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Stenographisches Protokoll

 

 

 

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102. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XXV. Gesetzgebungsperiode

 

Donnerstag, 12. November 2015

 

 


Stenographisches Protokoll

102. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXV. Gesetzgebungsperiode  Donnerstag, 12. November 2015

Dauer der Sitzung

Donnerstag 12. November 2015: 9.05 – 16.39 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Grüner Bericht 2015

2. Punkt: Bericht über den Antrag 148/A(E) der Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen betreffend Reform der Gemeinsamen Agrarpoli­tik 2014–2020 – Umsetzung in Österreich II

3. Punkt: Bericht über den Antrag 749/A(E) der Abgeordneten Harald Jannach, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend Einführung einer Investitionsförderung für die Umrüs­tung auf oder den Neukauf von Traktoren mit Pflanzenölantrieb

4. Punkt: Bericht über den Fortschrittsbericht 2015 nach § 6 Klimaschutzgesetz

5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Strahlenschutzgesetz geändert wird

6. Punkt: Bericht über den Antrag 1192/A(E) der Abgeordneten Werner Neubauer, Kolle­­ginnen und Kollegen betreffend Prüfung eines Ausstiegs Österreichs aus dem EURATOM-Vertrag ohne gleichzeitigen Austritt aus der Europäischen Union

7. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über Hypothekar- und Immobi­lienkreditverträge und sonstige Kreditierungen zu Gunsten von Verbrauchern (Hypothe­kar- und Immobilienkreditgesetz – HIKrG) erlassen wird und das Verbraucherkreditge­setz geändert wird

8. Punkt: Viertes Zusatzprotokoll zum Europäischen Auslieferungsübereinkommen (ge­mäß § 28a GOG keine Ausschussvorberatung)

9. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulpflichtgesetz 1985 geän­dert wird (1309/A)

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Inhalt

Personalien

Verhinderungen ................................................................................................................ 8


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll102. Sitzung / Seite 2

Ordnungsruf ................................................................................................................... 79

Geschäftsbehandlung

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z 2 der Geschäftsordnung .......................................................................................................... 30

Antrag der Abgeordneten Ing. Robert Lugar, Kolleginnen und Kollegen auf Ein­setzung eines Untersuchungsausschusses zur Untersuchung der politischen Ver­antwortung für die Vorgänge rund um die Kommunalkredit AG und die Österrei­chische Volksbanken AG (ÖVAG-Untersuchungsausschuss) gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung (2/US) ................................................................... 134

Bekanntgabe .................................................................................................................. 37

Verlangen gemäß § 33 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer kur­zen Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG .......................................................................................................... 37

Redner/Rednerinnen:

Ing. Robert Lugar ..............................................................................................  137, 146

Kai Jan Krainer ........................................................................................................... 139

Gabriele Tamandl ....................................................................................................... 140

Mag. Roman Haider .................................................................................................... 142

Mag. Werner Kogler ................................................................................................... 143

Dr. Rainer Hable ......................................................................................................... 145

Zuweisung des Antrages an den Geschäftsordnungsausschuss ................................ 147

Fragestunde (14.)

Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft ................................................................... 8

Mag. Andrea Kuntzl (160/M); Werner Neubauer

Peter Haubner (157/M); Bernhard Themessl

MMMag. Dr. Axel Kassegger (164/M); Ing. Waltraud Dietrich

Mag. Christiane Brunner (167/M); Mag. Josef Lettenbichler

Josef Schellhorn (166/M)

Leopold Steinbichler (163/M)

Wolfgang Knes (161/M); Johann Singer

Dr. Karlheinz Töchterle (158/M); Sigrid Maurer, Claudia Angela Gamon, MSc (WU)

Dr. Andreas F. Karlsböck (165/M)

Dr. Ruperta Lichtenecker (168/M); Dr. Christoph Matznetter

Elisabeth Hakel (162/M)

Eva-Maria Himmelbauer, BSc (159/M); Philip Kucher

Ausschüsse

Zuweisungen .......................................................................................................  134, 147


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll102. Sitzung / Seite 3

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Grü­nen Bericht 2015 der Bundesregierung (III-210/809 d.B.) ................................................................................ 30

2. Punkt: Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den An­trag 148/A(E) der Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen betreffend Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik 2014–2020 – Umset­zung in Österreich II (810 d.B.) .................................. 30

3. Punkt: Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den An­trag 749/A(E) der Abgeordneten Harald Jannach, Kolleginnen und Kollegen be­treffend Einführung einer Investitionsförderung für die Umrüstung auf oder den Neukauf von Traktoren mit Pflanzenölantrieb (868 d.B.) ...... 30

Redner/Rednerinnen:

Josef A. Riemer ............................................................................................................ 30

Jakob Auer .................................................................................................................... 33

Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber ......................................................................  34, 71

Erwin Preiner ................................................................................................................ 37

Leopold Steinbichler .............................................................................................  39, 69

Josef Schellhorn .......................................................................................................... 45

Harald Jannach ......................................................................................................  46, 70

Ing. Hermann Schultes ................................................................................................ 49

Mag. Gerald Hauser ..................................................................................................... 50

Jürgen Schabhüttl ........................................................................................................ 52

Rupert Doppler ............................................................................................................. 53

Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich .................................................................................. 53

Bundesminister Dipl.-Ing. Andrä Rupprechter ......................................................... 55

Cornelia Ecker .............................................................................................................. 58

Ing. Manfred Hofinger .................................................................................................. 59

Walter Schopf ............................................................................................................... 60

Franz Leonhard Eßl ..................................................................................................... 61

Leopold Steinbichler (tatsächliche Berichtigung) ........................................................ 62

Mag. Maximilian Unterrainer ....................................................................................... 62

Angela Fichtinger ......................................................................................................... 63

Walter Bacher ............................................................................................................... 64

Norbert Sieber .............................................................................................................. 64

Michael Ehmann ........................................................................................................... 65

Hermann Gahr .............................................................................................................. 66

Fritz Grillitsch ............................................................................................................... 67

Gerhard Schmid ........................................................................................................... 68

Entschließungsantrag der Abgeordneten Leopold Steinbichler, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Lebensmittelkrisenplan“ – Ablehnung ....................................................................  43, 71

Entschließungsantrag der Abgeordneten Leopold Steinbichler, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Vollkostenrechnung in der Landwirtschaft“ – Ablehnung                                                  44, 71

Kenntnisnahme des Berichtes III-210 d.B. ..................................................................... 71

Kenntnisnahme der beiden Ausschussberichte 810 und 868 d.B. ................................. 71

4. Punkt: Bericht des Umweltausschusses über den Fortschrittsbericht 2015 nach § 6 Klimaschutzgesetz, vorgelegt vom Bundesminister für Land- und Forstwirt­schaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (III-215/853 d.B.) ......................................................................................................................................... 72


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll102. Sitzung / Seite 4

Redner/Rednerinnen:

Walter Rauch ................................................................................................................ 72

Johann Höfinger ........................................................................................................... 73

Mag. Christiane Brunner ............................................................................................. 76

Hannes Weninger ......................................................................................................... 83

Werner Neubauer ......................................................................................................... 84

Michael Pock ................................................................................................................. 85

Georg Willi .................................................................................................................... 87

Bundesminister Dipl.-Ing. Andrä Rupprechter ......................................................... 88

Ulrike Weigerstorfer ..................................................................................................... 90

Mag. Christiane Brunner (tatsächliche Berichtigung) ................................................. 91

Ing. Mag. Werner Groiß ............................................................................................... 91

Mag. Karin Greiner ....................................................................................................... 92

Leopold Steinbichler .................................................................................................... 93

Mag. Dr. Klaus Uwe Feichtinger ................................................................................. 94

Entschließungsantrag der Abgeordneten Johann Höfinger, Hannes Wenin­ger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Österreichs Beitrag zu einem ambitio­nierten Ergebnis auf der Klimakonferenz COP 21 in Paris – Annahme (E 114)                                                                                                                               74, 94

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Christiane Brunner, Kollegin­nen und Kollegen betreffend Österreichs Beitrag zur Klimakonferenz in Paris – Ablehnung ...............................  79, 94

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Christiane Brunner, Kollegin­nen und Kollegen betreffend Bereitstellung der versprochenen Gelder vor der Pa­riser Klimakonferenz – Ablehnung  81, 94

Kenntnisnahme des Berichtes III-215 d.B. ..................................................................... 94

Gemeinsame Beratung über

5. Punkt: Bericht des Umweltausschusses über die Regierungsvorlage (823 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Strahlenschutzgesetz geändert wird (854 d.B.) ....................................................... 95

6. Punkt: Bericht des Umweltausschusses über den Antrag 1192/A(E) der Abge­ordneten Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Prüfung eines Ausstiegs Österreichs aus dem EURATOM-Vertrag ohne gleichzeitigen Austritt aus der Europäischen Union (855 d.B.) ................................. ..... 95

Redner/Rednerinnen:

Mag. Günther Kumpitsch ............................................................................................ 95

Johann Höfinger ........................................................................................................... 96

Matthias Köchl .............................................................................................................. 97

Harry Buchmayr ........................................................................................................... 99

Michael Pock ............................................................................................................... 100

Johann Rädler ............................................................................................................ 101

Ulrike Weigerstorfer ................................................................................................... 102

Matthias Köchl (tatsächliche Berichtigung) ................................................................ 104

Walter Bacher ............................................................................................................. 104

Werner Neubauer ....................................................................................................... 105

Martina Diesner-Wais ................................................................................................. 106

Rupert Doppler ........................................................................................................... 107

Bundesminister Dipl.-Ing. Andrä Rupprechter ....................................................... 108

Rudolf Plessl ............................................................................................................... 109

Werner Neubauer (tatsächliche Berichtigung) ........................................................... 110

Dipl.-Ing. Georg Strasser .......................................................................................... 111

Hannes Fazekas ......................................................................................................... 111

Erwin Preiner .............................................................................................................. 112


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll102. Sitzung / Seite 5

Annahme des Gesetzentwurfes in 854 d.B. ................................................................. 113

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 855 d.B. ...................................................... 113

7. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (843 d.B.): Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über Hypothekar- und Immobilienkre­ditverträge und sonstige Kreditierungen zu Gunsten von Verbrauchern (Hypothe­kar- und Immobilienkreditgesetz – HIKrG) erlassen wird und das Verbraucherkre­ditgesetz geändert wird (867 d.B.) ................................................................................ 113

Redner/Rednerinnen:

Mag. Harald Stefan ..................................................................................................... 114

Mag. Michaela Steinacker .......................................................................................... 115

Dr. Nikolaus Scherak ................................................................................................. 117

Dr. Johannes Jarolim ................................................................................................. 121

Mag. Aygül Berivan Aslan ......................................................................................... 122

Bundesminister Dr. Wolfgang Brandstetter ........................................................... 124

Mag. Ruth Becher ....................................................................................................... 125

Dr. Harald Troch ......................................................................................................... 126

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Harald Stefan, Kolleginnen und Kollegen betreffend Konsumentenschutzrecht „NEU“ – Ablehnung ...................................................  115, 127

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Aygül Berivan Aslan, Kollegin­nen und Kollegen betreffend Pfandleihverträge – Ablehnung ...........................................................................  123, 127

Annahme des Gesetzentwurfes in 867 d.B. ................................................................. 127

8. Punkt: Regierungsvorlage: Viertes Zusatzprotokoll zum Europäischen Aus­lieferungsübereinkommen (gemäß § 28a GOG keine Ausschussvorberatung) (785 d.B.) ................................... 127

Redner/Rednerinnen:

Mag. Bernd Schönegger ............................................................................................ 127

Dr. Johannes Jarolim ................................................................................................. 128

Mag. Dr. Klaus Uwe Feichtinger ............................................................................... 129

Petra Bayr, MA ............................................................................................................ 129

Genehmigung des Staatsvertrages in 785 d.B. ........................................................... 130

9. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dr. Walter Rosenkranz, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulpflichtge­setz 1985 geändert wird (1309/A)                       130

Redner/Rednerinnen:

Mag. Gerald Hauser ................................................................................................... 131

Mag. Elisabeth Grossmann ....................................................................................... 131

Ing. Manfred Hofinger ................................................................................................ 132

Dr. Harald Walser ....................................................................................................... 132

Claudia Angela Gamon, MSc (WU)........................................................................... 133

Zuweisung des Antrages 1309/A an den Unterrichtsausschuss .................................. 134

Eingebracht wurden

Anträge der Abgeordneten

Dr. Rainer Hable, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) geändert wird (1414/A)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll102. Sitzung / Seite 6

Dr. Rainer Hable, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungs­gesetz 1975) geändert wird (1415/A)

Harald Jannach, Kolleginnen und Kollegen betreffend Streichung der Bezeichnung „g.g.A.“ wegen Irreführung der Konsumenten (1416/A)(E)

Heinz-Christian Strache, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfas­sungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz – B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, ge­ändert wird (1417/A)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Restruktu­rierung der AMS-Leitungsebene und Einführung von Leistungskomponenten bei der Entlohnung der AMS-Spitzenmanager (1418/A)(E)

Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Konsumentenschutz­recht „NEU“ (1419/A)(E)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend nachhaltige Erneuerung des Vergaberechts (1420/A)(E)

Michael Pock, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmen gegen die weitere Aus­weitung von Teilzeitarbeit bei Frauen (1421/A)(E)

Christoph Hagen, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Obligatorische Erweiterung der praktischen Ausbildung von Richtern und Staatsanwälten im Bereich der Exekuti­ve“ (1422/A)(E)

Christoph Hagen, Kolleginnen und Kollegen betreffend „IG-Luft Geschwindigkeitsbe­schränkungen auf Bundesstraßen – Verlagerung in Bundeskompetenz“ (1423/A)(E)

Leopold Steinbichler, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Erhöhung der Sicherheit bei Mopeds durch größere Rückstrahler sowie durch das verpflichtende Tragen von Si­gnalwesten mit Reflektoren“ (1424/A)(E)

Leopold Steinbichler, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Lebensmittelkrisenplan“ (1425/A)(E)

Leopold Steinbichler, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Vollkostenrechnung in der Landwirtschaft“ (1426/A)(E)

Mag. Albert Steinhauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Datenschutz und Auto (1427/A)(E)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (1428/A)

Mag. Gernot Darmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend: Asylmissbrauch abstel­len – konsequent Abschieben (1429/A)(E)

Ulrike Weigerstorfer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Änderung der Gewerbe­ordnung – Pferdeeinstellbetriebe“ (1430/A)(E)

Carmen Schimanek, Kolleginnen und Kollegen betreffend Beschäftigungsausweis in der Bauwirtschaft (1431/A)(E)

Carmen Schimanek, Kolleginnen und Kollegen betreffend Beschäftigungsausweis in der Bauwirtschaft (1432/A)(E)

Michael Pock, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abschaffung der Flugabgabe (1433/A)(E)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll102. Sitzung / Seite 7

Leopold Steinbichler, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Geschützte geografische Angaben (g.g.A)“ (1434/A)(E)

Anfragen der Abgeordneten

Norbert Sieber, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidi­gung und Sport betreffend den durch die Ministerweisung Nr. 244/2015 verursachten Kahlschlag bei den Militärmusiken in den Bundesländern Burgenland, Niederöster­reich, Oberösterreich, Steiermark, Tirol, Kärnten, Salzburg und Vorarlberg (6955/J)

Rudolf Plessl, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betref­fend Auswirkungen des VW-Abgasskandals auf den BMI Fuhrparkmanagement-Rah­menvertrag aus 2008 (6956/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Kleiner Beutenkäfer (6957/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betref­fend Pkw-Einbrüche mittels Störsender (6958/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betref­fend durch randalierende Jugendliche verletzte Polizisten (6959/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betref­fend strafmündige Straftäter (6960/J)

Johann Rädler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Inno­vation und Technologie betreffend Bahnübergänge an der B 54, L 148 sowie an der L 4090 im Bezirk Wr. Neustadt (6961/J)


 


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll102. Sitzung / Seite 8

09.05.13Beginn der Sitzung: 9.05 Uhr

Vorsitzende: Präsidentin Doris Bures, Zweiter Präsident Karlheinz Kopf, Dritter Präsi­dent Ing. Norbert Hofer.

*****

 


Präsidentin Doris Bures: Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Ich wünsche Ihnen einen schönen guten Morgen und eröffne die 102. Sitzung des Natio­nalrates.

Als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Katzian, Keck, Johannes Rauch, Kickl, Brosz, Windbüchler-Souschill, Strolz.

*****

Ich gebe bekannt, dass die Sitzung von ORF 2 bis 11 Uhr und von ORF III in voller Länge live übertragen wird.

09.05.48Fragestunde

 


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen zur Fragestunde.

Die Fragestellungen durch die Damen und Herren Abgeordneten werden von den bei­den Rednerpulten im Halbrund vorgenommen, die Beantwortung durch den Herrn Bun­desminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft – einen schönen guten Mor­gen, Herr Minister! – erfolgt vom Rednerpult der Abgeordneten aus.

Für Anfrage- und Zusatzfragesteller ist jeweils 1 Minute Redezeit vorgesehen. Die Be­antwortung der Anfrage soll 2 Minuten, jene der Zusatzfrage jeweils 1 Minute nicht über­steigen. Ich werde wenige Sekunden vor Ende der jeweiligen Redezeit auf deren Ab­lauf aufmerksam machen.

Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft

 


Präsidentin Doris Bures: Wir kommen nunmehr zur 1. Anfrage, 160/M, das ist jene der Frau Abgeordneten Mag. Kuntzl. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


Abgeordnete Mag. Andrea Kuntzl (SPÖ): Guten Morgen, sehr geehrte Damen und Herren! Guten Morgen, Herr Vizekanzler! Sie sind ja als Bundesminister auch für die Wissenschaft, also für die Universitäten zuständig. Ihr Haus hat in den letzten Monaten mit den Universitäten die Leistungsvereinbarungen verhandelt, also die Verträge, die für drei Jahre mit den Universitäten abgeschlossen werden, im Rahmen derer die öf­fentlichen Mittel zur Verfügung gestellt werden, das Budget zur Verfügung gestellt wird und mit den Universitäten quasi ein Leistungskatalog vereinbart wird.

Mich würde jetzt Folgendes interessieren: In den letzten Jahren ist die Anzahl der Stu­dierenden in Österreich immer mehr gestiegen, was eine positive Entwicklung ist. Wir brauchen mehr qualifizierte Leute. Wir wollen auch die entsprechenden Lebenschan­cen bieten, aber das bringt natürlich auch Herausforderungen mit sich.

Meine Frage lautet:


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll102. Sitzung / Seite 9

160/M

„Welche Maßnahmen werden in den jetzt abzuschließenden Leistungsvereinbarungen mit den Universitäten vereinbart, um die Betreuungsverhältnisse für die Studierenden zu verbessern?“

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Vizekanzler, bitte.

 


Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Vizekanzler Dr. Rein­hold Mitterlehner: Guten Morgen, Frau Präsidentin! Guten Morgen, meine sehr geehr­ten Damen und Herren! Es stimmt, wir verhandeln gerade die Leistungsvereinbarun­gen mit den Universitäten für die kommenden drei Jahre. Wir sind mit den Verhand­lungen noch nicht fertig, aber beinahe. Konkret haben von 21 Universitäten 18 die Ver­handlungen bereits abgeschlossen. Das spricht dafür, dass wir an sich richtig aufberei­tet haben und auf einem guten Weg sind, obwohl es natürlich schwierig ist.

Eine zentrale Frage, die Sie angesprochen haben, betrifft die Betreuungsrelation zwi­schen Studierenden und wissenschaftlichem Personal. Wir haben das Problem, dass sich durch die erfreuliche Entwicklung der Studierendenzahlen die Betreuungsrelation leicht verschlechtert hat.

Wir haben daher auch in den Leistungsvereinbarungen diesbezüglich mehrere Maß­nahmen gesetzt. Das Erste ist die Umsetzung des Qualitätspakets Lehre: In den so­genannten § 14h-Fächern – Architektur, Informatik, Biologie, Wirtschaft, Pharmazie – sind 95 ProfessorInnenstellen in Umsetzung. Das verbessert die Relation beträchtlich. Wir versuchen auch, die Personalstruktur weiterzuentwickeln, das heißt, den Anteil des be­fristeten Personals besser zu steuern und auch, was Drittmittelpersonal anbelangt, ei­ne Veränderung der Personalstruktur zu bewerkstelligen, die den Studierenden zugute­kommt.

Wir haben uns geeinigt – und es wurde auch ein entsprechendes Gesetz beschlossen –, dass die Zugangsregelungen fortgesetzt werden, und diese sind – zumindest deutet die bisherige Studie des IHS darauf hin – ein gutes Steuerungsinstrument, damit einfach die Studienwahl besser getroffen wird, bessere Informationen zur Verfügung stehen, wodurch sich die Verweildauer verlängert und die Betreuungsrelation insgesamt bis jetzt verbessert hat. Es erfolgte also auch eine bessere und zielgerichtetere Aufteilung auf die einzelnen Fächer, und bin optimistisch, dass wir damit einen guten Trend er­reichen.

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


Abgeordnete Mag. Andrea Kuntzl (SPÖ): Es gibt auch viele andere Punkte, die in den Leistungsvereinbarungen mit den Universitäten verhandelt werden. Wir stellen fest – in vielen Gesprächen und nicht zuletzt aus den Sozialberichten Ihres Hauses –, dass im­mer mehr Studierende neben dem Studium berufstätig sind, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Die Grenze ist fließend. Über die Hälfte der Studierenden ist bereits ne­ben dem Studium berufstätig beziehungsweise studiert neben der Berufstätigkeit.

Daher ist es auch eine Herausforderung, Bedingungen an den Universitäten zu schaf­fen, sodass dies vereinbar ist, denn das ist besonders für Studierende wichtig, denen das Elternhaus das Studium nicht alleine finanzieren kann – dies sind ja immer mehr, und die soziale Durchlässigkeit ist für uns auch ein wichtiger Punkt.

Daher meine Frage: Welche Maßnahmen werden im Zuge der Leistungsvereinbarun­gen für die nächsten Jahre mit den Universitäten vereinbart, um die Situation für Stu­dierende, die berufstätig sind, die neben dem Studium arbeiten, zu verbessern?

 


Präsidentin Doris Bures: Bitte, Herr Vizekanzler.

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll102. Sitzung / Seite 10

Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Vizekanzler Dr. Rein­hold Mitterlehner: Da ist der eine Teil natürlich der gesamte Stipendienbereich, der aber nicht Teil der Leistungsvereinbarung ist. Gerade was Familiensituationen anbe­langt, haben wir uns bei der letzten Novelle schon bemüht, Verbesserungen zu errei­chen, was auch gelungen ist.

Zum Zweiten versuchen die Universitäten – und das ist sehr wohl Teil der Leistungs­vereinbarung – durch konkrete Angebote, insbesondere was Kinderbetreuung für Stu­dentInnen betrifft, die Vereinbarkeit von Studium und Familie möglich zu machen und entsprechende Angebote zu verbessern. Das ist natürlich ein Prozess, der mit dieser kommenden Leistungsvereinbarung nicht abgeschlossen werden kann; ein beginnen­der, aber durchaus aktualisierter Vorgang.

 


Präsidentin Doris Bures: Weitere Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Neubauer, bitte.

 


Abgeordneter Werner Neubauer (FPÖ): Schönen guten Morgen, Herr Bundesminis­ter! Die Universität Innsbruck ist in den letzten Monaten immer mehr in die Schlagzei­len gekommen, weil die Verbesserung von Betreuungsverhältnissen dort nicht in dem Ausmaß erfolgt sein soll, wie sich das Professoren, wie Sie sich das wahrscheinlich selbst als Minister und wie sich das vielleicht auch die Studenten vorstellen.

Es gab massive Vorwürfe wegen Plagiatsverdachtes gegenüber Professoren wie auch Studenten, es gab Vorwürfe, dass Professoren ihrer Lehrverpflichtung nicht in ausrei­chendem Maße nachgekommen sein sollen, und es gab Vorwürfe dahin gehend, dass Ausschreibungen unkorrekt erfolgt sein sollen.

Herr Minister, Sie sind zuständig für die Universitäten: Wie wollen Sie diese Mängel abstellen, und wie wollen Sie den guten Ruf der Universität Innsbruck wiederherstellen?

 


Präsidentin Doris Bures: Bitte, Herr Vizekanzler.

 


Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Vizekanzler Dr. Rein­hold Mitterlehner: Herr Abgeordneter Neubauer, Sie wissen natürlich, dass das jetzt mit der Betreuungsrelation an sich nichts zu tun hat; eventuell mit der Qualität der Betreuung im indirekten Sinne. Sie wissen darüber hinaus, dass es an sich eine Auto­nomie der Universitäten gibt, die seit dem Jahr 2002 noch präziser geregelt ist.

Ich gehe einmal davon aus, es sind jetzt behauptete Vorfälle im Bereich der Universi­tät Innsbruck, die mir durch entsprechende Anfragen teilweise auch zur Kenntnis ge­langt sind. Im Wesentlichen geht es darum, die Vorfälle erstens im Rahmen der jeweili­gen Organe der Universität Innsbruck zu klären, zweitens gibt es soweit notwendig ent­sprechende Gremien für disziplinarrechtliche Schritte, und drittens ist gegebenenfalls – diesen Fall sehe ich dort aber bis jetzt nicht – auch eine entsprechende Aufklärung durch die zuständigen Rechtseinrichtungen durchzuführen. Ich möchte da den Ergeb­nissen nicht vorgreifen. Das ist einfach eine Angelegenheit, die geklärt werden muss. Da steht teilweise Behauptung gegen Gegenbehauptung.

 


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir zur 2. Anfrage, 157/M, jener des Herrn Abgeordneten Haubner. – Bitte.

 


Abgeordneter Peter Haubner (ÖVP): Guten Morgen, Herr Minister! Österreich hat ei­ne stark exportorientierte Wirtschaft, und gerade für eine solche Wirtschaft ist es sehr wichtig, dass die internationale Wettbewerbsfähigkeit gesichert ist. Internationale Ran­kings zeigen ja, dass Österreich da zurzeit in einem negativen Trend liegt.

Anhand der Entwicklung der Lohnstückkosten zeigt sich die preisliche Wettbewerbs­fähigkeit eines Landes. Während die Lohnstückkosten in der Eurozone und unter den EU 28 in letzter Zeit rückläufig waren, stiegen sie hingegen in Österreich an.

Meine Frage lautet:


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll102. Sitzung / Seite 11

157/M

„Welche Maßnahmen werden Sie ergreifen, um die preisliche Wettbewerbsfähigkeit Ös­terreichs zu verbessern?“

 


Präsidentin Doris Bures: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Vizekanzler Dr. Rein­hold Mitterlehner: Herr Abgeordneter, die Wettbewerbsfähigkeit hängt natürlich, wie schon angedeutet, nicht nur vom Bereich der Arbeitskosten und der Lohnnebenkosten ab, diese sind aber ein wichtiger Faktor. Im Endeffekt ist jedoch das Gesamtprodukt entscheidend, also: Was wird am Markt qualitativ, auch von der entsprechenden Logis­tik, von der Serviceleistung und vom Preis in Konkurrenz mit den anderen abgedeckt?

Wir haben gesehen, dass Österreich im Vergleich mit anderen Ländern, was die Lohn­nebenkosten anbelangt, einen Wettbewerbsnachteil hat, der durch die Unternehmen nicht steuerbar ist, etwa durch bessere Produktivität, und wir haben uns beim letzten Arbeitsmarktgipfel intensiv bemüht, da entsprechend gegenzusteuern, was, glaube ich, auch sehr gut gelungen ist.

Ich erinnere mich daran, dass es über 20 Jahre bei jeder Veranstaltung mit Unterneh­men, vor allem mit Klein- und Mittelbetrieben, die Forderung gab, Lohnnebenkosten zu senken. Jetzt sind wir in der Lage, ein Programm in mehreren Teilabschnitten umzu­setzen. Das beginnt mit 1. Jänner 2016 im Bereich Insolvenzentgeltsicherungsfond mit 0,1 Prozent und geht dann in verschiedenen Schritten bis zu 0,7 Prozent im FLAF, ohne Familienleistungen einzuschränken, sondern es wird auf der anderen Seite das Volumen, das möglich ist, auch entsprechend genutzt.

Ich glaube, dass diese Maßnahme für die Unternehmen einfach bessere Planbarkeit und teilweise auch eine andere Motivation ergeben kann und natürlich eine Möglichkeit ist, auch die Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Wettbewerb zu steigern. Wie ge­sagt, wir liegen im Bereich der Lohnnebenkosten im oberen Mittelfeld und haben uns in den letzten Jahren eher verschlechtert. Das Wifo erwartet jetzt aber eine weitere Ver­besserung, wie man überhaupt aufgrund verschiedener Faktoren eine Verbesserung der Wirtschaftssituation erwartet.

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage? – Bitte.

 


Abgeordneter Peter Haubner (ÖVP): Ohne Investitionen sinkt die Arbeitsproduktivität und damit auch die Wettbewerbsfähigkeit. Deshalb auch noch folgende Frage: Wie werden Sie künftig Investitionen unterstützen?

 


Präsidentin Doris Bures: Bitte, Herr Vizekanzler.

 


Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Vizekanzler Dr. Rein­hold Mitterlehner: Wenn wir uns das heurige Jahr anschauen, dann wird es einige überraschen, dass sich der Cash Flow der Unternehmen im Schnitt eigentlich sehr gut entwickelt, muss ich sagen. Es gibt natürlich auch Branchen, in denen man nicht die­sen Eindruck und vor allem auch diese rechnerische Nachweismöglichkeit hat. Wir er­warten aber auch nächstes Jahr eine durchaus gute Entwicklung, unterstützt auch durch die Wirtschaftsprognosen.

Wir werden durch die Steuerreform die Entwicklung haben, dass der Konsum an­springt. Der ist in diesem Jahr eher stagnierend. Wir haben gute Erwartungen, was das Weihnachtsgeschäft anlangt; gestern ist dazu eine Umfrage veröffentlicht worden. Das wird den Konsum beleben, und damit folgen als zweiter Schritt Investitionen.

Die Kapazitäten der Firmen sind jetzt zu 85 Prozent ausgelastet, daher hat man bis jetzt wenig in dem Bereich getan. Da Basel IV schon in Diskussion ist, werden wir mit


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dem aws durch Erweiterung der Garantiesummen und auf der anderen Seite durch Möglichkeiten, die Entgelte zu halbieren – das haben wir jetzt schon umgesetzt – ein­fach das Volumen der Kredite beträchtlich erhöhen. Ich sehe dadurch einen Ansporn für Investitionen. Natürlich wird die Steuerreform dann auch mittelfristig wirken, weil die Einkommensteuer – das wird zwar erst rückwirkend wirksam – auch motivieren sollte.

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Themessl, bitte.

 


Abgeordneter Bernhard Themessl (FPÖ): Guten Morgen, Herr Vizekanzler! Kollege Haubner hat es ja angesprochen: Österreich ist eine sehr exportorientierte Wirtschaft. Einen Hemmschuh in der internationalen Wettbewerbsfähigkeit stellen unter anderem all diese Vorgaben und Verordnungen der EU dar, die ja teilweise auch überschießend sind. Jetzt fordert Großbritannien eine Abkehr von dieser Verordnungsflut aus Brüssel. Auch die deutsche Bundesregierung geht in diese Richtung. Werden Sie sich dieser Forderung anschließen?

 


Präsidentin Doris Bures: Bitte, Herr Vizekanzler.

 


Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Vizekanzler Dr. Rein­hold Mitterlehner: Ich kann dem einiges abgewinnen, weil ich schon den Eindruck ha­be – und auch Unternehmerinnen und Unternehmer haben diesen Eindruck –, dass wir gerade in den letzten Jahren, teilweise auch bedingt durch EU-Vorgaben, ziemlich in­tensive Umsetzungsnotwendigkeiten hatten. Es liegt teilweise aber auch am österrei­chischen Parlament, da kein Gold Plating vorzunehmen, was ich in Reden immer von allen Beteiligten höre, was aber da und dort in der Umsetzung gar nicht so einfach ist. Daher liegt es an uns, aber vor allem natürlich an jenen, die den ersten Schritt setzen.

Wir haben, was etwa die Pauschalreiserichtlinie oder auch andere Themen anbelangt, schon durch Gegenstimmen darauf aufmerksam gemacht, dass wir in dem Zusammen­hang eher die Ansicht des Vereinigten Königreiches teilen und glauben, dass sich die EU eher anderen Themen prioritär widmen könnte als jenem, die Vorschriften für Un­ternehmen noch zu präzisieren. Man regelt da sehr viel vor allem aus Sicht des Kon­sumenten – das ist gut, aber man regelt sehr viel überbordend. Die Umsetzung kommt dann zeitversetzt in die heimischen Betriebe, und gerade, wenn man keine Gewinne macht und die Auftragslage schlecht ist, wird das umso deutlicher spürbar. Also ich kann Ihnen vom Trend her durchaus beipflichten, und wir bemühen uns auch in dieser Richtung.

 


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir zur 3. Anfrage, jener des Herrn Abge­ordneten Dr. Kassegger. – Bitte.

 


Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (FPÖ): Frau Präsidentin! Guten Morgen, Herr Vizekanzler! Meine Frage betrifft die Sanktionen gegenüber der Russischen Föde­ration. Auch das ist ein Bereich, wo uns das Gefühl beschleicht, dass die Europäische Union als Institution nicht unbedingt die Interessen Europas in der Intensität vertritt, wie es notwendig wäre. Wenn das Ziel war, eine Verhaltensänderung Russlands herbeizu­führen, dann ist das Ergebnis erheblicher Schaden für die europäische Wirtschaft und Verlust von Arbeitsplätzen.

Es mehren sich die Stimmen, diese Sanktionen zu beenden – ich nenne nur den ehe­maligen deutschen Bundeskanzler Schröder, auch Leitl. Ich darf feststellen, dass die FPÖ immer, von Anfang an, gesagt hat, diese Sanktionen sind Unfug. Wie die Abläufe zu sein scheinen, sieht man daran, dass Präsident Juncker noch vor einem Monat ge­sagt hat, wir müssen das Verhältnis zu Russland verbessern. Vor Kurzem versicherte er aber, dass nach einem Telefongespräch mit US-Vizepräsident Joe Biden die EU an den Sanktionen gegen Russland festhält.

Meine konkrete Frage lautet:


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164/M

„Welche negativen Auswirkungen hatten die Wirtschaftssanktionen gegen Russland auf die österreichische Wirtschaft und die österreichischen Arbeitsplätze bisher beziehungs­weise werden sie bei einer weiteren Aufrechterhaltung noch haben?“

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Vizekanzler, bitte.

 


Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Vizekanzler Dr. Rein­hold Mitterlehner: Herr Abgeordneter, bevor ich auf die Beantwortung der Frage ein­gehe, muss ich schon vorausschicken, dass Russland den gesamten Prozess der ne­gativen Dominoeffekte durch eine eindeutig völkerrechtswidrige Vorgangsweise ausge­löst hat, was das Vorgehen in der Krim anbelangt. Das hat dann die gesamten poli­tischen Auseinandersetzungen ausgelöst, wo eindeutig war, dass sich die Europäische Gemeinschaft von dieser Vorgangsweise distanziert und auch im Zuge der späteren Eskalation ein gemeinsames politisches Vorgehen als wichtig angesehen hat. In dieser Vorgangsweise liegt die Intention, die Sanktionen zu begründen. Das hat man getan, wobei man sagen muss, dass die Exporte und die Importe nicht erst, seitdem die Sanktionen gesetzt worden sind, zurückgegangen sind, aber dann auch.

Wir haben uns bemüht, den Schaden für unser Land erstens, was die Ausrichtung der Sanktionen anbelangt, so maßvoll wie möglich zu halten. Das ist uns auch gelungen. Daher: Wenn man das differenziert sieht, ist es so, dass die Importe aus Russland um 14,5 Prozent im Zeitraum Jänner bis August zurückgegangen sind, die Exporte um 37,9 Prozent auf 1,3 Milliarden €.

Das ist nicht gut für die heimische Volkswirtschaft. Wir steigern unsere Exporte nur um 2,7 Prozent, wobei der Sektor Russland eher ein kleinerer Teil ist, aber stimmig, natür­lich nicht positiv.

Die Auswirkungen auf die Arbeitsplätze sind nicht gegeben. Wir haben gerade die Sektoren, die besonders betroffen sind – Maschinenbau, Großhandel, Warenherstel­lung und anderes –, dort ist die Beschäftigung wie im Bau in den letzten Monaten ge­stiegen. Das gilt für Warenherstellung um 8,4 Prozent, im Bau um 9,1 Prozent, im Han­del um 10,2 Prozent und im Maschinenbau um 15,1 Prozent.

Jetzt ist ein negativer Effekt der Sanktionen in diesem Zusammenhang nicht nachweis­bar. Lieber ist uns aber, dass der Minsk-Prozess demnächst einen Erfolg aufweist und wir keine Sanktionen mehr haben. Ich sehe aber trotzdem eine leichte Erleichterung, was die institutionellen Kontakte anbelangt.

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dr. Kassegger, bitte.

 


Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (FPÖ): Werden Sie sich dafür einsetzen, dass die Wirtschaftssanktionen gegen die Russische Föderation unverzüglich aufgeho­ben werden? Wenn ja, wie konkret?

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Vizekanzler Dr. Rein­hold Mitterlehner: Wir werden uns auf der einen Seite dafür einsetzen, dass auf poli­tischer Ebene, vor allem was die Außenpolitik und sonstige Kontakte anbelangt, die Minsker Vereinbarungen eingehalten werden. An sich ist die Tendenz trotz einiger Rückfälle nicht so schlecht. Auf der anderen Seite ist es so, dass wir einfach die Nor­malbeziehungen mit Russland, sprich die Abwicklung der Gemischten Kommission, die mehrmals verschoben werden musste, durchführen.

Wir sind aber auch in guten Gesprächen mit Russland, um bestimmte Entwicklungen, etwa im Bereich des Tourismus, mit einem eigenen Programm auch auszugleichen. Al-


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so im Endeffekt werden uns die substanziell guten Kontakte bilateral auch helfen, ei­nen langfristigen Schaden für die heimische Wirtschaft zu vermeiden. Ich glaube, wir haben eine ausgewogene Balance in diesem Zusammenhang realisieren können. (Abg. Hübner: Das war ja nicht die Frage!) – Herr Kollege, was berührt Sie? (Abg. Hübner: Das war ja nicht die Frage, ob …?)

 


Präsidentin Doris Bures: Das ist nicht der Fragesteller, Herr Bundesminister. (Abg. Kassegger: Das obliegt dem Beantworter der Frage! – Abg. Heinzl: Das war nur der Hübner!)

Nächste Zusatzfragestellerin ist Frau Abgeordnete Ing. Dietrich. – Bitte.

 


Abgeordnete Ing. Waltraud Dietrich (STRONACH): Guten Morgen, Herr Minister! Mo­ralisch war es mit Sicherheit richtig, die Sanktionen einzuleiten; vor allem Amerika hat ja großen Druck in diese Richtung ausgeübt. Wenn man sieht, dass Amerika sehr wohl weiterhin wirtschaftliche Kontakte mit Russland hat und 2015 das Handelsvolumen sogar um 10 Prozent gewachsen ist, während sich die EU brav an die Sanktionen hält – bei uns ist das Handelsvolumen nämlich um 6 Prozent zurückgegangen –, dann möchte ich dazu fragen: Ist das aus Ihrer Sicht der richtige Weg, den Europa geht? Oder sollte Österreich nicht Vorreiter in der Wirtschaft sein, im Sinne der Wirtschaft ge­hen und sich gegen die Sanktionen aussprechen?

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Vizekanzler, bitte.

 


Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Vizekanzler Dr. Rein­hold Mitterlehner: Frau Abgeordnete, ich habe es im Wesentlichen schon angespro­chen. Wir haben eben auch eine solidarische Verpflichtung im Bereich der Europäi­schen Gemeinschaft. Diese sind wir im Rat eingegangen, und wir haben uns den Sanktionen anschließen sollen. Ich finde das auch unsere moralische Pflicht. Die Ein­schätzung, ob das wirklich das Druckmittel ist, um Russland zu bewegen, mit der Uk­raine den Minsk-Prozess zu beschleunigen, kann hinterfragt werden. Ich glaube, teil­weise hat das zumindest dazu beigetragen.

Ich sage schon, dass auch die Auswirkungen für die russische Wirtschaft beträchtlich negativ waren und dass unter anderem auch der Rubelverfall zu dieser Wirtschaftsent­wicklung beigetragen hat. Daher wäre es, glaube ich, in beiderseitigem Interesse – ich meine jetzt, Ukraine und Russland –, den Konflikt möglichst rasch zu beenden und in unserem Interesse, dass damit auch die Sanktionen aufgehoben werden können, denn wirtschaftlich haben alle Benachteiligten eine Lose-lose-Situation. Das ist klar.

Aber, wie gesagt: Die politische Ebene in dem Bereich ist schon, was die Handlungen anbelangt, aktiv geworden. Und das kann nicht von einem Tag auf den anderen geän­dert werden.

 


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir zur 4. Anfrage, jener der Frau Abgeord­neten Mag. Brunner. – Bitte.

 


Abgeordnete Mag. Christiane Brunner (Grüne): Frau Präsidentin! Herr Vizekanzler! Meine Frage mag als Detailfrage erscheinen, hat aber mit großen Themen, wie der be­vorstehenden Klimakonferenz und dem aktuellen VW-Abgas-Skandal zu tun.

Laut aktueller Studie von AK und Umweltbundesamt haben Neuwagen in Österreich um 27 Prozent mehr Spritverbrauch, als die Herstellerangaben versprechen. Der Grund da­für sind realitätsferne Testverfahren – wir kennen das. Die Folge sind mehr CO2-Emis­sionen, höherer Spritverbrauch und mehr gesundheitsschädliche Schadstoffe.

Sie haben jetzt Ihren Verordnungsentwurf zum Energieeffizienzgesetz herausgegeben, das wir hier im Haus beschlossen haben. Darin ist die Beimengung von sogenannten Reinigungsadditiven zu Dieseltreibstoffen als Spritsparmaßnahme mit 2,6 Prozent an-


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erkannt, obwohl es keinen wissenschaftlichen Beweis für eine Energieeinsparung durch diese Additive gibt.

Meine Frage an Sie ist daher:

167/M

„Werden Sie verhindern, dass durch die Anerkennung der Dieseladditive als Energie­effizienzmaßnahme die skandalöse Täuschung der AutofahrerInnen bezüglich Spritver­brauch und CO2-Ausstoß noch erweitert wird?“

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Vizekanzler Dr. Rein­hold Mitterlehner: Frau Abgeordnete, wir sollten die beiden Sachverhalte voneinander trennen, es ist auch eine ganz unterschiedliche Gegebenheit.

Wenn Autohersteller – Sie kennen den Namen – offensichtlich manipulativ vorgehen, was zu den entsprechenden Täuschungen der Konsumenten und zu den Auswirkun­gen in der Praxis, was Emissionen anbelangt, geführt hat, dann ist das nicht mit dem gleichzusetzen, was wir im Bereich des Energieeffizienzgesetzes tun, vor allem steht es in keinem Zusammenhang.

Da geht es ja um eine, auch hier im Parlament schon diskutierte Maßnahme, die Ihrer Meinung nach nicht wissenschaftlich nachgewiesen ist. In diesem Zusammenhang hat es die Energieagentur in der Hand, das zu bewerten und fordert den jeweiligen gut­achterlichen Beweis ein, dass die Maßnahme dazu beiträgt, die entsprechende Input-Output-Relation zu verbessern, was Sprit anbelangt.

Jetzt würde ich, da ich kein Fachmann bin, einmal den Fachleuten glauben und die Be­hauptung, dass hier eine Einsparung, eine Effizienzsteigerung erzielt wird, einfach auch den Fachleuten überlassen. Die haben das geregelt.

Ihre Frage: Kann ich das verhindern? – Ich wüsste nicht, wodurch und habe auch nicht die Absicht, mich jetzt in die Technik, in die Bewertung, in die Prüfung einzumischen. Das ist nicht die Aufgabe eines Ministers, sie ist auch nicht im Prozess vorgesehen.

Das Wort „skandalös“: Wenn Sie meinen, das den Autoherstellern zuschreiben zu wol­len, so ist das Ihre Angelegenheit. Was uns anbelangt, würde ich das Wort in dem Sin­ne klar zurückweisen. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete Mag. Brunner.

 


Abgeordnete Mag. Christiane Brunner (Grüne): Sie könnten es verhindern, indem Sie diese Maßnahme einfach nicht anerkennen und das im Verordnungsentwurf streichen. Das mit den Testverfahren hat insofern einen Zusammenhang, weil wir ja wissen, dass Tests nicht nur in Betrugsfällen, sondern die Werte einfach vom Testverfahren und der Realität abweichen. Die Studie dazu habe ich ja zitiert.

Meine Zusatzfrage ist daher: Wenn Sie doch darauf vertrauen, in welcher Weise sind die vorgeschlagenen Testverfahren, die jetzt für diese Maßnahme herangezogen wer­den, vertrauenswürdiger als jene, die sonst in der Automobilbranche verwendet werden?

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Vizekanzler, bitte.

 


Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Vizekanzler Dr. Rein­hold Mitterlehner: Was die Automobilbranche anbelangt, waren die Testverfahren an sich in Ordnung. Nur hat man die Software, das Programm falsch beziehungsweise manipulativ eingestellt und dann andere Ergebnisse vorgegeben, als man hätte haben sollen. In dem Zusammenhang gehe ich davon aus, dass die Behörde, also die Ener-


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gieagentur sagt, es ist gutachterlich nachzuweisen, und wird das dann auch entspre­chend bewerten können.

Da geht es weniger um Testverfahren. Ich sage aber von der praktischen Seite: Wir haben gerade in einem wirklich eingeschränkten kleineren Bereich – da geht es um Tankstellenbetreiber – diese Diskussion gehabt. Die Frage war: Soll ich die Branche mit mühsamen effizienzsteigernden Maßnahmen konfrontieren wie etwa, dass der Rei­fenrollwiderstand verbessert wird, also in dem Sinne Maßnahmen im Schulungsbereich durchgeführt werden, oder dass man das Fahrverhalten beeinflusst, soll ich das den Tankstellenbetreiber zumuten? Gerade bei den Automatentankstellen hätte das wirk­lich bürokratische Hemmnisse und einen Widerwillen gegen das Gesetz gebracht.

Ich sehe das im Sinne einer pragmatischen Vorgangsweise durchaus als positiven Vor­gang. Es erleichtert und wirkt dennoch.

 


Präsidentin Doris Bures: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Mag. Let­tenbichler.

 


Abgeordneter Mag. Josef Lettenbichler (ÖVP): Guten Morgen, Frau Präsidentin! Gu­ten Morgen, Herr Vizekanzler! Ich danke Ihnen für die Klarstellungen, die Sie nun ge­bracht haben, und die Zurechtrückung der Fakten. (Ironische Heiterkeit der Abg. Maurer.)

Wir wissen, bei den Grünen gibt es gerne die Tendenz, den Lkw- und Pkw-Verkehr zu verteufeln und jede Maßnahme, die hier gesetzt wird, auch im Energieeffizienzgesetz, zu hinterfragen und zu kritisieren. Ich danke nochmals für Ihre Klarstellung. (Zwischen­ruf des Abg. Zinggl.)

Sie wissen, wir haben uns für 2020 sehr ambitionierte Klimaschutz- und Energieziele gesetzt. Eine der Säulen, um diese Ziele zu erreichen, stellt eben das Energieeffizienz­gesetz dar. Wir haben uns auch dazu verpflichtet, im Bereich der erneuerbaren Ener­gien diesen Anteil auf 34 Prozent zu steigern. Ein Ziel ist natürlich auch die Reduktion der Treibhausgase.

Meine konkrete Frage an Sie lautet: Welche energiepolitischen Effekte erwarten Sie sich beim Energieeffizienzgesetz?

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Vizekanzler Dr. Rein­hold Mitterlehner: Herr Kollege, es ist gar nicht so einfach, in Zeiten wie diesen, wo so viel Strom am Markt ist, deutlich zu machen, dass ein Energieeffizienzgesetz eine grundsätzlich richtige Bedeutung hat. (Abg. Brunner: …Verkehr!) Daher glaube ich, dass es, gerade wenn es um die Versorgungssicherheit, aber auch um günstige Preise für die Zukunft, um wettbewerbssichernde Preise geht, richtig ist, dass wir dieses Ge­setz gemacht haben. Das haben auch viele andere europäische Länder umgesetzt. Wir haben das auch mit Unterstützung der Grünen im österreichischen Parlament getan. Das war gar nicht einfach.

Ich finde das Gesetz nach wie vor sehr gut, nur müssen wir in der Umsetzung schau­en – so, wie Herr Kollege Themessl gesagt hat –, dass wir Bürokratie vermeiden. Das ist ein schwieriger Weg, aber ich glaube, letzten Endes wird sich das auch rechnen. Mit „rechnen“ meine ich, es gibt Studien, die zum Ausdruck bringen, dass der Einspareffekt aller Maßnahmen – jetzt jeweils über die Lebensdauer der Maßnahmen kumuliert – 2,3 Milliarden € für die Volkswirtschaft bringt. Also im Endeffekt ist es relativ leicht er­klärt.

Jedes Unternehmen wird Energieeffizienzmaßnahmen vor allem deswegen umsetzen – schon im eigenen Interesse –, weil man damit seine Konkurrenzfähigkeit gegenüber den Mitbewerbern steigert. Und für die Volkswirtschaft wird sich das auch mit 2,3 Milliarden


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rechnen. Wir müssen, Frau Kollegin Brunner – auch wenn Sie diese Maßnahme hier sehr kritisieren –, schauen, dass wir möglichst unbürokratisch vorgehen. Vielleicht kann man das auch wissenschaftlich außer Streit stellen. Ich bin nicht der Wissenschafter in dem Bereich, aber es gibt genügend andere, die das behaupten. Schauen wir uns das an! – Danke.

 


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir zur 5. Anfrage, jener des Herrn Abge­ordneten Schellhorn. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


Abgeordneter Josef Schellhorn (NEOS): Frau Präsident! Schönen Vormittag, Herr Vizekanzler! Sie haben heute bereits das IHS lobend erwähnt. Jetzt haben wir auch die Studie des IHS, was die Arbeitszeitflexibilisierung in Form von Arbeitskonten betrifft, was die Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Unternehmen markant verbessern sollte. Höhere Beschäftigung, höhere Löhne, höhere Gehälter und höhere Stabilität
der Beschäftigungsverhältnisse wären die Folge. Wir haben das schon vor allem in Deutschland in der Praxis zu Gesicht bekommen.

Meine Frage lautet daher:

166/M

„Wann kommt, wie im Arbeitsübereinkommen der Regierung festgehalten, die Auswei­tung der täglichen Arbeitszeit auf 12 Stunden bei Gleitzeit und welche konkreten Schrit­te sind zur Arbeitszeitflexibilisierung geplant?“

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Vizekanzler, bitte.

 


Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Vizekanzler Dr. Rein­hold Mitterlehner: Herr Abgeordneter, dieses Thema ist, wie Sie bereits im letzten Wahlkampf bemerkt haben, ein ganz wichtiges, weil ich die praktischen Anforderungen von Unternehmen gesehen habe, etwa die Schwierigkeit bei Montagetätigkeiten oder Reisezeiten, dass jemand, der von Vorarlberg nach Hause fährt, in Passau oder wo auch immer übernachten müsste, um dem Gesetz zu entsprechen. Oder ein Bäckerei­unternehmen – ich kann es erwähnen, weil es schon in der Zeitung gestanden ist – hatte wegen Verletzung der Pausenaufzeichnungszeiten Strafen in der Höhe von 500 000 € zu zahlen. Das war ein wichtiges Thema.

Wir haben bis jetzt einen Teil umgesetzt, gerade die Flexibilisierung im Arbeitsmarkt­paket Montage und Dienstreisen, bei den Pausenzeiten haben wir dies schon erreicht. Was noch offen ist, ist der Faktor Gleitzeit in Richtung der Normalarbeitszeitverhältnis­se, dass wir da einen 12-Stunden-Tag haben können. Es wird meines Erachtens, da wir ja eine sozialpartnerschaftliche Konstellation haben, hoffentlich im nächsten Jahr mög­lich sein, dass wir das auch gesetzlich vereinbaren.

Wie gesagt, ich hätte es gerne früher. Eine Regierungsperiode ist aber auf fünf Jahre angesetzt. Ich hoffe daher, dass wir noch den Spielraum in der laufenden Regierungs­periode nutzen, auch diesen Aspekt zu lösen. Auch andere Länder wie etwa Deutsch­land, die immer Vorbild für uns in vielen Bereichen sind, haben selber, gerade was Ar­beitszeitgestaltung und Kündigungsfristen anbelangt, teilweise eingeschränktere Vor­gaben, als wir sie haben.

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Schellhorn.

 


Abgeordneter Josef Schellhorn (NEOS): Nun ist Ihr Wahlkampf ein bisschen länger her, es gibt auch ein Arbeitsübereinkommen. Wir haben auch erlebt, dass gerade bei den Metallerverträgen Jahresarbeitszeitmodelle fixiert wurden. Mich interessiert wirk­lich nicht, ob Sie das noch planen, sondern welche Schritte Sie jetzt konkret setzen werden, weil das ja auch im Arbeitsübereinkommen festgehalten wurde.

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Vizekanzler, bitte.

 



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Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Vizekanzler Dr. Rein­hold Mitterlehner: Schade, dass es Sie nicht interessiert, was ich plane, aber Sie müs­sen sich dann an dem orientieren, was wir im Arbeitsmarktpaket schon festgelegt ha­ben. Da steht es drinnen. Das habe ich Ihnen auch dargestellt. Der offene Teil steht im Regierungsübereinkommen, das ist jetzt nicht zeitlich limitiert oder genau mit einem Datum befristet, bis es umgesetzt werden muss. Daher gilt die ganze Zeit das Regierungs­übereinkommen.

Wie gesagt, ich plane, das so schnell wie möglich zu machen, was Sie jetzt nicht wirk­lich berührt, aber formal ist daher die gesamte Tätigkeit in den nächsten Monaten und Jahren dafür offen, um auch die Zusage einzuhalten.

 


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir zur 6. Anfrage, jener des Herrn Abge­ordneten Steinbichler. – Bitte.

 


Abgeordneter Leopold Steinbichler (STRONACH): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Vizekanzler, Herr Minister! In Zeiten der Globalisierung und der internationalen Märk­te ist eine objektive, unabhängige Kontrolle unabdingbar und notwendig. Aus mir un­verständlichen Gründen sind die Wirtschaftskammer und die Landwirtschaftskammer als Mitglieder aus dem VKI ausgetreten. Wir wissen, dass wir dort Finanzierungsengpäs­se haben.

Welche Maßnahmen werden Sie setzen, damit man dort uneingeschränkt diese objek­tive Kontrolle erhält und damit man den VKI auch entsprechend finanziell ausstattet, ebenso wie die Bundeswettbewerbsbehörde?

*****

Die schriftlich eingereichte Anfrage, 163/M, hat folgenden Wortlaut:

„Welche Maßnahmen werden Sie wann setzen, damit künftig Bußgelder wegen Preis­absprachen zugunsten des Vereins für Konsumenteninformation (VKI) oder für die Bun­deswettbewerbsbehörde (BWB) zweckgewidmet werden?“

*****

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Vizekanzler Dr. Rein­hold Mitterlehner: Wir haben zwar im Regierungsprogramm vereinbart, dass eine Zweck­widmung von Bußgeldern für den VKI gegeben sein oder umgesetzt werden sollte, wir haben aber dann in koalitionären Gesprächen festgestellt, dass dem einige Hinde­rungsgründe entgegenstehen.

Ich nenne Ihnen beispielsweise eine verfassungsrechtliche Problematik: Die Geldbu­ßen fließen dem Bund zu, sie werden bei Gerichten als Einnahmen verbucht und dem allgemeinen Budget zugeführt. Wenn das einem privaten Verein direkt zufließt, ist es verfassungsrechtlich bedenklich, weil damit direkt allgemeine Budgetmittel zweckge­widmet werden, was an sich nicht üblich ist.

Ein praktischer Hintergrund, warum das nicht zweckmäßig ist, ist folgender: Die Ein­nahmen aus den Geldbußen sind nicht konstant. Sie sind natürlich von den jeweiligen Verfahren und den Strafen abhängig. Daher ist dann der Betrag in einem Jahr höher, in einem anderem Jahr niedriger, was keine konkrete, kontinuierliche Planungstätigkeit im Unternehmen oder im Verein zulässt.

Wir haben in den Budgetverhandlungen eine Lösung gefunden, um eine kontinuierlich Finanzierung sicherzustellen. Es sind für den VKI bis zu 2 Millionen vorgesehen. Der


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VKI wird auch durch den Anstieg der Höchstbeitragsgrundlage zur Sozialversicherung profitieren. Die Arbeiterkammer als Mitglied hat angekündigt, einen Teil dieser Einnah­men auch zweckzuwidmen, sodass eben dann eine bessere Steuerbarkeit gegeben ist.

Also im Endeffekt: Auf einem anderen Weg haben wir das gleiche Ziel erreicht.

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


Abgeordneter Leopold Steinbichler (STRONACH): Zur ausgeglichenen Bußgeldhöhe könnte man eventuell eine prozentuelle Staffelung überlegen, je nach Höhe des Buß­geldes.

Nun zu meiner Zusatzfrage: Herr Minister, wie wir wissen, ist der Tourismus ein ganz wichtiges Standbein für Österreichs Wirtschaft. Wie ist nach deinem Dafürhalten da die derzeitige Situation? Wir wissen, wir sind berühmt. Wir haben es gerade jetzt wieder gehört: Es hat in der Sendung „9 Plätze – 9 Schätze“ eine Japanerin gesagt, ein Auf­enthalt in Bad Goisern oder Bad Ischl ist wie ein Urlaub in einer Kuranstalt, weil dort die Luft so gut ist. Ich denke, da schlummert eine riesige Chance für den österreichi­schen Tourismus.

Speziell mit dieser Destination und der Qualität – Stichworte: beste Luft, beste Wasser­güte, schönste Kulturlandschaft – kann man viele Touristen anlocken, aber ich glaube, dass ein wesentlicher Punkt auch wäre, zusätzlich noch die heimischen Lebensmittel anzubieten. Ich glaube, das wäre ein ganz wichtiger Ansatz, und zwar auch zur Erhal­tung und Sicherung der heimischen Landwirtschaft.

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter, bitte formulieren Sie die Frage!

 


Abgeordneter Leopold Steinbichler (fortsetzend): Meine Frage ist, ob der Herr Minis­ter findet, dass das eine gute Chance beziehungsweise ein gutes Verkaufsargument für den österreichischen Tourismus wäre.

 


Präsidentin Doris Bures: Bitte, Herr Vizekanzler.

 


Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Vizekanzler Dr. Rein­hold Mitterlehner: Herr Abgeordneter, ich sehe da ein ziemlich großes Potenzial, wo­bei das aus meiner Sicht ein Anreizsystem und ein freiwilliges System sein sollte, das aber durch entsprechende Projekte, gerade was „Genussland“ und Aktionen in diesem Bereich anbelangt, auch forciert wird. Ich sehe da durchaus eine gemeinsame Bemü­hung der Tourismusveranstalter und der Produzenten, österreichische Produkte da in den Mittelpunkt zu stellen und in die Tourismusaktivitäten einzubinden.

Wir haben auch mit der Österreich Werbung eine Kooperation und präsentieren das auch im Ausland immer als Faktor. Wir haben neben den ganzen kulturellen Angebo­ten auch diesen Faktor, der uns natürlich Wettbewerbsfähigkeit sichert und Vorteile bringt.

 


Präsidentin Doris Bures: Damit kommen wir zur 7. Anfrage, das ist jene des Abge­ordneten Knes. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


Abgeordneter Wolfgang Knes (SPÖ): Frau Präsidentin! Guten Morgen, Herr Vizekanz­ler! Wir stehen unmittelbar vor den Budgetberatungen 2016, und im veranschlagten Bud­get 2016 sind für die klimaschonende Fernwärme und für den Kälteleitungsausbau le­diglich 90 000 € vorgesehen.

Meine konkrete Frage dazu:

161/M

„Planen Sie, im Rahmen des Budgets 2016 deutlich mehr als die im Verzeichnis der veranschlagten Konten vorgesehenen 90 000 € für die Förderung des klimaschonen­den Fernwärme- und Kälteleitungsausbaus bereitzustellen?“

 



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Präsidentin Doris Bures: Herr Vizekanzler, bitte.

 


Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Vizekanzler Dr. Rein­hold Mitterlehner: Herr Abgeordneter, wir haben in Bezug auf das Jahr 2016 tatsäch­lich eine Art Finanzierungsproblematik, und zwar deswegen, weil wir diverse andere Not­wendigkeiten haben. Dazu gehören unter anderem auch die Kosten für die Flüchtlings­integration, die sich anders entwickelt haben, als wir das vorher annehmen konnten, nämlich wesentlich dynamischer.

Daher wird im Jahr 2016 nicht mehr möglich sein. Ich möchte aber darauf hinweisen, dass wir in den vergangenen Jahren wirklich einen besonderen Schwerpunkt in diesem Bereich gesetzt haben, und zwar haben wir insgesamt über 1 Milliarde € zur Verfügung gestellt. Im Jahr 2015 haben wir 10 Millionen aus Drittmitteln zur Verfügung gestellt. Und wir werden uns bemühen, dass wir im Jahr 2017 da wieder mehr Spielraum ha­ben. Alles andere möchte ich nicht wiederholen. Es wäre mir auch angenehmer, das zu haben, aber budgetär geht es nicht.

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Knes? – Nein.

Es gibt aber eine Zusatzfrage von Herrn Abgeordnetem Singer. – Bitte.

 


Abgeordneter Johann Singer (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Vizekanzler! Nicht nur der Fernwärme- und Kälteleitungsausbau ist von besonderer Bedeutung, sondern der Bau an und für sich. Wohnraum in Österreich wird knapp, vor allem in den Ballungs­zentren, in den urbanen Bereichen. Es gibt steigende Grund- und Baukosten, einen starken Zuzug, vor allem in den städtischen Bereich. Der Grund dafür ist die demogra­fische Entwicklung. Aber auch der Anstieg der Zahl der Single-Haushalte zählt zu den Kriterien, die diesen Trend verstärken. Nicht zu vergessen ist natürlich auch die ver­stärkte Nachfrage nach leistbarem Wohnraum, der dadurch knapp wird.

Daher meine Frage, Herr Vizekanzler:

Welchen Effekt hat das neue Wohnbaupaket vor allem auch in Anbetracht der ange­sprochenen Problematik, auf die Konjunktur und natürlich auch auf die Bauwirtschaft?

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Vizekanzler, bitte.

 


Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Vizekanzler Dr. Rein­hold Mitterlehner: Herr Abgeordneter, es ist völlig richtig, dass wir gerade in einer even­tuellen Konjunkturaufschwungsphase sind oder in eine solche kommen könnten, daher ist gerade der Baubereich als Multiplikator in diesem Zusammenhang sehr, sehr wich­tig, weil auch andere Wirtschaftsbranchen und -sektoren da nachziehen werden.

Wir haben auch im Bereich der Privatwirtschaft einige Aktivitäten, wie etwa bei der ARE. Wir bauen mit 2 Milliarden € rund 10 000 Wohnungen für den mittleren Einkom­mensbereich. Auf der anderen Seite haben wir beim Arbeitsmarktgipfel am 30. Oktober das Wohnbaupaket beschlossen, das an sich schon vorher angedacht war. Das wird jetzt in Umsetzung gebracht.

Wir werden mit Unterstützung der Europäischen Investitionsbank, verbunden auch mit einer Haftung, also einer Garantie des österreichischen Finanzministers, rund 5,7 Mil­liarden € für den Wohnbau zur Verfügung haben. Das bringt in etwa 30 000 Wohnun­gen im Zeitraum von fünf Jahren. 68 000 Menschen werden dadurch leistbaren Wohn­raum haben. Und es werden dadurch etwa 20 000 neue Arbeitsplätze geschaffen.

Im Endeffekt ist es ein den jetzigen Konditionen entgegenkommendes noch besseres An­gebot für die einzelnen Träger. Wir rechnen damit, dass das auch umgesetzt wird. (Bei­fall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir zur 8. Anfrage, das ist jene des Abge­ordneten Dr. Töchterle. – Bitte, Herr


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll102. Sitzung / Seite 21

Abgeordneter.

 


Abgeordneter Dr. Karlheinz Töchterle (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Vizekanzler! Ho­hes Haus! Üblicherweise gehe ich ohne Zettel zum Mikrofon, aber da meine Frage schriftlich formuliert allen vorliegt, möchte ich keinen Fehler machen und lese sie also vor:

158/M

„Welche Herausforderungen, Schwerpunkte und Erwartungen an die Universitäten stel­len sich für die kommende Leistungsvereinbarungsperiode dar?“

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Vizekanzler, bitte.

 


Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Vizekanzler Dr. Rein­hold Mitterlehner: Herr Abgeordneter, mir wäre es an sich auch lieber, frei zu antwor­ten, aber wir kennen beide die Materie und wissen, dass dies nicht immer möglich ist.

Nun zur Ihrer Frage: Im Endeffekt ist die Leistungsvereinbarung eine Möglichkeit, auf der einen Seite über mehrere Jahre eine kontinuierliche Aktivität der Universitäten si­cherzustellen und auf der anderen Seite auch bestimmte Erwartungen des Staates als Finanzier einzubringen.

In diesem Sinne haben wir das für drei Jahre ausgerichtet, was aus meiner Sicht ein durchaus steuerbarer Zeitraum ist und auch eine bestimmte Sicherheit gibt. Man kommt damit auch dem Parlament entgegen, weil da doch bestimmte Abweichungen eintre­ten.

Was die Zielsetzungsseite betrifft, haben wir uns bemüht, das Volumen entsprechend zu erhöhen. Das ist um 615 Millionen € gesteigert worden. Ich möchte auch dazusa­gen, dass der Rechnungshof das Modell an sich auch als durchaus gute Möglichkeit für den Kulturbereich oder für die Bildung ansieht.

Es ist dies eine Steigerung, die im Rahmen des Möglichen liegt. Wir haben uns be­müht, damit wir nicht immer nur „More of the same“ machen, auch zu schauen, dass hier Effizienzsteigerungen möglich sind, also nicht mehr oder weniger des Gleichen.

Es war nicht unbedingt beliebt, dennoch ist es in den Verhandlungen gelungen, dass wir auch Punkte wie mehr Kooperation, mehr Internationalisierung und bessere Profil­bildung im Vertragstext haben. Zu erwähnen ist auch noch, dass etwa die Hälfte die Finanzierung des Grundbudgets ist und nicht ganz die Hälfte in den Bereich der so­genannten Hochschulraumstrukturmittel geht. Diese Ziele gelten dann auch im Wett­bewerb: jemand, der sich bemüht, kriegt auch als Erster die Mittel, was uns, glaube ich, dann im Sinne der Steuerung weiterhilft.

Insgesamt haben wir auch noch durch andere Maßnahmen im Rahmen des Universi­tätsgesetzes eine qualitative Verbesserung erreicht, wobei klar ist, dass Potenzial nach oben immer da ist. Es wäre auch mir lieber, wenn wir noch mehr Mittel haben könnten, aber ich glaube, wir kommen damit einmal – ohne irgendetwas im negativen Sinne zu beeinträchtigen, ja wir werden sogar manche Teile positiv entwickeln können – ganz gut über die Runden.

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Töchterle? – Nein.

Es gibt eine Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Maurer. – Bitte.

 


Abgeordnete Sigrid Maurer (Grüne): Guten Morgen, Herr Minister! In der Frage des Abgeordneten Töchterle ist ja eigentlich die Frage enthalten gewesen: Welche Heraus­forderungen kommen auf die Universitäten zu? Eine ganz große Herausforderung ist die Personalstruktur an den Universitäten, wo ein sehr großer Teil des Personals in pre­kären Beschäftigungsverhältnissen angestellt ist. Ich spreche hier von Drittmittelmitar-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll102. Sitzung / Seite 22

beiterInnen, aber auch von Personen, die Lehraufträge jeweils für ein Semester erhal­ten. Das bedeutet für diese Personen sehr wenig Geld für sehr viel Arbeit. Gleichzeitig haben diese Personen auch die Hauptlast der Lehre und Forschung an den Universi­täten zu tragen. Meine Frage diesbezüglich ist ganz konkret:

Was die Leistungsvereinbarungen betrifft, nicht das Universitätsgesetz: Welche kon­kreten Maßnahmen haben Sie in den Verhandlungen jetzt gesetzt, um die Situation zu verbessern und diese vielen Personen aus der Prekarität herauszuholen?

