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Plenarsitzung
des Nationalrates


Stenographisches Protokoll

 

168. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

Donnerstag, 7. Juli 2022

 

XXVII. Gesetzgebungsperiode

 

 

 

Großer Redoutensaal

 


Stenographisches Protokoll

168. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXVII. Gesetzgebungsperiode                    Donnerstag, 7. Juli 2022

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 7. Juli 2022: 9.05 – 22.25 Uhr

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Tagesordnung

1. Punkt: Bericht über den Antrag 2653/A der Abgeordneten August Wöginger, Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ge­sundheits- und Krankenpflegegesetz geändert wird (GuKG-Novelle 2022)

2. Punkt: Bericht über den Antrag 2654/A der Abgeordneten August Wöginger, Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bun­desgesetz über einen Zweckzuschuss an die Länder für die Jahre 2022 bis 2025 zur Attraktivierung der Ausbildung von Pflegeberufen (Pflegeausbildungs-Zweckzuschuss­gesetz – PAusbZG) erlassen wird

3. Punkt: Bericht über den Antrag 2655/A der Abgeordneten August Wöginger, Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bun­despflegegeldgesetz geändert wird

4. Punkt: Bericht über den Antrag 2656/A der Abgeordneten August Wöginger, Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bun­desgesetz über einen Zweckzuschuss an die Länder für die Jahre 2022 und 2023 für die Erhöhung des Entgelts in der Pflege (Entgelterhöhungs-Zweckzuschussgesetz – EEZG) erlassen wird

5. Punkt: Bericht über den Antrag 2349/A(E) der Abgeordneten Philip Kucher, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend Pflegeoffensive sofort in Angriff nehmen

6. Punkt: Bericht über den Antrag 2339/A(E) der Abgeordneten Rosa Ecker, MBA, Kol­le­ginnen und Kollegen betreffend Förderung der Übergangspflege

7. Punkt: Bericht über den Antrag 2478/A(E) der Abgeordneten Fiona Fiedler, BEd, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kostenanalyse Pflege

8. Punkt: Bericht über den Antrag 2636/A der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolle­gin­nen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialver­siche­rungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversiche­rungsgesetz, das Kriegsopferversorgungsgesetz 1957, das Opferfürsorgegesetz, das Impfschadengesetz, das Verbrechensopfergesetz, das Heimopferrentengesetz, das Pensionsgesetz 1965, das Bundestheaterpensionsgesetz und das Bundesbahn-Pen­sionsgesetz geändert werden


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 2

9. Punkt: Bericht über den Antrag 2506/A(E) der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend vorgezogene Anpassung des Pflegegeldes

10. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Föderativen Republik Brasilien über soziale Sicherheit

11. Punkt: Antrag der Abgeordneten Dipl.-Ing. Georg Strasser, Mag. Faika El-Nagashi, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Schutz der Tiere (Tierschutzgesetz-TSchG) und das Bundesgesetz über den Trans­port von Tieren und damit zusammenhängenden Vorgängen (Tiertransport­gesetz 2007 – TTG 2007) geändert werden

12. Punkt: Antrag der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 und das COVID-19-Maßnahmengesetz geändert werden

13. Punkt: Antrag der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolle­gin­nen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gesundheits­telematik­ge­setz 2012 geändert wird

14. Punkt: Antrag der Abgeordneten August Wöginger, Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das COVID-19-Impfpflichtgesetz, die COVID-19-Impfpflichtverordnung und die Verordnung betreffend die vorüber­ge­hende Nichtanwendung des COVID-19-Impfpflichtgesetzes und der COVID-19-Impf­pflichtverordnung aufgehoben werden und das Epidemiegesetz 1950 geändert wird

15. Punkt: Bericht über den Antrag 2487/A der Abgeordneten Andreas Ottenschläger, Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Finanzierung politischer Parteien (Parteiengesetz 2012 – PartG), das Mediengesetz und das Verfassungsgerichtshofgesetz 1953 (VfGG) geändert wer­den, sowie über den

Antrag 34/A und Zu 34/A der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kollegin­nen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Finanzierung politischer Parteien (Parteiengesetz 2012 – PartG) geändert wird, über den

Antrag 35/A und Zu 35/A der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Finanzierung politischer Parteien (Parteiengesetz 2012 – PartG) geändert wird, und über den

Antrag 454/A der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Finan­zie­rung politischer Parteien (Parteiengesetz 2012 – PartG) geändert wird

16. Punkt: Bericht und Antrag über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Klubfinanzierungsgesetz 1985 und das Publizistikförderungsgesetz 1984 geändert werden

17. Punkt: Bericht über den Antrag 28/A und Zu 28/A der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Finanzierung politischer Parteien (Parteiengesetz 2012 – PartG) geändert wird

18. Punkt: Bericht über den Antrag 31/A und Zu 31/A der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Finanzierung politischer Parteien (Parteiengesetz 2012 – PartG) geändert wird


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 3

19. Punkt: Bericht über den Antrag 181/A der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bun­desgesetz über die Finanzierung politischer Parteien (Parteiengesetz 2012 – PartG) geändert wird

20. Punkt: Zweite Lesung: Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 2509/A der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz und das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975) geändert wer­den

21. Punkt: Bericht über den Antrag 1374/A der Abgeordneten Dr. Susanne Fürst, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz zum Verbot von Parteispenden

22. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzrahmengesetz 2022 bis 2025 und das Bundesfinanzgesetz 2022 geändert werden (2. Budget-Novelle 2022) (Wieder­aufnahme der am 6. Juli 2022 vertagten Verhandlungen)

23. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Errichtung des COVID-19-Krisenbewältigungsfonds (COVID-19-FondsG) geändert wird (Wiederaufnahme der am 6. Juli 2022 vertagten Verhandlungen)

24. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Körper­schaftsteuergesetz 1988, das Umgründungssteuergesetz, das Stiftungseingangs­steuer­gesetz, das Umsatzsteuergesetz 1994, das Gebührengesetz 1957, das Allgemeine So­zialversicherungsgesetz, das Kraftfahrzeugsteuergesetz 1992, das Versicherungs­steu­ergesetz 1953, das Normverbrauchsabgabegesetz, die Gewerbeordnung 1994, das Elektrizitätsabgabegesetz, das Mineralölsteuergesetz 2022, die Bundesabgabenord­nung, die Abgabenexekutionsordnung, das Bundesfinanzgerichtsgesetz, das Bundesgesetz über die Schaffung eines Amtes für Betrugsbekämpfung, das Bundesgesetz über die Prüfung lohnabhängiger Abgaben und Beiträge, das Finanzstrafgesetz, das Konten­register- und Konteneinschaugesetz, das Zollrechts-Durchführungsgesetz, das EU-Besteuerungsstreitbeilegungsgesetz, das EU-Meldepflicht-Gesetz und das EU-Amts­hilfegesetz geändert werden sowie das Bundesgesetz über den verpflichtenden auto­matischen Informationsaustausch betreffend meldende Plattformbetreiber im Bereich der Besteuerung erlassen wird (Abgabenänderungsgesetz 2022 – AbgÄG 2022)

