14.
Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.
Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Götze. – Bitte.
Abgeordnete Dr. Elisabeth Götze (Grüne): Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Insbesondere möchte ich Karl Staudinger von Rückenwind begrüßen (in Richtung
Galerie blickend) – ah, jetzt sehe ich ihn –, eines der Gründungsmitglieder des Genossenschaftsverbands Rückenwind, ein gemeinwohlorientierter Genossenschaftsverband. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ sowie der Abg. Künsberg Sarre.)
Er ist da, weil er sich, glaube ich, so wie ich und wie auch andere hier im Haus, auch meine Nachredner, über diese Novelle, die wir heute beschließen – wie ich annehme einstimmig, wie das auch schon im Ausschuss der Fall war –, freut. Es ist eine Novelle des Genossenschaftsrecht.
Ein paar Worte zur Genossenschaft an sich: Genossenschaften sind ja schon sehr alt. Vor 150 Jahren wurde das Genossenschaftsrecht beschlossen, und es gibt oder gab seit jeher viele Genossenschaften: Zum Zeitpunkt der ersten Beschlussfassung des Gesetzes gab es bereits 1 500 Genossenschaften, und vor mehr als 100 Jahren, 1917, ich habe nachgeschaut, gab es 20 000 Genossenschaften. Heute sind es 1 800 und man merkt, es werden wieder mehr. Es ist also eine Rechtsform, die im Trend ist. Und warum ist sie im Trend? – Weil es um gemeinschaftliches Erreichen von Zielen geht.
Gemeinschaftlich heißt, wenn einer etwas nicht alleine schafft, dann packen alle gemeinsam miteinander an. Die Mitglieder einer Genossenschaft können Entscheidungen auch demokratisch treffen, sie kontrollieren sich gegenseitig, und nicht zuletzt ist es – im Gegensatz zu anderen Rechtsformen – auch sehr einfach, in eine Genossenschaft ein- oder wieder aus ihr auszusteigen.
Es gibt viele Genossenschaften, ganz bekannt sind beispielsweise die ursprünglichen, die ehemaligen Aushilfskassen, die heutigen Volksbanken, Raiffeisenkassen. Heutzutage wird auch Glasfaser über Genossenschaften verlegt oder werden auch Software und Blockchainlösungen über Genossenschaften entwickelt und vertrieben.
Diese geänderten Anforderungen haben auch mit sich gebracht, dass wir eine Novelle des Gesetzes, des Genossenschaftsrechts, mit zwei wesentlichen Änderungen brauchen.
Der erste Punkt: Wir schaffen die Nachschusspflicht ab. Nachschusspflicht heißt, alle Mitglieder müssen den Betrag, den sie zu Beginn einlegen, im Notfall noch einmal zusätzlich nachschießen, das heißt, sie haften mit zusätzlichem Vermögen. Das ist heute nicht mehr zeitgemäß, und man kann im Vertrag regeln, ob man diese Nachschusspflicht beibehalten oder sogar, wie in manchen Fällen, erhöhen oder ob man sie komplett abschaffen will. Das ist eine gute Sache. (Beifall bei den Grünen sowie der Abgeordneten Haubner und Minnich.)
Ein zweiter Punkt, und der ist uns fast noch wichtiger: Wir ermöglichen die leichte Umwandlung von Vereinen in Genossenschaften. Vereine werden oft gegründet, weil es einfacher und rascher geht, aber mit zunehmender wirtschaftlicher Tätigkeit macht es Sinn, einen Verein in eine Genossenschaft überzuführen. Das kann zum Beispiel ein Verein zur Erzeugung von Energie, Stichwort Fotovoltaik oder Ähnliches, zum Vertrieb dieser Energie oder von Teilen dieser Energie oder auch zur örtlichen Nahversorgung sein.
Derzeit ist diese Umwandlung nicht möglich oder nur sehr kompliziert. Man muss den Verein auflösen, alle Verträge sind dahin, man muss sie mit der neuen Genossenschaft, die man gründen muss, neu abschließen. Das ist zukünftig einfacher möglich, man kann den Verein unmittelbar und identitätswahrend in die Genossenschaft überführen. Das ist also wirklich eine wesentliche Erleichterung, und wir erwarten uns dadurch einen noch größeren Andrang auf die Rechtsform Genossenschaften.
Daher bin ich davon überzeugt, dass wir mit dieser Novelle wirklich einen Boost für neue Gründer:innen oder auch Umwandlungen in Genossenschaften schaffen. Das ist gut für die Wirtschaft und gut auch für die Mitglieder. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der Grünen.)
15.20
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Troch. – Bitte.
Abgeordneter Dr. Harald Troch (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Österreich ist tatsächlich ein Genossenschaftsland, ein Land durchaus erfolgreicher Genossenschaften. Genossenschaften sind fixer Teil des Wirtschaftslebens in Österreich und viele Genossenschaften sind auch eng mit dem Begriff der Gemeinnützigkeit verbunden.
Ich darf erinnern: Von den 200 Wohnbauvereinigungen sind knapp die Hälfte gemeinnützige Wohnbauvereinigungen. Das heißt, bei Genossenschaften geht es immer um gemeinsames solidarisches Handeln für die Mitglieder; es geht um die Verbesserung des Lebens der Mitglieder und des Wirtschaftens der Mitglieder. Das ist natürlich etwas sehr Erfreuliches, weil das in Österreich tatsächlich eine Erfolgsgeschichte ist: von den ursprünglichen Maschinenringen von Bauern bis zu landwirtschaftlichen Genossenschaften, von den Konsum-, Nahrungsmittel- bis zu den Wohnbauvereinigungen, die als Genossenschaften gebildet wurden.
Ich begrüße auch den Schritt einer Modernisierung des Genossenschaftswesens. Genossenschaften sind dann erfolgreich, wenn sie bei den wirtschaftlichen und sozialen Interessen der Mitglieder ansetzen und helfen, zu wirtschaften, helfen, Erfolg zu haben, helfen, auch den wirtschaftlichen Erfolg und den Lebensstandard zu steigern. Ich würde sagen, das ist insbesondere auch gegeben, wenn wir uns Österreich als Vereinsland anschauen. Die Österreicher sind gerne in Vereinen. Heutzutage sind natürlich die Fragen der Energie, der Schaffung von Energie, des Wirtschaftens mit Energie ein Thema. In Zukunft werden wahrscheinlich auch von den Fahrgemeinschaften als Alternativen zu den Öffis Gemeinschaften gebildet werden.
In diesem Sinn ist das Genossenschaftsrechts-Änderungsgesetz
sehr zu begrüßen, mit dem wir es erleichtern, von Vereinen mit Vereinsmitgliedern zuGenossenschaften zu kommen – eben zum Beispiel auch im Kleinen, im Energiesektor, mit Biokraftwerken oder Fotovoltaikanlagen. In diesem Sinn gibt es ein klares Ja der SPÖ zu diesem richtigen Schritt im Bereich des Genossenschaftswesens.
Ich darf mich bei dieser Gelegenheit auch bei Kollegin Michaela Steinacker für elf Jahre Zusammenarbeit im Justizausschuss sehr herzlich bedanken. Kollegin Steinacker ist bekannt für ihre kompetente, faire und respektvolle Vorsitzführung und ihren Umgang. Im Justizausschuss war immer ein gutes Klima und zu dem guten Klima hat letztlich auch Justizministerin Zadić beigetragen. Ein großes Dankeschön für elf Jahre Zusammenarbeit mit Michaela Steinacker im Justizausschuss. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie bei Abgeordneten der Grünen.)
15.23
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Haubner. – Bitte.
Abgeordneter Peter Haubner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Genossenschaften sind eine nachhaltige und krisenfeste Unternehmensform. Ich glaube, es ist ganz wichtig, dass diese Bundesregierung das erste Mal das Genossenschaftswesen und die Anliegen der Genossenschaften im Regierungsprogramm verankert hat und dass wir die genossenschaftlichen Wünsche, die wir in diesem Gesetz auch abbilden, Zug um Zug umgesetzt haben.
Wir haben uns intensiv mit diesen Themen des Wirtschaftens – des kooperativen Wirtschaftens – auseinandergesetzt und haben gemeinsam gute Lösungen erarbeitet. Ich möchte mich auch bei Kollegin Götze sehr herzlich bedanken, die uns in sehr kooperativer Form unterstützt hat, dass wir gemeinsam eine Lösung im Sinne der Genossenschaften finden.
Es ist schon angesprochen worden: Österreich hat über 1 800 Genossenschaften, die sehr erfolgreich wirtschaften. Vielleicht ist das gar nicht so bekannt: Eine der berühmtesten Genossenschaften ist die APA, die Austria Presse-Agentur, aber auch die Murauer Brauerei ist eine Genossenschaft. (Heiterkeit bei ÖVP und SPÖ).
Das Feld der Genossenschaften ist also breit gesät. Genossenschaften sind eine wesentliche Form des Wirtschaftens. Das Genossenschaftswesen ist eine Wirtschaftsform und sie feiert in Wahrheit eine Renaissance, denn gerade auch durch unseren Beitrag dazu – dass wir das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz im Parlament geschaffen haben und Energiegemeinschaften diese Möglichkeit geben – eignen sich Genossenschaften hervorragend, um Energiegenossenschaften zu gründen.
Jetzt komme ich zu dem entscheidenden Punkt, nämlich zu diesen Vereinen. Warum haben wir dabei angesetzt, dass die Umwandlung von Vereinen in Genossenschaften möglich ist? – Damit nicht jeder am Anfang, wenn er eine Energiegemeinschaft gründen will, gleich eine Genossenschaft gründen muss, weil das natürlich auch mit Kosten verbunden ist, wie die der Revision, also des Risikomanagements. Da ist es gut, dass man am Anfang einen Verein hat, den schön langsam wachsen lässt und ihn dann in eine Genossenschaft überführt. Das machen wir nun ein bisschen einfacher. Es ist nicht so, dass man zuerst den Verein auflösen muss und dann eine Genossenschaft gründen muss, sondern das Gesetz gibt die Möglichkeit, dass man den Verein in eine Genossenschaft umwandelt. Sie sehen also: Wir beschäftigen uns sehr mit praxisnahen Lösungen und das ist eine dieser praxisnahen Lösungen.
Genossenschaften sind eben, wie ich immer sage, eine moderne Form des kooperativen Wirtschaftens. Sie sind nicht dazu da, um die Gewinne irgendwo an Shareholder abzuliefern, sondern Genossenschaften wirtschaften in der Region, kommen den Menschen in der Region und den Regionen zugute. Mit diesem Gesetz schaffen wir also eine klassische Win-win-Situation. – Danke
vielmals allen, die dazu beigetragen haben. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Schwarz.)
15.27
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Zopf. – Bitte.
Abgeordnete Bettina Zopf (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher auf der Galerie und zu Hause vor den Fernsehbildschirmen! Am Samstag zu Mittag, um 12 Uhr, wenn die Sirene heult, sagt meine Tochter zu mir: Mama, das Lagerhaus sperrt zu! (Heiterkeit bei ÖVP und SPÖ.) Auch das Lagerhaus ist eine Genossenschaftsform – eine Genossenschaftsform, die wirtschaftlich handelt. (Abg. Leichtfried: Habt ihr das jeden Samstag?)
Es gibt aber natürlich unterschiedliche Handlungsformen von Genossenschaften. Ich war zum Beispiel zehn Jahre Geschäftsführerin der Einforstungsgenossenschaft, und die verfolgt soziale Zwecke (Abg. Kucher: Fast sozialistisch!), sie vertritt die Interessen ihrer Mitglieder und schaut, dass die Rechte – das sind Weide- und Holzbezugsrechte – erhalten bleiben.
Genossenschaften gibt es seit 1849. 2020 hat der ÖVP-Bürgermeister Alfred Mayr in St. Stefan-Afiesl eine Bürgergenossenschaft gegründet. Was verfolgt er mit dieser Bürgergenossenschaft? – Er hat über die Genossenschaft das Wirtshaus gekauft – der Wirt hat nicht mehr weitergemacht –, hat dort mit der Genossenschaft dieses Haus umgebaut, ein Veranstaltungszentrum gemacht. Es gibt dort nun auch einen Nahversorger und diese Genossenschaft führt auch ein Wirtshaus. Eine Genossenschaft kann also auch kulturelle Interessen verfolgen.
Es ist von den Vorrednern schon eingehend erwähnt worden, dass es auch dazu dienen soll, dass Energiegemeinschaften, die vielleicht als Vereine gegründet
worden sind und dann vielleicht mehr wirtschaftliche Interessen verfolgen und bessere Rahmenbedingungen brauchen, ganz einfach ins Genossenschaftswesen wechseln können. Sie müssen nicht mehr den Verein auflösen und eine Genossenschaft neu gründen, sondern sie können den Bestand einfach umwandeln.
Was einer nicht schaffen kann, das schaffen nur viele, hat Friedrich Wilhelm Raiffeisen schon zum Genossenschaftswesen gesagt. (Zwischenruf des Abg. Loacker.) Da möchte ich mich an vorderster Front ganz herzlich bei Peter Haubner bedanken, dass er dieses Gesetz in dieser Form umgewandelt hat und das auch konsequent verfolgt hat. (Beifall bei der ÖVP.)
Im Gegensatz zu den Genossinnen und Genossen werden Genossenschaften derzeit immer mehr (Heiterkeit bei ÖVP und SPÖ) – ein Erfolgskonzept, das seinesgleichen sucht. (Beifall bei der ÖVP.)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist damit geschlossen.
Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.
Wir kommen daher zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 2622 der Beilagen.
Wer dafür ist, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist jetzt – stimmt Frau Dr. Rössler auch mit? – einstimmig angenommen.
Wir kommen zur dritten Lesung.
Das ist auch in dritter Lesung einstimmig angenommen.
Bericht des Justizausschusses über den Antrag 4131/A der Abgeordneten Lukas Hammer, Andreas Ottenschläger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wohnungseigentumsgesetz 2002 geändert wird (2623 d.B.)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 15.
Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Schrangl, bei ihm steht das Wort. – Bitte sehr, Herr Abgeordneter. (Abg. Leichtfried: Könnte die Kollegin Zopf noch einmal sprechen? – Heiterkeit bei der SPÖ.)
Abgeordneter Mag. Philipp Schrangl (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie und zu Hause! Wir sprechen heute über das Wohnungseigentumsgesetz. Das klingt ein bisschen sperrig, wir sprechen eigentlich über die sogenannten Balkonkraftwerke. Angebote für Balkonkraftwerke schießen ja wie Pilze aus dem Boden: Jeder kann oder jeder sollte sich eines auf seinem Balkon montieren oder auf das Dach. – So einfach ist das aber gar nicht.
Die Regierungsparteien haben es auch leider nicht geschafft, uns den Antrag fristgerecht im Ausschuss vorzulegen. Im Ausschuss hatten wir noch einen Platzhalter dafür, wo nur ein „wird“ durch ein „werden“ verändert worden ist. Und das, finden wir, ist keine gute parlamentarische Praxis.
Gestern ist uns dann noch der Abänderungsantrag vorgelegt worden, wo man eben herausgefunden hat, was wir eh vorher schon durch den Flurfunk gehört haben: dass es sich dabei um die Balkonkraftwerke handelt. Uns geht dieser Antrag ein bisschen zu wenig weit. Wir hätten ganz gerne gehabt, dass es überhaupt eine Änderung der Zustimmungsvoraussetzungen im Wohnungseigentumsgesetz gibt. Diese Insellösung – diese Minimallösung, so muss man eigentlich sagen –, dass die Balkonkraftwerke plötzlich auch gegen die Zustimmung der Nachbarn aufgehängt werden können, ist für uns nicht vorstellbar.
Überlegen Sie nur, wie viele Menschen gerne keine Satellitenschüsseln auf den Häusern haben, und jetzt machen wir das Gleiche mit den Balkonkraftwerken. –
Ja, wir finden das nicht zielführend, wiewohl es auch in meiner Fraktion Zustimmung zu den Balkonkraftwerken gibt.
Ich möchte noch etwas dazusagen, bevor alle Menschen glauben, dass es so toll ist, sich ein Balkonkraftwerk auf den Balkon zu hängen. Ja, es macht Spaß, Teil der Energiewende zu sein, man hat auch Spaß an der eigenen Stromerzeugung, aber ich weiß nicht, ob sich der Ärger mit den Nachbarn da auszahlt. Bitte vergessen Sie auch nicht, solch ein Balkonkraftwerk amortisiert sich – das heißt, rechnet sich – nach Aussage des Vereins für Konsumenteninformation und des Magazins „Konsument“ erst nach circa zehn bis zwölf Jahren. Das alles sollte man einfach mitbedenken. Und, meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn Sie das machen, achten Sie bitte auf Zertifizierungen und auf die notwendige Sorgfalt, denn auch mit solch einem Balkonkraftwerk wird Strom produziert und das ist potenziell gefährlich.
Das war es zum Tagesordnungspunkt, und da das meine letzte Rede im Nationalrat ist, möchte ich noch Folgendes sagen: Ich bin seit 2014 Bautensprecher meiner Fraktion und habe Opposition und Regierungsverantwortung erlebt.
Ich bedanke mich bei meiner Kollegin Ruth Becher herzlich für ihre jahrelange Vorsitzführung im Bautenausschuss – Kollegin Steinacker hat ja auch angekündigt, sich zurückzuziehen. Ruth Becher ist seit 2007 Obfrau des Bautenausschusses, und ich möchte mich gerne von diesem Pult aus auch für meine Fraktion für deine Arbeit bedanken, für deine gute und korrekte Vorsitzführung und für deine gute und korrekte Arbeit.