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Vizekanzler Dr. Rein­hold Mitterlehner: Ich sage Ihnen, auch wenn es Sie nicht freut: Das ist nicht vor­rangig eine Frage der Leistungsvereinbarungen, sondern eine Frage, die man haupt­sächlich im Rahmen des Universitätsgesetzes geregelt hat. Da geht es, weil es eine prekäre Herausforderung ist – Sie haben ja praktisch darauf hingewiesen, dass ich die Frage nicht genau beantwortet hätte –, natürlich um die personelle Konstellation und die Qualität, was das Betreuungsverhältnis anbelangt. In diesem Zusammenhang be­mühen wir uns, vor allem jüngeren Leuten in den Universitäten Karrieremöglichkeiten anzubieten. Einen Ansatz bietet da das sogenannte Tenure-Track-Modell. Das haben wir jetzt im Rahmen des Universitätsgesetzes entwickelt, und das wird dann auch im Zusammenhang mit dem Qualitätspaket Lehre unmittelbar die Verbindung zu den Leis­tungsvereinbarungen herstellen. Also im Endeffekt eine Kombination: Gesetz gibt Rah­men ab, Leistungsvereinbarung und auch Indikatoren. Ich habe es vorhin bei der ers­ten Frage – vielleicht haben Sie es mitverfolgt – schon angesprochen.

Das alles gibt die qualitative Verbesserung her oder soll sie hergeben.

 


Präsidentin Doris Bures: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete Gamon.

 


Abgeordnete Claudia Angela Gamon, MSc (WU) (NEOS): Frau Präsidentin! Ich wür­de gerne auf das Thema Profilbildung eingehen, das Sie, Herr Minister, vorhin kurz an­geschnitten haben, weil es im Sinne der internationalen Wettbewerbsfähigkeit zur Stei­gerung der Attraktivität der Unis auch für internationale Studierende auch als brauch­bares Instrument erkannt wurde. Deshalb würde ich gerne ganz konkret fragen: Inwie­fern tragen die Leistungsvereinbarungen zur individuellen Profilbildung der Hochschu­len bei?

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Vizekanzler, bitte.

 


Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Vizekanzler Dr. Rein­hold Mitterlehner: Diese tragen dazu dadurch bei, dass man sich natürlich unter dem Effizienzgesichtspunkt überlegen muss: Was wird, was meinen Bereich betrifft, auch in anderen Universitäten oder Einrichtungen angeboten und brauche ich daher nicht mehr in so großem Ausmaß zu entwickeln oder anzubieten? Und die zweite Steuerungs­komponente wird der Entwicklungsplan der Universitäten sein. Ich kann im Sinne der Autonomie nicht jeder Universität nur das eigene Angebot überlassen, sondern muss das gesamtösterreichisch abstimmen. Das schlägt auch der Wissenschaftsrat vor. Des­wegen haben wir gerade den Entwicklungsplan in Diskussion. Und dieser Entwick­lungsplan wird die Profilbildung der heimischen Universitäten entsprechend unterstüt­zen. Ich glaube daher, dass wir da durchaus auch eine international vergleichbare Ent­wicklung unterstützen.

Ein Maßstab ist natürlich dann auch immer die internationale Vergleichbarkeit, die man hat, wenn es darum geht, das Profil entsprechend zu schärfen.

 


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir zur 9. Anfrage, das ist jene des Abge­ordneten Dr. Karlsböck. – Bitte.

 



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Abgeordneter Dr. Andreas F. Karlsböck (FPÖ): Herr Minister! Unsere Universitäten sind leider in den letzten Jahren nicht im Spitzenfeld der internationalen Rankings zu finden. Um so einen Spitzenplatz zu erreichen, bedarf es natürlich nicht nur einer Ex­zellenz an der Spitze unserer Universitäten – die haben wir ja teilweise; siehe Profes­sor Zeilinger, nur als ein Beispiel –, sondern es bedarf auch eines effizienten Stamm­personals. Und diesbezüglich haben wir ja schon viele Auseinandersetzungen gehabt.

Das Stammpersonal ist, finden wir, einfach zu wenig. Das liegt daran, dass die Kar­rierechancen und die Strukturen der österreichischen Universitäten dies nicht herge­ben. Das heißt, um eine effiziente Lehre und Forschung im sogenannten Mittelbau zu erreichen, müssen wir mehr als die momentan vorhandene maximale sechsjährige Ver­weildauer bereitstellen. Wir haben heute schon darauf geantwortet. Da gibt es Entwick­lungspläne und dergleichen, aber das ist uns zu wenig.

Wir haben allerdings das „Weißbuch“ des Beratungsgremiums, das in Ihrem Minis­terium angesiedelt ist, nämlich des Österreichischen Wissenschaftsrates, das ja das Beratungsorgan des Wissenschaftsministeriums ist.

Meine Frage lautet in diesem Zusammenhang – und ich weise darauf hin: da sind „kon­krete Utopien“ angesprochen! –:

165/M

„Wann werden die im ‚Weißbuch‘ des Österreichischen Wissenschaftsrats, der das Be­ratungsorgan des Wissenschaftsministeriums ist, angesprochenen ‚konkreten Utopien‘ umgesetzt, damit die heimischen Universitäten und Hochschulen endlich den Platz ein­nehmen, den sie im internationalen Vergleich erreichen könnten?“

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Vizekanzler, bitte.

 


Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Vizekanzler Dr. Rein­hold Mitterlehner: Herr Kollege Karlsböck! Erstens: Was das Ranking anbelangt, wür­de ich sagen, dass die Universitäten da und dort natürlich mehr internationale Konkur­renz haben, vor allem aus dem asiatischen Raum, dass es aber durchaus auch Ver­besserungen gibt, wie etwa an der Technischen Universität, die sehr gut platziert ist und die letzte Woche ihr 200-Jahr-Jubiläum gehabt hat. Natürlich ist das auch dadurch beeinträchtigt, dass wir die Medizinuniversitäten von den anderen Universitäten, näm­lich von der Hauptuniversität, wenn Sie so wollen, getrennt haben. Hätten wir das nicht gemacht, dann hätten wir einfach eine größere Gegebenheit und dadurch auch bes­sere Zitierungsmöglichkeiten und eine andere Anrechnung.

Zum Zweiten würde ich sagen: „Konkrete Utopie“ – es ist wunderbar, wenn Sie das an­sprechen – ist in sich schon ein Widerspruch. Eine Utopie ist die Realisierung von et­was in einem Idealzustand. Der Idealzustand kann nicht gegeben sein, wenn man nicht ausreichende und unbeschränkte Budgetmittel hat, der kann aber auch nicht gegeben sein, wenn man rechtliche Hindernisse hat. Gerade was die Kettenarbeitsverträge an­belangt, haben wir uns bemüht, beim UG jetzt einen anderen Hintergrund zu schaffen.

Aber ich gehe auf „konkrete Utopien“ gerne ein, wobei ich sagen muss: Vielleicht ha­ben Sie noch in Erinnerung, dass der Herr Professor Mittelstraß im Wissenschaftsaus­schuss gesagt hat, die Einzigen, die sich dafür interessieren, was in diesem Zusam­menhang vorgelegt wird, sind nicht die Abgeordneten, sondern das Ministerium oder der Minister, der sich noch eher mit Utopien auseinandersetzt. Aber bitte, vielleicht wird es gelesen.

Zum Gesamtentwicklungsplan für das Wissenschaftssystem, den ich gerade vorhin an­gesprochen habe, darf ich Ihnen sagen: Daran arbeiten wir! Und zum Profilschärfungs­prozess ist zu sagen: Wir machen gerade, was Nachwuchswissenschaftler anbelangt,


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll102. Sitzung / Seite 24

was Grundlagenforschung anbelangt, aber auch was Fachhochschulen für wirtschafts­orientierte Ausbildung und Kooperation anbelangt, durchaus auch in den Leistungsver­einbarungen entsprechende Vorgaben, die auch realisiert werden.

Ich würde daher sagen: Wir sind da auf einem guten Weg! Ich sage aber immer dazu, damit das nicht so selbstzufrieden klingt: Wir haben überall noch Potenzial, überall noch Raum nach oben!

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Karlsböck.

 


Abgeordneter Dr. Andreas F. Karlsböck (FPÖ): Der Wissenschaftsrat urgiert ja auch noch darüber hinaus, dass die Bedingungen der heimischen Forscher an das interna­tionale Level angeglichen werden sollten.

Ich komme jetzt auf ein ganz aktuelles Thema zu sprechen, nämlich den Tierschutz, und da haben wir in Österreich bis dato in der Forschung ein sehr schleißiges und nicht international vergleichbares Gesetz gehabt. Wir haben eigentlich keine richtige Tier­schutzkommission. All diese Dinge sind im Argen gelegen. Und deswegen hat man sich vor drei Jahren darangemacht, einen Katalog auszuarbeiten, wie das Verhältnis zwischen Tierversuchen auf der einen Seite, die ja leider immer noch notwendig sind, und Rücksichtnahme für unsere Mitgeschöpfe, indem man versucht, Leiden, Schmer­zen und vor allem Ängste bei den Versuchstieren möglichst hintanzuhalten, auf der anderen Seite ist, und wie das dann im Verhältnis zum eigentlichen Nutzen zu sehen ist. Und da hat sich eine Kommission aufgemacht und hat am sogenannten Messely-Forschungsinstitut einen Katalog, auch in Ihrem Auftrag oder im Auftrag …

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter, Sie müssen die Frage formulieren!

 


Abgeordneter Dr. Andreas F. Karlsböck (FPÖ): Da sind letztendlich hundert Fragen herausgekommen. Jetzt hat man das in der Verordnung beziehungsweise im Erlass auf zehn Fragen zusammengestrichen.

Meine Frage: Wieso kam es dazu, dass die Ergebnisse dieser Kommission nicht mehr effizient zur Geltung kamen?

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Vizekanzler Dr. Rein­hold Mitterlehner: Herr Abgeordneter, erstens wundert es mich, dass Sie das Wort „schleißig“ im Zusammenhang mit einem Gesetz verwenden, das Sie selber offensicht­lich mitbeschlossen haben. Die Beurteilung des Parlaments müssen Sie selber vorneh­men.

Zum Zweiten, was die Umsetzung der Ergebnisse der Kommission betrifft: Ja, es ist üblich, dass man zuerst einen Maximalentwurf hat und dann in Verhandlungen ver­sucht, eine praxisgerechte Umsetzung zu erreichen. Das haben wir mit der Verordnung auch durchbekommen, beiden Teilen sozusagen Rechnung getragen.

Aber ich kann Ihnen gerne – und werde das auch machen – schriftlich die Begründung nachliefern, warum genau diese Konzentration herausgekommen ist beziehungsweise welche einzelnen Faktoren dazu geführt haben, dass man die Ergebnisse nicht vollin­haltlich genommen hat. Das mache ich gerne.

 


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir zur 10. Anfrage, das ist jene der Frau Abgeordneten Dr. Lichtenecker. – Bitte.

 


Abgeordnete Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne): Frau Präsidentin! Herr Vizekanzler! Die zunehmende Arbeitslosigkeit ist eine große Herausforderung für die von Arbeitslo­sigkeit betroffenen Menschen, für Arbeitssuchende und insbesondere für die jungen Menschen, die frisch auf den Arbeitsmarkt kommen.


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Aufgabe der Politik ist es, entsprechende Maßnahmen zu setzen, vor allem im Bereich Investitionen in die Zukunft, im Bereich Wissenschaft und Forschung, im Bereich Büro­kratieabbau. Aber selbstverständlich ist auch eine Senkung der Lohnnebenkosten längst überfällig.

Meine Frage lautet:

168/M

„Welche konkreten Maßnahmen werden Sie im Bereich Ihrer Ressortzuständigkeit zur Sicherung eines zukunftsorientierten und innovativen Standortes Österreich bis 2018 umsetzen?“

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Vizekanzler, bitte.

 


Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Vizekanzler Dr. Rein­hold Mitterlehner: Frau Kollegin, ich habe jetzt nur 2 Minuten Zeit, um Ihnen die ge­samte Palette der Maßnahmen darzustellen. Einen Teil haben wir im Wirtschaftsaus­schuss, aber auch im Wissenschaftsausschuss schon diskutiert.

Sie haben völlig recht, im Endeffekt muss ich Rahmenbedingungen schaffen, die in Rich­tung einer Wissensgesellschaft Unterstützung anbieten, und da haben wir gerade im Bereich Forschung und Entwicklung mit der Forschungsprämie ein international vor­zeigbares Instrument geschaffen, um ausländische Forscher nach Österreich zu holen und entsprechende Aufträge zu bekommen.

Wir haben darüber hinaus vor, eine „Intellectual Property Rights Strategy“ bis Mitte nächs­ten Jahres auszuarbeiten, um die entsprechende Anwendungssicherheit und Unterstüt­zung in Verfahren zu geben, wo es darum geht, das gegenüber anderen Bewerbern durchzusetzen.

Wir werden vor allem, was die Finanzierung anbelangt – ich habe Garantieinstrumente angesprochen –, Kreditmöglichkeiten, vor allem, wenn die Konjunktur anzieht, ausbauen.

Wir werden, was spezielle Instrumente wie Seed Financing anbelangt, auch den Inno­vationsschutz und die Innovationsverwertung in den Mittelpunkt stellen – die Prototypen­förderung und anderes haben wir schon angedacht.

Ein Crowdfunding-Gesetz haben wir schon realisiert. Im Bereich Mitarbeiterbeteiligung haben wir schon einen Ansatz umgesetzt, ein zweiter Ansatz könnte noch folgen.

Ein weiterer Aspekt ist einfach die Intensivierung der Kooperation von Wissenschaft und Wirtschaft. Wir haben schon Transferzentren eingerichtet, ich glaube aber, dass wir den COMET Kompetenzzentren und den Christian-Doppler-Labors auch noch wei­tere Unterstützung, die wir ausbauen werden, geben können.

Im Endeffekt ist das mit der strategischen Ausrichtung in Richtung Innovation, mit der KMU-Finanzierung, vor allem mit der Stärkung der Gründerlandschaft und generell auch dem Bereich der Lohnnebenkosten ein Potpourri von Maßnahmen, die insgesamt alle in die strategisch gleiche Richtung gehen, nämlich die Wettbewerbsfähigkeit zu er­höhen.

Das als nicht taxativer Ansatz, sondern nur einmal als Aufzählung einiger Beispiele.

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


Abgeordnete Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne): Herr Vizekanzler, wir wissen, dass die Bereiche Wissenschaft, Forschung, Bildung bis zum Jahr 2020 massiv unterdotiert sind; wir sehen das auch beim jetzigen Budget wieder.


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Meine Frage lautet daher: Wird es zusätzliche Ressourcen zu den jetzt geplanten ge­ben oder was heißt das im Konkreten, und welche Maßnahmen setzen Sie im Bereich der Umweltwirtschaft, um auch tatsächlich eine entsprechende Forcierung – Thema Ar­beitsplatzschaffung – zu erreichen?

 


Präsidentin Doris Bures: Bitte, Herr Vizekanzler.

 


Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Vizekanzler Dr. Rein­hold Mitterlehner: Über das Wort Unterdotierung lässt sich trefflich streiten. Ich stim­me Ihnen insofern zu, als ich sage, auch ich würde mir noch mehr Mittel wünschen, auf der anderen Seite haben wir eine Dotierung, die jetzt in keinem Bereich eine Ein­schränkung notwendig macht, auch was Forschung und Wissenschaft anbelangt, und mit der die Gefahr bestünde, etwa Kapazitäten im Bereich der Stellen nicht mehr finan­zieren zu können.

Also daher: Der eine Punkt ist durchaus gewährleistet, andererseits stellen wir das System um. Wir setzen weniger auf direkte Förderungen, sondern mehr auf Garantien und andere Instrumente, weil wir dadurch mehr bewirken können. Das hat angesichts der sehr günstigen Zinskonstellation auch aus meiner Sicht durchaus positiv gewirkt.

Daher glaube ich, mit der Ausweitung der Garantien, mit der Beteiligung an internatio­nalen Projekten, auch was EFSI und anderes anbelangt, wird die Investition in Öster­reich forciert, ohne die budgetären Gegebenheiten zu überfordern. Ich rufe in Erinne­rung, dass es sogar ein Wunsch vieler war, dass wir von den Förderungen wegkom­men, für die es dann natürlich ein bestimmtes budgetäres Dotierungserfordernis gege­ben hat. – Das ist der Weg.

 


Präsidentin Doris Bures: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Matz­netter.

 


Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Herr Vizekanzler, Sie haben zu Recht gerade darauf hingewiesen, dass die Ausgaben für F&E für die Sicherung des Stand­ortes entscheidend sind. Österreich hat in den letzten 20 Jahren einen sehr, sehr er­folgreichen Weg der Anhebung der F&E-Quote bis zum heutigen Tag geführt, und auch mit der Steuerreform kommen ja weitere Impulse.

Was erwarten Sie für die nächsten Jahre, wohin sich die F&E-Quote Österreichs ent­wickeln kann?

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Vizekanzler Dr. Rein­hold Mitterlehner: Der Zielwert ist Ihnen bekannt, Herr Abgeordneter. Wir sollten von 2,76 Prozent auf 3,76 Prozent des BIP gehen, liegen derzeit bei – gerundet gesagt – 3 Prozentpunkten. Das ist an sich im internationalen Vergleich sehr hoch. Wir sind an vierter Stelle im Bereich der Europäischen Union.

Aber auch da ist zu sagen, dass das insofern nicht ganz zufriedenstellend ist, weil sich auf der anderen Seite, was das sogenannte Innovation Scoreboard anbelangt, folgen­de Situation ergibt: Wir verschlechtern uns zwar nicht, aber auch andere werden lang­sam besser. Da liegen wir an elfter Stelle, wollen aber ganz vorne sein. Daher geht es um die Verbesserung der Effizienz der österreichischen Förderungen und Forschungs­einrichtung


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en.

Ein Ansatzpunkt, der uns vorgeworfen wird, ist Venture Capital. Da haben wir nachge­bessert, das wird uns aber in den Bewertungen noch nicht entscheidend angerechnet.

Ein paar andere Elemente sind im FTI-Plan enthalten. Wenn wir das konkret umsetzen, dann bin ich optimistisch, dass wir uns dem ambitionierten Ziel entsprechend nähern und dieses eventuell auch erreichen können. Dazu muss aber auch die Wirtschafts­entwicklung generell mitspielen, auch der private Sektor, denn im gesamten For­schungsbereich steckt eigentlich mehr das öffentliche Geld als das private Geld.

 


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir zur 11. Anfrage, das ist jene der Frau Abgeordneten Hakel. – Bitte.

 


Abgeordnete Elisabeth Hakel (SPÖ): Frau Präsidentin! Schönen guten Morgen, Herr Vizekanzler! FISA ist ja ein Förderprogramm aus Ihrem Ressort für den Filmstandort Österreich. Die Erfolge des österreichischen Films sprechen für sich.

Österreich ist aber auch berühmt als Musikstandort, ist berühmt für seine Musik, und die österreichische Musikwirtschaft hat ein ebenso großes Potenzial wie die österrei­chische Filmwirtschaft. Das zeigen auch die jüngeren Erfolge von Wanda, Bilderbuch und Parov Stelar. Diesbezüglich fehlt aber noch ein Förderungsprogramm wie zum Bei­spiel FISA.

Meine Frage lautet:

162/M

„Was unternimmt Ihr Ressort zur Förderung des Musikstandortes Österreich?“

Beziehungsweise, Herr Vizekanzler, können Sie sich ein ähnliches Programm wie FISA vorstellen?

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Vizekanzler, bitte.

 


Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Vizekanzler Dr. Rein­hold Mitterlehner: Frau Abgeordnete, Sie haben vollkommen recht: FISA hat sehr gut gewirkt. Wir haben damit wirklich gute Erfolge erzielt, und zwar nicht nur, dass es ge­lungen ist, James-Bond-Produktionen nach Österreich zu bekommen, was die Erstel­lung und andere Aktivitäten anbelangt, sondern auch andere qualitativ sehr hochwerti­ge Filme. Das bringt uns Wertschöpfung. – Auf der anderen Seite haben wir dort auch jetzt schon ein Finanzierungsproblem, weil das mehr nachgefragt wird, als wir anbieten können.

Was den Musikbereich anbelangt, bin ich nicht in der Lage, ein derartiges Förderpro­gramm aufzustellen. Es ist aber eine gute Möglichkeit im Bereich der Universitäten vor­handen, diesbezüglich Grundlagenarbeit und Vernetzungsarbeit zu leisten. Bedenken Sie Folgendes: Wir haben drei Universitäten für Musik und darstellende Kunst – in Wien, Graz und Salzburg –, wir haben, was die Lehrgänge anbelangt, dort umfassende Akti­vitäten und dann natürlich einen Verbreiterungseffekt in der Umsetzung.

Es gibt eine enge Zusammenarbeit mit den Musikschulen, um auch den Nachwuchs zu fördern, und wir haben darüber hinaus in der Leistungsvereinbarungsperiode zur bes­seren Vernetzung der Universitäten mit dem österreichischen Wettbewerb der „MUSIK DER JUGEND“ auch diesbezüglich ein Steuerungsinstrument, das einmal die Basisar­beit und sozusagen das kulturell notwendige Biotop schaffen wird.

Darüber hinaus haben wir, wie angesprochen, keine weiteren Mittel mehr, und das ist im Ressort von der Kompetenzzuschreibung her prinzipiell auch nicht vorgesehen.

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Hakel? – Bitte.

 


Abgeordnete Elisabeth Hakel (SPÖ): Zum Musikstandort Österreich gehört ja zum Beispiel auch die Sammlung alter Musikinstrumente. Damit bin ich beim Haus der Ge­schichte, das ja auch irgendwie vom Wirtschaftsministerium betreut wird.

Wie wird das vonseiten des Wirtschaftsministeriums finanziell unterstützt werden? Gibt es schon Überlegungen, dass auch die Sammlung alter Musikinstrumente erhalten blei­ben kann?

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Vizekanzler, bitte.

 



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Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Vizekanzler Dr. Rein­hold Mitterlehner: Frau Abgeordnete, da gibt es einen konzeptiven Vorgang auf der Regierungsebene, der über die Sammlung alter Musikinstrumente hinausgeht.

Wenn das Gesamtkonzept – auch inklusive Finanzierung und bauliche Gegebenhei­ten – dann endgültig fertig ist, kann man auch diese Frage beantworten. Das wird ein Teil des Angebotes und der Problemlösung sein.

 


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir zur 12. Anfrage, das ist jene der Frau Ab­geordneten Himmelbauer. – Bitte.

 


Abgeordnete Eva-Maria Himmelbauer, BSc (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Bundes­minister! Knapp 75 Milliarden € stehen für die Forschung und die Innovation für die Jahre 2014 bis 2020 im Rahmen des EU-Förderprogramms Horizon 2020 zur Verfü­gung, und Sie haben sich als Wissenschafts- und Forschungsminister auch das Ziel ge­setzt, die Rückflüsse nach Österreich im Zeitraum 2014 bis 2020 auf mindestens 1,5 Mil­liarden € zu steigern.

Mitte Oktober hat nun die zweite Ausschreibungsrunde gestartet, daher lautet meine Frage.

159/M

„Wie haben österreichische Forscher und Forscherinnen bisher vom europäischen For­schungsförderungsprogramm Horizon 2020 profitiert?“

 


Präsidentin Doris Bures: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Vizekanzler Dr. Rein­hold Mitterlehner: Generell ist die Beteiligung Österreichs an diesem europäischen Forschungsprogramm ausgesprochen wichtig, was den Rückfluss an entsprechenden Mitteln anbelangt; was dann aber auch ein Qualitätskennzeichen ist, inwieweit wir da im Wettbewerb mit anderen für den heimischen Forschungsbereich Projekte nach Ös­terreich bringen können.

Die Entwicklung läuft bis jetzt eigentlich sehr gut: Wir haben, was österreichische Be­teiligungen bei Horizon 2020 anbelangt, eine über dem EU-Durchschnitt liegende Zuer­kennungsquote, nämlich 16,6 Prozent; im EU-Gesamtschnitt liegt diese bei 15,1 Prozent.

Betreffend die Erfolgsrate, also was dort eingereicht wird und was auch die entspre­chende Zuerkennung anbelangt, sind wir bei jedem elften geförderten Projekt dabei, und es gibt auch die Kooperation Unternehmen – 33 Prozent – beziehungsweise Hoch­schulen – jeweils ein Drittel –, dann der andere Teil eben EU, sodass man feststellen kann: Auch die angedachte Kooperation funktioniert relativ gut. Also wir liegen – neu ist ja die KMU-Beteiligung – auch dort über dem europäischen Schnitt.

Also wenn man es salopp formuliert, ist das Instrument zur Inspirierung der Forschung und zur Weiterentwicklung des heimischen Forschungsstandortes genau das Richtige, und wir profitieren auch davon.

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage, Frau Abgeordnete? – Bitte.

 


Abgeordnete Eva-Maria Himmelbauer, BSc (ÖVP): Ich habe es schon angespro­chen: Das ist ein fixer Fördertopf von 75 Milliarden €, und wir beobachten, dass die An­strengungen auch der anderen EU-Ländern, sich da zu beteiligen und Mittel zu lukrie­ren, natürlich zunehmen. Deswegen hätte ich noch folgende Zusatzfrage:

Was wird getan, um die österreichische Teilnahme in diesem härter werdenden euro­päischen Wettbewerb zu unterstützen?

 


Präsidentin Doris Bures: Bitte, Herr Vizekanzler.

 



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Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Vizekanzler Dr. Rein­hold Mitterlehner: Es geht vor allem um die Motivation der heimischen Unterneh­men – wir hatten im Jänner vorigen Jahres eine Startveranstaltung mit über 1 000 Teil­nehmern mit der damaligen Kommissarin Geoghegan-Quinn aus Irland –, auf der an­deren Seite geht es neben dieser Motivation auch um eine intensiver werdende Bera­tung, die die FFG macht.

Wir haben seit dem Start im Jahr 2014 über 11 000 Beratungen durchgeführt, das ist im Vergleich zum letzten Rahmenprogramm tendenziell weit mehr. Allein daran merkt man das Interesse, auf der anderen Seite merkt man an den Zuerkennungen aber auch, dass das Interesse dann durch die Beratung auch zu Erfolgen führt.

 


Präsidentin Doris Bures: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Kucher.

 


Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Vizekanzler! Ich möchte gleich an meine Vorrednerin anschließen. Eine wichtige Zielsetzung war ja vor allem, die Beteiligungsregelungen zu vereinfachen und zu standardisieren, eine stärkere Be­ratung anzubieten, ein einheitliches Regelwerk zu präsentieren und vor allem den Zu­gang auch für KMUs, für kleine Forschungseinrichtungen zu verbessern.

Wenn Sie jetzt zurückblicken auf die erste Phase der Ausschüttung: Hat sich das in Österreich bewährt? Ist vor allem der Zugang für die kleineren und mittleren Unterneh­men und Forschungseinrichtungen verbessert worden? Wie beurteilen Sie diese Ziel­setzung jetzt in der Praxis?

 


Präsidentin Doris Bures: Bitte, Herr Vizekanzler.

 


Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Vizekanzler Dr. Rein­hold Mitterlehner: Herr Abgeordneter, Sie haben es angesprochen: Vor allem der stär­kere Zugang und die erhöhte Beteiligung von Klein- und Mittelbetrieben sollte erreicht werden. Ich möchte Ihnen jetzt nicht die Zeit rauben, weil ich es gerade vorhin ange­sprochen habe.

Das ist auch konkret, was die Beratungen anbelangt, von Erfolg begleitet gewesen, grö­ßeres Interesse und auch eine kooperative Vorgangsweise, sich gemeinsam um Pro­jekte zu bewerben, ist gegeben. Das heißt also, die Wirtschaft profitiert durchaus von Horizon 2020, und die Unternehmen werden dadurch auch aktiv und positiv angespro­chen.

 


Präsidentin Doris Bures: Da alle Anfragen zum Aufruf gelangt sind, erkläre ich die Fragestunde für beendet und bedanke mich bei Ihnen, Herr Vizekanzler, dass Sie uns zur Verfügung gestanden sind. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie der Abg. Mückstein.)

10.13.06Einlauf

 


Präsidentin Doris Bures: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

Schriftliche Anfragen: 6955/J bis 6961/J

*****

Behandlung der Tagesordnung

 


Präsidentin Doris Bures: Es ist vorgeschlagen, die Debatte über die Punkte 1 bis 3 sowie 5 und 6 der Tagesordnung jeweils zusammenzufassen.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll102. Sitzung / Seite 30

Gibt es dagegen einen Einwand? – Das ist nicht der Fall.

Wir gehen in die Tagesordnung ein.

Redezeitbeschränkung

 


Präsidentin Doris Bures: Zwischen den Mitgliedern der Präsidialkonferenz wurde Konsens über die Dauer der Debatten erzielt. Demgemäß wurde eine Tagesblockzeit von 5,5 „Wiener Stunden“ vereinbart, sodass sich folgende Redezeiten ergeben: SPÖ und ÖVP je 74, FPÖ 69, Grüne 58 sowie NEOS und Team Stronach je 30 Minuten.

Gemäß § 57 Abs. 7 der Geschäftsordnung beträgt die Redezeit für die gesamte Ta­gesordnung von jenen Abgeordneten, die keinem Klub angehören, im Rahmen dieses Beschlusses je 15 Minuten. Darüber hinaus wird die Redezeit von Abgeordneten, die keinem Klub angehören, auf 5 Minuten je Debatte beschränkt.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über die soeben dargestellten Redezeiten.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Vorschlag zustimmen, um ein diesbezüg­liches Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

10.14.401. Punkt

Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Grünen Be­richt 2015 der Bundesregierung (III-210/809 d.B.)

2. Punkt

Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Antrag 148/A(E) der Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen be­treffend Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik 2014–2020 – Umsetzung in Öster­reich II (810 d.B.)

3. Punkt

Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Antrag 749/A(E) der Abgeordneten Harald Jannach, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einfüh­rung einer Investitionsförderung für die Umrüstung auf oder den Neukauf von Trak­toren mit Pflanzenölantrieb (868 d.B.)

 


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen nun zu den Punkten 1 bis 3 der Tagesord­nung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Ich begrüße Herrn Bundesminister Dipl.-Ing. Rupprechter. (Beifall bei der ÖVP.)

Als Erster gelangt Herr Abgeordneter Riemer zu Wort. – Bitte. (Abg. Lopatka: Der neue Agrarexperte!)

 


10.15.51

Abgeordneter Josef A. Riemer (FPÖ): Geschätzte Frau Präsident! Herr Bundesminis­ter! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Grüner Bericht 2015 betreffend das Jahr 2014 – eine Bewertung: Dass der Grüne Bericht wie in den Jahren zuvor, wie wir das kennen, ein hervorragendes Kompendium von Zahlen, Fakten und Daten ist, ist hinlänglich be­kannt. Man kann sich nur bei all jenen bedanken, die das zusammengetragen haben. –


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll102. Sitzung / Seite 31

Vorweg auch noch eines: Es soll auch vorangestellt sein, dass unsere bäuerlichen Be­triebe jeden Tag Hervorragendes leisten!

Ich möchte mit einem Zitat aus dem Grünen Bericht 2014 beginnen. Im Vorwort zu diesem Bericht – man muss das immer als Ouvertüre sehen – hat Herr Bundesminister Folgendes geschrieben:

„2014 wurde von der UNO offiziell zum internationalen Jahr der bäuerlichen Familien­betriebe erklärt. Ich werde weiterhin unermüdlich dafür arbeiten, den Wert der Land­wirtschaft verstärkt im Bewusstsein der Bevölkerung zu verankern. Doch die großen Leistungen der heimischen Betriebe müssen auch entsprechend abgegolten werden.“ – Zitatende. (Demonstrativer Beifall bei der ÖVP.)

Das zweite Zitat stammt aus dem Grünen Bericht 2015:

„Insgesamt wird die Land- und Forstwirtschaft innovativer“ – Innovation heißt immer Mo­dernisierung zum Besseren – „, professioneller und wettbewerbsfähiger gemacht. (...)

Wir werden bei ungewünschten Entwicklungen gegensteuern, während wir positive Trends verstärken.“ – Zitatende. (Demonstrativer Beifall des Abg. Höfinger.)

Sehr geehrter Herr Bundesminister, wenn ich mir das so anschaue – danke, dass Sie klatschen (Zwischenruf des Abg. Höfinger); ja, ich weiß schon, das war ein Zitat vom Herrn Bundesminister, völlig richtig –, dann muss ich etwas sagen: Alle Jahre wieder kommt nicht nur das Christkind, alle Jahre wieder haben wir ein Bauernsterben und sinkende Einkommen. Wenn das zu Innovation passt, ist das erstaunlich! (Beifall bei der FPÖ.)

Wir wissen, 1995, beim EU-Beitritt, gab es zirka 239 000 Betriebe. Wenn man jetzt schaut, dann sehen wir, dass wir nur mehr 166 317 Betriebe haben – das ist ein Minus von über 70 000 Betrieben. Das ist eine „gute“ Geschichte: Das entspricht ungefähr den Städten Leibnitz, Leoben in der Steiermark, Eisenstadt und Sankt Pölten! So viele Einwohner haben die, wenn man das umrechnen würde! Oder rechnet man noch genauer, dann hieße das, pro Tag sperren 10 bis 11 Betriebe zu. – Also wenn das die Innovation ist, dann mache ich mir Sorgen!

Was positiv ist, ist, dass man sagen kann, 92 Prozent der bäuerlichen Betriebe sind Familienbetriebe, und die bewirtschaften – und das ist erstaunlich – nur 50,9 Prozent der Fläche. 7,7 Prozent sind juristische Personengesellschaften, und diese bewirtschaften 40 Prozent der Gesamtfläche. – Das ist natürlich auch für die Förderungen interessant, wenn man das bewirbt. Noch „besser“ ist es, wenn man sich das anschaut, dass es 37,3 Prozent Bauern im Haupterwerb gibt – 37,3 Prozent! –, jedoch 55 Prozent schon Nebenerwerbsbauern sind.

Geschätzter Herr Bundesminister, da müssen ja die Alarmglocken läuten! Da muss man ja etwas tun! Ich nehme Ihre Tätigkeit sehr ernst, ich schätze Sie sehr, ich schätze natürlich aber auch Ihr Vorwort. Wie passt das zusammen?

Wir müssen aber auch so rechnen: Bei jedem Bauern, der aufgibt, betrifft das, weil das Familienbetriebe sind, ungefähr 3 Personen. 70 000 mal 3, na, dann haben wir schon über 200 000 Leute – Leute, die meistens aus der ländlichen Entwicklung, die wir ja groß propagieren, herausfallen, die natürlich in die Städte gehen. Das sind 200 000 Arbeits­plätze, die gesucht werden, vielleicht sogar noch mehr. – Da gilt es also nachzudenken!

Dass die Einkommenssituation sich wieder verschlechtert hat ... (Abg. Höfinger: Wie schaut es aus im Burgenland?) – Übrigens: Herr Landesrat Seitinger hat ähnliche Din­ge wie genau diese bei der letzten Bauernkammerdiskussion in der Steiermark ge­bracht. Hören Sie auf ihren Kollegen, hören Sie ihm zu! Der hat Ihnen das deutlich ge­sagt; schreiben Sie dorthin!


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Ein Minus von 5 Prozent bei den Einkommen – erstaunlich; bitte, das kann nicht sein! –, außer bei den Biobetrieben; die Biobetriebe haben es ein bisschen besser gemacht, sie haben ein kleines Einkommensplus, dafür auch 17 Prozent mehr Förderung. Ob das zusammenhängt: also nur jener erfolgreich ist, der besonders gefördert wird?! – Bitte, das heißt ja, den Bauern ewig in der Leibeigenschaft eines Förderungsdschun­gels zu belassen – das hat er sich nicht verdient! Der Bauer ist ein Unternehmer, bitte, wie jeder andere und hat honoriert zu werden. (Beifall bei der FPÖ.)

Schauen Sie sich an, wer alles von den Bauern lebt! Landmaschinenhandel: 45 Betrie­be mit 5 600 Beschäftigten setzen 1,9 Milliarden € um. – Danke, lieber Bauer! Pflan­zenschutzmittel – das ist schon etwas, was die ÖVP dann besonders interessieren wird –: 2013 wurden 10 728 Tonnen an Pflanzenschutzmitteln versprüht oder eingesetzt, 2014 11 325 Tonnen, also um fast 900 Tonnen – oder 8,4 Prozent – mehr. Auch da müssen die Alarmglocken schrillen: Warum ist das so? Muss das so sein? Gibt es Alternativen? Ich mache keine Vorwürfe, aber man muss ja nachdenken – getreu dem Vorwort unse­res Herrn geschätzten Landwirtschaftsministers.

Lebensmittel herstellende Betriebe: 4 450, mit 44 000 Arbeitnehmern. – Danke, Bauer! Die leben vom Bauern. Schauen wir weiter! Veterinärbereich: Na ja, über 2 000 Tier­ärzte, bitte, das ist eine kleine Zahl, über 800 Angestellte. – Was haben die umge­setzt? – 123 Millionen! – Danke, lieber Bauer! Auch das ist wichtig. Tourismus – für alle Tourismusfreunde –: 113 764 Gästebetten stehen bereit, das heißt 11 Prozent des ge­samten österreichischen Bettenaufkommens. – Danke, Bauer!

Jetzt komme ich zum abschließenden Punkt, der mir sehr wesentlich erscheint: Men­schenwohl, Tierwohl, Umweltwohl. Ich danke Herrn Präsidenten Schultes, der ja vor­gestern, am 10. November, bei einer Tierwohl-Veranstaltung in Graz war und dort sehr wohl das gesagt hat, was wir von freiheitlicher Seite uns in den Ausschüssen vom ihm sehr oft erwarten würden. Was sagte er denn da?

„Tierwohl ist ein gemeinsames Anliegen (…) und die Landwirtschaft gestaltet das Wohl­befinden.“ „Billigpreise setzen Grenzen und höhere Standards müssen erwirtschaftet werden. Scheitern wir wirtschaftlich, schadet das den Tieren, den Bauern und den Kon­sumenten.“

Herr Präsident Schultes, danke für diese Aussage; die ist sehr, sehr zutreffend.

Sie führen dann an, dass die Puten, die aus dem europäischen Ausland kommen, an und für sich natürlich billiger sind und die heimischen Puten, die den strengen Richtli­nien entsprechen, dementsprechend liegen bleiben. Da gehört gegengesteuert! Man müsste das auch hinsichtlich der Martini-Gansln sagen: Österreich produziert 20 Pro­zent der Martini-Gansln – nicht mehr! –, die anderen 80 Prozent kommen aus aller Her­ren Länder. Da muss man schon einmal nachdenken, ob das nicht auch irgendetwas wäre.

Was mir besonders gefallen hat, Herr Präsident Schultes – noch ein Zitat –: Die Land­wirtschaftskammer Österreichs verlangt „gemeinsam mit den Erzeugerorganisationen in der Wertschöpfungskette, dass Österreich offiziell gegenüber der EU-Kommission und den internationalen Organisationen auftritt“ – boah! – „und fordert, die EU-Tierwohl­standards zum Mindestbestandteil für direkt oder indirekt durch die EU unterstützte Investitionsvorhaben zu machen“. Er führt zu Recht an: Täglich werden 2,5 Millionen Es­sen ausgegeben.

Ich komme zum Schluss – was man sich wünschen könnte, Flops –: Flops sind natür­lich Fehler, Abschaffung der Milchquote, die Sektsteuer, Pflanzenschutzmittel, Glypho­sat, was auf uns zukommt. – Und da würde ich schon sagen: TTIP, diese Berichte würde ich mir auch im Grünen Bericht kontroversiell betrachtet wünschen. Kleinbäuer­liche Struktur in Österreich – quo vadis? – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

10.24



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll102. Sitzung / Seite 33

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Auer. – Bitte.

 


10.24.39

Abgeordneter Jakob Auer (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Vorerst ein herzliches Danke den Bauern, da schließe ich mich meinem Vorredner an; aber ich danke auch den Bäuerinnen, Herr Kollege Riemer, denn sie leisten auch großartige Arbeit – damit das einmal klar­gestellt ist! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Darmann.)

Zum Zweiten, meine Damen und Herren, ein besonderes Danke jenen Betrieben, die die Fakten und die Grundlagen für dieses hervorragende Werk, diesen Grünen Bericht liefern! Das ist ein wirklich tolles Nachschlagwerk, mit Fakten, Ziffern und entsprechen­den Begebenheiten. Ich danke auch der zuständigen Sektion für die Erstellung dieses Berichts, weil es für die Politik wichtig ist, auf Basis dieser Unterlage, diskutieren zu können.

Ja, Herr Kollege Riemer, natürlich kann man manches kritisieren, das soll man auch tun. Du weißt, dass ich dich sehr schätze, du weißt aber auch selber, dass manche Dinge ein bisschen breiter zu diskutieren wären. Wenn nämlich von deiner Seite aufge­zeigt wird, was es an Schwierigkeiten gibt und was an Verbesserungen notwendig wäre, was seitens des Ministeriums, seitens der Landwirtschaftspolitik zu machen wä­re, dann muss ich dir sagen: Du hast dabei eines vergessen! Nämlich: Gerade in dei­nem Bereich gab es einen Landesrat Kurzmann, der dürfte dir nicht ganz unbekannt sein. Vielleicht ist die Schongebietsverordnung vergessen, wodurch 18 000 Bauern durch die erhöhten wasserrechtlichen Vorschriften entsprechende Schwierigkeiten bekom­men haben. – Und jetzt fährt er durchs Land und predigt, er wäre von den Beamten ge­legt worden. Meine Damen und Herren, das ist keine gute Politik, das möchte ich ein­mal klarstellen! (Beifall bei der ÖVP.)

Es aber ist unbestritten, dass der Grüne Bericht des Jahres 2015 – in Wirklichkeit ist das ja die Bilanz des Jahres 2014, der Rechenschaftsbericht, wie es denn ausschaut im land- und forstwirtschaftlichen Bereich in Österreich – kein positives Bild darstellt, weil zum dritten Mal in Folge ein negatives Einkommen ausgewiesen wird. Daher ist klarzustellen, dass es wichtig ist, die öffentlichen Mittel, die Ausgleichszahlungen si­cherzustellen. Ich danke Herrn Bundesminister Rupprechter, dass es möglich war – obwohl schwierig genug –, auch im heurigen Jahr eine frühere Auszahlung zu sichern. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Doppler.)

Es ist unbestritten, dass die österreichischen Bauern eine hervorragende Qualität liefern. Es ist unbestritten, dass die Bäuerinnen und Bauern nachhaltig wirtschaften, und es ist unbestritten, dass sie Schwierigkeiten haben, weil sie im Wettbewerb der europäischen Landwirtschaftspolitik aufgrund der Größe, aufgrund des Berggebiets, aufgrund der klima­tischen Voraussetzungen, aufgrund strengster Tierschutzvorschriften durchaus entspre­chende Schwierigkeiten zu bewältigen haben. (Zwischenruf des Abg. Steinbichler.)

Meine Damen und Herren, es löst ja geradezu „Begeisterung“ aus, wenn in diesen Ta­gen von einer großen Handelskette ein bäuerliches Manifest gepredigt wird; das „freut“ mich ganz besonders. Das beste Manifest einer derartigen Handelskette wäre es, ent­sprechende Preise zu zahlen – das wäre das beste Manifest (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Neubauer–, und nicht, mit Schleuderpreisaktionen die Verwertungsbetriebe in Schwierigkeiten zu bringen, um dann den Bauern weiterhin Schwierigkeiten zu berei­ten.

Meine Damen und Herren, besonders bemerkenswert ist, wenn in diesem bäuerlichen Manifest gesagt wird, man trete dafür ein und man habe Sorge, dass die österreichi­schen Landwirte, Erzeuger und Händler weiterhin die hohe Qualität produzieren und zur Verfügung stellen können.


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Noch einmal, ganz einfach: für die Milch zumindest 40 Cent netto; für das Fleisch, Schweinefleisch mindestens 1,80 € pro Kilo, ohne Mehrwertsteuer; im Getreidebereich ein bisschen mehr Anteil an der Semmel als 2 Prozent, was den Weizen und das Korn betrifft. Es wäre für die Handelsketten ganz einfach; dann hätten sie die Sicherheit, dass in Österreich produziert wird, dann hätte diese Handelskette die Sicherheit, dass die Kulturlandschaft bewirtschaftet wird, dann hätte der Tourismus die Gewähr, dass die Landschaft gepflegt wird, indem sie bewirtschaftet wird. Das wäre das beste bäuer­liche Manifest! (Beifall bei der ÖVP.)

Wir alle, die sich zur bäuerlichen Landwirtschaft bekennen, könnten eines machen: zu Hause einen so genannten Kühlschranktest. Schauen wir im eigenen Kühlschrank nach, welche Produkte dort aufbewahrt und eingekühlt werden! Sind das österreichi­sche Produkte? Sind das andere Produkte? – Ein Kühlschranktest! Wenn jeder Konsu­ment und jede Konsumentin darüber nachdenkt, dann haben die Bauern Absatzmög­lichkeiten, dann haben österreichische Betriebe Verwertungsmöglichkeiten, dann ha­ben alle etwas davon, ob der Produzent oder der Konsument. Gerade in diesem Sin­ne sollten wir nachdenken!

Ich danke allen Fraktionen für die sehr faire Diskussion beim Hearing im letzten Land­wirtschaftsausschuss, in dem wir uns über Marktprobleme beraten haben. Spannend war dabei Folgendes: So manche Praktiker, die als Experten nominiert wurden, hatten keine Lösung der Probleme. Wir werden uns daher in den künftigen Diskussionsrunden mit der Frage der Zukunft der Bauernschaft, der Bäuerinnen in Österreich auseinander­zusetzen haben. Wir werden uns als Erstem speziell der Milch widmen und am zweiten Tag auch dem Fleischbereich, weil es wichtig ist, die Chancen und die Möglichkeiten aufzuzeigen.

Wir alle wissen, dass der Markt ein bestimmendes Element ist, wir alle wissen, dass die österreichischen Bäuerinnen und Bauern hervorragend produzieren. Wir alle sollten wissen, dass es wichtig ist, diesen Bäuerinnen und Bauern weiterhin eine Chance zu geben.

Meine geschätzten Damen und Herren, wenn das umgesetzt werden kann, was der Herr Bundesminister geplant hat, dann bin ich mir sicher, dass – bei allen schwierigen Marktgegebenheiten! – es möglich ist, dass die österreichischen Bäuerinnen und Bau­ern wieder in eine positivere Zukunft sehen können. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

10.31


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Pirklhuber. – Bitte.

 


10.31.27

Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Frau Präsidentin! Werte Kol­leginnen und Kollegen! Herr Bundesminister! Ich kann diesmal eigentlich nahtlos an die Rede des Kollegen Auer anschließen. Tatsächlich: Wir haben die größte Krise der Agrar­politik seit 1945! Die Realität zeigt und auch die Ausschussdiskussion haben gezeigt, dass die Probleme – Kollege Auer hat es gesagt – von den Praktikern gesehen und dar­gestellt werden, sie selbst aber keine Lösungen haben.

Gerade jetzt, werte Kolleginnen und Kollegen, ist daher die Agrarpolitik absolut gefor­dert. Der Weg, den Europa in der Agrarpolitik eingeschlagen hat, bedeutet eine konti­nuierliche Deregulierung, eine kontinuierliche Preisreduktion für die landwirtschaftli­chen Produzenten, wobei am Ende des Tages die Gewinner die großen Lebensmittel­konzerne sind – ob sie Nestlé, Unilever oder Danone heißen. Welche Markenhersteller es auch immer sind, sie versuchen dann, im internationalen Wettbewerb mit den billi­gen Rohstoffpreisen, die sie in Europa bei den Landwirten erzielen können, verstärkt in den Agrar- und Lebensmittelexport zu gehen.


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Meine Damen und Herren! Das ist eine Sackgasse für die bäuerliche Landwirtschaft, und das ist die Herausforderung!

Herr Bundesminister, ich gebe Ihnen in einem völlig recht, nämlich: Sie schreiben im Vorwort dieses Grünen Berichts: „Der Grüne Bericht 2015 hilft uns, die größten He­rausforderungen (…) zu identifizieren.“

Jawohl, da besteht Konsens! Tatsächlich: Der Grüne Bericht liefert die Voraussetzun­gen, um diese Analyse sauber und korrekt durchzuführen! Die Frage, die sich dann stellt, ist: Welche politischen Konsequenzen sind wir zu ziehen bereit, welche Auswer­tung dieser Analyse können wir vornehmen und welche Schlussfolgerungen daran knüp­fen?

Meine Damen und Herren, die Landwirtschaft ist einfach ein großes Arbeitskräftepoten­zial, ein Arbeitsmarktpotenzial, das ist Arbeitsmarkt im weiteren Sinne. Es sind auch Green Jobs, Zukunftsarbeitsplätze in diesem Bereich, von der erneuerbaren Energie bis hin zur hochwertigen Qualitätsproduktion, ob das in kleinen Biohofkäsereien ist, ob das in genossenschaftlichen Zusammenschlüssen ist, ob das in Erzeuger-Verbrau­cher-Initiativen ist, ob das auf Bauernmärkten passiert oder ob das in der Zusammen­arbeit mit den Tourismusbetrieben passiert – jawohl, enorm viel Potenzial und tatsäch­lich Green Jobs!

Wie sehen wir dann das, Herr Bundesminister: 166 000 Betriebe haben wir derzeit, da­von etwa 44 Prozent Bergbauernbetriebe – also sowieso Betriebe in Erschwernislage –, und in den letzten zehn Jahren haben wir eine Abnahme von 24 000 Betrieben. Ich weiß, Sie sagen: Das ist ja weniger als woanders! – Jawohl, aber solange wir diese Logik weiterverfolgen, geht es einfach weiter in den Betriebsabbau, in die Aufgabe der Landwirtschaft – und das kann kein Ziel der Agrarpolitik sein, Kollege Auer! Das ist die Herausforderung! Wo geht es denn weiter? In wie vielen Jahren, wenn wir das fort­schreiben, sind wir dann am Ende der Fahnenstange angelangt? Das ist die Frage, die sich für die Bäuerinnen und Bauern jetzt schon stellt: Wie soll ich, wenn ich weiter wachse, den Betrieb als Familienbetrieb bewirtschaften? Es ist einfach nicht mehr mög­lich, ich kann das gar nicht erarbeiten!

Korrekt ist, dass das Einkommen laufend sinkt; Kollege Auer hat darauf hingewiesen. Jetzt schauen wir uns die konkreten durchschnittlichen Zahlen einmal an! Land- und forstwirtschaftliche Einkünfte betrugen im Durchschnitt in Österreich 23 370 €. – Gut. Schauen wir uns an, was in diesen Einkünften enthalten ist. – Die öffentlichen Gelder! Durchschnittlich erhält ein Betrieb 17 000 €. Herr Kollege Auer hat es ja zu Recht gesagt: Ohne die öffentlichen Gelder ist die Landwirtschaft nicht führbar! Anteil der öf­fentlichen Gelder: 72 Prozent, nämlich 17 006 €. Wenn man das nun abzieht und sagt, man schaut sich einmal die Landwirtschaft an, wie das ohne öffentliche Gelder ist, wie rentabel sie ist, dann kommt man auf ein Ergebnis, auf ein durchschnittliches landwirt­schaftliches Ergebnis von 6 364 €. 6 000 € im Durchschnitt aller 166 000 Landwirtschafts­betriebe in Österreich! – Hm!

Und jetzt kommt die Überraschung: Die Sozialversicherungsbeiträge und die Einkom­mensteuer sind davon noch nicht abgezogen. Wenn wir diese hernehmen – durch­schnittlich 14 Prozent, wir können den Betrag von Seite 121 heranziehen – und 3 648 € abziehen, dann kommen wir ohne öffentliche Förderung auf ein durchschnittliches Ein­kommen von 2 716 € in Österreichs Landwirtschaft.

Diese Zahl, meine Damen und Herren, muss man sich wirklich einmal auf der Zunge zergehen lassen, wenn man über die öffentlichen Gelder im agrarischen Bereich und über die Zielgenauigkeit dieser Agrarpolitik diskutiert!

Das ist ein Durchschnittswert. Jetzt können Sie sagen: Ja, das kann es ja nicht sein! – Richtig, es gibt natürlich Betriebe, die tatsächlich noch Geld in der Landwirtschaft ver-


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dienen, und Betriebe, die tatsächlich in der Landwirtschaft draufzahlen – Haupterwerbs­betriebe, Nebenerwerbsbetriebe; Kollege Riemer hat es auch schon erwähnt. Wir ha­ben etwa 55 Prozent Nebenerwerbsbetriebe. Doppelt so hohe Erlöse erwirtschaften land- und forstwirtschaftliche Betriebe, die nur von der Landwirtschaft leben, die Ne­benerwerbsbetriebe haben ein Fünftel davon, und 20,5 Prozent der Betriebe haben ne­gative Einkünfte – es ist ein negatives Betriebsergebnis!

Das ist einfach die Situation, meine Damen und Herren, daher möchte ich in der Con­clusio auf meinen Antrag zurückkommen. Wir haben aus diesem Grund gefordert, dass die kleinsten Betriebe, die ersten 30 Hektar besser gefördert werden – das wäre jetzt die agrarpolitische Antwort; das ist eine Antwort.

Die zweite Antwort, Kollege Auer, wäre gewesen: Preise für Agrarprodukte müssen die Produktionskosten besser decken. Das können wir nur dann erreichen, wenn wir Preis­transparenz herstellen – und da haben Sie meine Unterstützung! Wenn wir in den Un­terausschüssen diese Strategie wählen, werden Sie die Unterstützung der Grünen ha­ben.

Ja, das will auch der Konsument! Wenn der Konsument einen Liter Biomilch im Ge­schäft kauft, will er auch wissen, welcher Anteil von diesem Geld, das er dort für die Milch abgibt, beim Landwirt, beim Bauern, bei der Bäuerin ankommt. Das ist die He­rausforderung, die wir zu bewältigen haben!

Wenn Sie sagen: Wachsen ist die Devise!, dann sage ich: Im Grünen Bericht ist eine Analyse über die Milchbauern mit mehr als 50 Kühen drinnen. Was sagen diese Bau­ern? – 80 Prozent: Risiko hat sich erhöht!, 80 Prozent: mehr psychische Belastung!, 66 Prozent: weniger Freizeit! Das alles steht im Grünen Bericht. Wenn das eine Stra­tegie der Zukunft wird, dann sage ich: Gute Nacht, österreichische Landwirtschaft!

Dann kommen wir zur großen Zukunftsstrategie Bio: Biolandbau, Bioeinstieg – Stopp 2009. Die Zahl der geförderten Betriebe hat seit 2010 um 1 000 abgenommen. Wir ha­ben 20 750 gefördert, 1 000 weniger als vier Jahre vorher. Die Fläche der geförderten Biobetriebe inklusive Almen hat um 14 000 Hektar abgenommen. – Und Sie, Herr Mi­nister, haben vor Kurzem einen Bioaktionsplan vorgelegt, der völlig unambitioniert ist. Sie reden dort davon, dass 20 Prozent Fläche erreicht werden sollen. – Ich kann Ihnen mithilfe dieses Grünen Berichts vorrechnen: Von 2,4 Millionen Hektar sind 524 000 Hektar landwirtschaftliche Fläche im ÖPUL – genau 21,6 Prozent der Fläche. Wir haben das Ziel längst erreicht – und Sie legen einen Retrobeitrag vor, was die Zukunft der Land­wirtschaft betrifft!

Der Biobereich ist eine Chance – um den Biomilchpreis herzunehmen –: 58 Cent wer­den derzeit in Deutschland für Biomilch gezahlt; der Preis für konventionelle Milch liegt bei der Hälfte, knapp 30 Cent.

Sie müssen sich vorstellen, der Markt ist völlig aufnahmebereit; das sagen alle Molke­reien in Österreich. Und Sie sagen: Na, ein bisschen, weitertun so wie bisher! Also ja nicht zu viel machen für den Biolandwirt. – Das kann keine agrarpolitische Antwort sein, das ist eine völlig defensive Strategie und eine Strategie, die bäuerliche Arbeits­plätze kosten wird!

Als Umweltminister – nämlich als Agrar- und Umweltminister –, wie ist da Ihre Bilanz? Zum Thema Wasser, zur Frage der Schwellenwertüberschreitungen bei Wasser: 208 von 1 970 Messstellen haben eine Überschreitung des Schwellenwerts von 45 Milli­gramm. Vor sieben Jahren, 2007, war es genau derselbe Betrag, genau dieselbe Pro­zentzahl: 10,6 Prozent aller Messstellen sind belastet, nichts ist weitergegangen!

Zum Bereich Pestizid-Strategie: Wir haben eine offensive Pestizidreduktionsstrategie, es gibt einen Nationalen Aktionsplan. Wie viele Pestizide haben wir zugelassen? – 2011


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573, 2014 1 099; das ist fast eine Verdoppelung der Zulassungen von Pestiziden. Die Zahl der Anwendungen von Pestiziden ist etwa bei 3 400 Tonnen jährlich konstant gleich – auch da kein Fortschritt, Herr Bundesminister! Und dann, das muss ich schon sagen, fragt man sich, wie ein Umweltminister glauben kann, wenn er sich ab und zu hinstellt und mit der grünen Füllfeder unterschreibt, dass deswegen die Politik grün ist.

Ja, ja, der Julius Raab würde sich im Grab umdrehen, wenn er sehen würde, wie da sei­ne ursprüngliche Intention einer grünen Entwicklung, einer nachhaltigen ökologischen Entwicklung von Ihnen konterkariert wird. In diesem Punkt, Herr Minister, sind wir kri­tisch.

Wenn es darum geht, Kollege Auer, wirklich Transparenz auf dem Agrarmarkt herzu­stellen, werden Sie unsere Zustimmung haben – aber nur dann, wenn Sie auch den Weg der Zukunftsstrategien für die Agrarpolitik, für die Landwirtschaft, nämlich eine ech­te Offensive für die biologische Produktion auf der ganzen Länge und Breite, vom Milch­sektor bis zum Schweinesektor, denn die Märkte sind offen, auch wirklich ernsthaft be­schreiten wollen. Dann haben Sie unsere Unterstützung! – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

10.42

10.43.00Ankündigung eines Antrages auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

 


Präsidentin Doris Bures: Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Ich gebe noch bekannt, dass die Abgeordneten Ing. Lugar, Kolleginnen und Kollegen ge­mäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung einen Antrag (2/US) auf Einsetzung eines Un­tersuchungsausschusses betreffend Untersuchung der politischen Verantwortung für die Vorgänge rund um die Kommunalkredit AG und die Österreichische Volksbanken AG eingebracht haben.

Dieser wird gemäß § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung an alle Abgeordneten verteilt.

Ferner liegt das von fünf Abgeordneten gemäß § 33 Abs. 4 der Geschäftsordnung ge­stellte Verlangen vor, eine Debatte über diesen Antrag durchzuführen.

Diese findet nach Erledigung der Tagesordnung statt.

Die Zuweisung des gegenständlichen Antrages an den Geschäftsordnungsausschuss erfolgt gemäß § 33 Abs. 6 der Geschäftsordnung am Schluss dieser Sitzung.

*****

Als Nächster zu Wort gemeldet: Herr Abgeordneter Preiner. – Bitte.

 


10.43.23

Abgeordneter Erwin Preiner (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Minister! Kolleginnen und Kollegen! Der Grüne Bericht für das Jahr 2015 bezieht sich inhaltlich auf das Ge­schäftsjahr 2014. Ich bedanke mich sehr herzlich bei allen ExpertInnen, die zur Erstel­lung dieses Grünen Berichts konstruktive Arbeit geleistet haben, bei den Bediensteten im Ministerium, der AMA, aber auch den Mitgliedern der §-7-Kommission.

Wir haben heute schon einmal gehört, dass die UNO das Jahr 2014 zum Jahr der bäu­erlichen Familienbetriebe erkoren hat – vollkommen richtig so. Ich bedanke mich daher auch bei allen, die im Rahmen der Familienbetriebe in der Landwirtschaft tätig waren und tätig sind. Die Landwirte sind es auch, die die Sicherung der Lebensmittelpro­duktion in Österreich gewährleisten. Ein herzliches Dankeschön dafür.

Die Landwirtschaft produzierte, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, im Jahr 2014 Wa­ren im Wert von circa 8,5 Milliarden €, das ist ein Beitrag von circa 1,4 Prozent an der


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gesamten Bruttowertschöpfung in Österreich. Diese beiden Zahlen sind aber tenden­ziell sinkend, auch, was die Zahl der Betriebe und die Zahl der Beschäftigten in land­wirtschaftlichen Betrieben betrifft.

Nun zu den Einkommen: Da gilt, global gesagt, je größer der Betrieb, umso höher auch die Förderungen. Ich möchte Ihnen hier ein praktisches Beispiel geben, und zwar be­treffend die Förderungen der Arbeitskräfte pro Kopf. Diese betragen bei den kleinbäu­erlichen Betrieben, bei den Bergbauernbetrieben im Durchschnitt circa 12 000 €, bei den größeren, spezialisierten Getreidebauern im Durchschnitt 47 000 €, also ein Rie­senunterschied.

Noch eine zweite Zahl im Vergleich: Die Bergbauernbetriebe liegen, was die Einkom­menssituation betrifft, um circa 40 Prozent unter den Nichtbergbauernbetrieben. Also man kann nicht sagen, dass es allen Bauern schlecht geht, was die Einkommenssitua­tion betrifft.

Eines ist auch klar: Wo man in der Ebene einfach leicht mit großer und toller maschi­neller Unterstützung arbeiten und wirtschaften kann, kann man auch entsprechend grö­ßere Flächen bewirtschaften. Aber meiner Meinung nach liegt die Zukunft in der Stär­kung der Biolandwirtschaft, der Biobauern. Da sind wir, was die Verhältniszahl zu den übrigen EU-Ländern betrifft, an der Spitze der Europäischen Union – ich wiederhole das. Ich glaube, wir haben keinen Grund, die Biolandwirtschaft in Österreich kleinzure­den oder schlechtzureden. 17 Prozent der Bauern in Österreich sind im Biobereich tä­tig, das sind ungefähr 20 Prozent der landwirtschaftlich bewirtschafteten Flächen.

Auch noch eine klare Aussage zu den Einkommen in der Biolandwirtschaft: Es ist letz­ten Endes auch der SPÖ zu verdanken, dass nachhaltig Akzente gesetzt wurden, denn die Einkommen in der Biolandwirtschaft, auch im Bergbauernbereich der Erschwernis­kategorie 3 und 4, sind im Vergleich zum Jahr 2013 um circa 5 Prozent gestiegen, und wir wissen genau, was die Erschwerniskategorie 4 betrifft, sogar bis zu 15 Prozent.

Klar ist aber auch, dass diese Einkommen im Vergleich mit den Einkommen der tradi­tionell wirtschaftenden Landwirte noch immer sehr stark divergieren. Es kann daher nur Ziel sein, dass wir in Zukunft versuchen müssen, diese Einkommensschere etwas wei­ter zu schließen.

Kolleginnen und Kollegen, ich darf auch noch erwähnen, dass wir uns in den vergange­nen Wochen mit der Milchpreissituation beschäftigt haben; dazu ist auch ein Unteraus­schuss eingesetzt worden. Im nächsten Unterausschuss wird das ein spezielles Thema sein. Hinweisen möchte ich auch darauf, dass wir, auch was die Milchproduktion be­trifft, verstärkt auf Biomilch, auch auf Heumilchproduktion setzen müssen. Ein Kilo­gramm Heumilch lukriert bis zu 45 Cent.

Herr Minister, es ist mir unverständlich – und das wurde bereits von einem Vorredner angesprochen –, da auch Sie den Fokus auf den Biolandbau gesetzt haben, dass die Umstellprämie für den Biolandbau, die 2014 bereits ausbezahlt hätte werden sollen und über 800 000 € beträgt, noch immer nicht bei den Biolandwirten gelandet ist. Also ich ersuche Sie dringendst, das vielleicht als Geschenk vor Weihnachten noch an die betroffenen Landwirte, die ja nicht gerade mit hohem Einkommen gesegnet sind, zu er­ledigen! (Abg. Fekter: Ist kein Geschenk, ist eine Leistung!)

Das haben Sie, Frau Kollegin, richtig gesagt. Es ist auch klar für mich und für uns, dass Subventionen, Förderungen, sei es durch die nationale Ebene oder die EU-Ebene, na­türlich zum Einkommen der Landwirte dazugerechnet werden müssen. Das ist kein Kör­berlgeld, sondern Einkommen. Letzten Endes dürfen wir auch nicht vergessen, dass 45 Prozent des gesamten EU-Budgets für die Landwirtschaft in der Europäischen Uni­on zur Verfügung stehen.


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Ich möchte auch noch ganz kurz das Programm für ländliche Entwicklung ansprechen, das von 2015 bis 2020 läuft. Da stehen 3,9 Milliarden € an Fördermitteln seitens der Eu­ropäischen Union mit Kofinanzierung in selbiger Höhe für die österreichische Landwirt­schaft zur Verfügung. Ganz neu im Programm ist die Dotierung der sozialen Dienste. Sie ermöglichen eine nachhaltige Absicherung der strukturschwächeren ländlichen Re­gionen, betreffend Stärkung der Kinderbetreuung, aber auch der Pflege in den Gemein­den.

Ja, was ist das zukünftige Ziel? – Stärkung der Biobetriebe. Wir müssen schauen, dass die Familienbetriebe überleben können. Die Produzenten müssen mit dem Einkommen auch das Auskommen haben. Letzten Endes müssen sich aber die KonsumentInnen die Preise in den Geschäften auch leisten können. Da ist es notwendig – und das ist, glaube ich, Auftrag an die Politik –, danach zu trachten, dass die Preisgestaltung für die Produzenten und für die Konsumenten passen muss.

Wir wissen, in dieser Woche findet das sogenannte Martiniloben statt. Der Jahr­gang 2015 ist ein außerordentlich guter geworden. Ich möchte daher an alle, die dem Wein frönen, die Einladung aussprechen und allen ans Herz legen, durch die Keller­landschaften der österreichischen Winzer zu ziehen, sei es in Wien, in der Steiermark, in Niederösterreich, oder auch in meinem Heimatland Burgenland, und die ausgezeich­neten, qualitativ hochwertigen Weinprodukte zu genießen. – Ich danke für Ihre Aufmerk­samkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

10.50


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Steinbichler. – Bitte. (Abg. Neubauer – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Steinbichler, der einige Schilder und einen Karton zum Rednerpult trägt –: Heute gibst es billiger! Das letzte Mal hast einen Baum mitgehabt! – Abg. Fekter: Was tätest denn ohne deine Taferln?!)

 


10.50.34

Abgeordneter Leopold Steinbichler (STRONACH): Die Lautstärke beweist schon, dass Sie nervös werden! (Der Redner stellt ein Foto von einem Containerschiff vor sich und einen Karton neben sich auf das Rednerpult.) Geschätzte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörer auf der Be­suchergalerie und zu Hause vor den Fernsehgeräten! Diese Nervosität hier im Saal, besonders bei ehemaligen und jetzigen Regierungsfraktionen, die für die Landwirt­schaft zuständig sind oder waren, ist verständlich.

Ich habe dieses Plakat deshalb mitgenommen (ein Plakat mit der Aufschrift „Der Ge­schmack der Heimat“ sowie ein Foto einer jungen Frau, die ein Glas Milch trinkt, darü­ber ein Herz mit der Inschrift „Ich steh drauf!“, in die Höhe haltend), weil es eine ganz tolle Werbeaktion war, und zwar im Jahre 2004: „Der Geschmack der Heimat“, damals eine Aktion von Bauernbund, „Krone“ und Lebensmittelhandel.

Ich werde mir jetzt erlauben, etwas von diesen Spezialitäten, die wir in der Zwi­schenzeit herausgearbeitet haben, zu zeigen, denn der heutige Feinkostladen Öster­reich schaut so aus (ein Foto, auf dem ein Containerschiff abgebildet ist, in die Höhe haltend): Alles, was mit diesen Containern aus No-Name-Ländern, zum Teil bis zu 18 000 Kilometer entfernt, kommt – Rindfleisch aus Neuseeland, Palmöl; wir haben gestern das Thema Flüchtlinge diskutiert –, bekommt, wenn es hier entladen wurde, in der Verarbeitung ein Qualitätspickerl. Und ich halte es nicht mehr aus, dass ständig die Konsumenten aufgefordert werden, sie sollen mit ihrem Einkauf die Entscheidung tref­fen.