25. Punkt: Bericht über den Antrag 2669/A der Abgeordneten Andreas Ottenschläger, Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Gewerbliche Sozialversiche­rungs­ge­setz und das Bauern-Sozialversicherungsgesetz geändert werden

26. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Wertpapieraufsichtsgesetz 2018 geändert wird

27. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Investmentfondsgesetz 2011, das Alternative Investmentfonds Manager-Gesetz und das Immobilien-Investmentfondsgesetz geändert werden

28. Punkt: Bundesgesetz über österreichische Beiträge an internationale Finanz­institu­tionen (IFI-Beitragsgesetz 2022)

29. Punkt: Bericht über den Antrag 2647/A der Abgeordneten August Wöginger, David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ka­tastrophenfondsgesetz 1996 und das Finanzausgleichsgesetz 2017 geändert werden


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 4

30. Punkt: Bundesgesetz zur Gewährung eines Zweckzuschusses an die Länder zur Unterstützung von Investitionen

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Inhalt

Personalien

Verhinderungen .............................................................................................................. 21

Ordnungsrufe ......................................................................................................  128, 244

Geschäftsbehandlung

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 5 GOG      ............................................................................................................................... 49

Antrag der Abgeordneten Dietmar Keck, Kolleginnen und Kollegen, den An­trag 2586/A der Abgeordneten Dipl.-Ing. Georg Strasser, Mag. Faika El-Nagashi, Kolleginnen und Kollegen betreffend „ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes­gesetz über den Schutz der Tiere (Tierschutzgesetz-TSchG) und das Bundes­gesetz über den Transport von Tieren und damit zusammenhängenden Vor­gän­gen (Tiertransportgesetz 2007 – TTG 2007) geändert werden“, gemäß § 53 Abs. 6 Z 2 GOG an den Gesundheitsausschuss rückzuverweisen – Ablehnung .....................................  224, 224

Fragestunde (15.)

Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz ......................................... 21

Kira Grünberg (188/M); Rosa Ecker, MBA, Mag. Verena Nussbaum

Josef Muchitsch (196/M); Bettina Zopf

Mag. Gerhard Kaniak (184/M); Gabriele Heinisch-Hosek, Dr. Werner Saxinger, MSc

Bedrana Ribo, MA (194/M)

Mag. Gerald Loacker (192/M)

Mag. Ernst Gödl (189/M); Petra Wimmer

Philip Kucher (197/M); Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner

Dr. Dagmar Belakowitsch (185/M)

Mag. Markus Koza (195); Fiona Fiedler, BEd

Fiona Fiedler, BEd (193/M)

Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler (190/M); Mag. Yannick Shetty

Dietmar Keck (198/M); Dipl.-Ing. Georg Strasser, Dipl.-Ing. Olga Voglauer

Dr. Josef Smolle (191/M)

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 21


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 5

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................. 46

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend „ÖVP-Asyl-Propaganda statt Maß­nah­men gegen Zuwanderungswahnsinn und Migrationskostenexplosion“ (11691/J) ......................................................................... 171

Begründung: Mag. Hannes Amesbauer, BA ............................................................. 176

Bundesminister Mag. Gerhard Karner ..................................................................... 181

Debatte:

Dr. Susanne Fürst ................................................................................................... ... 190

Dr. Christian Stocker .............................................................................................. ... 193

Ing. Reinhold Einwallner ........................................................................................ ... 194

Mag. Georg Bürstmayr ........................................................................................... ... 196

Dr. Stephanie Krisper ............................................................................................. ... 196

Dr. Dagmar Belakowitsch ...................................................................................... ... 198

Mag. Ernst Gödl ...................................................................................................... ... 200

Petra Bayr, MA MLS ................................................................................................... 201

Mag. Faika El-Nagashi ............................................................................................... 203

Mag. Gerald Loacker .................................................................................................. 204

Christian Ries ............................................................................................................. 205

Mag. Johanna Jachs .................................................................................................. 207

Nurten Yılmaz ............................................................................................................. 208

Mag. Julia Seidl ....................................................................................................... ... 209

Mag. Philipp Schrangl ............................................................................................ ... 211

Nico Marchetti ............................................................................................................. 213

Dr. Harald Troch ......................................................................................................... 214

Mag. Yannick Shetty .................................................................................................. 215

Christian Lausch ........................................................................................................ 217

Fiona Fiedler, BEd .................................................................................................. ... 218

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend „Asylstopp – Jetzt!“ – Ablehnung ......................................................  212, 219

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 2653/A der Abgeordneten August Wöginger, Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz geändert wird (GuKG-Novelle 2022) (1616 d.B.)    ............................................................................................................................... 49

2. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 2654/A der Abgeordneten August Wöginger, Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über einen Zweck­zu­schuss an die Länder für die Jahre 2022 bis 2025 zur Attraktivierung der Aus­bildung von Pflegeberufen (Pflegeausbildungs-Zweckzuschussgesetz – PAusbZG) erlassen wird (1617 d.B.) ............................................................................................... 49

3. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 2655/A der Abgeordneten August Wöginger, Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundespflegegeldgesetz geändert wird (1618 d.B.) ............................................... 50


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 6

4. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 2656/A der Abgeordneten August Wöginger, Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über einen Zweck­zuschuss an die Länder für die Jahre 2022 und 2023 für die Erhöhung des Entgelts in der Pflege (Entgelterhöhungs-Zweckzuschussgesetz – EEZG) erlassen wird (1619 d.B.) ...................................................................................................................... 50

5. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den An­trag 2349/A(E) der Abgeordneten Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen betref­fend Pflegeoffensive sofort in Angriff nehmen (1620 d.B.) ........................................................................................................ 50

6. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den An­trag 2339/A(E) der Abgeordneten Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Förderung der Übergangspflege (1621 d.B.) ...................................................................................................................... 50

7. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den An­trag 2478/A(E) der Abgeordneten Fiona Fiedler, BEd, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kostenanalyse Pflege (1622 d.B.) ...................................................................................................................... 50

RednerInnen:

Josef Muchitsch ...................................................................................................... ..... 50

Sigrid Maurer, BA ................................................................................................... ..... 52

Alois Stöger, diplômé (tatsächliche Berichtigung) ...................................................... 54

Mag. Gerhard Kaniak .............................................................................................. ..... 54

August Wöginger .................................................................................................... ..... 57

Josef Muchitsch (tatsächliche Berichtigungen) ....................................................  65, 79

Fiona Fiedler, BEd .................................................................................................. ..... 65

Bundesminister Johannes Rauch ........................................................................ ..... 66

Bedrana Ribo, MA ................................................................................................... ..... 68

Gabriele Heinisch-Hosek (tatsächliche Berichtigung) ................................................. 74

Philip Kucher ........................................................................................................... ..... 74

Mag. Ernst Gödl ...................................................................................................... ..... 76

Rosa Ecker, MBA .................................................................................................... ..... 78