Und für eines möchte ich mich besonders bedanken: Du hast mir zu einem meiner zwei größten Erfolge hier im Nationalrat verholfen: Mit dir gemeinsam habe ich die Abschaffung der Mietvertragsgebühr für Wohnraum durchgesetzt. Herzlichen Dank, liebe Ruth. (Beifall bei FPÖ und SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)
Ganz auf der anderen Seite hier im Saal sitzt eine zweite Persönlichkeit, bei der ich mich auch sehr herzlich bedanken möchte und die auch ihren Abschied vom Hohen Haus nehmen wird: Johann Singer von der ÖVP. – Mit dir habe ich Regierungsverhandlungen geführt und mit dir habe ich einen zweiten herausragenden Erfolg erreicht, der nicht nur für uns ein Erfolg war, sondern, wie ich glaube, auch für die Österreicherinnen und Österreicher, und der auch mit dem vorherigen Punkt etwas zu tun hat, nämlich mit den Genossenschaften: Wir haben mit der Novelle des Gemeinnützigkeitsgesetzes 2019 die Gemeinnützigkeit in die Zukunft geführt. Wir haben die Gemeinnützigkeit abgesichert, haben geschaut, dass leistbarer Wohnraum nicht verschleudert wird, sondern weiterhin den Österreicherinnen und Österreichern zur Verfügung gestellt wird.
Lieber Hans, auch dir alles Gute für deine weitere Zukunft. Herzlichen Dank für die vielen Jahre, die du hier im Nationalrat für die Österreicherinnen und Österreicher gearbeitet hast. (Beifall bei FPÖ, ÖVP und SPÖ, bei Abgeordneten der Grünen sowie des Abg. Loacker.)
Einen kleinen Wermutstropfen habe ich noch: Seit ich hier im Haus bin, hat jede Regierung ein neues Mietrecht versprochen. Auch ich habe es leider in der kurzen Zeit, in der ich Abgeordneter einer Regierungspartei war, nicht geschafft, ein neues Mietrecht auf den Boden zu bringen. Das wäre aber, glaube ich, ein Punkt, den sich die nächsten Regierungen in ihr Regierungsprogramm schreiben sollten.
Die Bürgerinnen und Bürger haben sich ein Mietrecht verdient, das sie lesen und verstehen können. Sie haben sich ein Mietrecht verdient, in dem nicht der ökologisch und auch bautechnisch schlechteste Wohnungsbestand, nämlich jener der Sechzigerjahre, zum meisten Profit führt. Daher – und auch das hat Ruth Becher mit ihrem Universalmietrecht ja angestoßen – sollte ein Heraussanieren aus der starren Grenze 8. Mai 1945 möglich sein. Es gibt einen Konsens aller Parteien hier im Nationalrat, das umzusetzen. Leider ist es uns in der Gesamtheit noch nicht gelungen.
Nach elf Jahren im Nationalrat darf ich mich zurückziehen. Mit 39 Jahren möchte ich und muss ich mich auch mehr auf meinen gelernten Beruf konzentrieren. Erlauben Sie mir zum Abschluss, mich zu bedanken für die ausgezeichnete Arbeit der Parlamentsdirektion, aller Referenten, insbesondere meiner Referenten, meines Referenten im Justiz- und auch im Bautenausschuss, Heimo Probst, aber natürlich auch bei allen anderen Referenten, Christian Götz von der Sozialdemokratie und Isolde Thornton von der ÖVP – herzlichen Dank für eure ausgezeichnete Arbeit! (Beifall bei FPÖ, ÖVP und SPÖ sowie bei Abgeordneten der Grünen.)
Ich habe im Parlament über alle Fraktionen hinweg interessante, sehr intelligente Personen kennengelernt, die alle für ihre Version eines besseren Österreich kämpfen. Den Weg dorthin – und das ist, meine sehr verehrten Damen und Herren, Demokratie – gestalten die Parteien und Fraktionen nach ihren Vorstellungen.
Ich wünsche am Ende dieser Legislaturperiode jenen von Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren, die dem nächsten Hohen Haus nicht mehr angehören werden, alles Gute für ihren weiteren Lebensweg. Allen anderen, die auch in der nächsten Legislaturperiode im Hohen Haus sein werden, wünsche ich weiterhin viel Kraft, für dieses Österreich zu arbeiten, viel Erfolg!
Und dir, liebe Frau Bundesminister, wünsche ich alles Gute für deine Familie und auch für deinen weiteren politischen Lebensweg.
Ich hoffe, dass ich alle von Ihnen hier oder dort wieder einmal treffe. – Danke schön. (Allgemeiner Beifall.)
15.38
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Hammer. – Bitte.
15.38
Abgeordneter Lukas Hammer (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Schrangl, ich wünsche dir für dein Leben nach der Politik persönlich alles, alles Gute! Und vielen Dank auch für die wertschätzenden Worte. Ich glaube, es täte uns allen gut, wenn wir diese wertschätzende Art auch während der Legislaturperiode mehr leben könnten.
Es ist schon erwähnt worden, es geht heute um ein Anliegen, das viele Bürgerinnen und Bürger haben, nämlich sich ein Balkonkraftwerk auf den eigenen Balkon oder die Terrasse, sofern man das hat, zu montieren. Das ist eine kleine Fotovoltaikanlage, mit der man Strom erzeugen kann, unter 800 Watt. Kollege Schrangl hat es ja angesprochen, es ist nicht besonders groß, aber so klein ist es auch nicht.
Mit ungefähr 800 Watt reicht der Strom von der Menge her aus, um den Kühlschrank und die Waschmaschine über das Jahr hinaus zu betreiben – wie gesagt: von der Menge.
Weil du (in Richtung Abg. Schrangl) gesagt hast, es amortisiert sich erst nach zehn Jahren: Das heißt, nach zehn Jahren bekommt man für viele, viele Jahre von der Sonne gratis Strom. Das ist etwas Gutes und das ist ein Traum, den sich viele Menschen in Österreich erfüllen möchten.
Ich bekomme allerdings sehr, sehr viele Zuschriften von Bürgerinnen und Bürgern, die sich so ein Balkonkraftwerk kaufen wollen, das man ganz einfach bei der Steckdose anstecken kann – allerdings vorzugsweise mithilfe eines Elektrikers –, das aber nicht können. Wenn man in einer Eigentumswohnung wohnt, in einer Eigentümergemeinschaft, dann müssen – ich habe gerade letztens wieder eine Zuschrift aus Attnang-Puchheim bekommen – aktiv alle Miteigentümer:innen zustimmen. Es reicht aus, wenn auch nur ein einziger Miteigentümer oder eine einzige Miteigentümerin gar nicht antwortet – schon gilt das als nicht zugestimmt und die Fotovoltaikanlage ist verunmöglicht.
Mit dem heutigen Beschluss machen wir Schluss mit diesem Ärgernis für viele Bürgerinnen und Bürger, weil wir eine neue Regelung im Wohnungseigentumsgesetz einführen: dass die Zustimmung bereits gilt, wenn die anderen Wohnungseigentümer informiert werden und man innerhalb von zwei Monaten keine Antwort bekommt. Zusätzlich ist die Zustimmung auch vereinfacht, weil wir Balkonkraftwerke im Wohnungseigentumsgesetz als privilegierte Änderung festlegen.
Das ist eine sehr gute Nachricht; deswegen bringe ich den gesamtändernden Abänderungsantrag ein, den ich aufgrund seiner Kürze verlesen muss:
Gesamtändernder Abänderungsantrag
der Abgeordneten Lukas Hammer, Johann Singer, Kolleginnen und Kollegen
zum Bericht des Justizausschusses über den Antrag 4131/A der Abgeordneten Lukas Hammer, Andreas Ottenschläger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wohnungseigentumsgesetz 2002 geändert wird (2623 d. B.)
Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:
„Bundesgesetz, mit dem das Wohnungseigentumsgesetz 2002 geändert wird
Der Nationalrat hat beschlossen:
Das Bundesgesetz über das Wohnungseigentum (Wohnungseigentumsgesetz 2002 – WEG 2002), BGBI. I Nr.70/2002, zuletzt geändert durch BGBI. I Nr. 222/2021, wird wie folgt geändert:
1. In § 16 Abs. 2 Z 2 werden nach dem Wort „Fahrzeugs“ ein Beistrich und die Wortfolge „einer Photovoltaikanlage am Balkon oder an der Terrasse zur Versorgung des Wohnungseigentumsobjekts“ eingefügt.
2. In § 16 Abs. 5 wird nach der Wortfolge „der Anbringung einer Solaranlage an einem als Reihenhaus oder Einzelgebäude errichteten Wohnungseigentumsobjekt,“ die Wortfolge „der Anbringung einer steckerfertigen Photovoltaik-Kleinsterzeugungsanlage am Balkon oder an der Terrasse,“ eingefügt.
3. Nach dem § 58g wird folgender § 58h samt Überschrift eingefügt:
„Inkrafttretensbestimmung zum Bundesgesetz BGBl. I Nr. xxx/2024
§ 58h. § 16 Abs. 2 und 5 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xxx/2024 tritt mit 1. September 2024 in Kraft.““
*****
Heute ist somit ein sehr guter Tag für die Energiewende, weil wir die Errichtung von Balkonkraftwerken wesentlich erleichtern. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen.)
15.43
Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:
Gesamtändernder Abänderungsantrag
der Abgeordneten Lukas Hammer, Johann Singer,
Kolleginnen und Kollegen
zum Bericht des Justizausschusses über den Antrag 4131/A der Abgeordneten Lukas Hammer, Andreas Ottenschläger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wohnungseigentumsgesetz 2002 geändert wird (2623 d.B.)
Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:
„Bundesgesetz, mit dem das Wohnungseigentumsgesetz 2002 geändert wird
Der Nationalrat hat beschlossen:
Das Bundesgesetz über das Wohnungseigentum (Wohnungseigentumsgesetz 2002 – WEG 2002), BGBl. I Nr.70/2002, zuletzt geändert durch BGBI. I Nr. 222/2021, wird wie folgt geändert:
1. In § 16 Abs. 2 Z 2 werden nach dem Wort „Fahrzeugs“ ein Beistrich und die Wortfolge „einer Photovoltaikanlage am Balkon oder an der Terrasse zur Versorgung des Wohnungseigentumsobjekts“ eingefügt.
2. In § 16 Abs. 5 wird nach der Wortfolge „der Anbringung einer Solaranlage an einem als Reihenhaus oder Einzelgebäude errichteten Wohnungseigentumsobjekt,“ die Wortfolge „der Anbringung einer steckerfertigen Photovoltaik-Kleinsterzeugungsanlage am Balkon oder an der Terrasse,“ eingefügt.
3. Nach dem § 58g wird folgender § 58h samt Überschrift eingefügt:
„Inkrafttretensbestimmung zum Bundesgesetz BGBl. I Nr. xxx/2024
§ 58h. § 16 Abs. 2 und 5 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xxx/2024 tritt mit 1. September 2024 in Kraft.““
Begründung
Viele Wohnungseigentümer und Wohnungseigentümerinnen wollen ihren Balkon oder ihre Terrasse für die Anbringung von Photovoltaikanlagen nützen, um einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten und ihre Stromrechnung zu entlasten.
Wenn dadurch eine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen anderer Wohnungseigentümer oder Wohnungseigentümerinnen möglich ist, ist das aber nur mit Zustimmung aller anderen zulässig; diese Zustimmung kann unter bestimmten Voraussetzungen gerichtlich ersetzt werden.
Mit diesem Entwurf sollen Erleichterungen bei der Erlangung der Zustimmung geschaffen werden, indem in bestimmten Fällen eine Zustimmung schon dann
als erteilt gilt, wenn die anderen Wohnungseigentümer und Wohnungseigentümerinnen ordnungsgemäß verständigt werden und niemand der geplanten Maßnahme widerspricht (§ 16 Abs. 5).
Überdies sollen die Voraussetzungen für die gerichtliche Ersetzung der Zustimmung gelockert werden (§ 16 Abs. 2 Z 2).
Zu Z 1 (§ 16 Abs. 2)
Wenn bei einer beabsichtigten Änderung nach § 16 auch allgemeine Teile der Liegenschaft in Anspruch genommen werden sollen, dann muss die Änderung nach § 16 Abs. 2 Z 2 entweder der Übung des Verkehrs entsprechen oder einem wichtigen Interesse des Wohnungseigentümers bzw. der Wohnungseigentümerin dienen, damit eine nicht erteilte Zustimmung gerichtlich ersetzt werden kann. Bei bestimmten, im zweiten Satz von § 16 Abs. 2 Z 2 angeführten „privilegierten“ Änderungen gelten diese Voraussetzungen jedenfalls als erfüllt.
Im Fall der Anbringung von Photovoltaikanlagen werden allgemeine Teile in Anspruch genommen, regelmäßig auch bei der Anbringung von „Balkonkraftwerken“, soweit diese am Balkongeländer montiert werden sollen.
Wenn die Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer und Wohnungseigentümerinnen für die Anbringung einer Photovoltaikanlage nicht erlangt werden kann, ist eine der Voraussetzungen für eine gerichtliche Ersetzung dieser Zustimmung demnach, dass die geplante Änderung entweder der Übung des Verkehrs entspricht oder einem wichtigen Interesse des Wohnungseigentümers bzw. der Wohnungseigentümerin dient. Es ist aber nicht geklärt, in welchen Fällen im Zusammenhang mit Photovoltaikanlagen vom Vorliegen dieser Voraussetzungen ausgegangen werden kann.
Diese Unklarheit soll in einem Teilbereich dadurch beseitigt werden, dass das Anbringen bestimmter Photovoltaikanlagen in § 16 Abs. 2 Z 2 als privilegierte Änderung verankert wird. Diese Privilegierung soll für Photovoltaikanlagen gelten, die ein Wohnungseigentümer bzw. eine Wohnungseigentümerin im Rahmen
einer Änderung nach § 16 am Balkon oder an der Terrasse seines bzw. ihres Wohnungseigentumsobjekts anbringen möchte und deren Zweck die Versorgung des Wohnungseigentumsobjekts ist. Hinsichtlich des Anbringungsorts ist die Privilegierung also auf Bereiche eingeschränkt, die ausschließlich von dem änderungswilligen Wohnungseigentümer bzw. der änderungswilligen Wohnungseigentümerin genutzt werden können. Überdies setzt die Privilegierung voraus, dass die Photovoltaikanlage nicht größer dimensioniert ist, als es die Versorgung des Wohnungseigentumsobjekts erfordert. Unter diesem Aspekt unverhältnismäßig große Anlagen sollen von der Privilegierung ebenso wenig erfasst sein wie Anlagen, die etwa an Allgemeinflächen am Dach angebracht werden sollen.
Die Privilegierung besteht im Übrigen nur, „sofern der Anschluss an eine bestehende Einrichtung nicht möglich oder nicht zumutbar ist“. Diese bereits jetzt in § 16 Abs. 2 Z 2 für bestimmte Maßnahmen bestehende Einschränkung kann die Errichtung einer Photovoltaikanlage etwa dann von einer Privilegierung ausnehmen, wenn bereits eine Gemeinschaftsanlage besteht.
Wenn diese Anforderungen vorliegen, soll bei Photovoltaikanlagen die Erfüllung der Voraussetzungen „der Übung des Verkehrs entsprechend“ bzw. „dem Interesse des Wohnungseigentümers dienend“ nicht im Einzelfall geprüft werden müssen.
Die gerichtliche Ersetzung einer nicht erteilten Zustimmung setzt – wie bei allen privilegierten Änderungen – auch bei Photovoltaikanlagen zudem nach § 16 Abs. 2 Z 1 voraus, dass die Änderung weder eine Schädigung des Hauses noch eine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der anderen Wohnungseigentümer bzw. Wohnungseigentümerinnen zur Folge hat. Durch diese Anforderungen ist gewährleistet, dass trotz der Privilegierung auch die Interessen der anderen gewahrt bleiben. Diese Anforderungen können einer gerichtlichen Ersetzung der Zustimmung beispielweise im Zusammenhang mit der Blendwirkung der Photovoltaikpaneele oder im Zusammenhang mit der Belastung der Leitungskapazitäten entgegenstehen. Auch auf die in § 16 Abs. 2 Z 1 explizit genannte Beeinträchtigung der äußeren Erscheinung des Hauses wird bei Photovoltaikanlagen Bedacht zu nehmen sein.
Zu Z 2 (§ 16 Abs. 5)
Für bestimmte Fälle gilt die Zustimmung eines Wohnungseigentümers bzw. einer Wohnungseigentümerin zu nach § 16 geplanten Änderungen schon dann als erteilt, wenn er bzw. sie von der geplanten Änderung durch Übersendung auf die in § 24 Abs. 5 bestimmte Weise verständigt worden ist und der Änderung nicht innerhalb von zwei Monaten nach Zugang der Verständigung widerspricht. In der Verständigung muss die geplante Änderung klar und verständlich beschrieben und müssen die Rechtsfolgen des Unterbleibens eines Widerspruchs genannt werden.
Derzeit ist eine solche „Zustimmungsfiktion“ für Photovoltaikanlagen (und Solarthermieanlagen) nur vorgesehen, wenn sie an einem als Reihenhaus oder Einzelgebäude errichteten Wohnungseigentumsobjekt angebracht werden sollen.