Nein, ich fordere Sie auf, Herr Minister: Schickt die AMA-Kontrolleure nicht auf die Bau­ernhöfe, sondern in die Sauställe der Lebensmittelindustrie! Dort ist zu kontrollieren. Du


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hast das selber in einer schriftlichen Anfragebeantwortung beantwortet: Bei Kunstkäse gibt es keine Aufzeichnungen, aber wenn ein Bauer eine Katzenmilch braucht, haben wir ein Jahr lang darüber diskutiert, ob man nicht die Katzenmilch betreffend Eigenver­brauch aufzeichnen muss. – Ich meine, nur damit wir einmal ein bisschen das Span­nungsfeld der Diskussionen sehen.

Ich darf mich an dieser Stelle bei allen Bäuerinnen und Bauern, egal, ob bio, kon­ventionell, egal, ob Forstwirtschaft, Ackerbau, Urlaub am Bauernhof, Milchviehhaltung, Schweinezucht und Schweinemast, Gemüseproduktion oder Obstproduktion, auf das Allerherzlichste bedanken. (Zwischenruf der Abg. Fekter.) Sie leisten einen großarti­gen Einsatz, der aber nur einen Niederschlag findet in Plakaten, in Werbesprüchen, aber leider nicht beim notwendigen Preis. Ich glaube, das ist das Entscheidende. (Bei­fall beim Team Stronach.)

Herzlichen Dank den Mitarbeitern des Landwirtschaftsministeriums, die diesen Grünen Bericht erstellt haben, der ist in Ordnung. Die Zahlen sind tragisch. Und wie bereits Kollege Riemer erwähnt hat, diskutieren wir den Bericht des Vorjahres. Der aktuelle Bericht wird katastrophal – der wird katastrophal!

Das ist das eigentlich Traurige daran, dass wir hier die Vergangenheit diskutieren und das den aktiven Bauern zu Hause überhaupt nicht hilft. Es ist gut, wenn wir jetzt einen Milch-Unterausschuss haben, aber jahrelang wurden wir dafür verhöhnt, wenn wir gefordert haben, die Milchkontingente, die Milchquote beizubehalten. Jahrelang wur­den sämtliche Forderungen der Opposition, so wie in allen Ausschüssen, 16 zu 12 ver­tagt und niedergestimmt.

Es ist schon interessant, Kollege Auer, wenn du sagst, wir sollten einen Kühlschrank­test machen. Ich bin dafür, dass wir einen Markttest und einen Industrietest machen, oder vielleicht einen Hafentest. Ein Hafentest wäre auch ganz ideal. Ich gebe dir einen Tipp: Wir haben den Präsidenten des Ennshafens hier als Bundesratspräsidenten. Kauft euch einmal in Enns unten am Hafen ein Burenhäutel und ein Seidl Bier, und schaut euch bitte schön an, welch reger Warenverkehr da fließt – und dann wird einem klar, wo dieser jahrelang zitierte Überschuss herkommt!

Ich erlaube mir, ein kleines Beispiel betreffend den Fettmarkt zu zeigen. Da soll der Kon­sument entscheiden: irische Butter (ein Päckchen Butter mit der Aufschrift „Kerrygold; original irische Butter“ in die Höhe haltend), Palmölbutter (ein Päckchen Butter mit der Aufschrift „Phase Professional, wie Butter zu verwenden“ in die Höhe haltend), öster­reichische Butter (ein Päckchen Butter mit der Aufschrift „österreichische Teebutter“ in die Höhe haltend). Wenn die aus der Verpackung heraußen sind, sind sie alle gleich groß, schmecken alle ähnlich. (Abg. Fekter: Na na! Das schmeckt schon ein wenig an­ders!) Jede hat ihren eigenen Werbespruch drauf, und der Konsument hat überhaupt keine Wahlmöglichkeit.

Ich bin besonders enttäuscht, wenn dann der Präsident Schultes sagt, die Rettung der Landwirtschaft besteht in einer neuen Einführung von g.g.A.-Gütesiegeln, denn ich glau­be, das ist wohl die größte Verführung der Konsumenten (ein Schild, auf dem drei Gütesie­gel mit den Aufschriften „Geschützte geographische Angabe“, „Geschützte Ursprungs­bezeichnung“ und „Garantiert traditionelle Spezialität“ zu sehen sind, in die Höhe hal­tend), denn das heißt überhaupt nichts, da kann ich auch aus chinesischen Kernen, wenn ich das in der Steiermark presse, Steireröl machen. (Zwischenruf des Abg. Schultes.)

Also wenn du die Bauern retten willst, dann gehörst du zu denen, die jeden Tag dafür verantwortlich sind, dass zehn Bauern – du als Präsident! – ihren Hof schließen, aber für immer schließen! (Beifall beim Team Stronach. – Zwischenruf der Abg. Fekter.)

Wir werden dann natürlich beim Finanzausgleich diskutieren, wie wir dem ländlichen Raum wieder Impulse geben, wie man dort wieder Wirtschaftskraft hineinbringt. Ich glaube, das ist das Entscheidende.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll102. Sitzung / Seite 41

Ein ganz typisches Produkt, damit wir auch beim Gemüse bleiben, ganz optimal natür­lich (ein Glas Spargel in die Höhe in die Höhe haltend): Spargel, gesund, vital, vitamin­reich, zuckerarm – lauter Werbesprüche, also beschrieben wunderbar, gibt es bei jeder Firma zu kaufen. (Zwischenruf der Abg. Fekter.) Die meisten werben dann noch im Radio: frisches Gemüse von den heimischen Bauern, ein wichtiger Partner der heimi­schen Landwirtschaft. – Der Bauer ist 10 700 Kilometer entfernt in Peru. Damit wir wissen – das hat nämlich mit Klimaschutz zu tun, Herr Minister –, wie viel Glas, wie viel Essig da durch die Gegend gefahren wird – und Chemikalien. Chemikalien für die ar­men Gemüseesser, Haltbarkeit 2018 – wunderbar frisch vom Boden.

Man kann natürlich auch ganz bewusst einkaufen. – Jetzt muss ich einmal die Wirte ver­teidigen: weil der Kollege Obernosterer immer sagt, sie kaufen im Umkreis von 30 Kilo­metern – stimmt! Da ist irgendwo ein Großlieferant für die Gastronomie, und wenn es dann ein Gastronom ernst nimmt, dann kauft er natürlich Biomargarine (eine Großpa­ckung Biomargarine mit der Aufschrift „bio universal“ in die Höhe haltend) mit österrei­chischem Biogütesiegel, Qualität aus Österreich, „Made in Austria“ steht auch noch groß drauf.

Jetzt kommen wir zum Problem: Herr Minister, da musst du mir helfen, wir suchen ge­meinsam den Palmhain in Österreich, wo dieses Palmöl herkommt, denn da ist Palmöl drinnen. – Ich stelle das jederzeit für jeden Kollegen und jede Kollegin zur Verfügung. Das ist unser Feinkostladen Österreich. Das ist das Genussland Österreich. Das ist der Geschmack der Heimat. (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Meine lieben Leute, da ist höchster Handlungsbedarf gegeben! Herr Minister, fahr nicht so viel nach Japan, fahr nicht so viel nach China! Räum bitte zu Hause einmal den Riesensaustall im Lebensmittelbereich auf! Ich helfe dir, aber fang endlich an! (Beifall beim Team Stronach und bei Abgeordneten der FPÖ. – Abg. Fekter: Das ist eine ge­fährliche Drohung, wenn du ihm hilfst!)

Passt schon, Frau Kollegin Fekter – dass ich niemanden Falschen beschuldige, denn der Kollege Auer und Vorredner haben es gesagt: Milchpreise mit 30 Cent und darun­ter am Bauernhof, ein ganzes Qualitätsschwein 128 €, ein Kilo Mehl diese Woche 0,37 € und der Zucker 0,77 €. Genau jetzt, wo der Tag des Apfels ist, übermorgen am Freitag, haben wir die Sonderaktionen mit der Fair-Trade-Banane, 0,70 €, und mit den südafrikanischen Orangen vom selben Lieferanten, der sagt, er ist der wichtigste Part­ner der heimischen Landwirtschaft.

Präsident Schultes, ich muss es dir noch einmal sagen: Mit deiner Kennzeichnungspla­nung (neuerlich das Schild, auf dem drei Gütesiegel mit den Aufschriften „Geschützte geographische Angabe“, „Geschützte Ursprungsbezeichnung“ und „Garantiert traditio­nelle Spezialität“ zu sehen sind, in die Höhe haltend) wird der Geschmack der Heimat, des Wiener Schnitzels in Zukunft so ausschauen: Das wird die polnische Sau mit dem AT-Stempel sein, in einer Panier von einem chinesischen Teigling, in Palmöl heraus­gebacken, mit peruanischem Gemüse, und dann trinken wir natürlich noch einen öster­reichischen Orangensaft (eine Packung Orangensaft in die Höhe haltend) mit italieni­schem Mineralwasser dazu. – Und du sagst, wir tun etwas für die Bauern und für die Konsumenten.

Nein, wir müssen das Gegenteil tun! Das, was draufsteht, muss drin sein!

Ich habe eine Hoffnung. Der neue ÖVP-Generalsekretär hat meinen Spruch übernom­men – wo Österreich draufsteht, muss Österreich drin sein – und gleich am Anfang ge­beichtet: Wo ÖVP draufsteht, muss ÖVP drin sein! (Zwischenruf bei der SPÖ.) Er hat es selber zugegeben, dass das nicht mehr drin ist, was die ÖVP einmal war. Und das hat, glaube ich, mit zu diesen Entwicklungen geführt. (Beifall beim Team Stronach.)

Eine letzte Bitte, Herr Minister: Ich wage eine Prognose. Es tut weh, wenn in der Zei­tung steht, der Minister war so erfolgreich. 14 Millionen € für die von Dürre und Russ-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll102. Sitzung / Seite 42

landkrise geschädigten Bauern. Jetzt wird ihnen geholfen. – Ich mache mit dir eine Wette: Es kommen pro Bauernhof keine 50 € an, denn das Geld wird in Marketingmaß­nahmen gehen, in die verkehrte Lagerhaltung gehen, und die Bauern haben, außer ei­ner Überschrift und einer Diffamierung in der Gesellschaft, gar nichts.

Die einzige Antwort auf diesen Schweinestall – die einzige Antwort! – ist das österrei­chische Qualitätsgütesiegel-Gesetz. Warum fürchtet ihr das wie der Teufel das Weih­wasser? Dort haben wir dann die Garantie, dass sich der Konsument verlassen kann, dort können wir die heimische Produktion schützen und lenken, und das, glaube ich, ist überhaupt die Grundlage für eine faire Partnerschaft in der Zukunft. (Präsident Kopf übernimmt den Vorsitz.)

Aber dazu brauchen wir, Herr Minister, einen Lebensmittelkrisenplan. Und daher bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Leopold Steinbichler, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Lebens­mittelkrisenplan“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung – im Speziellen der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft – wird aufgefordert einen Lebensmittelkrisenplan für Ös­terreich zu erstellen.“

*****

Im zweiten Entschließungsantrag – wir haben auch in der §-7-Kommission darüber dis­kutiert – geht es um die Einführung der Vollkostenrechnung in der Landwirtschaft in al­len Sparten. Das führt zu Transparenz bei den Kosten auf dem Bauernhof, zu einer Übersicht über die Rentabilität der einzelnen Produktionssparten, einer Grundlage für eine langfristige Planung, gerade für einen Ernährungsplan, besseren Vergleichsmög­lichkeiten der Betriebe untereinander, der verschiedenen Sparten, und – das Wich­tigste – zu einer Information der Konsumenten: Was bekommt der Produzent? Was be­kommt der Verarbeiter? Wie viel nimmt der Handel? Und das, lieber Konsument, ist zu bezahlen.

Deshalb bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Steinbichler, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Vollkostenrech­nung in der Landwirtschaft“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung – im Speziellen der Bundesminister für Land- und Forstwirt­schaft, Umwelt und Wasserwirtschaft – wird aufgefordert, sich für die Einführung der Vollkostenrechnung in allen Produktionssparten der Landwirtschaft einzusetzen.“

*****

Wir bitten um Unterstützung. – Danke. (Beifall beim Team Stronach.)

11.01



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll102. Sitzung / Seite 43

Präsident Karlheinz Kopf: Die von Herrn Abgeordnetem Steinbichler soeben einge­brachten Entschließungsanträge sind ausreichend unterstützt und stehen mit in Verhand­lung.

Die beiden Anträge haben folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Leopold Steinbichler, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Lebens­mittelkrisenplan“

eingebracht in der 102. Sitzung des Nationalrats am 12.11.2015 im Zuge der Debatte zu TOP 1 - Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Grünen Bericht 2015 der Bundesregierung (III-210/809 d.B.)

Eine rasant wachsende Bevölkerung sowie immer mehr Umwelt- und Klimaprobleme führen zu einer Lebensmittelknappheit, welche fatale Folgen für die gesamte Weltbe­völkerung haben wird.

Einige Länder kämpfen bereits jetzt mit einer ernst zu nehmenden Nahrungsmittel­knappheit. Die Lebensmittelproduktion müsste um rund 60% bis Mitte des Jahrhun­derts gesteigert werden, um Hunger in der Bevölkerung zu vermeiden. Es muss mit sozialen Aufständen und massiver Unterernährung gerechnet werden. Venezuela zählt beispielsweise heute zu einem „Problemland“, wo nun auch die Bevölkerung auf­schreit. Aber wir brauchen gar nicht auf einen andern Kontinent zu blicken, denn hier­zulande werden in Zukunft ähnliche Probleme herrschen, wenn wir nicht etwas dage­gen tun.

Österreich ist Weltmeister bei der Bodenversiegelung. Im vergangen Jahr wurden rund 7,5 ha/Tag für Bau- und Verkehrsflächen sowie 10,5 ha/Tag für Erholungs- und Ab­bauflächen- und Betriebsflächen verbaut. Dadurch gehen wertvolle Böden verloren und stehen daher nicht mehr für die landwirtschaftliche Bewirtschaftung und für die Lebens­mittelproduktion zur Verfügung.

Unsere Gäste in der Hotellerie und Gastronomie, aber auch die heimischen Konsu­menten, werden mit Rindfleisch internationaler Herkunft (z.B. aus Neuseeland, Bra­silien, Südamerika, usw.) bewirtet. Zudem bedeutet jeder geschlossene Bauernhof ei­nen Verlust an Lebensmitteln, denn all das sind Lebensmittelproduzenten die aufgrund der derzeitigen Lage in die Knie gezwungen wurden. Früher oder später wird dieses Verhalten zu einem sich verstärkenden Problem führen.

Außerdem wird Prognosen nach die Weltbevölkerung in den nächsten Jahrzehnten auf ca. 9 Milliarden Menschen steigen. In Anbetracht unseres derzeitigen Ressourcenver­brauches bräuchten wir in knapp 40 Jahren 3 Erden, um eine Nahrungsmittelknappheit zu verhindern, so die Umweltorganisation WWF. Die Tendenz ist jedoch weiter stei­gend. Laut UN werden im Jahr 2100 zehn Milliarden Menschen unseren Planeten be­wohnen.

Auf der einen Seite der Weltkugel hungern sich Menschen zu Tode und auf der ande­ren werden noch essbare Lebensmittel in Unmengen weggeworfen. Wertvolle Lebens­mittel werden durch Substitute ersetzt oder aus Ländern importiert, wo die dort lebende Bevölkerung Hunger leidet. Selbst in Österreich werden jährlich unvorstellbare Mengen an genießbaren Nahrungsmittel entsorgt. Dabei landen pro Jahr im Durchschnitt in et­wa 157.000 Tonnen Lebensmitteln im Müll.

Eins ist klar, wir können unseren Lebensstil nicht weiter so fortführen. Daher müssen Lösungen für diese Problematik gefunden werden.

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher folgenden


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll102. Sitzung / Seite 44

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung – im Speziellen der Bundesminister für Land- und Forstwirt­schaft, Umwelt und Wasserwirtschaft – wird aufgefordert einen Lebensmittelkrisenplan für Österreich zu erstellen.“

*****

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Steinbichler, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Vollkostenrech­nung in der Landwirtschaft“

eingebracht in der 102. Sitzung des Nationalrats am 12.11.2015 im Zuge der Debatte zu TOP 1 - Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Grünen Bericht 2015 der Bundesregierung (III-210/809 d.B.)

Die Vollkostenrechnung bezeichnet alle jene Systeme der Kostenrechnung, bei denen sämtliche Kosten auf den Kostenträger verrechnet werden. Gerade in der Landwirt­schaft wäre eine Vollkostenrechnung vor allem bei Betrieben mit mehreren Produk­tionszweigen notwendig. Oft haben Bauern z. B. Tiere, Acker und Forst, da verliert man schnell die Übersicht über die effektiv anfallenden Kosten je Produktionszweig, zudem sind Landwirte oft Pauschalierer oder Einnahmen-Ausgaben-Rechner, so dass sie keine genauen Zahlen zu den einzelnen Kostenstellen liefern können.

Eine Vollkostenrechnung für landwirtschaftliche Betriebe bringe:

Transparenz bei den Kosten,

Übersicht über die Rentabilität der einzelnen Produktionszweige,

Grundlage für eine langfristige Planung,

bessere Vergleichsmöglichkeiten mit anderen Betrieben/Konkurrenten und

Information der Konsumenten (im Vergleich: Produktion, Verarbeitung und Handels­spanne).

Diese Vorgehensweise ist zwar mit Organisationsaufwand verbunden, wird aber die Frage nach der Wirtschaftlichkeit der Landwirtschaft beantworten und brauchbare Da­ten der Produktionsbetriebe liefern. Und genau diese Auswertung der Kosten wäre auch eine gute Argumentationsgrundlage der Bauern gegenüber dem Handel. Die Kos­ten, die nach Vollkostenrechnung ermittelt werden, sind nämlich langfristig die Preis­untergrenze, falls ein Betrieb überleben will, bzw. werterhaltende und der Wirtschaft nützliche Investitionen tätigen will.

Die derzeitige Situation in der Landwirtschaft beschreibt der Grüne Bericht 2015 - die Zahl der Betriebe ist seit 2010 um 4 % gesunken. Die durchschnittlichen Einkünfte der bäuerlichen Betriebe sind mit 23.370,- Euro (2014) um 5 % niedriger als im Jahr 2013. Diesem Abwärtstrend müssen wir gegenwirken, sonst droht Österreich zum EU-Schlusslicht zu verfallen. Während in den Nachbarstaaten die Einkommen der Bäuerin­nen und Bauern steigen, verloren österreichische Bäuerinnen und Bauern in den letz­ten 3 Jahren annähernd 20 % der Einkommen.

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll102. Sitzung / Seite 45

„Die Bundesregierung – im Speziellen der Bundesminister für Land- und Forstwirt­schaft, Umwelt und Wasserwirtschaft – wird aufgefordert, sich für die Einführung der Vollkostenrechnung in allen Produktionssparten der Landwirtschaft einzusetzen.“

*****

 


Präsident Karlheinz Kopf: Sobald das Rednerpult abgeräumt beziehungsweise wie­der frei ist, darf ich Herrn Abgeordnetem Schellhorn das Wort geben. – Bitte.

 


11.01.46

Abgeordneter Josef Schellhorn (NEOS): Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! (Abg. Eßl – in Richtung des Teams Stronach –: Drei Abgeordnete haben applaudiert!) Ich möchte auch betonen, dass der Grüne Bericht im Gegensatz zu vielen anderen vorgelegten Jahresberichten tatsächlich eine umfassende und lesenswerte Zusammen­fassung ist, die auch die Leistungen des Forst- und Agrarsektors sowie des ange­schlossenen Lebensmittelsektors beinhaltet. Dafür möchte ich mich ausdrücklich beim Herrn Minister, beim Ministerium, bei seinen Mitarbeitern bedanken, dass dies verbes­sert wurde.

Ich möchte mich aber auch den Ausführungen meiner Vorredner Pirklhuber und Auer anschließen: In diesem Bericht wird auch eine Krise festgestellt. Es ist die Krise schlechthin. Ich komme ja aus einem anderen Bereich, erlebe es aber tagtäglich mit. Die Unsicherheit vor allem bei den Bergbauern, bei den Bauern im ländlichen Gebiet ist ganz extrem, auch die Unsicherheit, weil man nicht weiß, wohin die Reise gehen soll.

Wenn man sich den Einkommensbericht genau anschaut, muss man feststellen – Kol­lege Pirklhuber hat das richtigerweise auch gesagt –: Es ist fatal, hier auf Europa zu warten! Gehen wir doch wieder in die kleineren Kreise hinunter und unterstützen wir jene in der Spezialisierung! Der Fokus muss vor allem auch darauf gerichtet werden, die Bauern nicht zu Subventionsempfängern zu machen. Die Einzigen, die laut Bericht dazugewonnen haben, waren die Bergbauern, aber nicht aufgrund deren Arbeit, son­dern aufgrund der höheren Förderungen – so ehrlich müssen wir sein. Das geht auch aus dem Einkommensbericht klar hervor. Alle anderen haben beim Einkommen ein Mi­nus von 5 Prozent erzielt. (Zwischenruf des Abg. Grillitsch.)

Ich möchte aber schon darauf aufmerksam machen, dass hier weit mehr möglich wäre. Sie wissen das, Herr Minister. Seit ich hier im Parlament sein darf, rege ich eine stär­kere Zusammenarbeit zwischen Tourismus und bäuerlicher Bevölkerung an. Diese ist auch im ländlichen Entwicklungsprogramm 2020 klar festgelegt. Ich muss jedoch im­mer wieder feststellen, dass es sehr schwierig ist, dass da beide Ministerien über ihren Schatten springen. Das heißt, die Österreich Werbung und der Landwirtschaftsminister können da offensichtlich keine gemeinsame Strategie entwickeln, die notwendiger wäre denn je. Sie wäre auch notwendig, um den Bauern Zuversicht zu geben, zu sa­gen: Ja, gemeinsam mit dem Tourismus – beide Bereiche gehen nicht gerade rosigen Zeiten entgegen – kann hier in der Produktion, auch in der Spezialisierung der Produk­te vor allem in der ländlichen Entwicklung ganz Entscheidendes gemacht werden. (De­monstrativer Beifall des Abg. Pirklhuber.) – Danke vielmals.

Ich muss ganz ehrlich sagen: Es ist schon ernüchternd, wenn man auf Ergebnisse war­tet. Wir haben immer wieder von diesen Doppelgleisigkeiten gesprochen, was die Ver­marktung betrifft. Jetzt sind wir noch nicht einmal in der fokussierten Analyse, was wir in den nächsten 10, 20 Jahren neben einem Bauern, der in seinem Nebenjob Liftwart oder sonst irgendetwas ist, brauchen? Der Bauer soll doch produzieren, und er soll für das wertgeschätzt werden, was er macht, und nicht für das, was er nebenbei macht.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll102. Sitzung / Seite 46

Und es sollte gemeinsames Ziel sein, nicht nur Agenturen zu schaffen, die irgendwel­che Gütesiegel schaffen und verleihen, oder Vermarktungsagenturen, die irgendwelche Genussland-Geschichten in die Welt rufen, sondern gemeinsam mit dem Tourismus eine Strategie zu entwickeln.

Es geht um die Landschaft, es geht natürlich auch um die kulturelle Landschaft und die Kultur in den Städten, aber es geht auch um unsere gesunden Produkte. Und da hätte die Landwirtschaft, da hätte das Ministerium alle Chancen, endlich einmal zu sagen – das geht selbst innerhalb einer Partei nicht, geht selbst dann nicht, wenn es um zwei Ministerien ein und derselben Partei geht –: Wir springen über unseren Schatten und gehen es jetzt an, weil das wichtiger denn je ist, damit unsere bäuerliche Bevölkerung mit Stolz überleben kann! – Danke. (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Pirklhuber.)

11.06


Präsident Karlheinz Kopf: Nun gelangt Herr Abgeordneter Jannach zu Wort. – Bitte.

 


11.06.42

Abgeordneter Harald Jannach (FPÖ): Geschätzter Herr Präsident! Herr Bundesmi­nister! Alle Vorredner haben darauf hingewiesen, dass die Einkommen in der Landwirt­schaft rückläufig sind, dass im Grünen Bericht seit drei Jahren ausgewiesen wird, dass es in der Landwirtschaft eine negative Einkommensentwicklung gibt.

Da würde man sich erwarten, dass man sagt, dass das keine positive Entwicklung ist. Darüber sind sich die Abgeordneten hier einig. Einem ist diese Tatsache nicht bewusst, dem Herrn Minister, denn er hat als Erstes in seinem Vorwort im Grünen Bericht ge­schrieben: „Österreichs Landwirtschaft befindet sich auf dem richtigen Weg“.

Herr Minister, das ist, ehrlich gesagt, an Sarkasmus nicht zu überbieten. Die Einkom­men in der Landwirtschaft sinken seit drei Jahren kontinuierlich und nicht in geringem Ausmaß, und Sie schreiben im Grünen Bericht, dass Österreichs Landwirtschaft auf dem richtigen Weg ist. – Sie ist es nicht! Wir müssen gegensteuern, wir müssen rasch gegensteuern.

Wenn man sich die heurige Situation ansieht, dann braucht man kein großer Prophet zu sein, um zu wissen, wie sich die Einkommenssituation im nächsten Grünen Bericht niederschlagen wird, nämlich katastrophal. Und ich verwahre mich dagegen, alles dem freien Markt in die Schuhe zu schieben. Die heimische Agrarpolitik und auch die eu­ropäische Agrarpolitik tragen hier Mitverantwortung, die haben mit dazu beigetragen, dass sich die Preise so entwickelt haben.

Nehmen wir zum Beispiel den Milchmarkt, dort gibt es Preiseinbußen von 20, 30 Pro­zent. Wir haben einen Milchpreis von 30 Cent. Das ist nicht der freie Markt! Die Agrar­politik und damit auch Sie in Ihrer Verantwortung haben dazu beigetragen, indem Sie die Milchquote bewusst und mutwillig abgeschafft haben, und zwar zum Nachteil der heimischen Milchbauern! (Abg. Grillitsch: Das ist ein Blödsinn!)

Lieber Kollege Grillitsch, jetzt werde ich dir etwas vorlesen, was euer Säulenheiliger, Dipl.-Ing. Josef Riegler, vor nicht einmal einem Monat in einem Interview in Bezug auf die Milchquote zum Besten gegeben hat. Wir Freiheitliche haben uns immer klar für die Beibehaltung der Milchquote ausgesprochen, und der Bauernbund war immer dage­gen – den Preisverfall sehen wir!

Nun das Zitat von Dipl.-Ing. Josef Riegler, ÖVP-Agrar-Landesrat und -Minister: „Es war ein schwerer Fehler der EU-Agrarpolitik, das Quotensystem abzuschaffen. Die Mengen müssen in vernünftigen Grenzen gehalten werden, alles andere führt nur zum Schaden der Bauern und zum Vorteil derer, die mit Billigstpreisen gegenseitig einen Kampf füh­ren. Die Hoffnungen auf den großen Weltmarkt sind nicht aufgegangen, Russland hat die Importe gesperrt, China befindet sich in einer Wirtschaftskrise. Somit sind wir wie-


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der bei den Überschüssen gelandet, wie wir sie in Europa in den 70iger und 80iger Jah­ren hatten.“

Dafür sind auch das Ministerium und die österreichische Agrarpolitik verantwortlich! (Bei­fall bei der FPÖ.)

Herr Minister, wir haben das im Ausschuss schon diskutiert. Sie sind zuständig für Landwirtschaft, und wir sind sehr – sehr! – betroffen, weil Sie sich im Ausschuss um die Themen der Landwirtschaft, nämlich die wesentlichen, die heute noch nicht ange­sprochen wurden, jedes Mal herumdrücken.

Wir haben die Russland-Sanktionen angesprochen. – Sie sagen: Ich habe eine Mei­nung dazu, aber ich sage sie euch nicht. – Wir sind der Meinung, die Russland-Sank­tionen sind ein kapitaler Fehler, und zwar nicht nur für die Landwirtschaft, sondern für die gesamte Wirtschaft in Österreich, und wir fordern die Abschaffung der Russland-Sanktionen. (Beifall bei der FPÖ.)

Es geht im Landwirtschaftsbereich gar nicht so sehr darum, wie viel Österreich nach Russland liefert, denn es gibt andere europäische Länder, die viel nach Russland ge­liefert haben, die jetzt nicht liefern können und den Markt überfluten. Die Russland-Sanktionen sind sofort aufzuheben! – Sie sagen dazu: Ich habe eine Meinung, aber ich sage sie nicht!

Wir haben Sie gefragt, wie es mit den Sozialversicherungsbeiträgen ausschaut, die sich in der Landwirtschaft massiv nach oben entwickeln. – Sie sagen: Dafür ist das Fi­nanzministerium zuständig, ich habe dazu keine Meinung, ich kann dazu nichts sagen!

Wir haben auch einmal gefragt, wie das mit der Wiedereinführung des Agrardiesels ist. 50 Millionen € wurden da den Bauern gestohlen. – Sie sagen: Finanzministerium, kein Kommentar! Ich will mich dafür gar nicht verwenden.

Bei der Einheitswertfeststellung war es das Gleiche, auch kürzlich bei der Registrier­kassenpflicht. Wir haben gefragt: Wie schaut es für die Direktvermarkter aus, kommt die Registrierkassenpflicht? – Sie sagen: Leider, dazu kann ich keinen Kommentar ab­geben, das betrifft nicht meinen Bereich.

Wir sind der Meinung, all das betrifft den landwirtschaftlichen Bereich, und ich erwarte mir von einem Landwirtschaftsminister, dass er sich für die Bauern einsetzt und dass er nicht im Ausschuss sitzt und dazu schweigt, aber davon redet, dass er Exportoffen­siven startet, irgendwohin nach China, Japan, Südkorea fliegt. Ich erwarte mir, dass den Bauern hier geholfen wird! (Beifall bei der FPÖ.)

Genauso ist es zum Beispiel auch beim Freihandelsabkommen, Herr Minister. Zum Freihandelsabkommen sagen Sie eigentlich nichts, außer: Wir haben rote Linien!, aber Sie sagen nicht, wo diese roten Linien sind. Wir Freiheitliche sagen klar und deutlich: Wir wollen dieses Freihandelsabkommen nicht, weil wir denken, dass es zum Schaden für die heimische Landwirtschaft ist. Und diese Meinung werden wir auch im Aus­schuss vertreten. Wenn Sie endlich einmal von Ministeriumseite her die Unterlagen bereitlegen würden, dann könnten wir klar ersehen, in welche Richtung es geht, denn die Geheimniskrämerei um das Freihandelsabkommen hat ja nur den Hintergrund, es im Stillen, wie gesagt, auszuverhandeln und dann fix und fertig zu präsentieren, ohne dass die Opposition oder das Parlament hier noch eine Einflussmöglichkeit haben.

Wir fordern Sie auf, die Verhandlungsgegenstände, die Ihnen bekannt sind, endlich of­fenzulegen. (Beifall bei der FPÖ.)

Wie gesagt, die Entwicklung in der Landwirtschaft ist wirklich dramatisch, und ich glau­be nicht, dass man einfach sagen kann: Es ist alles bestens!, so wie Sie das im Vor­wort des Grünen Berichts formulieren. Ich glaube, man müsste schon Maßnahmen set­zen; nicht nur Maßnahmen, die nur mit der europäischen Agrarpolitik zusammenhän­gen, sondern auch Maßnahmen, die auch Österreich allein setzen kann. Wir brauchen


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einen effektiven Schutz. Wir brauchen im Milchbereich einen effektiven Schutz – es kann auch mit Preisregulierungen sein. Das kann mir ja niemand erklären: Wir haben Preisregulierungen für Zigaretten, dafür gibt es einen Mindestpreis, aber im Milchbe­reich herrscht der freie Markt, das wird sich schon alles regeln.

Sie wollen, dass sich alles in die Gunstlagen in Österreich und in Europa verlagert – das erleben wir. Wir erleben, dass sich die Milchproduktion, aber auch die Schweine­produktion in die Gunstlagen verlagert. Aber in der Landwirtschaft, Herr Minister, geht es unserer Ansicht nach um viel mehr als nur um die rein landwirtschaftliche Produk­tion. Da geht es um Arbeitsplätze, da geht es – das ist schon angesprochen worden – um den Tourismus, da geht es aber auch, wenn Sie so weitermachen, um die Zer­schlagung von gesellschaftlichen Strukturen in ohnehin von Abwanderung gefährdeten Gebieten.

Wir Freiheitliche wollen die Klein- und Mittelbetriebe stützen. Wir wollen, dass die Struktur unserer Landwirtschaft erhalten bleibt oder größtenteils erhalten bleibt. Und wir wollen unsere Landwirtschaft nicht am heiligen freien Markt der europäischen Agrarpolitik geopfert sehen. (Beifall bei der FPÖ.)

Ein kurzes Wort noch zu den Handelsketten, die heute schon so stark kritisiert worden sind, auch vom Kollegen Auer, ÖVP-Bauernbund: Die Handelsketten sind so böse! – Herr Minister, Sie haben vor mehr als einem Jahr angekündigt, dass sich die Handels­ketten beteiligen werden. Sie haben den Bauern versprochen, die Handelsketten wer­den sich an den Preisen beteiligen, sie werden den Bauern Prämien zahlen. Das Er­gebnis ist diesbezüglich genau null.

Der Kühlschrankcheck ist heute hier angesprochen worden. Auch bei den Gütezeichen kennt sich kein Mensch mehr aus, kennt sich kein Konsument mehr aus, aber man ist nicht bereit, die hundert verschiedenen Gütezeichen – es steht überall „rot-weiß-rot“ drauf und „Qualität aus Österreich“ – endlich auszumisten und das auf eine klare ge­setzliche Basis zu stellen.

Zum Kollegen Preiner noch – er hat ja gesagt, dass die Förderungen nicht gerecht verteilt sind –: Lieber Kollege Preiner, wir haben vor einem halben Jahr einen Antrag zur gerechten Verteilung der Agrarförderungen eingebracht, denn für uns ist nicht klar und nicht nachvollziehbar, warum Sie der Stiftung Fürst Liechtenstein, die ihren Sitz im Ausland hat, nur die Grundflächen in Österreich, jährlich 1,3 Millionen € in den Rachen schmeißen. Der Steuerzahler finanziert so die Arbeitsplätze dieser Großbetriebe, die sich wirklich am Agrarsystem bereichern. (Zwischenruf des Abg. Preiner.)

Die SPÖ war nicht bereit, die Agrarförderung auf eine gerechte Basis zu stellen, die kleinen landwirtschaftlichen Betriebe zu unterstützen, die Bergbauernbetriebe, auf den Arbeitsplatz bezogen eine Förderung auszubezahlen. Sie sind mit verantwortlich dafür, dass die Großbetriebe weiter Hunderttausende Euro pro Jahr – und das kann jeder in der Transparenzdatenbank nachlesen – abkassieren und die kleinen Landwirte mit ei­nem Bettel abgespeist werden. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Preiner.)

Lieber Kollege Preiner, kommen Sie heraus und sagen Sie, warum die Stiftung Fürst Liechtenstein jährlich 1,3 Millionen € aus den Agrarförderungen bezieht. (Abg. Preiner: Das geht zurück auf das Jahr 2007 …!) Das müssen Sie mir erklären! Sie haben den Antrag gemeinsam mit der ÖVP durchgezogen. (Zwischenruf des Abg. Grillitsch.– Das ist schon würdig, lieber Kollege Grillitsch.

Sie haben 1,3 Millionen € an die Stiftung Fürst Liechtenstein gegeben, und die Land­wirte haben durchschnittlich – das haben wir heute gehört – 6 800 € Einkommen, und diesen Großbetrieben schmeißen Sie das Geld hinterher. Dafür sind wir Freiheitliche nicht zu haben! (Beifall bei der FPÖ.)

11.15



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll102. Sitzung / Seite 49

Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Wortmeldung: Herr Abgeordneter Ing. Schultes. – Bitte.

 


11.15.57

Abgeordneter Ing. Hermann Schultes (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Ge­schätzter Herr Bundesminister! Verehrte Damen und Herren! Geschätzte Bäuerinnen und Bauern! Geschätzte Kunden, Verarbeiter, Menschen in diesem Land, die davon le­ben, dass unsere Landwirtschaft funktioniert! Und das sind sehr viel mehr Menschen, als man im ersten Augenblick glauben würde.

Danke all diesen und ein Danke an alle, die wissen, dass wir eine gute Produktion ha­ben, dass wir gute Produkte liefern und dass unsere Landschaften lebenswert sind. Danke all jenen, die stolz auf das sind, was wir können, auf das, was wir leisten. Danke all jenen, die einfach abdrehen oder auf einen anderen Sender umschalten, wenn solch sonderbare Meldungen kommen wie jene, die wir gerade von unserem Wanderhändler gehört haben. Herr Leo mit seinem Bauchladen ist ja wirklich „lustig“, er beleidigt jedes Mal die Bauern, die Landwirtschaft und die Qualitätspolitik. Wir müssen das ertragen (Abg. Steinbichler: Die Bauern müssen deine Politik aushalten!), das ist eben das Recht der Opposition. (Beifall und Zwischenrufe bei der ÖVP. – Abg. Steinbichler: Schäm dich! Schäm dich …!)

Wir stehen hier für die österreichische Landwirtschaft, die es schwer genug hat. Wir re­den über Ausgleichszahlungen, die die Landwirtschaft zu bekommen hat – Sie werfen uns das vor. Ich sage, Ausgleichszahlungen bekommen wir dafür, dass die Öffentlich­keit bei uns Leistungen bestellt, wir diese erbringen und Sie alle sehr froh darüber sein können (Abg. Pirklhuber: So schaut Polemik aus!), dass es in unserem Land so schön ist, dass wir in unserem Land eine solch hohe Qualität haben und dass es der Natur so gut geht. (Beifall bei der ÖVP.)

Das ist das Thema. Und dafür würde ich mir ein Danke erwarten und nicht diese An­schuldigungen!

Meine Damen und Herren! Wir sind in einer sehr schwierigen Situation. Der Grüne Be­richt betrachtet das letzte Jahr – da ist es für alle schwieriger geworden, die Bergbau­ern, die Biobauern haben es noch ein bisschen besser gehabt. Heuer wird es für alle noch schwieriger. Bedenken Sie, dass allein bei den Schweinen, nur im Schweine­markt, 250 Millionen € fehlen, weil der Schweinepreis so schlecht ist, und ein Ende ist nicht abzusehen (Abg. Steinbichler: Wer ist dafür verantwortlich?), weil europaweit Produktionskapazitäten da sind, die durch die Nachfrage nicht mehr abgefragt werden. (Abg. Steinbichler: Übernimm die Verantwortung!)

Wir wissen, wenn die Nachfrage nur geringfügig zurückgeht, sind die Schweine trotz­dem da, und wenn ein Schwein da ist und nicht verkauft werden kann, muss man mit dem Preis hinuntergehen, dass es jemand kauft. Und diese Situation ist sehr, sehr schwierig, denn Schweine kann man nicht verstecken. (Abg. Pirklhuber: Was ist die politische Antwort, Kollege Schultes? Was ist Ihre politische Antwort? Was ist die Stra­tegie der Landwirtschaft gegen den Preisverfall? Geben Sie endlich Antworten!)

Die nächste Frage: Wir haben in diesem Jahr rund 180 Millionen € an Schaden auf­grund der Dürre. – Herr Pirklhuber, noch mehr aufpudeln geht nicht, passen Sie auf, dass nichts passiert!

180 Millionen hat uns die Dürre gekostet. (Abg. Pirklhuber: Das wissen wir auch schon!) Jetzt frage ich: Wo ist die Politik betreffend die Dürre? (Abg. Pirklhuber: Ant­worten sollen Sie geben! Antworten!) – Ja, die Antwort ist: Ausbau der Versicherungs­systeme. – Danke, Herr Bundesminister. Es gibt auch Landesregierungen, die uns da­bei helfen, dass das finanzierbar wird. Heute wird sich zeigen, ob die freiheitliche Re­gierungsbeteiligung in der burgenländischen Landesregierung mithelfen wird, dass


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auch das Burgenland – eine trockene Region – mithelfen wird, dass die Dürreversiche­rung möglich wird. Das sind die wirklichen politischen Fragen. (Abg. Pirklhuber: Das ist doch keine Antwort, Versicherungen für eine Agrarkrise!)

Meine Damen und Herren! Wir sind stolz darauf, dass wir diese Lebensmittel liefern können, wir sind stolz darauf, dass es die Nachfrage gibt (Abg. Pirklhuber: Ändert nichts am Preis!), und wir freuen uns, dass das AMA-Gütesiegel so anerkannt ist.

Wichtig ist, dass unsere österreichischen Kunden erkennen und wissen, woher die Pro­dukte kommen, denn dann, wenn sie es erkennen, können sie sie nachfragen, und das, was wir an Leistung und Qualität erbringen, kann auch bezahlt werden. (Abg. Pirkl­huber: Dann blockieren Sie das Qualitätssicherungs- und Gütesiegelgesetz nicht!) Und wenn es bezahlt wird, können wir davon leben.

Meine Damen und Herren, entscheidend ist, dass es die Menschen bekommen kön­nen, und sie sollen es auch dort bekommen, wo sie gar nicht selbst einkaufen können.

Für uns ist es sehr wichtig, dass wir hier in diesem Haus über Standards reden, über Spielregeln, über Komplikationen. Da ist der Herr Pirklhuber der Obermeister, wenn es komplizierter werden soll. Aber wenn es dann darum geht, nach diesem Standard pro­duzierte Produkte auch einzukaufen, dann wird es schwierig. Ich verlange, dass wir sehr rasch das Bundesvergabegesetz so beschließen, dass die bäuerliche Herkunft, die regionale Herkunft, die Nachhaltigkeit und Fragen wie Gentechnikfreiheit, Tierwohl im Einkauf auch berücksichtigt werden, damit unsere Produkte auf dem Markt auch wirklich eine Chance haben. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich verlange, dass Europa – und ich bedanke mich beim Kollegen Riemer, dass er mich zitiert hat – bei der Vergabe von Krediten an Drittländer genau darauf achtet, dass Standards eingehalten werden, wie sie für uns selbstverständlich sind. Und ich verlange, dass wir gemeinsam diese Wege diskutieren und weiterentwickeln, aber auf einer Basis der Zusammenarbeit, des Vertrauens und der Dankbarkeit für das, was be­reits geleistet wurde.

Ich wünsche Ihnen, dass Sie das Gute erkennen, dass Sie sich das Gute leisten und auch bezahlen wollen und dass Sie dann das Gute so genießen, dass Sie Freude da­ran haben. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Pirklhuber.)

11.21


Präsident Karlheinz Kopf: Nun gelangt Herr Abgeordneter Mag. Hauser zu Wort. – Bitte. (Zwischenruf der Abg. Fekter in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Hauser.)

 


11.21.14

Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (FPÖ): Kollegin Fekter, Sie können sich ja da­nach zu Wort melden, wenn Sie wissen, was ich zu sagen habe. Ich habe wenigstens etwas zu sagen, ich brauche es nicht herunterzulesen, wie das so viele Ihrer Kolle­ginnen in Ihrer Fraktion zum Beispiel machen. Das möchte ich eingangs feststellen. (Zwischenrufe bei den Grünen.)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Die Fakten zur Landwirtschaft sind heute hinlänglich angesprochen worden: drei Jahre Einbrüche bei den Preisen, sinkende Produzentenpreise, eine wirklich uner­freuliche Situation. Wir haben auch im letzten Ausschuss Experten eingeladen gehabt, die alle samt und sonders unterschiedlicher Meinung waren, nur eines ist klar: dass man diese Situation rein auf dem Weltmarkt so nicht lösen kann.

Professor Salhofer von der BOKU hat festgestellt, dass die Produzentenpreise für Milch, Fleisch und so weiter auf dem Weltmarkt sinken. Das ist die Situation.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll102. Sitzung / Seite 51

Was bedeutet das Ganze? – Wenn man unseren Bauern, die hervorragende Arbeit leis­ten, und natürlich auch den Bäuerinnen und allen anderen, die in der Landwirtschaft mit­arbeiten, um auch das einmal klarzustellen, helfen möchte, ja helfen muss, dann wird man die Nachfrage nach diesen guten landwirtschaftlichen Produkten steigern müssen.

Und da sind einfach gravierende Fehler passiert, die heute schon angesprochen wur­den. Denken wir zum Beispiel an die Russland-Sanktionen. Wem hat das in Wirklich­keit geholfen? – Niemandem! Uns in Österreich und in Europa sicherlich nicht! Diese Sanktionen gehören längst abgeschafft (Beifall bei der FPÖ), weil sie nicht nur der Land­wirtschaft, sondern auch der kompletten Exportwirtschaft schaden, sie schaden auch der Kooperation zwischen Europa und Russland.

Es ist ja für niemanden nachvollziehbar – auch das wurde heute schon festgestellt –, dass wir von Amerika verpflichtet werden, diese Sanktionspolitik zu betreiben, und Ame­rika im gleichen Atemzug seine wirtschaftlichen Anstrengungen, seinen Wirtschafts­austausch mit Russland sogar intensiviert und letztes Jahr zum Beispiel sein Han­delsvolumen mit Russland um 10 Prozent ausgeweitet hat. Diese Logik der Politik mö­ge man mir bitte erklären! Wir Europäer lassen uns von Amerika in eine Sanktionspoli­tik hineintreiben, die uns schadet, und Amerika nutzt diesen Raum, um seine eigenen Aktivitäten auf dem russischen Markt auszuweiten. (Beifall bei der FPÖ.)

Das Ganze wird hier im österreichischen Parlament sogar noch schöngeredet und ver­teidigt und auf das Minsker Abkommen und so weiter zurückgeführt.

Das Beste wäre eine vernünftige Kooperation zwischen Europa und Russland. Sie, Herr Minister, sind ja auch Umweltminister, und ich glaube nicht, dass es sehr sinnvoll ist, unsere landwirtschaftlichen Produkte, die höchste Qualität haben, anstelle auf dem russischen Markt zu vertreiben, nach Südkorea, nach Japan, nach China zu bringen. Da werden lange Distanzen zurückgelegt, was natürlich auch umweltschädigend ist.

Es wäre also viel vernünftiger und klüger, zu schauen, dass wir die Nahmärkte bedie­nen, dass wir eine vernünftige Kooperation mit dem Tourismus zustande bringen. Al­lein Tirol hat 45 Millionen Gästeübernachtungen, das ist ein Riesenpotenzial, das na­türlich noch wesentlich besser angesprochen werden muss. Ich will ja nicht in Abrede stellen, dass Sie, Herr Minister, sich anstrengen, aber Sie hatschen Russland ab, ge­ben aber keine Antwort darauf, ob Sie persönlich die Sanktionen befürworten oder nicht, und sagen, na gut, jetzt schauen wir einmal, dass wir die Fernmärkte, die Tau­sende Kilometer entfernt sind, mit unseren landwirtschaftlichen Produkten beliefern. Das ist sicherlich für einen Umweltminister auch nicht ideal und seiner nicht würdig. Man muss eben die Märkte vor Ort bearbeiten. (Beifall bei der FPÖ.)

Die ganze Politik, die wirklich so verfahren ist, hängt natürlich auch mit den TTIP-Ver­handlungen, also den Verhandlungen über das Freihandelsabkommen, zusammen. Es ist möglicherweise ein Narr, der denkt, dass diese Sanktionen nur eines bewirken sol­len: dass Europa aus dem russischen Markt hinausgedrängt wird, dass wir in Europa dann zukünftig einen Riesenmarkt oder auch einen Markt für die amerikanischen land­wirtschaftlichen Industrieprodukte hergeben, nachdem man Russland aus diesem Markt hinausgedrängt hat. Und deswegen wird man wahrscheinlich die ganzen Ver­handlungen über ein Freihandelsabkommen, TTIP-Verhandlungen, im stillen Kämmer­lein abwickeln, was von Haus aus schon undemokratisch und in Wirklichkeit eines Par­laments nicht würdig ist.

Auch diesbezüglich sind wir initiativ geworden und haben gesagt, es muss jetzt endlich Transparenz her. Die Mandatare brauchen den Einblick in die Verhandlungsdokumente.

Ich darf aus der „Kronen Zeitung“ berichten: Das Europäische Parlament hat es vor Ta­gen das erste Mal geschafft, über den Internetzugang Einblick in Geheimdokumente zu bekommen.


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Wir von der Freiheitlichen Partei fordern das schon lange. Geheimverhandlungen ge­hören abgestellt. Es gehört maximale Transparenz her. Und man möge uns erklären, Herr Präsident Schultes, wieso dieses Freihandelsabkommen für unsere Produkte, für die hohe Qualität der landwirtschaftlichen Produkte ein Vorteil sein soll. Ich sehe diese Vorteile nicht, ich sehe nur, dass wir zukünftig noch viel mehr von billigen landwirt­schaftlichen Industrieprodukten aus Amerika überschwemmt werden. (Beifall bei der FPÖ.)

11.27


Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Wortmeldung: Herr Abgeordneter Schabhüttl. – Bitte.

 


11.27.56

Abgeordneter Jürgen Schabhüttl (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Hohes Haus! Geschätzte Zuhörer hier und zu Hause vor den Fernsehbild­schirmen! Auch in der Landwirtschaft gab es in den letzten Jahren große Verände­rungen. Viele Bauern, die Land- und Viehwirtschaft im herkömmlichen Sinn betrieben haben, haben Probleme damit, dass es einen niedrigen Milchpreis, dass es niedrige Preise bei Fleisch, Mais und anderen Produkten gibt. Meiner Meinung nach haben Bauern und Unternehmer in der Lebensmittelproduktion nur dann langfristig eine Chan­ce, wenn sie zukünftig nicht auf Massen- und Mengenproduktion, sondern auf Qualität, Regionalität und Innovation setzen.

Ich selbst komme aus dem Südburgenland, einer Region mit sehr fleißigen Leuten und einer lebenswerten Umgebung. Aber die Gegend ist nicht gerade für viele Arbeitsplätze und sehr viel Wirtschaft bekannt. Und untrennbar mit dem Südburgenland verbunden ist unser Wein, der sogenannte Uhudler (Ruf bei der ÖVP: Kein Wein!), ein Direkt­träger, den es schon seit zirka 1870 bei uns gibt. Und die neue burgenländische Agrar­landesrätin Verena Dunst hat sich die Aufgabe gestellt, dieses südburgenländische Kul­turgut auch auf langfristig planbare und sichere rechtliche Beine zu stellen.

Dabei wurde ein neuer Weg beschritten. Die politischen Vertreter, betroffene Winzer und auch Experten wurden an einen Tisch geladen. In zwei sehr konstruktiven Sitzun­gen, bei denen ich selbst anwesend war, wurde in großer Übereinstimmung die in Zu­kunft einzuschlagende Richtung festgelegt. Die regionalen Winzer haben größtenteils über Parteigrenzen hinweg eine Klassifizierung der Uhudler-Rebsorten angestrebt.

Der Uhudler als Obstwein wurde hier als mögliche Alternative diskutiert.

Es soll aber auf jeden Fall in Zukunft Rechtssicherheit geschaffen werden, einerseits für die Jahre über 2030 hinaus, andererseits deswegen, damit die Winzer keine Ro­dungen von Weingärten vornehmen müssen.

Aufgrund dieser Rechtssicherheit sollen neue Investitionen möglich sein und die Re­gion nicht nur in der Weinwirtschaft, sondern auch touristisch unter dem Namen Uhud­ler-Land neu erschlossen werden.

Wir sehen darin eine große Chance für zukünftige Arbeitsplätze und für die Wertschöp­fung im Südburgenland. Ein diesbezügliches formelles Schreiben der Agrarlandesrätin aus dem Burgenland ist an Sie, Herr Bundesminister, am 14. Oktober 2015 ergangen.

Ich ersuche Sie und fordere Sie, Herr Bundesminister, hier nochmals persönlich auf, die Anliegen der Winzer im Südburgenland und den Weg des Uhudlers mit einem ge­schützten Namen für unsere Region auf nationaler und natürlich auch auf europäischer Ebene zu unterstützen. (Beifall bei der SPÖ.)


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11.31


Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Wortmeldung: Herr Abgeordneter Doppler. – Bitte.

 


11.31.17

Abgeordneter Rupert Doppler (ohne Klubzugehörigkeit)|: Herr Präsident! Herr Minis­ter! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe heute die ehrenvolle Aufgabe, vor dem ehemaligen und vor dem jetzigen Landwirtschaftsminister zu sprechen. Das ist ja eine Freude.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Solch große Freude bereitet dieser Grüne Bericht allerdings nicht: weitere rückläufige Einkommensentwicklung in der Landwirt­schaft.

Unsere Bäuerinnen und Bauern erbringen eine enorme Leistung, ganz besonders die Bergbauern, für Wirtschaft, Tourismus und Umwelt. Und dafür, meine sehr geehrten Damen und Herren, gebührt den landwirtschaftlichen Betrieben, den Bäuerinnen und Bauern, der ländlichen Jugend einmal ein herzliches Dankeschön.

Der Produktionswert der Land- und Forstwirtschaft verringerte sich 2014 um 1,7 Pro­zent auf 8,54 Milliarden €, davon Landwirtschaft 6,93 Milliarden €, Forstwirtschaft 1,61 Mil­liarden €.

Wenn ich eine Gesamtrechnung betreffend das landwirtschaftliche Einkommen an­stelle, dann muss ich sagen, dass das reale Einkommen der Bäuerinnen und Bauern in Österreich um sage und schreibe 7,4 Prozent gesunken ist.

Sehr bedenklich, meine sehr geehrten Damen und Herren, Hohes Haus, ist auch, dass zirka 2 400 Betriebe, also 2 400 Höfe pro Jahr aufgegeben werden. Das ist eine schlech­te Entwicklung.

Ganz wichtig ist, dass die Möglichkeiten für die Jugend, was die Hofübernahme betrifft, ausgebaut und neue geschaffen werden – ich glaube, Kollege Auer hat es zuerst an­gesprochen –, andernfalls haben wir einen Grünen Bericht, aber keine Bauern mehr, und ich glaube, das wollen wir alle nicht.

Eines, meine sehr geehrten Damen und Herren, muss uns noch gelingen: dass wir end­lich das Schächten abschaffen, denn Schächten ist Tierleid pur, und das wollen wir nicht. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

11.33


Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Wortmeldung: Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Berla­kovich. – Bitte.

 


11.33.24

Abgeordneter Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bevor ich zu meiner Rede komme, darf ich eine Gruppe von Bauern oder eine Delegation aus meiner Ge­meinde Nebersdorf, Großwarasdorf, Kleinwarasdorf recht herzlich begrüßen (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie Beifallskundgebung auf der Galerie), auch auf burgenländisch Kroa­tisch.

(Der Redner setzt seine Rede in kroatischer Sprache fort.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Grüne Bericht ist einmal mehr ein sehr umfassendes Werk über die wirtschaftliche und soziale Lage unserer heimischen Land- und Fortwirtschaft. Der Dank gebührt nicht nur dem Minister und den Beamtin­nen und Beamten des Ministeriums, sondern auch den Betrieben, die die Daten liefern.

Und er zeigt in der zentralen Aussage, dass es ein Minus von 5 Prozent gibt – das wur­de bereits erwähnt – und dass die Einkommensentwicklung bereits in den letzten drei Jahren negativ war.

Man muss aber auch die Jahre davor ansehen, in denen es ein Einkommensplus von 20 Prozent und mehr gegeben hat. Das heißt, die Einkommenssituation in der Land-


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und Forstwirtschaft ist sehr volatil, sie schwankt, weil sie nach wie vor extrem wetter­abhängig ist. Und darauf muss die Politik reagieren.

Im EU-Durchschnitt war das Einkommensminus ein geringeres. Das heißt, die He­rausforderung für Österreich ist in diesem Fall eine größere. Die Gründe sind vielfältig: niedrige Erzeugerpreise in der Viehhaltung, im Obstbau, auch im Ackerbau, allerdings gepaart mit Dumpingpreisaktionen des Lebensmittelhandels. Ich werde darauf noch zu sprechen kommen.

Der Klimawandel, extreme Wetterereignisse schlagen allerdings in der heimischen Land- und Forstwirtschaft ebenfalls massiv durch. Wenn wir heuer zum Beispiel den heißesten Sommer gehabt haben, seit es Aufzeichnungen in Österreich gibt, ist davon die heimische Land- und Forstwirtschaft massiv betroffen, denn ein Bauer kann auf seinem Feld alles gut machen, richtig anbauen und die richtige Sorte und alles wählen, wenn es dann nicht regnet und zu heiß wird, nützt das alles nichts. Dann gibt es massive Ausfälle, die letztendlich der Bauer selbst zu tragen hat.

Daher ist es ein agrarpolitisches Ziel und eine der Antworten, die Versicherungssys­teme auszubauen, so wie wir es bei der Hagel- und Frostversicherung gehabt haben, auch in Richtung Dürre.

Da hat der Minister einen ersten Schritt gesetzt. Ich hoffe, dass die Bundesländer er­gänzend – Niederösterreich, Oberösterreich tun das bereits – darauf schauen, auch das Burgenland, dass man diese Versicherungssysteme ausbaut.

Und ganz wichtig ist natürlich auch, dass wir sehen – es wurde erwähnt –, dass die Berg­bauernbetriebe ein Einkommensplus haben, auch die Biobetriebe. Das ist ein positives Signal.

Von zentraler Bedeutung ist, dass die öffentlichen Zahlungen auch funktionieren. Der Vorteil der Gemeinsamen Agrarpolitik auf europäischer Ebene ist, weil das diskutiert wird, dass die Politik gleiche Spielregeln für die Bauern in Europa schafft und es nicht zu nationalen Alleingängen kommt, wo ein Staat den anderen bei den Bauern aus­spielt. Ich glaube, das ist etwas, was auszubauen ist.

Und es ist in der gemeinsamen europäischen Agrarpolitik garantiert, dass die österrei­chische Landwirtschaft einen ökologisch nachhaltigen Weg gehen kann. Wir haben das in der letzten Reform sichergestellt, und die Programme, die angeboten werden, garan­tieren das ja auch.

Mein Appell an den Lebensmittelhandel ist – ich habe mich seinerzeit dafür eingesetzt und tue das auch heute –, dass es eine faire Partnerschaft zwischen Konsumenten, Handel und Bauern gibt.

Aber wenn Schleuderpreisaktionen gemacht werden, die Lebensmittel geringschätzen und enormen Preisdruck auf die Bauern ausüben, sodass der Anteil des Bauern am Endpreis des Lebensmittels immer geringer wird, kann die heimische Land- und Forst­wirtschaft nicht existieren.

Wir wollen, dass die Lebensmittel leistbar sind, dass die Menschen sich Lebensmittel leisten können, aber der Bauer muss einen fairen Anteil davon bekommen, denn dann gibt es eine bäuerliche Landwirtschaft. Und wenn uns die Konsumentinnen und Konsu­menten unterstützen, dann werden wir auch einen Erfolg haben, genauso wie das Ver­gabegesetz notwendig ist, das der heimischen Landwirtschaft neue Chancen bieten soll. – In diesem Sinne herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP.)

11.37


Präsident Karlheinz Kopf: Nun hat sich Herr Bundesminister Dipl.-Ing. Rupprechter zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesminister.

 



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11.37.32

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Andrä Rupprechter: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Wir leben in ei­nem lebenswerten Land, und die Bäuerinnen und Bauern dieses Landes leisten mit ih­rer täglichen Arbeit einen ganz maßgeblichen Beitrag. Dafür verdienen sie unsere Wert­schätzung und Anerkennung und vor allem auch unsere Unterstützung, Unterstützung bei der Abgeltung der Leistungen, die sie erbringen, und auch die Unterstützung in schwie­rigen Situationen wie jenen, vor denen wir gerade jetzt stehen.

Der Grüne Bericht 2015, der über die Einkommenssituation im Kalenderjahr 2014 be­richtet, gibt wiederum einen hervorragenden Überblick über die wirtschaftliche und so­ziale Situation der bäuerlichen Familien in Österreich. Der Bericht ist eine sehr wichtige Faktengrundlage für uns als Entscheidungsträger.

An dieser Stelle möchte ich sowie auch mein Vorredner allen Bäuerinnen und Bauern, die ihre Einkommensergebnisse für den Grünen Bericht in der freiwilligen Buchhaltung zur Verfügung gestellt haben, ein herzliches Dankeschön aussprechen. (Beifall bei der ÖVP.)

Die Daten der rund 2 200 freiwillig buchführenden Betriebe geben uns Aufschluss über die Einkommenssituation in der Land- und Forstwirtschaft und sind letztlich auch die Basis für agrarpolitische Maßnahmen.

Ein ganz besonderer Dank geht auch an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter meiner Sektion II, die die §-7-Kommission bei ihrer Arbeit ganz maßgeblich unterstützt haben.

Im Jahr 2014 sind die Einkommensergebnisse, wie das ja sehr ausführlich debattiert wurde, tatsächlich sehr differenziert ausgefallen. Während im Durchschnitt aller Betrie­be bei den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft mit 23 370 € tatsächlich wiederum ein Minus von 5 Prozent zu verzeichnen war, gab es für die Gruppe der Bergbauern­betriebe erstmals seit 2011 ein Plus, ein leichtes Plus von 3 Prozent, worüber ich mich freue.

Die positive Entwicklung am Milchsektor im Jahr 2014 mit den guten Erzeugerpreisen und den niedrigeren Aufwendungen für Futtermittel hat wesentlich dazu beigetragen.

Aktuell hat sich leider die Situation gerade bei der Milch verschlechtert, wenngleich im letzten Quartal eine leichte Erholung der Marktsituation auf niedrigem Niveau erkenn­bar war.

Das Einkommen je Arbeitskraft ist ebenfalls um 5 Prozent gesunken und lag mit knapp 19 000 € immer noch erheblich unter dem Jahreseinkommensdurchschnitt der Arbeit­nehmerinnen und Arbeitnehmer in Österreich. 2014 ist schon das dritte Jahr in Folge mit einer negativen Einkommensentwicklung, und die aktuelle Preisentwicklung bei wich­tigen Agrargütern im Milchsektor, im Sektor von Schweinefleisch gibt uns leider wenig Anlass zu der Annahme, dass sich dieser Trend 2015 umkehren wird. Ich bin dem Vorsitzenden des Landwirtschaftsausschusses und den Fraktionen sehr dankbar für die Bereitschaft, sich in zwei Unterausschüssen gemeinsam mit Experten intensiv mit dieser besonderen Situation zu beschäftigen, und die erste Runde in diesem Unteraus­schuss hat da ja gravierende Schwierigkeiten aufgezeigt.

Eine der Hauptursachen dafür ist nach wie vor das Russland-Embargo. Meine Meinung dazu ist ganz klar, Herr Abgeordneter Jannach, aber Sie wissen selbst, dass die Ent­scheidung über das Russland-Embargo nicht von mir getroffen wurde, auch nicht von den Agrarministern, sondern auf Ebene der Staats- und Regierungschefs gefällt wurde. Also wenn Sie gemeinsam Änderungen herbeiführen wollen, dann müssen Sie dieses Ihr Vorhaben auch richtig adressieren. Wir stehen mit Russland, mit der Verwaltung, in intensivem Kontakt. Ich habe einen Sonderbeauftragten benannt, der auch regelmäßig


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in Russland, in Moskau ist, um die Vorbereitungen dafür zu treffen, dass wir dann, wenn die Gegensanktionen, die von Herrn Präsidenten Putin ausgesprochen worden sind, aufgehoben werden, diesen Markt wieder entsprechend betreuen können. Die Vorbe­reitungen sind getroffen.

Wir liefern auch nach Russland. Im Bereich der Lebendrinder etwa sind wir sehr aktiv auf diesem Markt, und die Lieferungen entwickeln sich tatsächlich sehr positiv.

Nun zurück zum Grünen Bericht. – Hervorzuheben ist, dass vor allem Betriebe, die ihr Einkommen überwiegend aus der Landwirtschaft erwirtschafteten, ihr Einkommen ge­genüber 2013 um durchschnittlich 2 Prozent steigern konnten. Das ist ein weiteres Zei­chen auch der zunehmenden Professionalisierung. Die Bäuerinnen und Bauern neh­men ihre Funktion als Unternehmer ernst und investieren in ihre Betriebe, die heute sehr moderne, sehr innovative Betriebe sind, die tatsächlich auch die Chancen auf dem Markt intensiv und proaktiv wahrnehmen.

Dagegen mussten Betriebe vor allem mit außerlandwirtschaftlichem Erwerb ein deutl­iches Einkommensminus von 18 Prozent hinnehmen. Das spiegelt wiederum auch die Schwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt ganz eindeutig wider.

Nach den Betriebsformen erwirtschafteten die Futterbaubetriebe, überwiegend milchbe­tonte Betriebe, aufgrund der niedrigen Futtermittelkosten sowie der guten Milchpreise im Vorjahr ein Einkommensplus von 5 Prozent. Alle anderen Betriebsformen mussten zum Teil empfindliche Einkommenseinbußen hinnehmen. Grund dafür waren vor allem die Preise für Schweine, für Erdäpfel, Zuckerrüben und Tafeläpfel und eine witterungs­bedingte sehr geringe Weinernte, wo wir heuer, in diesem Jahr, eine sehr positive Ent­wicklung verzeichnen können.

Was mich freut, ist die Gruppe der Bergbauernbetriebe, die einen positiven Einkom­menszuwachs mit 3,2 Prozent erreichen konnte, wobei der höchste Zuwachs von 14 Pro­zent für Betriebe mit den höchsten Erschwernissen erzielt werden konnte. Die Gründe dafür sind insbesondere die öffentlichen Gelder und eben auch die Festlegung im Ar­beitsübereinkommen der Bundesregierung, dass wir besonders auf die Betriebe mit besonderer Erschwernis Rücksicht nehmen wollen.

Die §-7-Kommission, die bei der Erstellung des Grünen Berichts mitarbeitet, hat wieder acht Empfehlungen an den Bundesminister beschlossen. Die Maßnahmen umfassen Bereiche wie die Entbürokratisierung, den Pflanzenschutz, das Grünland, die Verbes­serung des Bergbauernförderungsprogramms und die Finanzierung der Agrarforschung.

Für die konstruktive Rolle der §-7-Kommission möchte ich mich ganz ausdrücklich be­danken. An der Juli-Sitzung der Kommission habe ich selbst teilgenommen, und im nächsten Jahr werden wir die 100. Sitzung der §-7-Kommission abhalten, an der ich selbst auch teilnehmen werde. Ich schätze die Expertise und das Mitwirken der ver­schiedenen Fraktionen, die sich in die Arbeiten sehr konstruktiv eingebracht haben. Sie stellen eine gute Grundlage für die Entscheidungen der Agrarpolitik dar.

Zum Antrag des Herrn Abgeordneten Pirklhuber hinsichtlich der Umsetzung der Ge­meinsamen Agrarpolitik in Österreich möchte ich betonen, dass in der Zwischenzeit, nämlich im Dezember 2014, das Programm für die ländliche Entwicklung von der Eu­ropäischen Kommission genehmigt wurde; übrigens als erstes in Europa. Phil Hogan hat die Gestaltung des österreichischen Programms als vorbildlich für alle ländlichen Entwicklungsprogramme dargestellt. Ich möchte an dieser Stelle in dem Zusammen­hang der bäuerlichen Interessenvertretung, den Landwirtschaftskammern Österreichs und dem Dachverband der Landwirtschaftskammer Österreich im Besonderen, die sich mit ihrer fachlichen Expertise hier ganz besonders eingebracht hat, ganz herzlichen Dank für die konstruktiven Beiträge sagen. (Beifall bei der ÖVP.)


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Die Transparenz bei der Programmgestaltung war vorbildhaft, und auch die Programm­abwicklung erfolgte in transparenter Art und Weise, und die Einbindung des Begleit­ausschusses, die laufende Bereitstellung von Informationen auch mit den digitalen Me­dien erfolgten vorbildlich.

Die im Antrag, Herr Abgeordneter Pirklhuber, angesprochene hoheitliche Umsetzung ist für die ländliche Entwicklung aus verwaltungstechnischen Gründen nicht sachge­recht. Kein einziges EU-Strukturfondsprogramm in Österreich wird hoheitlich umge­setzt. Die Privatwirtschaftsverwaltung bietet dieselbe Rechtssicherheit wie die Hoheits­verwaltung und funktioniert bestens, vor allem auch aufgrund des fachlichen Know-hows meiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Inhaltlich darf ich feststellen, dass das Programm darauf abzielt, dem ländlichen Raum Perspektiven zu bieten, um ihn als vitalen, attraktiven Lebens-, Wirtschafts- und Erho­lungsraum entwickeln zu können, denn der ländliche Raum in Österreich ist nicht nur wegen seiner Flächenausdehnung besonders bedeutend, sondern weil 5 Millionen Men­schen dort ihren Lebens- und Wirtschaftsraum haben.