Mag. Markus Koza .................................................................................................. ..... 80

Mag. Verena Nussbaum ......................................................................................... ..... 81

Bettina Zopf ................................................................................................................... 82

Mag. Christian Ragger ................................................................................................. 83

Mag. Michael Hammer ................................................................................................. 90

Mag. Christian Drobits ................................................................................................. 92

Entschließungsantrag der Abgeordneten August Wöginger, Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Angehörigenbonus“ – Annahme (260/E) ................................  63, 102

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Echte Pflegereform statt türkis-grüner Überschriften­schmäh“ – Ablehnung  85, 102

Annahme der vier Gesetzentwürfe in 1616, 1617, 1618 und 1619 d.B. ..................... 102

Kenntnisnahme der drei Ausschussberichte 1620, 1621 und 1622 d.B. .................... 103

Gemeinsame Beratung über

8. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den An­trag 2636/A der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerb­liche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Kriegs­opferversorgungsgesetz 1957, das Opferfürsorgegesetz, das Impfschadengesetz,


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 7

das Verbrechensopfergesetz, das Heimopferrentengesetz, das Pen­sionsge­setz 1965, das Bundestheaterpensionsgesetz und das Bundesbahn-Pensionsgesetz geän­dert werden (1623 d.B.) ......................................................................................................................................... 93

9. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den An­trag 2506/A(E) der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend vor­gezogene Anpassung des Pflegegeldes (1624 d.B.) ...................................................................................................................... 93

RednerInnen:

Josef Muchitsch ...................................................................................................... ..... 93

Mag. Markus Koza .................................................................................................. ..... 95

Dr. Dagmar Belakowitsch ...................................................................................... ..... 96

Mag. Ernst Gödl ...................................................................................................... ..... 97

Alois Stöger, diplômé ............................................................................................. ..... 98

Ing. Martin Litschauer (tatsächliche Berichtigung) ...................................................... 99

Mag. Gerald Loacker .................................................................................................. 100

Kenntnisnahme der beiden Ausschussberichte 1623 und 1624 d.B. ......................... 103

10. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regie­rungsvorlage (1523 d.B.): Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Föderativen Republik Brasilien über soziale Sicherheit (1625 d.B.) .................................................................................................. 101

Rednerin:

Kira Grünberg ............................................................................................................. 101

Genehmigung des Staatsvertrages in 1625 d.B. ......................................................... 103

11. Punkt: Antrag der Abgeordneten Dipl.-Ing. Georg Strasser, Mag. Faika El-Nagashi, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Schutz der Tiere (Tierschutzgesetz-TSchG) und das Bundesgesetz über den Transport von Tieren und damit zusammenhängenden Vorgängen (Tiertransportgesetz 2007 – TTG 2007) geändert werden (2586/A) ............................................................................................................................. 104

RednerInnen:

Cornelia Ecker ............................................................................................................ 104

Dipl.-Ing. Olga Voglauer ............................................................................................ 105

Peter Schmiedlechner ............................................................................................ ... 127

Dipl.-Ing. Georg Strasser ....................................................................................... ... 129

MMag. Katharina Werner, Bakk. ............................................................................ ... 130

Bundesminister Johannes Rauch ........................................................................ ... 134

Mag. Faika El-Nagashi ............................................................................................ ... 135

Dietmar Keck ........................................................................................................... ... 136

Ing. Josef Hechenberger ........................................................................................ ... 139

Mag. Hannes Amesbauer, BA ............................................................................... ... 141

Clemens Stammler ................................................................................................. ... 142

Ing. Klaus Lindinger, BSc ...................................................................................... ... 143

Gabriel Obernosterer .............................................................................................. ... 145

Peter Weidinger ...................................................................................................... ... 146

Pia Philippa Strache ............................................................................................... ... 147

Entschließungsantrag der Abgeordneten MMag. Katharina Werner, Bakk., Kolleginnen und Kollegen betreffend „Hitzefrei für Fiakerpferde“ – Ablehnung                                                        132, 225

Annahme des im Antrag 2586/A enthaltenen Gesetzentwurfes ................................. 224

Gemeinsame Beratung über


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 8

12. Punkt: Antrag der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kol­leginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epidemie­ge­setz 1950 und das COVID-19-Maßnahmengesetz geändert werden (2652/A) ........................................................................................... 149

13. Punkt: Antrag der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kol­leginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gesundheits­telematikgesetz 2012 geändert wird (2659/A)   ............................................................................................................................. 149

14. Punkt: Antrag der Abgeordneten August Wöginger, Sigrid Maurer, BA, Kol­leginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das COVID-19-Impf­pflichtgesetz, die COVID-19-Impfpflichtverordnung und die Verordnung betreffend die vorübergehende Nichtanwendung des COVID-19-Impfpflichtgesetzes und der COVID-19-Impfpflichtverordnung aufgehoben werden und das Epidemiegesetz 1950 geändert wird (2676/A) ............................................................ 149

RednerInnen:

Philip Kucher ........................................................................................................... ... 149

Ralph Schallmeiner ................................................................................................ ... 151

Mag. Gerhard Kaniak .............................................................................................. ... 155

Dr. Josef Smolle ...................................................................................................... ... 157

Gabriele Heinisch-Hosek ....................................................................................... ... 159

Fiona Fiedler, BEd .................................................................................................. ... 159

Bundesminister Johannes Rauch ........................................................................ ... 160

Mag. Gerald Hauser ................................................................................................ ... 162

Dr. Werner Saxinger, MSc ...................................................................................... ... 164

Mag. Verena Nussbaum ......................................................................................... ... 170

Dr. Susanne Fürst ................................................................................................... ... 219

Dr. Dagmar Belakowitsch ...................................................................................... ... 220

Peter Wurm .............................................................................................................. ... 222

Annahme des im Antrag 2652/A enthaltenen Gesetzentwurfes ................................ 225

Annahme des im Antrag 2659/A enthaltenen Gesetzentwurfes ................................ 225

Annahme des im Antrag 2676/A enthaltenen Gesetzentwurfes ................................ 226

Gemeinsame Beratung über

15. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 2487/A der Ab­geordneten Andreas Ottenschläger, Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Finanzierung politischer Parteien (Parteiengesetz 2012 – PartG), das Mediengesetz und das Verfassungsgerichtshofgesetz 1953 (VfGG) geändert werden, sowie über den

Antrag 34/A und Zu 34/A der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes­gesetz über die Finanzierung politischer Parteien (Parteiengesetz 2012 – PartG) geändert wird, über den

Antrag 35/A und Zu 35/A der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bun­des­gesetz über die Finanzierung politischer Parteien (Parteiengesetz 2012 – PartG) geändert wird, und über den

Antrag 454/A der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Finanzierung politischer Parteien (Parteiengesetz 2012 – PartG) geändert wird (1637 d.B.) .......................................... 226


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 9

16. Punkt: Bericht und Antrag des Verfassungsausschusses über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Klubfinanzierungsgesetz 1985 und das Publizistikförderungsgesetz 1984 geändert werden (1638 d.B.) .................................................................................................................... 226

17. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 28/A und Zu 28/A der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Finanzierung politischer Parteien (Parteiengesetz 2012 – PartG) geändert wird (1639 d.B.) .................................................................................................................... 226

18. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 31/A und Zu 31/A der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Finanzierung politischer Parteien (Parteiengesetz 2012 – PartG) geändert wird (1640 d.B.) .................................................................................................................... 227

19. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 181/A der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Finanzierung politischer Parteien (Parteiengesetz 2012 – PartG) geändert wird (1641 d.B.) .................................................................................................................... 227

20. Punkt: Zweite Lesung: Bericht des Verfassungsausschusses über den An­trag 2509/A der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz und das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsord­nungs­gesetz 1975) geändert werden (1642 d.B.) ................................ 227

21. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 1374/A der Abgeordneten Dr. Susanne Fürst, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz zum Verbot von Parteispenden (1643 d.B.) ........................................................................................... 227

RednerInnen:

Mag. Christian Ragger ............................................................................................ ... 227

Andreas Ottenschläger .......................................................................................... ... 228

Dr. Nikolaus Scherak, MA ...................................................................................... ... 231

Mag. Jörg Leichtfried ............................................................................................. ... 235

Dr. Susanne Fürst ................................................................................................... ... 238

Sigrid Maurer, BA ....................................................................................................... 242

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff .............................................................................. 246

Mag. Friedrich Ofenauer ........................................................................................ ... 248

Mag. Selma Yildirim ................................................................................................ ... 252

David Stögmüller .................................................................................................... ... 255

Andreas Minnich ..................................................................................................... ... 258

Mag. Karin Greiner .................................................................................................. ... 259

Mag. Agnes Sirkka Prammer ................................................................................. ... 261

Entschließungsantrag der Abgeordneten Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Nein zur Legalisierung verdeckter Parteienfinanzierung“ – Ablehnung ............  240, 266

Entschließungsantrag der Abgeordneten Andreas Ottenschläger, Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Evaluierung des Vollzugs betreffend den Begriff ‚nahestehende Organisationen‘“ – Annahme (261/E) .................................................................  250, 266

Entschließungsantrag der Abgeordneten Andreas Ottenschläger, Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Transparenz von Statuten von Vereinen in Österreich“ – Annahme (262/E) ................................................................................................  257, 266


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 10

Annahme der beiden Gesetzentwürfe in 1637 und 1638 d.B. .................................... 264

Kenntnisnahme der vier Ausschussberichte 1639,1640, 1641 und 1643 d.B. ........... 267

Annahme des Gesetzentwurfes in 1642 d.B. in zweiter Lesung ................................. 267

Gemeinsame Beratung über

22. Punkt: Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (1572 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzrahmengesetz 2022 bis 2025 und das Bundesfinanzgesetz 2022 geändert werden (2. Budget-Novelle 2022) (1592 d.B.) (Wiederaufnahme der am 6. Juli 2022 vertagten Verhandlungen) ............................................................................................................ 268

23. Punkt: Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (1570 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Errichtung des COVID-19-Krisenbewältigungsfonds (COVID-19-FondsG) geändert wird (1593 d.B.) (Wieder­aufnahme der am 6. Juli 2022 vertagten Verhandlungen)    ............................................................................................................................. 268

RednerInnen:

Kai Jan Krainer ....................................................................................................... ... 268

Gabriel Obernosterer .............................................................................................. ... 270

MMag. DDr. Hubert Fuchs ...................................................................................... ... 271

Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA ................................................................................. ... 272

Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer ................................................................................. ... 273

Bundesminister Dr. Magnus Brunner, LL.M. ....................................................... ... 275

Angela Baumgartner .............................................................................................. ... 276

Mag. Karin Greiner .................................................................................................. ... 279

Maximilian Lercher ................................................................................................. ... 280

Annahme der beiden Gesetzentwürfe in 1592 und 1593 d.B. .................................... 281

Gemeinsame Beratung über

24. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (1534 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Körperschaft­steuergesetz 1988, das Umgründungssteuergesetz, das Stiftungseingangssteuer­gesetz, das Umsatzsteuergesetz 1994, das Gebührengesetz 1957, das Allge­meine Sozialversicherungsgesetz, das Kraftfahrzeugsteuergesetz 1992, das Versiche­rungssteuergesetz 1953, das Normverbrauchsabgabegesetz, die Gewerbeord­nung 1994, das Elektrizitätsabgabegesetz, das Mineralölsteuergesetz 2022, die Bundesabgabenordnung, die Abgabenexekutionsordnung, das Bundesfinanz­ge­richtsgesetz, das Bundesgesetz über die Schaffung eines Amtes für Betrugs­bekämpfung, das Bundesgesetz über die Prüfung lohnabhängiger Abgaben und Beiträge, das Finanzstrafgesetz, das Kontenregister- und Konteneinschaugesetz, das Zollrechts-Durchführungsgesetz, das EU-Besteuerungsstreitbeilegungs­ge­setz, das EU-Meldepflicht-Gesetz und das EU-Amtshilfegesetz geändert werden sowie das Bundesgesetz über den verpflichtenden automatischen Informations­austausch betreffend meldende Plattformbetreiber im Bereich der Besteuerung erlassen wird (Abgabenänderungsgesetz 2022 – AbgÄG 2022) (1585 d.B.)             ............................................................................................................................. 281

25. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 2669/A der Abge­ordneten Andreas Ottenschläger, Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuer­ge­setz 1988, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz und das Bauern-Sozialversiche­rungs­gesetz geändert werden (1591 d.B.) ........................................... 282

RednerInnen:

Dr. Christoph Matznetter ........................................................................................ ... 282

Karlheinz Kopf ......................................................................................................... ... 283


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 11

Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer ................................................................................. ... 291

Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA ................................................................................. ... 293

Staatssekretär Florian Tursky, MBA MSc ............................................................ ... 293

Alois Stöger, diplômé ............................................................................................. ... 295

Dr. Elisabeth Götze ................................................................................................. ... 295

Annahme der beiden Gesetzentwürfe in 1585 und 1591 d.B. .................................... 326

Gemeinsame Beratung über

26. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (1492 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Wertpapieraufsichtsgesetz 2018 geändert wird (1586 d.B.) ................... 296

27. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (1569 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Investmentfondsgesetz 2011, das Alternative Invest­mentfonds Manager-Gesetz und das Immobilien-Investmentfondsgesetz geändert werden (1587 d.B.) .............................. 296

RednerInnen:

Dr. Christoph Matznetter ........................................................................................ ... 297

Ing. Klaus Lindinger, BSc ...................................................................................... ... 297

Dr. Elisabeth Götze ................................................................................................. ... 297

Annahme der beiden Gesetzentwürfe in 1586 und 1587 d.B. .................................... 327

28. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (1511 d.B.): Bundesgesetz über österreichische Beiträge an internationale Finanzinstitutionen (IFI-Beitragsgesetz 2022) (1588 d.B.)     ............................................................................................................................. 298