Von einer vergleichbaren Situation kann dann ausgegangen werden, wenn eine Photovoltaikanlage an einem Balkon oder an einer Terrasse angebracht werden soll, weil auch in diesen Fällen die für die Anbringung verwendete Fläche für die Nutzung durch andere Wohnungseigentümer oder Wohnungseigentümerinnen nicht in Betracht käme.
Deshalb soll die Möglichkeit der Zustimmungsfiktion auf die Anbringung einer Photovoltaikanlage am Balkon oder an der Terrasse ausgedehnt werden. Freilich sind davon nur Balkone oder Terrassen erfasst, für die dem änderungswilligen Wohnungseigentümer bzw. der änderungswilligen Wohnungseigentümerin ein ausschließliches Nutzungsrecht zukommt. Darüber hinaus soll die Möglichkeit der Zustimmungsfiktion nur für solche Photovoltaikanlagen am Balkon bzw. an der Terrasse vorgesehen werden, die „steckerfertig“ sind und den Anforderungen für „Kleinsterzeugungsanlagen“ entsprechen. Davon sind die häufig als „Balkonkraftwerke“ bezeichneten Photovoltaikanlagen erfasst, die der Definition von „Kleinsterzeugungsanlagen“ im ElWOG 2010 entsprechen und die demnach eine Engpassleistung von weniger als 0,8 kW haben (§ 7 Abs. 1 Z 32a ElWOG 2010). Die im ElWOG 2010 vorgegebene Höchstgrenze von 0,8 kW darf pro Wohnungseigentumsobjekt – auch wenn mehrere
solcher Anlagen (beispielsweise an mehreren Balkonen des Wohnungseigentumsobjekts) angebracht werden sollen – nicht überschritten werden, wenn eine Zustimmungsfiktion in Anspruch genommen werden soll. Gleichzeitig muss die Anlage „steckerfertig“ sein, also an eine – bereits vorhandene – Steckdose angesteckt werden können. Es kann davon ausgegangen werden, dass das Anbringen von „Balkonkraftwerken“ mit diesen Einschränkungen im Regelfall keine Nachteile für die anderen Wohnungseigentümer und Wohnungseigentümerinnen hat, sodass dafür die Möglichkeit der Zustimmungsfiktion geschaffen werden soll.
Für Photovoltaikanlagen, die nicht in einem ausschließlich dem jeweiligen Wohnungseigentümer bzw. der jeweiligen Wohnungseigentümerin zugeordneten Bereich errichtet werden sollen, soll die Möglichkeit einer Zustimmungsfiktion ebenso wenig bestehen wie für Anlagen, die nicht an eine vorhandene Steckdose angesteckt werden oder die die für Kleinsterzeugungsanlagen vorgesehenen Grenzen überschreiten. Grundsätzlich wäre es nämlich wünschenswert, wenn das gemeinschaftliche Dach durch eine Gemeinschaftsanlage genutzt wird, weshalb die Dachfläche nicht für Einzelanlagen einzelner Wohnungseigentümer oder Wohnungseigentümerinnen „verbraucht“ werden sollte, und für eine solche Nutzung auch die notwendigen Leitungskapazitäten zur Verfügung stehen. Deshalb sollen die Nutzung solcher Flächen durch einzelne Wohnungseigentümer oder Wohnungseigentümerinnen und das Anbringen größerer Anlagen durch einzelne nicht im Wege einer Zustimmungsfiktion im Besonderen gefördert werden. Soweit größere Anlagen aber am Balkon oder an der Terrasse angebracht werden sollen, wird die neu geschaffene Privilegierung bei der gerichtlichen Ersetzung der Zustimmung nach § 16 Abs. 2 Z 2 in Anspruch genommen werden können.
*****
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Abänderungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.
Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Becher. – Bitte sehr, Frau Abgeordnete.
15.43
Abgeordnete Mag. Ruth Becher (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Legislaturperiode neigt sich dem Ende zu, und daher ist es auch Zeit, unter Berücksichtigung des vorliegenden Antrages Bilanz über die Wohnpolitik zu ziehen: Wo stehen wir heute, Mitte 2024, nach viereinhalb Jahren schwarz-grüner Regierung?
Wir haben die größten Mietsteigerungen seit Einführung des Mietrechtsgesetzes erlebt. Gleichzeitig ist der Wohnungsneubau de facto zusammengebrochen. Immer mehr Menschen sind armutsgefährdet, und armutsgefährdete Menschen zahlen zum Teil bis zu 40 Prozent ihres Einkommens fürs Wohnen. Das ist wesentlich mehr als im EU-Durchschnitt.
Ich weiß nicht: Ist das vielen von Ihnen egal? Als SPÖ haben wir einen Mietpreisstopp bis 2026 angeboten, ÖVP und Grüne haben hingegen Mietzinserhöhungen mit einer Automatik von 2,5 Prozent pro Jahr, also knapp unter der allgemeinen Inflation, festgeschrieben.
Man kann auch einfach genug Wohnungen bauen lassen, so wie es die SPÖ während der Coronakrise gefordert und verlangt hat. Dann würden jetzt Zigtausende Wohnungen fertiggestellt werden, finanziert mit einem Kredit mit 0 Prozent Zinsen, der zum Teil schon gratis abbezahlt wäre, weil die Inflation ja die Kredite aufgefressen hätte. ÖVP und Grüne haben beschlossen, das Geld für neue Wohnungen zum Zeitpunkt höchstmöglicher Zinsen aufzunehmen. Diese Wohnungen sind weniger leistbar und sie sorgen sogar für ein enormes Budgetdefizit.
Was bringt also dieser letzte wohnrechtliche Antrag von ÖVP und Grünen vor der Sommerpause? – Das Recht auf ein Balkonkraftwerk. Sie dürfen jetzt ein Solarpaneel über die Brüstung hängen. Was sparen Sie damit an Stromkosten? – Zum Beispiel: Bei einem österreichischen Anbieter mit stromabhängigen Tarifen hat heute um 9 Uhr 1 Kilowattstunde 1,85 Euro gekostet, ab 10 Uhr unter
1 Cent und zwischen 12 und 13 Uhr war der Strom gratis; am teuersten ist der Strom mit 8,69 Cent um 21 Uhr.
Wir befürworten natürlich dieses Recht auf ein Balkonkraftwerk. Da sich die Kosten für so ein Balkonkraftwerk aber aus heutiger Sicht kaum wirklich amortisieren, bleibt dieser Bundesregierung das Argument, den Menschen bei den Wohnkosten mehr als keine finanzielle Entlastung zu bieten. (Abg. Lukas Hammer: Häh? Was hat - -! – Abg. Stögmüller: Weil besonders der Strom... ...preise weitergibt ...! ... die Einspeisung ...!) Das ist sehr wenig. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)
15.47
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gelangt Abgeordneter Singer. – Bitte sehr, Herr Abgeordneter.
Abgeordneter Johann Singer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! PV-Balkonmodule stellen mittlerweile einen wesentlichen Baustein für erneuerbaren Strom dar, und wenn man sich die Meldungen der Netzbetreiber und die Schätzungen betreffend jene anschaut, die die Anlage sozusagen nicht angemeldet haben, dann kommt heraus, dass wir österreichweit bereits mehrere Zehntausend PV-Balkonanlagen in Betrieb haben.
Daher ist es aus meiner Sicht gerechtfertigt, auch in Wohnungseigentumsanlagen eine vereinfachte Form der Montage von Balkonmodulen zu schaffen. Genau das tun wir mit der heutigen Beschlussfassung.
Sehr geehrte Damen und Herren, einen zweiten Bereich möchte ich noch ansprechen: Im Zuge der Diskussion über die Balkonkraftwerke haben wir uns auch mit dem Thema Glasfaserkabel in Wohnungseigentumsanlagen beschäftigt und versucht, zu klären, ob dieses Thema noch eine zusätzliche legistische Regelung braucht oder ob das Wohnungseigentumsgesetz in der
letzten Novelle schon eine entsprechende Regelung vorgesehen hat beziehungsweise diese Regelung auch Geltung hat.
Aus Stellungnahmen von Experten und Expertinnen können wir nun davon ausgehen, dass die Einleitung von Glasfaserkabeln in Wohnungen von Wohnungseigentumsanlagen ohne Zustimmung der Miteigentümer der Anlage bereits in § 16 Abs. 2 Z 2 des Wohnungseigentumsgesetzes Deckung findet und daher keine Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes notwendig ist.
Sehr geehrte Damen und Herren, ich ersuche, der Abänderung des Wohnungseigentumsgesetzes die Zustimmung zu geben. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)
15.49
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Litschauer. – Bitte.
Abgeordneter Ing. Martin Litschauer (Grüne): Sehr geehrte Frau Ministerin! Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Vor über zwei Jahrzehnten war ich bei der Gründung des Waldviertler Energiestammtisches dabei. Wir haben damals für die Aufklärungsarbeit, die wir im Bereich der erneuerbaren Energien geleistet haben, den Solarpreis bekommen. Als wir den Solarpreis bekommen haben – das ist jetzt über 20 Jahre her –, haben wir bereits einen sogenannten Solarzwerg mitgehabt; so wurde das damals genannt. Das heißt, die Technik der Balkonkraftwerke ist über 20 Jahre alt und wir könnten die schon sehr, sehr lange nutzen.
Als wir das Regierungsprogramm verhandelt haben, habe ich das schon als Punkt eingebracht, weil die Anbringung solcher kleinen Solarkraftwerke einfach und ganz wichtig ist. Gerade in der Krise, als die Strompreise nach oben gegangen sind, wäre das eigentlich schon eine sehr gute Antwort gewesen, nur leider waren viele darauf eben nicht vorbereitet. Bei Stromkosten von 50 Cent, die wir
da teilweise erlebt haben, rechnen sich solche kleinen Kraftwerke innerhalb von zwei, drei Jahren.
Das wäre also ein enormer Vorteil gewesen, nur leider wurde das behindert. Im Artikel der Zeitschrift „Konsument“ des VKI gibt es die Zwischenüberschrift: „Ich schraube ja kein Atomkraftwerk an meine Balkonbrüstung“. Im Artikel erfährt man, wie es manches Mal schwierig gemacht wird, so etwas überhaupt zu montieren, und nicht nur von Mitbewohnern – diese Einsprüche gibt es. Das stellen wir ab, indem jetzt nur mehr angezeigt werden muss, genauso wie es beim Energieversorger einfach nur gemeldet werden muss.
Dass dann aber Hauseigentümer sagen, sie brauchen statische Gutachten für Anlagen, die nur wenige Kilo wiegen, ist einfach übertrieben. Da wird es den Menschen unnötigerweise schwer gemacht, Ökostrom selber zu produzieren. Ein Blumenkistl, das doppelt und dreimal so schwer ist, kann jederzeit montiert werden, und bei Balkonkraftwerken braucht man plötzlich statische Gutachten. Diese Bürokratie verstehe ich überhaupt nicht, dass man versucht, den Menschen alles in den Weg zu legen, damit die Energiewende nur ja nicht voranschreitet, damit sich die Menschen den Strom nicht selber machen.
Weil das Thema Atomkraftwerk schon angesprochen worden ist: Das ist eigentlich die beste Möglichkeit, um zu verhindern, dass Atomstrom in der eigenen Wohnung ankommt. Solange das Solarkraftwerk nämlich den Strom produziert, kommt der Atomstrom weder physisch in der Wohnung an noch auf der Stromrechnung. Das ist in dem Sinn ein doppelter Nutzen.
Diese steckerfertigen Kraftwerke können relativ einfach montiert werden. Sie sind elektrotechnisch geprüft und deswegen auch nicht wirklich gefährlich. Es ist ein elektrisches Gerät, so wie jedes Bügeleisen auch. Es ist geprüft, es ist dafür vorgesehen, in die Steckdose gesteckt zu werden, und mit entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen ausgestattet. Deswegen gibt es auch die technische Grenze von 800 Watt.
Ich kann nur dazu einladen, dass wir in Zukunft viele, viele dieser Kraftwerke montieren, und das möglichst schnell, und dass da auch alle mithelfen und nicht blockieren. (Beifall bei den Grünen.)
15.52
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Arlamovsky. – Bitte.
Abgeordneter MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Inhaltlich stimmen wir diesem Antrag zu. Wir finden, dass es eine gute Idee ist, dass die Balkonsolarkraftwerke in den Katalog der privilegierten Änderungen in § 16 WEG aufgenommen werden. Balkonsolarkraftwerke können nämlich abgesehen davon, dass sie den Stromverbrauch aus dem Netz reduzieren, auch dazu verwendet werden, dass man sich im Fall von längerfristigen Stromausfällen, wenn man eine Lösung mit einer angeschlossenen Batterie oder einer modular zuschaltbaren Batterie wählt, auch selbst versorgen kann, halt mit den 800 Watt, die das Kraftwerk bereitstellt.
Wir haben allerdings wieder einmal eine Kritik am parlamentarischen Prozess, der dem Ganzen vorausgegangen ist. Der Beschluss erfolgt wieder auf Basis eines Abänderungsantrages, der in zweiter Lesung hier im Plenum eingebracht worden ist. Es hat nicht einmal dazu gereicht, dass der Abänderungsantrag im Ausschuss als Nutzlast auf die Trägerrakete gesetzt worden wäre, nein, es musste hier im Plenum geschehen. Wenn man sich das Ganze legistisch anschaut: Es wäre wirklich keine Raketenwissenschaft gewesen, das vorher zu beschließen. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)
15.54
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist noch die Frau Bundesminister. – Bitte.
15.54
Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren Abgeordnete! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Bereits seit Längerem befasst sich eine Arbeitsgruppe im Justizministerium mit der Erleichterung klimaschützender Maßnahmen im Wohnrecht. Im Wohnungseigentumsrecht wird beispielsweise überlegt, ob und in welchem Umfang Einzelmaßnahmen von Wohnungseigentümer:innen erleichtert werden sollen, und das aber natürlich mit Augenmaß. Deswegen sind Arbeitsgruppen im Ministerium auch so wichtig: weil man viele verschiedene Interessen zusammenbringen kann.
Es ist wirklich erfreulich, dass es mit dem gegenständlichen Antrag möglich ist, eine dieser wichtigen klimaschützenden Maßnahmen im Rahmen des Wohnrechts zu erleichtern. Es geht dabei eben um die sogenannten Balkonkraftwerke – Sie haben das schon gehört –, kleine Fotovoltaikanlagen am eigenen Balkon oder auf der eigenen Terrasse. Diese können einen entscheidenden Beitrag für mehr persönliche Energieunabhängigkeit leisten, Stromkosten senken und so letztlich auch Geld sparen. Und ganz nebenbei ist natürlich auch der Beitrag zum Ausbau von erneuerbaren Energien entscheidend. Deswegen halte ich das für besonders wichtig. (Beifall bei den Grünen.)
Das Wohnungseigentümerrecht ist halt einfach auch kompliziert und komplex, und es brauchte in solchen Fällen natürlich eine ausdrückliche Zustimmung aller Wohnungseigentümer:innen. Deswegen haben wir da eine Änderung vorgenommen: weil wir gesagt haben, da ist es so wie zum Beispiel bereits bei E-Ladestationen. Es ist schön, dass es jetzt auch für diesen Fall eine sogenannte Zustimmungsfiktion gibt, die ein Anbringen erleichtert. Das heißt, wenn man alle Wohnungseigentümer:innen ordnungsgemäß verständigt und niemand innerhalb von zwei Monaten aktiv widerspricht, dann ist es möglich, eine Fotovoltaikanlage anzubringen.
Ich bin überzeugt davon, dass es uns gelungen ist, eine ausgewogene Regelung zu finden, die die Interessen aller Wohnungseigentümer:innen ausreichend berücksichtigt und dem Klimaschutz dient.
Bei Fotovoltaikanlagen haben wir in den letzten Jahren viel gemacht. Erstens ist die Mehrwertsteuer von 20 Prozent jetzt weg und auch die Förderungen in diesem Bereich sind gestiegen. Es ist also durchaus möglich, eine Fotovoltaikanlage kostengünstiger anzuschaffen, als man das vermuten möchte.
Ich möchte die Gelegenheit meiner Rede auch nutzen, um der Ausschussvorsitzenden des Justizausschusses Michaela Steinacker nochmals herzlich zu danken – herzlich zu danken, weil wir in den letzten viereinhalb Jahren keine einfachen Zeiten hatten, wir hatten Hochs und Tiefs, aber mit dir zusammenzuarbeiten war wirklich ausgezeichnet. Es war immer hart, aber fair, und das schätze ich ganz besonders. Du hast es insbesondere geschafft, den Justizausschuss ausgleichend zu führen und dafür Sorge zu tragen, dass wir im Justizausschuss eine wirklich gute Debattenkultur hatten. Das schätze ich sehr, und es war mir als Justizministerin eine außerordentliche Freude. Ich möchte dir wirklich persönlich nochmals danken, nicht nur für die gute Zusammenarbeit, die immer fair und menschlich war, sondern auch für unsere persönliche Verbundenheit. Ich danke dir wirklich für deinen menschlichen Zugang. Das habe ich in den letzten Jahren sehr geschätzt, insbesondere auch in den letzten Wochen. Dafür noch einmal ein persönliches Dankeschön. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Danke schön.
Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.