Der Weg der ressourcenschonenden Landwirtschaft mit dem Agrarumweltprogramm steht bewusst im Zentrum der ländlichen Entwicklung. Der Bio-Landbau – im Gegen­satz zu Ihren Ausführungen, Herr Abgeordneter Pirklhuber – wurde gestärkt, wurde ausgebaut. Das Ziel – und das möchte ich schon richtigstellen, wir haben flächenmäßig einen Anteil von 20 Prozent (Abg. Pirklhuber: Welches Ziel?) –, unser Ziel im Bio-Ak­tionsprogramm, gemeinsam mit Bio Austria entwickelt, ist auch, die Zahl der Be­triebe darauf auszurichten. (Abg. Pirklhuber: Welches Ziel?)

Herr Abgeordneter Pirklhuber, die Tatsache, dass Biobauern ausgestiegen sind, hat vor allem mit der Kontrolldichte zu tun, und wir sind stolz darauf, dass wir die ursprüng­liche Bio-Kontrollverordnung auf europäischer Ebene in der Zwischenzeit ganz maß­geblich entschärfen und die Kontrolldichte auch ganz maßgeblich abbauen konnten. (Abg. Pirklhuber: Welches Ziel, Herr Minister?)

Die Entwicklung des Bio-Landbaus ist ein moderates Wachstum. Das Ziel ist von Bio Austria definiert, gemeinsam mit dem Ressort: ein moderates, marktgerechtes Wachs­tum. Wenn es mehr ist als das, was der Markt verträgt, dann würde das nicht zum Nut­zen der Bio-Bauern sein.

Enorm bedeutend aus meiner Sicht sind vor allem auch die Induzierung von regionaler Wertschöpfung und die Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen. Genau deswe­gen haben wir in Innovation, in Investitions- und in Bildungsmaßnahmen investiert. Wir haben die Mittel für Investitionsmaßnahmen um ein Viertel aufgestockt.

Insgesamt stehen, wie Sie wissen, für die Entwicklung des ländlichen Raums aus dem ELER Mittel in der Größenordnung von 562 Millionen € zur Verfügung. Österreich be­kommt mehr als 4 Prozent der ELER-Mittel. Daher sind wir im Bereich der ländlichen Entwicklung, wie Sie gut wissen, und damit insgesamt in der Gemeinsamen Agrarpoli­tik Nettoempfänger und nicht Nettozahler, wie in allen anderen Strukturfonds.

Gemeinsam mit den Beiträgen des Bundes, mit der nationalen Kofinanzierung und den Bundesländern haben wir ein gemeinsames Finanzvolumen von 1,1 Milliarden € jähr­lich, damit wir in die Sicherung der Besiedelung des ländlichen Raums investieren kön­nen.

Lassen Sie mich abschließend noch ganz kurz – bevor mich meine Stimme verlässt – auf den Antrag des Herrn Abgeordneten Jannach eingehen! Die von ihm geforderte Einführung der Investitionsförderung für die Umrüstung auf Pflanzenölantriebe ist be­reits Gegenstand des ländlichen Entwicklungsprogramms und ist umgesetzt. Herr Ab­geordneter Jannach, die Umsetzung ist wesentlich besser, als sie in Ihrem Antrag, näm-


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lich nach dem bayrischen Vorbild, gefordert wird. Wir haben einen 40-prozentigen Di­rektzuschuss, und dabei gibt es nicht so wie in Bayern eine Einschränkung auf eine bestimmte Zahl von Betrieben und auch keine Deckelung des Investitionsförderungs­betrages. Sie ist also umfassender und weitreichender ausgelegt als jene in Bayern.

Sehr geehrter Herr Abgeordneter Jannach, lassen Sie es mich ganz offen sagen: Was den Freiheitlichen die Landwirtschaft wert ist, haben sie bei der Regierungsbildung im Burgenland gezeigt. Landwirtschaft kommt im Arbeitsübereinkommen der Burgenländi­schen Landesregierung genau ein Mal vor, nämlich dann, wenn es um die Ressortver­teilung geht, und da haben Sie sich auch nicht angemeldet, sondern das Landwirt­schaftsressort einer anderen Fraktion zugestanden.

Ich schließe meinen Beitrag mit dem Dank und mit der Wertschätzung für die Arbeit der Bäuerinnen und Bauern und der bäuerlichen Jugend, die trotz einer sehr schwie­rigen Marktsituation mit großem Engagement täglich ihren aktiven Beitrag für die Auf­rechterhaltung der Besiedelung des ländlichen Raums erbringen. – Vielen Dank dafür. (Beifall bei der ÖVP.)

11.51


Präsident Karlheinz Kopf: Nun ist Frau Abgeordnete Ecker zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


11.51.01

Abgeordnete Cornelia Ecker (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Der Grüne Bericht stellt alljährlich die Situation der Landwirtschaft in Ös­terreich dar, und, meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Lage, diese Aus­gangssituation für unsere Bäuerinnen und Bauern schaut gar nicht gut aus! Insgesamt ist das Einkommen zurückgegangen. Das ist vor allem für kleinere Betriebe ein Wahn­sinn, und das betrifft vor allem die westlicheren Bundesländer. Dort verdient ein Bauer zum Beispiel nur ein Sechstel im Vergleich zu einem Großgrundbesitzer. Das heißt, wenn er in der Stunde 10 € verdient, verdient sein reicher Großgrundbesitzerkollege 60 €, wohlgemerkt bei gleichem Arbeitsansatz. (Abg. Steinbichler: Wo ist denn der, Frau Kollegin? Sagen Sie mir bitte ein Beispiel!)

Mit anderen Worten, Herr Steinbichler, ergibt das im Jahr eine sehr, sehr hohe Summe und auch ein Ungleichgewicht. Eine langjährige Forderung der Sozialdemokraten ist es, hier in diesem Bereich, in der Landwirtschaft, den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen, und nicht, die Förderung auf die Fläche, auf den Besitz festzulegen, und diese Forderung ist aktueller denn je. (Beifall bei der SPÖ.)

Diese Entwicklung der österreichischen Landwirtschaft, Herr Minister, ist eine sehr, sehr ernst zu nehmende und eine Bedrohung – so sehe ich das – für unsere Bäuerin­nen und Bauern in unserem Land!

Lassen wir einmal die Großverdiener und die Großbetriebe außen vor! Innerhalb eines Jahres ist die Zahl der Betriebe um 8 Prozent gesunken – und das sind nicht die Groß­betriebe, das sind die kleinstrukturierten Betriebe in Salzburg, in Kärnten, in Tirol, in Vorarlberg. Die müssen wir unterstützen, denen müssen wir helfen.

Was auch noch auffällt und was ein ganz interessanter Aspekt war: die ungleiche Ver­teilung des Einkommens Bezug nehmend auf das Geschlecht. Das heißt, die Betriebe, die von einer Frau geführt werden, sind meistens viel, viel kleiner, und somit ist auch die Einnahme tendenziell geringer. Vergleichsweise stehen bei Männern 31 Rinder im Stall, bei Frauen nur 24.

Wir sehen, es gibt in allen Bereichen und auch auf allen Ebenen einen großen Nach­holbedarf, einen Aufholbedarf. Ich möchte hier nicht immer alle Situationen schönre­den, ich möchte hinter den Bäuerinnen und Bauern stehen. Die Menschen, die auf dem Feld arbeiten, haben nichts davon, wenn wir hier im Parlament, im Hohen Haus, alles


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schönreden, sie haben nichts von heißer Luft. Sie brauchen frischen Wind und viele Ta­ten und keine Worthülsen! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

11.53


Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Wortmeldung: Herr Abgeordneter Ing. Hofinger. – Bitte.

 


11.53.39

Abgeordneter Ing. Manfred Hofinger (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Bäuerinnen und Bauern! Ich darf Sie alle recht herzlich begrüßen und natürlich auch zum Grünen Bericht kurz Stellung nehmen.

Das Einkommen ist in den vergangenen Jahren leider zurückgegangen. Wir sind bei ei­nem durchschnittlichen Einkommen je Arbeitskraft bei 18 941 € angekommen, und das ist geringer als bei den Arbeitern. Hauptausschlaggebend für diese Situation ist na­türlich die ganze Marktsituation, vor allem im Schweinebereich im letzten Jahr und heu­er natürlich auch im Milchbereich.

Die Marktsituation ist ausschlaggebend für die Schleuderpreise; Herr Präsident Auer hat schon die Sache mit dem Kühlschrank angesprochen. Schleuderpreise von 52 Cent pro Liter Milch in den Geschäften, das kann einfach nicht gutgehen.

Der dritte Punkt, wieso sich dieses Einkommen so schlecht entwickelt hat, sind natür­lich die ganzen Klima- und Umwelteinflüsse.

Umso mehr möchte ich mich recht herzlich bedanken bei allen Bäuerinnen und Bauern für ihren geleisteten Einsatz – sieben Tage in der Woche ohne Urlaub! –, sowohl bei den BiobäuerInnen als auch bei den konventionellen. Ich finde, der Bioanteil in Öster­reich ist hoch, ausbaufähig, und es ist natürlich auch sehr gut, dass er sich so positiv entwickelt, weil er natürlich auch für den konventionellen Bereich noch marktentlastend wirkt.

Die Bauern brauchen aber auch in Zukunft Planungssicherheit und ein geregeltes Ein­kommen. – Wie können wir das erreichen?

Es gibt meiner Meinung nach fünf Punkte, die wir unbedingt beachten müssen. Erstens muss unbedingt der Inlandsabsatz durch unterschiedliche Maßnahmen erhöht werden. Es wäre eine Möglichkeit, auch die Lebensmittel in das Bundesvergabegesetz mitauf­zunehmen. Ich möchte auch Herrn Abgeordneten Schellhorn in seinen Bemühungen bestärken, die Verbindung zwischen Gastronomie und Landwirtschaft zu erhöhen.

Ganz wichtig – wie wir in den Ausführungen eines Kollegen vorhin schon gehört ha­ben – sind natürlich die Ausgleichszahlungen, und daher muss man Herrn Bundesmi­nister Rupprechter herzlich dafür danken, dass er durch die Vorauszahlungen, Vor­schusszahlungen eine Entlastung für die BäuerInnen erreicht. (Abg. Steinbichler: Das sind keine Vorschusszahlungen, sondern versprochene Ausgleichszahlungen!) Das ist natürlich für die Bäuerinnen und Bauern etwas ganz Wichtiges. (Abg. Steinbichler: Ein Wahnsinn! Du belügst die Bevölkerung!)

Die übertriebenen Produktionsstandards, die wir immer mehr auferlegt bekommen, müs­sen wir, glaube ich, unbedingt in den Griff bekommen. Daher halte ich das von Herrn Präsidenten Schultes in Graz vereinbarte Kollegiumstreffen für einen ganz wichtigen Ansatz. Wir müssen darauf achten, dass wir die bäuerliche Bevölkerung durch erhöhte Stallbaukosten nicht noch mehr unter Druck bringen.

Die Erschließung neuer Märkte – von Herrn Bundesminister Rupprechter angesprochen – sorgt natürlich für die Entlastung von Spitzen.


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Und jetzt komme ich noch zum Klima. Das Versicherungssystem ist natürlich für die Volatilität, die in der Landwirtschaft besonders stark ausgeprägt ist, eine Entlastung. Ich glaube, das ist ein ganz wichtiger Punkt, den wir ausbauen müssen, das gehört unbedingt dazu. Ich möchte mich auch bei den Ländern bedanken, die sich dafür be­sonders einsetzen.

Irgendwie finde ich es auch interessant, dass Herr Abgeordneter Jannach zum Beispiel den Antrag, den er bezüglich der Umrüstung auf Rapsöltraktoren eingebracht hat, in seiner Rede gar nicht behandelt hat. Die Idee an sich finde ich ja sehr gut, aber das ist – wie auch der Herr Bundesminister schon ausgeführt hat – im Programm für die ländliche Entwicklung schon mit 40 Prozent Förderung berücksichtigt worden.

In diesem Sinne möchte ich mich noch einmal bei allen Bäuerinnen und Bauern für die Daten bedanken, ich möchte mich noch einmal bei allen Beamten für den Grünen Be­richt, für die Erarbeitung dieses Berichts bedanken und wünsche uns in der Landwirt­schaft Planungssicherheit für die Zukunft. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

11.57


Präsident Karlheinz Kopf: Nun ist Herr Abgeordneter Schopf zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


11.57.51

Abgeordneter Walter Schopf (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Liebe Kollegin­nen! Liebe Kollegen! Ich möchte auf den Bereich Einkommen zu sprechen kommen, weil natürlich das Einkommen für die Bäuerinnen und Bauern eine ganz zentrale Frage ist. Das Einkommen steht in der Diskussion, wenn man vor Ort ist, wenn man mit den Betroffenen spricht, natürlich immer wieder an erster Stelle, und das Einkommen ist auch im Zusammenhang mit dem Bauernsterben ein ganz zentraler Punkt.

Zurzeit sperren in Österreich tagtäglich drei Betriebe zu, und das ist nicht nur für die betroffene Bevölkerung, sondern, ich denke, für die gesamte Republik und vor allem für den ländlichen Raum ein ganz, ganz großes Problem. Daher ist es unsere Aufgabe, dass wir uns speziell mit der Frage des Einkommens beschäftigen.

Herr Bundesminister Rupprechter schreibt im Vorwort zum Grünen Bericht: „(…) waren die Einkommen in der Landwirtschaft auch 2014 rückläufig.“

Gemeint ist damit der Durchschnittsbauer, der, wie schon gesagt worden ist, mit einem durchschnittlichen Einkommen von zurzeit 18 941 € um 5 Prozent weniger Verdienst hat als im Vorjahr und zweitens, und das ist auch nicht uninteressant, auch weniger verdient als quasi der durchschnittliche Arbeitnehmer und die durchschnittliche Arbeit­nehmerin.

Ich denke, liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist eine Vereinfachung, die den Blick auf die großen Einkommensunterschiede in der Landwirtschaft verstellt. Sehen wir uns deshalb als Beispiel drei Einkommensdaten und Einkommensgruppen im Detail an.

Wir haben am unteren Ende der Einkommensverteilung die Gruppe der Nebenerwerbs­bauern mit einem durchschnittlichen Einkommen pro Kopf von gut 4 000 € pro Jahr. 4 752 € pro Jahr! Das entspricht in etwa einem Einkommen im Bereich der Geringfü­gigkeitsgrenze.

Wir haben die Gruppe der Haupterwerbsbauern mit einem durchschnittlichen Einkom­men pro Kopf von 29 530 €. Das entspricht ziemlich genau dem durchschnittlichen Einkommen aller unselbständig Erwerbstätigen und liegt um einige tausend Euro über dem durchschnittlichen Jahreseinkommen der Arbeiterinnen und Arbeiter, vor allem deutlich über dem Einkommen der Arbeiterinnen und Arbeiter in der Land- und Forst­wirtschaft. Also der selbständige Bauer verdient trotzdem noch um einiges mehr als jene, die beim Bauern quasi als Arbeitnehmer und Arbeitnehmerin beschäftigt sind.


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Wir sehen, es gibt viele Unterschiede. Es gibt zum Beispiel die großen Marktfrucht-Betriebe, wo das Einkommen pro Kopf über 50 000 beträgt. Wenn man sich jene Grup­pe, die viel verdient, und jene Gruppe, die wenig verdient, eben im Bereich des Neben­erwerbs, ansieht, so denke ich, es gibt hier viel zu tun. Und wenn man die letzten Jahre betrachtet, ist erkennbar, dass diese Schere leider auch immer größer wird. Daher war es wichtig und richtig, dass zum Beispiel im Bereich der Förderungen bei den Ba­sisprämien für Betriebsinhaber eine Deckelung von 150 000 € eingeführt worden ist. Das war ein erster und ein wichtiger Schritt zur Verteilungsgerechtigkeit, und ich den­ke, es müssen noch weitere Schritte erfolgen, dass die Schere zusammengeht und dass jene, die wenig verdienen, in Zukunft mehr verdienen. Jene, die viel verdienen, müssten, glaube ich, in Zukunft stärker zur Kasse gebeten werden. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

12.00


Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Wortmeldung: Herr Abgeordneter Eßl. – Bitte.

 


12.00.01

Abgeordneter Franz Leonhard Eßl (ÖVP): Meine geschätzten Damen und Herren! Wir diskutieren jetzt diesen Grünen Bericht. Das ist ein umfangreiches Nachschlage­werk, das die Situation und die Entwicklung der heimischen Landwirtschaft entspre­chend beschreibt. Nachdem ich die Diskussion jetzt verfolgt habe, wäre es natürlich reizvoll, auf alle Wortmeldungen einzugehen. Ich beschränke mich aber darauf anzu­merken, dass ich mich wundere, dass der Kollege aus dem Team Stronach bei jeder Sitzung immer wieder kräftig Werbung für die ausländischen Produkte macht.

Aber was fällt jetzt tatsächlich im Grünen Bericht auf? – Tatsache ist, dass die Ein­kommen der Bauern 2014 gesunken sind, allerdings wenn man den Zeitraum über vier Jahre betrachtet, sind sie leicht gestiegen. Trotzdem, die Preise für die landwirtschaftli­chen Produkte sind nicht zufriedenstellend, sie sind nicht in dieser Höhe, dass die Bauern wirklich ordentliche Einkommen schöpfen könnten. Natürlich sind Angebot und Nachfrage der wesentliche Punkt, der den Preis bestimmt, und darum haben wir auch Aktionen zu setzen. Die Bauern produzieren hochwertige Lebensmittel, die Bauern kön­nen das, und ich möchte mich dafür auch recht herzlich bedanken.

Wir brauchen aber auch starke Verarbeitungsbetriebe, die diese Produkte dann ent­sprechend veredeln und am Markt platzieren können, wir brauchen Verarbeitungsbe­triebe, die sich am Markt behaupten können. Dabei ist natürlich der heimische Konsu­ment der wichtigste Partner, er sichert, wenn er heimische Produkte kauft, nicht nur die Bauern, sondern er sichert auch seinen eigenen Arbeitsplatz und seinen Lebensraum mit entsprechender Lebensqualität.

Jakob Auer hat es schon angesprochen: Es ist wichtig, wenn eine Handelskette prak­tisch ein Manifest präsentiert. Das Beste aber wäre, wenn diese Handelsketten tat­sächlich zu den heimischen Produkten stehen würden, indem sie auch bessere Preise als für ausländische Produkte zahlen würden. (Beifall bei der ÖVP.)

Das Gleiche gilt natürlich auch für die Gastronomie. Da darf ich den Kollegen Schell­horn mit einbinden, der gesagt hat, es müsste da etwas geschehen. Auch die Gastro­nomie ist gefordert, heimische Produkte zu kaufen und entsprechende Preise dafür zu bezahlen. Ich bedanke mich, dass mein Vorredner Hofinger angesprochen hat, dass man das Bundesvergabegesetz so abändern sollte, dass das Bestbieter-Prinzip in Zu­kunft auch für Lebensmittel gelten soll.

Was fällt noch auf beim Grünen Bericht? – Bergbauern sind im Vergleichsjahr 2014 besser gestellt, haben ein Plus. Allerdings wenn man da wieder den Vierjahreszeitraum betrachtet, dann ist das Einkommen bei den Bergbauern weniger gestiegen als bei den Nicht-Bergbauern. Aus diesem Grund, vor allem auch wenn man die absoluten Zahlen betrachtet, gehören die Bergbauern auch in der Zukunft kräftig unterstützt.


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Das Zweite, das auffällt: Österreichs Bauern wirtschaften nachhaltig und umweltge­recht. Drei Viertel der Betriebe mit 86,7 Prozent der Fläche nehmen am Umweltpro­gramm freiwillig teil, und das ist entsprechend zu würdigen.

Eines noch: Die Bauern wollen produzieren, sie wollen wirtschaften, und darum ist es notwendig, dass wir auch das Eigentum entsprechend stärken. Wir sollten das Eigen­tum stärken, für die Lebensmittel einen ordentlichen Preis bezahlen und die Leistungen fair und gerecht abgelten – so können wir in der Zukunft die Bauern in Österreich ent­sprechend absichern. (Beifall bei der ÖVP.)

12.05


Präsident Karlheinz Kopf: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Ab­geordneter Steinbichler zu Wort gemeldet. Herr Abgeordneter, Sie kennen die Bestim­mungen der Geschäftsordnung. – Bitte.

 


12.05.31

Abgeordneter Leopold Steinbichler (STRONACH): Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Kolleginnen und Kollegen! Präsident Eßl hat soeben behauptet, dass ich hier Werbung für ausländische Lebensmittel und Produkte mache.

Ich berichtige tatsächlich: Seit 40 Jahren kämpfe ich für österreichische, heimische qua­litätsvolle Lebensmittel. Beweis: Martinimarkt Regau, Bauernmarkt Regau.

Was ich hier gezeigt habe, ist nicht Werbung für ausländische Produkte, sondern die Realität auf dem österreichischen Lebensmittelmarkt. Und, Herr Kollege Eßl, ihr sprecht von „Überschüssen“ an heimischen Produkten!

Zu den Ausführungen des Kollegen Schultes melde ich mich später zu Wort. – Danke. (Beifall beim Team Stronach. – Abg. Eßl: Das war eine Wortmeldung und keine tat­sächliche Berichtigung!)

12.06


Präsident Karlheinz Kopf: Danke für diese Wortmeldung, die keine tatsächliche Be­richtigung war. Ich lasse es aber einmal so stehen, ich kann es jetzt eh nicht mehr kor­rigieren. (Heiterkeit.)

Nächster Redner: Herr Abgeordneter Unterrainer. – Bitte.

 


12.06.32

Abgeordneter Mag. Maximilian Unterrainer (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Verehrte Damen und Herren auf den Rän­gen und vor den Bildschirmgeräten! Die Aufforderung, dass im öffentlichen Sektor Le­bensmittel stärker ihrer Qualität wegen und weniger aufgrund des Preises ausgesucht werden sollten, ist ein Ansatz, dem ich ganz viel abgewinnen kann, weil er dazu dient, regionalen Betrieben das Überleben und auch die Arbeitsplätze zu sichern.

Wir müssen den Menschen auch klarmachen, dass Qualität bei Lebensmitteln etwas kostet, etwas wert ist. Die Turbo-Kühe, die Legebatterien, die Schweinemast und dazu die durch Gentechnik veränderte Soja als Kraftfutter, importiert aus Brasilien, auf einem Acker gezogen, der ursprünglich ein Regenwald war, das sind Dinge, die nicht wirklich ins Bild einer nachhaltigen Landwirtschaft passen.

Unser überzogener Fleischkonsum ist umweltfeindlich und verachtet noch dazu die Tiere. Man darf nicht vergessen, wer ein Huhn um zwei Euro kauft, unterstützt die Mas­sentierhaltung mit all seinem Leid und akzeptiert die negativen Folgen für die Umwelt und unsere Gesundheit.

Man muss bedenken, mittlerweile wird eine Fläche, die ungefähr dreimal so groß wie Deutschland ist, mit Soja angebaut, die wieder zu fast 70 Prozent gentechnisch ver-


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ändert ist. Wir haben für die Gentechnik in Österreich grundsätzlich die Türen ge­schlossen, aber durch die Hintertür gelangt gentechnisch verändertes Soja nach wie vor zu uns, über Umwege des Futters nach wie vor auf den Teller.

Wenn wir uns heute mit dem Zustand der österreichischen Landwirtschaft beschäfti­gen, dann müssen wir bekennen, es liegen da einige Dinge doch noch sehr im Argen. Es ist offensichtlich – das haben wir ja im Grünen Bericht auch gelesen und wurde auch schon angesprochen –, wie schlecht es gerade den Kleinbauern und den Berg­bauern heute geht. Wenn ein Kleinbauer sechs Mal weniger verdient als ein vergleich­barer Kollege oder eine vergleichbare Kollegin, obwohl dieser Kleinbauer mit enormer physischer Kraftaufwendung seine Felder und Wiesen bestellt, die Wälder pflegt, durch die wir dann unseren Gesundheitsspaziergang machen, dann muss da doch etwas ge­tan werden. Da müssen wir doch danach trachten, dass dieses Ungleichgewicht wieder ins Lot gebracht wird.

Als Tourismussprecher ist es mir auch ein Anliegen, auf die große Bedeutung der ös­terreichischen Lebensmittel auch als Aushängeschild österreichischer Lebensqualität hinzuweisen. Das ist ja etwas, von dem wir alle profitieren, nicht nur unsere Gäste, sondern auch wir Österreicherinnen und Österreicher selbst.

Lieber Herr Bundesminister! Auch wenn ich Vegetarier bin, trotzdem: Was wäre denn unser Tirol ohne unseren Speck?! Was wäre das Burgenland ohne seinen Wein?! Die­se Liste könnte man noch lang fortführen. Ich würde sagen, wir sind nicht nur das, was wir essen, wir sind auch das, was wir anbauen. Unsere Landwirtschaft verdient nicht nur eine der Leistung angepasste Wertschätzung, sondern gerade die kleineren Betrie­be, die Bergbauern, sie alle müssen die Chance haben, endlich angemessen zu ver­dienen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

12.09


Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Fichtinger. – Bitte.

 


12.09.44

Abgeordnete Angela Fichtinger (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Liebe Zuseher vor den Bildschirmen! Hohes Haus! Auch ich möchte kurz zum Grünen Bericht sprechen, der über die Situation der österreichischen Land- und Forstwirtschaft berich­tet, sich eingehend mit vielen Aspekten der bäuerlichen Leistungen beschäftigt und der Problemfelder zu identifizieren hilft.

Unsere Land- und Forstwirte erbringen nicht nur täglich große Leistungen, sie gehen auch einem herausfordernden Beruf nach, der durch angespannte Absatzmärkte nicht einfacher geworden ist, wie es heute auch schon einige Male erwähnt worden ist. Im­mer mehr Innovation ist notwendig, um erfolgreich wirtschaften und arbeiten zu kön­nen. Nur durch Innovation und hervorragende Arbeit ist gewährleistet, dass wir Konsu­menten täglich mit hochwertigen Lebensmitteln versorgt werden, die auch leistbar und gesund sind.

In Österreich ist Land- und Forstwirtschaft auch ein immenser wirtschaftlicher Faktor. Viele geschäftstüchtige bäuerliche Betriebe haben es geschafft, mit Nischenprodukten und höchster Qualität Märkte zu bedienen. Dazu ein Beispiel aus meiner Gemeinde: Ein Landwirt – ist auch notwendig geworden, nachdem Nebenerwerbsbauern Landwirt­schaften aufgeben – hat landwirtschaftliche Gründe dazugepachtet, produziert jetzt Schul­milchprodukte und beliefert Kindergärten, Schulen und kleine Betriebe vom Waldviertel bis nach Wien, betreibt auch Milchautomaten und hat nebenbei auch noch über 15 Ar­beitsplätze geschaffen.

Auch in der Forstwirtschaft gibt es Vorzeigebetriebe. In meiner Nachbargemeinde hat sich ein Forstwirt speziell darauf konzentriert, Holzhäuser, sogenannte Naturi-Häuser, zu produzieren. Das sind ganz wichtige Nischen, die gefunden wurden.


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Laut Agrarstrukturerhebung gibt es in Österreich 166 000 kleinstrukturierte land- und forstwirtschaftliche Betriebe. Es stimmt uns aber schon bedenklich, dass es 30 Prozent weniger Betriebe sind.

Eines dürfen wir aber nicht übersehen: Nur gut funktionierende landwirtschaftliche Be­triebe liefern uns Konsumentinnen und Konsumenten hochwertige Lebensmittel zu leist­baren Preisen. Und nicht zu vergessen: Auch der Urlaub am Bauernhof, auch der Tourismus spielt eine Rolle, und die Pflege des Grünraumes ist etwas ganz Wichtiges, das sehr oft übersehen wird.

Abschließend darf ich noch appellieren: Geben wir auch in Zukunft unseren Landwirten entsprechende Wertschätzung und seien wir stolz auf sie! – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

12.13


Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Redner: Herr Abgeordneter Bacher. – Bitte.

 


12.13.07

Abgeordneter Walter Bacher (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesmi­nister! Hohes Haus! Wie wir nun schon mehrfach gehört haben, ist der Grüne Bericht eine umfangreiche Dokumentation über einen nicht unwesentlichen Wirtschaftsfaktor in unserem Land. Die Schwierigkeiten bei Betriebsgründungen bis hin zu den Problemen bei den Betriebs- und Hofübergaben und die damit verbundenen Problematiken sind hier ebenso ein Thema wie die Förderungen und die Pro-Kopf-Einkommen. Ein Teil be­schäftigt mich aber ganz besonders, und das ist der Tourismuszweig „Urlaub am Bauernhof“ – gerade in meiner Region nicht wegzudenken! Das alles sind relevante Themen für unser Land, aber das Thema, das ich besonders hervorheben möchte, be­trifft die ländliche Entwicklung.

Der Fonds für ländliche Entwicklung unterstützt auch den Ausbau sozialer Dienstleis­tungen, wie zum Beispiel Kinderbetreuung, Bildung, Gesundheit und Pflege. Damit gibt es erstmalig seit dem Beitritt Österreichs zur EU eine Förderung für soziale Dienst­leistungen im ländlichen Raum durch den Fonds für ländliche Entwicklung auch für Ös­terreich. Warum ist mir das so wichtig? Weil die landwirtschaftlichen Betriebe unbe­stritten mit Vieh- und Getreidewirtschaft, mit Landschaftserhaltung/-pflege, Herstellung von Qualitätsprodukten und so weiter eine wichtige Rolle in den ländlichen Regionen haben und die alleinige Förderung der Landwirtschaft direkt noch keine lebenswerte ländliche Region ausmacht.

Dazu gehört mehr, vor allem, noch mehr Geld in die Hand zu nehmen und damit ge­zielt strukturschwache Regionen zu stärken und Abwanderung zu stoppen. So kann man dem Nachfolgeproblem entgegenwirken. Die regionale Infrastruktur muss an­nehmbar sein, dann wird es auch Nachfolger, familiär oder außerfamiliär, für die Land­wirtschaftsbetriebe geben. Investitionen in den ländlichen Raum sind Investitionen in die Zukunft unseres Landes. Dort zu investieren halte ich für einen richtigen Weg. Ge­hen wir diesen Weg gemeinsam! (Beifall bei der SPÖ.)

12.15


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Sieber. – Bitte.

 


12.15.08

Abgeordneter Norbert Sieber (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Geschätzte Zuseherinnen und Zuse­her! Es ist wirklich immer wohltuend zu hören, wie positiv in der Debatte zum Grünen Bericht über die Landwirtschaft gesprochen wird und welche positiven Erkenntnisse hier gezogen werden. Ich möchte hier einige Beispiele herausgreifen.


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Herr Preiner von der SPÖ, wenn Sie hier erwähnen, dass 45 Prozent des EU-Budgets für die Landwirtschaft reserviert sind, dann sagen Sie aber bitte auch dazu, dass der einzige Bereich, der gemeinschaftlich organisiert ist, die Landwirtschaft ist und, wenn wir alle Budgets in Europa zusammenrechnen, der Betrag für die Landwirtschaft wieder knapp 1 Prozent ausmacht. Also wecken Sie nicht solche Begehrlichkeiten! Es ist nicht so, wie Sie es darstellen.

Zur Frau Kollegin Ecker, die hier sehr positiv über die Landwirtschaft gesprochen und auch wichtige Notwendigkeiten hier angemerkt hat, muss aber schon eines gesagt wer­den: Bitte bremsen Sie dann aber auch unseren Bundeskanzler, wenn er demnächst wieder fordert, dass die Lebensmittelpreise sinken sollten, weil die Lebensmittel zu teuer seien! Und bitte sagen Sie Ihren Kolleginnen und Kollegen von der Arbeiterkam­mer, dass endlich mit diesen unseligen Preisvergleichen aufgehört wird, denn das nützt der Landwirtschaft auch nicht! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Krainer: Für wen reden Sie hier? Reden Sie hier für die Bauern oder für Raiffeisen?)

Wenn der Kollege Unterrainer – und das freut mich wirklich – hier den Speck aus Tirol, den Handl-Speck, so lobt, dann muss man sagen: Der Speck aus Tirol, der Handl-Speck, muss wirklich hervorragend sein, wenn jetzt sogar schon die Vegetarier diesen Speck loben! (Heiterkeit.)

Wenn man sich den Grünen Bericht vor Augen führt – an dieser Stelle möchte ich es nicht verabsäumen, Ihnen, Herr Minister, Ihrem Haus und allen, die daran mitgearbeitet haben, zu danken –, dann muss man sagen, dieser Bericht ist schon einigermaßen durchwachsen. Es freut mich natürlich schon, dass gerade im Bergbauernbereich mit 3 Prozent ein schönes Einkommensplus zu Buche steht und dass die Zone 4, die extremste Bergbauernzone, ein Einkommensplus von 16 Prozent zu verzeichnen hat. Das muss man erwähnen und darf man herausstreichen, aber man muss natürlich eine langfristige Periode betrachten und sagen, es können maximal ein oder zwei Schritte in die richtige Richtung sein. Wir müssen dranbleiben und versuchen, die Einkommens­schere zwischen diesen Bergbauernregionen und dem Durchschnitt der Einkommen etwas kleiner zu machen.

In Summe kann man deutlich aus diesem Bericht herauslesen, dass die Möglichkeiten, die die Politik hat, gut genützt wurden, dass die Mittel gut verteilt worden sind, dass aber die Möglichkeiten der Politik, in den Markt einzugreifen, direkt auf den Preis zuzu­greifen, sehr beschränkt sind. Da sind eigentlich die Rahmenbedingungen, die unser Minister setzt, die richtigen: eine Qualitätsoffensive, eine Exportoffensive. Wir brauchen auch faire Handelspartner, das ist ganz entscheidend. Es geht darum, dass hier nicht nur Manifeste produziert werden, sondern sich auch die Unterstützung in den Preisen manifestiert. Das brauchen wir: faire Preise!

Schlussendlich müssen wir schauen, dass wir baldmöglichst das Bundesvergabege­setz weiterbringen, hier einen entsprechenden Beschluss fassen, und daran denken, dass wir in unseren Einflussbereichen in Zukunft vermehrt zu hervorragender heimi­scher Qualität greifen. Damit helfen wir den Bauern. Also tun wir es! – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

12.18


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Ehmann. – Bitte.

 


12.18.42

Abgeordneter Michael Ehmann (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Kollege Sieber, ich schätze dich sehr, aber zu Beginn war ich mir nicht ganz sicher, ob du für die Bauern oder für Raiffeisen gespro­chen hast, aber das sei dahingestellt. (Abg. Schönegger: Jetzt hör aber auf! Das hat der Krainer gesagt! – Weitere Rufe und Gegenrufe zwischen den Abgeordneten Krai­ner und Schönegger.)


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Im Grünen Bericht kommt durchaus zum Ausdruck, dass die Einkommensverluste Realität sind, dass Probleme in der gerechten Preisgestaltung Realität sind. Ja, ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen, das ist eine Herausforderung, nicht nur eine He­rausforderung, sondern auch ernst zu nehmen. Dem ist mit aller Vehemenz entgegen­zutreten.

Aber ich möchte in meinem Debattenbeitrag trotzdem auf einen positiven Bereich ein­gehen, der heute auch schon von einigen Rednerinnen und Rednern angesprochen wurde, nämlich auf den Teil zur gemeinsamen Agrarpolitik bis 2020. In nationaler Um­setzung ist unter anderem der Bereich Qualitätsregelung für Agrarerzeugnisse und Le­bensmittel zu finden. In diesem Bereich gibt es nämlich auch einen ständigen Zu­wachs, nicht nur im Bewusstsein der Bevölkerung zur Biolandwirtschaft und zum The­ma Bio insgesamt, auch in ökonomischer Form.

In ökonomischer Form deshalb, weil es doch auch in einigen Bereichen zu Einkom­menszuwächsen kommt, wie beispielsweise im Biobereich mit der Biomilch, wie aktuell dem Grünen Bericht zu entnehmen ist. Die Preise sind dort zum Beispiel nicht gefallen.

In diesem Zusammenhang ist daher auch die Förderung von nationalen Qualitätsrege­lungen oder entsprechenden Transparenzregelungen von großer Bedeutung. Gerade deshalb haben wir erst vor Kurzem – das möchte ich schon betonen – das EU-Quali­tätsregelungen-Durchführungsgesetz dazu beschlossen. Dieser Bereich ermöglicht ja gerade im Biobereich eine Stärkung, ebenso wie eine Vertrauensstärkung auch für Konsumentinnen und Konsumenten und auch im Bereich der Kontrolle und der Anwen­derverfahren.

Gezielte Schwerpunkte, Investitionsprogramme, Investitionsmaßnahmen werden künf­tig die Ergebnisse derartiger Berichte, eben durch verbesserte Strategien wie im ange­sprochenen Bereich der Gemeinsamen Agrarpolitik bis 2020, hoffentlich wieder besser ausfallen lassen.

Fördermaßnahmen in der konventionellen Landwirtschaft, aber auch in der Biolandwirt­schaft halte ich daher für besonders sinnvoll. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

12.21


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Gahr. – Bitte.

 


12.21.16

Abgeordneter Hermann Gahr (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätz­te Kolleginnen und Kollegen! Besonders begrüßen darf ich die Schülerinnen und Schü­ler des Piaristengymnasiums. Grüß Gott im Parlament! (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ und FPÖ.)

Der Grüne Bericht 2015 zeigt die schwierige Lage, was die Einkommenssituation der österreichischen Bäuerinnen und Bauern betrifft, auf. Österreichs kleinstrukturierter Land­wirtschaft bläst natürlich der raue Wind des Weltmarktes entgegen, sie steht aber auch unter dem Druck des Handels. Wir erleben ja gerade derzeit im Milch- und Schweine­bereich, dass die Erzeugerpreise nicht mehr kostendeckend sind. Da brauchen wir da­her Strategien und Maßnahmen für die Zukunft.

Der Gesamtproduktionswert der Landwirtschaft in Österreich betrug 2014 8,54 Milliar­den €. Im vor- und nachgelagerten Bereich wurden 38,1 Milliarden € erwirtschaftet. Das zeigt, dass die Bedeutung der Landwirtschaft weit über das Maß dessen, was wir hier umsetzen, hinausgeht – in den Bereichen Lebensmittel, im Bereich Forst, im Be­reich Energie, was die Landtechnik betrifft, aber natürlich im Besonderen auch, was den Tourismus betrifft. Gerade der Tourismus in Österreich braucht eine flächende­ckende und lebendige Landwirtschaft, denn nur eine gepflegte Kulturlandschaft wird Gäste in unser Land einladen.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll102. Sitzung / Seite 67

Wir brauchen in der österreichischen Landwirtschaft aber auch Entlastungsmaßnah­men, und hier darf ich drei Bereiche ganz kurz ansprechen. Was die Bäuerinnen und Bauern massiv belastet, sind einerseits natürlich die Bürokratie und die überbordende Kontrolle. Da sollte es unbedingt Verwaltungsvereinfachung geben. Das Zweite sind die sehr hohen Produktions- und Hygienestandards, die ja durchaus angebracht sind, aber es können nicht immer alle Kosten auf die bäuerlichen Betriebe abgewälzt wer­den. Und das Dritte ist die steuerliche Belastung. Wir haben in Europa viele Länder, wo die Landwirtschaft eine steuerliche Entlastung erfährt, indem sie „grünen Diesel“ ein­setzen darf. Diesem Beispiel sollte Österreich folgen. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Darmann: Seid ihr in der Regierung? … umsetzen!)

Abschließend glaube ich, für die Zukunft brauchen wir einen Schulterschluss zwischen Produzenten, Verarbeitern, Handel und Konsumenten. Wir brauchen hochwertige Lebens­mittel. Ich glaube, die Österreicherinnen und Österreicher sind ja sehr regional einge­stellt und sind auch bereit, in einem gewissen Maß einen höheren Preis zu zahlen.

Aber um die aktuelle schwierige Lage bewältigen zu können, müssen wir uns gezielte Förderungsmaßnahmen überlegen, die Möglichkeiten der ländlichen Entwicklung nut­zen, den Ausbau der agrarischen Bildung, Wissenschaft und Forschung und die Er­schließung von neuen Absatzmärkten vorantreiben.

In diesem Sinne appelliere ich an die Solidarität aller, damit es uns auch weiterhin gelingt, möglichst vielen bäuerlichen Betrieben Chancen und Möglichkeiten für die Zu­kunft zu bieten. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Darmann: Du tust so, als wärst du in der Opposition!)

12.24


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Grillitsch. – Bitte.

 


12.24.17

Abgeordneter Fritz Grillitsch (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Liebe Kol­leginnen und Kollegen! Diese Agrardebatte, diese Landwirtschaftsdebatte hier ist Gott sei Dank immer eine sehr emotionale, mit Leidenschaft geführte Debatte, in der in fast ausnahmslos allen Debattenbeiträgen die hohe Sympathie für die Bäuerinnen und Bauern zum Ausdruck kommt, in der man auch ganz klar Danke sagen muss für die großartigen Leistungen, die die Bäuerinnen und Bauern tagtäglich für Sie und für Ös­terreich erbringen, nämlich ständig versucht zu sein, tierschützend und umweltgerecht genau jene Lebensmittel zur Verfügung zu stellen und auf den Tisch zu stellen, die Sie sich so sehr wünschen, meine Damen und Herren!

Aber man sieht in dieser Diskussion auch, wenn wir über Preise diskutieren, über Rah­menbedingungen diskutieren, dass es hier sehr wohl unterschiedliche Zugänge gibt zur Frage, was die Bauern brauchen. Nämlich: Die Bauern brauchen faire Preise! Und da bitte ich Sie: Sorgen wir dafür auch im täglichen Tun und im täglichen Handeln, indem wir auch beim Einkauf darauf Rücksicht nehmen, dass heimische Produkte bevorzugt werden und dass sie auch ihren entsprechenden Preis haben! Denn eine Politik zu ma­chen, die da lautet: Preise runter, Standards rauf!, wird die bäuerliche Form der Land­wirtschaft für die Zukunft nicht sicherstellen können, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Daher mein Appell an Sie alle: Machen wir weniger Gesetze! Ich nenne Ihnen als ein Beispiel die Südsteiermark – kleinststrukturierte Landwirtschaft –: Dort haben nach dem Krieg Mais und Schwein Wohlstand gebracht. Heute haben wir dort die Situation, dass durch verschiedenste gesetzliche Bestimmungen – beschlossen auch hier in diesem Ho­hen Haus und auch in den Landtagen, auch in den Gemeinden, beispielsweise das Ver­bot der Neonicotinoide, das Raumordnungs- und Bauordnungsgesetz, ein Erlass des


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll102. Sitzung / Seite 68

Herrn Landesrats Kurzmann kurz vor seinem Abtritt, die Nitrat-Richtlinie – dort Land­wirtschaft unmöglich gemacht wird, meine Damen und Herren!

Und was ist die Konsequenz daraus? – Dass wir Lebensmittel importieren müssen (Abg. Höfinger: Genau!), völlig egal, wie sie produziert worden sind, ob unter Einsatz von Gentechnik oder mit Hormonen bei der Tierfütterung. Meine Damen und Herren, wollen Sie das? (Abg. Pirklhuber: Nein!) Dann sagen Sie es! Dann stellen Sie sich he­raus und sagen Sie es! – Wenn nicht, dann sorgen wir für weniger gesetzliche Bestim­mungen, weniger Bürokratie und stabile Rahmenbedingungen für unsere Bäuerinnen und Bauern! (Beifall bei der ÖVP.)

Herr Kollege Jannach! Du weißt, ich schätze dich wirklich sehr – das sage ich auch hier in diesem Hohen Haus –, aber Agrardebatte beziehungsweise Agrarpolitik darf und kann nicht Sozialpolitik sein, meine Damen und Herren! Es geht um Leistungen, die die Bäuerinnen und Bauern erbringen, unabhängig davon, welche Größe ihr Betrieb hat. Wenn sie Umweltleistungen erbringen, dann sollten wir diese nicht unter sozialen Ge­sichtspunkten diskutieren, sondern das als eine Leistung anerkennen für das, was sich die Konsumenten wünschen – egal, wie groß der Betrieb ist! Das ist ein Beitrag für die Sicherung unserer Lebensgrundlagen und für eine intakte Umwelt! (Beifall bei der ÖVP.)

Daher: Beenden wir diese Art von Argumentation! Ich weiß schon, es schaut gut aus, wenn man das so darstellt: 1,3 Millionen € für einen Betrieb. Es sind aber nicht so viele Betriebe in Österreich, die das bekommen, sondern wir haben eine ausgewogene Agrar­politik, insbesondere mit der Bergbauernförderung, insbesondere mit dem Umweltpro­gramm, wobei es wirklich dir, Herr Bundesminister – auch dank deiner guten Beziehun­gen in Brüssel – zu verdanken ist, dass sichergestellt werden konnte, dass die Gelder wieder punktgenau zur Verfügung stehen. Das ist deinem Einsatz zu verdanken.

In diesem Sinne erwarte ich mir eigentlich, dass Sie, wenn Sie täglich auf dem Ess­tisch, auf dem Gabentisch Sicherheit haben wollen, mithelfen, dass das auch möglich ist, und zwar mithilfe stabiler Rahmenbedingungen. (Beifall bei der ÖVP.)

12.28


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Schmid. – Bitte.

 


12.28.40

Abgeordneter Gerhard Schmid (ohne Klubzugehörigkeit): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Sehr geehrter Herr Bundesminister! In meinem Beitrag geht es um die Investi­tionsförderung, die Umwelt, die Umrüstung landwirtschaftlicher Maschinen auf Pflan­zenölbetrieb.

Die heimische Landwirtschaft ist ein Garant für Qualität. Dennoch ist der Faktor Land­wirtschaft durch das politische Versagen der Bundesregierung seit Jahren rückläufig. (Abg. Höfinger: Na geh!) Als Hauptgründe des Bauernsterbens sind die bevorste­hende Unterzeichnung der Freihandelsabkommen und die Exportsperre nach Russ­land anzuführen.

Für die heimische Landwirtschaft sind Arbeitsgrundlagen zu schaffen, welche das Bau­ernsterben beenden und mit steuerlichen Begünstigungen, letztlich auch Begünstigun­gen für den Konsumenten, für die Arbeit in der Landwirtschaft neue Anreize schaffen. Es kann nicht akzeptiert werden, dass die Produkte der heimischen Landwirtschaft für den Normalbürger nicht mehr finanzierbar sind und durch fragwürdige Importprodukte ersetzt werden.

Technische Umrüstungen sind typenabhängig mit teils erheblichen Kosten verbunden. Der Betrieb neuer Traktoren ist unabhängig vom Treibstoff möglich, jedoch sind zum Beispiel mit Rapsöl betriebene beim Ankauf mit einem finanziellen Mehraufwand ver-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll102. Sitzung / Seite 69

bunden. Der uneingeschränkte Betrieb von Land- und Forstwirtschaft darf nicht durch zusätzliche Belastungen gefährdet werden. Dies gilt umso mehr, als die Technik ent­sprechende Umstellungen ermöglicht, welche den Umweltschutzgedanken nachhaltig fördern.

Dem Antrag auf Einführung einer Investitionsförderung ist aus meiner Sicht somit zuzu­stimmen. – Danke. (Beifall des Abg. Jannach.)

12.29


Präsident Karlheinz Kopf: Ein zweites Mal zu Wort gemeldet hat sich Herr Abge­ordneter Steinbichler. – Bitte.

 


12.30.35

Abgeordneter Leopold Steinbichler (STRONACH): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Zuseherinnen und Zuseher auf der Galerie und vor den Fernsehgeräten! (Der Redner platziert vor sich auf dem Red­nerpult eine Tafel, auf der ein Foto eines voll beladenen Containerschiffes zu sehen ist, sowie eine große Packung Bio-Margarine.) In der heutigen Diskussion (Zwischenrufe bei der ÖVP) – das würden sich natürlich manche wünschen, die etwas zu verbergen haben – möchte ich einen Vergleich ziehen zur Flüchtlingsdiskussion.

Bei der Flüchtlingsdiskussion wird nie darüber geredet, wie viele Wirtschaftsflüchtlinge und wie viele Kriegsflüchtlinge wir haben – und hier bei dieser Agrardebatte wird nie darüber geredet, wie viel wir an heimischer Produktion haben und wie viel Import ist. Und ich bin betroffen, wenn ein Abgeordneter der ÖVP, nämlich Kollege Hofinger, bei versprochenen Ausgleichszahlungen, die den Bauern versprochen und durch diese Re­gierung gekürzt wurden, von Vorauszahlungen spricht und diese nicht einmal in voller Höhe geleistet werden. Das ist Verrat an den Bauern! (Beifall beim Team Stronach.)

Und ich bin ganz besonders betroffen, wenn Kollege Gahr richtigerweise die Bürokratie und gleichzeitig das Nichtvorhandensein des Agrardiesels kritisiert, obwohl er doch selbst bei der namentlichen Abstimmung mitgestimmt hat!

Meine Kolleginnen und Kollegen! Was hier bejammert wird, ist ja das Ergebnis eurer Arbeit der letzten Jahre! (Beifall beim Team Stronach.) Ihr habt den Agrardiesel abge­schafft! Ihr habt den Bauern und Bäuerinnen 52 Millionen €, die sie in der Tasche ge­habt haben, genommen! Und jetzt stellt ihr euch hierher und sagt, wir haben Wettbe­werbsnachteile gegenüber den europäischen Kollegen.

Jetzt komme ich eigentlich zum Höhepunkt, und deshalb sei nochmals in aller Kürze gesagt: Die Konsumentinnen und Konsumenten haben das Recht, dass dort, wo etwas draufsteht, ebendas auch drinnen ist, dass also dort, wo „Österreich“ draufsteht, Öster­reich drinnen ist.

Es wird von Überschüssen gesprochen, es wird von Fleischbergen gesprochen, es wird von Butterbergen gesprochen. – Jawohl, mit diesen Fahrzeugen (auf die auf dem Rednerpult platzierte Tafel zeigend) kommen sie! Die Qualitätspickerl und Qualitätsma­scherl bekommen sie bei der Verarbeitung.

Deshalb, lieber Präsident Schultes: Du opferst hier mit deinen Reden die österreichi­sche Landwirtschaft auf dem Altar der Globalisierung! (Wow-Rufe.) Stell bitte deine Funktion zur Verfügung! Du schadest den österreichischen Bäuerinnen und Bauern (Zwi­schenrufe bei der ÖVP) und noch viel mehr den Konsumentinnen und Konsumenten! Begreif das doch endlich! Du bist ein Lobbyist für TTIP, du bist ein Lobbyist für Glo­balisierung und kein Lobbyist – der du sein müsstest – für die heimische Produktion. (Beifall beim Team Stronach sowie des Abg. Hübner. – Zwischenruf der Abg. Fekter.)

Du kannst, so wie alle Rednerinnen und Redner heute hier an dieser Stelle, deine Glaub­würdigkeit sofort beweisen, wenn bei der nächsten Diskussion zum Qualitätsgütesie-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll102. Sitzung / Seite 70

gelgesetz dieses Gütesiegelgesetz zum Schutz der Konsumentinnen und Konsumen­ten, zum Schutz der heimischen Bäuerinnen und Bauern, zum Schutz der Umwelt, zum Schutz des Klimas, zum Schutz der Gesundheit umgesetzt wird. Seit fünf Jahren wird es vertagt. Setzen wir es um, und dann sehen wir, wie die Wirklichkeit ausschaut! – Danke. (Beifall beim Team Stronach. – Abg. Fekter: Leo Steinbichler, du bringst ja auch nichts weiter! – Abg. Rädler – zu dem mit der Tafel und der Großpackung Marga­rine auf seinen Sitzplatz zurückkehrenden Abg. Steinbichler –: Verkaufst du das jetzt auf dem Naschmarkt?)

12.33


Präsident Karlheinz Kopf: Ebenfalls ein zweites Mal hat sich Herr Abgeordneter Jan­nach zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


12.33.58

Abgeordneter Harald Jannach (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Noch ein­mal zum Thema der Agrarförderungen und zu dem Grund, warum wir Freiheitliche der Meinung sind, dass die Agrarförderungen ungerecht verteilt sind:

Es erhalten ungefähr 120 000 Betriebe in Österreich aus dem InVeKoS- und Förder­programm Agrarförderung. 70 000 Betriebe erhalten weniger als 10 000 €, und 334 von 120 000 Betrieben in Österreich erhalten im Durchschnitt mehr als 450 000 € Förde­rungen pro Jahr! Das halten wir nicht für gerecht. Das ist äußerst ungerecht und schä­digt die kleinbäuerliche Landwirtschaft. (Beifall bei der FPÖ.)

Zum Beweis werde ich jetzt noch einmal entsprechende Zahlen nennen – und wir ha­ben ja schon vor einem Jahr einen diesbezüglichen Antrag eingebracht, und die SPÖ, die immer von sozialer Gerechtigkeit spricht, hat diesen Antrag in einer namentlichen Abstimmung abgelehnt –:

Stiftung Fürst Liechtenstein: 1,3 Millionen € pro Jahr an Förderung.

Ehrenhofer: 580 000 € pro Jahr an Förderung. – Wie wollen Sie das einem Arbeitneh­mer erklären?

Stift Heiligenkreuz in Trumau: 571 000 € Förderung pro Jahr; Beschäftigte: nicht einmal 20! – Das ist Arbeitsplatzförderung, wie wir sie uns nicht vorstellen.

Domaine Albrechtsfeld: 550 000 € Förderung.

Stiftung Fürst Esterházy: 373 000 € Förderung pro Jahr.

Das ist nicht gerecht! Und 70 000 bäuerliche Kleinbetriebe im Berggebiet, die speisen Sie mit wenigen tausend Euro – bis maximal 10 000 € – ab! Dagegen wehren wir uns! Das ist nicht richtig! (Beifall bei der FPÖ.)

Es gibt ja zwei Bereiche im landwirtschaftlichen Förderbereich, das eine sind die Di­rektzahlungen und das andere sind die Zahlungen für Maßnahmen. Die SPÖ hat noch groß gefeiert: 150 000 € Förderobergrenze! – Bei 150 000 € Förderobergrenze aus der einen Schiene der Landwirtschaft betrifft das in Österreich 35 Betriebe, die von einer kleinen Kürzung betroffen sind. Das hat keine Auswirkungen auf die Umweltförderun­gen. Dort können weiter Hunderttausende Euro pro Jahr an einzelne, wenige Betriebe ausgezahlt werden. Das halten wir für nicht gerecht! Hier fordern wir einen Einschnitt. Hier muss es zu Kürzungen kommen, und wir müssen dieses Geld, das wir daraus lu­krieren, an die kleinen landwirtschaftlichen Betriebe im österreichischen Berggebiet ge­ben. Denn das kann nicht soziale Gerechtigkeit sein, und das kann auch nicht im Sinne der SPÖ sein. (Beifall bei der FPÖ.)

12.36


Präsident Karlheinz Kopf: Ein zweites Mal zu Wort gemeldet hat sich auch Herr Ab­geordneter Pirklhuber. – Bitte.

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll102. Sitzung / Seite 71

12.37.01

Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Tatsächlich – Kollege Jan­nach hat die Beispiele angeführt –, dem kann man nur grundsätzlich und auch faktisch beipflichten, die Analyse ist korrekt! Und wenn die Sozialdemokratie nicht bereit ist, innerhalb der Regierung ihre soziale politische Verantwortung wahrzunehmen, dass es zu mehr Gerechtigkeit in der Agrarpolitik kommt, dann muss das eben die Opposition auf die Tagesordnung setzen.

Meine Damen und Herren, Sie haben sogar unmittelbar die Möglichkeit, darüber abzu­stimmen, denn es gelangt ja auch mein Antrag betreffend „Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik 2014–2020 – Umsetzung in Österreich“ heute hier zur Abstimmung. In die­sem Antrag fordern wir die EU-konforme Möglichkeit, die ersten 30 Hektar je Betrieb besser zu fördern als die restlichen Flächen. Damit würden die Kleinbetriebe gestärkt. Das ist ein EU-konformes Instrument, meine Damen und Herren!

Ich habe schon mehrfach an die Adresse des Landwirtschaftsministers, wenn er von sozialer Politik in der Agrarpolitik spricht, die Frage gerichtet: Warum nutzen Sie diese Möglichkeit der Europäischen Union nicht? Diese steht in den entsprechenden EU-Ver­ordnungen! – Sie von SPÖ und ÖVP können heute darüber abstimmen, und alle ande­ren Kolleginnen und Kollegen ebenso.

Eine Agrarwende, meine Damen und Herren, ist ein Gebot der Stunde. Die Krise ge­bietet es. Der Analyse stimmen wir selbstverständlich zu. Wir werden daher dem Grü­nen Bericht unsere Zustimmung geben, weil die Analyse ausreichend klar ist: Wir brau­chen eine Umkehr! Wir brauchen eine entsprechende soziale Ausrichtung der Agrar­politik! Die Möglichkeiten liegen auf dem Tisch, Sie können darüber heute abstimmen. Ich erwarte mir dementsprechend auch Ihre Zustimmung, werte Kolleginnen und Kolle­gen von der ÖVP. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

12.39

12.39.10

 


Präsident Karlheinz Kopf: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung erfolgt über jeden Ausschussantrag getrennt.

Zunächst Abstimmung über Tagesordnungspunkt 1: Antrag des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft, den vorliegenden Bericht III-210 der Beilagen zur Kenntnis zu neh­men.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein Zeichen. – Das ist mit Mehr­heit angenommen.

Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Steinbichler, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend „Lebensmittelkrisenplan“.

Wer spricht sich dafür aus? – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Steinbichler, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend „Vollkostenrechnung in der Landwirtschaft“.

Wer spricht sich hiefür aus? – Das ist wiederum die Minderheit. Der Antrag ist somit abgelehnt.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 2: Antrag des Aus­schusses für Land- und Forstwirtschaft, seinen Bericht 810 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer spricht sich hiefür aus? – Das ist mit Mehrheit angenommen.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll102. Sitzung / Seite 72

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 3: Antrag des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft, seinen Bericht 868 der Beilagen zur Kennt­nis zu nehmen.

Ich bitte um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

12.40.334. Punkt

Bericht des Umweltausschusses über den Fortschrittsbericht 2015 nach § 6 Kli­maschutzgesetz, vorgelegt vom Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Um­welt und Wasserwirtschaft (III-215/853 d.B.)

 


Präsident Karlheinz Kopf: Wir kommen nun zum 4. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Rauch. – Bitte.

 


12.41.04

Abgeordneter Walter Rauch (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminis­ter! Hohes Haus! Ich als Steirer muss noch kurz auf die Schongebietsverordnung sei­tens des Landesrates Kurzmann replizieren.

Jakob Auer, Fritz Grillitsch – Kollege Grillitsch, du gehst gerade –, Folgendes: Kurz­mann hat diese Verordnung in Abstimmung mit seinen Beamten und natürlich auch in Abstimmung mit dem Agrarlandesrat Hans Seitinger unterschrieben. Ich weiß natürlich, dass ihr im Zuge der Landwirtschaftskammerwahlen, die im Jänner 2016 anstehen, ner­vös seid. (Abg. Deimek: Ui, ui!) Ich verstehe eure Aufregung, aber das war abge­stimmt – auch mit der ÖVP. (Beifall bei der FPÖ.)

Nun zum aktuellen Bericht und zum Stand der Einhaltung der österreichischen Klima­schutzziele in der Kyoto-II-Periode. Dieser Bericht berücksichtigt für den Zeitraum bis 2020 bereits die Emissionsziele, die der Nationalrat mit der jüngsten Novellierung des Klimaschutzgesetzes festgelegt hat – ohne unsere Stimmen, auch begründet.

Mit Ausnahme des Jahres 2010 sinken die Treibhausgasemissionen in Österreich seit 2005 kontinuierlich und stetig. Gleichzeitig ist aber die Wirtschaft um 11,1 Prozent ge­wachsen, und die Emissionen sind um 13,9 Prozent gesunken. Diese Divergenz zeigt, dass unsere Klimaschutzmaßnahmen auch greifen. Im Jahr 2013 wurde das EU-Limit der Treibhausgasemissionen in Österreich um 2,9 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent un­terschritten, und die sektoralen Höchstmengen wurden in keinem Sektor überschritten.

Österreich ist, was die Ausgangssituation für die Erreichung der Klimaschutzziele bis 2020 betrifft, auf einem sehr, sehr guten Weg. Das ist richtig, Herr Bundesminister Rupprechter, das sagen auch Sie. Auch die EU bestätigt, dass wir die vorgeschriebene Emissionsreduktion bis 2020 durch die Maßnahmen im Inland ohne Ankauf von Zertifi­katen erreichen können. (Zwischenruf der Abg. Brunner.) Das ist richtig, das glauben wir auch. Das ist auch begrüßenswert, nur lehnen wir diesen Handel mit Emissionszer­tifikaten grundsätzlich ab. Das ist nicht unser Weg! (Beifall bei der FPÖ.) Es herrschen hier börsenähnliche Zustände, ohne dass es dem Klimaschutz in irgendeiner Art und Weise dienlich ist.

Die Einteilung dieser Maßnahmen in Sektoren wird von uns nach wie vor auch kritisiert und abgelehnt, zum Beispiel im Bereich der Landwirtschaft. Die vorherigen Tagesord­nungspunkte haben es gezeigt: Weitere Maßnahmenverschärfungen in Bezug auf die Landwirtschaft im Umweltschutzbereich werden natürlich ein weiteres Bauernsterben mit sich bringen. Das wollen wir nicht!

Der nächste Punkt ist der Verkehrsbereich: höhere Steuern, Abgaben und, und, und, wodurch der Autofahrer automatisch schon jetzt eine der größten Melkkühe der Nation


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll102. Sitzung / Seite 73

ist. Auch das wollen wir nicht! Keine neuen Steuern und keine zusätzlichen Belastun­gen in diesem Bereich! (Beifall bei der FPÖ.)

Wir wollen konkrete Maßnahmen und konkrete Ziele, und das vor allem bei erneuer­baren Energien. Daher fordern wir: Die erneuerbaren Energieträger sollen nur mehr mit dem halben Mehrwertsteuersatz von 10 Prozent besteuert werden. Das ist unser An­satz, und das ist auch unser Weg. (Beifall bei der FPÖ.)

Gefördert gehören in diesem Bereich die Sonnenkraft, die Wasserkraft und vor allem die Windkraft, und durch die Verwendung umweltfreundlicher Treibstoffe können die Res­sourcen automatisch geschont werden. Wir müssen in diesem Bereich entschlossen vorgehen, um alle Maßnahmen, die dem Klimaschutz dienlich sind, auch umzusetzen.

In einem gestern veröffentlichten internationalen Bericht der IEA, der Internationalen Energieagentur, fordert man, dass die Anstrengungen beim Ausbau von erneuerbaren Energien in den nächsten Jahren massiv gesteigert werden sollen. In diesem Bericht beschreibt die IEA auch, dass die im Vorfeld versprochenen Klimaschutzziele für Paris noch lange nicht erreicht sind. Dafür müssen die ineffizienten Kohlekraftwerke abge­stellt werden, um die Investitionen – vor allem in die erneuerbaren Energien – zu stei­gern.

Noch einmal unsere Forderung: Österreich muss größtmögliche Eigenenergieversor­gung erlangen und erneuerbare Energien forcieren und nutzen. Erneuerbare Energie soll nur mit dem halben Mehrwertsteuersatz von 10 Prozent besteuert werden, und es braucht den Ausbau von Sonnen-, Wind- und Wasserkraft. (Beifall bei der FPÖ.)

12.46


Präsident Karlheinz Kopf: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Höfinger. – Bitte.

 


12.46.39

Abgeordneter Johann Höfinger (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Fortschrittsbericht zum Klimaschutzgesetz (den Bericht in die Höhe haltend) sollte an und für sich im Ausschuss bereits enderledigt werden. Auf Wunsch der Grünen diskutieren wir ihn auch heute hier im Plenum. Kein Problem, das machen wir natürlich gerne, denn es ist ein Bericht, der dokumentiert, dass wir auf dem rich­tigen Weg sind. Die Treibhausgasemissionen in Österreich sinken kontinuierlich. Mein Vorredner, Kollege Rauch, hat das skizziert. Es gab einen kleinen Knick im Jahr 2010, sonst sind wir, wie gesagt, auf dem richtigen Zielpfad. (Beifall bei der ÖVP. – Zwi­schenruf der Abg. Brunner.)

Was besonders wichtig ist, und das wird in der Diskussion oft unterschätzt: Seit dem Jahr 2008 – Sie wissen, es gab eine Wirtschafts-, Finanz-, Bankenkrise und so weiter, es waren enorme Herausforderungen für unsere Wirtschaftstreibenden – konnten wir trotz dieser Umstände die Treibhausgasemissionen kontinuierlich senken. Wir konnten den Wirtschaftsstandort absichern, und wir konnten die Arbeitsplätze in einem hohen Maße halten. Diese Schere ist uns gelungen, und daher ist es umso bedeutender, wenn das in diesem Fortschrittsbericht dokumentiert wird.

Warum das Ganze seine Wichtigkeit hat, haben wir gestern in Vorbereitung auf die Klimakonferenz in Paris sehr ausführlich diskutiert. Was mich erschüttert hat, muss ich gestehen, das war nach wie vor die Meinung der FPÖ. Kollege Rauch war heute schon ein wenig moderater, aber Kollege Deimek hat gestern den Klimawandel wieder be­harrlich geleugnet. (Abg. Deimek: Nein, du hörst nicht zu! Es ist ja fürchterlich! Den gibt’s seit 1 000 Jahren!) Er hat sogar beharrlich, wie er war, wie der Vogel von der Wal­therweide den Walther von der Vogelweide zitiert und hat nochmals den Versuch ge­macht, den Klimawandel in dieser Art und Weise nicht ehrlich darzustellen.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll102. Sitzung / Seite 74

Ich habe euch gestern meine Tafel mit der Übersicht der letzten 1 000 Jahre gezeigt. (Der Redner hält eine Tafel mit einem Kurvendiagramm mit der Überschrift „Globale Erwärmung in den letzten 1.000 Jahren“ in die Höhe.) Da diese Tafel offensichtlich zu kurz für euch war und euch nicht den Überblick gegeben hat – man sieht hier die letz­ten 130 Jahre mit dem massiven Anstieg –, habe ich sogar etwas für euch erfunden, damit euer Überblick größer wird. Ich habe etwas erfunden: das faltbare Verlänge­rungstaferl. (Der Redner faltet eine Verlängerung des Kurvendiagramms aus.) Dadurch habe ich euch die letzten 8 000 Jahre skizziert (Zwischenrufe der Abgeordneten Dei­mek und Hafenecker), und man sieht zwar ein paar kleine Wellenbewegungen, aber ganz deutlich sieht man diesen enormen Anstieg in den letzten 130 Jahren.

Ich stelle euch das Taferl auch gerne für den Klub zur Verfügung. Ihr könnt es auf­hängen. Geht vorbei und schaut es euch jeden Tag an und nehmt diese Geschichte in Zukunft ernst! (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ und Grünen.)

Um dem, was gestern diskutiert wurde, noch einmal Nachdruck zu verleihen und in Hinblick auf die Klimakonferenz einen Schwerpunkt zu setzen, darf ich folgenden An­trag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Höfinger, Weninger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Österreichs Beitrag zu einem ambitionierten Ergebnis auf der Klimakonferenz COP 21 in Paris

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere der Herr Bundesminister für Land- und Forst­wirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft werden ersucht,

sich im Rahmen der EU und deren Ziel einer Reduktion der europäischen Treibhaus­gasemissionen von mindestens 40% bis 2030 gegenüber dem Status von 1990 auf der Klimakonferenz COP 21 in Paris für ein ambitioniertes globales, rechtsverbindliches Klimaschutzabkommen für die Zeit nach 2020 einzusetzen, welches in Einklang mit dem Ziel steht, den Anstieg der globalen Durchschnittstemperaturen auf unter zwei Grad Celsius gegenüber vorindustriellen Werten zu begrenzen.

sich bei den Bundesländern sowie privaten Unternehmen und Institutionen für eine zu­sätzliche Dotierung zu den bereits zugesagten Bundesmitteln zum Green Climate Fund einzusetzen, um so in Summe einen gesamtösterreichischen Beitrag zur notwendigen internationalen Klimafinanzierung leisten zu können.“

*****

In diesem Sinne: Wir sind auf einem guten Weg, und das wollen wir in Paris ver­stärken. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

12.50


Präsident Karlheinz Kopf: Der von Herrn Abgeordnetem Höfinger eingebrachte Ent­schließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Johann Höfinger, Hannes Weninger, Kolleginnen und Kollegen be­treffend Österreichs Beitrag zu einem ambitionierten Ergebnis auf der Klimakonferenz COP 21 in Paris


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eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 4 Bericht des Umweltausschusses über den Fortschrittsbericht 2015 nach § 6 Klimaschutzgesetz, vorgelegt vom Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (III-215/853 d.B.)