RednerInnen:

Mag. Martin Engelberg ........................................................................................... ... 298

Petra Bayr, MA MLS ................................................................................................... 299

Michel Reimon, MBA .............................................................................................. ... 300

Henrike Brandstötter .............................................................................................. ... 301

Mag. Selma Yildirim ................................................................................................ ... 302

Annahme des Gesetzentwurfes in 1588 d.B. .............................................................. 327

Gemeinsame Beratung über

29. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 2647/A der Abge­ord­neten August Wöginger, David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Katastrophenfondsgesetz 1996 und das Finanz­ausgleichsgesetz 2017 geändert werden (1590 d.B.)    ............................................................................................................................. 303

30. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (1532 d.B.): Bundesgesetz zur Gewährung eines Zweckzuschusses an die Länder zur Unter­stützung von Investitionen (1589 d.B.)     ............................................................................................................................. 303

RednerInnen:

August Wöginger .................................................................................................... ... 303

Maximilian Lercher ................................................................................................. ... 306

Erwin Angerer ......................................................................................................... ... 307

David Stögmüller .................................................................................................... ... 312

Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer ................................................................................. ... 313

Staatssekretär Florian Tursky, MBA MSc ............................................................ ... 314

Ing. Manfred Hofinger ............................................................................................. ... 315

Andreas Kollross .................................................................................................... ... 316


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 12

Alois Kainz ............................................................................................................... ... 318

Dr. Elisabeth Götze ................................................................................................. ... 319

Franz Leonhard Eßl ................................................................................................ ... 320

Erwin Angerer (tatsächliche Berichtigung) ................................................................. 321

Klaus Köchl ................................................................................................................. 321

Maximilian Lercher (tatsächliche Berichtigung) ......................................................... 322

Angela Baumgartner .............................................................................................. ... 322

Wolfgang Zanger .................................................................................................... ... 323

Peter Weidinger ...................................................................................................... ... 324

Maximilian Köllner, MA .......................................................................................... ... 325

Entschließungsantrag der Abgeordneten Erwin Angerer, Mag. Dr. Petra Oberrauner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Soforthilfe für Kärnten – Unwetterkatastrophe im Gegendtal“ – Ablehnung ...........................................................................................................  310, 328

Entschließungsantrag der Abgeordneten Erwin Angerer, Mag. Dr. Petra Oberrauner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „vollständige Abgeltung finanzieller Schäden für Betroffene von Unwetterkatastrophen“ – Ablehnung ....................................................................  311, 328

Entschließungsantrag der Abgeordneten Andreas Kollross, Kolleginnen und Kollegen betreffend „dringend finanzielle Maßnahmen für gemeinwohlorientierte Organisationen“ – Ablehnung           317, 328

Annahme der beiden Gesetzentwürfe in 1590 und 1589 d.B. .................................... 328

Eingebracht wurden

Regierungsvorlage ....................................................................................................... 47

1657: Bundesgesetz, mit dem das Zahnärztegesetz und das Zahnärzte­kammer­gesetz geändert werden

Bericht ........................................................................................................................... 49

III-694: Bericht nach § 3 Abs. 5 des Bundesgesetzes über die Errichtung des COVID-19-Krisenbewältigungsfonds für Juni 2022; BM f. Justiz

Anträge der Abgeordneten

Mag. Selma Yildirim, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Verwaltungsstrafgesetzes 1991 geändert wird (2710/A)

Mag. Selma Yildirim, Kolleginnen und Kollegen betreffend volle Funktionsfähigkeit für die Republik bedeutsamer ausgegliederter staatlicher Einrichtungen (wie z.B. die AGES, die Statistik Austria oder die Bundesmuseen) erhalten (2711/A)(E)

Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Gütesiegel für Kinder- und Jugendbetreuung (2712/A)(E)

Peter Weidinger, Bedrana Ribo, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend der „Rechts­sicherheit bei der Kreditvergabe an ältere Menschen“ (2713/A)(E)

Fiona Fiedler, BEd, Dr. Josef Smolle, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Musiktherapie in Krankenhäusern und Gesundheitseinrichtungen (2714/A)(E)

Anfragen der Abgeordneten


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 13

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Kriminalität in der Steiermark – erstes Halbjahr 2022 (11573/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Kriminalität in Kärnten – erstes Halbjahr 2022 (11574/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Kriminalität in Tirol – erstes Halbjahr 2022 (11575/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Kriminalität in Salzburg – erstes Halbjahr 2022 (11576/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Kriminalität in Vorarlberg – erstes Halbjahr 2022 (11577/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Kriminalität in Oberösterreich – erstes Halbjahr 2022 (11578/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Kriminalität in Niederösterreich – erstes Halbjahr 2022 (11579/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Kriminalität in Wien – erstes Halbjahr 2022 (11580/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Kriminalität in Österreich – erstes Halbjahr 2022 (11581/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Kriminalität im Burgenland – erstes Halbjahr 2022 (11582/J)

Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien betreffend Familie und Beruf Management GmbH (11583/J)

Mario Lindner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesund­heit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Ärzt*innen-Mangel im ländlichen Raum (11584/J)

Mario Lindner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Verbot von Behandlungen bei Minderjährigen, sowie Volljährigen, die auf eine Verän­derung der sexuellen Orientierung abzielen und deren Einwilligung auf Willensmangel beruht (Konversionstherapien) – Folgeanfrage (11585/J)

Mario Lindner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Verbot von Behandlungen bei Minderjährigen, sowie Volljährigen, die auf eine Veränderung der sexuellen Orientierung abzielen und deren Einwilligung auf Willensmangel beruht (Konversionstherapien) – Folgeanfrage (11586/J)

Nurten Yılmaz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Noch immer fehlende Beschwerdestelle bei Misshandlungsvorwürfen gegen Polizei­be­amt*innen (11587/J)

Mag. Dr. Petra Oberrauner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Digi­talisierung und Wirtschaftsstandort betreffend Lobbying für ein Investorengericht in der EU (11588/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 14

Mag. Philipp Schrangl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Polizeieinsätze in öffentlichen Bädern Wiens ab 2016 (11589/J)

Mag. Philipp Schrangl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Polizeieinsätze in öffentlichen Bädern Tirols ab 2016 (11590/J)

Mag. Philipp Schrangl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Polizeieinsätze in öffentlichen Bädern Kärntens ab 2016 (11591/J)

Mag. Philipp Schrangl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Polizeieinsätze in öffentlichen Bädern Salzburgs ab 2016 (11592/J)

Mag. Philipp Schrangl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Polizeieinsätze in öffentlichen Bädern Vorarlbergs ab 2016 (11593/J)

Mag. Philipp Schrangl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Polizeieinsätze in öffentlichen Bädern Niederösterreichs ab 2016 (11594/J)

Mag. Philipp Schrangl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Polizeieinsätze in öffentlichen Bädern Burgenlands ab 2016 (11595/J)