Wünscht die Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 2632 der Beilagen. Es liegt ein Abänderungsantrag vor. Daher werde ich zuerst über den Abänderungsantrag abstimmen lassen und dann über das Gesetz.
Ich bitte jene Damen und Herren, die sich für den vorliegenden Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 2623 der Beilagen in der Fassung des gesamtändernden Abänderungsantrages der Abgeordneten Hammer, Singer, Kolleginnen und Kollegen aussprechen, um ein zustimmendes Zeichen.
Wer dafür ist, den ersuche ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit, mit Mehrheit angenommen.
Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.
Wer das auch in dritter Lesung tut, möge mir seine Zustimmung bekunden. – Auch das ist das gleiche Stimmverhalten, damit angenommen.
Sammelbericht des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen über die Petitionen Nr. 78, 89, 93, 100, 102, 108, 119, 123 bis 126, 130, 132 bis 134 und 136 bis 138 sowie über die Bürgerinitiativen Nr. 50 und 60 (2672 d.B.)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 16.
Der Herr Berichterstatter wünscht keine Berichterstattung.
Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Hintner. – Bitte sehr, Herr Abgeordneter, Sie gelangen zu Wort.
Abgeordneter Hans Stefan Hintner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Minister! Hohes Haus! Ich darf zur „Petition der österreichischen Umweltanwaltschaften zur Baumhaftung – Anregung zur Änderung/Adaptierung des ABGB und des ForstG“ Stellung nehmen.
Diese Petition drückt etwas aus, das alle Waldbesitzer und auch Gemeinden, die Wälder haben, schon die längste Zeit berührt, was Haftungen anbelangt, wenn Äste von den Bäumen fallen, Beschädigungen verursachen oder sich gar gegen Leib und Leben von jenen richten, die den Wald zu Erholungszwecken nutzen: Uns ist es gelungen, die Beweislastumkehr legistisch festzuhalten und dementsprechend die Waldbesitzer rechtlich zu entlasten. Das heißt, in Zukunft muss der Geschädigte beweisen, beweisen können, dass da fahrlässig gehandelt worden ist. Ich glaube, das ist ein wesentlicher Meilenstein in der Umsetzung dieser Petition.
Zu einer Bürgerinitiative, die von Wolfgang Gerstl immer wieder eingebracht wird, auch noch ein paar kurze Worte, nämlich zur Bürgerinitiative „Rettet den Wienerwald!“ Auch wenn der Wienerwald Biosphärenpark ist – Natura-2000-Gebiet –, ist er doch in einigen Bereichen durch gewisse Raumordnungen und Flächenwidmungen gefährdet. Der Wienerwald, der uns emotional sehr am Herzen liegt, bedarf grundsätzlich unseres großen Schutzes.
Zusammenfassend darf ich bemerken: Im Wald darf man gehen, laufen und wandern; Schwammerlbrocken wird von den Bundesländern geregelt; und Reiten sowie Mountainbiken erfordert unbedingt die Erlaubnis des Waldbesitzers. – Einen schönen Sommer! (Beifall bei der ÖVP.)
16.00
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Danke für die Kürze. (Zwischenruf des Abg. Matznetter.)
Nächster Redner: Herr Abgeordneter Kollross. – Bitte sehr.
Abgeordneter Andreas Kollross (SPÖ): Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Nachdem wir am Ende der Gesetzgebungsperiode sind, das somit der letzte Sammelbericht des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen ist und wir uns ja sehr
umfangreich mit dieser Thematik auseinander gesetzt haben, möchte ich heute kurz Resümee ziehen, damit die Bürgerinnen und Bürger wissen, was in den letzten fünf Jahren mit ihren Anliegen passiert ist.
Sehen wir uns die Zahlen an! Ich möchte das vor allem deshalb erwähnen, weil wir gestern ja zum Beispiel betreffend den Tourismusausschuss diskutiert haben, dass alle möglichen Anträge eigentlich nur vertagt wurden. Im Petitionsausschuss heißt das dann halt nicht vertagen, sondern zur Kenntnis nehmen, in Wirklichkeit ist es aber genau dasselbe. In Summe hat es 147 Petitionen gegeben, und wenn man sich das anschaut, sieht man, dass es von diesen 147 Petitionen genau 18 in einen Fachausschuss geschafft haben – um weiter zu diskutieren, wie man mit dieser Problematik umgeht.
Das Ergebnis ist sogar ein verfälschendes, weil im letzten Petitionsausschuss komischerweise auf einmal sehr viele Zuweisungen in Fachausschüsse stattgefunden haben, die vorher nie stattgefunden haben. Die Frage ist: Warum haben sie stattgefunden? – Weil die Regierungsparteien gewusst haben, es tagt kein Fachausschuss mehr, deshalb war es ihnen egal und deshalb haben sie es eben zugewiesen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Ries.)
Bei den Bürgerinnen- und Bürgerinitiativen ist es nicht anders. Da hat es in Summe in der aktuellen Gesetzgebungsperiode 73 Bürgerinitiativen gegeben, und genau zehn haben es in einen zuständigen Fachausschuss geschafft. – Kurzum: Die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger waren im Petitionsausschuss bei den beiden Regierungsparteien nicht unbedingt in guten Händen.
Deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren – abschließend –: Ich glaube, man kann sich für die kommende Gesetzgebungsperiode nur wünschen, dass man Bürgerinnen- und Bürgeranliegen auch im Ausschuss für Petitionen und Bürgerinitiativen ernster nimmt, als es die beiden Regierungsparteien die letzten fünf Jahre gemacht haben. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)
16.03
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ries. – Bitte.
Abgeordneter Christian Ries (FPÖ): Herr Präsident! Werte Mitglieder des Hohen Hauses! Es hat auch mir großen Spaß gemacht, im Petitionsausschuss tätig zu sein. – Ich darf mich bei dir, lieber Michael Bernhard, als Ausschussobmann, für die amikale und umsichtige Ausschussführung bedanken. Es war ein Vergnügen, mit dir wie auch mit den anderen Kollegen des Ausschusses zusammenzuarbeiten.
Ja, dieser Ausschuss ist einer, in dem man die Sorgen, die Ängste, die Anliegen der Bevölkerung am nähesten mitbekommt. Sie machen sich einigermaßen viel Arbeit, machen Bürgerinitiativen, sammeln Unterschriften, und dann bekommen wir das in den Ausschuss. Oft werden ihre Erwartungen nicht erfüllt, weil sie dann im Ausschuss liegen bleiben und nicht einem Fachausschuss zugewiesen werden – Kollege Kollross hat es schon gesagt. Aber auch, wenn sie zugewiesen wurden, erlebten wir dann meistens Vertagungen.
Reden wir aber jetzt über die Petitionen im Ausschuss! Kollege Lausch, dem ich an dieser Stelle baldige Genesung wünsche, hat eine Petition betreffend Priorisierung von PV-Anlagen auf öffentlichen Gebäuden zum Schutz der Ackerböden eingebracht – ein aktuelles Thema, nach wie vor.
Ich darf Sie kurz ins Burgenland mitnehmen: Wir haben im Burgenland im Juni einen PV-Park – den größten Österreichs – eröffnet. Auf 160 Hektar steht dieser Park, das ist früherer Ackergrund, der damit der Landwirtschaft entzogen wurde. Insgesamt wurden im Burgenland schon 31 Zonen mit über 2 000 Hektar als Eignungsflächen eingeteilt, das heißt, in naher Zukunft wird dort eventuell auch landwirtschaftliche Fläche verloren gehen. – Aus unserer Sicht ist das der falsche Ansatz, denn es gibt noch genügend Dächer öffentlicher Gebäude im Eigentum des Landes. Wir haben zahllose Landesgesellschaften, es gibt auch
noch Gemeinden – Platz wäre also genug, das wird bei uns bei Weitem nicht ausgenutzt.
Dazu kommt noch, dass es viele private PV-Anlagenbesitzer gibt. Wenn jetzt diese Megaanlagen ans Netz gehen – dort, wo übrigens auch schon Windkraftanlagen stehen –, werden die Netze zu tun haben, das aufnehmen zu können. Da bin ich gespannt, ob die Privaten dann auch noch einspeichern können. Sie haben sich diese Anlagen gemacht, um sich Stromkosten zu sparen. Da bin ich gespannt, ob das dann mit dem Einspeichern noch funktionieren wird – wohl eher nicht.
Dann möchte ich noch zu einer Petition sprechen, die ich selbst eingebracht habe: „Erhalt des Weltkulturerbes Fertö-Neusiedler See“. 25 000 Jahre ist dieser See jetzt alt. Er hat sich immer wieder durch Umwelteinflüsse verändert – er tut dies immer noch. Früher war er zum Beispiel wesentlich tiefer, kaum ein Schilfgürtel rundherum. Viermal war er bereits fast ausgetrocknet.
Die Grünen im Burgenland sind der Meinung, man soll den See sich selbst überlassen. Die Meinung kann man haben, ich glaube jedoch, dass sie da einem Irrtum aufsitzen. Der See hat sich nämlich nicht immer nur selbst verändert. Das heißt, der Mensch hat eingegriffen, hat einen Entwässerungskanal gegraben, und den gibt es nach wie vor. Er ist auch immer prall gefüllt, da münden zwei Bäche und zahlreiche Grundstückentwässerungsgräben ein. Das ist Wasser, das früher dem See zugutekam. Das geht jetzt nicht mehr. Das heißt, würde dieser See noch einmal austrocknen, würde er mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr zu füllen sein.
Da muss man sich überlegen, was das für die Region Nordburgenland bedeuten würde. Das würde bedeuten: 50 Prozent der Tourismuseinnahmen wären wahrscheinlich auf einen Schlag weg, Tausende Jobs wären weg. Wir hätten ein sandiges, salziges Becken, eine große Staubbelastung, und die Weinwirtschaft wäre auch nicht mehr das, was sie einmal war. Gezwungenermaßen könnte das zur Abwanderung aus unserem Raum führen.
Daher bin ich, wie viele andere auch, der Meinung, man muss die Gelegenheit, die sich jetzt ergibt – der See hat sich ein bisschen entspannt –, beim Schopf nehmen und eine Zuleitung als Ultima Ratio schaffen und, wenn wieder Niedrigwasser ist, Wasser zuleiten. Das müsste jetzt geschehen – wenn der See einmal leer ist, ist es zu spät.
Ich möchte mich abschließend noch bei Ihnen bedanken. Sie sehen, im Burgenland gibt es einiges zu tun. Ich werde meinen Wirkungsbereich aufs Burgenland verlegen. Ich bedanke mich bei allen, mit denen ich zusammenarbeiten durfte. Es war mir ein Vergnügen. – Haben Sie einen schönen Sommer! (Beifall bei der FPÖ, bei Abgeordneten von ÖVP und SPÖ sowie der Abg. Tomaselli.)
16.08
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Weratschnig. – Bitte.
Abgeordneter Hermann Weratschnig, MBA MSc (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Abgeordnete! Ich möchte aus diesen sehr vielen Petitionen und Bürgerinitiativen ein paar Beispiele herausnehmen.
Ich möchte vielleicht ganz am Anfang noch einmal auf Abgeordneten Kollross Bezug nehmen: Ja, es sind 220 Petitionen und Bürgerinitiativen im Ausschuss behandelt worden, und man muss schon dazusagen: Bei der Behandlung, beim Einholen von Stellungnahmen, beim Klären von Sachverhalten, beim Anschieben von Themen durch einzelne Abgeordnete, durch die Bürger:innen, die Petitionen und Bürgerinitiativen einbringen – genau da passiert der Austausch. Das ist auch ein Hauptpunkt des Ausschusses für Bürgerinitiativen und Petitionen: dass man sich natürlich mit diesen Themen beschäftigt.
Es wäre falsch, zu glauben, dass man bei Bahnvorhaben – und ich werde dann zu ein paar Beispielen kommen: ob das jetzt die Murtalbahn, die Görtschitztalbahn, die Lavanttalbahn ist – meint, mit einer Petition baut man eine Bahnstrecke aus.
Wir wissen natürlich, was es da alles braucht, welche Klärungen es zwischen Bund, Land, Gemeinden und den Stakeholdern immer braucht.
Ich bin überzeugt davon, dass durch die Petitionen, durch die Bürgerinitiativen sehr viel passiert ist und sehr viel angestoßen wurde. Ich glaube aber auch, dass man sich durchaus überlegen sollte, ob die Geschäftsordnung, ob der Umgang, der Ablauf im Ausschuss – dazu wird, glaube ich, der Obmann noch etwas sagen – noch zeitgemäß ist. Ich bin da sehr kritisch; ich glaube, dass es Veränderungen braucht.
Kurz zu ein paar Beispielen: Die Murtalbahn – diese hat eine Petition im Ausschuss betroffen – wird heuer 130 Jahre. Wir wissen, dass es dort auch in Zukunft, für die nächsten 130 Jahre, eine moderne Schmalspurbahn mit neuem Antriebssystem, kürzere Fahrzeiten und neues Rollmaterial braucht. Es braucht Mobility Hubs. Dazu ein touristisches Konzept in der Region wäre natürlich sehr hilfreich. Es nützt aber nichts, die Finanzierungskartoffel hin- und herzuschieben, denn wir wissen – der Bund alleine ist nicht zuständig, das Land alleine ist nicht zuständig –, dass es immer einen Austausch und Finanzierungsgespräche braucht, ein Konzept braucht, das wir alle gemeinsam tragen.
Da geht es immer um wahnsinnig viel Geld, um viel Verantwortung und natürlich auch um Bürger:innenbeteiligung. Land, Bund, Gemeinden, die VBs – alle müssen zusammenarbeiten, damit sich etwas bewegt. Dasselbe gilt auch für andere Bahnstrecken – wenn wir beim Thema Bahnstrecken bleiben –: ob das jetzt die Görtschitztalbahn oder auch die Lavanttalbahn ist. Auch dort gibt es Fragestellungen dahin gehend, die Bahnen zu erneuern, teilweise auch Güterbahnen zu erweitern, um sie wieder für den Personenverkehr nützen zu können. Das sind die Herausforderungen für diese Bahnen.
Ich möchte noch kurz auf zwei weitere Petitionen eingehen, eine davon betreffend Lärmschutz in Sankt Andrä-Wördern. Diese Petition wird zur Kenntnis genommen, und ich glaube, dass das ein gutes Beispiel dafür ist, dass es auf Gemeindeebene – Sankt Andrä-Wördern ist eine sehr umweltbewusste
Gemeinde, eine Klima- und Energiemodellregion –, im Gespräch zwischen Gemeinde und ÖBB, Fortschritte gegeben hat; und da, so hoffe ich, werden auch bald Lösungen gefunden und Lärmschutzmaßnahmen ergriffen werden. Ähnlich ist es bei der Petition gegen Postschließungen: Es wäre uns allen lieber, wenn Postämter erhalten bleiben. In diesem Fall aber hat man eine Lösung mit einem Postpartner gefunden.
Es gibt also viele Beispiele von Petitionen und Bürgerinitiativen, bei denen Gespräche geführt wurden, bei denen Stellungnahmen eingeholt werden, die ganz wichtig für die darauffolgenden Verhandlungen sind, damit bei diesen Themen inhaltlich etwas weitergeht.
In dem Sinne hoffe ich, dass die Österreicherinnen und die Österreicher, alle Bürger:innen, die hier wohnen, weiterhin mit uns, mit allen Abgeordneten hier, zusammenarbeiten, viele Initiativen und viele Petitionen einbringen und dass wir im Sinne des Allgemeinwohles etwas zusammenbringen. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
16.12
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Bernhard. – Bitte.
Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ich darf mittlerweile seit knapp zehn Jahren den Vorsitz im Petitionsausschuss führen. Meine Vorredner haben es schon gesagt: Es gibt sehr unterschiedliche Blickwinkel darauf, aber ich glaube, wir sind uns zumindest mehrheitlich einig, dass das Korsett, in dem der Petitionsausschuss heute arbeitet, nicht mehr ganz passend ist.
Wenn wir als Nationalrat ein Versprechen abgeben wollen, nämlich dass wir bürger- und bürgerinnennahe sind, dann hat das auch mit unserem Verständnis zu tun, dass wir Politik so gestalten und erlebbar machen, dass, wenn eine
Anzahl von Bürger:innen – es geht immer um zumindest 500 – mit ihrer Unterschrift einem Anliegen Zugang zum Nationalrat verschafft, diese Bürger:innen das Gefühl haben und auch spüren sollen, dass sie gehört werden. (Beifall bei Abgeordneten der NEOS.)
Es liegt an uns selbst, es liegt an einer ganz banalen Sache, und zwar an der Geschäftsordnung des Nationalrates, wie ein solcher Ausschuss gestaltet wird. Das Erste wäre natürlich, dass wir – ich habe einen Antrag mit (ein Schriftstück in die Höhe haltend), den ich das erste Mal 2015 und das letzte Mal 2019 eingebracht habe, weil man ihn immer nur einmal pro Periode einbringen kann; nachher passiert leider nicht viel – uns überlegen müssen, welche Werkzeuge zeitgemäß sind.
Wir als NEOS haben damals – übrigens einmal mit den Grünen und einmal mit den Freiheitlichen – Anträge eingebracht, in denen wir gesagt haben, wir brauchen eine Internetplattform, über die eine Bürgerinitiative, eine Petition in den Nationalrat eingebracht werden kann, und wir brauchen ein Internetforum, in dem die Bürgerinnen und Bürger die Initiativen auch wirklich diskutieren können. Sobald man 2 000 Unterschriften erreicht – digital oder physisch –, soll es auch ein verpflichtendes Hearing geben.