Der Klimawandel ist eine der größten politischen Herausforderungen unserer Zeit. Die Zunahme der globalen durchschnittlichen Temperaturen der Atmosphäre und der Mee­re führt bereits heute weltweit zum messbaren Abschmelzen von Gletschern, einem Anstieg der Meeresspiegel sowie dem vermehrten Auftreten von Extremwetterereignis­sen (Hitzewellen, Dürreperioden, Überschwemmungen, u.a.).

Dem Ausmaß der Situation Rechnung tragend, stellt UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon fest „Dieses Jahr werden Regierungen wegweisende Entscheidungen in Bezug auf nachhaltige Entwicklung und Klimawandel treffen. 2015 muss ein Jahr für globale Ak­tionen sein.“

Die Hauptursache für die in den letzten 100 Jahren verzeichnete Erwärmung sind vom Menschen verursachte Treibhausgasemissionen. Um den Klimawandel effektiv zu be­kämpfen, sind daher Maßnahmen zur Reduktion von Treibhausgasemissionen, aber auch zur Anpassung an unvermeidbare Folgen des Klimawandels, erforderlich. Aus wissen­schaftlicher Sicht ist eine Begrenzung des Temperaturanstiegs um durchschnittlich ma­ximal zwei Grad Celsius gegenüber vorindustriellen Werten geboten.

Betreffend die Klimaschutzziele für 2020 befindet sich Österreich laut Fortschrittsbe­richt zum Klimaschutzgesetz 2015 auf Zielkurs. Die auf europäischer Ebene mit dem Zielhorizont 2030 festgelegten Einsparungsziele werden erst nach der Klimakonferenz in Paris auf nationalstaatliche Ziele heruntergebrochen werden. Im Rahmen dieses Prozesses wird es auf diese Ziele aufbauende Verhandlungen zwischen Bund und Ländern zur Erreichung der neuen Klimaziele geben.

Der Klimawandel ist ein globales Problem und kann auch nur global gelöst werden. Deshalb kommt internationalen Vereinbarungen zum Klimaschutz eine besondere Be­deutung zu. Von 30. November bis 11. Dezember 2015 findet in Paris die Klimakon­ferenz COP 21 der Vereinten Nationen statt. Dort soll ein globales, rechtsverbindliches Klimaschutzabkommen für den Zeitraum ab 2020 beschlossen werden.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere der Herr Bundesminister für Land- und Forst­wirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft werden ersucht,

sich im Rahmen der EU und deren Ziel einer Reduktion der europäischen Treibhaus­gasemissionen von mindestens 40% bis 2030 gegenüber dem Status von 1990 auf der Klimakonferenz COP 21 in Paris für ein ambitioniertes globales, rechtsverbindliches Klimaschutzabkommen für die Zeit nach 2020 einzusetzen, welches in Einklang mit dem Ziel steht, den Anstieg der globalen Durchschnittstemperaturen auf unter zwei Grad Celsius gegenüber vorindustriellen Werten zu begrenzen.

sich bei den Bundesländern sowie privaten Unternehmen und Institutionen für eine zu­sätzliche Dotierung zu den bereits zugesagten Bundesmitteln zum Green Climate Fund einzusetzen, um so in Summe einen gesamtösterreichischen Beitrag zur notwendigen internationalen Klimafinanzierung leisten zu können.“

*****

 


Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Brunner. – Bitte.

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll102. Sitzung / Seite 76

12.51.02

Abgeordnete Mag. Christiane Brunner (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Um­weltminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuse­her! Wir diskutieren auf grünes Verlangen den Fortschrittsbericht zur österreichischen Klimabilanz und Erfüllung der Klimaziele, und ich halte es für nötig, ihn hier zu dis­kutieren, weil es in der Öffentlichkeit diesbezüglich durchaus unterschiedliche Darstel­lungen gibt. Ich möchte das jetzt kurz erläutern und mit einem Bild beginnen.

Stellen Sie sich vor, Sie nehmen sich vor, einen Berg zu besteigen, der, sagen wir ein­mal, 2 000 Meter hoch ist. Dann ist dies eine Anstrengung, bei der, glaube ich, jeder weiß: Man sollte das irgendwie kontinuierlich angehen, um dort hinaufkommen zu können. Die Klimaschutzpolitik der österreichischen Bundesregierung hat aber den Weg gewählt, zuerst einmal 1 000 Meter unterhalb des Meeresniveaus zu gehen. Und jetzt haben wir eine Situation, bei der wir wieder 300, 400, 500 Meter nach oben ge­gangen sind. Da sind wir aber immer noch 500 Meter unterhalb des Meeresniveaus, was die Klimaschutzanstrengungen angeht, Herr Bundesminister Rupprechter. Und die­ser Fortschrittsbericht (den Bericht in die Höhe haltend) bezieht sich eben leider nur auf den Zeitraum, in dem die Bundesregierung von minus 1 000 auf minus 500 Meter Meeresniveau gegangen ist. Alles andere wird nicht beleuchtet.

Wenn mein Vorredner hier eine Graphik gezeigt hat, dann kann ich Ihnen auch eine zeigen (eine Tafel mit einem Kurvendiagramm mit der Überschrift „AT: THG-Inventur 1990–2013“ in die Höhe haltend): Das ist die Entwicklung der Treibhausgasemissionen in Österreich seit 1990. Sie (in Richtung des Bundesministers Rupprechter) beschäf­tigen sich ja nur mit dem Zeitraum seit 2005. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Rupprechter.) – Ich gebe es Ihnen dann gerne, Herr Minister. – 2005 hatte Österreich zufälligerweise den höchsten CO2-Ausstoß seit jeher. Und alles, was jetzt als Fort­schritt bezeichnet wird, wird nur ab diesem Peak (auf einen Punkt des Diagramms zei­gend) gerechnet.

Das ist keine Kunst, würde ich sagen. Und wenn Sie sich jetzt rühmen, dass Sie vom letzten Jahr noch einmal 500 Meter hinaufgegangen sind – ja eh, aber wir müssen hier herunter (auf einen weiteren Punkt des Diagramms zeigend), und wir beschäftigen uns damit, ob wir da ein paar Prozent mehr oder weniger haben. Das ist lächerlich. Das hat mit ambitionierter Klimaschutzpolitik gar nichts zu tun.

Ein Beispiel für den Bereich Verkehr, extra noch herausgenommen: Der Treibhausgas­ausstoß im Bereich Verkehr war von 1990 bis 2013 plus 63 Prozent. Die Zielsetzung, die die Bundesregierung jetzt hat, ist minus 2 Prozent bis 2020. Das wird hier als am­bitioniert bezeichnet. Ich bezeichne diese Ziele als völlig ambitionsbefreit. (Beifall bei den Grünen.)

Laut Beschluss des Klimaschutzgesetzes für das Jahr 2020 sollen eben diese mickri­gen Einsparungen geleistet werden. Das heißt nichts anderes als ein Zurück zum Start 1990, und dazu sollten wir 1,9 Millionen Tonnen CO2 einsparen.

Wie möchte die Bundesregierung das machen? – Wenn wir einen Blick ins Budget werfen, sehen wir: Sämtliche Klimaschutzförderungsinstrumente werden massiv zusam­mengestrichen, wie der Klima- und Energiefonds, wie die thermische Sanierung, wie die Umweltförderung im Inland. Die Kürzung dieser Maßnahmen bedeutet ein Plus beim CO2-Ausstoß von 2,5 Millionen Tonnen – im Übrigen auch einen Verlust von knapp 8 000 Arbeitsplätzen. Minus 1,9 Millionen Tonnen CO2 sollten wir einsparen, durch die Budgetvorschläge der Bundesregierung landen wir bei plus 2,5 Millionen Tonnen.

Herr Bundesminister! Wie soll sich das ausgehen? Wie werden Sie das hinkriegen? – Im Maßnahmenprogramm zum Klimaschutzgesetz, das Sie vorgelegt haben, steht – ich zitiere aus diesem Programm – zu den Zielen:


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll102. Sitzung / Seite 77

„Es wird davon ausgegangen, dass gegenwärtig bestehende Maßnahmen zur Absiche­rung der nationalen Zielerreichung durch Bund und Länder jedenfalls aufrechterhalten werden. (…) Dies bedeutet auch, dass bei Zurücknahme oder Abschwächung beste­hender Maßnahmen in Bezug auf deren Wirkung im Gegenzug andere Maßnahmen geschaffen werden müssten, um eine Verschärfung der Zielverfehlung vermeiden zu können.“

Erstens wird da schon von Verschärfung der Zielverfehlung ausgegangen und gar nicht mehr von Zielerreichung, und zweitens wird ganz klar festgehalten: Wenn Maßnahmen gekürzt werden, müssen andere Maßnahmen geschaffen werden.

Herr Minister! Ich frage Sie: Welche Maßnahmen werden wir schaffen, damit Öster­reich zumindest diese lächerlichen Ziele für 2020 einhalten kann? – Ich bin gespannt. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Rupprechter.)

Im Übrigen ist das nicht nur mehr etwas, was wir hier in Österreich diskutieren, son­dern es fällt auf. Es fällt international auf, dass Österreich zu den Klimaschutzschluss­lichtern zählt. Die Europäische Umweltagentur hat kürzlich gemeldet, dass Österreich ab 2016 – also ab sofort – nicht mehr auf Zielkurs für die Erreichung der 2020-Ziele ist. Sie hat Ihnen auch Maßnahmen vorgeschlagen, die umzusetzen wären. Im Übrigen wurde auch festgestellt, dass die EU insgesamt ihre Ziele übererfüllt hat. Die EU steht bei einer Reduktion von 23 Prozent CO2, Österreich steht aktuell bei plus 1,2 Prozent, als eines der wenigen Länder in der EU, das nicht imstande ist, Klimaschutzpolitik zu machen. (Abg. Pirklhuber: So schaut’s aus!)

Auch die OECD – keine grüne Vorfeldorganisation – hat Österreich vorgeschlagen, Maß­nahmen für den Klimaschutz zu setzen. Wir haben im letzten Umweltausschuss einen umfassenden Antrag gestellt, mit Maßnahmen in allen Bereichen, die umzusetzen wä­ren, um auch ambitionierte Ziele in Österreich erreichen zu können. Dieser wurde lei­der vertagt. Ich finde, das alles ist ein katastrophales Signal, das die österreichische Bundesregierung in Richtung Paris aussendet. Sie verpassen dadurch auch Riesen­chancen, die Österreich hat.

Ich möchte jetzt aber auch noch einmal kurz auf die Klimakonferenz in Paris eingehen. Das alles hört sich jetzt sehr negativ an, aber für die Klimakonferenz in Paris bin ich optimistisch. In vielen anderen Staaten gibt es nämlich Bewegung in eine positive Rich­tung, und ich kann Ihnen versichern, dass wir darum kämpfen werden, dass dieses Ab­kommen in Paris zustande kommt. (Beifall bei den Grünen.)

Wir werden uns in den nächsten Wochen auch noch bemühen, Österreich von der Blockierer-Rolle wegzubekommen und einen positiven Beitrag Österreichs zustande zu bringen. Was können wir dafür tun? – Die Klimabilanz kriegen wir in den nächsten zwei­einhalb Wochen nicht mehr hin. Darüber werden wir uns ernsthaft nach der Klimakon­ferenz unterhalten müssen. Das werden wir ganz sicher tun. Aber zwei Punkte sind jetzt noch entscheidend, nämlich dass wir ein Signal aussenden, dass wir uns ernst­hafte Ziele setzen, die einen tatsächlichen Beitrag zum 2-Grad-Ziel leisten, und dass Österreich einen angemessenen und fairen Beitrag in der Frage der Klimafinanzierung leistet, bei der es darum geht, die Ärmsten der Armen und die am meisten vom Klima­wandel betroffenen Länder zu unterstützen, um mit den Folgen des Klimawandels, den wir als Industrienationen verursacht haben, umgehen zu können.

Ich habe hier versucht, einen Antrag einzubringen oder eine gemeinsame Position des Parlaments zustande zu bringen, da immerhin auch das Parlament mit einer Dele­gation nach Paris fahren wird. Dieser wurde bisher nicht angenommen, sondern ver­tagt. Ich bringe ihn heute noch einmal ein, und ich hoffe, dass dieses Parlament im­stande ist, zur wichtigsten Umweltkonferenz, vielleicht ever, eine Position zu finden.

Ich bringe folgenden Antrag ein:


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll102. Sitzung / Seite 78

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Brunner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Österreichs Beitrag zur Klimakonferenz von Paris

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, unverzüglich und jedenfalls vor Beginn der Klimakonferenz in Paris sicherzustellen, dass Österreich seinen fairen Beitrag für das Zustandekommen eines globalen Klimavertrages hinsichtlich seiner Emissionsreduk­tionen und Finanzierungsverpflichtungen leistet.

Dies umfasst:

die österreichischen 2020-Klimaziele ab 2016 an einen linearen Emissionsreduktions­pfad im Einklang mit den EU-Klimazielen bis 2030 anzupassen.

Im Einklang mit den österreichischen Verpflichtungen aus dem ,Copenhagen Accord‘ schnellstmöglich, aber jedenfalls noch vor Beginn der Weltklimakonferenz in Paris, ei­nen jährlichen Beitrag in äquivalenter Höhe zu den bereits von anderen EU-Mitglieds­staaten gemachten Zusagen für den Green Climate Fund bis 2020 und darüber hinaus verbindlich zuzusagen und in einem entsprechenden Budgetpfad darzustellen.“

*****

Für den Teil der Finanzierung bringe ich noch einen Extra-Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Brunner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bereitstellung der ver­sprochenen Gelder vor der Pariser Klimakonferenz

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundeskanzler und der Bundesminister für Fi­nanzen werden aufgefordert, umgehend einen zwischen den betroffenen Bundesminis­terien akkordierten Budgetpfad ,Klimafinanzierung‘ für die Jahre 2016 bis 2020 zu er­stellen und in der Folge dem Nationalrat vorzulegen, um die angemessenen österrei­chischen Beiträge zur internationalen Klimafinanzierung (,long term finance‘) und zum Green Climate Fund in der Beitragshöhe anderer vergleichbarer Staaten sicher zu stel­len.“

*****

Da sind nämlich massiv der Finanzminister und der Bundesminister gefordert. Ich weiß nicht, ob sie das Wort „Klimaschutz“ überhaupt schreiben können. (Zwischenrufe bei ÖVP und SPÖ. – Beifall bei Abgeordneten der Grünen.) Ich finde, das, was bisher vor­liegt, ist ein Gesamtversagen der österreichischen Bundesregierung, und es braucht ei­ne 180-Grad-Wende in der Bundesregierung. (Präsident Hofer übernimmt den Vorsitz.)

Ich möchte auch noch kurz Stellung nehmen zum Antrag der Kollegen Höfinger und Weninger, der vorhin eingebracht wurde. Also ich weiß nicht, der ist irreführend. Für uns hier im Haus nicht, aber für die Bevölkerung ist er massiv irreführend. Der Titel ist: „Österreichs Beitrag zu einem ambitionierten Ergebnis auf der Klimakonferenz COP 21 in Paris“, und in den Forderungen, die hier drinnen stehen, ist genau null Beitrag, null!

Ich habe ein Verhandlungsangebot gemacht für einen gemeinsamen Antrag hier, habe dazu aber keinerlei Rückmeldung bekommen, weder ein Muh noch ein Mäh. (Abg.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll102. Sitzung / Seite 79

Schwentner: Das ist ja unglaublich! – Abg. Höfinger: Wir haben telefoniert, Frau Kol­legin!) – Ja, „wir haben telefoniert“, Herr Kollege Höfinger! Mit einer Rückmeldung, bei der Sie gesagt haben, aus inhaltlichen Gründen können Sie nicht mitgehen – bei einer Position des Parlaments zur Klimakonferenz in Paris.

Jetzt legen Sie uns das vor, ein Wischiwaschi, das ein Nullum ist! Das bedeutet genau nichts, und ich frage Sie echt, ob Sie uns verarschen wollen. Das ist eine Verarschung hier in …! (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen. – Zwischenrufe bei ÖVP und SPÖ.)

13.01.10*****

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Sehr geehrte Frau Abgeordnete Brunner, ich muss Ih­nen für diesen Ausdruck einen Ordnungsruf erteilen.

*****

 


Abgeordnete Mag. Christiane Brunner (fortsetzend): Ich nehme ihn zur Kenntnis, aber es ist bezeichnend ... (Zwischenruf des Abg. Rädler.) – Was ich sage, entscheide ich, Kollege Rädlinger! (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen. – Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

Wir kämpfen für eine gemeinsame Position dieses Parlaments, um eine peinliche Per­formance Österreichs noch abzuwenden. Und es wird peinlich werden in Paris, wenn wir jetzt nicht massiv eine Kehrtwende machen.

Ich fordere Sie noch einmal auf, diese Anträge zu unterstützen, in den nächsten Wo­chen noch für einen positiven Beitrag Österreichs für Paris zu sorgen, und möchte schließen mit der eindeutigen Feststellung: Österreich braucht ganz dringend ein ei­genständiges, starkes und engagiertes Umwelt-, Energie- und Klimaministerium. – Dan­ke. (Beifall bei den Grünen.)

13.02


Präsident Ing. Norbert Hofer: Die Entschließungsanträge sind ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und stehen daher mit in Verhandlung.

Die beiden Anträge haben folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Christiane Brunner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Öster­reichs Beitrag zur Klimakonferenz von Paris

eingebracht im Zuge der Debatte über den Bericht des Umweltausschusses über den Fortschrittsbericht 2015 nach § 6 Klimaschutzgesetz, vorgelegt vom Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (III-215/853 d.B.)

Begründung

Der Klimawandel ist im Leben der Menschen angekommen. Weltweit und auch in Ös­terreich.

Die fortschreitende Industrialisierung und die ungebremste Verbrennung von Kohle, Öl und Gas haben dazu geführt, dass sich die Erde ständig erwärmt. Seit 1880 ist die weltweite Durchschnittstemperatur um fast 1 Grad Celsius angestiegen. In Österreich sogar um knapp 2 Grad.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll102. Sitzung / Seite 80

Die durch den Klimawandel verursachten Kosten in Österreich belaufen sich schon heute auf mindestens eine Mrd. Euro jährlich. Bis zur Mitte dieses Jahrhunderts dürften die jährlichen durchschnittlichen Kosten auf mehr als acht Milliarden Euro steigen.

Damit das Leben auf der Erde für den Menschen erträglich bleibt, darf sich die Erde um höchstens zwei Grad Celsius durchschnittlich erwärmen. Gelingt eine Begrenzung auf dieses Maß nicht, droht das Weltklima zu kippen. Sich selbst-verstärkende Klima­effekte – wie das Auftauen der Permafrostböden oder das komplette Abschmelzen des Polareises – führen dann dazu, dass sich die Klimaerwärmung auch ohne menschli­ches Zutun weiter verstärkt.

Damit das Zwei-Grad-Ziel eingehalten werden kann, müssen alle Industriestaaten ihre Treibhausgase bis 2030 mindestens halbieren und bis 2050 eine nahezu vollständige Vermeidung von Treibhausgas-Emissionen erreichen. Die Wahrscheinlichkeit, dieses Ziel einhalten zu können, ist höher, wenn die Emissionen schon ab dem Jahr 2020 welt­weit zu sinken beginnen. Je später die Emissionen abnehmen, desto kostspieliger wird die Umstellung und desto wahrscheinlicher ist es, dass die Erwärmung außer Kontrolle ge­rät.

Die Europäische Union hat sich zum Ziel gesetzt, den Treibhausgasausstoß bis zum Jahr 2030 um mindestens vierzig Prozent zu reduzieren. Österreichs unionsrechtlich festgeschriebener Beitrag bis 2020 liegt aktuell noch nicht auf diesem Reduktionspfad.

Da Kohlendioxid Jahrhunderte lang in der Atmosphäre verweilt, liegt die Hauptverant­wortung für den Klimawandel bei den Industriestaaten. Die stärksten Auswirkungen der Klimawandels treffen aber v.A. die ärmeren Länder, die sich zunehmend aber ebenfalls industrialisieren und zu großen CO2-Emittenten werden.

2009 wurde daher auf der Klimakonferenz in Kopenhagen den am härtesten betrof­fenen Entwicklungsländern versprochen, sie bei ihrem Kampf gegen Fluten, Dürre und Stürme sowie bei der Umstellung auf eine klimafreundliche Wirtschaftsweise zu un­terstützen. 2010 wurde hierfür der sogenannte Green Climate Fund (GCF) unter dem Dach der Vereinten Nationen eingerichtet. Industrienationen sagten den Entwicklungs­ländern im Rahmen dieses sogenannten „Copenhagen Accords“ zu, ab dem Jahr 2020 jährlich 100 Milliarden Dollar bereit zu stellen. Bis 2020 sollen die Mittel sukzessive auf dieses Niveau anwachsen.

Von 30. November bis 11. Dezember 2015 findet in Paris die UN Klimakonferenz (COP 21) statt. Dort soll ein global verbindliches Klimaschutzabkommen für den Zeit­raum ab 2020 beschlossen werden.

Entscheidend für die erfolgreichen Verhandlungen in Paris ist die Einhaltung interna­tionaler Finanzversprechen. Kommt nicht ausreichend Geld zusammen, werden sich die Entwicklungsländer in Paris 2015 nicht zu verbindlichen Reduktionsmaßnahmen verpflichten. Verpflichten sich die Entwicklungsländer nicht, kommt kein globaler Ver­trag zustande. Der französische Staatspräsident Francois Holland erklärte kürzlich: „Oh­ne die 100 Mrd. Dollar wird es kein Abkommen in Paris geben.“

Für einen Erfolg in Paris müssen alle Nationen ihren Beitrag leisten.

Die Bundesregierung hat sich mit Unterzeichnung der UN-Klimarahmenkonvention zum Zwei-Grad-Ziel und den daraus abzuleitenden Treibhausgasreduktionszielen für die un­terschiedlichen Staatengruppen bekannt.

Der Bundeskanzler hat sich für die Republik 2009 zum „Copenhagen Accord“ über die Fi­nanzierung von Klimaschutz- und Anpassungsmaßnahmen in Entwicklungs- und Schwel­lenländern bekannt.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll102. Sitzung / Seite 81

Die Bundesregierung ist nun aufgefordert, im Einklang mit den obigen Bekenntnissen durch entsprechende Anstrengungen bezüglich Emissionsreduktionen und Klimafinan­zierung ihren fairen und angemessenen Beitrag zum Gelingen der Klimakonferenz in Paris zu leisten.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, unverzüglich und jedenfalls vor Beginn der Kli­makonferenz in Paris sicherzustellen, dass Österreich seinen fairen Beitrag für das Zustandekommen eines globalen Klimavertrages hinsichtlich seiner Emissionsreduk­tionen und Finanzierungsverpflichtungen leistet.

Dies umfasst:

die österreichischen 2020-Klimaziele ab 2016 an einen linearen Emissionsreduktions­pfad im Einklang mit den EU-Klimazielen bis 2030 anzupassen.

Im Einklang mit den österreichischen Verpflichtungen aus dem „Copenhagen Accord“ schnellstmöglich, aber jedenfalls noch vor Beginn der Weltklimakonferenz in Paris, ei­nen jährlichen Beitrag in äquivalenter Höhe zu den bereits von anderen EU-Mitglieds­staaten gemachten Zusagen für den Green Climate Fund bis 2020 und darüber hinaus verbindlich zuzusagen und in einem entsprechenden Budgetpfad darzustellen.

*****

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Christiane Brunner, Freundinnen und Freunde betreffend Bereitstel­lung der versprochenen Gelder vor der Pariser Klimakonferenz

eingebracht im Zuge der Debatte über den Bericht des Umweltausschusses über den Fortschrittsbericht 2015 nach § 6 Klimaschutzgesetz, vorgelegt vom Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (III-215/853 d.B.)

Begründung

„Ohne die ab 2020 versprochenen 100 Milliarden Dollar jährlich wird es bei dem Klima­gipfel in Paris kein Abkommen geben.“ Franz. Staatspräsident François Hollande, Au­gust 2015

2009 versprachen die Staats- und Regierungschefs der Industrienationen auf der UN-Klimakonferenz in Kopenhagen den am härtesten von der Erwärmung betroffenen Ent­wicklungsländern, sie bei ihrer Anpassung an den Klimawandel und beim Umstieg auf eine klimafreundliche Wirtschaftsweise mit einem Grünen Klima Fonds finanziell zu un­terstützen. 80 Prozent aller menschengemachten Treibhausgase in der Atmosphäre stammen aus den Schloten der Industriestaaten, ausbaden müssen die Folgen bislang aber zumeist Entwicklungsländer.

Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen beziffert allein den Finanzbedarf Afrikas zur Anpassung an den Klimawandel auf bis zu 50 Milliarden Dollar pro Jahr, andere Experten gehen sogar von 200 Milliarden aus.

Mittels 2010 unter dem Dach der Vereinten Nationen formal eingerichteten Green Cli­mate Fund (GCF) wollen die Industrienationen ab 2020 gemeinsam jährlich 100 Mil-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll102. Sitzung / Seite 82

liarden Dollar für Entwicklungsländer, also nicht nur für Afrika, zur Verfügung zu stellen. Bis 2020 sollen die Mittel sukzessive auf dieses Niveau anwachsen.

Die Frage der Klimafinanzierung gilt als Schlüsselfrage für ein Abkommen in Paris, viele Entwicklungsländer haben signalisiert, dass sie einem neuen Abkommen nur zu­stimmen werden, wenn sie diesmal mit einem klaren Finanzplan ausgestattet werden. Paris gilt als letzte Chance einen Klimavertrag zu beschließen, der alle Staaten bindet.

Erst im Vorfeld der vergangenen Weltklimakonferenz von Lima Dezember 2014 sind im Rahmen der sogenannten Erstkapitalisierung des GCFs erste Beiträge von knapp über 10 Milliarden Dollar konkret zugesagt worden. Laut OECD sind aktuell derzeit 62 Mil­liarden US-Dollar aus den Industriestaaten zugesagt. Es handelt sich hierbei allerdings teilweise um eine Umetikettierung von Entwicklungshilfegeldern, auch privates Geld zählt mit

Deutschland und Frankreich haben im Vorfeld der Konferenz ihre 2020-Finanzierungs­zusagen auf 4,5 und 4 Mrd. Dollar angehoben. Großbritannien will bis 2020 8,8 Mrd. Dollar und danach jährliche 2,8 Mrd Dollar zur Verfügung stellen. China sagte gut 3,1 Mrd Dollar (über einen nicht spezifizierten Zeitraum) zu. Neue Finanzierungsankündigun­gen anderer Länder werden täglich erwartet.

Gemessen an den bisherigen Zusagen vergleichbarer Länder läge ein angemessener Anteil Österreichs an den Finanzierungskosten des GCF bei mindestens 100 Millionen Dollar pro Jahr ab 2020.

Laut Auskunft BMLFUW sind aktuell 25 Millionen Dollar der österreichischen Finanzie­rungszusage für den Zeitraum 2015 bis 2018 budgetär gedeckt. Wie, ob überhaupt und zu welchen Konditionen weitere Mittel aufgebracht werden, ist wenige Wochen vor der Klimakonferenz von Paris offen.

Die Finanzierungszusage Österreichs im Rahmen des „Copenhagen Accords“ erfolgte durch den Bundeskanzler. Bestätigt wurde diese Entscheidung auf EU-Ebene durch die Zustimmung des Bundesministers für Finanzen im Rahmen des ECOFIN Council. Abgewickelt wird die Klimafinanzierung durch die internationalen Finanzinstitutionen. Die Zuständigkeit für diese obliegt laut Bundesministeriengesetz dem Bundesminister für Finanzen.

Die Republik Österreich muss ihren Beitrag zum Gelingen der Klimakonferenz von Pa­ris leisten. Die österreichischen Beiträge zur internationalen Klimafinanzierung („long term finance“) und zum Green Climate Fund sind schnellstmöglich durch ihre Veran­kerung in einem zwischen den Bundesministerien akkordiertem Budgetpfad auf eine solide und vertrauenswürdige Finanzierungsbasis zu stellen.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung, insbesondere der Bundeskanzler und der Bundesminister für Fi­nanzen werden aufgefordert, umgehend einen zwischen den betroffenen Bundesminis­terien akkordierten Budgetpfad „Klimafinanzierung“ für die Jahre 2016 bis 2020 zu er­stellen und in der Folge dem Nationalrat vorzulegen, um die angemessenen österrei­chischen Beiträge zur internationalen Klimafinanzierung („long term finance“) und zum Green Climate Fund in der Beitragshöhe anderer vergleichbarer Staaten sicher zu stel­len.

*****

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Weninger. – Bitte.

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll102. Sitzung / Seite 83

13.02.30

Abgeordneter Hannes Weninger (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich verstehe natürlich die Emotionen. Wir haben ja bereits gestern im Rahmen der Aktuellen Stunde eine Grundsatzdiskussion am Weg zur COP 21, mit dem Ziel, ein weltweit verbindliches Klimaabkommen zu schaffen, diskutiert und haben heute auf Verlangen der Grünen den Fortschrittsbericht 2015 zum Klimaschutzgesetz auf der Ta­gesordnung.

Es ist nicht der Antrag von ÖVP und SPÖ verwirrend, der ist nämlich sehr klar und deut­lich formuliert, sondern, Frau Kollegin Brunner, Ihre Rede war etwas verwirrend. Wenn Sie verlangen, dass dieser Bericht hier diskutiert wird, dann diskutieren wir diesen Be­richt und vermischen das nicht mit allen anderen Dingen, die natürlich in einer der­artigen Diskussion auch möglich sind. (Zwischenruf des Abg. Pirklhuber.)

Sie haben sich überhaupt nicht auf den Inhalt dieses Fortschrittberichtes (ein Exemplar in die Höhe haltend) konzentriert. Ich mache jetzt Folgendes: Ich werde am Ende die­ser Debatte sofort den gesamten Bericht auf die Homepage stellen, dann soll jeder nachlesen und vergleichen, was in diesem Bericht steht und was hier im Hohen Haus diskutiert wird. (Abg. Pirklhuber: Ist offiziell öffentlich zugänglich!)

Im Fortschrittsbericht steht deutlich, dass es uns gelungen ist, die positive Wirtschafts­entwicklung vom CO2-Ausstoß zu entkoppeln – eine der großen Herausforderungen unserer Gesellschaft, die wir gemeistert haben. Es ist auch nachzulesen, dass in allen Sektoren weiterhin ambitionierte Ziele und tiefgreifende Maßnahmen notwendig sind.

Es ist uns gelungen, allein im Jahr 2013 fast 3 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente ein­zusparen, und wir sind in allen Sektoren unter den selbst auferlegten Zielsetzungen. Das muss man doch positiv anerkennen, Frau Brunner, wobei man natürlich dazusa­gen muss, dass es ambitioniert weitergehen muss. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Ebenso nachzulesen: Im Bereich jener Sektoren, die nicht im Emissionshandel sind, wird das Ziel weitgehend erreicht. Auch für den Bereich der erneuerbaren Energie lau­tet die Anmerkung des Umweltbundesamtes, das wohl unverfänglich ist: Das Ziel wird erfüllt. Energieeffizienzrichtlinie, unser gemeinsames Energieeffizienzgesetz: Es ist ei­ne Stabilisierung des Endenergieverbrauches gelungen. Das Gleiche gilt für die Sekto­ren Industrie, Verkehr, Landwirtschaft, Gebäude, Abfallwirtschaft.

Sie können doch niemandem, der ein bisschen über den Tellerrand hinausschaut, klar­machen, dass Österreich nicht eine hervorragende Umweltpolitik macht. Natürlich könnte es in allen Bereichen mehr sein, aber jede Österreicherin und jeder Österreicher er­kennt an, dass Österreich seit Jahrzehnten hervorragende Umweltpolitik macht. (An­haltende Zwischenrufe der Abg. Brunner.) Es hat in den 1970er-Jahren begonnen, in der Regierung Kreisky, mit den ersten UmweltministerInnen – damals ist es um die Trinkwasserqualität der österreichischen Seen gegangen –, heute machen wir eine en­gagierte Klimapolitik.

Ich sage hier selten etwas über Niederösterreich, aber aus Niederösterreich kommt heute die aktuelle Meldung (eine Grafik in die Höhe haltend), dass es bei der Strom­produktion gelungen ist, zumindest so viel Strom aus erneuerbarer Energie zu produ­zieren, wie in Niederösterreich verbraucht wird. Dasselbe gilt für das Burgenland. (Bei­fall bei SPÖ und ÖVP.)

Das sind anzuerkennende Fortschritte. Das ist auch nicht der politische Erfolg der letz­ten Tage und Wochen. Erwin Pröll kann nichts dafür, dass die Donau durch Nieder­österreich fließt, aber trotzdem werden 100 Prozent zumindest rechnerisch aus erneu­erbarer Energie gewonnen.

Ich bitte Sie, den Leuten nicht Sand in die Augen zu streuen. Nicht alles, was hinkt, ist ein guter Vergleich. Wir werden gemeinsam in Paris für diesen Weltklimavertrag kämpfen.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll102. Sitzung / Seite 84

Abschließend würde ich Sie wirklich ersuchen, Frau Kollegin Brunner, in Paris nicht zu vergessen, dass Sie Abgeordnete des österreichischen Parlaments sind. – Danke. (Bei­fall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Brunner: … NGO! – Abg. Rädler: Wenn Sie dort die glei­che Sprache sprechen! – Abg. Glawischnig-Piesczek: Na fahren Sie hin!)

13.07


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Neubauer. – Bitte.

 


13.07.38

Abgeordneter Werner Neubauer (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Zum heute in Diskussion ste­henden Klimabericht, er nennt sich „Fortschrittsbericht“ (den Bericht in die Höhe hal­tend), möchte ich für unsere Fraktion eingangs feststellen, dass wir eigentlich wenig Ver­ständnis dafür haben, dass die Bundesregierung heute hier einen Antrag zur Be­schlussfassung vorlegt, wo wir dem Herrn Minister so quasi für Paris einen Marsch­befehl geben, nämlich dazu, wie er sich in Paris zu verhalten hat und welche Posi­tionen er dort mit- und einbringen soll.

Also ich verstehe das nicht. Vor einem Jahr wurde ein gleichlautender Antrag abge­lehnt, weil man gesagt hat, man müsse einem Minister zutrauen können, dass er im ur­eigenen Ressort bei den Verhandlungspartnern einen gewissen Spielraum hat, damit man sich dort auch bewegen kann.

Deshalb verstehe ich nicht, warum wir heute hier beschließen sollen, dass man dem Herrn Minister gewisse Vorgaben schon jetzt durch das Parlament, ohne noch auf das Verhandlungsergebnis zu blicken, mitgeben soll. Wir werden dem nicht zustimmen.

Tatsache ist, dass wir beim Klima offenkundig ein Problem damit haben, die Ziele zu erreichen. Das hat verschiedenste Gründe. Das Ziel, das wir derzeit vor Augen haben, ist ungefähr im Bereich von 1995 angesiedelt. Das ist wenig, und es hat sich in den letzten Jahren dahingehend auch nicht wirklich viel getan.

Wir haben natürlich als Binnenland große Brocken zu stemmen, das ist wohl jedem klar. Wir haben ein Problem bei der Energieaufbringung, wir haben ein Problem bei den Wohnungen, beim Wohnen und bei den Dienstleistungen. Wir haben ein Problem bei der Industrie und als Transitland natürlich beim Verkehr, ganz klar.

Aber eines muss auch klar sein: Wir müssen von unserer Bundesregierung verlangen können, dass sie endlich klare Ziele definiert und Vorgaben liefert, nämlich Rahmenbe­dingungen, in denen sich die Wirtschaft bewegen kann. Andernfalls wird es schwierig sein, mit den Klimazielen herunterzukommen. (Beifall bei der FPÖ.)

Dieses nachhaltige Energieszenario ist aus unserer Sicht nicht gegeben. Und eines muss man auch klar sagen: Die entsprechenden Ziele betreffend den Energiever­brauch um 50 Prozent zu senken oder 90 Prozent von Treibhausgasen einzusparen, das werten wir als Träumereien, das wird in der Realität wahrscheinlich nicht umsetz­bar sein.

Aber wir müssen tatsächlich etwas tun. Wir können beim Energieverbrauch etwas tun, wir können bei den Investitionsinitiativen hinsichtlich der Energieeffizienz etwas tun und wir können auf jeden Fall bei der Energiesuffizienz etwas tun.

Ich habe gestern ein Schreiben eines Energieanbieters bekommen, AAE Naturstrom, ich sage das ganz offen. Darin steht: Sie haben gemeinsam mit all unseren Kunden 28 900 Tonnen CO2 und 60,5 Kilogramm radioaktiven Abfall in diesem Jahr einge­spart. – Zitatende. Ich glaube, wir müssen die österreichische Bevölkerung viel mehr da­rüber aufklären, was im Energiesparbereich möglich ist. Dort haben wir unglaublich viel Potenzial.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll102. Sitzung / Seite 85

Hier im Bericht ist das Wirtschaftswachstum mit 2 Prozent angeführt, woran aber nie­mand in Österreich glaubt. In den letzten Jahren sind die Zahlen am Ende des Jahres immer heruntergeschraubt worden auf 0,6 bis 0,7 Prozent. Ich wünschte, wir hätten 2,0 Prozent, aber davon sind wir weit entfernt.

Wir haben die höchste Arbeitslosigkeit seit 1945. Auch das sollte man bei all diesen Fragen nicht wegdiskutieren, denn da haben wir natürlich ein Problem, wenn wir die Zie­le zu hoch ansetzen, dass die Wirtschaft darunter leidet und damit die Arbeitslosigkeit noch mehr steigt. (Beifall bei der FPÖ.)

13.12


Präsident Ing. Norbert Hofer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Pock zu Wort. – Bitte.

 


13.12.18

Abgeordneter Michael Pock (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zu drei Themenberei­chen reden, nämlich erstens zum Klimaschutzgesetz, zweitens noch einmal zur COP 21, also zur UN-Klimakonferenz in Paris, und drittens zu den von den Regierungsparteien und den Grünen eingebrachten Anträgen.

Zum Klimaschutzgesetz würde ich mir, obwohl ich der grünen Fraktion sehr dankbar dafür bin, dass wir das heute diskutieren können, eine andere Wortwahl erwarten. Es kann nicht sein, dass wir uns auf ein Niveau begeben, wo Sie sich massiv für den Kli­maschutz einsetzen und damit den Ruf des ganzen Hauses schädigen. (Beifall bei NEOS, SPÖ und ÖVP.)

Es ist ein emotionales Thema und es geht ums Ganze. Wir haben beim vorigen Ta­gesordnungspunkt über die Landwirtschaft geredet, wir haben über die regionale Ent­wicklung geredet, wir haben über Bergbauern und Ähnliches geredet. Wenn wir die Ziele einhalten, die auf der COP 21 sozusagen präferiert werden sollen, reden wir – und alle, die sich mit Landwirtschaft beschäftigen, wissen das – von einer Erwärmung von knapp 4 Grad im inneralpinen Raum. Das bedeutet, dass viele Betriebe nicht mehr dort stehen werden können, wo sie heute stehen, weil dort nichts mehr stehen wird können.

Das ist das Ziel, auf das wir uns geeinigt haben, und darüber diskutieren wir. Die Emo­tion ist also berechtigt, sie muss nur in andere Worte gefasst werden.

Es ist so, dass der Fortschrittsbericht klar mehrere Dinge im Positiven aufzeigt. Auch da hätte ich mir von den Grünen gewünscht, dass man zumindest die Dinge anerkennt, die schon geschehen sind.

Zwei Dinge, die hervorgehoben werden müssen: Das eine ist die Entkoppelung von Wirt­schaftswachstum und Emissionsausstoß. Das ermöglicht eine florierende Wirtschaft, ist aber trotzdem ein großer Schritt in Richtung Klimaschutz und Senkung der Emis­sionen.

Der zweite Punkt, der auch nicht erwähnt wurde, ist, dass wir das erste Mal unter den Emissionswerten von 1990 liegen. Wir hatten 1990 einen CO2-Ausstoß von 79 Tonnen, letztes Jahr hingegen von 76 Tonnen. Das sind nicht die 20 Prozent Reduktion, die wir bis 2020 brauchen, da gebe ich Ihnen vollkommen recht, aber ich sage, man muss in eine ausgewogene Diskussion beide Seiten mitnehmen. (Zwischenruf der Abg. Brunner.)

Diese beiden Punkte sind ein Erfolg Österreichs, allerdings gibt es, Herr Bundesmi­nister, und ich sage das auch in Richtung SPÖ und ÖVP, auch viele Gründe, das kri­tischer zu beleuchten, als Sie es gemacht haben.

Der erste Punkt ist: Wie kamen wir auf diese 76 Tonnen? – Das Umweltbundesamt hat ganz klar gesagt: Es gab einen Effekt, der dazu geführt hat, dass wir Emissionen ein-


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gespart haben, nämlich den Klimawandel. Weil das Jahr 2014 und der Winter 2014 so warm waren, wurde weniger geheizt, deswegen haben wir an Emissionen eingespart. Es ist relativ paradox, aber das ist der Haupterfolg, der Klimawandel hat dazu beige­tragen, dass wir unsere Emissionsziele erreichen konnten.

Der zweite Punkt, der nicht minder wichtig ist – da zitiere ich Herrn Schneider vom Um­weltbundesamt; Sie wissen sicherlich, Herr Umweltminister, was laut Herrn Schneider notwendig ist, um die Ziele zu erreichen –:

„Nötig wären Steigerungen etwa bei der hohen thermischen Qualität von Gebäuden und beim Ausbau erneuerbarer Energieträger, die Forcierung des Öffentlichen Ver­kehrs und von Elektrofahrzeugen sowie neue Technologien für die Speicherung. ‚Zu­dem braucht es eine fokussierte Forschungspolitik und Energiepreise, die den Um­weltauswirkungen der Energieträger Rechnung tragen‘, sagte Schneider.“

Wenn man sich diese Maßnahmen anschaut, stellt man fest, dass die Regierung in fast allen Punkten, die genannt werden, aufgrund des Spardrucks in die falsche Richtung marschiert. Beispielsweise wird die thermische Sanierung deutlich reduziert. Ich habe mehrfach vom Ende der Subventionierung bei der Kohleverstromung gesprochen. Das sind genau jene Dinge, die das Umweltbundesamt vorschlägt, die nicht gemacht wer­den.

Insofern verstehe ich die Emotionen, wenn man sagt, man ist noch auf dem Pfad, aber es ist nicht gesichert, wie der Pfad fortgesetzt wird. Und diese Antwort sind Sie uns, auch wenn Ihnen der bisherige Erfolg recht gegeben hat, schuldig geblieben – auch ganz sachlich hier argumentiert.

Zum zweiten Punkt, nämlich zur UN-Klimakonferenz in Paris: Es gab zu Beginn, als Sie angelobt wurden, Herr Minister Rupprechter, von Ihrer Seite das klare Commit­ment, dass Sie versuchen, im Hohen Haus größere Mehrheiten als die notwendige ein­fache Mehrheit zu gewinnen, in einem Feedback-Prozess, in einem Austausch. Das ist in den letzten zwei Jahren verloren gegangen.

Ich weiß, es gab viele Rückschläge, aber ich hätte mir gewünscht, und zwar nicht nur als liberaler Politiker, sondern auch als österreichischer Parlamentarier, dass wir uns zusammensetzen und versuchen, einen Konsens zu finden. Nun müssen wir bei den Freiheitlichen erst herausfinden, ob die Aluhut-Umweltpolitik weg ist oder nicht, aber wir hätten zumindest drei, vier, fünf Fraktionen finden können, doch dieser Diskurs hat nicht stattgefunden.

Wir als Fraktion werden den Antrag der Grünen unterstützen. Warum? – Weil Sie nicht bereit gewesen sind, über die 50 Millionen Dollar, die zugesagt wurden, in zwei Schie­nen, überhaupt nur die Anstrengung zu unternehmen – wie wir den Antrag verstehen.

Im Antrag der Grünen ist ein Wort mehr drinnen, das ist vollkommen okay. Die sagen, es soll ein fairer Beitrag sein, und dieser Beitrag soll vergleichbar sein mit Beiträgen aller anderen Nationalstaaten von ähnlicher Größe und Wirtschaftskraft. Das ist nicht fundamental. Frau Abgeordnete Brunner wirkt leider oft fundamental, aber der Antrag ist nicht fundamental.

Es gibt noch einen Punkt, auf den ich hinweisen möchte. Es wird gesagt, dass wir zum Green Climate Fund keinen höheren Beitrag leisten können aufgrund des hohen Spar­drucks im Budget – damit möchte ich auch schließen. Nun wird immer wieder ins Tref­fen geführt: Aufgrund der Flüchtlingskrise steigen die Belastungen, deswegen können wir bei A, B, C, D, E, F keinen weiteren Beitrag leisten.

Dabei liegt es gerade an diesem Grundversagen in der österreichischen Politik, dass Reformen nicht rechtzeitig angegangen worden sind und wir deshalb jetzt nicht die Mög­lichkeit haben, in die Klimapolitik zu investieren.


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Warum können Deutschland und Schweden – das sind die beiden Staaten, die neben Österreich am stärksten von der Flüchtlingskrise betroffen sind – mehr investieren? – Weil sie Überschüsse produziert haben und letztes Jahr 1,3 Prozent Defizit hatten. Würde Österreich in all den anderen Bereichen, die NEOS fordert, die Hausaufgaben machen, dann gäbe es ausreichend Raum auch für eine vernünftige Klimapolitik. – Dan­ke schön. (Beifall bei den NEOS.)

13.18


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Willi. – Bitte.

 


13.18.42

Abgeordneter Georg Willi (Grüne): Herr Präsident! Herr Umweltminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestern ist hier Herr Abgeordneter Höfinger gestanden (Ruf bei der ÖVP: Heute auch!) – heute auch, richtig – und hat eine ganz beachtliche Rede gehalten. Er hat eine Analyse hingelegt, die wirklich gesessen ist. (Abg. Rädler: Aber?)

Kollege Höfinger hat von den Inseln und den Küstenstrichen gesprochen, die ver­schwinden, von den Wetterextremen, der Trockenheit, den Überschwemmungen durch den Klimawandel. Er hat erzählt, dass die neun der zehn wärmsten Jahre seit den Wet­teraufzeichnungen in die Zeit seit 2000 fallen. (Abg. Rädler: Aber?) – Nicht so unge­duldig! (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Herr Höfinger hat viel Gescheites gesagt. Er hat erzählt, dass 2014 das wärmste Jahr war, obwohl es den kältesten Winter hatte, hat dann das Taferl gezeigt – heute sogar mit Verlängerung derselben –, wo klar dokumentiert ist: Der Klimawandel findet statt und ist vom Menschen ausgelöst.

Dann hat Abgeordneter Höfinger noch gesagt, Umweltpolitik sei Chancenpolitik, und hat Edison von 1931 zitiert: „Ich würde mein Geld auf die Sonne und die Solartechnik setzen.“

Da habe ich mir gedacht, dass jetzt der Superhammer kommt und er sagen wird: Wir, die ÖVP, und ich als Abgeordneter treten nun an, wirklich etwas dagegen zu tun. – Ge­kommen ist: Wir sind eh super! Österreich ist eh super! Eigentlich brauchen wir nichts zu tun – das war gerade gestern wieder so –, denn wir halten unsere Reduktionsziele ein – weil wir halt 2014 zufällig ein solch warmes Jahr hatten. – Das ist die österrei­chische Art, mit dem Klimawandel umzugehen.

Ich blende zurück: Die rot-grüne Koalition in Deutschland hat das Erneuerbare-Ener­gien-Gesetz gemacht. Dieses Gesetz wurde weltweit zigfach kopiert und löste weltweit einen riesigen Boom von erneuerbaren Energien aus. (Zwischenruf des Abg. Wenin­ger.) Aber wissen Sie: Das Erneuerbare-Energien-Gesetz tut den Deutschen ein biss­chen weh, aber sie haben damit Erfolg. Was die hingelegt haben – auch mit all den Arbeitsplätzen, die in diesen Industriezweigen entstanden sind –, verdient weltweit Hoch­achtung und wird hoch anerkannt.

Und die Österreicher? – Wir als Nachbarn der Deutschen, wir von den Grünen haben x-mal versucht, dieses Erneuerbare-Energien-Gesetz zu kopieren, das heißt, auf Ös­terreich zu übertragen. Gesagt wurde aber: Das brauchen wir nicht, denn wir sind eh so toll, wir haben ja die Wasserkraft!

Genau das ist das, was mich so aufregt, dass nämlich die Österreicherinnen und Ös­terreicher und ihre Vertreterinnen und Vertreter hier im Nationalrat, Sie, meine Damen und Herren, mit so wenig zufrieden sind, obwohl die Lage dramatisch ist. Abgeordne­ter Höfinger hat es gestern punktgenau aufgezeigt. (Zwischenruf des Abg. Pirklhuber.) Nur: Wenn jemand eine solch punktgenaue Analyse macht, dann erwarte ich mir auch gute Vorschläge, was zu tun ist.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll102. Sitzung / Seite 88

Und genau so, Herr Minister, sieht auch dieser Fortschrittsbericht (ein Exemplar in die Höhe haltend) aus. Natürlich, es sinkt leicht, aber im EU-Vergleich sind wir ganz hin­ten. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Rupprechter.) Von einem Musterland – wir wollen ja immer die Besten sein – ist in diesem Bericht keine Spur. (Abg. Pirkl­huber: Richtig!) Die Europäische Umweltagentur hält uns beinhart den Spiegel vor und sagt: Ihr in Österreich seid unter den vier Letzten!

Jetzt geht es auf nach Paris, und welchen Antrag legen Sie uns vor? (Der Redner blät­tert in dem von ÖVP und SPÖ eingebrachten Entschließungsantrag.) – Absatz 1, das ist ohnehin klar, dass wir mit dem EU-Ziel mitgehen – das wissen wir schon lange. Und Absatz 2 ist der Klingelbeutel-Absatz. Sie werden aufgefordert, mit dem Klingelbeutel durch die Bundesländer zu ziehen und bei Unternehmen anzuklopfen, damit das we­nige Geld, das der Bund bereit ist für Klimaschutzmaßnahmen zur Verfügung zu stel­len, ein bisschen aufgefettet wird.

Sie als katholisch geprägter Mensch (in Richtung Bundesminister Rupprechter) sind natürlich prädestiniert, mit dem Klingelbeutel zu gehen. Vielleicht haben Sie auch ein bisschen Erfolg, aber trotzdem glaube ich nicht, dass da viel hineinkommt.

Ich hätte mir von einem schwergewichtigen Minister mit viel Durchsetzungskraft, der Sie sein wollen, erwartet, dass erstens der Bundesbeitrag wesentlich höher ist und ge­nau dem entspricht, was der Bundeskanzler und der Finanzminister versprochen ha­ben. Das sind zwei Männer, die Sie (auf Bundesminister Rupprechter zeigend) in die Verantwortung nehmen können. Sie können sagen: Bundeskanzler, du hast gesagt, dass Österreich seinen adäquaten Beitrag leisten wird! – Parteikollege Schelling hat das sogar zweimal beim ECOFIN-Rat gesagt. Das heißt, Sie müssen nur Ihre zwei Kol­legen in der Regierung darauf aufmerksam machen, dass sie das, was sie versprochen haben, auch einhalten.

Das Zweite: Wieso haben Sie sich beim Budget 2016 so viel herunterräumen lassen? – Herr Minister, das bin ich von Ihnen nicht gewohnt. (Bundesminister Rupprechter: Das wird nächste Woche behandelt, oder nicht?) – Das wird nächste Woche behandelt, aber im Voranschlag – der hat schon Ihre Zustimmung, sonst wäre er uns nicht zuge­leitet worden – für das nächste Jahr steht (Zwischenruf bei der ÖVP): thermische Sa­nierung: minus 50 Prozent; Umweltförderung im Inland: minus 16 Millionen €; Dotierung des Klimafonds: Reduktion um ein Drittel.

Es kommt also zu starken Kürzungen in Ihrem Bereich – wo Sie doch ein solch wich­tiger Minister sind. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Rupprechter.) Ich würde mir das nicht bieten lassen!

Herr Minister, ich erwarte mir, dass Sie auf den Tisch hauen und bis zur Klimakonfe­renz wirklich etwas weiterbringen. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen.)

13.24


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer Stellungnahme hat sich Herr Bundesminister Dipl.-Ing. Rupprechter zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesminister.

 


13.24.54

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Andrä Rupprechter: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Die Aktuelle Stunde zum Klimaschutz werden wir jetzt in diesem Zusammenhang, glaube ich, nicht wiederholen. Wir diskutieren den Bericht des Umweltausschusses über den Fort­schrittsbericht 2015. Eines muss ich schon sagen: Das, was man jetzt hier im Plenum bei den Debattenbeiträgen von den zwei großen Oppositionsparteien gehört hat, ist schon frappierend, weil es ganz einfach nicht faktenbasiert ist.

Sehr geehrte Frau Abgeordnete Brunner, ich kenne Sie als wirklich kompetente, sehr konstruktive und fachlich sehr versierte Vorsitzende des Umweltausschusses. (Abg. Stein-


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hauser: Dem ist nichts hinzuzufügen!) Umso mehr irritiert mich Ihr Debattenbeitrag, der wirklich nur emotionalisiert und – gegen besseres Wissen – nicht faktenbasiert war.

Sie, Frau Abgeordnete Brunner, kennen die Daten des Umweltbundesamtes. Sie wis­sen – das haben wir im Ausschuss ausführlich diskutiert –, der Fortschrittsbericht zeigt gemäß der CO2-Inventur für das Jahr 2013, dass wir in allen Sektoren – die Abgeord­neten Weninger und Höfinger haben ja wiederholt darauf hingewiesen – unsere Ober­grenzen unterschritten haben, und zwar ganz maßgeblich. Sogar im Verkehrssektor – der größte Emittent – unterschreiten wir die Obergrenzen. (Zwischenruf der Abg. Brunner.)

Seit gestern sind auch die Daten des Umweltbundesamtes für 2014 bekannt: im Jahr 2013: minus 3 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent, und im Jahr 2014: voraussichtlich minus 4 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Brunner.) In Summe haben wir also bis 2020 schon eine Gutschrift von 7 Millionen Tonnen, was 10 Prozent der Gesamtemissionen entspricht. (Weiterer Zwischenruf der Abg. Brunner.)

Wenn Sie dann sagen, dass wir nicht auf dem Zielpfad sind, dann ist das ganz einfach falsch und unrichtig. Reden Sie die Leistungen der Österreicherinnen und Österreicher nicht klein! Sie schmälern die Leistungen und Bemühungen der Österreicherinnen und Österreicher, die Tag für Tag am Klimaschutz arbeiten. (Beifall bei der ÖVP. – Anhal­tende Zwischenrufe der Abg. Brunner.) – Reden Sie nicht klein, schmälern Sie nicht, denn das ist Ihrer nicht würdig!

Sie zitieren die Europäische Umweltagentur, die uns ganz offensichtlich basierend auf den Daten vor dem Maßnahmenpaket 2015 bis 2018, das in der Regierung beschlos­sen wurde und Ihnen zugegangen ist, beurteilt hat. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Brunner.– Frau Abgeordnete, unter Einbeziehung dieser Daten sind wir völlig unter den Obergrenzen und auf dem Zielpfad. Und allein unter Berücksichtigung der beiden Jahre 2013 und 2014 kann ich jetzt schon mit Fug und Recht behaupten, dass wir unsere Ziele bis 2020 erreichen können. Es wird noch mehr geschehen.

Ich hatte gestern bei der LandesklimaschutzreferentInnen-Konferenz – bemerkenswer­terweise übrigens eine Versammlung, wo mit Ausnahme des steirischen Landesrates Leichtfried ausschließlich grüne Landesrätinnen und -räte dabei waren – eine ausge­sprochen konsensuale und konstruktive Debatte. Sie müssen dann und wann auch ein­mal mit den regierenden Grünen reden! (Zwischenruf der Abg. Korun.)

Diese Landesrätinnen und Landesräte haben unser Maßnahmenprogramm, das wir ge­meinsam mit den Ländern diskutiert und erarbeitet haben, gelobt; sogar in einer Pres­sekonferenz, bei der, Herr Abgeordneter Willi, deine Landeshauptmann-Stellvertreterin Felipe den Vorsitz geführt hat. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Wir haben gemeinsam mit Herrn Landesrat Holub eine Pressekonferenz durchgeführt, bei der unsere Strategie für die COP 21, unsere Klimaschutzpolitik, ausdrücklich gewürdigt und gelobt worden ist. (Beifall bei der ÖVP. – Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Korun.)

Reden Sie doch einmal mit Ihren grünen Kollegen, die in Regierungen sitzen, dann wird vielleicht Ihre Oppositionshysterie zum Teil ein bisschen verschwinden. (Weitere Zwischenrufe der Abg. Korun. – Abg. Brunner: Aber hallo! Es geht nicht um Hysterie, sondern um den Klimawandel!) – Dieser Alarmismus, Frau Abgeordnete Brunner, den Sie hier an den Tag legen und mit dem Sie Tag für Tag die Leistungen der Österrei­cherinnen und Österreicher schmälern, wird sich dann vielleicht ein bisschen relativie­ren. (Abg. Glawischnig-Piesczek: 8 000 Arbeitsplätze wegstreichen und nichts sagen!)

In diesem Zusammenhang möchte ich auch noch einen besonderen Durchbruch in der Mobilitätsstrategie verkünden: Bundesminister Stöger hat heute die Neuordnung der Lkw-Maut-Gebühren entsprechend der Wegekostenrichtlinie beschlossen. Wir haben darauf gedrängt, dass die Mehreinnahmen von 50 Millionen € pro Jahr für Umweltpro-


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jekte eingesetzt werden. Allein dieser Beitrag für die Klima- und Mobilitätsstrategie wird uns deutlich unter die Obergrenzen der CO2-Emissionen bringen.

Nehmen Sie das zur Kenntnis: Es ist eine extrem ambitionierte Klimaschutzpolitik, die diese Bundesregierung betreibt! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Brunner: Nein! Schauen Sie sich die Zahlen an!) Nehmen Sie das zur Kenntnis und schmälern Sie nicht die Leistungen der Österreicherinnen und Österreicher! – Vielen Dank. (Beifall und Zwi­schenrufe bei der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Glawischnig-Piesczek.)

13.29


Präsident Ing. Norbert Hofer: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Weigerstorfer zu Wort. – Bitte.

 


13.30.14

Abgeordnete Ulrike Weigerstorfer (STRONACH): Herr Präsident! Herr Minister! Wir sprechen hier sehr emotional über den Fortschrittsbericht des Klimaschutzgesetzes. Ich gebe Ihnen recht, Herr Minister, der Bericht klingt an der Oberfläche zunächst ein­mal durchaus positiv. Nichtsdestotrotz sehe ich aber in einigen Segmenten sehr gro­ßen Handlungsbedarf.

Sie haben einen Bereich angesprochen, den ich jetzt herauspicken und emotionslos mit Fakten und Zahlen ein wenig aufbereiten möchte, nämlich den Bereich Verkehr. Ohne zusätzliche Maßnahmen steigt in diesem Bereich der Energieverbrauch laut Um­weltbundesamt sogar um 15 Prozent.

Es gibt ein Beispiel, wo man immer wieder hört, dass das weiterhin ausgebaut werden soll, aber da besteht Handlungsbedarf – schade ist, dass in diesem Bereich nicht mehr gemacht wird, weil man weit schneller ans Ziel gelangen könnte –: Man hört immer wieder: Wir bauen die Elektromobilität aus!, nur: Sie wissen, dass bis dato nicht allzu viel geschehen ist. Ich weiß, Sie können nichts dafür, Herr Minister. Ihr Vorgänger hat vor drei Jahren sogar versprochen, dass das Ziel sei, bis 2020 250 000 Elektroautos auf die Straße zu bringen. Wissen Sie, wie viele es derzeit sind? – Knapp 5 000. Ich befürchte, dieses Ziel ist so weit entfernt, dass seine Erreichung sehr schwierig sein wird.

Die Förderungen wurden sehr wohl verstärkt, aber auch eher in einem Segment, was zwar durchaus positiv ist, aber gerade im privaten Sektor sollte viel mehr gefördert werden. Wo es sehr gut funktioniert, das sind die Dienstautos, denn da sind wir bei über 60 Prozent. Aber eben nur 40 Prozent der Elektrofahrzeuge werden von Privaten gekauft. Da gibt es definitiv noch einen Spielraum.

Seit 1990 ist im Verkehrssektor eine Zunahme der Treibhausgase um über 60 Prozent zu verzeichnen, daher nochmals: Bitte mehr Elektroautos! Die Zunahme beim Verkehr ist nämlich laut VCÖ fast viermal so hoch wie bei der Industrie. Wir müssen daher ge­rade dort ansetzen und handeln. Um die Klimaziele zu erreichen, müssen in Österreich die Emissionen des Verkehrs im Vergleich zu heute um sage und schreibe 76 Prozent verringert werden. Das ist eine ziemliche Herausforderung.

Das heißt, wir brauchen vor allem im privaten Bereich eine stärkere Bewusstseinsbil­dung und ein besseres Mobilitätsmanagement. Schließlich bedeutet weniger Emission auch bessere Luftqualität – Stichwort Feinstaubbelastung.

Gemäß dem Grundsatz, Prävention zu fahren, ist es definitiv günstiger, vermehrt Mar­keting zu machen und einfach entsprechendes Bewusstsein zu schaffen, als letztend­lich wieder Reparaturmaßnahmen, die teuer sind und wehtun, vorzunehmen.

Darum appelliere ich an Sie, sich insbesondere betreffend das Segment Verkehr noch einmal mit dem Verkehrsminister zusammenzusetzen und die Bemühungen zu intensi­vieren. – Danke. (Beifall beim Team Stronach sowie des Abg. Köchl.)

13.34



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll102. Sitzung / Seite 91

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Ab­geordnete Mag. Brunner zu Wort gemeldet. Frau Abgeordnete, Sie kennen die Bestim­mungen der Geschäftsordnung. – Bitte.

 


13.34.17

Abgeordnete Mag. Christiane Brunner (Grüne): Herr Präsident! Herr Umweltminister Rupprechter hat behauptet, ich hätte die Leistungen der Österreicherinnen und Öster­reicher betreffend den Klimaschutz kritisiert. Das ist unwahr.

Richtig ist: Ich habe die Leistungen der Bundesregierung und des Umweltministers hin­sichtlich des Klimaschutzes kritisiert. Dabei habe ich mich auf eine Untersuchung der Europäischen Umweltagentur bezogen, die prognostiziert hat, dass Österreich seine Ziele für 2020 nicht einhalten wird. Es liegen jetzt nicht mehr Maßnahmen vor, als die­se Umweltagentur auch schon berücksichtigt hat.

Ich zitiere im Folgenden aus dem Maßnahmenprogramm der Bundesregierung selbst, wo auch steht – Maßnahmenprogramm 2015, Seite 10 –:

„…, dass bei Zurücknahme oder Abschwächung bestehender Maßnahmen in Bezug auf deren Wirkung im Gegenzug andere Maßnahmen geschaffen werden müssten, um eine Verschärfung der Zielverfehlung vermeiden zu können.“

(Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf der Abg. Glawischnig-Piesczek. – Ruf bei der ÖVP: Das war jetzt weltbewegend!)

13.35


Präsident Ing. Norbert Hofer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Ing. Mag. Groiß zu Wort. – Bitte.

 


13.35.20

Abgeordneter Ing. Mag. Werner Groiß (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Mi­nister! Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren heute den Fortschrittsbericht zum Kli­maschutzgesetz. In diesem Bericht wird eindeutig festgestellt, dass die Ziele erfüllt, ja übererfüllt sind. Die Entkoppelung wurde schon mehrmals angesprochen: Wir haben trotz Wirtschaftswachstums weniger CO2-Ausstoß.

Ich möchte zwei Aspekte besonders hervorheben, wobei der eine den Sektor Gebäude betrifft. In diesem Bereich haben wir wirklich ein Erfolgsmodell, denn die thermische Sanierung und die neuen Heizmethoden haben einen wesentlichen Beitrag dazu ge­leistet, den CO2-Ausstoß um bis zu ein Drittel zu reduzieren. Natürlich leisten auch die neuen Bauordnungen der Länder ihren Beitrag dazu, dass in Zukunft so gebaut wird, dass nur ein geringer CO2-Ausstoß gegeben ist. Auch bei den Sanierungen wurde ent­sprechend Positives vorangestellt.

Ein Problem haben wir im Sektor Verkehr, worauf schon mehrfach eingegangen wurde. Wir haben zwar seit 2005 eine leichte Reduktion, davor aber hatten wir einen riesigen Anstieg. Diese Statistiken sind natürlich ein wenig zu hinterfragen, denn ein großer Teil dieses CO2-Ausstoßes, der uns zugerechnet wird, kommt aus dem Kraftstoffexport, der für uns zwar geldmäßig positiv ist, sich aber negativ auf die Statistik auswirkt.

Was können wir im Verkehrsbereich tun? – Wir können den öffentlichen Verkehr aus­bauen. Was wir nicht tun sollten, ist, den Pkw-Verkehr zu verteuern, denn wir können nicht in Regionen, in denen es keinen öffentlichen Verkehr gibt oder der Zugang zu diesem sehr eingeschränkt ist, die Leute zusätzlich bestrafen und den Autoverkehr ver­teuern.

Ein positiver Ansatz, der von der Bundesregierung gemacht wurde, ist die Erhöhung der Forschungsprämie, denn genau in diesen Bereichen ist Forschung massiv ange­sagt. Zudem zieht eine Erhöhung der Forschungsprämie Forschung nach Österreich und kann Wertschöpfung bringen.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll102. Sitzung / Seite 92

Auch im Zusammenhang mit dem VW-Skandal ist jetzt die Zeit gekommen, die Kon­zerne und Firmen, die auf besonders schadstoffarme Antriebe setzen, werden den Markt in Zukunft leichter erobern, da er nun weniger abgeschottet ist.

Die nationalen Klimaziele wurden erfüllt. Die Anstrengungen könnten größer sein, die Rahmenbedingungen sind derzeit gut. Gemeinsam mit unserer Regierung werden wir das umsetzen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

13.38


Präsident Ing. Norbert Hofer: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Mag. Greiner zu Wort. – Bitte.

 


13.38.32

Abgeordnete Mag. Karin Greiner (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Wir sprechen heute über den Fortschrittsbericht zum Klimaschutzgesetz. Dieser Bericht zeigt uns, ob die Ziele zur Senkung der Treibhausgasemissionen eingehalten werden konnten.

In diesem Bericht kann man auch nachlesen, dass es Österreich seit 2005 gelungen ist, die Treibhausgasemissionen beständig zu senken – nur ein Jahr nicht, aber an­sonsten ist es kontinuierlich gelungen.

Österreich hat sich, wie wir wissen, sehr stark engagiert, um auf EU-Ebene das EU-Kli­maschutzziel zu definieren, welches lautet: bis 2030 Reduktion der Treibhausgasemis­sionen um 40 Prozent.

Wie kann Österreich als Teil der EU diesen Anforderungen gerecht werden? – Ich ha­be es gestern schon gesagt: Wir werden diesem Ziel nicht durch einen verstärkten Han­del mit Emissionszertifikaten gerecht werden, sondern durch Maßnahmen in Österreich selbst.

Positiv hervorheben möchte ich in diesem Zusammenhang zahlreiche Initiativen und Projekte in den einzelnen Bundesländern zur Senkung des Energieverbrauches im All­gemeinen, zur Senkung von CO2-Emissionen et cetera. Ich denke dabei an das Bemü­hen vieler Regionen, energieautark zu werden. Ich denke an Maßnahmen im Nahver­kehr. Zwei neue S-Bahn-Linien zum Beispiel werden nächstes Jahr in der Steiermark in Betrieb genommen. Ich denke an nachhaltige Bestrebungen, das möchte ich be­sonders betonen, in Großbetrieben und in Unternehmungen, beispielsweise im Rah­men vom klimaaktiv pakt2020. Dabei handelt es sich um einen Klimapakt mit Groß­betrieben, bei dem sich die Vertragspartner verpflichten, Klimaschutzziele freiwillig, aber verbindlich bis 2020 umzusetzen. Zum Beispiel Steigerung der Energieeffizienz, zum Beispiel eine Steigerung des Anteils an erneuerbaren Energien, insbesondere im Sektor Verkehr, wo das besonders wichtig sein wird.