Mag. Philipp Schrangl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Polizeieinsätze in öffentlichen Bädern Steiermarks ab 2016 (11596/J)

Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klima­schutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Pachtflächen der Österreichischen Bundesforste AG (11597/J)

Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land­wirtschaft, Regionen und Tourismus betreffend Pachtflächen der Österreichischen Bun­desforste AG (11598/J)

Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land­wirtschaft, Regionen und Tourismus betreffend Erfüllung der Empfehlung betreffend den Schutz von Weidetieren aus dem Grünen Bericht (11599/J)

Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klima­schutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Landwirt­­schaft sichert die Artenvielfalt (11600/J)

Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Landwirtschaft sichert die Arten­vielfalt (11601/J)

Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land­wirtschaft, Regionen und Tourismus betreffend Landwirtschaft sichert die Artenvielfalt (11602/J)

Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klima­schutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Pestizide in der Luft (11603/J)

Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen be­treffend OMV-Unfall in der Raffinerie Schwechat (11604/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landesverteidigung betreffend Folgeanfrage Gefahrene Kilometer seit Einführung von Cook & Chill und weitere Strategie (11605/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Belastung des Gesundheitssystems durch Cannabiskonsum (11606/J)

Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Folgeanfrage zu der Anfrage 9512/J: off-label-Corona-Impfungen für Schwangere (11607/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 15

Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Affenpocken (11608/J)

Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend „Sind die Corona-Impfdosen verunreinigt?“ (11609/J)

Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landwirt­schaft, Regionen und Tourismus betreffend Biber, Bär, Wolf und Fischotter – Einstufung in der FFH-Richtlinie (11610/J)

Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Biber, Bär, Wolf und Fischotter – Einstufung in der FFH-Richtlinie (11611/J)

Hermann Brückl, MA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landes­verteidigung betreffend Divers – inter – offen – k.A.: Vehikel zur Umgehung der Wehr­pflicht? (11612/J)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesund­heit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend aktueller Stand der Fremdwährungs­kredite aus konsumentenschutzrechtlicher Sicht (11613/J)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend aktueller Stand der Fremdwährungskredite aus konsumentenschutzrechtlicher Sicht (11614/J)

Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien betreffend Diskriminierung von LGBTIQ-Personen (11615/J)

Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend gefährliche Ideologie im Klimaratsbericht: „Klimaschutz darf keine individuelle Entscheidung sein“ (11616/J)

Hermann Brückl, MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Nicht genügend und Sitzenbleiben (11617/J)

Hermann Brückl, MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Corona-Impf-Stalking durch den oö. Bildungs­direktor? (11618/J)

Hermann Brückl, MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend gerichtliches Nachspiel wegen nicht ausgelie­ferter Notebooks (11619/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst, Kultur, öffent­lichen Dienst und Sport betreffend Erhöhung des amtlichen Kilometergeldes (11620/J)

Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land­wirtschaft, Regionen und Tourismus betreffend der Position zu Produkten aus Ent­waldung und Waldschädigung (11621/J)

Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend die Personalsituation am Landesgericht Linz (11622/J)

Mario Lindner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Ge­sundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Sicherstellung der notärztlichen Versorgung in allen Regionen Österreichs (11623/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 16

Mario Lindner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Fehlende Daten über Hate Crime in Österreich (11624/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Kosten für Dolmetsch- und Übersetzungsleistungen im BKA für das 2. Quartal 2022 (11625/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend Kosten für Dolmetsch- und Übersetzungs­leistungen im BMEIA für das 2. Quartal 2022 (11626/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für EU und Verfassung betreffend Kosten für Dolmetsch- und Übersetzungsleistungen im BMEUV für das 2. Quartal 2022 (11627/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien betreffend Kosten für Dolmetsch- und Übersetzungsleistungen im BMFFIM für das 2. Quartal 2022 (11628/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Kosten für Dolmetsch- und Übersetzungsleistungen im BMI für das 2. Quartal 2022 (11629/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort betreffend Kosten für Dolmetsch- und Übersetzungsleistungen im BMDW für das 2. Quartal 2022 (11630/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit betreffend Kosten für Dolmetsch- und Übersetzungsleistungen im BMA für das 2. Quartal 2022 (11631/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissen­schaft und Forschung betreffend Kosten für Dolmetsch- und Übersetzungsleistungen im BMBWF für das 2. Quartal 2022 (11632/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Kosten für Dolmetsch- und Übersetzungsleistungen im BMF für das 2. Quartal 2022 (11633/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst, Kultur, öffent­lichen Dienst und Sport betreffend Kosten für Dolmetsch- und Übersetzungsleistungen im BMKÖS für das 2. Quartal 2022 (11634/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landesverteidigung betreffend Kosten für Dolmetsch- und Übersetzungsleistungen im BMLV für das 2. Quartal 2022 (11635/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Um­welt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Kosten für Dolmetsch- und Übersetzungsleistungen im BMKUEMIT für das 2. Quartal 2022 (11636/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Kosten für Dolmetsch- und Übersetzungsleistungen im BMJ für das 2. Quartal 2022 (11637/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Kosten für Dolmetsch- und Übersetzungs­leistungen im BMSGPK für das 2. Quartal 2022 (11638/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 17

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus betreffend Kosten für Dolmetsch- und Übersetzungsleistungen im BMLRT für das 2. Quartal 2022 (11639/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landesverteidigung betreffend Beschäftigung von Menschen mit Behinderung im BMLV im 2. Quartal 2022 (11640/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst, Kultur, öffent­lichen Dienst und Sport betreffend Beschäftigung von Menschen mit Behinderung im BMKÖS im 2. Quartal 2022 (11641/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Beschäftigung von Menschen mit Behin­derung im BMSGPK im 2. Quartal 2022 (11642/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus betreffend Beschäftigung von Menschen mit Behinderung im BMLRT im 2. Quartal 2022 (11643/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Beschäftigung von Menschen mit Behinderung im BMJ im 2. Quartal 2022 (11644/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Beschäftigung von Menschen mit Behinderung im BMKUEMIT im 2. Quartal 2022 (11645/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit betreffend Beschäftigung von Menschen mit Behinderung im BMA im 2. Quartal 2022 (11646/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Beschäftigung von Menschen mit Behinderung im BMF im 2. Quartal 2022 (11647/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend Beschäftigung von Menschen mit Behin­de­rung im BMEIA im 2. Quartal 2022 (11648/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für EU und Verfassung betreffend Beschäftigung von Menschen mit Behinderung im BMEUV im 2. Quartal 2022 (11649/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort betreffend Beschäftigung von Menschen mit Behinderung im BMDW im 2. Quartal 2022 (11650/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Beschäftigung von Menschen mit Behinderung im BMI im 2. Quartal 2022 (11651/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Beschäftigung von Menschen mit Behinderung im BKA im 2. Quartal 2022 (11652/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien betreffend Beschäftigung von Menschen mit Behinderung im BMFFIM im 2. Quartal 2022 (11653/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissen­schaft und Forschung betreffend Beschäftigung von Menschen mit Behinderung im BMBWF im 2. Quartal 2022 (11654/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 18