Die Idee ist, dass man den Ausschuss so umgestaltet, dass den Menschen klar ist, sie können ins Parlament, sie können hier herinnen vortragen, es muss ihnen zugehört werden und wir müssen eine Handlung setzen – welche auch immer, ob das eine Kenntnisnahme, eine Zuweisung oder eine Umsetzung ist. Das haben wir in den letzten zehn Jahren nicht zustande gebracht, in keiner Konstellation, die es bisher gegeben hat – und es waren ja in dieser Zeit alle außer den NEOS in einer Regierungsfunktion. Da muss man tatsächlich sagen: Es geht nicht um Ideologie, es geht nicht darum, ob du links bist, ob du rechts bist, ob du vorne bist, ob du hinten bist, oben oder unten – das ist vollkommen wurscht. Es geht tatsächlich ausschließlich darum, wie wir im Verhältnis von Politik und Bürgerinnen und Bürgern agieren.
Alle hier herinnen versprechen das, was in diesem Antrag steht. Ich möchte daher in Erinnerung rufen – das werden wir in den nächsten zwölf Wochen wahrscheinlich nicht zusammenbringen, so naiv bin ich nicht –, dass man in der nächsten Legislaturperiode tatsächlich dieses eine Element nach vorne stellt – und das sage ich leider auch schon seit zehn Jahren –, dass es für eine Bürgerin oder einen Bürger kein Akt der Gnade ist, von Abgeordneten im Hohen Haus gehört zu werden, sondern dass es das Recht jeden Bürgers und jeder Bürgerin wird, in diesem Hohen Haus angehört zu werden, wenn man ausreichend Unterschriften hat. Dafür müssen wir – alle 183 Abgeordneten – uns in der nächsten Periode auch wirklich einsetzen. (Beifall bei den NEOS sowie der Abgeordneten Ottenschläger und Weratschnig.)
Am Ende des Tages nämlich, und das ist jetzt tatsächlich schon mein abschließender Punkt in dieser Sache, beklagen wir uns alle – auf sehr unterschiedliche Art und wir geben unterschiedlichen Fraktionen die Schuld –, dass die Demokratie in Gefahr ist. Wir beklagen uns alle, dass es zu wenig direkte Demokratie, zu wenig Mitbestimmung gibt (Abg. Taschner: Nein, ich beklage mich gar nicht!) – okay, alle außer Herr Kollege Taschner beklagen sich –, dass es tatsächlich zu wenig Nähe zwischen Politik und Bürgerinnen und Bürgern gibt, dass ihnen zu wenig Gehör geschenkt wird und es zu wenig Verständnis füreinander gibt.
Aus unserer Sicht ist diese Form von Partizipation ein wahnsinnig tolles Werkzeug, auch um Politik wieder verständlicher zu machen und in Interaktion zu treten – dass es quasi nicht diese Differenz zwischen dem, was hier gesagt wird, und dem, was draußen empfunden wird, gibt. Das ist aus meiner Sicht etwas sehr Überparteiliches, und daher werbe ich dafür, dass wir – wer auch immer ab Herbst im Hohen Haus sitzt; ich hoffe, dass das auch ich sein werde – tatsächlich hier gemeinsam etwas weiterbringen, dass es spürbar anders wird, dass Politik anders erlebbar wird. Das ist ein ganz wichtiger Auftrag, den wir alle hier im Hohen Haus haben. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS sowie der Abgeordneten Kollross und Weratschnig.)
16.17
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Fladerer. Es ist ihre erste Rede. – Viel Erfolg! Bitte sehr.
Abgeordnete Ing. Mst. DI (FH) Kerstin Fladerer, MSc (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher der Nationalratssitzung! Da ich mich als neue Abgeordnete heute das erste Mal zu Wort melde, erlauben Sie mir kurz, mich vorzustellen: Ich bin 1986 geboren und komme aus der Thermenhauptstadt Fürstenfeld im Süden des Bezirks Hartberg-Fürstenfeld. Dort engagiere ich mich neben dem Wirtschaftsbund und der Frauenbewegung im Gemeinderat und bin in einem der größten internationalen Serviceclubs tätig.
2023 habe ich mich entschlossen, EU-Gemeinderätin zu werden, denn Europa und die Europäische Union sind für mich, wie auch schon für meinen Vorgänger Dr. Reinhold Lopatka, sehr wichtig. Beruflich bin ich als Geschäftsführerin im elterlichen Rauchfangkehrerbetrieb in Fürstenfeld und Mureck tätig. Ich habe neben meinem Master of Science einen Abschluss als diplomierte Wirtschaftsingenieurin und bin zudem ausgebildete Rauchfangkehrermeisterin. Somit steht dem Glück in diesem Hohen Haus nichts mehr im Wege. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ, FPÖ, Grünen und NEOS.)
Nun aber zu den Petitionen und Bürgerinitiativen: Ich will eine Bürgerinitiative, die in der letzten Ausschusssitzung behandelt wurde, besonders hervorheben – nicht nur, weil es um meinen Wahlkreis, die Oststeiermark, geht, sondern auch, weil ich diese Bürgerinitiative besonders unterstützenswert finde.
Es handelt sich um das Kindertherapiezentrum Kids Chance in Bad Radkersburg. Das ist eine Einrichtung für Kinder mit Entwicklungs- und Mobilitätsstörungen. Seit 2019 werden die Kosten einer Therapie in diesem Kindertherapiezentrum nicht mehr von der Krankenversicherung oder den Bundesländern übernommen, einzig das Land Steiermark zahlt die Therapie für steirische Kinder fast zur
Gänze weiterhin. Hintergrund für die Neuregelung ist die Einführung der Kinderrehabilitationseinrichtungen in Österreich 2019.
Die Bürgerinitiative „Gemeinsam denken – Kindern helfen!“ will erreichen, dass eine gesetzliche Anpassung vorgenommen wird, damit in Bad Radkersburg wieder Kinder aus allen Bundesländern entwicklungstherapeutisch betreut werden können.
Wenn man den Bericht über das Hearing zu dieser Bürgerinitiative in der letzten Sitzung des Petitionsausschusses liest, sieht man, welche Fortschritte Kids Chance erreichen kann. Zum Beispiel berichtet dort die Mutter eines neunjährigen Kindes mit Entwicklungsstörungen durch eine Herzerkrankung, dass Kids Chance eine Therapie anbietet, die Kindern hilft, den Alltag selbstständig meistern zu können. Ihr Sohn hatte vor fünf Jahren Pflegestufe 5, jetzt hat er Pflegestufe 3.
Nicht nur mir als Mutter, sondern auch unserem Gesundheitssprecher Josef Smolle und Landeshauptmann der Steiermark Christopher Drexler ist es ein großes Herzensanliegen, da gemeinsam zu einer unterstützenden Lösung zu kommen. Im Ausschuss wurde dazu ein ÖVP-Antrag auf Stellungnahme des Gesundheitsministeriums einstimmig angenommen. Ein sehr wichtiger Schritt ist damit getan.
Gestatten Sie mir noch einen allerletzten Satz: Wir haben ein wunderschönes Land, für das es sich lohnt, vollen Einsatz zu geben. – Danke. (Beifall bei ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS sowie des Abg. Ries.)
16.21
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Seemayer. – Bitte.
Abgeordneter Michael Seemayer (SPÖ): Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Da kann ich mich meiner Vorrednerin nur anschließen: Es stimmt,
und die Menschen in unserem Land tragen ihre Anliegen auch immer wieder in das Parlament herein – die Form der Petition ist da eine gute Möglichkeit.
Ich darf noch auf eine Petition eingehen, die es überraschenderweise auch in den zuständigen Ausschuss geschafft hat – in diesem Fall in den Verkehrsausschuss –, aber vermutlich auch nur aufgrund der Tatsache, dass dieser nicht mehr tagen wird und die Petition damit im Sande verlaufen wird.
Es geht um die Petition „gegen die Ausdünnung der öffentlichen Zugverbindungen und für eine Stärkung der (Verkehrs-)Infrastruktur in der Region Murau/Murtal“. Derzeit besteht die berechtigte Befürchtung, dass es durch die Fertigstellung des Semmeringbasistunnels und der Koralmbahn zu Verschiebungen im Fernverkehrsangebot kommt. Was sich für Südkärnten und die Weststeiermark positiv auswirkt, könnte sich nach heutigem Stand negativ auf die Bevölkerung in den Regionen Murau/Murtal, Leoben, Ennstal und Friesach auswirken.
Daher beinhaltet die Petition folgende wichtige Forderungen:
„Beibehaltung von [...] Direktzügen [...] im hochrangigen Schienennetz auf der Strecke zwischen Klagenfurt [...] und Wien Hauptbahnhof bzw. Flughafen Wien“ auf der alten Streckenführung.
„Nach Eröffnung der Koralmbahn muss aufgrund von Verschiebungen bei Transitrouten im Infrastrukturbereich eine Prüfung von Kompensationsmaßnahmen stattfinden.“
Es braucht „Mehr Direktverbindungen von der Region Murau/ Murtal nach Graz“, weiters braucht es „Verbindungen am Abend“ und „in der Nacht“ beziehungsweise auch die „Verlängerung der S-Bahn bis nach Neumarkt/Steiermark“ (Abg. Leichtfried: Ah geh!) und natürlich noch einiges mehr.
Es braucht daher „eine neue gesetzliche Grundlage [...], welche eine qualitätsvolle Lenkung des Zug- und Straßenverkehrs aus Sicht der Gemeinden, der
lokalen Wirtschaft und der Anrainerinnen und Anrainer ermöglicht. Das momentane Fehlen einer solchen, hat direkte Auswirkungen auf die Lebensqualität vieler Menschen in“ diesen Regionen.
Diese Petition und die Anliegen der betroffenen Menschen sind zu wichtig, um sie im Sande verlaufen zu lassen, und wir werden daher dafür sorgen, dass sie in der nächsten GP genauso ernst genommen werden. – Danke. (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ.)
16.24
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Kainz. – Bitte.
Abgeordneter Alois Kainz (FPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren! Werte Zuseher zu Hause vor den Bildschirmen! Ich spreche heute zur Petition Nummer 123 – das ist „Psychotherapie als Leistung der Krankenkasse“.
Die aktuellen Entwicklungen zeigen, dass in diesem Bereich wirklich Nachholbedarf besteht, weil die Fallzahlen ständig steigen. So zeigen die verschiedensten Statistiken, dass sich zum Beispiel der Anteil psychischer Krankheiten an den Krankenstandstagen bis 2019 auf einem sehr hohen Niveau von 10 Prozent eingependelt hatte, aber leider hat sich gezeigt, dass die Coronapandemie ein wahrer Brandbeschleuniger war, und seitdem steigen die Zahlen gewaltig an.
Laut einer österreichischen Bedarfserhebung sollte es 112 Kassenpsychiater für Kinder und Jugendliche geben, tatsächlich sind es nur knapp 40. Dazu kommen dann oft noch die langen Wartezeiten von bis zu zehn Monaten auf einen Behandlungsplatz.
Erschwerend kommt noch dazu, dass die Krankheit einen gewissen Schweregrad erreichen muss, damit die Behandlung überhaupt von der Krankenkasse bezahlt
wird. Gerade da beißt sich die Katze in den Schwanz, denn psychische Krankheiten lassen sich am besten im Anfangsstadium behandeln.
Um diesen Teufelskreis zu verlassen, wäre es ein erster Schritt, das Anliegen der Petition zu unterstützen. Jedoch braucht es auch zusätzliche Kassenärzte, die diese Behandlung dann übernehmen. Sie sehen also, es ist noch ein langer, langer und harter Weg. Es muss einfach ein erster Schritt gesetzt werden, um weitere Schritte zu ermöglichen.
Nun zur Petition Nummer 137, „Erhaltung des Internationalen Gebrauchshundesports in all seinen Facetten in Österreich“: Diese ist sehr wichtig, nicht nur, weil sie von mir eingebracht worden ist, sondern auch, weil sie gezeigt hat, dass man durch die Unterstützung der Petition einen gewissen Einfluss hat und etwas, das schon ziemlich auf Schiene ist, abändern kann. Gott sei Dank hat es jetzt eine Lösung gegeben, um den Gebrauchshundesport mit gewissen Auflagen in Österreich weiter zu erhalten.
Man sieht: Wenn alle an einem Strang ziehen, kann durchaus noch etwas bewältigt werden. – Danke. (Beifall bei der FPÖ sowie der Abgeordneten Keck und Laimer.)
16.26
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete El-Nagashi. – Bitte.
Abgeordnete Mag. Faika El-Nagashi (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Über gesellschaftliche Verhältnisse zu sprechen ist Aufgabe der Politik. Diese gesellschaftlichen Verhältnisse zu verändern, sie chancenreich, diskriminierungsfrei und gerecht zu gestalten, ist unsere Verantwortung.
Das heißt, wir müssen über Rassismus und Diskriminierung sprechen. Wir müssen uns damit auseinandersetzen, genauso wie mit den Auswirkungen, mit den Folgen, mit den Konsequenzen für die Gesellschaft, mit den Auswirkungen
im Bildungsbereich, am Arbeitsmarkt, im Gesundheitswesen – in jedem einzelnen Bereich, sei es Wohnen, seien es die Einkommensmöglichkeiten und Einkommenschancen – und auch in der Politik.
Wir müssen das auch insbesondere in einem Wahljahr machen, in dem eine bestimmte Partei immer wieder auf rassistische Kampagnen setzt, antimuslimischen Rassismus schürt und Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe, ihrer Herkunft, ihrer Religionszugehörigkeit ausgrenzt. (Beifall bei den Grünen sowie der Abgeordneten Bogner-Strauß und Hechenberger.)
Wir begrüßen die parlamentarische Behandlung der Petition „Black Voices“ und ihrer Forderungen, die auf das gleichnamige Volksbegehren zurückgehen, und wir haben uns im Petitionsausschuss dafür eingesetzt, viele Stellungnahmen dazu einzuholen. Das haben wir aus zwei Gründen gemacht.
Der eine Grund ist, dass wir glauben, dass alle Bereiche – alle Ministerien, die Länder, die Kammern, alle Institutionen – sich mit diesem Thema beschäftigen müssen, einmal damit konfrontiert werden sollen, Position zum Thema Rassismus beziehen zu müssen, um durch eine inhaltliche Stellungnahme überhaupt erst eine inhaltliche Auseinandersetzung und Diskussion zu ermöglichen.
Wir werden uns weiter dafür einsetzen, und ich freue mich über die Zuweisung an den Menschenrechtsausschuss, damit inhaltliche Diskussionen dazu geführt werden. (Abg. Lindner: Dann machen wir aber bitte noch einen!)
Unsere Forderung nach einem Nationalen Aktionsplan gegen Rassismus und damit nach einer Gesamtstrategie bleibt aufrecht. Die Umsetzung war mit dem Koalitionspartner in dieser Gesetzgebungsperiode nicht möglich. Wir haben eine Antirassismusstrategie erarbeitet (ein Exemplar von „Antirassismus-Strategie (ARS)“ in die Höhe haltend), und zwar die erste Antirassismusstrategie eines österreichischen Ministeriums. (Beifall bei den Grünen.)
Ich hoffe, dass diese Pionierarbeit von anderen Ministerien aufgegriffen wird, dass diese Chance genutzt wird, dass das auch in der nächsten Legislaturperiode aufgegriffen und weitergemacht wird.
Ich möchte mich bedanken, bei allen NGOs, bei allen, die ehrenamtlich in diesem Bereich arbeiten, bei all jenen, die da beraten, unterstützen und engagiert sind und die sich nicht nur im Zuge dieser parlamentarischen Behandlung, sondern auch darüber hinaus, sei es über die Volksbegehren oder über die Petitionen, die eingebracht worden sind, das Gehör jeder Partei in diesem Haus verdient haben. (Beifall bei den Grünen.)
16.30
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Hechenberger. – Bitte.
Abgeordneter Ing. Josef Hechenberger (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen hier und auch zu Hause! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Ich darf kurz auf die Petition, die wir im letzten Ausschuss diskutiert haben, zum Thema Gebrauchs-, Schutzhundesport et cetera, et cetera eingehen.
Wir haben dazu ein Hearing durchgeführt. Warum aber ist es zu dieser Petition gekommen? – Ich darf zurückblicken: Der Ausgangspunkt war ein sehr trauriger. Ausgangspunkt war eine tödliche Bissattacke in Oberösterreich, und ich bin schon der Auffassung, dass wir als Politiker die Verantwortung haben, alles daranzusetzen, um den Rechtsrahmen so zu legen, dass es solche traurigen Ereignisse nicht mehr gibt beziehungsweise sich solche nicht wiederholen.
Wir waren aufseiten der ÖVP dann aber schon etwas überrascht, als uns, aufbauend auf die Diskussion mit Tierschützern, unser Gesundheitsminister Rauch eine Verordnung vorgelegt hat, gemäß der die Schutz- und Gebrauchshundeausbildung mehr oder weniger verboten wäre. Das haben
wir als ÖVP natürlich abgelehnt, und ich darf das kurz begründen: Zum einen hat es seit 2004 über 30 000 ausgebildete Hunde gegeben, die keinen Zwischenfall verursacht haben. Es darf nicht sein, dass wir mit so einer Maßnahme die Ausbildung in die Hinterhöfe oder Keller verschieben, beziehungsweise wäre es auch der falsche Zugang, wenn die Sportlerinnen und Sportler ins Ausland abwandern müssten beziehungsweise wenn sie diesen Sport nicht mehr ausüben könnten.