Vor wenigen Tagen, wir alle haben es vernommen, wurde der Klimaschutzpreis ver­liehen. Ich darf in diesem Zusammenhang zahlreichen Betrieben, die den Preis erhal­ten haben, herzlich gratulieren, da sie diese Auszeichnung bekommen haben, indem sie klimaschutzpolitische Maßnahmen gesetzt haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist wichtig, in Betrieben Maßnahmen zu setzen, aber genauso wichtig ist es im pri­vaten Umfeld. Denken wir an unsere eigenen Haushalte, wir versuchen, energiespa­rende Geräte zu kaufen.

Einen Aspekt möchte ich zum Abschluss noch hervorheben, die Lebensmittel, und da möchte ich Ihnen eine Zahl vor Augen führen: In Österreich werden pro Jahr 157 000 Ton­nen an Lebensmitteln im Restmüll versenkt, das entspricht 19 Kilogramm pro Person im Jahr.

Meine Damen und Herren, vielleicht ist diese Zahl ein weiterer Ansporn dafür, dass wir gemeinsam nachhaltige Maßnahmen setzen, bewusst mit unseren Ressourcen umge-


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hen. Und wenn es gelingt, auf allen Ebenen – Bund, Länder, Gemeinden, Betriebe und Haushalte – bewusst zu agieren, dann wird es uns in Österreich auch gelingen, den definierten Klimaschutzzielen näher zu kommen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

13.41


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Steinbichler. – Bitte.

 


13.42.08

Abgeordneter Leopold Steinbichler (STRONACH): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Die Äußerungen von Kollegin Greiner kann ich nur voll unterstützen. Insbe­sondere in unserem täglichen Tun, in unserem täglichen Handeln und natürlich auch bei den Lebensmitteln können wir den glaubwürdigsten Beitrag zum Klimaschutz leis­ten.

Ich denke, wenn der Herr Minister nach Paris zur Klimakonferenz fährt, so wäre es doch auch ganz interessant zu wissen, wie viele Konferenzen es schon zu diesen The­men gegeben hat. (Abg. Brunner: 20! ) – Egal, wie wir jetzt diese zwei Tage disku­tieren, und egal, welche Ziele da ausgerufen werden, 2020, 2040 … (Abg. Weninger: Es kommt die 21.!) – Herr Kollege, das ist ganz richtig. (Abg. Weninger: Das war Ihre Frage, das ist nur die Antwort!)

Wir können uns auch gern einmal über die Flugzeuge, über die Kreuzfahrtschiffe unter­halten. Nehmen wir gleich die ganze Palette, wenn du willst, denn gerade erst wurde das modernste Kreuzfahrtschiff getauft, und dann schauen wir uns einmal die Klima­bilanz, den ökologischen Fußabdruck an. (Abg. Weninger: Wovon? – Weiterer Zwi­schenruf.) – Für den Zwischenruf bin ich dankbar (Abg. Weninger: Ich war noch nie in meinem Leben auf einem Kreuzfahrtschiff, einmal mit dem Tretboot auf dem Neusied­ler See!), aber ich will zurück zu den tatsächlichen klimarelevanten Auswirkungen.

Da werfe ich auch wieder, Herr Minister, einen Blick zurück, da es wichtig ist, was wir in der Vergangenheit trotz toller Ziele gemacht haben. Was ist mit den Biogasanlagen, wo wertvollste Futtermittel unserer Rinder, unserer Schweine, unserer Geflügel vergast werden, ohne vorher genützt zu werden? Dafür hat man produzierenden Bäuerinnen und Bauern produktive Fläche weggenommen, verbraucht beim weiten Transport die­ser Erntegüter oftmals mehr Energie, als letztlich produziert wird, und hat 50 000 Hek­tar wertvollstes Dauergrünland – da bin ich bei der Biodiversität: Ein Hektar Dauergrün­land reproduziert viermal so viel Sauerstoff wie die grüne Lunge Wald, wie ein Hektar Wald! –, hat also 50 000 Hektar wertvollstes Dauergrünland für diese Biogasanlagen umgeackert, hat damit wertvollstes Grünland, Pflanzenreichtum umgeackert und wert­vollsten Trinkwasserschutz aufgegeben. (Zwischenruf des Abg. Pirklhuber.)

Eine Frage habe ich, Herr Minister: Wie verträgt es sich mit dem Klimaschutz, wenn wir in unserem Biodiesel 13 000 Hektar Regenwald verfahren?

Ich glaube, das ist ein Thema, das man auch einmal ganz offen im Zusammenhang diskutieren muss. Gestern haben wir die Flüchtlingsthematik gehabt. (Zwischenruf des Abg. Rädler.) All unser Tun und Handeln, Herr Kollege, hat Auswirkungen! Deshalb bitte ich, dass wir insbesondere bei den Klimazielen von diesem Farbkastendenken, vom politischen Kleingeld wegkommen. Wir haben eine Umwelt, wir haben ein Klima, wir haben eine Gesundheit, wir haben eine Zukunft! (Beifall beim Team Stronach.)

Ich denke, wir sollten all unser Tun und Handeln in Blickrichtung Kinder und Enkel set­zen, dann haben wir, glaube ich, das Beste für die Zukunft getan. (Beifall beim Team Stronach.)

13.45


Präsident Ing. Norbert Hofer: Letzter Redner in dieser Debatte ist Herr Abgeordneter Mag. Dr. Feichtinger. – Bitte.

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll102. Sitzung / Seite 94

13.45.29

Abgeordneter Mag. Dr. Klaus Uwe Feichtinger (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Emotionale Menschen führen zu ei­nem emotionalen Thema eine emotionale Debatte. Frau Kollegin Brunner, ich konze­diere Ihnen in diesem Zusammenhang ein Problembewusstsein und eine Emotionalität, die ihresgleichen sucht. Sie haben sich ja – das ist meines Wissens relativ einzigartig – für ihre Wortwahl das letzte Mal im Umweltausschuss selbst einen Ordnungsruf erteilt.

Wir alle anerkennen Ihren Einsatz, und damit sind wir auch schon beim Thema. Kli­maschutz braucht neben dem Bekenntnis der Staaten zu den entsprechenden Rege­lungen und deren Umsetzung im nationalen Bereich auch immer die Menschen, die bereit sind, sich persönlich für dieses wichtige Ziel einzusetzen und im privaten und beruflichen Bereich entsprechende Maßnahmen umzusetzen.

Vor einigen Wochen haben Sie, Herr Bundesminister, meine Heimatstadt besucht und Weiz für sein jahrelanges Engagement als e5-Gemeinde mit Umsetzung von fast 80 Pro­zent der möglichen Energie- und Klimaschutzmaßnahmen die klimaaktiv-Auszeichnung für Kompetenz im Klimaschutz überreicht. Nach dem Klimaschutzpreis 2014 war das die zweite Auszeichnung in zwei Jahren, die wir erreichen konnten.

Ich darf mich an dieser Stelle bei allen am e5-Prozess Beteiligten in meiner Gemeinde herzlich bedanken. Ihr Einsatz und ihr Engagement leisten einen wesentlichen Beitrag zur Erreichung der Klimaziele in Österreich. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeord­neten Höfinger und Brunner.)

Ich glaube auch, dass die gemeinsame klare politische Intention besteht, dass Öster­reich sein Ziel in der Periode 2013 bis 2020 durch Maßnahmensetzungen im Inland einhält. Der Weg dahin ist vielleicht ein durchaus diskutierenswerter, einer, der mit un­terschiedlichen Zielsetzungen verbunden ist, aber das gemeinsame Ziel am Ende der Periode ist, glaube ich, uns allen klar und steht vor Augen, nämlich diese Ziele zu er­reichen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.48

13.48.10

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen jetzt zur Abstimmung über den Antrag des Umweltausschusses, den vorliegenden Bericht III-215 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für dessen Kenntnisnahme eintreten, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Höfinger, Weninger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Österreichs Beitrag zu einem ambitionierten Ergebnis auf der Klimakonferenz COP 21 in Paris.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist mehrheitlich angenommen. (E 114.)

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Mag. Brunner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Österreichs Beitrag zur Klimakonferenz von Paris.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll102. Sitzung / Seite 95

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Mag. Brunner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bereitstellung der verspro­chenen Gelder vor der Pariser Klimakonferenz.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist abgelehnt.

13.49.405. Punkt

Bericht des Umweltausschusses über die Regierungsvorlage (823 d.B.): Bundes­gesetz, mit dem das Strahlenschutzgesetz geändert wird (854 d.B.)

6. Punkt

Bericht des Umweltausschusses über den Antrag 1192/A(E) der Abgeordneten Wer­ner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Prüfung eines Ausstiegs Ös­terreichs aus dem EURATOM-Vertrag ohne gleichzeitigen Austritt aus der Euro­päischen Union (855 d.B.)

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir kommen nun zu den Punkten 5 und 6 der Tages­ordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Kumpitsch. – Bitte.

 


13.50.31

Abgeordneter Mag. Günther Kumpitsch (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Kolleginnen und Kollegen! Die Bundesregierung will zur vollständigen Umsetzung der EU-Richtlinie 2011/70/EURATOM eine Änderung des Strah­lenschutzgesetzes vornehmen, die darauf abzielt, ein nationales Entsorgungsprogramm für radioaktive Abfälle zu erstellen und umzusetzen.

Wir Freiheitliche sind aus folgenden Gründen dagegen: Erstens: In Österreich fallen nur schwach- und mittelradioaktive Abfälle an, da die Brennelemente des einzigen For­schungsreaktors am Atominstitut der Technischen Universität Wien von den Lieferan­ten wieder zurückgenommen werden. (Abg. Plessl: Das stimmt!) Die anderen, zu 95 Pro­zent nur schwachradioaktiven Abfälle werden laut Strahlenschutzgesetz durch die Nuclear Engineering Seibersdorf GmbH entsorgt. Sie sammelt und sortiert nämlich diese Abfälle, bereitet sie auf, konditioniert sie und sorgt für die längerfristige Zwi­schenlagerung in Seibersdorf.

Diese Arbeiten werden auch von den Abfallverursachern finanziert, die bei der Über­gabe der Abfälle an die genannte NES ein Entgelt für die Aufbereitung und Zwischen­lagerung dieser Abfälle leisten. Dazu kommt ein Versorgungsentgelt, das vom Bund zur Finanzierung der späteren Endlagerung verwendet werden darf. Eine Entscheidung über die spätere Endlagerung in Österreich ist bis dato noch nicht gefallen.

Die gegenständliche EURATOM-Richtlinie verlangt aber von Österreich, einen Aktions­plan umzusetzen, der unter anderem die Ausweisung eines Atomrestmülllagers vor­sieht und als Umsetzungsfrist das Jahr 2030 nennt.

Besonders problematisch in diesem Zusammenhang ist, dass das Strahlenschutzge­setz neben der Errichtung eines nationalen Endlagers auch internationale Koopera­tionen der Abfallbehandlung und -entsorgung erlaubt. Österreich ist zudem Mitglied der Europäischen Endlager-Entwicklungsorganisation, kurz ERDO genannt, deren Haupt­augenmerk darin liegt, möglichst regionale Endlager für radioaktive Abfälle zu finden.

Das heißt aber auch, dass es dazu kommen kann, dass ein Staat Atommüll anderer Staaten lagern muss. Auf Österreich bezogen kann das bedeuten, dass Österreich Ge­fahr laufen würde, ohne selbst Atomkraftwerke zu betreiben, Atommüll anderer Länder lagern zu müssen.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll102. Sitzung / Seite 96

Das, Kolleginnen und Kollegen, lehnen wir entschieden ab! Wir haben uns in Öster­reich eindeutig und klar gegen die Nutzung der Atomenergie entschieden – Ausnah­me: Forschungs- und medizinische Zwecke!

Umso befremdlicher ist es für mich, dass gerade die Grünen im Ausschuss diesem ge­genständlichen Gesetzentwurf zustimmten, wo sie doch angeblich so gegen die Nut­zung der Kernkraft als solche sind. Ich frage mich, ob das jetzt ein Blackout war oder ob sie grundlegend eine neue Linie in der Umweltpolitik eingeschlagen haben. (Beifall bei der FPÖ.)

Eines ist klar und sicher: Unsere Heimat soll und darf nicht zur Deponie für den radio­aktiven Müll anderer Länder verkommen! (Neuerlicher Beifall bei der FPÖ.)

Wir vertreten ganz klar die Auffassung, dass jedes Land selbst für seine radioaktiven Abfälle und Endprodukte verantwortlich ist und sie dementsprechend auch entsorgen soll.

Wenn sich Gerüchte bewahrheiten sollten, dass bereits in der Steiermark Standorte für eine Endlagerung von radioaktiven Abfällen geprüft würden, dann kann ich nur eines versprechen, nämlich dass sicher massive Widerstände der Bevölkerung und auch von uns zu erwarten sind. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Rädler.)

Jetzt nehme ich Sie beim Wort: Wenn man nicht nur Lippenbekenntnisse machen will und nicht nur scheinheilig eine atomfreie Umweltpolitik fordert, dann muss man auch zwangsläufig gegen diesen Gesetzentwurf sein. Die logische Konsequenz wäre über­haupt ein Austritt Österreichs aus EURATOM. Viel gescheiter wäre es, diese frei wer­denden finanziellen Mittel für den Ausbau erneuerbarer Energie zu verwenden. – Dan­ke. (Beifall bei der FPÖ.)

13.55


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Höfinger. – Bitte.

 


13.55.48

Abgeordneter Johann Höfinger (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Ein paar Worte zur Diskussion von vorhin.

Wir wissen, dass in diesem Haus sicherlich viele leidenschaftliche Umweltpolitiker sind, das äußert sich ja in einem Engagement der besonderen Art bei jedem Einzelnen. Was aber nicht passt, das ist momentan die Wortwahl bei der Vorsitzenden des Umwelt­ausschusses, der Frau Kollegin Brunner, das ist ihre Art und Weise, wie sie momentan argumentiert, gestikuliert und auf andere Menschen zugeht. Ich verstehe diese Leiden­schaft, ich glaube, man kann sie mir und vielen anderen auch nicht absprechen, aber ich denke, hier sollten wir wieder auf ein Niveau zurückkommen, das diesem Haus ge­recht wird. (Beifall bei der ÖVP.)

Herr Minister Rupprechter hat skizziert, dass es natürlich in der Realpolitik immer einen Spalt zwischen dem großen Wunsch und der Umsetzung gibt. Das haben Sie hervor­ragend skizziert, Herr Bundesminister, auch wenn es um die Umweltreferenten in den Ländern geht, die ja von den Grünen auch gestellt werden und die dann realpolitisch sehen, was machbar ist. Wenn man nur über das Ziel hinausschießt, dann wird man merken, man kann die Menschen nicht mitnehmen, man kann sie nicht mit Leiden­schaft erfüllen. Nur dann, wenn ich jemanden an der Hand habe, wenn ich jemandem die Leidenschaft vermitteln kann, wird er auch ein Ziel erreichen wollen – und nicht dann, wenn ich einfach zu hohe Ziele stecke und sage: Na ja, jetzt haben wir sie nicht erreicht!

Ich denke, wir sollten hier den konstruktiven Weg, wie er sich in der Vergangenheit schon bewährt hat, einfach fortsetzen.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll102. Sitzung / Seite 97

Zum Strahlenschutzgesetz, das uns momentan vorliegt: Es geht eben darum, eine voll­ständige Umsetzung der Richtlinie betreffend EURATOM in österreichisches Recht durchzuführen. Teilweise haben wir diese Richtlinie bereits Anfang des Jahres durch die Allgemeine Strahlenschutzverordnung und die Radioaktive Abfälle-Verbringungs­verordnung zu Jahresbeginn erkennen dürfen.

Es ist eben klarzustellen, dass kein Atommüll aus anderen Ländern nach Österreich oder umgekehrt aus Österreich in andere Länder im- oder exportiert wird. Das sehen die jetzt vorliegenden Regelungen vor. (Abg. Neubauer: Das ist falsch!) Was die Ge­rüchte aus der Steiermark betrifft, so würde ich Sie wirklich bitten, hier nicht einfach et­was zu streuen, was Sie nicht wissen, und die Menschen zu verunsichern. (Abg. Neu­bauer: Das wissen wir schon!)

Bei dem, was jetzt vorliegt, geht es darum – Kollege Kumpitsch hat es schon kurz er­wähnt –, dass jene minderradioaktiven Abfälle, die in Österreich anfallen, sei es aus dem medizinischen Bereich, das heißt aus Spitälern, Röntgeninstituten, oder aber auch aus Forschungs- und Bildungseinrichtungen, in Seibersdorf im Nuklearinstitut zwischen­gelagert behandelt werden.

Es gibt nur einen einzigen Forschungsreaktor auf der Technischen Universität, und da werden die Brennelemente vom Lieferanten zurückgenommen. Alle anderen Abfälle, die anfallen, sind zu 95 Prozent schwach- oder mittelradioaktiv. Wir konnten uns vor Kurzem überzeugen, dass die Anlage in Seibersdorf beziehungsweise das Know-how, das dahintersteht, auf dem aktuellsten Stand ist und wir von einer sicheren Zwischen­lösung ausgehen können.

Wir wissen, Seibersdorf ist bis 2045 in dieser Sache abgesichert. Natürlich geht es darum, jetzt schon darüber nachzudenken, was nach dieser Zeit sein wird. Das Minis­terium und alle Verantwortlichen widmen sich ganz intensiv diesem Thema, um auch nach 2045 für die Menschen bei uns Sicherheit in dieser Frage finden zu können.

In diesem Sinne kann ich Sie nur bitten, diesem vorgelegten Strahlenschutzprogramm Ihre Zustimmung zu geben. (Beifall bei der ÖVP.)

13.59


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Köchl. – Bitte.

 


13.59.33

Abgeordneter Matthias Köchl (Grüne): Geschätzte Damen! Geschätzte Herren! Ge­schätzte Zuseherinnen und Zuseher vor den Fernsehapparaten und auf der Tribüne! Zunächst einmal gilt es schon festzustellen: In Österreich können wir alle gemeinsam stolz sein, dass wir einen Anti-Atomkraft-Konsens hier im Hause haben. Also die Debatte läuft. Die Debatte läuft schon etwas anders als zum Beispiel in Deutschland, in Ungarn, in Slowenien.

Wir haben keinen Atommüll aus Atomkraft, aber wir haben sehr wohl – und das ist Thema dieses Strahlenschutzgesetzes – Atommüll aus Krankenhäusern, Atommüll aus Messanlagen, aus der Industrie. Wir haben sogar einigen Atommüll aus Kaisers Zeiten, als man noch im Keller experimentiert hat und nicht wusste, was das bedeutet.

Vorweg muss man wirklich sagen: Die Debatte und die Interessenslage sind anders als zum Beispiel in Deutschland. Wir haben keine Atomlobby, die Milliarden verdient und dementsprechend ihre Interessen in anderen Ländern durchsetzt, für uns geht es ein­fach darum, den Atommüll sicher unterzubringen.

Derzeit ist die Lage so – das ist ja allgemein bekannt –, dass wir drei Lagerhallen in Seibersdorf haben. Ich habe mir das auch selbst mit einigen Kolleginnen und Kollegen vor Ort angesehen: 11 200 Atommüllfässer, das schaut ungefähr so aus wie die Raiff-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll102. Sitzung / Seite 98

eisen-Lagerhallen, und dort ist der Atommüll wie in einem Supermarkt gestapelt. Ich habe meinen Geigerzähler mitgehabt – man kann zwischen diesen Atommüllfässern so­gar mit dem Geigerzähler herumspazieren –, es war die vierzigfache Strahlung, geht man zehn Meter zurück, hat man wieder den Normalzustand. Das ist aktuell der schwach strahlende Krankenhausmüll in Seibersdorf.

Die Gefahr, die besteht, ist, dass Seibersdorf vom Provisorium zum Dauerzustand ver­kommt. Die EU hat jetzt gesagt, Österreich und andere Länder müssen tätig werden. Österreich ist daher aufgefordert, eine EU-Richtlinie umzusetzen, und deshalb kommt heute dieses Strahlenschutzgesetz überhaupt zur Behandlung.

Wir haben im Ausschuss zugestimmt, weil wir anerkennen, dass überhaupt etwas pas­siert, weil wir ja nicht unbedingt fristgerecht waren und auch schon ein Vertragsver­letzungsverfahren auf dem Tisch hatten. Gleichzeitig haben wir Grüne aber angemerkt, dass wir ein Problem haben. Dieses bezieht sich auf eine Formulierung, die den Satz, was die „internationalen Kooperationen bei der Abfallbehandlung und -entsorgung“ in Betracht zu ziehen haben, betrifft. Hier haben wir eine Befürchtung, nicht zuletzt des­halb, weil Österreich auch in dieser internationalen Arbeitsgruppe ERDO ist – das wur­de heute schon von einem Vorredner gesagt –, bei der es darum geht, die Atommüll­lagerung überregional zu lösen, dass Österreich zum Schluss entweder den Atommüll exportiert oder auch Atommüll importiert. Wir sind der Meinung, gerade wenn es um diesen schwachstrahlenden Krankenhausmüll geht, sollten wir so ehrlich sein und auch die Glaubhaftigkeit und die Wahrhaftigkeit haben, zu sagen, dass Österreich für den eigenen Atommüll im eigenen Lande zuständig ist. Wir wünschen uns, dass Österreich sich nicht als Dauerlösung Seibersdorf erhält.

Dringend nötig wäre natürlich – noch ein wichtiger Aspekt – eine unabhängige Atom­aufsichtsbehörde. Für uns ist das so nicht gegeben, das Umweltministerium ist unmit­telbar für das Nuclear Engineering zuständig und gleichzeitig die Aufsicht. Darüber sollte man diskutieren. Was in diesem Strahlenschutzgesetz auch nicht vorkommt, ist ein ordentlicher Zeitplan und Fristen, bis wann ein Ergebnis vorliegt.

Es gibt einiges zu diskutieren, und das Gesetz ist auch relativ schwach formuliert. Wir würden zustimmen, wenn der eine Satz, was diese Exportoption betrifft, herausgenom­men würde. Ansonsten müssen wir leider dagegen stimmen.

Deshalb bringe ich jetzt folgenden Antrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Köchl, Freundinnen und Freunde

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Regierungsvorlage betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strahlenschutzge­setz geändert wird (823 d.B.) in der Fassung des Berichtes des Umweltausschusses (854 d.B.) wird wie folgt geändert:

In Z. 7 entfällt § 36b Abs. 2. Die Abs. 3 bis 10 enthalten die Bezeichnung 2 bis 9.“

*****

Mit Streichung dieses einen Satzes wären wir dabei. Wenn nicht, dann halt nicht, dann haben Sie halt EU-Recht auf sehr schwachem Niveau umgesetzt, aber gerade so, dass ein Vertragsverletzungsverfahren wahrscheinlich verhindert wird. Das ist dann aber re­lativ mager und relativ wenig. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei den Grü­nen.)

14.04



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll102. Sitzung / Seite 99

Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Abänderungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Matthias Köchl, Freundinnen und Freunde zum Bericht des Um­weltausschusses über die Regierungsvorlage (823 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Strahlenschutzgesetz geändert wird (854 d.B.)

Antrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Regierungsvorlage betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strahlenschutz­gesetz geändert wird (823 d.B.) in der Fassung des Berichtes des Umweltausschusses (854 d.B.) wird wie folgt geändert:

In Z.7 entfällt § 36b Abs.2.

Die Abs. 3 bis 10 erhalten die Bezeichnung 2 bis 9.

Begründung

Die Regierungsvorlage sieht vor, dass neben der Errichtung eines nationalen Endla­gers auch die Möglichkeit von internationalen Kooperationen bei der Abfallbehandlung und -entsorgung in Betracht zu ziehen sind (§36b Abs.2). Die AntragstellerInnen schla­gen vor, diesen Passus ersatzlos zu streichen.

Österreich lehnt die Nutzung von Kernenergie in den Nachbarländern vehement ab. Die ungelöste Frage der Abfallentsorgung war und ist ein maßgeblicher Grund für Ös­terreichs ablehnende Haltung gegenüber der Atomkraft. Es erscheint daher wenig an­gemessen, nicht selbst die alleinige Verantwortung für den eigenen nuklearen Abfall zu übernehmen.

Nachdem sich Österreich in der vorliegenden Novelle die Verbringung der eigenen Atomabfälle ins Ausland dezidiert als Option offenhält, würde sich Österreich als atom­kraftkritisches Land mit Beschlussfassung dieser Bestimmung dem Vorwurf der Dop­pelmoral aussetzen.

*****

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Buchmayr. – Bitte.

 


14.04.14

Abgeordneter Harry Buchmayr (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Wie bereits von meinen Vorrednern angesprochen, handelt es sich bei der vollständigen Umsetzung der Richtlinie 2011/70/EURATOM um die Erstellung, Umsetzung und regelmäßige Aktualisierung eines nationalen Entsor­gungsprogrammes inklusive Endlagerung der in Österreich anfallenden – und ich be­tone: in Österreich anfallenden – radioaktiven Abfälle.

Im Gesetz steht dezidiert drinnen, dass die Abfälle national entsorgt werden sollen. Es ermöglicht nur für kleinere Länder eine Kooperation, und – das wäre auch zu betonen – unter voller Transparenz und Öffentlichkeitsbeteiligung. Ein Großteil der in der Richtlinie angegebenen gesetzlichen Verpflichtungen sind in Österreich bereits umgesetzt.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll102. Sitzung / Seite 100

Seit fast 100 Jahren fällt in Österreich radioaktiver Abfall an. Abfallverursacher sind der medizinische Bereich zu 51 Prozent, die Industrie zu 21 Prozent, Lehre und Forschung zu 22 Prozent, und andere zu zirka 6 Prozent.

Gelagert werden radioaktive Abfälle seit 2003 in Seibersdorf. Dafür gibt es langfristige Verträge bis 2030. Wir sind in Österreich in der privilegierten Situation, dass keine hoch­radioaktiven Abfälle anfallen. – Der Grund wurde schon erwähnt. – 95 bis 98 Prozent der bei uns anfallenden radioaktiven Abfälle sind niedrigaktiv und etwa 2 bis 5 Prozent sind mittelaktiv. Man unterschiedet demnach auch nach kurzlebigen Abfällen. Diese enthalten Radionuklide mit Halbwertszeiten von weniger als hundert Tagen und Radio­nuklide mit Halbwertszeiten von mehr als hundert Tagen.

Im Zwischenlager der NES – das wurde auch bereits erwähnt – können konditionierte Abfälle, das heißt volumenmäßig komprimierte Abfälle mit einem Fassungsvermögen von maximal – so die Konzeption – 13 900 Fässern aufgenommen werden. Es können dabei aber auch längere Lagerzeiten von bis zu 300 Jahren erforderlich werden. Da­raus leiten sich schon verantwortungsvolle, nachhaltige und strategische Überlegungen bezüglich eines Endlagers ab, die man sicherlich nicht weiterdelegieren kann. Da ha­ben wir als Österreicher auch die Verantwortung. Wir sind sehr kritisch gegenüber der Atomenergie in Europa und haben daher natürlich auch die Verantwortung, unsere an­gefallenen radioaktiven Abfälle auch selbst zu verarbeiten und zu entsorgen.

Ich möchte noch kurz auf die Richtlinie 2629 eingehen, die derzeit aktiv ist, die umzu­setzende Richtlinie 2011/70 und 2013/59/EURATOM 2018. Es werden restriktive Si­cherheitsnormen und Vorgaben zum Schutz vor einer Exposition durch ionisierte Strah­lung als Schwerpunkt gesetzt. Wir kritisieren sehr oft die EU, aber gerade bei diesen Richtlinien für radioaktive Abfälle und für mögliche Expositionen ist man sehr, sehr re­striktiv. Diese Restriktionen greifen in unser aller Leben sehr intensiv ein – das betrifft Nahrungsmittel, das betrifft die Luft, das Wasser, das betrifft Baustoffe. Ich möchte ein kleines Beispiel für die Gesamtaktivität von radioaktiven Abfällen nennen: Im Metall­handel ist zum Beispiel eine Obergrenze von 0,1 Becquerel pro Gramm vorgegeben. Die Umgebungsstrahlung bewegt sich in Österreich im Durchschnitt zwischen 5 bis 8 Bec­querel pro Gramm, ist also fast um den Faktor Hundert größer.

Bemerkenswert finde ich die Position der FPÖ in Bezug auf EURATOM: Es gab hier im Haus am 22. Oktober 2014 einen einstimmigen Beschluss zur Vertragsrevisionskonfe­renz, um Möglichkeiten zu schaffen, unter Umständen von EURATOM auszutreten. Das kann man aber nur dann, wenn man drinnen ist. Gleichzeitig aber Polemik zu betreiben und Angst zum Thema „radioaktive Abfälle“ zu machen, ist gerade hier in Österreich nicht angebracht. Und für unseren eigenen Müll sind wir immer noch selbst verant­wortlich. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.09


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt als Nächster Herr Abgeordneter Pock. – Bitte.

 


14.09.22

Abgeordneter Michael Pock (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuse­her! Es geht um Strahlenschutz und es geht um eine zu späte Umsetzung einer EU-Richtlinie betreffend den EURATOM-Vertrag.

Offensichtlich bin ich – und davon bin ich jetzt auch relativ überrascht – der einzige Für­sprecher der Opposition, diese Richtlinie umzusetzen. Warum? – Weil sie eine deutliche Verbesserung im Vergleich zur bestehenden Gesetzeslage darstellt. Es ist natürlich nicht der große Wurf, da ein wesentlicher Punkt nicht ausgeräumt ist – das wurde von­seiten der Grünen auch schon angesprochen –, nämlich die Frage, ob vonseiten der Bun-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll102. Sitzung / Seite 101

desregierung in Zukunft geplant ist, den gering- und mittelschweren radioaktiven Müll auch zu exportieren, oder ob wir uns selbst darum bemühen.

Wir von den NEOS haben allerdings – das haben wir auch schon mehrfach gesagt – die Endlagerung von radioaktivem Müll nie als eine ausschließlich nationalstaatliche Angelegenheit betrachtet. Wir wünschen uns im Gegenteil sogar eine europäische Lö­sung. Warum? – Weil es besser koordiniert sein kann. Vor allem die Abgeordneten aus Oberösterreich wissen, dass man immer wieder besorgt ist, wenn in Tschechien End­lagerstätten gesucht werden, die sich in Grenznähe zu Oberösterreich befinden. Sol­che Dinge könnten nicht passieren, wenn wir tatsächlich eine einheitliche europäische Lösung hätten. – Damit lasse ich es aber auch schon bewenden, was die Richtlinie betrifft, da ich glaube, dass sie sehr unterstützenswert ist.

Der zweite wesentliche Punkt, den wir heute diskutieren, ist der FPÖ-Antrag, bei dem es darum geht, die Konsequenzen des Ausstiegs aus dem EURATOM-Vertrag zu prü­fen. Diesen Antrag unterstützen wir, obwohl wir nicht die gleiche Zielsetzung wie die Freiheitlichen haben, da wir der Meinung sind, wir sollten im EURATOM bleiben. Wa­rum? – Nur dann, wenn Sie innerhalb der Gemeinschaft sind, können Sie mitbestim­men. Sie kennen sicherlich dieses Argument, Herr Kollege!

Warum ist das wichtig? – Derzeit geht es bei EURATOM um drei Aspekte, von denen wir zwei unterstützen. Der erste ist die Vorsorge, das heißt, alles, was die Sicherheit, den Ausbau der Sicherheit, die Erforschung von Sicherheit von Atomkraftwerken be­trifft. Das ist ein wesentlicher Punkt, da wir mehr oder minder von Atomkraftwerken um­zingelt sind. Der zweite Punkt ist die Nachsorge, nämlich alles, was die Endlagermög­lichkeiten betrifft. Auch da ist es sinnvoll, in einer Gemeinschaft zu handeln. Wenn wir an der Außengrenze stehen und nicht dabei sind, können wir auch keinen Einfluss nehmen.

Ein wesentlicher Kritikpunkt ist allerdings die Präambel von EURATOM. Es ist nämlich nach wie vor Ziel dieser Gemeinschaft, die Atomkraft zu fördern, und dieses Ziel teilt niemand in Österreich, keine einzige der Parlamentsfraktionen. Daher würde ich mir von Ihnen, Herr Bundesminister, schon ein entsprechendes Engagement wünschen, wo wir sagen: Okay, Österreich will Teil der Gemeinschaft sein, aber Österreich will Teil einer Gemeinschaft sein, bei der es um die Sicherheit von Atomkraftwerken, um die Si­cherheit der Endlagerstätten geht, es aber nicht um den erweiterten Ausbau von Atom­kraft geht!

Für einen aus meiner Sicht ebenfalls wichtigen Punkt gibt es ein Lob am Schluss mei­ner Rede: Ich finde, dass das österreichische Parlament und auch die österreichische Bundesregierung bei europäischen Fragen, was die Atomkraft betrifft, eine sehr klare Haltung haben – ich würde sagen, dafür sogar die Haltungsnote Eins bekommen –, und möchte mich nochmals für das klare Vorgehen gegen die Förderung von Hinkley Point C bedanken. – Herzlichen Dank. (Beifall bei NEOS und ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

14.12


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Rädler. – Bitte.

 


14.13.03

Abgeordneter Johann Rädler (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Die heuti­gen Debattenbeiträge sind gekennzeichnet von einem ehrlichen Engagement im Um­weltbereich bis hin zur wilden Polemik der Grünen, die wir von der Vorsitzenden des Umweltausschusses gehört haben. (Abg. Glawischnig-Piesczek: Gefällt Ihnen das nicht? Mir gefällt das: die wilden Grünen!)

Da komme ich gleich zu Ihnen: Sie waren ja, glaube ich, jene, die verhindert hat oder verhindern wollte, dass in Niederösterreich erstmals von den Grünen eine Richtungs-


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entscheidung getroffen wurde, nämlich Regierungsverantwortung zu übernehmen. Ha­ben Sie nicht die dafür zuständige und jetzt in dieser bunten Regierung in Wiener Neustadt tätige Nationalrätin Windbüchler-Souschill abhalten wollen, das zu tun? (Abg. Glawischnig-Piesczek: Sechs Sitze haben die Roten und sechs Sitze haben die Schwarzen, soviel ich weiß!) Denn so etwas tut man Ihrer Meinung nach nicht, man setzt sich nicht mit Freiheitlichen, mit ÖVPlern und so weiter in eine Stadtregierung. – Und das ist das, was ich verwerflich finde!

Schön ist, dass es natürlich auch im grünen Bereich verantwortungsvolle Politikerinnen und Politiker gibt. Das zeigen – was der Herr Bundesminister heute bereits angespro­chen hat – nämlich die Verantwortlichen in den Ländern draußen. Aber trotzdem, wenn ich mir den Herrn Abgeordneten Willi angehört habe, wie er hier sehr salbungsvoll von der Energiewende in Deutschland gesprochen hat, die von Rot-Grün eingeleitet wur­de … (Zwischenruf des Abg. Steinbichler.) – Herr Kollege, Sie sind wirklich nicht be­rufen, zur Umwelt auch nur ein Wort zu verlieren, nicht einmal einen Zwischenruf, das darf ich Ihnen einmal sagen! (Beifall bei der ÖVP.)

Aber diese rot-grüne Energiewende, die der Kollege Willi angesprochen hat, bitte, wo hat denn die stattgefunden? Kein Wort von einem Atomausstieg in Deutschland wäh­rend der grünen Regierungsbeteiligung, es war Angela Merkel, die diesen Atomaus­stieg eingeleitet hat, und nicht die Grünen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Glawischnig-Piesczek: Ich glaube, Sie haben heute schlecht geschlafen!) Das ist das wahre Ge­sicht. Dort sind Sie mitgeschwommen. Sie sind mitgeschwommen wegen einer Regie­rungsbeteiligung, um ein Amt ausüben zu können. Fragen Sie Joschka Fischer, der sieht das heute genauso. (Zwischenruf der Abg. Korun.) – Frau Kollegin Korun, wir spre­chen jetzt über Umweltpolitik! Ich schätze Ihre Tätigkeit im Asylbereich, aber wir spre­chen jetzt über die Umweltpolitik. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Korun.)

Ich glaube, dass wir diesem vorliegenden Gesetzesbeschluss zustimmen können, und möchte noch einmal auf die Verantwortung der Grünen hinweisen, sich dort, wo es not­wendig ist, nicht nach ideologischen Dingen auszurichten.

Die Freiheitlichen sind nicht urböse, man kann mit ihnen, wenn man will, auch Politik betreiben, das zeigt Wiener Neustadt. Springt einmal über euren Schatten! Geht dort­hin, wo die Basis ist, und hört dort einmal zu! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Glawisch­nig-Piesczek: Echt unterirdisch!)

14.15


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt als Nächste Frau Abgeordnete Wei­gerstorfer. – Bitte.

 


14.15.56

Abgeordnete Ulrike Weigerstorfer (STRONACH): Herr Präsident! Herr Minister! Wir ha­ben im Ausschuss versucht, diese Regierungsvorlage, die dieses Strahlenschutzge­setz ändern soll, positiv zu durchleuchten. Es ist uns aber leider letztendlich nicht ge­lungen. Ich möchte das auch heute gerne kurz begründen.

Es ist schon klar, wir haben keine Atomlobby, die hier Druck macht, aber ich bin immer der Meinung: Was liegt, das pickt! Deshalb werden wir hier nicht zustimmen, das ist die eine Begründung.

Zum anderen beinhaltet diese Richtlinie die Installierung einer Nuklearbehörde, das heißt, eine Bündelung der Kompetenzen, die nicht gegeben ist, da sie ja bei uns in mehreren Ministerien angesiedelt sind. Zwar soll es da angeblich Verhandlungen geben, aber ich frage mich, warum, wenn man daran sowieso arbeitet, dann nicht gleich unser Antrag angenommen worden ist, der das Strahlenschutzgesetz diesbezüglich verändern sollte.


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Vor allem aber möchte ich die Taktik der Koalition nicht unterstützen, das Problem der Endlagerung von radioaktiven Abfällen in Österreich ein bisschen auf die lange Bank zu schieben. Bis dato wurde der Vertrag mit dem Zwischenlager Seibersdorf einfach immer wieder verlängert, im Moment läuft er bis 2045: Eine längerfristige Zwischenla­gerung wird sogar als sinnvoll erachtet, um die „internationalen Entwicklungen betref­fend Abfallendlager zu beobachten und letztlich eine optimale Lösung für Österreich zu finden.“ – Das können Sie in den Erläuterungen der Strahlenschutzverordnung nachle­sen.

Für uns schaut verantwortungsvolle Politik dann doch ein bisschen anders aus, als ab­zuwarten, was die anderen wohl hier machen. (Beifall beim Team Stronach.)

Zusätzlich ermöglicht die Novelle sowohl den Import als auch den Export von eigenem schwach- und mittelradioaktiven Abfall. Das ist auch ein bisschen zwiespältig: einer­seits abzuwarten, ob man seinen Abfall nicht exportieren kann, und andererseits aber gegen Endlagerpläne, zum Beispiel in Tschechien, zu protestieren. Das ist ein Spagat, der nicht zu schaffen ist. (Neuerlicher Beifall beim Team Stronach sowie Beifall des Abg. Neubauer.)

Selbst im Regierungsprogramm spricht man sich eigentlich schon ganz klar gegen grenznahe Lagerstätten aus und dagegen, dass alle rechtlichen und politischen Mög­lichkeiten zur Wahrung der österreichischen Sicherheitsinteressen zu nutzen sind. – Da vermissen wir Eigeninitiative, selbstbestimmtes und vor allem transparentes Han­deln. So viel zu dieser Regierungsvorlage.

Bei TOP 6 gilt eigentlich für uns Ähnliches. Es geht dabei um die zweite Vorlage aus dem Ausschuss, nämlich jene betreffend die Prüfung eines Ausstieges aus dem EURATOM-Vertrag ohne gleichzeitigen Austritt aus der EU. Diesbezüglich haben wir bei einem Hearing gehört, dass es durchaus Rechtsmeinungen gibt, die besagen, dass das sehr wohl möglich sein könnte. Generell ist da der Konsens – durchaus auch von den Landesregierungen – positiv, viele befürworten sogar eine Prüfung.

Nicht so ganz mittragen können wir das Gegenargument, dass die EURATOM-Mit­gliedschaft Mitsprache ermöglicht. Natürlich ist es schön, etwas mit zu besprechen und mit zu diskutieren, aber in diesem Fall ist meiner Meinung nach die Relevanz durchaus überschaubar, denn ich glaube nicht, dass Tschechien, wenn es Temelín ausbauen will, Kritik von uns entgegennehmen wird. Und auch wenn Slowenien und Kroatien be­schließen, die Laufzeit des gemeinsam betriebenen Atomkraftwerks Krško um 20 Jah­re zu verlängern, anstatt den Reaktor 2023 stillzulegen, werden wir nicht sehr viel da­ran ändern können.

Im Übrigen wurde der selbe Reaktortyp wie jener des Atomkraftwerks Krško von der US-Nuklearbehörde aufgrund von Sicherheitsbedenken bereits verboten. Dass Krško im Erdbebenland liegt, wissen wir. Erst vor Kurzem, Anfang November, gab es dort ein Erdbeben – Gott sei Dank nur der Stärke 4,8 auf der Richterskala, denn bei günstigem Wind würde eine radioaktive Wolke von diesem nur 100 Kilometer entfernten Atom­kraftwerk lediglich drei Stunden benötigen, um nach Kärnten beziehungsweise in die Steiermark zu gelangen.

Ich möchte diesbezüglich auch an einen Vorfall aus dem Jahre 2008 erinnern, der zeigt, dass diese drei Stunden sehr kurz sein können. Damals wurde ein Vorfall um 15 Uhr gemeldet, die EU löste um 17.38 Uhr einen europaweiten Alarm aus, und die Bevölkerung wurde dann um 19.40 Uhr gewarnt. Dazu noch ein kleines Highlight am Rande: Dem österreichischen Strahlenschutz wurde dies als Übung gemeldet, es war aber ein Zwischenfall im Primärkreislauf in Krško im Jahre 2008. Insofern würde ich al­les, was das betrifft, sehr vorsichtig entgegennehmen.


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Wenn die Warnstufe noch nicht ausreicht, dann vielleicht noch ein finanzieller Aspekt: Das laufende EURATOM-Budget ist Teil des Forschungsrahmenprogramms 2014 bis 2018, und immerhin sollen knapp 1,8 Milliarden € in das EURATOM-Programm fließen, weitere 2,5 Milliarden € in Untersuchungen zur Kernfusion. Der österreichische Anteil würde dabei 2,4 Prozent ausmachen, das sind umgerechnet in etwa 105 Millionen € – Geld, das wir meiner Meinung nach weit sinnvoller einsetzen könnten, beispielsweise in der Forschung und Förderung, zum Beispiel im Bereich der erneuerbaren Energien, um da Alternativen entgegenzusetzen.

Meiner Meinung nach hat die österreichische Bevölkerung ein klares Wort gesprochen: Nein zur Atomkraft! – Danke. (Beifall beim Team Stronach sowie der Abg. Glawisch­nig-Piesczek.)

14.23


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Ab­geordneter Köchl zu Wort gemeldet. Sie kennen die Bestimmungen der Geschäftsord­nung. – Bitte.

 


14.23.36

Abgeordneter Matthias Köchl (Grüne): Herr Abgeordneter Rädler hat gemeint, der Atomausstieg sei ausschließlich der Frau Kanzlerin Merkel zu verdanken.

Dazu möchte ich die Fakten festhalten:

Am 11. Juni 2001 wurde der Atomkonsens – der Ausstieg aus der Atomenergie in Deutschland – unterzeichnet. Als Umweltminister im Amt war damals ein gewisser Jür­gen Trittin von den Grünen, und am 14. November 2003 ist dann das AKW Stade vom Netz gegangen.

Später – ausgelöst durch Fukushima (Abg. Rädler: Oh! Oh!) und dadurch, dass die Grünen in Baden-Württemberg den Ministerpräsidenten bekamen – hat Frau Merkel in weiterer Folge am 6. August 2011 den Atomausstieg in Deutschland unterstützt. Aber der Ursprung ist eindeutig auf einen Atomkonsens, der von einem grünen Umweltmi­nister in Deutschland ausgehandelt worden ist, zurückzuführen. – Danke sehr. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Rädler: … Freda Meissner-Blau …!)

14.24


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt als Nächster Herr Abgeordneter Ba­cher. – Bitte.

 


14.24.35

Abgeordneter Walter Bacher (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Ho­hes Haus! Meine Damen und Herren! Es handelt sich hierbei um ein sehr ernstes Thema, da die Folgen eines Unfalles mit radioaktiven Materialien zumindest eine mitt­lere Katastrophe nach sich ziehen würden. Umso wichtiger ist es daher meiner Mei­nung nach, dass diese Novelle des Strahlenschutzgesetzes heute beschlossen wird.

Es geht aber nicht nur um die Entsorgung von Atommüll, sondern vielmehr um ein ver­stärktes Bewusstsein für diese Problematik und den richtigen Umgang damit: den rich­tigen Umgang mit der Umwelt, mit Ressourcen, einen sorgfältigen Umgang mit beson­ders gefährlichen Abfällen aller Art.

Österreich hat Ende der Siebziger Jahre gegen die Energieversorgung durch Atomkraft in Österreich gestimmt und dadurch bereits damals eine Vorreiterrolle eingenommen. (Zwischenruf des Abg. Neubauer.) Rundherum haben sich Länder leider anders ent­schieden. Aus diesen Gründen müssen wir darauf achten, dass die Strahlenschutzbe­stimmungen über die Grenzen hinweg entsprechend umgesetzt werden. Das gilt na-


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türlich für alle EU-Mitgliedstaaten, und es muss daran gearbeitet werden, dass auch weltweit entsprechende Maßnahmen gesetzt werden.

Es ist unsere Pflicht im ureigensten Sinne, ein Programm für die Entsorgung radioak­tiver Abfälle zu erstellen, umzusetzen und auch regelmäßig zu evaluieren. Es darf mit diesem Thema nicht leichtfertig umgegangen werden, nicht in Österreich und auch nicht in grenznahen Gebieten und darüber hinaus. Ein Restrisiko bleibt immer, aber wenn sich jeder nur annähernd an die Vereinbarung hält, dann wird das Risiko zumindest mi­nimiert. Ist die Umwelt gefährdet, macht diese Gefährdung nicht vor Grenzen halt, son­dern betrifft die ganze Menschheit.

Wir alle wollen unserer Generation und den nachkommenden Generationen eine Um­welt erhalten, die lebenswert ist, und das schaffen wir nur alle gemeinsam. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Diesner-Wais.)

14.26


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Neubauer. – Bitte.

 


14.26.30

Abgeordneter Werner Neubauer (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Wie bereits einer der Vorredner gesagt hat, sind sehr viele hier in diesem Saal Umweltaktivisten. Ich selbst bin Mitglied der Anti-Atombewegung in Ober­österreich, und das seit über 20 Jahren. Ich darf Ihnen zum Thema EURATOM-Aus­stieg sagen, dass es derzeit auch eine aktive Petition zum Ausstieg aus EURATOM gibt. Diese liegt im Petitionsausschuss und soll demnächst auch einer Behandlung unterzogen werden. Das zeigt, dass das Thema EURATOM und der Ausstieg aus EURATOM der Bevölkerung nicht egal sind, sondern dass sie genau erkannt hat, wo­rum es in diesem unseligen Vertrag eigentlich tatsächlich geht, nämlich darum, dass dieser EURATOM-Vertrag mittlerweile sowohl für die Staaten, die über keine Atomkraft verfügen, als auch jene, die darüber verfügen, zur Geißel geworden ist.

Herr Kollege von den Grünen, wir haben leider heute hier in diesem Haus, aber auch schon seit Jahren keinen Grundkonsens mehr zur Atomkraft in Österreich, der ist längst dahingegangen, spätestens seitdem Bundeskanzler Schüssel erklärt hat, dass es mit der Atomkraft in Europa aufwärtsgeht und selbst jetzt als hoch dotierter Aufsichtsrats­vorsitzender oder Mitglied des Vorstandes von RWE 170 000 € kassiert. Seitdem hat in der ÖVP die Atomkraft einen ganz anderen Stellenwert, als sie es vorher noch hatte. (Nein-Rufe sowie weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Das ist einfach richtig!

Der EURATOM-Vertrag und der ERDO-Vertrag, in dem es um die Endlagerung von Atomrestmüll geht, diese Verträge sind es – nicht unbedingt das heute hier vorliegen­de Gesetz, sondern der ERDO-Vertrag, wo Österreich und andere Staaten dabei sind –, die uns die Richtlinien vorgeben. In dem ERDO-Vertrag steht drinnen, dass es europäische Endlager – keine Zwischenlager, sondern Endlager! – für radioaktiven Müll geben muss, dass wir verpflichtet sind, für diese Lagerung als Endlager und dass wir den Atomrestmüll auch anderer europäischer Staaten zu nehmen haben. Das ist die Krux an dem Ganzen (Beifall bei der FPÖ), und das wurde in diesem Gesetz nicht berücksichtigt. Die Ministerien haben vier Jahre gebraucht, um dieses Gesetz in dieser Form vorzulegen. Keine einzige Umweltorganisation ist in diesen Prozess miteinbezo­gen worden – und das ist höchst merkwürdig –, um ein entsprechendes umweltrele­vantes Gesetz auszuarbeiten und der Bevölkerung auch vorzulegen. Das sollte einmal gesagt werden.

Wenn man von Atomrestmüll spricht, dann darf ich Ihnen einmal die Dimensionen des­sen vor Augen halten, wovon wir sprechen: Wissen Sie, wie viel Atomrestmüll in Deutsch­land laut Berechnungen des Bundesumweltamtes angefallen sind und anfallen wer-


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den? – 175 000 bis 225 000 Kubikmeter Atomrestmüll! Diese Zahl ist nur auf Deutsch­land bezogen.

Jetzt können Sie sich vorstellen, was dann auf Österreich zukommt, wenn wir verpflich­tet werden, so ein Endlager zu errichten und keine gesetzliche Grundlage vorliegt, die den Import oder den Export explizit ausschließt. Meine sehr geehrten Damen und Her­ren, da sind wir als Freiheitliche nicht dabei, das kann ich Ihnen sagen.

Zum Herrn Kollegen Pock, den ich grundsätzlich im Umweltbereich sehr schätze: Sie haben bezüglich EURATOM gesagt, Sie würden mitstimmen, obwohl Sie nicht unseren Zugang hätten, denn – so haben Sie gesagt – wir müssen in EURATOM drinnen blei­ben, damit wir mitreden können.

Ich darf Ihnen diese Mitsprache jetzt gleich einmal veranschaulichen. Ich habe eine An­frage an den Herrn Minister gestellt.

Wie lauten die Gremien, in welchen Entscheidungen zum EURATOM-Vertrag gefällt werden? – Eine ganz einfache Frage. Keine Antwort!

Wie lauten jeweils die Namen der Mitglieder Österreichs in diesen Gremien? – Keine Antwort!

Auf welcher Rechtsgrundlage werden die Personen Österreichs dorthin entsendet? – Keine Antwort!

Welchen Status hat Österreich überhaupt in diesen Gremien? – Keine Antwort!

Wann haben diese Gremien jeweils in den Jahren 2013, 2014 und 2015 überhaupt ge­tagt? – Keine Antwort!

An welchen Sitzungstagen in den Jahren 2013, 2014 und 2015 wurden welche Ent­scheidungen getroffen? – Keine Antwort!

Und es gab noch viel mehr Fragen – ohne Antwort!

Ist das jenes Mitspracherecht, das Ihrer Meinung nach Österreich in diesem EURATOM-Vertrag haben soll? Mein Zugang ist das nicht, und auch nicht der der gesamten frei­heitlichen Fraktion. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir haben fünf Universitätsgutachten von verschiedensten Universitäten – aus Erlan­gen in Deutschland, aus Nürnberg in Deutschland, aus Salzburg, von der Universität Linz, der Universität Innsbruck –, und alle Gutachter sagen: Man kann aus EURATOM austreten, und wir hätten diese Geißelungsverträge endlich weg und könnten wirklich wieder Anti-Atompolitik machen, die glaubwürdig erscheint.

Es ist so, wie die Kollegin Weigerstorfer ganz richtig gesagt hat: Wir werden als Öster­reich unglaubwürdig, wenn wir gegen grenznahe Atomrestmülllager und gegen die Er­weiterung von Atomkraftwerken auftreten, selber aber solche Gesetze wie die heute hier vorliegenden einer Beschlussfassung unterziehen. Damit geben wir unsere eigene Anti-AKW- und Anti-Atompolitik wirklich auf und tragen sie zu Grabe. (Beifall bei der FPÖ sowie der Abg. Weigerstorfer.)

14.33


Präsident Ing. Norbert Hofer: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Diesner-Wais zu Wort. – Bitte.

 


14.33.12

Abgeordnete Martina Diesner-Wais (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Meine Damen und Herren im Nationalrat! Wir haben 1978 in Österreich eine Abstimmung über die Inbetriebnahme von Zwentendorf gehabt, und das österrei-


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chische Volk hat sich gegen den Atomstrom entschieden. Das war damals weitbli­ckend, ist auch heute noch gut, und dazu steht die ÖVP noch heute, auch wenn der Herr Kollege Neubauer das Gegenteil behauptet. (Abg. Neubauer: Das merkt man aber nicht!) Es gibt die gleichen Probleme, die es damals gegeben hat, und die Grün­de, warum man sich gegen Atom entscheidet, sind auch heute noch aktuell. Auch wenn manche Länder auf diesem Weg sind und glauben, Atomstrom sei billig: Das ist er nicht, denn man muss auch die Endlagerung dazurechnen, und damit ist Atomstrom we­sentlich teurer.

Ich komme aus dem Wahlkreis Waldviertel. Da heute bereits angesprochen worden ist, dass gerade Tschechien in Grenznähe sieben Standorte für eine Atommüllendlagerung prüfen lässt, möchte ich dazu gleich Stellung nehmen. Einer dieser Standorte liegt 30 Ki­lometer neben meiner Stadt im Waldviertel, neben Litschau. (Abg. Neubauer: … be­stimmt nicht …! – Abg. Hafenecker: Und wer hat das aufgedeckt? Die FPÖ, sonst wüss­tet ihr es heute noch nicht!) Wir, die Bevölkerung dort in der Grenznähe, haben davor Angst, und wir akzeptieren es nicht, dass dort in Grenznähe ein Atomendlager von Tsche­chien errichtet wird.

Was diese EU-Richtlinie betrifft, in der es darum geht, dass sozusagen ein Fahrplan für Endlager festgelegt wird, so wird das bei uns in Österreich durch das Strahlenschutz­gesetz geregelt. Dabei – wenn wir dauernd davon reden – geht es darum, dass in Ös­terreich schwach- und mittelradioaktive Abfälle von Seibersdorf auch in Seibersdorf zwischengelagert werden und jene, die an der Technischen Universität entstehen, von den Lieferanten wieder zurückgenommen werden. Sie haben auch angesprochen, dass dann etwas importiert oder exportiert werden könnte: Diese Möglichkeit besteht derzeit nicht, dafür bräuchte es eine Gesetzesänderung.

Schließlich möchte ich zu dem Antrag betreffend Ausstieg Österreichs aus EURATOM Folgendes sagen: Österreich hat von Beginn an, seit es Mitglied der EU ist, die Re­formbemühungen zum EURATOM-Vertrag unterstützt und auch viele Initiativen einge­bracht, um die Schutzzwecke auszubauen und einen sicheren Ausstieg Europas aus der Atomenergie und einen fairen Wettbewerb einzufordern.

Meiner Meinung nach kann nachhaltige Energiepolitik nur heißen: Raus aus dem Atom­strom und rein in mehr erneuerbare Energie! (Beifall bei der ÖVP.)

14.36


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Doppler. – Bitte.

 


14.36.06

Abgeordneter Rupert Doppler (ohne Klubzugehörigkeit)|: Herr Präsident! Herren Mi­nister! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein Ausstieg aus dem EURATOM-Vertrag – da ist was Wahres dran: Es ist zu prüfen, ob es möglich ist, wie vom Herrn Kollegen Neubauer eingebracht, aus diesem Vertrag auszusteigen. Diesbe­züglich gibt es völlig unterschiedliche Sichtweisen auf die rechtliche Situation. Auf der einen Seite wird behauptet: Ein Ausstieg ist rechtlich nicht möglich!, auf der anderen Seite wird gesagt: Ein Ausstieg wäre möglich, sogar ein einseitiger Ausstieg, wohl mit Prozedere, aber möglich! Nun gibt es verschiedene Gutachten dazu, die alle zum Aus­druck bringen, dass ein Ausstieg aus dem EURATOM-Vertrag möglich ist.

Eines ist wohl schwer erklärbar und auch nicht verständlich, meine sehr geehrten Da­men und Herren: Wenn man einen Vertrag abschließt, dann sind auch Kündigungsbe­stimmungen darin enthalten. In diesem EURATOM-Vertrag nicht, das versteht nie­mand. – Danke schön. (Ruf bei der ÖVP: Ich hätte gern applaudiert, aber …! – Abg. Doppler – das Rednerpult verlassend, in Richtung ÖVP –: Macht nichts, ihr sitzt eh zu weit drüben …!)

14.37



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll102. Sitzung / Seite 108

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer Stellungnahme hat sich Herr Bundesminister Dipl.-Ing. Rupprechter zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Minister.

 


14.37.00

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Andrä Rupprechter: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Auch ich darf mein Anti-Atom-Engagement 1978, noch als Mittelschüler, in Erinnerung rufen, genauso wie mein Kollege Justizminister, der ebenfalls in der Anti-Atom-Bewegung aktiv war.

Ich habe übrigens bei meinem jüngsten Besuch in Japan als ersten offiziellen Termin ein Briefing mit vier Vertretern der Anti-Atom-Bewegung in Japan abgehalten, die mir auch ihre Sorgen zum Ausdruck gebracht haben, und ich hatte Gelegenheit, diese auch der neuen japanischen Umweltministerin zum Ausdruck zu bringen.

Nun: Wir sprechen über die Regierungsvorlage zum Bundesgesetz, mit dem das Strah­lenschutzgesetz geändert wird. Die vorgesehene Änderung dient der vollständigen Um­setzung der „Richtlinie 2011/70/EURATOM über einen Gemeinschaftsrahmen für die ver­antwortungsvolle und sichere Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioakti­ver Abfälle“ in nationales Recht.

Eine Teilumsetzung der Richtlinie erfolgte ja bereits durch die Änderung der Allgemei­nen Strahlenschutzverordnung und der Radioaktive Abfälle-Verbringungsverordnung zu Jahresbeginn 2015.

Ein Großteil der Verpflichtungen aus der EU-Abfallrichtlinie war in Österreich bereits durch die bestehende Strahlenschutzgesetzgebung erfüllt. Was noch umzusetzen war, sind die Regelungen über die Erstellung eines nationalen Entsorgungsprogramms, das die erforderlichen Maßnahmen für eine sichere Entsorgung der radioaktiven Abfälle von deren Anfall bis zur Endlagerung zu enthalten hat.

Dies erfolgt durch die gegenständliche Regierungsvorlage. Ein wesentlicher notwendi­ger Inhalt dieser Entsorgungsprogramme sind Festlegungen über die spätere Endlage­rung des radioaktiven Abfalls. Diesbezüglich sind in Österreich, wie auch in vielen anderen europäischen Ländern, bisher noch keine definitiven Entscheidungen gefallen. Deshalb müssen da nun konkrete Schritte gesetzt werden, und zwar nicht nur wegen der Vorgaben der EU-Abfallrichtlinie, sondern auch aufgrund unserer Verantwortung ge­genüber der Bevölkerung und der Umwelt.

Die Sammlung, die Aufarbeitung und die Zwischenlagerung des österreichischen radio­aktiven Abfalls ist bereits jetzt klar geregelt und erfolgt in den Einrichtungen der Nu­clear Engineering Seibersdorf. Diese Anlagen werden derzeit modernisiert. Sie zählen schon jetzt zu den modernsten in Europa. Die Zwischenlagerung des vorhandenen Abfalls ist bis 2045 sichergestellt. Neu zu regeln ist das Vorgehen betreffend Schaffung eines Endlagers.

Zur Klarstellung möchte ich auch festhalten, was in der EU-Abfallrichtlinie nicht vorge­geben ist. Nicht vorgegeben ist ein Zeitpunkt, zu dem eine endgültige Entscheidung über die Endlagerung der radioaktiven Abfälle getroffen sein muss. Wie auch die Erfah­rungen anderer Staaten zeigen, wird diese Suche mit Sicherheit ein viele Jahre dau­ernder Prozess sein. Bis dahin ist eine sichere Zwischenlagerung des in Österreich vorhandenen Abfalls gewährleistet. Es ist auch nicht gefordert, dass ein Staat seinen radioaktiven Abfall im eigenen Land endlagert.

Mein Weg zur Umsetzung der Abfallrichtlinie sieht daher mit dieser Novelle vor, dass die Ausarbeitung und Implementierung des nationalen Entsorgungsprogramms als ge­samtstaatliches Anliegen der Bundesregierung übertragen wird.

Eine Lösung der Endlagerfrage ist daher im breiten Konsens unter Einbeziehung aller zuständigen Stellen in Bund und Ländern, aber auch der Öffentlichkeit, zu erarbeiten.


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Deshalb wird das nationale Entsorgungsprogramm einer strategischen Umweltprüfung unterzogen werden. Im Zuge dieses Verfahrens hat jedermann im In- und im Ausland die Möglichkeit zur Stellungnahme. Für die weiteren Schritte im zukünftigen Prozess der Endlagersuche werden im nationalen Entsorgungsprogramm selbst die Maßnah­men festgelegt werden, die die effektive Öffentlichkeitsbeteiligung sicherstellen.

Da sich die Frage der Endlagerung von radioaktivem Abfall bekanntlich in fast allen Staa­ten stellt, und zwar unabhängig davon, ob es in diesen Staaten Kernkraftwerke gibt oder nicht, forciert Österreich in diesem Bereich die internationale Zusammenarbeit, wie es ja bereits jetzt im Strahlenschutzgesetz vorgesehen ist.

Selbstverständlich kann diese Zusammenarbeit nicht bedeuten, dass gegen den Willen der Betroffenen zusätzlich zum eigenen Abfall plötzlich auch noch der Atommüll aus anderen Staaten im eigenen Land endgelagert wird. Es geht vielmehr zunächst um ei­ne gemeinsame Suche nach Lösungen, den Austausch von Informationen und das Nut­zen von vorhandener Expertise.

Ob Österreich die Option eines gemeinsam mit anderen Staaten betriebenen Endla­gers künftig verfolgen soll, ist im Rahmen der Erstellung des nationalen Entsorgungs­programms zu diskutieren. Auf Basis dieser Ergebnisse kann dann die für Österreich beste Entscheidung getroffen werden.

Zum Antrag des Herrn Abgeordneten Neubauer, der uns leider schon verlassen hat, möchte ich feststellen, dass seitens der Rechtsdienste der Bundesregierung bereits hinreichend geklärt wurde, dass ein einseitiger Ausstieg aus dem EURATOM-Vertrag nicht möglich ist. Das diesbezügliche Gutachten wurde 2011 an die Umweltsprecher aller im Nationalrat vertretenen Parteien übermittelt. Die Rechtsdienste haben im Um­weltausschuss am 5. Mai des Jahres ihre Auffassung bekräftigt.

Entsprechend der Entschließung des Nationalrates vom 21. Mai 2015 werden wir alle Möglichkeiten zur Einberufung einer EURATOM-Vertragsrevisionskonferenz mit dem Ziel eines Atomenergieausstiegs ausschöpfen. Die Voraussetzungen, den für eine Re­form notwendigen Konsens zu erzielen, haben sich allerdings nicht verbessert. Das zeigt die Diskussion zur Energieunion, das zeigt die Diskussion zum Juncker-Paket und das zeigt die Diskussion zum Kernkraftwerk Hinkley Point C, bei dem übrigens der britische Steuerzahler die Rechnung bezahlen wird.

Österreich würde sich durch einen Ausstieg aus dem EURATOM-Vertrag auch kein Geld ersparen, da es kein eigenes EURATOM-Budget gibt. Wir werden jedenfalls in der Europäischen Union einschließlich EURATOM unsere Interessen weiterhin mit aller Kraft vertreten.

Sehr geehrter Herr Abgeordneter Neubauer, der uns, wie gesagt, leider schon verlas­sen hat: Sie haben festgestellt, dass es von meiner Seite keine Beantwortung zu Ihrer Anfrage gegeben hat. Hier darf ich feststellen: Die Anfrage ist mit 6. Oktober einge­bracht worden, und die Frist zur Anfragebeantwortung endet am 6. Dezember. Genau deswegen haben Sie bis jetzt noch keine Beantwortung. Selbstverständlich werden wir Ihre Anfrage, Ihre neun Fragen, vollinhaltlich beantworten. – Vielen Dank für die Auf­merksamkeit. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Prinz: Gut ist, dass die Wahrheit immer zu­tage kommt!)

14.44


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt als Nächster Herr Abgeordneter Plessl. – Bitte.

 


14.44.12

Abgeordneter Rudolf Plessl (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzter Herr Umweltminister! Herr Justizminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Minister, zuerst einmal Danke für die Klarstellung zu den angeblich vorhandenen


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Missständen, die hier aufgezeigt worden sind. Wir haben hier eine klare Haltung der Ös­terreichischen Bundesregierung gehört, wie die weiteren Verfahren umgesetzt bezie­hungsweise auch verwirklicht werden. Wir sind – und da gibt es einen breiten Kon­sens – gegen Atomkraft. Wir im Hohen Haus, aber auch die österreichische Bevölkerung sind klar gegen diese Art der Stromgewinnung und für einen vollständigen Umstieg auf erneuerbare Energie.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, heute behandeln wir ja die Novellierung des Strahlenschutzgesetzes. Es soll wieder mehr Druck auf die Atomlobbyisten und die Atom­kraftbefürworter ausgeübt werden. Wir brauchen hier eine europäische Lösung, und deswegen verstehe ich die Kollegen Kumpitsch und Neubauer nicht ganz – Sie haben hier leider etwas falsch verstanden. Wir brauchen in diesem Bereich nicht weniger, son­dern mehr Sicherheit. Deswegen ist es so wichtig, die EURATOM-Richtlinie auch um­zusetzen. Mit dieser Novellierung muss für jeden Staat auch ein nationales Programm betreffend die Entsorgung der radioaktiven Abfälle erarbeitet werden, umgesetzt und auch regelmäßig aktualisiert werden. Das Entsorgungsprogramm ist auch mit einer End­lagerung zu versehen.

Wir in Österreich sind in der glücklichen Lage, dass seit vielen Jahren sehr wenig hoch­radioaktives Material anfällt. Einzig – und das ist auch im Gesetz vermerkt – Betreiber von Forschungsreaktoren haben sicherzustellen, dass keine abgebrannten Brennele­mente in Österreich zur Entsorgung anfallen. Das haben Sie auch richtig erwähnt: Es stimmt, dass diese Brennelemente zurückgenommen werden. Wir müssen aber auch als Letztverantwortliche das vorhandene schwachradioaktive Material in unserem Ho­heitsbereich einer Entsorgung zuführen.

Zum Schluss noch zu Hinkley Point C: Es ist eine Katastrophe, was hier von den Atomlobbyisten aufgeführt wird. Über 35 Milliarden € – manche sagen: bis 100 Milliar­den € – sollen als Subvention gewährt werden.

Ich möchte aber noch das AKW Dukovany ansprechen, bei dem es ständig Zwischen­fälle gibt. Gerade dieses Atomkraftwerk – 35 Kilometer von Österreich entfernt, 100 Ki­lometer nördlich von Wien – weist massive Sicherheitsrisiken auf. Es ist ein AKW rus­sischer Bauart, in den Jahren von 1985 bis 1987 errichtet, und dieses Kraftwerk hat kein Containment, das heißt, keinen Sicherheitsbehälter. Daran zeigt sich die unter­schiedliche Bewertung der Atomkraftwerke über nationale Grenzen hinweg, denn so ein ähnliches Atomkraftwerk gab es auch in Deutschland, nämlich in Greifswald, und dieses wurde bereits wenige Jahre nach der Wiedervereinigung Deutschlands stillge­legt.