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Überstunden im BMF für das 2. Quartal 2022 (11655/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien betreffend Überstunden im BMFFIM für das 2. Quartal 2022 (11656/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Überstunden im BMI für das 2. Quartal 2022 (11657/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wis­senschaft und Forschung betreffend Überstunden im BMBWF für das 2. Quartal 2022 (11658/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend Überstunden im BMEIA für das 2. Quartal 2022 (11659/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit betreffend Überstunden im BMA für das 2. Quartal 2022 (11660/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort betreffend Überstunden im BMDW für das 2. Quartal 2022 (11661/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für EU und Verfassung betreffend Überstunden im BMEUV für das 2. Quartal 2022 (11662/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Überstunden im BKA für das 2. Quartal 2022 (11663/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport betreffend Überstunden im BMKÖS für das 2. Quartal 2022 (11664/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus betreffend Überstunden im BMLRT für das 2. Quartal 2022 (11665/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landesverteidigung betreffend Überstunden im BMLV für das 2. Quartal 2022 (11666/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Überstunden im BMKUEMIT für das 2. Quartal 2022 (11667/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Überstunden im BMJ für das 2. Quartal 2022 (11668/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Überstunden im BMSGPK für das 2. Quartal 2022 (11669/J)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landesverteidigung betreffend Parlamentsarmeen im internationalen Einsatz (11670/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Verwaltungsaufwände der So­zialversicherung 2021 (11671/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 19

Mag. Selma Yildirim, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport betreffend Einhaltung arbeits- und sozialrechtlicher Bestimmungen in öffentlich geförderten Kultureinrichtungen (11672/J)

Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land­wirtschaft, Regionen und Tourismus betreffend Pestizide in der Luft (11673/J)

Dr. Johannes Margreiter, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klima­schutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend UVP-Novelle (11674/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Evaluierung Wirtschaftshilfen: Branchen, öffentliche Unternehmen, offene Anträge (11675/J)

Mag. Dr. Petra Oberrauner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Wie abhängig ist Österreichs Verwaltung von einzelnen Software­unternehmen und deren Herkunftsländern? (11676/J)

Mag. Dr. Petra Oberrauner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Wie abhängig ist Österreichs Verwaltung von einzelnen Softwareunternehmen und deren Herkunftsländern? (11677/J)

Mag. Dr. Petra Oberrauner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für EU und Verfassung betreffend Wie abhängig ist Österreichs Verwaltung von einzelnen Softwareunternehmen und deren Herkunftsländern? (11678/J)

Mag. Dr. Petra Oberrauner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Wie abhängig ist Österreichs Verwaltung von einzelnen Software­unternehmen und deren Herkunftsländern? (11679/J)

Mag. Dr. Petra Oberrauner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler be­treffend Wie abhängig ist Österreichs Verwaltung von einzelnen Softwareunter­nehmen und deren Herkunftsländern? (11680/J)

Mag. Dr. Petra Oberrauner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit betreffend Wie abhängig ist Österreichs Verwaltung von einzelnen Softwareunter­neh­men und deren Herkunftsländern? (11681/J)

Mag. Dr. Petra Oberrauner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport betreffend Wie abhängig ist Österreichs Verwaltung von einzelnen Softwareunternehmen und deren Herkunftsländern? (11682/J)

Mag. Dr. Petra Oberrauner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Wie abhängig ist Österreichs Verwal­tung von einzelnen Softwareunternehmen und deren Herkunftsländern? (11683/J)

Mag. Dr. Petra Oberrauner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien betreffend Wie abhängig ist Österreichs Ver­waltung von einzelnen Softwareunternehmen und deren Herkunftsländern? (11684/J)

Mag. Dr. Petra Oberrauner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für So­ziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Wie abhängig ist Öster­reichs Verwaltung von einzelnen Softwareunternehmen und deren Herkunftsländern? (11685/J)

Mag. Dr. Petra Oberrauner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für euro­päische und internationale Angelegenheiten betreffend Wie abhängig ist Österreichs Verwaltung von einzelnen Softwareunternehmen und deren Herkunftsländern? (11686/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 20

Mag. Dr. Petra Oberrauner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landesverteidigung betreffend Wie abhängig ist Österreichs Verwaltung von einzelnen Softwareunternehmen und deren Herkunftsländern? (11687/J)

Mag. Dr. Petra Oberrauner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus betreffend Wie abhängig ist Österreichs Ver­waltung von einzelnen Softwareunternehmen und deren Herkunftsländern? (11688/J)

Mag. Dr. Petra Oberrauner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort betreffend Wie abhängig ist Österreichs Ver­waltung von einzelnen Softwareunternehmen und deren Herkunftsländern? (11689/J)

Mag. Dr. Petra Oberrauner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Wie abhängig ist Österreichs Verwaltung von einzelnen Software­unter­nehmen und deren Herkunftsländern? (11690/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend ÖVP-Asyl-Propaganda statt Maßnahmen gegen Zuwanderungs­wahnsinn und Migrationskostenexplosion (11691/J)

*****

Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen an den Präsidenten des Nationalrates betreffend Vorbereitung der Pandemie (53/JPR)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen (10664/AB zu 10938/J)

der Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt auf die Anfrage der Abgeordneten Petra Steger, Kolleginnen und Kollegen (10665/AB zu 10941/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen (10666/AB zu 10942/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen (10667/AB zu 10940/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen (10668/AB zu 10939/J)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen (10669/AB zu 10943/J)

 


 


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 21

09.05.46Beginn der Sitzung: 9.05 Uhr

Vorsitzende: Präsident Mag. Wolfgang Sobotka, Zweite Präsidentin Doris Bures, Dritter Präsident Ing. Norbert Hofer.

09.05.47*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf die 168. Sitzung des Nationalrates für eröffnet erklären und Sie, werte Damen und Herren Abgeordnete, recht herzlich be­grüßen. Mein Gruß gilt auch den Damen und Herren auf der Galerie, den Journalistinnen und Journalisten sowie den Damen und Herren zu Hause, die unsere Sitzung mit­verfolgen.

Als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Mag. Romana Deckenbacher, Mag. Andreas Hanger, Peter Haubner, Mag. Dr. Maria Theresia Niss, MBA, Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller, Mag. Ruth Becher, Elisabeth Feichtinger, BEd BEd, MMMag. Dr. Axel Kassegger, Herbert Kickl, Mag. Meri Disoski, Mag. Nina Tomaselli und Dr. Johannes Margreiter.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Für den heutigen Sitzungstag hat das Bun­des­kanzleramt über die Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung folgende Mitteilung gemacht:

Vizekanzler und Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport Mag. Werner Kogler wird durch Staatssekretärin im Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport Mag. Andrea Mayer vertreten; Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Susanne Raab durch Bundesministerin für Landesverteidigung Mag. Klaudia Tanner; Bundes­ministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA durch Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch, den ich mittlerweile herzlich bei uns begrüßen darf.