Worauf man besonders hinweisen muss: Wir brauchen auch zukünftig dringend unsere Schutzhunde, sei es bei der Polizei, sei es bei der Rettung, sei es beim Militär, aber auch Blindenhunde, und wir brauchen auch die Sportlerinnen und Sportler, die sich ehrenamtlich engagieren, diesen Sport weiterentwickeln und so eine enge Mensch-Tier-Beziehung aufbauen. Dafür wirklich ein herzliches Danke an diese ehramtlich tätigen Vereinsfunktionäre! (Beifall bei der ÖVP.)
Für uns ist eines klar: Es braucht Leitlinien, es braucht Standards, es braucht auch die Wesensprüfung, ob das Tier geeignet ist, und es braucht die Weiterentwicklung des Menschen, damit das wirklich gut, positiv funktioniert. Ein Verbot wäre nicht gescheit. Deshalb haben wir als ÖVP das auch abgelehnt beziehungsweise so weiterverhandelt, dass der Sport weiterhin möglich bleibt. Unsere Gebrauchshundesportler und alle Schutzhundeausbildner können sich darauf verlassen, dass die ÖVP da mit großer Weitsicht und mit großer Perspektive für die Verantwortlichen arbeitet und den Text so verändert hat, dass es eine gute Zukunft gibt. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)
16.33
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Keck. – Bitte.
Abgeordneter Dietmar Keck (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als ich vor 22 Jahren in dieses Haus eingezogen bin, wurde ich gleich Mitglied
des Petitionsausschusses, und bei jeder Rede, wenn Petitionen und Bürgerinitiativen hier im Plenum behandelt wurden, habe ich eine Forderung gehabt: Der Tagesordnungspunkt Petitionen und Bürgerinitiativen muss am ersten Sitzungstag als Punkt 1 auf der Tagesordnung stehen, weil es da um Bedürfnisse der Bürgerinnen und der Bürger geht. Das haben wir wirklich über Jahre gefordert, und wir haben es ein einziges Mal geschafft – unter Uschi Haubner –, als Punkt 2 auf einer Tagesordnung gereiht zu sein.
Jetzt muss ich all die letzten Jahre wieder feststellen: Petitionen und Bürgerinitiativen werden immer als letzter oder vorletzter Tagesordnungspunkt behandelt. Das war sonst immer so um die Mitternachtszeit, wo keiner mehr zugehört hat, wo wir einfach die Problematiken, die von den Bürgerinnen und Bürgern aufgezeigt werden, nicht mehr rübergebracht haben.
Ich habe – weil ich ja die letzte Periode hier in diesem Haus bin und endlich in Pension gehen darf – den Wunsch an die Abgeordneten, die hier herinnen bleiben, dass sie sich dafür einsetzen und wirklich dafür sorgen, dass die als Petitionen und Bürgerinitiativen eingebrachten Anliegen als Tagesordnungspunkt 1 am ersten Tag behandelt werden, damit die Bevölkerung wirklich mitkriegt, wie in diesem Haus gearbeitet wird und die Probleme der Bürgerinnen und Bürgern behandelt werden. Diesen Wunsch hätte ich, und ich richte das als Forderung an euch. (Beifall bei der SPÖ.)
Jetzt zur Petition, meine Damen und Herren: Ja, Herr Hechenberger, ich bin überrascht, dass du hier wirklich so einen intensiven Redebeitrag zum Gebrauchshundesport gebracht hast. Die Petition zum Thema Gebrauchshundesport ist ja die Petition 137, und diese Petition haben 43 000 Menschen unterschrieben, bevor sie in diesem Haus eingebracht wurde, und nachdem sie in diesem Haus eingebracht wurde, haben die Petition noch einmal über 6 000 Menschen unterstützt. Insgesamt 50 000 Menschen haben also die Petition unterstützt, dass der internationale Gebrauchshundesport in all seinen Facetten in Österreich erhalten bleiben soll.
Du hast am Beginn richtig gesagt, dass die Diskussion über dieses Thema nach einem tödlichen Beißunfall in Oberösterreich begonnen hat, wobei dann von einigen Medien behauptet wurde, dieser Hund, mit dem es zu diesem Beißvorfall gekommen ist, hätte die Gebrauchshunde- beziehungsweise Schutzhundeausbildung gehabt – was nicht stimmt. Es ist inzwischen bewiesen: Der Hund hat diese nicht gehabt. Da ist in den Medien eine Kampagne hochgezogen worden, die ihresgleichen sucht.
Ich bin bei diesem Thema mit viel Emotion dabei, weil ich selbst jahrzehntelanger Gebrauchshundesportler bin, der mit den Hunden auch bei Weltmeisterschaften gestartet ist. Ich weiß, dass gerade diese Hunde – du hast es gesagt, in den letzten zehn Jahren wurden 30 000 ausgebildet und kein einziger dieser Hunde war je in einen Beißvorfall verwickelt – wirklich bestens ausgebildete Hunde sind, auf die auch die Polizei – früher auch die Gendarmerie – und das Bundesheer schauen und sich genau aus diesen Zuchtlinien Hunde für den Exekutivdienst, für den Dienst in der Landesverteidigung, für den Dienst im Zoll herausholen. Das heißt, das ist eine wesentliche und gute Aufgabe, und es ist wichtig, dass dieser Sport erhalten bleibt.
Wir haben lange und viele Diskussionen gehabt, und ich bin erfreut, dass man sich jetzt über Parteigrenzen hinweg – auch die Freiheitliche Partei macht mit, denn Alois Kainz hat ja diese Petition eingebracht – darauf verständigt hat, dass man in der nächsten Periode – in der ich diesem Haus nicht mehr angehören werde, aber trotzdem – schaut, dass dieser Gebrauchshundesport wirklich erhalten bleibt, dass man nicht bei denen, die diesen Sport ehrlich ausüben, die Schuldigen sucht. Man muss vielmehr bei denjenigen nachschauen, die im Hinterhof eine Schutzhundeausbildung machen und die Hunde zu gefährlichen Waffen machen. Da muss man zugreifen, aber von den Gebrauchshundesportlern soll man – ich sage das hier wirklich so – die Finger lassen. Man soll vielmehr schauen, dass man diesen Sport unterstützt, weil das wirklich ein guter Sport ist, bei dem keine Tierquälerei passiert, und man sollte schauen, dass
dieser Sport mit all seinen Facetten in Österreich erhalten bleibt. (Beifall bei der SPÖ.)
16.36
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Rössler. – Bitte.
Abgeordnete Dr. Astrid Rössler (Grüne): Herr Präsident! Hohes Haus! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Zuseherinnen und Zuseher! Ja, danke für die vielen Petitionen. Sie bringen Alltagsthemen in unsere politische Debatte. Man sieht gerade jetzt am Schluss, wo auf so viele Petitionen noch einmal eingegangen wird, wie intensiv die Debatte ist.
Ich möchte gerne auf eine Petition gegen Lichtverschmutzung eingehen, eine Petition, die von allen neun Umweltanwaltschaften erstellt und von mir unterstützt und eingereicht worden ist. Gegenstand war: Die Umweltanwaltschaften Österreichs befassen sich seit vielen Jahren mit dem Thema Lichtverschmutzung und haben auf diesem Gebiet auch sehr viel Expertise eingebracht. Ich möchte mich an dieser Stelle auch bedanken – vor allem der Tiroler Umweltanwalt Johannes Kostenzer hat sich schon sehr lange und sehr intensiv damit befasst. (Beifall bei den Grünen.) – Er verdient sich einen Applaus, richtig.
Warum ist das wichtig? – Es geht darum: Lichtverschmutzung ist in Wahrheit Licht am falschen Platz, und das hat Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit, auf das Wohlbefinden, aber auch auf die Natur, wenn Lichtquellen in der Intensität, in der Überstrahlung auf Mensch, Tierwelt und Umwelt einwirken. In den letzten Jahren sind dann kurzzeitig im Zusammenhang mit dem Thema Energiekosten plötzlich auch die Energiekosten für Gemeinden zum Thema geworden – große Straßenbeleuchtung, Überstrahlung und flächenhafte Beleuchtung –, und das hat auch dazu geführt, dass in der öffentlichen
Diskussion das Thema Lichtverschmutzung wieder etwas präsenter war und daher dann auch diese Petition eingebracht wurde.
Die Umweltanwaltschaften haben dazu schon vor Jahren eine sehr gute Fachbroschüre – „Die Helle Not“ – erstellt, um zu sensibilisieren, über die Auswirkungen von falscher Beleuchtung zu informieren und konkrete Anleitungen zu geben, sehr wertvolle Anleitungen für die Gemeindeebene: Was heißt das, Straßenbeleuchtung? Was heißt das, Rücksicht zu nehmen hinsichtlich der Beleuchtung von Wohn- und Schlafräumen und sich damit etwas mehr auseinanderzusetzen?
Im Ergebnis hat die Auseinandersetzung mit der Petition im Rahmen des Ausschusses dazu geführt, dass der Aktionsplan für nachhaltige öffentliche Beschaffung des Bundes inzwischen im Kapitel Beleuchtung dezidiert auf diese Informations- und Fachbroschüre verweist.
Ein zweiter Punkt, der im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung mit diesem Thema ebenfalls wichtig war: Es gibt eine Önorm, die Önorm O 1052, die sich tatsächlich mit Grenzwerten von Lichtemissionen auseinandersetzt, auch die negativen Auswirkungen von Lichtüberstrahlung oder zu viel und falschem Licht zeigt und konkrete Handlungsanleitungen gibt.
Sowohl der Hinweis auf die Aktionsplattform nachhaltige Beschaffung als auch auf die Önorm sollte in allen Planungen der Gemeinden stärker berücksichtigt werden, auch bei Genehmigungsverfahren. Es ist eine wichtige Önorm, die genau dazu beiträgt, diesem Thema der Lichtverschmutzung und der Lichtbeeinträchtigung besser gerecht zu werden.
An der Stelle: Danke den Umweltanwaltschaften für ihre Expertise, aber auch dafür, dass sie die Debatte hier im Hohen Haus angestoßen haben. (Beifall bei den Grünen.)
16.40
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist der Abgeordnete Weber. – Bitte.
Abgeordneter Ing. Johann Weber (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseher auf der Galerie und zu Hause vor den Bildschirmen! Ich komme aus dem wunderschönen Lavanttal, und bei uns ist es üblich, Gespräche zu führen. Da ich sehr viel unter der Bevölkerung unterwegs bin, bin ich auch bei sehr vielen Gesprächen mit dabei.
Wir waren lange Zeit in Kärnten das sogenannte Stiefkind oder auch das Armenhaus von Kärnten. In den letzten Jahrzehnten hat das dann irgendwann mit der Eröffnung der Autobahn A 2 eine Wende genommen. Die Öffnung des ehemaligen Jugoslawiens, der EU-Beitritt, die EU-Osterweiterung brachten einen gehörigen Aufschwung in unsere Region, in meine Region. Wir haben die Beschäftigungszahlen dann eigentlich verdoppeln können.
Jetzt kommt zu uns die Koralmbahn, wir sind unmittelbar vor der Eröffnungsphase. Die Koralmbahn wird aber nur so gut für die gesamte Region werden, wie wir sie letztendlich auch nutzen werden und an diese dann angebunden sind.
Daher gab es in der letzten Zeit und auch noch immer laufend viele Gespräche und Überlegungen, wie die Wiederbelebung der Lavanttalbahn jetzt konkret weiteren Aufschwung in das gesamte Tal und auch darüber hinaus bringen kann.
Was nun im Laufe des letzten Jahres erfolgt ist, ist eigentlich auch eine Erfolgsgeschichte, muss ich ganz ehrlich sagen. Das Kirchturmdenken haben wir abstellen können und wir sind eher auf das Gemeinsame in der Region gekommen. Wir hatten viele Gespräche bei mir in der Heimat, speziell im Lavanttal, aber auch in der benachbarten Steiermark und in Slowenien, bis hinunter nach Laibach.
Es folgte dann eine breite Unterstützung von allen neun Bürgermeistern des gesamten Tales über alle Fraktionen hinweg sowie auch der Bürgermeister von
Obdach, Weißkirchen und Zeltweg. Ebenso ist und waren das Regionalmanagement Lavanttal, die Wirtschaftskammer, Bezirksstelle Wolfsberg, die Wirtschaftskammer, Regionalstelle Murau-Murtal, der Verein Lavanttaler Wirtschaft sowie die Industrie- und Wirtschaftsentwicklung Murau Murtal mit an Bord.
Es gab viele Gespräche – wirklich viele, das möchte ich noch einmal betonen – mit Vertretern der Wirtschaft, der Politik sowie auch europäischer Institutionen, sogar hier im Haus im Parlament. Ich durfte dann die Petition in Begleitung namhafter Vertreter unserem Nationalratspräsidenten Wolfgang Sobotka im November 2023 persönlich übergeben und somit einbringen.
Das Schönste dabei war: Diese Petition ist in der Zwischenzeit auch von 1 824 Personen unterstützt worden, und das ist jetzt ein Auftrag für uns. Mittlerweile haben wir die Petition auch im Ausschuss entsprechend behandelt und haben sie einstimmig auch dem zuständigen Verkehrsausschuss zugewiesen.
Das Positive an der ganzen Sache liegt auch ganz klar auf der Hand: Gerade durch die Wiederbelebung der Lavanttalbahn könnten uns nämlich Hunderte, wenn nicht Tausende Pkw-Fahrten pro Tag durch die Gemeinden erspart werden, Pkw-Fahrten durch Umstieg auf Öffis verlegt und die überregionalen Schulstandorte Wolfsberg, Sankt Andrä und auch Sankt Paul aufgewertet und sogar gestärkt werden.
Außerdem ist die Eisenbahn für mich das Verkehrsmittel der Zukunft, wird zusätzlichen Wohlstand auch in unsere Region bringen und darf schon gar nicht der Renaturierung zum Opfer fallen. Das Motto muss nämlich sein: Bestehendes erhalten, verbessern und ausbauen.
Zusammenfassend sei noch einmal gesagt: Ich freue mich wirklich über die ingesamt 1 824 Unterstützungen von den Bürgerinnen und Bürgern, was ein Auftrag ist, sowie die aller Stakeholder der Region und auch darüber hinaus.
Jetzt gilt es, die Unterstützung vom Bund und auch der Europäischen Union zu holen. Wir alle – wirklich wir alle und ich im Besonderen – sehen das als Auftrag dafür, dranzubleiben. Deshalb schon jetzt: Danke und allseits einen schönen Sommer! (Beifall bei der ÖVP.)
16.45
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Zarits. – Bitte.
Abgeordneter Christoph Zarits (ÖVP): Herr Präsident! Meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Ich darf mich mit zwei Petitionen befassen, die mein Heimatbundesland betreffen. Es sind zwei Petitionen, die von freiheitlichen Kolleginnen und Kollegen hier ins Hohe Haus gebracht worden sind, zum einen jene von Christian Lausch, in der es darum geht, die Priorisierung von PV-Anlagen auf öffentlichen Gebäuden zu fördern anstatt wertvollen Ackerboden zu verschwenden. Ich glaube, das ist eine wirklich unterstützenswerte Petition.
Vielleicht ein Beispiel aus meinem Heimatbundesland, an dem man sieht, dass mit einem Landeshauptmann, der absolut regiert und sozusagen auch keine zweite Meinung zulässt, eine falsche Politik gemacht wird:
In einer Gemeinde in meinem Bezirk, in der Gemeinde Wimpassing, hat die Burgenland Energie die Absicht gehabt, einen 52 Hektar großen Fotovoltaikpark zu machen. Die ÖVP hat sich dagegengestellt. Es ist dann zu einer Volksbefragung gekommen, und 61 Prozent der Bürgerinnen und Bürger aus Wimpassing haben sich gegen diesen Fotovoltaikpark entschieden.
Der SPÖ-Bürgermeister hat diese Volksbefragung natürlich zur Kenntnis genommen, und so ist es auch zu keinem Fotovoltaikpark gekommen, weil der Gemeinderat natürlich auf die Volksbefragung gehört und das Ergebnis auch akzeptiert hat.
Was ist dann aber im Burgenländischen Landtag passiert, meine geschätzten Damen und Herren? – Es wurde auch aufgrund des Ergebnisses der Volksbefragung ein Gesetz gemacht, wobei die Flächenwidmung bei Fotovoltaikanlagen über 10 Hektar jetzt nicht mehr bei der Gemeinde, sondern bei Hans Peter Doskozil persönlich liegt. Ich glaube, das ist eine verfehlte Politik, und so kann man mit einer absoluten Mehrheit einfach nicht umgehen. (Ruf bei der SPÖ: Und was ist in Niederösterreich?)
Die zweite Geschichte ist die Petition vom Kollegen aus meinem Bezirk Christian Ries, bei der es um den „Erhalt des Weltkulturerbes Fertö-Neusiedler See“ geht. Auch da eine Kritik an unserem Landeshauptmann und vor allem am Land Burgenland: Wir haben zweimal um eine Stellungnahme des Landes Burgenland angefragt, leider Gottes gab es bis heute keine Antwort. Ich glaube, das ist auch kein gutes Zeichen, wie man mit dem Petitionsausschuss und mit Bürgerinitiativen umgeht.