Damit diese Schrottreaktoren vom Netz genommen werden, müssen wir wachsam sein und auch bei EURATOM dabei bleiben. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

14.47


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Ab­geordneter Neubauer zu Wort gemeldet. Herr Abgeordneter, Sie kennen die GO-Be­stimmungen dazu. – Bitte.

 


14.47.35

Abgeordneter Werner Neubauer (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Der Herr Bundesminister hat in seinen Ausführungen festgehal­ten, dass die Anfrage, um die es mir ging, vom Termin her erst im Dezember für eine Beantwortung geeignet ist.

Ich berichtige tatsächlich: Die Anfrage, um die es geht, wurde von mir am 8. Juni 2015 eingebracht und am 20. Juli von Ihrem Ministerium entgegengenommen. Diese Anfra-


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ge blieb, wie von mir zitiert, auch in all diesen Punkten unbeantwortet, weshalb ich jetzt eine zweite Anfrage eingebracht habe.

Zum Zweiten: Sie haben gesagt, Herr Bundesminister, aus EURATOM könne man laut eines Rechtsgutachtens Ihres Ministeriums nicht austreten.

Ich berichtige auch hier, dass diese Rechtsansicht bei Weitem überholt ist. Laut Fach­experten, Völkerrechtsexperten von sämtlichen von mir zitierten Universitäten ist auf­grund von EU ...

14.48


Präsident Ing. Norbert Hofer: Herr Abgeordneter, dieser zweite Teil ist keine tatsäch­liche Berichtigung mehr. (Beifall bei der FPÖ für den das Rednerpult verlassenden Abg. Neubauer. – Abg. Jarolim: Und was war der erste Teil?)

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Strasser. – Bitte.

 


14.49.04

Abgeordneter Dipl.-Ing. Georg Strasser (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Herren Bundesminister! Meine Kolleginnen und Kollegen! Meine geschätzten Damen und Herren! Lassen Sie mich ein paar Gedanken zum EURATOM-Vertrag formulieren! Der EURATOM-Vertrag wurde 1957 geschlossen, und jetzt gibt es den Antrag, dass wir dort aussteigen mögen. Zwei Kernziele sind in diesem Vertrag manifest. Zum einen wird die Kernenergie als Energieträger der Zukunft definiert. Das lehnen wir von der ÖVP strikt ab. Der zweite Teil dieser Strategie ist, dass uns der EURATOM-Vertrag vor negativen Auswirkungen der Atomenergie schützen soll. Das wird von der ÖVP sehr unterstützt. Die österreichische Haltung schaut folgendermaßen aus, uns verbindet da ein ganz großer Konsens: Die Atomenergienutzung in Österreich strikt ablehnen und den EURATOM-Vertrag sehr, sehr kritisch sehen.

Zuletzt hat sich diese Haltung in unserem Agieren in Bezug auf das Projekt Hinkley Point manifestiert. Ich möchte kurz die Daten zusammenfassen: Im April 2014 ist es von der Bundesregierung zu einer negativen Stellungnahme bezüglich des Beihilfever­fahrens der Europäischen Kommission gekommen. Am 6. Juli 2015 ist diese vieldisku­tierte Klage gegen den positiven Bescheid der Europäischen Kommission eingebracht worden.

Was hat jetzt EURATOM mit Hinkley Point zu tun? – Die Europäische Kommission hat sich in der Stellungnahme, aus der dann der positive Bescheid resultierte, auf diesen EURATOM-Vertrag bezogen. Speziell aus diesem Grund sehen wir beim EURATOM-Vertrag sehr großen Reformbedarf. Ich darf das auch zusammenfassen: Wir fordern einen Stopp der Investitionen in die Atomenergie, wir fordern verbindliche Standards, wenn es um laufende AKWs und auch um die Sicherheitsstandards in den Zwischen- und Endlagern geht, und wir fordern die Einbeziehung des Europäischen Parlaments, wenn es um Entscheidungen geht, die die Atomenergie betreffen. Letztendlich ist un­ser Ziel ein kompletter Ausstieg der Europäischen Union aus der Kernenergienutzung.

Strategisch bin ich ganz beim Kollegen Pock, es ist besser, dabei zu sein, mitzureden und mitzuentscheiden. Die Alternative dazu ist, dass man sich auf die Tribüne setzt, den Lauf der Dinge beklagt und damit letztendlich nichts bewegt. – Danke schön und alles Gute. (Beifall bei der ÖVP.)

14.51


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Fazekas. – Bitte.

 


14.51.55

Abgeordneter Hannes Fazekas (SPÖ): Geschätzter Herr Präsident! Herren Bundes­minister! Hohes Haus! Wenn wir, so wie heute, im Zusammenhang mit dem Strahlen­schutzgesetz über die Endlagerung von radioaktivem Material diskutieren, dann kommt


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man wohl auch nicht umhin, grundsätzlich über Atompolitik zu diskutieren und man kann bei der Problematik der Endlagerung von hochaktiven, radioaktiven Abfällen auch nicht darüber hinwegsehen.

Ich kann mich an zwei Erlebnisse erinnern: Zum einen musste ich im Jahre 1986 mei­ner damalig einjährigen Tochter erklären, dass es nicht möglich ist, in der Sandkiste zu spielen, dass es im Augenblick nicht möglich ist, auf den Spielplatz zu gehen oder ge­rade reifgewordenes Obst aus unserer Region zu genießen, da es einfach gefährlich war.

Das zweite Erlebnis war: In meiner Funktion als Strahlenschutzreferent bei der Polizei hatte ich einmal die Gelegenheit, mir im AKW Dukovany das Zwischenlager anzuse­hen, das daneben errichtet ist, wo abgebrannte Elemente gelagert werden. Wenn man hineingeht – vielleicht war der eine oder der andere von Ihnen schon einmal dort –, dann sieht man große massive Stahlbehälter, in denen die Brennstäbe untergebracht sind. Die sind über einen Meter dick, und wenn man auf die Oberfläche hingreift, so hat es dort immerhin noch über 30 Grad. Ich hatte ein Dosimeter bei mir und hatte in die­ser kurzen Zeit – eine halbe Stunde waren wir drinnen – ungefähr 1 Mikrosievert Strah­lendosis aufgenommen. Das ist nicht wirklich lebensgefährlich oder lebensbedrohend, aber es ist immerhin eine Strahlendosis.

Das sollte uns wieder vor Augen führen, wie gefährlich das ist und wie notwendig es ist, dass wir hier gemeinsam – und diesen gemeinsamen Entschluss gibt es hier auch im Hohen Haus – dagegen auftreten. Mit den Entschließungen aus dem Jahr 2014, ein­gebracht von Hannes Weninger und Kollegen Hammer, und der Bekräftigung dieser Entschließung noch einmal im Jahr 2015 anlässlich des Jahrestages von Fukushima und Tschernobyl wurde auch Druck auf die Bundesregierung ausgeübt, hier tätig zu werden. Ich bedanke mich aber auch bei den Mitgliedern der Bundesregierung, beim Bundeskanzler im Rahmen seiner Aktivitäten in Europa und beim Herrn Umweltminis­ter dafür, dass sie hier auch wirklich aktiv sind. Wir sollen daran weiterarbeiten, damit wir das gemeinsame Ziel in der Anti-Atompolitik weiterverfolgen können. – Ich danke Ih­nen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.54


Präsident Ing. Norbert Hofer: Letzter Redner in dieser Debatte ist Herr Abgeordneter Preiner. – Bitte.

 


14.54.41

Abgeordneter Erwin Preiner (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Her­ren Minister! Kolleginnen und Kollegen! Österreich hat sich, wie wir wissen, bereits seit der Volksabstimmung im Jahr 1978 einer strikten Anti-Atompolitik verschrieben, und das ist auch gut so. Wie einige meiner VorrednerInnen bereits ausgeführt haben, dient die heutige Änderung des Strahlenschutzgesetzes der Umsetzung der EU-Richtlinie. Es soll ein nationales Entsorgungsprogramm für radioaktive Abfälle erstellt und regel­mäßig aktualisiert werden. Dieses Programm soll aber auch alle Schritte der Entsor­gung radioaktiver Abfälle von deren Anfall bis zur Endlagerung umfassen und einer strategischen Umweltprüfung unterzogen werden.

Auch wenn in Österreich keine abgebrannten Brennelemente von AKWs und keine hochradioaktiven Abfälle anfallen, so ist eine rechtzeitige Vorsorge wichtig, auch im Hinblick auf eine entsprechende Lagerung. Atomenergie, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, ist eben nicht eine Energieform wie jede andere, es gibt ein entsprechend großes Gefahrenpotenzial. Ich verweise nur auf die GAUs, auf die Unfälle – Tscherno­byl, Fukushima –, aber auch auf ungeklärte Fragen, zum Beispiel der Haftungen, vor al­lem auch auf die Frage der sogenannten Endlagerung.

Daher kann es für Österreich gegenwärtig und auch zukünftig nur eines geben: Hände weg vom AKW-Strom! (Beifall bei der SPÖ.)

14.56

14.56.10

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll102. Sitzung / Seite 113

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünschen die Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen nun zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vor­nehme.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 5: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strahlenschutzgesetz geändert wird, in 823 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Köchl, Kolleginnen und Kollegen einen Abänderungs­antrag eingebracht.

Ich werde daher zunächst über den vom erwähnten Abänderungsantrag betroffenen Teil und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzent­wurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Köchl, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungsantrag betreffend Ziffer 7 eingebracht.

Wer hiefür stimmt, den ersuche ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fas­sung der Regierungsvorlage.

Ich bitte jene Mitglieder des Hohen Hauses, die hiefür sind, um ein zustimmendes Zei­chen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung der Regierungsvor­lage.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbe­zügliches Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Ge­setzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

(Präsident Hofer versagt für kurze Zeit die Stimme.) – Ich bitte um Entschuldigung! Jetzt geht es wieder.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 6: Antrag des Umwelt­ausschusses, seinen Bericht 855 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

14.58.347. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (843 d.B.): Bundes­gesetz, mit dem ein Bundesgesetz über Hypothekar- und Immobilienkreditverträ­ge und sonstige Kreditierungen zu Gunsten von Verbrauchern (Hypothekar- und Immobilienkreditgesetz – HIKrG) erlassen wird und das Verbraucherkreditgesetz geändert wird (867 d.B.)

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir kommen nun zum 7. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Stefan. – Bitte.

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll102. Sitzung / Seite 114

14.59.02

Abgeordneter Mag. Harald Stefan (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir befinden heute über das Hypothekar- und Immobilienkreditgesetz – das klingt sehr sperrig. Es geht dabei da­rum, dass alle Regelungen, die bis jetzt auf verschiedene Bestimmungen von verschie­denen Gesetzen, die sich auf Hypothekarkreditverträge beziehen, verteilt sind, zusam­mengefasst werden. Es ist hier das Ganze unter dem Gesichtspunkt des Verbrau­cherschutzes zusammengefasst, in Summe ist es eine aus unsere Sicht sinnvolle Re­gelung.

Wir hatten im Zuge der Diskussion einen Kritikpunkt angebracht, weil die Gefahr bei Verbrauchergesetzen immer darin besteht, dass sie einschränkende Bestimmungen so weit führen können, dass sie letztendlich für den Verbraucher selbst auch komplizierter werden. (Präsidentin Bures übernimmt wieder den Vorsitz.)

So war es auch in diesem Zusammenhang ein Problem, dass es aufgrund dieses Ge­setzes jetzt eine Möglichkeit geben soll, von einem Vertrag innerhalb einer bestimmten Frist zurückzutreten, ab der man ein Informationsformular bekommt. Es klingt jetzt noch relativ unspektakulär, dass man zurücktreten kann. Problematisch wird es dann, wenn – wie sehr oft bei Hypothekarverträgen der Fall – mehrere Parteien in den Vor­gang involviert sind.

Klassischer Fall: Ich nehme einen Hypothekarkredit auf, wenn ich eine Liegenschaft kaufe. Das heißt, ich habe dann einen Verkäufer, ich habe einen Treuhänder, ich habe vielleicht auch noch eine Bank, die bisher die Liegenschaft oder den Liegenschaftskauf finanziert hat und die im Grundbuch steht. Das heißt also, ich habe hier drei bis vier Parteien, die daran beteiligt sind. Und dann entsteht das Problem: Was passiert, wenn der Verbraucher, der Kreditnehmer von seinem Vertrag zurücktritt, aber eben zwischen mehreren Personen bereits ein Vertragsverhältnis eingegangen wurde und vielleicht auf­grund dessen sogar schon Auszahlungen getroffen wurden? – Der Kredit wurde also bereits ausgezahlt, und dann kommt der Rücktritt.

Diese Kritik haben wir angebracht. Leider ist diese Problematik nicht vollständig ausge­räumt worden. Aber wir haben hier zumindest vom Justizministerium jetzt ganz eindeu­tige Interpretationen bekommen, wie es zu regeln ist. Man wird das eben letztendlich auch im Rahmen der Treuhandverträge regeln müssen.

Es ist unserer Meinung nach nicht ganz glücklich, dass es dabei geblieben ist, dass es dieses Rücktrittsrecht gibt, weil nicht klar ist, wann die Frist zu laufen beginnt, die diese Rücktrittsmöglichkeit auslöst. Wir werden daher in zweiter Lesung nicht zustimmen be­ziehungsweise Abänderungsanträge der NEOS unterstützen. In dritter Lesung aber, weil das Gesetz in Summe sinnvoll ist, werden wir zustimmen.

Weil dieses Gesetz auch eine sehr wesentliche Funktion dafür hat, alle Bestimmungen zusammenzufassen, die sich mit diesem Thema beschäftigen, bringe ich – sehr ver­wandt dazu – auch einen Entschließungsantrag ein, und zwar in die Richtung, dass der Konsumentenschutz in Summe neu geregelt wird: neu geregelt insofern, als auch der Konsumentenschutz auf sehr viele verschiedene Bereiche aufgeteilt und daher sehr schwer lesbar ist.

Konsumentenschutz hat für den Konsumenten natürlich in erster Linie auch dann einen Sinn, wenn er leicht lesbar und übersichtlich zu finden ist. Darauf sind an sich auch schon die Regierungsparteien grundsätzlich eingegangen. Es gab auch schon eine po­sitive Meldung des Justizministers dazu, das zu machen.

Aber um das Ganze ein bisschen zu beschleunigen und voranzutreiben, stelle ich jetzt, um eben diesen Schutz der Konsumenten und das einheitliche Konsumentenschutz­recht wirklich auf die Bahn zu bringen, folgenden Entschließungsantrag:


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll102. Sitzung / Seite 115

„Der Bundesminister für Justiz wird aufgefordert, dem Nationalrat ehest möglich eine Re­gierungsvorlage zuzuleiten, die ein neues einheitliches Konsumentenschutzrecht bein­haltet.“

*****

Ich bitte Sie, das zu unterstützen. (Beifall bei der FPÖ.)

15.03


Präsidentin Doris Bures: Dieser Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Stefan, Dr. Walter Rosenkranz und weiterer Abgeordneter be­treffend Konsumentenschutzrecht „NEU“,

eingebracht im Zuge der Debatte über den Bericht des Justizausschusses über die Re­gierungsvorlage (843 d.B.): Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über Hypothe­kar- und Immobilienkreditverträge und sonstige Kreditierungen zu Gunsten von Ver­brauchern (Hypothekar- und Immobilienkreditgesetz – HIKrG) erlassen wird und das Ver­braucherkreditgesetz geändert wird (867 d.B.).

Die in der 29. Sitzung des Nationalrates beschlossene Regierungsvorlage 92 d.B. hat wieder aufgezeigt, dass der Konsumentenschutz in mehreren Gesetzen geregelt und daher unübersichtlich und für Konsumenten kaum lesbar ist. Der Schutz der Konsu­menten beginnt mit einer leichten und gut lesbaren und in einem Gesetz gegossenen Regelung.

Dieses Problem hat der Bundesminister für Justiz in der 29. Sitzung des Nationalrates mit folgenden Worten angesprochen:

„(...) So gesehen bleibt eines noch offen – das gestehe ich zu: Man wird nicht darum herumkommen, den Bereich des Konsumentenschutzes und das Konsumentenschutz­recht irgendwann einmal einer umfassenden Klarstellung in Form einer einheitlichen Neuregelung zuzuführen. Dafür bin ich natürlich auch gerne zu haben.“

Um den Schutz der Konsumenten und ein einheitliches Konsumentenschutzrecht nicht auf irgendwann zu verschieben, stellen die unterfertigten Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Justiz wird aufgefordert, dem Nationalrat ehest möglich eine Regierungsvorlage zuzuleiten, die ein neues einheitliches Konsumentenschutzrecht be­inhaltet.“

*****

 


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Steinacker. – Bitte.

 


15.03.32

Abgeordnete Mag. Michaela Steinacker (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Geschätzte Mitbürgerinnen und Mitbürger! „Wenn du ein Haus baust, vollende es.“ – Ein schönes Zitat von Hesiod, das ich gefunden habe, ei­nem griechischen Dichter um 700 vor Christus. Ein Zitat, das sich, glaube ich, auf sehr


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll102. Sitzung / Seite 116

viele Bereiche unseres Lebens anwenden ließe, das aber gerade zur heutigen Regie­rungsvorlage sehr gut passt!

Es geht um wichtige Voraussetzungen, wenn wir uns alle den Traum vom eigenen Haus, vom eigenen Zuhause erfüllen wollen. Es geht um solide Finanzierung, wir brau­chen Experten-Know-how, und wir brauchen die Umsetzungskraft jedes Einzelnen. Sie, geschätzte Bürgerinnen und Bürger, schaffen mit Besitz, mit Grundbesitz in jeder Ausprä­gung – ob Haus, ob Wohnung – die Grundlage für leistbares Wohnen insgesamt, denn Eigentum ist die beste Umsetzung, um leistbares Wohnen für Generationen zu sichern. Eigentum gibt Sicherheit, es bietet die Basis für Wachstum und Wohlstand.

Die Regierungsvorlage, die wir heute diskutieren, legt die Rahmenbedingungen für die Kreditfinanzierung bei Liegenschaftserwerb neu fest. Das Gesetz wird mit 21. März 2016 in Kraft treten und bestimmt über alle von Verbrauchern geschlossenen Kredit­verträge, die durch eine Hypothek besichert werden. Es ist die Umsetzung der EU-Richtlinie für Wohnimmobilienkreditverträge für Verbraucher. Wichtige Bereiche wer­den neu geregelt, und zwar erstens weitgehende Informationspflichten über die Kredit­verträge selbst, zweitens zusätzliche Bedenkzeiten für die Verbraucher, denn es han­delt sich ja wohl immer um große Entscheidungen, und als Drittes genaue Regelungen für den Fall von vorzeitigen Rückzahlungen des noch aushaftenden Kredites.

Ich glaube, ganz wichtig ist, dass es neben den Standardinformationen zukünftig vor­vertragliche Informationspflichten gegenüber den Kunden gibt und dass – was meiner Überzeugung nach sehr wichtig ist – die allgemeinen Standards für die Kreditwürdig­keitsprüfung insgesamt eingeführt werden, sodass dadurch nachvollziehbarer, klarer und transparenter ist, warum wer einen Kredit bekommen soll oder nicht. Zum Wei­teren geregelt wird, dass Zinsänderungen dem Kunden bekannt gegeben werden müs­sen, und die Aufbewahrungsfrist für relevante Informationen.

Zum Thema Angebot des Kreditvertrags: Dieses muss mindestens sieben Tage lang aufrechtbleiben. Ich glaube, es ist ganz wichtig, dass der Kunde auch entsprechende Zeit hat, zu überlegen, ob er dieses Angebot nunmehr annimmt.

Was das Rücktrittsrecht betrifft – auch Kollege Stefan hat es gerade vorhin bespro­chen –, glaube ich, dass ein vernünftiger Kompromiss gelungen ist zwischen dem, was die Treuhänder sowie Kreditgeber auf der einen Seite und der Kunde auf der anderen Seite brauchen. Denn grundsätzlich soll es ja wohl so sein, dass „Pacta sunt servanda“ in unserem Rechtsbereich gelten soll.

Die zwei Tage Rücktrittsrecht: Ich glaube, mit der Klarstellung seitens des Ressorts, dass entsprechende Regelungen in den Treuhandvereinbarungen absichern sollen, dass der Treuhänder informiert wird, die Zweitagesfrist zu laufen begonnen hat und das ESIS-Formular übergeben wurde – ich glaube, das ist ganz wichtig, kann der Treuhänder dann entsprechend sicher seine Handlungen vornehmen. Übereilte Kreditaufnahmen sind wohl nicht zu befürchten, weil wir ja im Rahmen eines Liegenschaftserwerbs – wir wis­sen es alle aus der Praxis – immer gut überlegen und das nicht ein Ding ist, das man schnell über die Straße kauft wie ein warmes Semmerl.

Ich denke, wichtig ist auch noch die Sonderregelung für die vorzeitige Rückzahlung von Krediten: dass zukünftig der Kreditrestbetrag maximal mit einer Entschädigung von 1 Pro­zent gedeckelt ist.

Ich meine, dass hier insgesamt eine sehr gute, runde Lösung, eine sichere Lösung für alle, für Kreditnehmer und Kreditgeber, auf der Höhe der Zeit gefunden wurde und da­mit das Ziel, dass wir ein eigenes Haus – nach meinem eingangs gewählten Zitat – auch vollenden können, besser und sicherer erreicht wird.

Ich ersuche um breite Zustimmung. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

15.08



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll102. Sitzung / Seite 117

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Scherak. – Bitte.

 


15.08.26

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bun­desminister! Na ja, grundsätzlich ist es so, dass wir in dem Zusammenhang eine EU-Richtlinie umsetzen müssen. Ich glaube, als überzeugter Europäer sollte man das grund­sätzlich einmal auch entsprechend machen, wenn Richtlinien kommen. Die Frage ist nur, ob man einen Umsetzungsspielraum hat. Jetzt liest man teilweise aus Stellung­nahmen der Wirtschaftskammer, glaube ich, dass Sie sich auf europäischer Ebene auch dafür eingesetzt haben, dass die Richtlinie nicht kommt. Jetzt ist sie da, und des­wegen ist die Frage: Was hat man für einen Umsetzungsspielraum?

Genau hier sehe ich einfach, dass zusätzliche Dinge in das Gesetz hineingekommen sind, die schlichtweg nicht notwendig waren, und diese bürokratischen Aufwände und Belastungen insbesondere für Unternehmer kommen werden. Deswegen haben wir auch einen Abänderungsantrag eingebracht, der gerade verteilt wird oder schon ver­teilt ist. Zu dem würde ich gerne ganz kurz kommen, um ihn auszuführen, soweit es geht. Es sind fünf Punkte, die wir nicht notwendig finden, wo wir eine entsprechende Verschlechterung zur Richtlinie sehen oder wo die Richtlinie mehr Spielraum gegeben hätte.

Das eine ist die Ausnahme, was die Kreditvermittler betrifft. In der Richtlinie ist vorge­sehen, dass der Notar als Ausnahme möglich ist. Die Rechtsanwaltskammer hat die Fra­ge angemerkt, wieso das nicht auf Rechtsanwälte ausweitbar ist. Da gibt es zwei Stand­punkte: entweder der Notar wortwörtlich oder der Notar quasi als funktionaler Begriff. Ich gehe klar davon aus, dass es hier um einen funktionalen Begriff geht, weil die glei­che Tätigkeit, die der Notar im Zusammenhang mit einem möglichen Kreditgeschäft macht – dass er nämlich als Berater auftritt –, kann auch ein Rechtsanwalt machen. In diesem Zusammenhang hätten wir gerne einen Rechtsanwalt ebenfalls drinnen.

Die zweite Sache ist, inwiefern Käufe von Immobilien, die man nachher vermieten will, auch in den Anwendungsbereich dieses Gesetzes fallen sollen. Die Richtlinie sieht hier eine Ausnahme vor, dass genau die Immobilien, wo jemand, der unternehmerisch tätig ist, sagt, er kauft eine Immobilie und vermietet sie nachher, eben nicht unter ein Gesetz fallen müssen, das den Konsumenten an und für sich schützen soll. Es ist ja auch schlichtweg nicht nachvollziehbar, denn jemand, der unternehmerisch tätig ist, fällt ja genau nicht unter die Frage, ob er als Konsument geschützt werden will, und der will es vielleicht auch gar nicht. Hier wäre es möglich gewesen, eine Ausnahme zu ma­chen. Diese ist nicht gemacht worden, und dementsprechend gibt es auch hier die Än­derung von unserer Seite.

Was in dem Gesetz auch noch unklar geregelt ist, ist die Frage der Aufbewahrungs­pflicht in Bezug auf die Unterlagen der Kreditwürdigkeitsprüfung. Da ist keine gesetzli­che Regelung vorgesehen. Ich halte das im Zuge der Rechtssicherheit nicht für sinn­voll. Wir schlagen hier die Aufbewahrungspflicht entsprechend dem Unternehmensge­setz vor, nämlich diese sieben Jahre. Ich habe dann auch gehört: Das ist ohnehin mit der EBA-Leitlinie im Zusammenhang mit der Kreditwürdigkeitsprüfung abgedeckt. Ich habe dann noch einmal nachgeschaut. Auch dort steht nur eine Sollbestimmung und keine Mussbestimmung, wie lang diese Aufbewahrungspflicht ist.

Ich glaube, es ist notwendig, dass man auch klar sagt, wie lang diese Unterlagen auf­bewahrt werden müssen. Auch im Zusammenhang mit einer Kreditwürdigkeitsprüfung ist das ja ein Haufen Unterlagen, und auch da stellt sich die Frage: Wo verstaue ich die, wo lagere ich die? – Da sollte man als Gesetzgeber auch sehr klar sein.

Die Frage des Rücktrittsrechts hat Kollege Stefan schon angesprochen. Das ist auch einigermaßen skurril, was hier im Gesetz im Endeffekt kommt: Es sind nämlich zwei Rück-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll102. Sitzung / Seite 118

trittsrechte normiert. Einerseits gibt es das grundsätzliche Rücktrittsrecht, das aufgrund der Bedenkzeit da ist, und dann führt man dieses zweite im Zusammenhang mit dem ESIS-Merkblatt auch noch ein. Da ist es interessant, auch die Erläuterungen zu lesen, weil die explizit sagen, dass dieses eine Rücktrittsrecht natürlich nicht das Rücktritts­recht sein soll, das die Richtlinie vorsieht, sondern ein zusätzliches ist, das irgendwie verstärken soll, dass es eine vorvertragliche Informationspflicht mit diesem ESIS-Merk­blatt braucht und dass es die gibt.

Aber wieso man da noch ein zusätzliches Rücktrittsrecht einführen muss, ist für mich schleierhaft. Das ist wiederum etwas, was Unternehmen, die auch Kredite vermitteln wollen, belastet, und ist nicht nachvollziehbar. Es gibt ein Rücktrittsrecht, und es wird ja wohl eines reichen! Ich brauche nicht noch ein zusätzliches. Das ist etwas, wo wir auch über die Richtlinie hinausgehen; das wäre nicht notwendig gewesen. Klar ist, dass die vorvertragliche Informationspflicht notwendig ist, und die steht auch so drin. Aber wieso muss man das zusätzlich noch mit einem zweiten Rücktrittsrecht unterstrei­chen? – Das macht für mich keinen Sinn.

Die letzte Sache vielleicht noch: Der letzte Punkt aus dem Abänderungsantrag ist die Frage, was bei der Änderung des Sollzinssatzes passieren soll. Da darf die Ratenhöhe angepasst werden. Was nicht möglich ist, ist, dass die Laufzeit entsprechend verlän­gert wird. Das halten wir aus der Sicht des Verbrauchers auch für sinnvoll, dass hier die Möglichkeit besteht, dass die Laufzeit entsprechend verändert wird, weil das ja auch für das Budget des Verbrauchers jedenfalls sinnvoll sein kann, wenn er sagt, er streckt den Kredit nach hinten mit der Laufzeit hinaus.

Insofern: Ja, klar, zum Verbraucherschutz und zu dieser Richtlinie ein klares Ja! Die Fra­ge ist nur: Wie weit muss man es umsetzen, und wo ist der Umsetzungsspielraum? – Da sind Sie meiner Meinung nach in Kleinigkeiten übers Ziel hinausgeschossen.

Ich glaube, Kollege Vetter hat gestern ein Zitat von Tacitus gebracht. Ich würde es ja eher Montesquieu zuschreiben, aber es ist egal, von wem es ist, weil es im Inhalt rich­tig ist. (Abg. Vetter: Tacitus, Montesquieu ...!) Es ist im Inhalt richtig, nämlich: Wenn es nicht unbedingt notwendig ist, ein Gesetz zu erlassen, dann ist es eben unbedingt not­wendig, das Gesetz nicht zu erlassen! Genau in dem Zusammenhang gibt es ein paar Bestimmungen, die hier drinstehen, die eben nicht unbedingt notwendig sind. Deswe­gen sollten wir sie auch lassen.

Dementsprechend werden wir, sofern unsere Änderungsanträge nicht angenommen wer­den – was ich einmal annehme –, dem nicht zustimmen können.

Ganz kurz noch zu den zwei Entschließungsanträgen.

Zum Entschließungsantrag der FPÖ: Was die Neuregelung des Konsumentenschutzes an sich betrifft, werden wir dem zustimmen. Das ist sinnvoll. Das ist eine Rechtsma­terie, die sehr zersplittert ist, und dementsprechend sollten wir das auch machen.

Zum Entschließungsantrag der Grünen, der noch kommen wird: Dem werden wir nicht zustimmen, weil ich genau hier wiederum nicht verstehe, wieso man einen zusätzlichen bürokratischen Aufwand, gerade was die Pfandleihe betrifft, machen soll. Gerade die Pfandleihe, der Pfandleihvertrag ist dafür da, dass man schnell und möglichst unbüro­kratisch zu finanziellen Mitteln kommt. (Abg. Aslan: Gerade deswegen!) Dass man dann hier auch wieder das gesamte Konsumentenschutzrecht anwenden soll, kann ich nicht nachvollziehen. Das ist genau nicht im Sinne des Instituts der Pfandleihe! Da neue Regelungen einzuführen, macht aus unserer Sicht einfach keinen Sinn. (Beifall bei den NEOS.)

15.14


Präsidentin Doris Bures: Der Abänderungsantrag wurde in seinen Grundzügen erläu­tert, wird gerade zur Verteilung gebracht und steht daher mit in Verhandlung.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll102. Sitzung / Seite 119

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Nikolaus Scherak, Kollegin und Kollegen

zum Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (843 d.B.): Bundesge­setz, mit dem ein Bundesgesetz über Hypothekar- und Immobilienkreditverträge und sonstige Kreditierungen zu Gunsten von Verbrauchern (Hypothekar- und Immobilien­kreditgesetz – HIKrG) erlassen wird und das Verbraucherkreditgesetz geändert wird (867 d.B.).

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Die Regierungsvorlage (843 d.B.): Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über Hy­pothekar- und Immobilienkreditverträge und sonstige Kreditierungen zu Gunsten von Verbrauchern (Hypothekar- und Immobilienkreditgesetz – HIKrG) erlassen wird und das Verbraucherkreditgesetz geändert wird, wird wie folgt geändert:

I. §2 Abs. 5 in Artikel 1 soll wie folgt lauten:

„(5) Kreditvermittler ist eine natürliche oder juristische Person, die nicht als Kreditgeber oder als Notar oder als Rechtsanwalt handelt, die nicht lediglich einen Verbraucher di­rekt oder indirekt mit einem Kreditgeber oder Kreditvermittler in Kontakt bringt und die in Ausübung ihrer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit gegen eine Vergütung, die aus einer Geldzahlung oder einem sonstigen vereinbarten wirtschaftlichen Vorteil be­stehen kann,

1. Verbrauchern Kreditverträge oder sonstige Kreditierungen vorstellt oder anbietet,

2. Verbrauchern bei anderen als den in Z 1 genannten Vorarbeiten oder anderen vor­vertraglichen administrativen Tätigkeiten zum Abschluss von Kreditverträgen oder sons­tigen Kreditierungen behilflich ist oder

3. für den Kreditgeber Kreditverträge mit Verbrauchern abschließt oder bei sonstigen Kreditierungen für den Kreditgeber handelt.“

II. § 5 in Artikel 1 soll wie folgt lauten:

„§ 5 (1) Dieser Abschnitt gilt für Verbraucherkreditverträge (Kreditverträge),

1. die durch ein Pfandrecht oder ein sonstiges Recht an einer unbeweglichen Sache oder einem Superädifikat besichert werden oder

2. die für den Erwerb oder die Erhaltung von Eigentumsrechten an einer unbewegli­chen Sache oder einem bestehenden oder geplanten Superädifikat bestimmt sind.

(2) Dieser Abschnitt gilt nicht für Kreditverträge,

1. die zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern als Nebenleistung aus dem Arbeits­verhältnis zu einem effektiven Jahreszins unter dem marktüblichen Zins geschlossen werden,

2. die in Gestalt eines vor einem Gericht oder einer sonstigen staatlichen Einrichtung geschlossenen Vergleichs oder als dessen Ergebnis geschlossen werden,

3. die von einem Land, einem von einem Land eingerichteten Fonds oder einer von ei­nem Land beauftragten juristischen Person nach den gesetzlichen Vorschriften über die Wohnbauförderung geschlossen werden,

4. die Immobilienverzehrkredite sind.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll102. Sitzung / Seite 120

5. für den Erwerb einer Immobilie, in denen festgehalten ist, dass die Immobilie zu kei­nem Zeitpunkt als Haus, Wohnung oder sonstige Wohnstätte durch den Verbraucher oder ein Familienmitglied des Verbrauchers genutzt werden kann und dass sie auf der Grundlage eines Mietvertrags als Haus, Wohnung oder sonstige Wohnstätte genutzt wer­den soll,

6. für Überbrückungsdarlehen.“

III. §9 Abs. 4 in Artikel 1 soll wie folgt lauten:

„(4) Die Verfahren und Angaben, auf die sich die Bewertung stützt, hat der Kreditgeber festzulegen, zu dokumentieren und nach den Bestimmungen gem § 212 UGB aufzube­wahren.“

IV. § 13 in Artikel 1 entfällt. Die nachfolgenden Bestimmungen werden entsprechend neu nummeriert.

V. § 17 Abs. 3 (alt) in Artikel 1 soll wie folgt lauten:

„(3) Die periodische Zahlungspflicht des Verbrauchers ist bei einer Änderung des Soll­zinssatzes so anzupassen, dass der vom Verbraucher zu zahlende Gesamtbetrag in­nerhalb der ursprünglich vereinbarten Laufzeit zur Gänze beglichen ist. Ebenso ist eine Anpassung durch Verlängerung der Laufzeit zulässig.“

Begründung

Ad I.

Die Ausnahme soll auch für Rechtsanwälte gelten, da diese ebenso wie Notare nicht als Kreditvermittler im klassischen Sinn auftreten und außerdem in diesem Gesetz nicht auf die hoheitliche Aufgabe des Notars abgestellt wird. Diese Anregung der RAK befürworten wir.

Ad II.

Aus dem Anwendungsbereich ausgenommen werden sollen Kredite, die der Finan­zierung von Immobilien zur Vermietung dienen. Bei solchen Krediten kann nicht von klassischen Verbraucherkrediten ausgegangen werden, sondern es ist von einer unter­nehmerischen Tätigkeit auszugehen, die nicht den erhöhten Schutz dieses Gesetzes verdient. Kredite, die zur vorübergehenden Finanzierung genutzt werden und schluss­endlich ohnehin in einen dem HIKrG unterliegenden Kredit überführt werden, sollen ebenfalls nicht in den Anwendungsbereich fallen.

Ad III.

Es ist kein Verweis oder eine konkrete Anordnung festgeschrieben, wie lange die Auf­bewahrung vorgeschrieben wird. Um Rechtssicherheit für die Unternehmen zu sichern befürworten wir die Anregung der WKO im Gesetz auf § 212 UGB (7 Jahre Aufbewah­rungspflicht) zu verweisen.

Ad IV.

Dem Verbraucher wird ein Rücktrittsrecht eingeräumt, obwohl er auch eine Bedenkzeit in § 12 eingeräumt bekommt. Zusätzlich wird ihm dann auch noch ein Rücktrittsrecht eingeräumt, dass für das Unternehmen eine Unsicherheit und eine Belastung darstellt. Diese Bestimmung soll daher im Sinne der Eigenverantwortung entfallen.

Ad V.

Dass bei Änderung des Sollzinssatzes nur die Ratenhöhe angepasst werden darf, nicht aber die Laufzeit, macht aus Sicht eines Verbraucher überhaupt keinen Sinn. Wir wür-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll102. Sitzung / Seite 121

den daher vorschlagen, dass auch die Laufzeit alternativ angepasst werden kann, um so nicht das Haushaltsbudget des Verbrauchers übergebührlich zu belasten. Das Aus­handeln einer Vereinbarung darüber im Einzelnen stellt sehr oft Beschweisschwierig­keiten im Nachhinein dar und soll daher gestrichen werden.

*****

 


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Jarolim. – Bitte. (Abg. Jarolim steht vor der Regierungsbank und spricht mit Bundesminister Brandstetter.)

Sie können zum Rednerpult, Herr Abgeordneter. (Abg. Jarolim – auf dem Weg zum Rednerpult –: Zum Rednerpult, ja, gern!)

 


15.14.49

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Es ist jetzt viermal erklärt worden, worum es in diesem Gesetz eigentlich geht. Im Gro­ßen und Ganzen, muss man dazu sagen, hätten wir uns dieses Gesetz überhaupt spa­ren können, weil wir – im Gegensatz zu vielen anderen Ländern – bereits davor ein Ver­braucherkreditgesetz hatten. Es geht im gegenständlichen Fall um ein Konsumenten­schutzgesetz, das sich auf Immobilienkredite bezieht.

Wir haben im Bereich des Verbraucherkreditgesetzes ein sehr umfassendes und sehr gutes Regelungssystem gehabt, das allerdings im Widerspruch mit der Richtlinie, die es umzusetzen gilt, steht. Daher machen wir jetzt neben diesem Verbraucherkreditge­setz auch dieses neue Gesetz. Wir haben also hier bedauerlicherweise gewisse Dis­krepanzen, weil die Richtlinien zum Beispiel jeweils unterschiedliche Fristenaspekte vor­schreiben.

Nichtsdestoweniger ist das Gesetz aus meiner Sicht sehr gelungen. Man muss halt jetzt in ein neues Gesetz hineinschauen, wenn man Informationen haben möchte: Was ist der Mindeststandard der Informationsverpflichtung, wenn ich einen derartigen Kredit aufnehme? Wie kann die Kreditwürdigkeit geprüft werden? – Wenn Kreditwürdigkeit nach den Standardkriterien nicht eintritt, ist es verboten, einen derartigen Kredit zu ge­währen. Das heißt, die Bank hat hier nicht die Möglichkeit, trotzdem einen Kredit ein­zuräumen.

Es gibt eine Bedenkzeit für den Verbraucher: Eine Frist von sieben Tagen ist hier ein­gesetzt worden. Optimal wäre es, wenn wir im gesamten Rechtsbestand der in Öster­reich bestehenden Normen schauen, dass wir so weit wie möglich gleiche Fristen ha­ben, weil es für den, der nicht unmittelbar immer mit Rechtsfragen und mit Fristen be­fasst ist, schwer ist, diese Vielzahl von Fristen auseinanderzuhalten. Aber es ist nun einmal so, auch das hat die Richtlinie vorgesehen.

Wir haben jetzt auch die Möglichkeit, dass eine vorzeitige Rückzahlung der Kredite möglich ist. Es gibt immer wieder das Thema: Es wird ein Kredit so vereinbart, dass er über fixe Zeiten zu gewissen Konditionen monatlich abzustatten ist, dass aber der ein­zelne Schuldner das sehr wohl auch früher zahlen könnte und dann die Zustimmung der Bank braucht. Im gegenständlichen Fall ist es nun so normiert, dass der Schuldner, der den Kredit aufgenommen hat, diesen vorzeitig zurückbezahlt. Das ist natürlich sehr positiv, und das ist sehr konsumentenfreundlich, ohne dass es irgendjemandem sonst schadet.

Ich denke daher, dass wir einen guten Schritt in die richtige Richtung gemacht haben. Es ist ein qualitätsvolles Gesetz, wenngleich es eben wieder eine gewisse Differenzie­rung zu bereits bestehenden Normen vorsieht. Aber ich gratuliere dem Herrn Bundes­minister und danke auch dem Ministerium für die wirklich hervorragende Arbeit. – Dan­ke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

15.17



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll102. Sitzung / Seite 122

Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gemeldet: Frau Abgeordnete Mag. As­lan. – Bitte.

 


15.17.53

Abgeordnete Mag. Aygül Berivan Aslan (Grüne): Frau Präsidentin! Herr Minister! Lie­be Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuschauerinnen und Zuschauer vor den Bildschir­men zu Hause! Wir Grüne begrüßen die Stärkung der Konsumentenrechte bei der Kre­ditvergabe. Der große Schritt ist hier ja eigentlich bereits mit dem Darlehens- und Kre­ditrechts-Änderungsgesetz im Jahr 2010 erfolgt. Seither können sich die Konsumentin­nen und Konsumenten auf die Informations- und Rücktrittsrechte des Verbraucherkre­ditgesetzes berufen, wo ja schon bisher auch die Hypothekarkredite geregelt sind.

Ein nicht unwesentlicher Bereich wurde aber damals ausgespart, nämlich die Pfand­leihverträge. Jetzt gibt es natürlich immer wieder Pechphasen im Leben, wo alles schief­geht, wo man halt sehr viele verschiedene Ausgaben hat in der Familie, weil der Com­puter der Kinder kaputtgeht oder die Waschmaschine kaputtgegangen ist.

So geht es auch dem Herrn Mustermann – um das für Sie ein bisschen zu verbildli­chen –: Er braucht dringend Geld. Bei seiner Bank bekommt er keinen Kredit, weil er schon einen Kredit für seine Möbel laufen hat. Die Bank ermöglicht es ihm auch nicht, den Kreditrahmen zu erhöhen. Damit bekommt er also kein Geld. Ich meine, das Weih­nachtsgeld hätte ihn zumindest ein bisschen entlasten können, aber er braucht eben das Geld dringend und so rasch wie möglich.

Es bleibt dem Herrn Mustermann also nichts anderes übrig als die Pfandleihe. Mit der Pfandleihe kann er dann zu einem Pfandunternehmen gehen, wo er sein Auto oder sein Familienschmuckstück verpfänden kann. Erst dann, wenn er das Geld inklusive der Zinsen zurückzahlt, bekommt er die Pfandsache wieder zurück.

Das ist nicht nur für Herrn Mustermann, sondern tatsächlich für viele Konsumentinnen und Konsumenten in Österreich problematisch, und ein Pfandkredit ist oft die einzige Möglichkeit, rasch, unbürokratisch und diskret beziehungsweise überhaupt einen Kredit zu bekommen.

Es hat natürlich auch einen anderen Vorteil: Man hat noch immer Eigentum an dem Familienschmuckstück; es kann so also ein Notverkauf verhindert werden.

Das Problem ist jedoch, dass zwar alle Konsumentinnen und Konsumenten im Rah­men des Verbraucherkreditgesetzes geschützt werden, dass dieses aber nicht für Men­schen gilt, die ein Pfand belehnen. Darum geht es einfach: dass die Konsumentinnen und Konsumenten in dem Bereich nicht schlechtergestellt werden sollen als die ande­ren, die unter das Verbraucherkreditgesetz fallen, denn genau in dem Bereich soll ih­nen kein Informationsrecht und auch kein Rücktrittsrecht gewährt werden.

Gerade im Bereich der Pfandleihe wären konsumentenschutzrechtliche Sonderbestim­mungen notwendig. Das hat auch eine Untersuchung der Arbeiterkammer vom Ap­ril 2015 gezeigt, in der festgestellt wurde, dass Pfandleihverträge sehr übereilt und sehr unüberlegt abgeschlossen werden, dass viele Pfandleihunternehmen die verzweifelte Lage der Menschen ausnützen und es deswegen auch zu viel schlechteren rechtlichen Rahmenbedingungen kommt.

Für Menschen, die sich gerade in einer verzweifelten Lage befinden, ist ein Pfandkredit oft die einzige Möglichkeit, sich einen Rahmen zu verschaffen, und gerade aus diesem Grund finde ich es wichtig, dass sie in diesem Bereich geschützt werden. Ich finde es wichtig, dass die Politik sich gerade auch für diese Menschen einsetzt.

Aus diesem Grund bringe ich heute folgenden Antrag ein:


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll102. Sitzung / Seite 123

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Aslan, Kolleginnen und Kollegen betreffend Pfandleihverträge

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat einen Gesetzesentwurf vor­zulegen, der den Anwendungsbereich des Verbraucherkreditgesetzes weitestgehend auch auf Pfandleihverträge ausdehnt.“

*****

Wir bitten um Unterstützung, und ich hoffe, die Kolleginnen und Kollegen von den NEOS können die Lage der verzweifelten Menschen auch ein bisschen mitberücksichtigen und ihnen auch auf dieser Ebene Unterstützung bieten. – Danke sehr. (Beifall bei den Grü­nen.)

15.23


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Aygül Berivan Aslan, Freundinnen und Freunde

betreffend Pfandleihverträge

eingebracht im Zuge der Debatte über den Bericht des Justizausschusses über die Re­gierungsvorlage (843 d.B.): Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über Hypothe­kar- und Immobilienkreditverträge und sonstige Kreditierungen zu Gunsten von Ver­brauchern (Hypothekar- und Immobilienkreditgesetz – HIKrG) erlassen wird und das Verbraucherkreditgesetz geändert wird (867 d.B.) (TOP 7)

Begründung

Mit dem Hypothekar- und Immobilienkreditgesetz werden Hypothekar- und Immobilien­kreditverträge aus dem Verbraucherkreditgesetz herausgelöst und in einem eigenen Gesetz neu geregelt. Als das Verbraucherkreditgesetz am 11. Juni 2010 in Österreich in Kraft getreten ist, wurde die Richtlinie 2008/48/EG über Verbraucherkreditverträge in nationales Recht umgesetzt, was für KonsumentInnen eine Reihe von wesentlichen Verbesserungen (zB Verbesserung der Informations- Rücktritts- und Kündigungsrech­te) mit sich brachte.

Leider wurden nicht alle Verbraucherkreditgeschäfte vom Anwendungsbereich des neuen Gesetzes mitumfasst. Eine wesentliche Ausnahme bilden die Pfandleihverträge. Der Gesetzgeber argumentierte damals folgendermaßen: „Die Pfandleihverträge sollen nicht in die gesetzliche Regelung aufgenommen werden; bei ihnen soll also die in der Richtlinie vorgezeichnete Ausnahme uneingeschränkt in das innerstaatliche Recht über­nommen werden. Seinen Grund findet dies in den Spezifika dieser Vertragsart (z.B.: keine Pflicht des Pfandgebers zur Darlehensrückzahlung, daher schwach ausgepräg­tes Risikoprofil, rasche und kurzfristige Überbrückung finanzieller Engpässe gegen Ver­pfändung von regelmäßig entbehrlichen Gegenständen) und in dem damit zusammen­hängenden Faktum, dass die Richtlinienregelungen für diese Erscheinungsform der Kre­ditierung nicht adäquat wären und größerenteils auch keine substanzielle Besserstell­ung des Verbrauchers erbrächten.“ (Erläuterungen zur RV DaKRÄG 650 d.B. XXIV GP).


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll102. Sitzung / Seite 124

Den von der Regierung angeführten Gründen kommt teilweise Berechtigung zu. Tat­sächlich lassen sich einzelne Bestimmungen des Verbraucherkreditgesetzes nur schwer auf die Eigenheiten der Pfandleihverträge anwenden. Der in den Erläuterungen sugge­rierten Ansicht, dass KonsumentInnen bei Pfandleihverträgen vergleichsweise weniger schutzbedürftig seien, ist aber zu widersprechen. Fakt ist, dass die Pfandleihe für viele Menschen das letzte Mittel darstellt, um zu Bargeld zu kommen. Erst wenn der Kon­tokorrentkredit vollständig ausgeschöpft ist und auch ein Konsumkredit nicht mehr in Frage kommt, gehen die Menschen zum Pfandleiher. Es handelt sich dabei vielfach um eine stark armutsgefährdete Klientel.

Das gerade im Bereich der Pfandleihe konsumentenschutzrechtliche Sonderbestimmun­gen notwendig wären, hat eine Untersuchung der Arbeiterkammer Wien aus April 2015 gezeigt. Dort ist von fehlender Information und extrem hohen Preisen die Rede. Laut AK Analyse betrugen die Effektivkosten für den Kredit im extremsten Fall sogar 326 Pro­zent für ein Monat.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat einen Gesetzesentwurf vorzu­legen, der den Anwendungsbereich des Verbraucherkreditgesetzes weitestgehend auch auf Pfandleihverträge ausdehnt.

*****

 


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster hat sich Herr Bundesminister Dr. Brandstetter zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


15.23.07

Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter: Sehr geehrte Frau Präsiden­tin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Mit dem nun vorliegenden Hypothekar- und Immobilienkreditgesetz wird der zivilrechtliche Teil der Richtlinie über Wohnimmobilienkreditverträge für Verbraucher in das österreichische Recht umgesetzt. Darum und nur darum geht es. Pfandleihverträge betreffen genau genommen etwas an­deres.

Ungeachtet dessen, dass kein Weg an der Umsetzung dieser Richtlinie vorbeiführt, ist es gelungen, soweit die Richtlinienvorgaben das zugelassen haben, die Umsetzung mög­­lichst eng am bereits in Österreich geltenden Recht zu orientieren. Wir haben ja bereits ein starkes und ausdifferenziertes Konsumentenschutzrecht.

Um den Umstellungsaufwand möglichst gering zu halten, wurden übrigens auch die von der Richtlinie eröffneten Spielräume betreffend die Weiterverwendung bisheriger In­formationsformulare voll ausgenützt; auch daran wurde gedacht. Dadurch bleibt den Kre­ditgebern auch ausreichend Zeit für die erforderlichen Adaptionen.

Gleichzeitig wurden die schon bisher für Hypothekar- und Immobilienkredite geltenden Schutzbestimmungen für Verbraucher aufrechterhalten – etwa betreffend die jährliche Kontomitteilung.

Vieles wurde dazu schon im Detail gesagt, insbesondere von den Justizsprechern. Ich danke an dieser Stelle den Justizsprechern der Regierungsfraktionen, in diesem Fall aber auch dem Justizsprecher der FPÖ, für die konstruktiven Gespräche im Vorfeld der Erstellung dieses Entwurfs.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll102. Sitzung / Seite 125

Durch die Zusammenfassung in einem eigenen Gesetz ist nun für hypothekarisch besi­cherte Kredite und für Kredite, die dem Erwerb einer Liegenschaft dienen, das Hypo­thekar- und Immobilienkreditgesetz maßgeblich. Für alle anderen Verbraucherkredite gilt weiterhin das Verbraucherkreditgesetz. Das ergibt Sinn, und das dient auch der Über­sichtlichkeit und Klarheit.

Die heutige Beschlussfassung erfolgt mehr als vier Monate vor dem Inkrafttreten des Gesetzes. Auch das ist gut, denn dadurch haben alle Beteiligten ausreichend Gelegen­heit und Zeit, um sich auf diese Neuerungen einzustellen.

Alles in allem ist es eine wirklich konsumentenfreundliche Regelung, die aber auch die Bedürfnisse der Wirtschaft ausreichend berücksichtigt. Es ist eigentlich ein wirklich sehr gelungener und juristisch gediegener Entwurf, den ich unserer Fachabteilung zu ver­danken habe, der ich einmal mehr für ihre hervorragende Arbeit danken möchte. – Ich danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie des Abg. Schrangl.)

15.25


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Mag. Becher zu Wort.  Bitte. (Abg. Jarolim: He, Ruth! Das war jetzt überraschend! Im Croquis steht das nicht so drinnen!)

 


15.26.01

Abgeordnete Mag. Ruth Becher (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hypothekarkredite sind in der Immobilienwirtschaft ein sehr wichtiges Element, sowohl im gewerblichen als auch im privaten Bereich.

Im Jahr 2007 konnten wir miterleben, welch zerstörerisches Potenzial in diesem Fi­nanzinstrument liegt. Es war der verantwortungslose Umgang mit Hypothekarkrediten, der die große Finanzkrise, die als Subprime-Krise in den USA ihren Ursprung gehabt hat, verursacht hat. Während in den USA ein funktionierender Mietwohnungsmarkt weit­gehend unbekannt ist und das meist mit Fremdmitteln finanzierte Eigenheim der Re­gelfall ist, haben wir in Europa eine wesentlich bessere Situation. Hier ist der spekula­tive Aspekt bei Weitem nicht so ausgeprägt.

Die Hypothek ist auch in Österreich ein probates Mittel zur Eigentumsfinanzierung, wo­bei in Österreich die Objekte in der Regel nicht mit mehr als 60 Prozent des Wertes belehnt werden. Sogenannte Subprimes, schlecht belehnte Immobilienkredite, gibt es in Europa hauptsächlich in Großbritannien, in den Niederlanden und in Belgien. Da se­hen wir auch die Uneinheitlichkeit in Europa: In den Niederlanden sind die Kreditzinsen zu hundert Prozent steuerlich abzusetzen, in Großbritannien gar nicht. Das zeigt, so denke ich, dass gewisse Mindeststandards notwendig sind. Der Hypothekarmarkt muss ein sicherer Markt sein, und es ist hier auch zu erkennen, welch wichtige Rolle diese EU-Richtlinie hat, die die Grundlage dieses Gesetzes darstellt.

Die Verbesserungen, die dieses Gesetz mit seinen weitreichenden Bestimmungen bringt, wurden ja schon sehr detailliert dargelegt. Vereinfacht gesagt: Dieses Gesetz garan­tiert verbesserte Konsumentenschutzbestimmungen, das heißt, eine transparente Kos­tenabschätzung, Schutz vor irreführender Werbung sowie einen standardisierten Um­gang mit den Geldinstituten, sodass eine Vergleichbarkeit gegeben ist.

Wenn zum Beispiel ein Kredit über 100 000 € aufgenommen wird und der variable Zins­satz 1,75 Prozent beträgt, dann kommen ja eine Reihe von Gebühren und Zahlungen dazu, und es muss jetzt ausgewiesen werden, wie viel der effektive Zinssatz beträgt, denn das kann sehr unterschiedlich sein – in diesem Beispiel sind es 2,27 Prozent. Dies bringt vollkommene Transparenz für die Konsumenten, die nun gut vergleichen kön­nen, welche Kredite angeboten werden.

Es wird also eine bessere Informationspflicht, standardisierte Formulare und eine ge­setzlich geregelte Bedenkzeit geben; auch das wurde schon ausgeführt. All diese Eck-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll102. Sitzung / Seite 126

punkte stellen sicher, dass die Hypotheken an die richtigen Menschen kommen, an Leu­te, die den Zinsvorteil in Anspruch nehmen, wo die Finanzierung mit einer Immobi­lie abgesichert ist und dabei keine unverhältnismäßigen Risiken eingegangen werden.

In diesem Sinne bitte ich um Zustimmung zu dieser Vorlage. (Beifall bei der SPÖ.)

15.29


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Troch. – Bitte. (Abg. Jarolim: Schlag auf Schlag!)

 


15.29.45

Abgeordneter Dr. Harald Troch (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Weg zu einer eigenen Wohnung läuft für viele Menschen über einen Kre­dit. So leisten sich auch viele Menschen eine Wohnung. Man kauft sich eine Wohnung zwar meistens nur einmal im Leben, aber es ist eine große Geldsumme, um die es da geht, und daher ist es schon gut, wenn es klare Normen gibt, denn es gibt ja auch Risi­ken dabei: Wie schaut es mit den Rückzahlungsraten aus? Kann man sich die in spä­teren Jahren noch leisten? Wie entwickeln sich die Zinsen? Gibt es ein Rücktrittsrecht?

SPÖ und ÖVP legen nun mit diesem Bundesgesetz eine Regierungsvorlage vor, die die Wohnkreditnehmer besser schützen soll.

Worum geht es? Es geht um ehrliche Werbung. Es geht um die umfassende Informa­tionspflicht. Es geht um eine faire Prüfung der Kreditwürdigkeit des Verbrauchers. Es geht um die Bedenkzeit und das Rücktrittsrecht der Kreditnehmer. Und es geht um die Möglichkeit einer vorzeitigen Rückzahlung, sofern der Verbraucher dies wünscht.

Als Sozialdemokrat begrüße ich, dass nun klare, zum Teil sehr strenge Bestimmungen vorhanden sind, die den Kreditverbraucher schützen sollen.

Zur Werbung: Bisher haben die Kreditgeber, meist Banken, aber auch private Geldge­ber, mit dem günstigstmöglichen Zinssatz werben können, aber nicht jeder Kreditkunde hat die beste Bonität mit den niedrigsten Zinsen. Unsere Regierungsvorlage schlägt nun das englische Modell vor. Das heißt, das Kreditinstitut darf die Kredite nur mit ei­nem repräsentativen Zinssatz bewerben und nicht mit dem theoretisch niedrigstmög­lichen, so nach dem Motto: Ab 0,9 Prozent sind Sie schon dabei! Das heißt, die Mehr­heit der Kreditnehmer muss diesen Zinssatz nun tatsächlich konkret erhalten. Ich glau­be, das ist ein großer Schritt zu einer seriöseren Bewerbung von Wohnkrediten, von Immobilienkrediten, ganz einfach ein weiterer Schritt zu mehr Konsumentenschutz und daher sehr zu begrüßen.

Zweitens regelt das neue Gesetz auch die Informationspflichten der Kreditgeber, also im Wesentlichen der Banken. Der Kreditnehmer muss nun umfassend und vorvertrag­lich informiert werden. Dazu dient ein einheitliches Formular (ein Formular in die Höhe haltend) – ESIS, europäischer Standard. Diese Vereinheitlichung dient auch dazu, dass der Kreditnehmer nun alle Eckdaten zum Kredit schwarz auf weiß in die Hand bekommt.

Was heißt das in der Praxis? In der Praxis heißt das, dass man die Anbote von drei Banken ganz gut, übersichtlich und unkompliziert miteinander vergleichen kann. Das ist gut für den Wettbewerb, würde ich sagen, und vor allem auch gut für die Verbrau­cher von Krediten.

Diese Vorlage von SPÖ und ÖVP ist ein Kompromiss, aber im Großen und Ganzen ein Kompromiss mit einer ganzen Reihe von Verbesserungen für den Konsumenten, daher bitte ich um breite Unterstützung. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

15.33

15.33.29

 


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll102. Sitzung / Seite 127

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Damit gelangen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 843 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Dr. Scherak, Kolleginnen und Kollegen einen Abände­rungsantrag eingebracht.

Ich werde daher zunächst über die vom Abänderungsantrag betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes ab­stimmen lassen.

Die Abgeordneten Dr. Scherak, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungs­antrag betreffend Artikel 1 eingebracht.

Wer hiefür stimmt, den ersuche ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Abge­lehnt.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über diese Teile des Gesetzentwurfes in der Fassung der Regierungsvorlage.

Ich bitte jene Mitglieder des Hohen Hauses, die hiefür sind, um ein Zeichen der Zu­stimmung. – Das ist die Mehrheit. Angenommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung der Regierungsvor­lage.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung ihre Zustimmung geben, um ein diesbezügliches Zeichen. – Der Gesetzentwurf ist somit in dritter Lesung mit Mehrheit angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Mag. Stefan, Kolleginnen und Kollegen betreffend Konsumentenschutzrecht „NEU“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist die Minderheit und somit abgelehnt.

Wir gelangen weiters zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeord­neten Mag. Aslan, Kolleginnen und Kollegen betreffend Pfandleihverträge.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit und somit abgelehnt.

15.36.058. Punkt

Regierungsvorlage: Viertes Zusatzprotokoll zum Europäischen Auslieferungsüber­einkommen (gemäß § 28a GOG keine Ausschussvorberatung) (785 d.B.)

 


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen zum 8. Punkt der Tagesordnung.

Von der Vorberatung in einem Ausschuss wurde gemäß § 28a der Geschäftsordnung Abstand genommen.

Als Erster gelangt Herr Abgeordneter Mag. Schönegger zu Wort. – Bitte.

 


15.36.30

Abgeordneter Mag. Bernd Schönegger (ÖVP): Frau Präsidentin! Meine sehr geehr­ten Damen und Herren! Herr Bundesminister! Derartige Europarat-Übereinkommen ver­folgen ja immer auch die Herbeiführung engerer Verbindungen zwischen den Mitglied-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll102. Sitzung / Seite 128

staaten; das ist klar. Ganz im Speziellen geht es um eine Stärkung der individuellen und gemeinsamen Fähigkeiten zur Kriminalitätsbekämpfung europaweit.

Zwecks Vereinfachung und Beschleunigung des Auslieferungsverfahrens zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten des Europarates und im Einklang mit den Grundprinzi­pien des jeweiligen nationalen Rechts wurde im Rahmen des Europarats das Vierte Zusatzprotokoll ausgearbeitet, welches am 20. September 2012 auch im Rahmen einer Justizministerkonferenz in Wien zur Unterzeichnung aufgelegt und auch von der Repu­blik Österreich unterzeichnet wurde.

Es sieht Änderungen und Ergänzungen des Stammübereinkommens vor, darunter auch: die eingetretene Verjährung nach dem Recht des ersuchten Staates stellt grundsätzlich keinen Ablehnungsgrund mehr dar; Festlegung des Geschäftsweges zwischen den Jus­tizministerien; eine Frist von grundsätzlich höchstens 90 Tagen zur Entscheidung über ein Ersuchen um Zustimmung zur Verfolgung des Betroffenen wegen weiterer Strafta­ten, sowie eine Regelung, welche Verfolgungshandlungen im ersuchenden Staat unge­achtet der erforderlichen Zustimmung des ersuchten Staates gesetzt werden dürfen; eine Frist von grundsätzlich höchstens 90 Tagen zur Entscheidung über ein Ersuchen um Weiterlieferung und so weiter.

Diese Neuerungen, davon bin ich überzeugt, werden den Auslieferungsverkehr im Ver­hältnis zu jenen Vertragsstaaten erleichtern, die eben nicht Mitglied der Europäischen Union sind.

Ich glaube, es ist ein in diesen Tagen seltenes, aber doch erfreuliches Beispiel dafür, wie europäische Staaten gemeinsam arbeiten können.

Lassen Sie mich auch die Gelegenheit nützen, ein anderes erfreuliches Beispiel zu nen­nen: Wir haben ja vor wenigen Wochen auch hier in diesem Haus Maßnahmen be­schlossen, mithilfe derer man der Schlepperei entgegentreten möchte. Auch da sieht man: Wenn man die zuständigen Regierungsmitglieder arbeiten lässt – in diesem Fall den Justizminister und die Innenministerin –, gibt es erfreuliche Dinge zu berichten. Heute erfolgte ein gelungener Schlag gegen die Schlepperei. Ich glaube, da kann man beiden zuständigen Ministern gratulieren – weiter so! – Ich bedanke mich. (Beifall bei der ÖVP.)

15.38


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner – so sieht es das Croquis vor – ist Herr Abgeordneter Dr. Jarolim. – Bitte.

 


15.39.05

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Es ist das Wesentliche eigentlich schon gesagt worden. Mit diesem Gesetzentwurf wird eine Vereinfachung der Auslieferungsvorgänge beschlossen werden.

Entgegen der vormaligen Rechtslage werden jetzt eingetretene Verjährungen von De­likten nicht mehr nach dem Recht des ausliefernden Staates, sondern nach dem jenes Staates, in den ausgeliefert wird, beurteilt.

Es gibt massive Vereinfachungen: Es wird jetzt nicht mehr über den diplomatischen Dienst gespielt, sondern von Ministerium zu Ministerium, wobei auch mit einem einfa­chen Fax und in unbeglaubigter Abschrift vorgegangen werden kann.

Ich denke, dass es hier doch zu einer wesentlichen Erleichterung des zwischenstaat­lichen Verkehrs innerhalb Europas kommen wird. Dadurch, dass die Auslieferungshaft auf 90 Tage verkürzt wird, kommt es auch zu einer budgetären Einsparung und dane­ben natürlich auch zu einer Verkürzung der unerwünschten Hafttage.

Im Grunde genommen führt es auch dazu, dass die jeweils Betroffenen dann in das Land ihrer Herkunft überstellt werden, was auch sicherstellt, dass die jeweilige Haft in


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll102. Sitzung / Seite 129

dem Land vollzogen wird, wo man eigentlich beheimatet ist und man damit auch die sozialen Kontakte nicht verliert. Das ist auch eine erhebliche Maßnahme für die Reso­zialisierung.

Ich denke, das ist ein gutes Gesetz, ein guter Fortschritt. Ich freue mich, dass wir das so weit hinbekommen haben. – Gratulation, Herr Bundesminister! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Ertlschweiger.)

15.40


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Feich­tinger. – Bitte.

 


15.41.05

Abgeordneter Mag. Dr. Klaus Uwe Feichtinger (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsiden­tin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Rechtsmaterien wie Auslieferungs­übereinkommen haben es so an sich, dass sich vertieft eigentlich nur zwei Arten von Menschen dafür interessieren, die einen sind die Juristen, die anderen sind die Rechts­brecher.

Nichtsdestotrotz hat sich das Europäische Auslieferungsübereinkommen von 1957 in den vergangenen Jahrzehnten sehr gut bewährt. Es zählt zu den wichtigsten Rechts­grundlagen auf dem Gebiet der Auslieferung, also der zwangsweisen Übergabe von strafrechtlich gesuchten Personen zum Zweck der Strafverfolgung und zur Vollstreckung einer Freiheitsstrafe.

Das Übereinkommen des Europarates wurde bereits in den siebziger Jahren durch das Erste und das Zweite Zusatzprotokoll ergänzt und wird nun durch das Dritte und Vierte Zusatzprotokoll modernisiert. Die Ratifizierung des Dritten Zusatzprotokolls, welches die Rechtsgrundlage für ein rasches Auslieferungsverfahren geschaffen hat, wurde ja erst heuer im Februar hier im Plenum beschlossen.

Das Vierte Zusatzprotokoll von 2012 passt nun einzelne Bestimmungen des Überein­kommens den heutigen Bedürfnissen und den internationalen Entwicklungen an. Es sieht namentlich vor, dass Auslieferungsansuchen unter bestimmten Voraussetzungen elektronisch übermittelt werden können, wie zum Beispiel per Fax oder per Mail.

Es orientiert sich weitestgehend an den entsprechenden im Rahmen der EU erarbei­teten Rechtsinstrumenten und sieht im Kernbereich vor, dass die Auslieferung mit Zu­stimmung der auszuliefernden Person bereits auf der Grundlage des Fahndungsersu­chens bewilligt werden kann. Diese Neuerungen werden den Auslieferungsverkehr im Verhältnis zu jenen Vertragsstaaten erleichtern, die nicht Mitgliedstaaten der Europäi­schen Union sind.

Zu guter Letzt die positive Nachricht für den Finanzminister: Die Ratifikation dieses Vier­ten Zusatzprotokolls wird auf den Bundeshaushalt keine belastenden Auswirkungen haben. (Beifall bei der SPÖ.)

15.43


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Bayr. – Bitte.

 


15.43.34

Abgeordnete Petra Bayr, MA (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Minister! Sehr geehrte Da­men und Herren! Robuste, transparente und wirksame Auslieferungsabkommen wie je­nes, das uns jetzt vorliegt, sind absolut wichtige und unverzichtbare Mittel, zum Bei­spiel dafür, Gesetze effektiv und grenzüberschreitend anwenden zu können, Straflo­sigkeit zu vermeiden, global agierenden, verbrecherischen Netzwerken auch wirklich Herr zu werden und die entsprechenden rechtsstaatlichen Mittel dafür in der Hand zu haben.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll102. Sitzung / Seite 130

Es ist natürlich wünschenswert, dass wir solch gut funktionierende Auslieferungsab­kommen wie dieses, das die Mitgliedstaaten des Europarates sowie Israel, Korea und Südafrika vereint, auch in anderen Bereichen hätten. Ich denke jetzt an das Römische Statut, an die Grundlage des Internationalen Strafgerichtshofes, das auch ein Ausliefe­rungsübereinkommen in dem Fall vorsieht, wenn die Länder selbst den ICC anrufen und um Verfolgung ersuchen, respektive, wenn der Sicherheitsrat das Mandat erteilt.