In diesem Sinne: Wir haben die Möglichkeit, im Jänner 2025 die absolute Mehrheit dementsprechend zu brechen, damit in unserem Bundesland endlich wieder etwas weitergeht. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)
16.47
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Prinz. – Bitte.
Abgeordneter Nikolaus Prinz (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren! In gebotener Kürze ein paar Bemerkungen zu den Aussagen von Herrn Kollegen Kollross: Lieber Kollege Kollross, grundsätzlich gilt, wenn man sich am Anfang einer Legislaturperiode gemeinsam Regeln ausmacht, dass man diese auch einhält. Das haben wir gemacht, wir sind verlässlich und wir stehen für Stabilität. Damit ist das sozusagen einmal klar.
Man darf vielleicht schon noch festhalten – Kollege Weratschnig hat das genau richtig gesagt –: Beschäftigung im Ausschuss für Petitionen und Bürgerinitiativen heißt wirklich, umfangreich Stellungnahmen einholen. Man setzt sich mit dem Thema auseinander und dann kann man sozusagen entscheiden: Geht es noch weiter oder nimmt man das auch einmal zur Kenntnis – was ja nicht heißt, dass deswegen nichts passiert.
Ein kurzer Gedanke, lieber Kollege Keck: Du hast die Petition angesprochen, bei der es um den Gebrauchshundesport geht. Ich bin da ganz bei dem, was du gesagt hast – auch Kollege Josef Hechenberger. Ich glaube, dass man nicht unterschätzen darf, dass das insofern ein wichtiger Bereich ist, dass er gut geregelt ist, was er ja auch ist, dass wir das aber auf der anderen Seite vielleicht auch zum Anlass nehmen, dass wir nachdenken, wie es insgesamt bei der Hundehaltung zugeht und was dort passiert.
Die Unfälle oder Bissunfälle mit Hunden passieren im Wesentlichen im privaten Bereich. Darum ist ein wichtiger Punkt die Ausbildung für Hundehalterinnen und Hundehalter, also ein Sachkundenachweis. Ein wenig salopp gesagt: Das Problem liegt im Regelfall am vorderen und nicht am hinteren Ende der Leine; wenn, dann geht der Zweibeiner verantwortungslos oder mit wenig Verantwortungsbewusstsein um und nicht der Vierbeiner. Du gehörst auch durchaus zu den Leuten, die sich in diesem Bereich auskennen. Da sind wir nicht auseinander, sondern beieinander.
Ein Gedanke noch: Kollegin Fladerer hat bei ihrer Rede Bezug auf die Bürgerinitiative „Gemeinsam denken – Kindern helfen!“ genommen und hat das sehr gut erläutert. Worum geht es? Ich glaube, dass alle von uns, die hier sitzen, nur ein bissel in den Spiegel schauen brauchen und froh sein können, wenn man im eigenen Bereich, sage ich einmal, gesunde Familienmitglieder, gesunde Kinder, Enkelkinder hat, dass das passt – wie wertvoll das eigentlich ist.
Abschließend darf ich noch sagen: Danke den Mitarbeiter:innen der Parlamentsdirektion, die den Ausschuss immer betreut haben, aber auch Danke den
Referentinnen und Referenten in den verschiedenen Klubs, die die Sitzungen vorbereiten. Auch noch Danke an Michael Bernhard für die objektive Vorsitzführung als Ausschussobmann. (Beifall bei ÖVP und NEOS.)
16.49
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Laimer. – Bitte sehr.
Abgeordneter Robert Laimer (SPÖ): Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Zuhörerinnen und Zuhörer! Ein Highlight des Petitionsausschusses in dieser Periode war sicher der Schutz der Wombats mit ihrem Schutzpatron Mario Lindner (Heiterkeit des Abg. Lindner), unserem Abgeordneten. Medial unter anderem: „Beuteltier könnte Fall fürs Parlament werden“ (Heiterkeit bei der SPÖ) oder „Wiener Wombats ziehen nun in den Nationalrat ein“. – Das ist jetzt nicht ironisch gemeint, sondern dieses Anliegen wurde stark und nachhaltig vertreten und war am Ende des Tages erfolgreich.
Kolleginnen und Kollegen, ich möchte heute das AMS-Projekt Eibetex in Waidhofen an der Thaya ansprechen. Eibetex ist seit über 30 Jahren eine sehr bedeutende Stütze für arbeitslose Menschen im nördlichen Waldviertel – das ist keine wirtschaftlich privilegierte Region. Die Einrichtung unterstützt derzeit noch 47 Personen, darunter Langzeitarbeitslose, begünstigte behinderte Menschen und Menschen mit mehrfachen Einschränkungen bei der Integration in den Arbeitsmarkt. Durch Tätigkeiten in Bereichen wie Gartenpflege, Holzarbeiten oder Instandhaltungsarbeiten finden diese Menschen eine wertvolle Beschäftigung, eine Perspektive für ihre persönliche Zukunft und ihre persönliche Würde.
Die geplante Schließung des Projekts würde nicht nur diesen 47 Personen die Chance auf einen Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt nehmen, sondern auch die Familien dieser Menschen und den gesamten Bezirk Waidhofen an der Thaya sehr schwer treffen. Es ist daher von Bedeutung, dass wir uns intensiv mit den
Auswirkungen folgenschwerer Entscheidungen auseinandersetzen und Lösungen anstreben, nach Lösungen suchen – Lösungen finden, auf die alle drängen, und vor allem solche für existenzbedrohende Probleme von Menschen. Alles andere wäre eine politische Kapitulation, die die SPÖ nicht zulassen wird.
Das Arbeitsmarktservice Niederösterreich hat beschlossen, Transitarbeitsplätze im Bundesland zu halten – so weit, so gut. Dadurch wird es möglich, das Projekt Eibetex und weitere ähnliche Projekte weiterzuführen, allerdings – und das ist das Problem – in einer reduzierten Form. Schon ab Oktober wird es zu einer Reduzierung der Transitarbeitsplätze kommen. Die Zukunft ist – Stand heute – überhaupt ungewiss, und das ist für jeden einzelnen der Betroffenen eine Katastrophe.
Als Niederösterreicher, als Sozialdemokrat und als Mensch tut mir das weh, zumal Budgetkürzungen beim AMS als schwarz-blaue Ideologie zum Beispiel in Niederösterreich für das kommende Jahr fix eingeplant sind.
Kolleginnen und Kollegen! Es ist unsere Verantwortung, sicherzustellen, dass diese wertvollen Projekte fortbestehen können, und zwar in vollem Umfang. Nehmen Sie diese Petition daher ernst und lassen Sie uns doch gemeinsam nach Lösungen, nach Wegen suchen, dieses Projekt Eibetex vollinhaltlich zu erhalten.
Generell gilt – abschließend –: Nach unten zu treten und auf die Abgehängten der Gesellschaft wie Langzeitarbeitslose mit dem Finger zu zeigen ist Nährboden für Spaltung, Niedertracht und autoritäre Tendenzen. Die Demokratie muss hier die Feuermauer bilden.– Danke. (Beifall bei der SPÖ.)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist damit geschlossen.
Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das scheint nicht der Fall zu sein.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen, seinen Bericht 2672 der Beilagen hinsichtlich der Petitionen 78, 89, 93, 100, 102, 108, 119, 123 bis 126, 130, 132 bis 134 und 136 bis 138 sowie über die Bürgerinitiativen Nr. 50 und 60 zur Kenntnis zu nehmen.
Wer dies tut, möge das mit einem Zeichen bekannt geben. – Das ist einstimmig angenommen.
Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern gemäß Artikel 15a B-VG, mit der zum Zweck der Anpassung ausgewählter Kostenhöchstsätze die Grundversorgungsvereinbarung geändert wird (Grundversorgungsänderungsvereinbarung) (2657 d.B.)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zum 17. Punkt der Tagesordnung.
Hinsichtlich dieser Regierungsvorlage wurde dem Ausschuss für innere Angelegenheiten eine Frist bis zum 4. Juli 2024 gesetzt.
Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.
Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Amesbauer. – Bitte sehr.
Abgeordneter Mag. Hannes Amesbauer, BA (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Geschätzte Damen und Herren! Ich wollte mich eigentlich zu diesem Tagesordnungspunkt nicht zu Wort melden (Zwischenrufe bei den NEOS), möchte aber gerne die Gelegenheit nutzen, mich bei Kollegen Einwallner für die gute Zusammenarbeit der letzten Jahre zu bedanken. Möglicherweise ist es ja deine letzte Rede hier im Parlament, zumindest zu Themen des Innenausschusses.
Mir ist das deswegen wichtig, weil wir zwei Persönlichkeiten von verschiedenen Parteien sind und oft inhaltlichen Dissens hatten – das liegt in der Natur der Sache –, der oft auch hier im Plenum hart ausgefochten wurde, vor allem im Asyl- und Migrationsbereich, aber es gab immer Wertschätzung zwischen uns beiden, es gab immer eine gute Zusammenarbeit.
Wir haben auch einiges gemeinsam gemacht: Wir haben zum Beispiel, wenn ich mich an die Neuaufstellung des Nachrichtendienstes erinnere, sehr gut zusammengearbeitet – auch mit der ÖVP, damals mit Karl Mahrer, auch mit den NEOS und mit den Grünen. Die NEOS haben damals nicht zugestimmt, aber es war auch schön, zu sehen – das liegt schon einige Jahre zurück –, dass doch auch eine parteiübergreifende Zusammenarbeit möglich ist.
Wir haben uns auch beim Krisensicherheitsgesetz gemeinsam ins Zeug gelegt, haben das sachlich beurteilt, sind an die Medien gegangen und haben letztlich auch mit unserem Abstimmungsverhalten die größten Grauslichkeiten, sage ich einmal – die Verfassungsbestimmungen, die auch geplant waren, was das Bundesheer betrifft –, verhindert.
Was mir besonders gefallen hat: Zwischendurch ist immer auch ein bisschen der Schmäh gelaufen. Er ist auch vorhin zu mir gekommen und hat mich gefragt: Redest du jetzt eh keinen Blödsinn? – Da habe ich gesagt: Natürlich nicht! So wie immer bin ich sachlich unterwegs, wie das alle in diesem Haus von mir kennen. (Heiterkeit des Abg. Leichtfried. – Ruf bei der SPÖ: Genau! – Weiterer Ruf bei der SPÖ: Hat er ja doch noch einen Lacher gehabt!)
Und was bei Kollegen Einwallner ganz, ganz wichtig ist, ist die Handschlagqualität: Wenn etwas ausgemacht war, hat das immer gehalten zwischen uns zweien, von beiden Seiten. Ich erinnere mich sehr gut daran: Als es darum gegangen ist, die Kontrollkommission für den Nachrichtendienst aufzustellen und unser Kandidat dann mit fadenscheinigen Gründen abgelehnt wurde, hat die SPÖ sich das angeschaut, hat das sachlich beurteilt und hat letztlich auch Wort gehalten.
Danke, lieber Reinhold Einwallner, für deine Menschlichkeit, für deine Handschlagqualität, und ich wünsche dir dann in Vorarlberg persönlich alles Gute. (Allgemeiner Beifall.)
Zum Inhaltlichen möchte ich nur eines sagen: Die Freiheitliche Partei lehnt die gegenständlich debattierte 15a-Vereinbarung ab. – Danke. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Stögmüller: ... machen! Das war ja richtig tipptopp!)
16.57
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Jachs. – Bitte.
Abgeordnete Mag. Johanna Jachs (ÖVP): Lieber Kollege Einwallner! Auch ich darf mich gleich zu Beginn natürlich dem Dank für die Zusammenarbeit anschließen. Sie war einmal konstruktiv, einmal streitbarer, aber auch von unserer Fraktion natürlich: Alles Gute für deine politische Zukunft im Ländle! (Beifall bei ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS.)
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Privatpersonen, NGOs, Unternehmen bekommen seit 20 Jahren Geld vom Bund, wenn sie Asylwerbende unterbringen. Der Bund gibt dabei die Kostenhöchstsätze vor, die Länder verteilen das dann individuell an die Betreuungseinrichtungen. Vor allem die Betreuung von vulnerablen Gruppen, also von UMFs oder auch von UMFs mit Behinderung ist natürlich dementsprechend kostenintensiver, und die Bundesländer haben letztes Jahr gefordert, dass wir die Höchstsätze anheben, weil das für die Bundesländer auch so entscheidend ist, damit sie die Unterbringung im Sonderbedarf managen können.
In den letzten 20 Jahren haben wir die Kostenhöchstsätze viermal angehoben. Wir alle wissen, dass das Leben ein bisschen teurer geworden ist, dass die Inflation ein bisschen zugeschlagen hat, darum passen wir jetzt auch dieses System, die Höchstsätze an. Es ist einfach klar, dass wir das ändern müssen,
dass wir den Bundesländern auch gerecht werden. Das heißt, wir schaffen neue Kostenkategorien, wir heben die Kostensätze an – zum Beispiel gibt es dann für die Sonderbetreuung eine gänzlich neue Kostenkategorie.
Auch wenn der Redebeitrag zur Sache von der FPÖ jetzt sehr sachlich und sehr prägnant war, kann ich mir schon vorstellen, dass die FPÖ den Antrag auch deswegen ablehnt, weil sie glaubt, dass Asylwerber dadurch mehr Geld bekommen. Das ist einfach schlichtweg falsch: Es bekommen nicht einzelne Asylwerber mehr Geld, sondern es bekommen wirklich die Betreuungseinrichtungen mehr Geld, und das ist ganz, ganz nötig, damit sie diese Leistungen abdecken können. Es handelt sich da wirklich um die Betreuung und die Unterbringung von UMFs und von UMFs und Minderjährigen mit Behinderungen. Da ist dieser Aufwand einfach nötig.
Darüber hinaus hat unser Innenminister Karner erst im Mai neue Verschärfungen bei der Grundversorgung im Bund vorgestellt. Es gibt jetzt einen Arbeits- und Wertekatalog, Asylwerbende sollen erleichtert gemeinnützige Tätigkeiten verrichten. Sie sollen auch in der Bundesgrundversorgung bei einfachen Tätigkeiten mithelfen. Wenn sie dem nicht nachkommen, dann gibt es eine Kürzung des Taschengeldes.
Außerdem – die Werte sind uns ja auch ganz wichtig – wird es eine verpflichtende Teilnahme an Wertekursen geben. Auch da gibt es eine Sanktion bei Nichtteilnahme. Das ist uns ganz wichtig. In den Wertekursen werden Inhalte wie Demokratie, Rechtsstaat, Antisemitismus und natürlich die Rechte und Pflichten, die man in Österreich hat, behandelt.
Ich glaube, unterm Strich kann man sagen: Wer bei uns Schutz und Hilfe braucht, bekommt sie, muss sich aber selbstverständlich an unsere Pflichten und unsere Werte halten. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)
17.00
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Einwallner. – Bitte.
17.00
Abgeordneter Ing. Reinhold Einwallner (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Ja, jetzt bin ich doch ein bisschen überrascht: Danke, Kollege Amesbauer, danke, Frau Kollegin Jachs, für die wertschätzenden Worte, das freut mich sehr. Ich kann das nur zurückgeben. Wir haben in vielen Dingen einen ganz unterschiedlichen politischen Zugang, auch unterschiedliche ideologische Haltungen und inhaltliche Haltungen zu Themen gehabt, aber es ist uns trotzdem im großen Rahmen gelungen, konstruktiv zusammenzuarbeiten.
Ich habe es schon immer als ein Prinzip meines politischen Ansatzes gesehen, dass man auch über Parteigrenzen hinweg immer die Gesprächsbasis dementsprechend aufrechterhalten muss. Ich glaube, nur dann erreicht man etwas in der Politik und nur dann ist es auch möglich, Dinge voranzubringen.
Also auch ich sage Danke für die Zusammenarbeit im Innenausschuss, die es in den letzten Jahre gegeben hat. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP, FPÖ und Grünen.)
Nichtsdestotrotz komme ich jetzt zur Vorlage, über die wir unter diesem Tagesordnungspunkt diskutieren. Diese Vereinbarung regelt, wie schon gesagt, die Maßnahmen, die im Rahmen der Grundversorgung gesetzt werden, im Speziellen die Kostensätze für vulnerable Gruppen wie unbegleitete Jugendliche. Damit wir ein bissel eine Vorstellung von der Dimension bekommen, wie viele Personen das in Österreich sind: Es sind mit Stand April gut 1 330 unbegleitete Jugendliche, die davon betroffen sind, und gut 600 Personen mit besonderen Bedürfnissen und dadurch auch mit besonderen Bedarfen.
Es ist daher wichtig, dass der Bund gemeinsam mit den Ländern dementsprechend dafür sorgt, diesen erhöhten Bedarf abzudecken. Ich halte es für sehr notwendig, dass die Kostensätze erhöht werden, verweise aber gleichzeitig auch darauf, dass man sich, wenn man in die Zukunft denkt und wenn man eine menschenrechtlich gute Versorgung garantieren möchte, auch daran orientieren
sollte, was es real kostet. Es geht also um reale Kostensätze. Ich glaube, in diese Richtung sollten wir weiterdenken. Es gibt das Pilotprojekt zwischen dem Bund und Wien. Ich glaube, daran sollten wir uns auch in Zukunft bei den Grundvereinbarungen orientieren, das halte ich für wichtig.
Was ist noch dazu zu sagen? – Wir waren ein bissel überrascht, denn diese Materie war schon im Mai im Ministerrat und hat den Weg ins Parlament fast nicht geschafft. Erst im allerletzten Moment wurde das mit einem Fristsetzungsantrag realisiert, offenbar wurde das auf dem Weg zwischen Ministerrat und Parlament irgendwo vergessen. Ich bin froh, dass es mit diesem Fristsetzungsantrag doch noch gelingt, dass wir das jetzt in der letzten Sitzung vor dem Sommer noch behandeln, sodass die Vereinbarung auch rechtzeitig in Kraft treten kann.
Danke allen, die eine gute Arbeit in den Bundesländern leisten. Ich glaube, dass diese Vereinbarung notwendig und richtig ist. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)
17.04
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Bürstmayr. – Bitte.
Abgeordneter Mag. Georg Bürstmayr (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Ja, eine sogenannte 15a-Vereinbarung zwischen Bund und Ländern, was die Betreuung von Geflüchteten betrifft, gibt es im Prinzip seit rund 20 Jahren, und seit rund 20 Jahren sorgt sie mehr für Hickhack als für klare und faire Bedingungen. Da wird um die Verteilung von Asylsuchenden und um Geld gestritten. Viele Bundesländer kommen ihren vereinbarten Verpflichtungen nicht nach. Dieser Streit wird letztlich auf dem Rücken von schutzsuchenden Kindern und Familien und von Menschen mit besonderen Bedürfnissen ausgetragen.
Wir Grüne haben mit dazu beigetragen, dass diese Vereinbarung in diesem Bereich erneuert und verbessert wird, und wir schaffen damit einen sicheren finanziellen Rahmen für die Hilfsorganisationen, bei denen ich mich an dieser Stelle ausdrücklich für ihre so wertvolle Arbeit bedanken möchte (Beifall bei den Grünen), einen sicheren finanziellen Rahmen, der eine angemessene Betreuung ermöglicht und diese auch für die Zukunft absichert. Wir schaffen bessere Lebensbedingungen und eine engmaschigere Betreuung für Betroffene. Es geht dabei gerade um Menschen, die besonderen Schutz brauchen: unbegleitete minderjährige Flüchtlinge oder beispielsweise Geflüchtete mit Behinderungen.
Wenn wir rückwirkend die Tagsätze für die Betreuung dieser besonders verletzlichen Gruppen deutlich erhöhen, hoffe ich, dass wir einen Beitrag für ihre bessere Betreuung leisten. Für Kinder erhöhen wir die Beiträge um ein Viertel, für Menschen mit besonderem Pflegebedarf um ein Drittel. Ja, das ist zum Teil schon ein Inflationsausgleich, aber es bleibt unterm Strich immer noch ein deutliches Plus über, und das ist wichtig und gut so. (Beifall bei den Grünen.)
Lassen Sie mich zwei grundsätzliche Dinge anmerken! Ich denke, wir haben in den letzten viereinhalb Jahren gezeigt, dass es nicht unbedingt sein muss, jede Legislaturperiode mit dem Satz: Ich habe das Asylrecht verschärft!, zu beenden. Wir sind in dieser Legislaturperiode tatsächlich ohne gesetzliche Verschärfungen dieses Rechtsbereichs ausgekommen und haben in vielen kleinen einzelnen Schritten viel mehr verbessert. (Beifall bei den Grünen.)
Warum tun wir das? Warum haben wir den Zugang Menschlichkeit und Ordnung im Bereich Asyl und Migration? – Weil für uns gilt: Ein Mensch ist ein Mensch, und den lassen wir nicht ersaufen und den lassen wir nicht verhungern. Und: Ein Kind ist ein Kind, und wir schauen auf jedes Kind. (Beifall bei den Grünen.)
Meine Damen und Herren, ich könnte Ihnen jetzt auch noch herleiten, warum das für uns als Gesamtgesellschaft, für uns als die Hiesigen gut ist, und das ist es auch: Gute Unterbringung und Betreuung sind der Schlüssel zu einem guten
Zusammenleben mit Geflüchteten, sind der Schlüssel zu einer geglückten Integration, aber eigentlich sollte es das nicht brauchen. Eigentlich müssen diese zwei Sätze doch reichen: Ein Mensch ist ein Mensch und ein Kind ist ein Kind. – Danke fürs Zuhören. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)
17.08
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Krisper. – Bitte.
Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Herr Präsident! Liebe Frau Bundesministerin! Kolleginnen, Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ja, ein Kind ist ein Kind – und das Gegenteil ist bei uns in den letzten Jahren Realität gewesen. Es war nämlich der traurige Zustand Realität, dass es für Flüchtlingskinder weniger Geld – Tagsatz heißt das im Gesetz – als für autochthone Kinder gab, so wenig, dass sich in den letzten Jahren eben wenige Einrichtungen fanden, die Betreuung anbieten wollten, und wenn, dann konnte man nicht sicher sein, ob sie eine Qualität sicherstellen können, die kindgerecht ist.
Wir haben in den letzten Jahren versucht, das auch über Anfragen aufzuzeigen und zu hinterfragen, und dabei kam heraus, dass der Betreuungsschlüssel bei Flüchtlingskindern von 1 : 15 in den Einrichtungen meist nicht eingehalten wird, sondern viel schlechter ist. Das verunmöglicht natürlich Integration und führt im schlimmsten Fall auch zu Eskalationen. Das heißt: Viele Kinder blieben in den letzten Jahren unterversorgt, und viele Einrichtungen, die sich gern in guter Qualität, kindgerecht, um diese gekümmert hätten, mussten schließen.
So verblieben viele Kinder Monate dort, wo sie eigentlich nur am Anfang des Asylverfahrens kurz sein sollten, nämlich in der Bundesbetreuung in Traiskirchen, in der Erstaufnahmestelle, die natürlich nicht kindgerecht ist, und dort fehlt auch die Obsorge. Das ist eine Baustelle, die die Regierung leider nicht geschlossen hat. Im Regierungsprogramm steht das Vorhaben „Obsorge für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge“ ab Tag eins – daraus wurde nichts.
Das heißt, das Recht wird weiterhin täglich gebrochen. Die Menschenrechte der betroffenen Kinder, Frau Bundesministerin, werden weiterhin täglich gebrochen.
Die Erhöhung, die wir heute hier natürlich mitunterstützen – wir haben sie auch sehr oft eingefordert –, ist wirklich ein Schritt in die richtige Richtung, den die Grünen gegen die ÖVP durchgesetzt haben.
Man kann aber nur hoffen, dass diese Erhöhung dazu führt, dass die Kinder eine kindergerechte Unterkunft bekommen, weil Betreuungseinrichtungen es jetzt attraktiver finden, solche zur Verfügung zu stellen, und dass es dann auch der Fall ist, dass es die Kinder aus Traiskirchen in ein Bundesland schaffen, in dem es diese Einrichtung gibt, die auf sie wartet, und nicht dass es so ist wie jetzt, nämlich dass aktuell sogar zwei unmündige, minderjährige Kinder – aus Syrien stammen sie – seit fünf Monaten in Traiskirchen ausharren, obwohl sie eigentlich sogar schon Schutz erhalten haben, weil selbst diese zwei Kinder kein Bundesland übernehmen will. Da sehen wir, dass es ein grundsätzliches Problem für alle Asylwerber gibt, nämlich dass außer Wien kein einziges Bundesland seine Zusage erfüllt, Asylwerber:innen aus der Bundesbetreuung zur Versorgung zu übernehmen.
Aus einer kürzlich erhaltenen Anfragebeantwortung wissen wir, dass die Bundesländer seit 2020 in über 100 000 Fällen die Übernahme verweigert haben – entgegen ihrem Versprechen, Asylwerber in die Grundversorgung aufzunehmen. Das sind nicht 100 000 Personen, aber Fälle, das heißt Anfragen, zu denen ein Bundesland gesagt hat: Nein, ich pfeife auf meine Vereinbarung, ich halte mich nicht daran, ich übernehme diese Person nicht; eben auch nicht einmal diese zwei kleinen Kinder aus Traiskirchen.
Dieses unsolidarische Verhalten führt auch zu Mehrkosten – vielleicht der einzige Punkt, der die FPÖ interessieren könnte –, weil die Grundversorgung im Bund, in der diese Personen eben ausharren müssen, teurer ist; das waren im Jahr 2023 Mehrkosten von 5 Millionen Euro pro Monat. Die mittlerweile leider
unzähligen ÖVP-Innenminister:innen machten nichts dafür, die ÖVP-Bundesländer in die Pflicht zu nehmen. Lieber zeigt man hämisch mit dem Finger auf das einzig solidarische Bundesland, nämlich Wien.
Die Flüchtlingskinder, die hiermit ab heute einen höheren Tagsatz erhalten, müssen in Zukunft noch immer gegen diese Blockade ankämpfen und diese Blockade überwinden, und dafür werden wir weiterkämpfen.
Apropos weiterkämpfen: Ich bedauere auch sehr, dass ich in Zukunft nicht mehr mit Reinhold Einwallner, meinem geschätzten Kollegen der SPÖ, bei vielen Themen, bei denen wir einer Meinung waren, weiterkämpfen kann. – Du warst ein sehr toller Kollege, Reinhold, und ich werde dich sehr vermissen. (Beifall bei NEOS, SPÖ und Grünen.)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist damit geschlossen.
Der Berichterstatter hat auch kein Schlusswort angemeldet.
Wir gelangen nun zur Abstimmung darüber, den Abschluss der gegenständlichen Vereinbarung gemäß Artikel 15a Bundes-Verfassungsgesetz in 2657 der Beilagen zu genehmigen.
Wer für diese 15a-Vereinbarung ist, den bitte ich, ein entsprechendes Zeichen zu geben. – Das ist die Mehrheit, angenommen.
Dritte Lesung: Bericht des Geschäftsordnungsausschusses über den Antrag 3847/A der Abgeordneten Mag. Ernst Gödl, Mag. Jörg Leichtfried, Werner Herbert, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Geschäftsordnungsgesetz 1975 geändert wird (2592 d.B.)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen nun zum 18. Tagesordnungspunkt.
Da die Voraussetzungen des § 108 der Geschäftsordnung erfüllt sind, gelangen wir zur Abstimmung.
Da es sich bei dem vorliegenden Gesetzentwurf um eine Änderung des Geschäftsordnungsgesetzes handelt, stelle ich zunächst im Sinne des § 82 Abs. 2 Z 2 der Geschäftsordnung die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der verfassungsmäßig vorgesehenen Anzahl der Abgeordneten fest: Diese ist gegeben.
Jene Damen und Herren, die dem erwähnten Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, ersuche ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.
Die Tagesordnung ist erschöpft.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Kucher, Kolleginnen und Kollegen, dem Gesundheitsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 3921/A(E) der Abgeordneten Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen betreffend „dringende Maßnahmen gegen den Pflegepersonalnotstand“ eine Frist bis zum 8. Juli zu setzen.
Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit, daher abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Holzleitner, Kolleginnen und Kollegen, dem Ausschuss für Familie und Jugend zur Berichterstattung über den Antrag 4035/A(E) der Abgeordneten Petra Wimmer,
Kolleginnen und Kollegen betreffend „Recht auf einen ganztätigen Kinderbildungs- und betreuungsplatz“ eine Frist bis zum 8. Juli zu setzen.
Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit, daher abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Einwallner, Kolleginnen und Kollegen, dem Ausschuss für innere Angelegenheiten zur Berichterstattung über den Antrag 4019/A(E) der Abgeordneten Einwallner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Österreich fehlen 4.000 Polizist*innen“ eine Frist bis zum 8. Juli zu setzen.
Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit, daher abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen, dem Ausschuss für Arbeit und Soziales zur Berichterstattung über den Antrag 3918/A der Abgeordneten Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Pensionsgesetz – APG“ geändert wird, eine Frist bis zum 8. Juli 2024 zu setzen.
Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit, daher abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Schroll, Kolleginnen und Kollegen, dem Ausschuss für Wirtschaft, Industrie und Energie zur Berichterstattung über den Antrag 3976/A(E) der Abgeordneten Schroll, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Schluss mit den obszönen Übergewinnen – her mit leistbaren Preisen!“ eine Frist bis zum 8. Juli 2024 zu setzen.
Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit, daher abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Tanzler, Kolleginnen und Kollegen, dem Unterrichtsausschuss zur Berichterstattung über
den Antrag 2845/A(E) der Abgeordneten Tanzler, Wimmer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Kostenfreies, qualitativ hochwertiges Mittagessen für alle Kinder in elementarpädagogischen Einrichtungen und Schulen“ eine Frist bis zum 8. Juli zu setzen.
Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit, daher abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Kucher, Kolleginnen und Kollegen, dem Wissenschaftsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 1972/A(E) der Abgeordneten Kucher, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Maßnahmen gegen den ÄrztInnenmangel in Österreich“ eine Frist bis zum 8. Juli 2024 zu setzen.
Wer dies tut, möge ein Zeichen geben. – Das ist die Minderheit, daher abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Kucharowits, Kolleginnen und Kollegen, dem Außenpolitischen Ausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 3954/A(E) der Abgeordneten Kucharowits, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Neutralität sichern, aktive Friedenspolitik betreiben“ eine Frist bis zum 8. Juli 2024 zu setzen.
Wer dies tut, möge ein Zeichen geben. – Auch das ist die Minderheit, daher abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen, dem Gleichbehandlungsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 277/A der Abgeordneten Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen betreffend „ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommenstransparenzgesetz geschaffen wird“ eine Frist bis zum 8. Juli 2024 zu setzen.
Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit, daher abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Becher, Kolleginnen und Kollegen, dem Bautenausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 3961/A(E) der Abgeordneten Becher, Kolleginnen und Kollegen betreffend „umfassendes Maßnahmenpaket für leistbares Wohnen“ eine Frist bis zum 8. Juli zu setzen.
Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Auch das ist die Minderheit und ist damit abgelehnt.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Es liegt mir das schriftliche Verlangen von 20 Abgeordneten vor, die vorgesehene Fassung des Amtlichen Protokolls hinsichtlich der Tagesordnungspunkte 6 bis 15 sowie 17 und 18 zu verlesen, damit diese Teile mit Schluss der Sitzung als genehmigt gelten.
„Tagesordnungspunkt 6:
Der Gesetzentwurf wird gemäß dem Ausschussantrag in 2626 der Beilagen in zweiter und dritter Lesung angenommen.
Tagesordnungspunkt 7:
Der Gesetzentwurf wird gemäß dem Ausschussantrag in 2627 der Beilagen in zweiter und dritter Lesung angenommen.
Tagesordnungspunkt 8:
Der Gesetzentwurf wird gemäß dem Ausschussantrag in 2628 der Beilagen in zweiter und dritter Lesung angenommen.
Tagesordnungspunkt 9:
Der Gesetzentwurf wird gemäß dem Ausschussantrag in 2616 der Beilagen in zweiter und dritter Lesung angenommen.
Tagesordnungspunkt 10:
Der Gesetzentwurf wird gemäß dem Ausschussantrag in 2617 der Beilagen in zweiter und dritter Lesung angenommen.
Tagesordnungspunkt 11:
Der Gesetzentwurf wird gemäß dem Ausschussantrag in 2618 der Beilagen in zweiter und dritter Lesung angenommen.
Tagesordnungspunkt 12:
Der Gesetzentwurf wird gemäß dem Ausschussantrag in 2619 der Beilagen in zweiter und dritter Lesung angenommen.
Tagesordnungspunkt 13:
Der Gesetzentwurf wird gemäß dem Ausschussantrag in 2621 der Beilagen unter Berücksichtigung des Abänderungsantrages Beilage 13/1 in zweiter und dritter Lesung angenommen. Tagesordnungspunkt 14:
Der Gesetzentwurf wird gemäß dem Ausschussantrag in 2622 der Beilagen in zweiter und dritter Lesung angenommen.
Tagesordnungspunkt 15:
Der Gesetzentwurf wird gemäß dem Ausschussantrag in 2623 der Beilagen in der Fassung des Abänderungsantrages Beilage 15/1 in zweiter und dritter Lesung angenommen.
Tagesordnungspunkt 17:
Der Abschluss der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG wird gemäß der Regierungsvorlage 2657 der Beilagen genehmigt.
Tagesordnungspunkt 18:
Nachdem die 24-stündige Frist gemäß § 108 GOG abgelaufen ist, wird der Gesetzentwurf gemäß dem Ausschussantrag in 2592 der Beilagen – bei
Anwesenheit der vorgesehenen Anzahl der Abgeordneten – in dritter Lesung – und zwar mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit – angenommen.“
*****
Erheben sich Einwendungen gegen die Fassung oder den Inhalt dieser Teile des Amtlichen Protokolls? – Das ist nicht der Fall.
Diese Teile des Amtlichen Protokolls gelten daher gemäß § 51 Abs. 6 der Geschäftsordnung mit Schluss dieser Sitzung als genehmigt.
Einlauf
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf bekannt geben, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 4141/A bis 4145/A(E) eingebracht worden sind.
*****
Die nächste Sitzung des Nationalrates, die geschäftsordnungsmäßige Mitteilungen und Zuweisungen betreffen wird, berufe ich für 17.21 Uhr – das ist gleich im Anschluss an diese Sitzung – ein.
Diese Sitzung ist geschlossen.
Schluss der Sitzung: 17.21 Uhr
Impressum: Parlamentsdirektion 1017 Wien
|