Aber gerade der aktuell immer wieder diskutierte Fall von Omar al-Bashir, dem suda­nesischen Präsidenten, gegen den ein Haftbefehl des ICC existiert, der aber trotzdem, ohne dass dieser vollzogen wird, auch in diverse Mitgliedsländer des Römischen Sta­tuts und des Internationalen Strafgerichtshofes reisen kann, ohne dass ihm dort etwas passiert, zeigt, wie wichtig eine funktionierende Grundlage für die Umsetzung solcher Auslieferungsabkommen ist.

Was ich damit sagen will, ist, dass es wichtig ist, im Auge zu behalten, dass die Stär­kung von Rechtsstaatlichkeit, die Stärkung von demokratischer und guter Regierungs­führung, aber auch die Stärkung des Primats des Völkerrechts ganz, ganz wichtige ent­wicklungspolitische Anliegen sind, wo wir ärmere Länder darin unterstützen und ihnen helfen können, diese internationalen Verträge auch wirklich umzusetzen, auch wirklich zu vollziehen und zum Beispiel, eben wie im Fall des Omar al-Bashir, dass der ICC mit der Vollstreckung des internationalen Haftbefehls in einem Mitgliedstaat wirklich rech­nen kann.

Es ist, glaube ich, ein gutes Beispiel dafür, dass wir klarmachen können, dass die Un­terstützung von Ländern in ihrer Entwicklung, zum Beispiel was Rechtsstaatlichkeit und demokratische Regierungsführung betrifft, durchaus etwas ist, das uns allen zugute­kommt, weil natürlich Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen, Völker­mord – und demnächst auch Aggression – und andere kapitale Verbrechen vor keinen Grenzen Halt machen.

Darum unterstützen wir auch dieses Zusatzprotokoll und sind für jede Verbesserung im Völkerrecht natürlich zu haben. – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeord­neten der ÖVP.)

15.46

15.46.20

 


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Gemäß § 65 der Geschäftsordnung kommen wir nunmehr zur Abstimmung über die Genehmigung des Staatsvertrages: Viertes Zusatzprotokoll zum Europäischen Auslie­ferungsübereinkommen, in 785 der Beilagen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem gegenständlichen Staatsvertrag die Geneh­migung gemäß Artikel 50 Abs. 1 Z 1 Bundes-Verfassungsgesetz erteilen, um ein zu­stimmendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

15.47.119. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulpflichtgesetz 1985 ge­ändert wird (1309/A)

 


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen nun zum 9. Punkt der Tagesordnung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, ich mache Sie nur darauf auf­merksam, dass wir jetzt eine erste Lesung, dann eine Kurzdebatte, dann eine Zuwei­sungssitzung haben, jedoch keine Abstimmung mehr und daher vor Ende der Tages­ordnung nicht mehr eingeläutet wird. Ich wollte Sie nur davon in Kenntnis setzen.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll102. Sitzung / Seite 131

Wir gehen jetzt in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Hauser. – Bitte.

 


15.47.56

Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Mi­nister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Es geht um ein Bundesgesetz, mit dem das Schulpflichtgesetz geändert werden soll und vor allem eine österreichweit einheitli­che Lösung herbeigeführt werden soll für all jene, die noch keinen Schulabschluss zu­wege gebracht haben.

Worum geht es in diesem Gesetz? – Ich darf aus unserer Initiative wie folgt zitieren:

„Schüler, die nach Erfüllung ihrer allgemeinen Schulpflicht die Polytechnische Schule noch nicht besucht haben, sind – ohne Rücksicht darauf, ob sie das Lehrziel der zuletzt besuchten Schule erreicht haben – berechtigt, die Polytechnische Schule in dem der Beendigung ihrer allgemeinen Schulpflicht unmittelbar folgenden Schuljahr zu besuchen.“

Worum geht es im Konkreten? – Es geht um Schüler, die das 9. Schuljahr theoretisch in einer berufsbildenden mittleren oder höheren Schule absolviert haben, diese Schule allerdings nicht positiv absolviert haben und deswegen keinen regulären Schulabschluss haben. Diesen Schülerinnen und Schülern soll auf freiwilliger Basis die Möglichkeit ge­boten werden, dass sie nach Nichtabsolvierung der berufsbildenden mittleren und hö­heren Schulen freiwillig die Polytechnische Schule besuchen können, um zu einem Schulabschluss zu kommen.

Ich denke, das ist eine sinnvolle Sache. Es sind immerhin laut Schätzungen österreich­weit davon 300 bis 500 Schülerinnen und Schüler betroffen. Das Schulunterrichtsge­setz und das Schulpflichtgesetz werden in den Bundesländern zum Teil unterschiedlich angewendet. Wir wünschen uns, dass diese Möglichkeit für alle Schüler, egal, in wel­chem Bundesland sie zur Schule gehen, angewendet werden kann – noch einmal –, deswegen, dass sie auf freiwilliger Basis die Möglichkeit haben, nach Beendigung der Schulpflicht das 10. Schuljahr im Polytechnikum nachzuholen.

Sie wissen ja, dass die Polytechnische Schule eine gute Schule ist, die speziell für all jene, die noch nicht wissen, was sie später machen sollen, eine gute Berufsvorberei­tung ist. Es werden Praktika organisiert, wo man die Möglichkeit hat, auch in Betriebe hineinzuschnuppern. Es werden Berufsgrundlagen erläutert. Es gibt eine intensive Be­rufsorientierung. Also aus unserer Sicht würde da nichts dagegen sprechen, zumal diese Lösung zum Teil in einzelnen Bundesländern bereits angewendet wird. Ich bitte im Interesse der Schülerinnen und Schüler, ihnen diese Möglichkeit zu gewähren, auch zu einem positiven Schulabschluss zu kommen, zumal das auf freiwilliger Basis ge­schieht. (Beifall bei der FPÖ.)

15.50


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Gross­mann. – Bitte.

 


15.51.01

Abgeordnete Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Minister! Mei­ne sehr geehrten Damen und Herren! Die Polytechnische Schule ist eine Pflichtschule auf der 9. Schulstufe und leistet Großartiges auf dem Gebiet der Berufsorientierung, aber auch wenn es darum geht, Basisbildungskenntnisse zu festigen. Schulversuchs­weise gibt es ja auch die Möglichkeit, ein zweites PTS-Jahr und damit eben auch ein 10. Schuljahr anzuhängen.

Die Polytechnische Schule ist aber kein Sammelbecken. Es gibt eine Fülle von ziel­gruppenorientierten Bildungsangeboten, wie zum Beispiel berufsbildende mittlere Schu-


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len oder auch duale Ausbildungen oder natürlich auch Erwachsenenbildungsangebote oder Produktionsschulen, mitunter auch begleitet von Jugend-Coaching, das auch sehr, sehr erfolgreich ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Man kann immer über Verbesserungen nach­denken, und das tun wir auch gemeinsam sehr intensiv. Aber so schlecht kann unser Bildungssystem nicht sein, wenn uns heute topaktuell die EU-Kommission im Educa­tion and Training Monitor ein ausgezeichnetes Zeugnis für die niedrige Zahl an Schul­abbrechern und -abbrecherinnen ausstellt, vor allem für die niedrige Jugendarbeitslo­sigkeit. (Zwischenruf des Abg. Hauser.)

Das ist ein Grund, gemeinsam auf unsere gemeinsame Arbeit, auf das Bildungssystem und vor allem auf unsere Jugendlichen stolz zu sein. – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Hauser: Das war ja nicht das Thema!)

15.52


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Ing. Hofinger. – Bitte.

 


15.52.59

Abgeordneter Ing. Manfred Hofinger (ÖVP): Geschätzte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es geht darum, bei diesem Schulpflichtgesetz die Änderung herbeizuführen, dass Schulabbrecher, die in eine HTL oder HAK oder eine andere hö­here Schule gehen, nachher noch die Möglichkeit haben, wenn sie den ersten Jahr­gang nicht schaffen, in das Polytechnische zu wechseln, um einen Pflichtschulabschluss zu erlangen.

Das ist natürlich wichtig, und ich glaube, da sind wir auf dem richtigen Weg: Umso mehr die Pflichtschule positiv abschließen, umso besser. Aber da bedarf es natürlich noch Diskussionen im Ausschuss. Eines muss man schon sagen – ich habe mich auch in Oberösterreich schlau gemacht –: Dort gibt es im Prinzip keine Probleme diesbezüg­lich, denn auf kulante Weise wird das immer so geregelt, dass der Betreffende dann auch in das Polytechnikum gehen kann. Da wir hier aber eine rechtliche Klarstellung finden müssen, müssen wir das noch im Ausschuss diskutieren.

Folgendes muss uns aber schon bewusst sein: Mit dieser Regelung könnte natürlich auch der Umstand gefördert werden, dass man immer in das sogenannte Ausprobieren einer höheren Schule kommt. Das muss man immer bedenken. Ich glaube, da müssen vor allem die Hauptschulen und die Neuen Mittelschulen in der 4. Klasse eine noch bessere Orientierung geben, damit die Schüler bei der Schulwahl und bei der Berufs­wahl den richtigen Weg einschlagen.

Aber wenn es dazu dient, dass mehr Pflichtschulabschlüsse herbeigeführt werden kön­nen, so freue ich mich auf die Diskussion. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Hauser. – Abg. Lettenbichler: Genau!)

15.54


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Walser. – Bitte.

 


15.54.44

Abgeordneter Dr. Harald Walser (Grüne): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Hie und da versteht man die Vertreter und Vertreterinnen der Großparteien nicht. Der Antrag der Freiheitlichen zielt ganz klar darauf ab, dass man Jugendlichen, die keinen Pflicht­schulabschluss machen konnten, diesen ermöglicht. Er zielt darauf ab, dass eine miss­verständliche Formulierung, die wir im Gesetz drinnen haben, die vielleicht gar nicht so gemeint war, präzisiert wird. – Ja sind wir nicht dazu in der Lage, hier Nägel mit Köpfen zu machen und schlicht und einfach zu sagen, ja, das ist sinnvoll, machen wir das?! Das würde ich mir eigentlich erwarten. Ich hoffe, dass wir im Ausschuss dann auch zu diesem Ergebnis kommen werden.


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Der Antrag der Freiheitlichen hilft übrigens auch sehr vielen Flüchtlingsjugendlichen, nämlich jenen – und das hat in der Steiermark für großen Wirbel gesorgt –, die an Poly­technischen Schulen unterrichtet wurden, obwohl sie nicht mehr schulpflichtig waren. Das war eine wirklich tolle Leistung, die die Direktorinnen und Direktoren, natürlich auch die Lehrkräfte an den Polytechnischen Schulen erbracht haben. Es war eine tolle Integrationsleistung, dass sie es diesen Jugendlichen ermöglicht haben, die aus Afgha­nistan, die aus Syrien gekommen sind, die teilweise nicht einmal alphabetisiert waren, ihnen einen ersten Zugang zu unserem Bildungssystem zu bieten.

Das war eine jahrelange erfolgreiche Praxis, etwas, was funktioniert hat, etwas, was die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister der betroffenen Gemeinden in der Steier­mark erhalten wollten. Beispielsweise in Köflach, Deutschfeistritz, Graz, Mürzzuschlag, in einer ganzen Reihe von Gemeinden ist das praktiziert worden. Was geschieht? – Heuer wird das per Dekret des Ministeriums verboten. Hunderte von Jugendlichen, die hier eine erste Integration erfahren haben, die hier mit unserem System bekannt ge­worden sind, haben plötzlich keine Möglichkeit mehr, diesen Bildungszugang zu be­kommen.

Formal ist das Vorgehen des Ministeriums richtig, sachlich nachvollziehbar ist es nicht. Also schauen wir, dass wir zumindest hier diese Dinge auf die Reihe bekommen, dass wir Regelungen schaffen, die es diesen Jugendlichen ermöglichen, einen ersten Schnup­perversuch in unser Schulsystem zu bekommen! Ich glaube, das wäre geboten. Von daher werden wir diesen Antrag, diese Änderung natürlich unterstützen und hoffen auf eine entsprechend konstruktive Diskussion. (Beifall bei Grünen und NEOS sowie des Abg. Hauser.)

15.57


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Gamon zu Wort. – Bitte.

 


15.57.52

Abgeordnete Claudia Angela Gamon, MSc (WU) (NEOS): Ich finde es schön, dass wir über Bildung reden können. Was ich ein bisschen schade finde, ist, dass es dazu einen Antrag braucht, eine erste Lesung, die man auf die Tagesordnung reklamiert, oder wie gestern einen Antrag, bei dem die Vertagung aus einem Fehler heraus dann doch nicht erfolgt ist, weil in der letzten Sitzung des Unterrichtsausschusses 14 von
16 Anträgen vertagt wurden. Einer wurde dem Unterausschuss zugewiesen, bei einem ist es missglückt, sagen wir es so. Ich finde es sehr schade, dass wir nur auf diesem Weg über dieses Thema hier reden können. Das ist demokratiepolitisch wirklich sehr be­denklich. Ich glaube, da müsste sich dringend etwas ändern.

Zu diesem Antrag: Ich finde es wirklich wichtig, dass wir ihn behandeln. Da gibt es eine Lücke, die dringend geschlossen werden muss. Das Problem, das wir zu diesen Rück­flutern, wie diese Kinder genannt werden, was ich wirklich für einen unfassbar unschö­nen Begriff halte, behandeln, ist, dass sie ihre Bildung zum Beispiel an der HTL ab­brechen und danach ins Poly gehen. Das ist ein Problem, das nichts damit zu tun hat, dass diese Gesetzeslücke besteht, sondern das Problem, warum sie überhaupt dazu kom­men, entsteht ja viel früher. Ich glaube, da müssen wir ansetzen.

Daher müssen wir uns schon auch die Frage stellen: Wo verlieren wir diese Kinder denn am Bildungsweg? Wie verunmöglichen wir ihnen diese erfolgreiche Bildungslauf­bahn? – Das passiert an diesen ganzen Bruchstellen, die es im Bildungssystem gibt: zum Beispiel schon in der Elementarpädagogik, die einerseits dringend in Bundeskompe­tenz kommen muss und wo wir andererseits auch den ElementarpädagogInnen noch viel mehr Wertschätzung für die Arbeit, die sie leisten, entgegenbringen müssen.

Danach kommt die erste extrem schlimme Bruchstelle, diese kommt am Weg zur Volks­schule, wo wir sehr viel Wissen verlieren und die VolksschulpädagogInnen wieder von


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null anfangen müssen. Wie wir alle wissen, der größte Riss in der Bildungslaufbahn er­folgt danach am Weg entweder ins Gymnasium oder in die Neue Mittelschule. Das ist ein Riss, den wir nur mit einer echten Schulautonomie wieder kitten können. Da muss dringend etwas passieren.

Danke, Kollege Walser, dass Sie auch angesprochen haben, dass viele Minderjährige, nicht mehr Schulpflichtige dann nicht weiter im Bildungssystem sein können. Wir reden hier von Flüchtlingskindern. Das ist wirklich beklemmend, und ich glaube, da müssen wir dringend etwas tun. Wir haben hier gefordert, dass es schnelle, unbürokratische und auch flexible Hilfe geben muss. Diesbezüglich hat es auch schon einen Entschlie­ßungsantrag gegeben, der ebenfalls im Ausschuss versenkt wurde, wo es darum geht, ein zweckgewidmetes, frei verfügbares Qualitätsbudget einzuführen. Ich glaube, da müs­sen wir ganz schnell etwas tun, weil das für diese Kinder ein wirklich dringendes The­ma ist, denn die können da keine Zeit verlieren.

Die Hoffnung stirbt zuletzt, dass am 17. November wirklich etwas präsentiert wird, wo­mit sich in unserem Bildungssystem endlich etwas ändert. Wir haben ja heute gehört, dass die Ministerin dazu auch eine Wunschliste hat. Ich gehe einmal davon aus, dass sie das deshalb angekündigt hat, dass dann bei der Reform von dieser Wunschliste relativ wenig übrigbleiben wird. Aber wie gesagt: Schauen wir es uns an, wenn es da ist! (Beifall bei den NEOS.)

16.01


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ich weise den Antrag 1309/A dem Unterrichtsausschuss zu.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

16.01.21Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

 


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen nun zur kurzen Debatte über den Antrag 2/US der Abgeordneten Ing. Lugar, Kolleginnen und Kollegen auf Einsetzung eines Untersu­chungsausschusses zur Untersuchung der politischen Verantwortung für die Vorgänge rund um die Kommunalkredit AG und die Österreichische Volksbanken AG.

Dieser Antrag wurde inzwischen an alle Abgeordneten verteilt; es erübrigt sich daher eine Verlesung durch den Schriftführer.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Antrag

auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses mit Debatte (Verlangen) § 33 Abs 1 iVm § 33 Abs 4 GOG-NR

der Abgeordneten Ing. Robert Lugar, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Einset­zung eines Untersuchungsausschusses gemäß § 33 GOG-NR zur Untersuchung der politischen Verantwortung für die Vorgänge rund um die Kommunalkredit AG und die Österreichische Volksbanken AG (ÖVAG-Untersuchungsausschuss)

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Zur Untersuchung des Themenkomplexes ‚Staatliche Rettungs-, Kapital-, Abbaumaßnah­men und Restrukturierung für die Kommunalkredit AG und die Österreichische Volks­banken AG (ÖVAG) in den Jahren 2005 bis 2015’ wird ein Untersuchungsausschuss eingesetzt."


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Untersuchungsgegenstand

Untersuchungsgegenstand ist die Vollziehung des Bundes im Zusammenhang mit der Kommunalkredit AG und der Österreichischen Volksbanken AG (ÖVAG) bzw. den Rechts­vorgängern und Rechtsnachfolgern beider Banken in den Jahren 2005 bis inklusive 2015.

Inhaltliche Gliederung des Untersuchungsgegenstandes nach Beweisthemen

Staatliche Rettungs-, Kapital- und Abbaumaßnahmen und Restrukturierung für die Kom­munalkredit AG und die Österreichische Volksbanken AG (ÖVAG) bzw. den Rechtsvor­gängern und Rechtsnachfolgern beider Banken in den Jahren 2005 bis 2015

1. Aufklärung über die wahrgenommenen Kontroll-, Prüf- und Aufsichtstätigkeiten aller mit der Bankenaufsicht betrauten Organe des Bundes hinsichtlich der Kommunalkredit und der ÖVAG sowie der verbundenen Unternehmen beider Banken im Zeitraum 2005-2015, insbesondere welche Prüfberichte und Analysen in welcher Form vorgelegt, welche Mängel und Gesetzesverletzungen festgestellt und welche Aktivitäten daraufhin gesetzt wurden.

2. Klärung der Verantwortung der Organe des Bundes, insbesondere der Finanzmarkt­aufsicht, der OeNB, der Finanzprokuratur, des Bundesministeriums für Finanzen und wei­terer Organe im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Entwicklung und den zuneh­menden Schwierigkeiten der Kommunalkredit und der ÖVAG sowie der verbundenen Unternehmen beider Banken im Zeitraum 2005-2015.

3. Prüfung der Auswahl, der Tätigkeit und der Beaufsichtigung der vom Bundesminis­terium für Finanzen bestellten Staatskommissäre in der Kommunalkredit und der ÖVAG sowie in den verbundenen Unternehmen beider Banken inklusive den ad-hoc und pe­riodische Berichten der Staatskommissäre, das Zustandekommen und die Verwertung bzw. Auswertung derselben sowie allfällige Veranlassungen durch die zuständigen Auf­sichtsorgane und das Bundesministerium für Finanzen im Zeitraum 2005-2015.

4. Aufklärung über erfolgte mögliche Einflussnahmen auf strafrechtliche, abgabenrecht­liche und finanzstrafrechtliche Verfahren im Zusammenhang mit der Kommunalkredit und der ÖVAG sowie der verbundenen Unternehmen beider Banken und über die Er­kenntnisse, welche die Finanzbehörden und Strafverfolgungsbehörden im Rahmen die­ser Verfahren gewonnen haben.

5. Aufklärung über die möglichen finanziellen und budgetären Auswirkungen für die Re­publik Österreich, die aus dem möglichen Versagen der Organe des Bundes, insbe­sondere den zuständigen Bundesbehörden zur Bankenaufsicht und dem Bundesminis­terium für Finanzen, resultierten.

6. Aufklärung über die Notwendigkeit, Ursachen, Zusammenhänge und Hintergründe der Gewährung von Partizipationskapital durch den Bund an die Kommunalkredit und die ÖVAG, sowie der Feststellung der möglichen Systemrelevanz der Kommunalkredit und der ÖVAG.

7. Aufklärung über die Notwendigkeit, Ursachen, Zusammenhänge und Hintergründe der Teilverstaatlichung der Kommunalkredit (99,78 %) und der ÖVAG (43,3 %) durch den Bund.

8. Klärung der Frage, ob direkte oder indirekte Einflussnahmen auf die Österreichische Nationalbank, auf die FMA oder auf sonstige Stellen im Zusammenhang mit der Beur­teilung der wirtschaftlichen Lage der ÖVAG sowie deren verbundenen Unternehmen erfolgten, insbesondere bei Erstellung etwaiger Stellungnahmen der OeNB zum Antrag auf Zeichnung von Partizipationskapital der ÖVAG durch die Republik Österreich.


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9. Aufklärung über die Frage, wie der Austausch der Bundesregierung, des Bundesmi­nisteriums für Finanzen, der Bankaufsichtsbehörden oder anderer Stellen in Sachen Kommunalkredit und ÖVAG mit der EU-Kommission als Wettbewerbsbehörde erfolgte.

10. Untersuchung der Notwendigkeit, Ursachen, Zusammenhänge, Hintergründe und Ein­flussnahmen von außen sowie des Ablaufs des Erwerbsvorganges der Kommunalkre­dit durch die Republik Österreich im Jahr 2008, sowie der Feststellung der möglichen Systemrelevanz der Kommunalkredit.?

11. Untersuchung der Notwendigkeit, Ursachen, Zusammenhänge, Hintergründe und Ein­flussnahmen von außen sowie des Ablaufs der teilweisen Übernahme in staatliches Ei­gentum der ÖVAG durch die Republik Österreich im Jahr 2012, sowie der Feststellung der möglichen Systemrelevanz der ÖVAG.

12. Aufklärung über etwaige Berichte der Kommunalkredit und der ÖVAG im Zusam­menhang mit deren Kapitalbedarf ab dem Jahr 2008 an die zuständigen Organe des Bundes und die von diesen daraufhin getroffenen Veranlassungen.

13. Untersuchung etwaiger Verfehlungen seitens österreichischer Organe des Bundes hinsichtlich der Verhandlungsvorbereitung und -führung im Umfeld der Kapital- und Ret­tungsmaßnahmen der Kommunalkredit und ÖVAG.

14. Aufklärung über die Frage, ob die Organe des Bundes Alternativen zu den getroffe­nen Kapital- und Rettungsmaßnahmen für die Kommunalkredit und die ÖVAG geprüft haben und die allfälligen Ergebnisse dieser Prüfungen.

15. Aufklärung über die Entscheidungsprozesse und -vorbereitungen und die Entschei­dungen zur Errichtung der Abwicklungseinheit immigon portfolioabbau ag.

16. Aufklärung über die Wahrnehmung der Eigentümerrechte des Bundes hinsichtlich Grund, Inhalt, Umfang, Auswahl und Kosten der von der Kommunalkredit und ÖVAG während des Untersuchungszeitraumes beauftragten Berater.

17, Aufklärung über die Übernahme von Beraterhonoraren und sonstigen Kosten durch das Bundesministerium für Finanzen oder anderer Stellen des Bundes für die Kommu­nalkredit und die ÖVAG.

18. Aufklärung über Einflussnahmen von außen auf die Geschäftsführung der Bundes­regierung sowie auf das Bundesministerium für Finanzen, Kabinette der Bundesminis­terin und Bundesminister für Finanzen, FMA, OeNB oder sonstige Organe des Bundes im Rahmen ihrer Tätigkeiten zur Kommunalkredit und zur ÖVAG und damit im Zusam­menhang stehende allfällige Zahlungen bzw. Vorteilsgewährungen an diese.

19. Maßnahmen des Bundes, insbesondere des BMF, hinsichtlich Neuorganisation der Volksbanken auf primärer Ebene und des neuen Spitzeninstitutes des Volksbanken­sektors Volksbank Wien-Baden AG."

Begründung

Die Kapital- und Restrukturierungsmaßnahmen des Bundes für die Kommunalkredit und die ÖVAG sind eine erhebliche finanzielle Belastung für das Budget der Republik Österreich und die Bürgerinnen und Bürger. Wie der medialen Berichterstattung zu ent­nehmen ist, besteht der Verdacht, dass es im Zusammenhang mit den Kapital- und Re­strukturierungsmaßnahmen zu zahlreichen fragwürdigen Vorgängen gekommen ist. Da­her besteht die dringende Notwendigkeit, etwaige Verfehlungen durch Organe der Voll­ziehung des Bundes aufzuklären und die damit verbundene politische Verantwortung aufzudecken.


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Verlangen

Die unterzeichneten Abgeordneten verlangen weiters gemäß § 33 Abs 4 GOG-NR über diesen Antrag eine kurze Debatte durchzuführen.

*****

 


Präsidentin Doris Bures: Wir gehen in die Debatte ein.

Im Sinne des § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung beträgt die Redezeit in dieser De­batte 5 Minuten, wobei der Erstredner zur Begründung eine Redezeit von 10 Minuten zur Verfügung hat.

In diesem Sinne, Herr Klubobmann Lugar, haben Sie das Wort. – Bitte.

 


16.02.11

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Erin­nern wir uns einmal zurück! Wir hatten ja ziemliche „Geburtsschmerzen“ beim Untersu­chungsausschuss zur Hypo: Wir haben 21 Anläufe hier im Hohen Haus gebraucht, um einen Untersuchungsausschuss zuwege zu bringen, da anscheinend die Regierung nicht allzu viel Freude hatte, dass wir hier dementsprechend für Aufklärung sorgen wollen.

Mittlerweile gibt es einen Untersuchungsausschuss zum Thema Hypo, und wir haben in diesem Ausschuss einiges erfahren, das wir schon wussten, aber auch einiges, das wir noch nicht gewusst haben, zumindest nicht in dieser Tragweite.

Wenn man den ersten Abschnitt einmal Revue passieren lässt, dann stellt man fest, dass in erster Linie die Aufsicht versagt hat. Und bei der Aufsicht gibt es ja fünf Ins­tanzen. Da ist einmal der Rechnungshof zu nennen. Der Rechnungshof ist ja eine wichtige Instanz, diese wurde aber bei der Hypo leider ausgeschaltet. Dann gibt es auch noch die Staatskommissäre, die in Wahrheit nur als Feigenblatt agiert haben und auch nicht wirklich die Aufsicht wahrgenommen haben.

Weiters sind zu nennen die FMA und die OeNB, die in einem Kompetenzstreit nicht wirklich etwas auf die Reihe bekommen haben und letztlich gute Miene zum bösen Spiel gemacht haben, ohne etwas zu bewegen. Oder auch die Wirtschaftsprüfer, die immer wieder gesagt haben, sie konnten nicht im Detail prüfen und mussten sich auf das verlassen, was der Vorstand gesagt hat. Oder auch der Aufsichtsrat, der ganz be­wusst politisch besetzt wurde und der teilweise auch mit unfähigen Personen besetzt wurde, um ja keine Aufsicht ausüben zu können.

Wenn man sich das alles anschaut, dann fragt man sich, ob das Ganze System hat, denn wenn sich die gesamte Aufsicht auf das verlässt, was der Vorstand sagt, dann stellt sich die Frage, ob eine Aufsicht überhaupt stattfinden kann, wenn man nur den Vorstand fragt. Und um das zu veranschaulichen, darf ich Ihnen ein einfaches Beispiel vor Augen führen.

Stellen Sie sich Folgendes vor: Die Polizei wird gerufen zu einem Haus, wo die Nach­barn sagen, dass der Mann seine Frau schlägt. Die Polizei klopft an die Tür, der Mann macht auf, und die Polizei fragt: Ist eh alles in Ordnung? Und der Mann sagt: Ja, alles ist gut! Und die Polizei schreibt in ihrem Bericht: Alles ist in Ordnung!

So verrückt das in diesem Fall auch klingen mag, aber genauso war es bei der Hypo: Alle haben sich auf den Vorstand verlassen! Und der Vorstand hat das gemacht, womit sich letztlich auch die Gerichte beschäftigen mussten, nämlich: Er hat betrogen, er hat gelogen und er hat sich selbst bereichert. – Das wissen wir jetzt.

Jetzt geht es darum – jetzt sind wir bei diesem Antrag –, herauszufinden, ob das bei an­deren Banken auch der Fall war, um das große Bild zu sehen. Denn ich glaube, dass


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es unser aller Interesse ist, so etwas für die Zukunft zu verhindern. Und wenn diese kriminelle Energie bei der Hypo dazu geführt hat, dass wir diesen Schaden jetzt haben, dann mag das die eine Seite sein, wenn aber das System versagt hat, wenn die Auf­sicht versagt hat und wenn so etwas immer wieder passieren kann, dann haben wir tatsächlich Feuer am Dach. Denn: Es mag sein, dass die Bürger diese Riesenbaustelle mit bis zu 20 Milliarden bei der Hypo noch akzeptieren, aber wenn weitere Banken dazukommen und die Steuerzahler dann wieder zur Kassa gebeten werden, dann gibt es sicherlich kein Verständnis mehr. Deshalb müssen wir jetzt schauen, ob das Pro­blem systemimmanent ist.

Deshalb müssen wir bei der Kommunalkredit und bei der ÖVAG – die ja auch Pro­bleme verursacht haben, wo auch der Steuerzahler zur Kassa gebeten wurde, die ja auch Problembanken waren, wo es auch Prozesse gibt, weil man vermutet, dass da ei­nige Dinge getan haben, die schwer illegal sind – herausfinden, ob das tatsächlich sys­temimmanent ist, und prüfen, ob wir gesetzlich einiges tun müssen, um die Aufsicht in die Lage zu versetzen, da tatsächlich für Kontrolle zu sorgen.

Ich glaube, das sind wir auch den Steuerzahlern schuldig. Und deshalb müssen wir ge­nau hinschauen, wir brauchen ein größeres Bild. Wir hatten ja das Problem im Aus­schuss, dass immer dann geschwärzt wurde, wenn Vergleichszahlen in Dokumenten waren, wo man vergleichen konnte: Na wie war das denn bei anderen Kreditinstituten? Wie war das bei der Kommunalkredit? Wie war das bei der ÖVAG? Wie hat dort die Aufsicht funktioniert? Hat es dort genau die gleichen Fälle gegeben wie bei der Hypo?

Immer dann wurde geschwärzt, oder die Auskunftsperson hat gesagt: Das hat nichts mit dem gegenständlichen Fall zu tun! – Aber es hat mit dem großen Bild zu tun. Die­ses große Bild brauchen wir, um zu verstehen, ob wir hier Handlungsbedarf haben, ob das Parlament Handlungsbedarf hat, ob die Aufsicht funktioniert. Darum geht es! Und deshalb brauchen wir einen zweiten Untersuchungsausschuss. Und da wir ihn nicht als Minderheit hier beschließen können, ist die Regierung herzlich eingeladen, diesem An­trag zuzustimmen. Ich hoffe, es braucht nicht wieder 21 Anträge, bis Sie es endlich ver­standen haben, dass wir Transparenz brauchen. Vielleicht geht es schon früher, viel­leicht geht es sogar schon heute. Auf jeden Fall sind die Regierungsparteien aufgefor­dert, diesem Antrag hier zuzustimmen, denn wir brauchen einen parallelen Untersu­chungsausschuss. Aber wir brauchen ihn nicht erst nach dem Ende des Hypo-Untersu­chungsausschusses, sondern jetzt schon. Erstens dauert es noch sehr lange, bis wir bei der Hypo-Untersuchung zu einem Abschluss kommen, und zweitens wird der Scha­den möglicherweise bei der Kommunalkredit und bei der ÖVAG noch größer werden, wenn wir die Hintergründe nicht kennen. Deshalb brauchen wir diesen Untersuchungs­ausschuss schon jetzt.

Wenn Sie das auch so sehen, denn stimmen Sie bitte hier heute zu, denn letztlich stellt sich die Frage: Worum muss es uns als Parlament gehen? Ich spreche nicht davon, worum es Ihnen vielleicht geht – Ihnen von der ÖVP und Ihnen von der SPÖ, als Re­gierungsabgeordnete –, sondern es geht mir darum, worum es im Parlament geht. Und im Parlament geht es darum, dass wir die Interessen der Bevölkerung vertreten und vor allem die Interessen der Steuerzahler. Und deshalb müssen wir da genau hinschauen!

Herr Krainer, ich weiß, das begeistert Sie nicht sehr, und Sie werden hier heute wahr­scheinlich wortreich erklären, warum wir das nicht brauchen. Aber ich sage Ihnen: Wir brauchen das! (Zwischenruf der Abg. Tamandl.), Ui, die Frau Tamandl! Sie werden ja sicher heute auch noch herauskommen und sagen, warum wir das nicht brauchen. Aber es gibt keinen einzigen Grund, den Sie heute hier anführen können, warum wir das nicht brauchen. (Abg. Tamandl: Sie kennen die Geschäftsordnung nicht!) Was ist mit der Geschäftsordnung? (Abg. Tamandl: Sie kennen die Geschäftsordnung nicht!) Doch!


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Die Regierungsparteien können mit der Mehrheit jederzeit einen Untersuchungsaus­schuss einsetzen. Und selbstverständlich haben Sie recht: Wir als Minderheit können das nicht! Da haben Sie recht. Es läuft ja einer, wir können ja nur einen einsetzen. Ich spreche aber hier davon, dass Sie als Regierungsparteien mit Ihrer Mehrheit einen Untersuchungsausschuss einsetzen können und dann für Transparenz sorgen können, was Sie ja immer im Mund führen. Auch im Ausschuss sprechen Sie immer wieder da­von, dass Sie Transparenz wollen. Und wenn es dann hier um Transparenz geht, dann wollen Sie plötzlich nicht mehr, Frau Tamandl. Ich weiß, das interessiert Sie nicht besonders, was ich hier sage, aber Sie werden dann sicher noch Gelegenheit haben, sich hier zu äußern.

Schauen wir uns einmal die Kommunalkredit an! Die Kommunalkredit war, wie der Na­me schon sagt, ein Kommunenfinanzierer, der zu Zeiten Kreiskys gegründet wurde, um den Kommunen die Möglichkeit zu geben, günstig an Geld zu kommen. Und was ist passiert? – Die Kommunalkredit ist plötzlich von einem Kommunenfinanzierer zu einer wüsten Zockerbude geworden, wo die BAWAG noch blass wird, und hat 12 Milliarden CDS, sogenannte Credit Default Swaps, gekauft.

Hören Sie den Begriff „Swaps“? Bei der Hypo haben wir auch einiges von diesen Spe­kulationen gehört. Da hat es immer geheißen: Wie kann man denn nur?! – Die Kom­munalkredit hat im Umfang von 12 Milliarden solche Papiere gekauft. Was ist pas­siert? – Gar nichts! Das Ganze wurde wieder einmal dem Steuerzahler umgehängt. Ge­nau das ist der Punkt! Kein Mensch hat sich die Mühe gemacht, herauszufinden, wie das entstanden ist, und ist der Frage nachgegangen: Warum hat man plötzlich das Ge­schäftsmodell geändert? Warum ist man plötzlich mit Auslandstöchtern in dieses spe­kulative Geschäft eingestiegen? Wer hat profitiert? Wer hat das gedeckt? Warum hat die Aufsicht nicht genau hingesehen? – Das alles sind Fragen, die wir noch klären müssen.

Und die ÖVAG: Sie war ja Miteigentümer der Kommunalkredit. Das wissen ja viele gar nicht. Auch die ÖVAG ist ins Spekulationsgeschäft eingestiegen – und alle haben weg­gesehen! Letztlich hat den Schaden dann der Steuerzahler.

Das sind die Punkte, die aufgeklärt gehören! Ich will ja gar nicht so sehr ins Detail gehen, weil die Zuseher das wahrscheinlich eh nicht so genau nachvollziehen können. Fest steht: Es geht um Transparenz, und diese Transparenz herzustellen sind wir als Parlament verpflichtet. Wenn wir das nicht schaffen, sodass möglicherweise dann in der Zukunft eine Bank die gleichen Probleme wie jetzt die Hypo erzeugt und der Steu­erzahler … (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Das hängt alles zusammen. Ich weiß, dass Sie von der ÖVP nicht verstehen, dass die maroden Banken in Österreich alle zusammenhängen. Die einzige Konstante, die all diese Banken – die Kommunalkredit, die ÖVAG, die Hypo – verbindet, wissen Sie, wer die einzige Konstante ist, die das alles verbindet? – Nicht die ÖVP! Mag sein, ja. (Abg. Kogler: Die maroden Banken halt!) Die einzige Konstante ist, dass der Steuerzahler zum Schluss die Rechnung bezahlen muss. Das ist die einzige Konstante, die das Gan­ze verbindet! Und deshalb hat der Steuerzahler das Recht und wir die Verpflichtung, das aufzuklären. (Beifall beim Team Stronach.)

16.12


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort gemeldet ist als Nächster Herr Abgeordneter Krai­ner. Ab jetzt beträgt die Redezeit maximal 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


16.12.32

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollege Lugar, ich habe mich wirklich bemüht, diesen Ihren Antrag ernst zu nehmen, aber das ist nicht möglich. Ich habe aber auch nicht den Eindruck, dass Sie ihn selber ernst meinen. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)


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Wenn Sie ihn ernst meinen, dann kann das nur eine Kritik am jetzigen Untersuchungs­ausschuss sein, wo Sie sagen, der Untersuchungsausschuss, der jetzt läuft, sei zu eng fokussiert und hätte breiter formuliert werden müssen.

Denn, ganz ehrlich gesagt: Wenn Sie zwei parallele Untersuchungsausschüsse wollen, die sehr ähnliche Sachen untersuchen und wo es um vergleichende Fragen geht, wie Sie es gerade gesagt haben, dann müssen ja auch dieselben Personen drinnen sitzen, und da müssen Sie sich dann selber die Frage stellen, ob Sie überhaupt noch die Ka­pazitäten dafür haben (Abg. Lugar: Sicher!), denn das bedeutet dann nichts anderes, als dass Sie Kapazitäten von der Hypo-Untersuchung abziehen und sich die Hypo-Sa­che nicht mehr so genau anschauen wollen, um sich die Volksbanken anzuschauen.

Man kann eh über alles reden. Doch die Vorverurteilungen, die Sie hier aussprechen, teile ich nicht. Aber es kann schon sein, dass die ÖVAG und die Kommunalkredit sogar mehr untersuchungswürdig sind als die Hypo. (Abg. Lugar: Gut, dass Sie das ernst meinen!) Das kann ja alles sein. Aber ganz ehrlich, wenn Sie es ernst meinen würden, dann gäbe es nur eine Variante, die möglich ist, und das ist die, dass wir zuerst den Hypo-Untersuchungsausschuss zu Ende führen, uns diese Sache ordentlich anschau­en und uns nachher überlegen: Wollen wir uns die Volksbanken auch noch anschau­en? Und dann kann man noch immer einen neuen Untersuchungsausschuss einsetzen.

Das ist aber etwas, da brauchen Sie keine Mehrheit, und ich glaube, heute stimmen wir über gar nichts ab, sondern dieser Ihr Antrag kommt einfach in den Geschäftsord­nungsausschuss, sofern ich die neue Geschäftsordnung richtig verstanden habe. Heu­te ist gar keine Abstimmung darüber, sondern dieser Antrag kommt, wie gesagt, in den Geschäftsordnungsausschuss und wird dort behandelt.

Ich glaube nicht, dass Sie selbst diesen Antrag ernst nehmen. (Zwischenruf des Abg. Lugar.) Das ist nämlich aufgrund dessen, was Sie gesagt haben und wie Sie es vorge­tragen haben, nicht nachvollziehbar.

Im Übrigen muss ich sagen, dass nicht alles, was hinkt, ein Vergleich ist. Ihre gesamte Zusammenfassung der Phase 1 kann ich nicht teilen, die finde ich sehr einseitig, sehr undifferenziert. Sie erwähnen mit keinem Wort das Problem aller Probleme bei der Hy­po, nämlich die Landeshaftungen (Abg. Kogler: Geh, bitte!), die eingegangen wurden, die nicht kontrolliert wurden, die nicht gesteuert wurden. Jeder in Österreich weiß in der Zwischenzeit, dass das Problem mit der Hypo bis heute die Haftungen sind, weil diese noch immer bestehen, weil diese noch immer in einer Höhe von 10 Milliarden beste­hen. (Abg. Kogler: Das traut sich ja nicht einmal der Nowotny so zu erzählen!) Jeder, der Zeitung liest, weiß, dass das bis heute ein Problem ist.

Vor allem deshalb habe ich eine gewisse Skepsis, ob Sie das überhaupt ernst meinen. Und es ist natürlich schwierig, sich mit einer Sache auseinanderzusetzen, die der An­tragsteller selbst nicht ernst meint. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

16.15


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Ta­mandl. – Bitte.

 


16.15.35

Abgeordnete Gabriele Tamandl (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Her­ren! Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Lugar, mit der Aufklärung ist das halt so eine Sache: Vieles von dem, was Sie gesagt haben, kann ich durchaus unter­streichen, beispielsweise dass wir aufgedeckt haben, dass die Aufsicht bei der Hypo versagt hat. Schon im Griss-Bericht steht, bei der Hypo habe es sich um ein Multi­organversagen gehandelt. Und seit wir in der ersten Phase gesehen haben, dass die Aufsichtsorgane da teilweise in einem Kompetenzwirrwarr und in einem angespannten


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Verhältnis agiert haben und dass auch die Staatskommissäre da zahnlos agiert haben, kann ich mir durchaus vorstellen, dass wir gerade diese Bereiche auch gesetzlich ver­ändern müssen. Ich kann mir auch vorstellen, dass wir uns überlegen, wie wir FMA und OeNB künftig miteinander oder eben getrennt die Aufsicht machen lassen.

Ich lasse aber nicht gelten, Kollege Lugar, wenn Sie infolge der Bilanz, die Sie aus dem Hypo-Untersuchungsausschuss ziehen, hier gleich einen zweiten Untersuchungs­ausschuss einsetzen wollen. Denn: Wenn man es mit der Aufklärung ehrlich meint – und wir wollen ja im Hypo-Untersuchungsausschuss wirklich eine seriöse Aufklärung betreiben, wir wollen alles aufklären, wir befinden uns ja bereits in der zweiten Phase –, dann weiß man, dass das eine Mordsarbeit ist. Wir haben die Schlagzahl ordentlich erhöht. Wir haben bereits 76 Auskunftspersonen geladen. Ich kann mir nicht vorstellen, Kollege Lugar, wie wir zum jetzigen Zeitpunkt, wo wir uns in eine heiße Phase begeben und wo noch lange kein Ende dieses Hypo-Untersuchungsausschusses in Sicht ist, pa­rallel einen zweiten Untersuchungsausschuss zur Kommunalkredit und zur ÖVAG be­wältigen sollen.

Wenn man nämlich ernsthaft aufklären möchte – und wir, die wir in diesem Banken-Un­tersuchungsausschuss zur Hypo Alpe-Adria drinnen sitzen, sind doch, denke ich, die Experten unserer Fraktionen auf diesem Gebiet –, dann frage ich mich, wie wir, wenn wir drei Tage in der Woche Hypo-Untersuchungsausschuss haben, wenn wir die Wo­che darauf zwei Plenarsitzungstage und auch einen Tag Hypo-Untersuchungsausschuss haben und jetzt schon überlegen, dass wir den Ausschuss verlängern, und wenn wir bis Mitte Mai wahrscheinlich noch 30 Ausschusssitzungen haben werden, da seriös aufklären wollen, wenn wir parallel dazu noch einen Untersuchungsausschuss haben.

Da kann man jetzt über die Sache selbst denken, wie man will. Die Möglichkeit besteht ja immer, dass nach einem Untersuchungsausschuss wieder ein Untersuchungsaus­schuss kommt. Darüber kann man ja dann immer noch sprechen. Aber wenn Sie sich da herausstellen und den gesamten Bankensektor mit hineinnehmen, dann muss ich sagen: Wenn man von der Aufsicht spricht, die versagt hat, dann muss man sich die Aufsicht näher ansehen. Da ist es nicht notwendig, dass wir jetzt für jede Bank einen Untersuchungsausschuss machen. Ich glaube, dass wir bei der Hypo genug sehen, was da an Versagen passiert.

Klar ist: Dieser Antrag wird heute nicht abgestimmt. Er wird zeitnahe im Geschäftsord­nungsausschuss beraten werden, wie das auch schon beim letzten Mal der Fall war. Und dann wird man weitersehen, was mit diesem Antrag geschieht.

Aber ich würde dir, lieber Robert Lugar, und deiner Fraktion raten: Schaut lieber, dass Ihr seriöse Aufklärung im Hypo-Untersuchungsausschuss betreibt!

Und ganz ehrlich gesagt: Wenn wir jetzt kaum mehr diese Arbeit schaffen können be­ziehungsweise das Ganze kaum bewältigen können, mithilfe der Beamten dieses Hau­ses und der Parlamentsdirektion – und bei dieser Arbeit geht es um einen Wust von mehreren Millionen Seiten und um Tausende Stunden, die dieser Untersuchungsaus­schuss in Anspruch nimmt –, dann muss ich sagen: Seriöse Aufklärung bedeutet, eine Sache abzuschließen, einen Untersuchungsausschuss abzuschließen und dann, wenn nötig und gewünscht, einen neuen, weiteren Untersuchungsausschuss einzusetzen. Ich glaube, das ist der richtige Weg.

Wir von der ÖVP nehmen es mit der Aufklärung ernst!

Wie gesagt, der Geschäftsordnungsausschuss ist jetzt am Zug. Abgestimmt wird über diesen Antrag heute nicht. Man sollte nämlich der Bevölkerung nicht etwas Falsches sagen. (Beifall bei der ÖVP.)

16.19



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll102. Sitzung / Seite 142

Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Haider. – Bitte.

 


16.20.04

Abgeordneter Mag. Roman Haider (FPÖ): Frau Präsident! Meine sehr geehrten Da­men und Herren! Hohes Haus! Ich stelle also nach den Reden von der Frau Tamandl und vom Herrn Krainer fest: SPÖ und ÖVP haben nichts gegen einen Untersuchungs­ausschuss, wenn der Hypo-Ausschuss beendet ist – so verstehe ich das zumindest. Wir werden Sie bei gegebener Zeit daran erinnern. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Rädler.)

Und, Herr Kollege Rädler, bei Ihnen glaube ich manchmal leider, Sie denken wirklich, was Sie sagen – aber versuchen Sie es einmal umgekehrt! (Abg. Kogler: Da weiß ich auch nicht, ob das etwas hilft!) – Ja, ich auch nicht.

Banken und Politik war immer schon eine ganz, ganz schlechte Mischung und vor al­lem eine für den Steuerzahler sehr, sehr teure Mischung. Der Untergang des ÖVAG-Imperiums, kann man fast sagen, ist ja ein Ergebnis dieses wirklich giftigen Cocktails. Insgesamt wurden 8 Milliarden € an Werten – 8 Milliarden €! – vernichtet: einerseits die Milliarde Partizipationskapital vom Steuerzahler, andererseits wertlose ÖVAG-Anlei­hen, dann die erwirtschafteten Verluste bei der ÖVAG und bei der Kommunalkredit, Abschreibungen auf Beteiligungen der Volksbanken-AG und so weiter und so fort.

Im Gegensatz zu anderen Bankenpleiten ist aber dieses Desaster weitgehend still vor sich gegangen. SPÖ und ÖVP waren ja geradezu fast akribisch bemüht, da eine De­cke des Schweigens drüberzubreiten. Und wenn man sich die Dimension dieses De­sasters wirklich anschaut, dann fragt man sich schon: Ja, wie kann denn das sein, dass man da so eine Decke des Schweigens drüberbreitet, dass keine Taskforce ein­gesetzt worden ist, dass keine Untersuchungskommission eingesetzt worden ist, dass bis jetzt auch noch immer kein Untersuchungsausschuss eingesetzt worden ist? (Abg. Krainer: Ist das eine Selbstkritik?) – Des Rätsels Lösung ist natürlich dort zu suchen, wenn man sich die handelnden Personen anschaut (Zwischenruf des Abg. Darmann), und vor allem die Parteien, aus denen diese handelnden Personen kommen.

Wer erinnert sich denn heute noch an die äußerst glücklose ehemalige Bildungsminis­terin Claudia Schmied, die gleich nach Ihrem Wechsel in die Kommunalkredit – ein Jahr danach – diese Bank mit einem Milliarden-Desaster hat verstaatlichen lassen müs­sen? Die war da mindestens genauso erfolglos, wie später dann als Ministerin – das war wirklich kein Ruhmesblatt.

Wer erinnert sich denn noch an den Bankenmanager Franz Pinkl? (Abg. Rädler: Na, wo gehört denn der hin?) – Das war der, der die Kommunalkredit zuerst verstaatlicht und die dem Staat umgehängt hat (Abg. Rädler: Der gehört euch!), das war aber dann auch genau der, den sich die Bayern geholt haben (Rufe und Gegenrufe zwischen den Abgeordneten Rädler und Darmann), als es darum ging, diesem Staat die marode Hy­po umzuhängen und den damaligen schwarzen Finanzminister Pröll samt dem dama­ligen roten Finanzstaatssekretär Schieder bei der Verstaatlichung der Hypo über den Tisch zu ziehen. (Beifall bei der FPÖ.) Der war ja quasi schon eingearbeitet als Ver­staatlichungshelfer für marode Banken. – Aber vielleicht sind es ja auch gerade genau diese Verstrickungen.

Das muss man auch noch erwähnen, weil es mir gerade einfällt: Herr Kollege Rädler, Sie werden sich wahrscheinlich auch noch daran erinnern, dass dieser Herr Pinkl ge­nau der war, der dann bei den Freunden und Weggefährten des Othmar Karas bei des­sen Fest im UNIQA-Tower dabei war. (Oh-Rufe bei der FPÖ. – Abg. Kogler: Wenn es nur das gewesen wäre! – Zwischenruf des Abg. Rädler.) – Wenn es nur das gewesen wäre, genau. Also da sieht man ganz genau, wie die Farbenspiele hier verteilt sind.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll102. Sitzung / Seite 143

Insgesamt freuen wir uns, dass das Team Stronach dieses Thema aufgegriffen hat. Man kann und man sollte auch über all diese Verstrickungen in einem Untersuchungs­ausschuss sprechen. Wir werden diesen Antrag auch in jeder Form unterstützen – um­so mehr, als auch unser ehemaliger Budgetsprecher Elmar Podgorschek und auch un­ser Klubobmann Strache im Vorjahr mehrmals die Einsetzung zumindest einer Unter­suchungskommission, aber auch eines Untersuchungsausschusses gefordert haben.

Wir dürfen uns aber angesichts dieser rot-schwarzen Gemengelage keinen Illusionen hingeben: Bei der Hypo hat man bei Rot und Schwarz am Anfang ja wenigstens noch gehofft, irgendwie die FPÖ anpatzen zu können, aber spätestens seit dem Griss-Be­richt und seit dem Rechnungshofbericht (Zwischenruf des Abg. Obernosterer), Herr Kollege Rädler, spätestens seit diesem Zeitpunkt ist klar, dass da eine Verstaatlichung ohne Not stattgefunden hat (Beifall bei der FPÖ) und ein kollektives rot-schwarzes Or­ganversagen. Aber hier, bei ÖVAG und bei Kommunalkredit, da geht es nur um SPÖ und ÖVP.

Daher, lieber Herr Kollege Lugar: Ihr Antrag in Ehren, aber da sehe ich rot-schwarz da­für, dass hier dann wirklich ein Untersuchungsausschuss eingerichtet wird. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Lugar. – Abg. Krainer: Wieder einer, der es nicht ernst meint!)

16.25


Präsidentin Doris Bures: Als nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Kogler zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


16.25.23

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Frau Präsidentin! Meine Damen und Her­ren! Es ist ja von Regierungsfraktionsseite links wie rechts – was auch immer da links ist – die Performance des Antragstellers kritisiert worden. – Ja, man mag zum Kollegen Lugar stehen, wie man will, aber heute hat er schon einen fetten luziden Moment ge­habt, und das dürfen Sie nicht wegreden. (Heiterkeit.)

Das dürfen Sie nicht wegreden! Ja, die hat er öfter bei den Untersuchungen, da man­gelt es aber auf dieser Seite. – Und da wir, Frau Präsidentin, im U-Ausschuss ständig das karge Brot der seriösen Aufklärung essen müssen, dürfen wir hier einmal kurz die Dinge zusammenfassen – der Herr Lugar hat es ja angedeutet, aber nicht ganz so auf den Punkt gebracht.

Was ist das Gemeinsame bei Kommunalkredit, bei ÖVAG und vor allem bei der Hy­po? – Nicht nur immer blau – überhaupt nicht! –, sondern die ÖVP ist meistens dabei. ÖVP da, Steuermilliarden weg! Das ist eine gemeinsame Konstante. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Und bei der Sozialdemokratie? – Jetzt kommen wir nämlich zum Kern dieser Banken­pakete und wie das damals so war. Wir erinnern uns, dass da witzigerweise ausge­rechnet jener Pröll – und zwar der junge Pröll –, der hier jetzt unrühmlich für Furore sorgt – er wird ja dann ohnehin bald einmal im Haus zur Verfügung stehen –, für ein halbes Jahr in den Umfragen den Herrn Faymann überholt hat. Die haben gegenkam­pagnisiert mit einer Sozial- und Gerechtigkeitskampagne, und herhalten mussten die Banken – nicht ganz zu Unrecht. Faymann für Gerechtigkeit, gegen die Banken, gegen die Spekulanten!

Und dann schauen wir einmal hin, wo Sie mittäterisch dröhnend überall dazugeschnarcht haben, als das Geld in Zigmilliarden-Packerln in die Banken hineingetragen wurde: Und wer war immer dabei? – Die Sozialdemokratie! Und dann muss man sich das vom Herrn Krainer hier anhören, aber das sind wir ja schon gewohnt. (Beifall bei Grünen, FPÖ und Team Stronach.)

Wie war denn das damals? – Wenn man die „ZiB 2“ eingeschaltet hat, war der Appetit weg. Es erscheint besagter Pröll – Josef –: Das ganze Bankenpaket, das wird ein Ge-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll102. Sitzung / Seite 144

schäft – ein Geschäft! (Abg. Moser: So ist es uns verkauft worden!) Assistiert haben Bankdirektoren – also nicht gerade die von der Hypo und von der ÖVAG und von der Kommunalkredit, die ohnehin schon zugenagelt war, mausetot, ein Zombie, aber die anderen: der Herr Treichl, der Herr Rothensteiner, die haben unter Beteiligung des ORF assistiert –: Ein Geschäft für die Republik! Um 10 Uhr in der Nacht haben sie uns das erklärt, und zwar eine ganze Woche lang!

Und jetzt schauen wir uns diese Geschäfte an – so hängen die Dinge zusammen, Kom­munalkredit, ÖVAG, Hypo –: 24 Milliarden sind weg, wenn Sie richtig rechnen! (Abg. Ta­mandl: Aber mitgestimmt habt ihr! ... einstimmiger Beschluss!) – Ja, ja. Also bitte, dass das Bankenpaket eine europäische Ausformung der Bankenstabilisierung und Finanz­marktstabilisierung war, ist eine Sache, wir haben aber ausdrücklich darauf hingewie­sen, was in den Ausführungsverordnungen und was in den konkreten Verträgen mit den Banken passieren muss – und genau dort ist das Verbrechen passiert, und zwar sei­tens einer schwarz-blauen Aufsicht, einer schwarz-roten Aufsicht und unter tatkräftiger Mithilfe des Finanzministers, der selber von den Banken hineingeschickt worden ist.

Und wer hat immer mit den Banken verhandelt? – Der Herr Höllerer, auch von den Ban­ken: kommend von Raiffeisen, gehend zu Raiffeisen, zwischendurch regieren sie und fladern uns das Geld. – Das ist doch so! (Beifall bei Grünen, FPÖ und NEOS. – Oh-Ru­fe bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Das ist doch so! (Abg. Rädler: Alkomat!)

Und jetzt kommen wir noch einmal zu dem Geschäft: 24 Milliarden €, das sind 3 000 € pro Österreicherin und Österreicher, 12 000 € pro Familie, und zwar vom Burgenland bis Vorarlberg – nur, damit Sie die Dimensionen erfassen. Es würde ohnehin schon die Hypo reichen, aber nein, man braucht ja noch eine Vorspeise und eine Nachspeise: al­les serviert, alles Menü, alles da, alles angerichtet! Und das werden wir halt jetzt durch­leuchten. – Das ist nämlich sehr unbekömmlich: Da muss dann der Internist her und muss den Magen auspumpen, und so müssen wir schauen, was wir an Geld zurück­kriegen. – Das versuchen wir.

Und wenn Sie schauen, so ist es bei der Kommunalkredit das gleiche Ärgernis: Wir, die Grünen – da oben (in Richtung hinteren Teil des Sitzungssaales zeigend) steht der Mit­arbeiter Hattinger –, haben, bevor die ganze Pleite aufgeflogen ist – Jahre davor! – schon aufgedeckt, dass diese sogenannte Kommunalkredit, wobei der Name ja überhaupt ein Euphemismus war, in Zypern längst ein milliardenschweres Spekulationsrad dreht. Was tut die Aufsicht? – Sie dreht sich im Kreis, genauso wie bei der Aufdeckarbeit Holub/
Pilz/Kogler, als es um die Hypo gegangen ist, und zwar nicht erst 2010, sondern 2004, 2005, 2006.

Wir haben die Mails jetzt wieder ausgegraben – die im Übrigen dem Ausschuss ver­heimlicht wurden. Holub an Finanzmarktaufsicht: Tilo Berlin, eine schwindlige Figur, schauen wir uns die an! – Rückmeldung: Nein, wissen wir nicht, wir schauen ohnehin – es ist eh alles super! – Aber die Mails hat der Ausschuss nicht. (Präsidentin Bures gibt das Glockenzeichen.)

Jetzt komme ich zum Schluss und lege dar, warum auch diese Untersuchungen not­wendig sein werden – bei der ÖVAG ist es im Übrigen um nichts besser, dort ist nur interessant, dass der Herr Finanzminister bis zu dem Tag, als er Finanzminister gewor­den ist, Aufsichtsratspräsident dieser ÖVAG war, das wird auch gerne vergessen, das hat auch der Redner vergessen. (Präsidentin Bures gibt neuerlich das Glockenzeichen.)

Alles zusammen ergibt folgendes Bild: Es soll nirgends untersucht werden. Die Kom­munalkredit darf im Ausschuss, nämlich im Rechnungshofausschuss, nicht untersucht werden. Ein vernichtender Bericht darf nicht untersucht werden, weil der Herr Molterer nicht geladen werden darf.

 


Präsidentin Doris Bures: Bitte kommen Sie zum Schlusssatz, Herr Abgeordneter!

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll102. Sitzung / Seite 145

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (fortsetzend): Der Herr Molterer darf nicht gela­den werden, deshalb ist er bis heute ununtersucht.

Deshalb gehört auch das alles noch aufgerollt. In welcher Form, in welchen Ausschüs­sen, mit welchen Transparenzregeln werden wir noch schauen, aber seien Sie gewiss: Dieses (einen scheppernden Schlüsselbund in die Höhe haltend) ist Ihnen sicher. (Bei­fall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von FPÖ und Team Stronach.)

16.31


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster ist Herr Abgeordneter Dr. Hable zu Wort ge­meldet. – Bitte.

 


16.31.24

Abgeordneter Dr. Rainer Hable (NEOS): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Geschätzte Bürgerinnen und Bürger! Ja, das ÖVAG-Debakel ist durchaus ein Debakel, das in Ver­gessenheit geraten ist, das in der Öffentlichkeit kaum noch die notwendige Aufmerk­samkeit genießt – trotz Milliarden, die da versenkt worden sind, auch Milliarden der Steuerzahler –, aber dass es untersuchenswert ist, zeigen schon auch die Parallelen, die wir da sehen: die überraschenden oder vielleicht auch nicht ganz so überraschen­den Parallelen zur Hypo Alpe-Adria.

Da fällt auf, dass auch bei der ÖVAG der Verdacht auf Betrug, Untreue, Bilanzfäl­schung et cetera im Raum steht, dass die Ermittlungen nicht vom Fleck kommen und Anklagen sowieso nicht in Sicht sind. Das heißt, es gibt natürlich auch die Erkenntnis, das ist nicht nur ein Finanzskandal, sondern auch ein Justizskandal.

Zweitens haben wir eine fragwürdige Rolle der Aufsichten vorliegen, wobei ich sage, das ist kein Versagen der Aufsicht, sondern die haben trotz besseres Wissen nicht ge­handelt, und trotz besseres Wissen nicht zu handeln ist etwas anderes: Das ist kein Versagen, sondern das ist Absicht, das sollten wir uns verdeutlichen.

Drittens, und das ist auch eine interessante Parallele: Man hat hier eine Bank verstaat­licht – notverstaatlicht –, obwohl keine Systemrelevanz vorgelegen ist. Genauso wie bei der Hypo: Es gab keine Systemrelevanz, keine Gefahr für den österreichischen Fi­nanzmarkt, keine Gefahr für die österreichische Volkswirtschaft, und trotzdem hat man verstaatlicht, trotzdem hat man dem Steuerzahler die Endabrechnung um den Hals ge­hängt.

Daher ist es natürlich auch hier notwendig, zu untersuchen, daher ist es auch hier not­wendig, letztlich vielleicht doch in einem Untersuchungsausschuss den Gründen, den Gründen ... (Abg. Amon: Ursachen!), ja, den Ursachen auf den Grund zu gehen und diese wirklichen Gründe zu erforschen. – Ja, danke.

Aber ein Punkt – das sage ich schon jetzt ganz deutlich – muss, bevor wir einen neuen Untersuchungsausschuss einsetzen, noch geklärt werden, und deswegen möchte ich Ihre Aufmerksamkeit auf einen Antrag lenken, den wir NEOS heute hier im Nationalrat eingebracht haben: einen Antrag (eine Kopie des Antrages in die Höhe haltend), mit dem wir die Bundesverfassung und auch die Geschäftsordnung ändern wollen, einen Antrag, mit dem eindeutig klargestellt werden muss, dass Staatsunternehmen – Staats­unternehmen so wie die Hypo Alpe-Adria, aber auch die ÖVAG – vorlagepflichtig sind bei Untersuchungsausschüssen, indem sie nämlich ihre Unterlagen, ihre Akten Unter­suchungsausschüssen vorlegen müssen.

Ich möchte daran erinnern, dass wir noch immer einen Hypo-Untersuchungsausschuss ohne Hypo-Akten haben – nach wie vor! Und das kann es nicht sein, dass wir eine Bank untersuchen und Vorgänge rund um die Bank, aber von dieser Bank selbst keine Unterlagen bekommen!


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll102. Sitzung / Seite 146

Dasselbe darf natürlich auch bei der ÖVAG nicht passieren: Es kann nicht sein, dass wir eine notwendige Aufklärung ohne die notwendigen Akten machen. Wir kennen die­se Aktenschwärzerei, die ist medial sehr im Zentrum gestanden, aber das größere Pro­blem war weniger die Aktenschwärzerei, sondern dass wir die brisanten Akten erst gar nicht geliefert bekommen haben.

Ich erinnere daran, dass sich Justizminister Brandstetter bis heute weigert, dem Hypo-Untersuchungsausschuss den Birnbacher-Akt zur Verfügung zu stellen – er weigert sich bis heute! Und was natürlich fehlt, sind, wie schon gesagt, die Akten, die Unterla­gen von der Hypo, denn dort – davon bin ich überzeugt – liegen die wirklich brisanten Informationen.

Daher muss, bevor wir einen neuen Untersuchungsausschuss einsetzen, vollkommen klargestellt sein, dass Unternehmen, die der Rechnungshof prüfen kann, also ein Hilfs­organ des Parlaments prüfen kann, auch gegenüber dem Parlament vorlagepflichtig sind, also diese Unterlagen auch dem Parlament zur Verfügung stellen müssen.

Ich bitte daher, dass Sie diesen Antrag der NEOS, mit dem wir eindeutig und ein für al­le Mal klarstellen wollen, dass vom Rechnungshof geprüfte Unternehmen ihre Akten, ihre Unterlagen auch Untersuchungsausschüssen liefern müssen, dass Sie also diesen Antrag mit unterstützen. Was wir nicht brauchen, ist nämlich nach einen Hypo-Untersu­chungsausschuss ohne Hypo-Akten jetzt auch noch einen ÖVAG-U-Ausschuss ohne ÖVAG-Akten. – Danke. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Schönegger: Das hört sich sehr nach Zwangsapplaus an!)

16.36


Präsidentin Doris Bures: Als nächster Redner ist Herr Klubobmann Ing. Lugar zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


16.36.40

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Also ich muss ehrlich sagen, ich bin sehr positiv überrascht, denn ich habe das nicht erwartet. Ich habe diese positiven Rück­meldungen von der Opposition erwartet – diese Abgeordneten sind natürlich sehr inter­essiert an Aufklärung –, aber dass zum Beispiel auch die ÖVP das so positiv sieht, dass wir hier Aufklärung brauchen, dass es anscheinend nur daran liegt, dass vielleicht der Zeitpunkt nicht optimal ist, weil es sich die Frau Kollegin Tamandl von der Arbeits­belastung her nicht so vorstellen kann, wie das gehen kann, diesen Vorstoß aber grund­sätzlich und in der Sache sehr positiv sieht, überrascht mich. – Vielen Dank für Ihre Aus­führungen!

Beim Herrn Krainer müssen wir noch ein bisschen Arbeit leisten. Ich glaube, da tut man sich noch ein bisschen schwer, diesbezüglich Transparenz zu gewähren, aber das liegt vielleicht auch daran, dass einige von der SPÖ da stark involviert sind. Aber, Herr Krainer, treten Sie einfach die Flucht nach vorne an, auch wenn bei Ihnen in der SPÖ einiges schiefgelaufen ist! Ich glaube, dass es das Ehrlichste und das Aufrichtigste ist, wenn man hier Transparenz gewährt und einfach zu den Fehlern steht, die in der Ver­gangenheit passiert sind.

Und wenn wir das gemeinsam schaffen – wenn wir es gemeinsam schaffen, dass jeder zu seinen Fehlern steht, die in der Vergangenheit passiert sind –, dann schaffen wir es vielleicht gemeinsam, als Parlament, hier Gesetze zu beschließen, die es für alle Zeit ausschließen, dass der Steuerzahler wieder zum Handkuss kommt, denn genau das ist der Punkt.

Ich sehe heute einen Hoffnungsschimmer, und wir können uns ja über den Zeitpunkt un­terhalten: Es muss nicht gleich jetzt sein, dass wir diesen parallelen Untersuchungs­ausschuss machen (Abg. Rädler: 2018!), es wäre auch möglich, dass wir einfach den Untersuchungsgegenstand ausweiten, so wie das die Frau Tamandl vorgeschlagen hat:


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll102. Sitzung / Seite 147

dass man also einfach den Untersuchungsgegenstand ausweitet, um hier auch mehr Banken einzubeziehen, um ein besseres Bild zu bekommen von dem, was da tatsäch­lich passiert ist.

Deshalb sehe ich heute einen Hoffnungsschimmer, dass das Parlament es endlich be­griffen hat, dass wir nur dann das Vertrauen der Bevölkerung zurückgewinnen können, wenn wir Transparenz schaffen und wenn wir für alle Zeiten ausschließen, dass ein Fall Hypo jemals wieder vorkommt. – Vielen Dank. (Beifall beim Team Stronach.)

16.38


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist ge­schlossen.

Gemäß § 33 Abs. 6 der Geschäftsordnung weise ich den Antrag 2/US der Abgeordne­ten Ing. Lugar, Kolleginnen und Kollegen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschus­ses zur Untersuchung der politischen Verantwortung für die Vorgänge rund um die Kom­munalkredit AG und die Österreichische Volksbanken AG dem Geschäftsordnungs­ausschuss zu.

16.39.26Einlauf

 


Präsidentin Doris Bures: Ich gebe noch bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 1414/A bis 1434/A(E) eingebracht wurden.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die geschäftsordnungsmäßige Mitteilungen und Zuweisungen betreffen wird, berufe ich für 16.40 Uhr ein; das ist gleich im Anschluss an diese Sitzung.

Diese Sitzung ist geschlossen.

16.39.50Schluss der Sitzung: 16.39 Uhr

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Parlamentsdirektion

1017 Wien