Ich darf ferner die Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung bekannt geben, welche sich in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union aufhalten:

Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler wird durch Bundesminister für Inneres Mag. Gerhard Karner vertreten.

*****

Ich darf weiters bekannt geben, dass die Sitzung wie üblich auf ORF 2 bis 13 Uhr übertragen wird, ORF III überträgt diese dann bis 19.15 Uhr. Im Anschluss wird die Sitzung kommentiert in der TVthek übertragen.

Ich darf bekannt geben, dass heute im Laufe des Tages ein hausinternes Kamerateam im Sitzungssaal filmen wird.

09.07.09Fragestunde


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen jetzt zur Fragestunde.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 22

Ich darf noch einmal den Herrn Bundesminister begrüßen.

Die Anfrage ist jeweils auf die Dauer von 1 Minute begrenzt. Die Beantwortung der Anfrage ist auf 2 Minuten und jene der Zusatzfrage auf jeweils 1 Minute begrenzt.

Ich darf Sie, Herr Bundesminister, jeweils kurz drauf hinweisen, wenn die Zeit abgelaufen ist oder abzulaufen droht.

Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die erste Anfrage stellt Frau Abgeordnete Grünberg. – Bitte sehr. 09.07.47


Abgeordnete Kira Grünberg (ÖVP): Sehr geehrter Herr Minister! Gerade für Menschen mit Behinderung ist die persönliche Assistenz unbedingt erforderlich, um am Alltag teilhaben zu können, aber auch, um ein selbstbestimmtes Leben führen zu können. In Österreich es ist so, dass zwischen der persönlichen Assistenz am Arbeitsplatz und der persönlichen Assistenz in allen anderen Bereichen unterschieden wird und gerade die persönliche Assistenz im Freizeitbereich von Bundesland zu Bundesland ganz unter­schiedlich geregelt ist.

Im Regierungsprogramm haben wir uns darauf geeinigt, dass wir eine bundes­ein­heitliche Regelung finden wollen und dazugehörige One-Stop-Shops entwickelt werden sollen. (Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.)

Nun zu meiner Frage:

188/M

„Wie ist der Stand der Umsetzung für eine bundesweit einheitliche Regelung zur Per­sönlichen Assistenz für Menschen mit Behinderungen und der Schaffung eines One-Stop-Shops für diesen Bereich?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Abgeordnete! Geschätzte Abgeord­nete Grünberg, gerne beantworte ich diese Frage.

Das ist ein wichtiges Thema. Zur Umsetzung des Vorhabens im Regierungsprogramm erfolgen seitens meines Ressorts nun nächste Schritte, beginnend mit einer Erhebung in den Bundesländern hinsichtlich der jeweiligen Rahmenbedingungen und Volumen in den einzelnen Bereichen der persönlichen Assistenz. Das müssen wir wissen.

In weiterer Folge wurden sowohl Gespräche mit VertreterInnen von Menschen mit Be­hinderung als auch erste Gespräche mit einzelnen Bundesländern aufgenommen, um Harmonisierungsmöglichkeiten und Maßnahmen zu erarbeiten. Basierend auf diesen Gesprächen wurden nunmehr entsprechende Eckpunkte erarbeitet, die ebenfalls die Schaffung zentraler Anlauf- und Unterstützungsstrukturen im Sinne eines One-Stop-Shops beinhalten.

Die Eckpunkte sind noch mit den Ländern zu finalisieren. Mein Ziel ist es jedenfalls, den Beginn des Pilotprojektes mit spätestens Anfang 2023 hinzubekommen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitt


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 23

e.


Abgeordnete Kira Grünberg (ÖVP): Im Regierungsprogramm haben wir uns nicht nur auf die Einrichtung von One-Stop-Shops zur persönlichen Assistenz geeinigt, sondern auch zu anderen Bereichen, gerade was Hilfsmittel und Heilbehelfe betrifft, denn es wäre eine große Vereinfachung für Menschen mit Behinderung, bei der Versorgung einen leichteren Zugang zu haben.

Was konkret haben Sie da in Planung, um den Alltag von Menschen mit Behinderung gerade mit Heilbehelfen und Hilfsmitteln zu erleichtern?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Auch hier gilt, viele Bereiche betreffend: Menschen mit Behinderungen fallen in die Schnittstelle von Bund und Ländern. Bereits in der Vergangenheit gab es Be­mü­hungen, durch Erarbeitung eines vereinheitlichten, abgestimmten und gegenseitig aner­kannten Antragsformulars für Hilfsmittel Verbesserungen und raschere Abläufe zu erzielen. Eine entsprechende Einigung mit Ländern und Sozialversicherungsträgern konnte aber leider nicht erzielt werden.

Daher gibt es aus meiner Sicht folgende Möglichkeit, das auch umzusetzen: Es gibt in Österreich rund 140 Kundenservicestellen der ÖGK. Diese sind regional gut erreichbar. In diesen ÖGK-Kundenservice-One-Stop-Shops werden bereits jetzt zahlreiche Anlie­gen stellenübergreifend organisiert – Pensionsversicherung, Unfallversicherung, Fami­lienbeihilfe, Pflegegeld, Beihilfen für Menschen mit Behinderung, Arbeitsmarktservice und Ähnliches mehr.

Zur Nutzung von Synergien und bereits vorhandenem Know-how könnten diese auf spezielle Anliegen von Menschen mit Behinderungen ausgeweitet werden und die Abstimmung mit den zuständigen Stellen – Sozialministeriumservice und Länder – durch die ÖGK initiiert werden und im Hintergrund erfolgen.

Das ist mein Zugang. Ich habe meine MitarbeiterInnen angewiesen, entsprechende Gespräche mit dem Dachverband der Sozialversicherungsträger aufzunehmen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Zusatzfrage stellt Abgeordnete Ecker. – Bitte sehr.


Abgeordnete Rosa Ecker, MBA (FPÖ): Sehr geehrter Herr Minister! Viele Menschen mit Beeinträchtigung, die als nicht erwerbstätig gelten, üben in Werkstätten fähigkeits­orientierte Beschäftigung aus und werden auch in Praktika für den Arbeitsmarkt vor­bereitet. Sie alle erhalten ein Taschengeld und haben nichts von all den Steuersen­kungen, nichts vom Pendlerpauschale, nichts vom Pendlereuro, und die Teuerung be­lastet diese Menschen besonders, weil sie natürlich immer auch auf Hilfeleistungen angewiesen sind.

Wann, Herr Sozialminister, gehen Sie das Projekt Lohn statt Taschengeld an?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Das ist ein sehr berechtigter Hinweis. Ich habe selbst in diesem Bereich gear­beitet, habe ein großes Beschäftigungsprojekt für Langzeitarbeitslose geleitet. Das war an derselben Stätte untergebracht wie eine Einrichtung der Lebenshilfe. Meine Leute haben normalen Lohn erhalten und die behinderten Menschen, die dort in der Lebenshilfe waren, ein Taschengeld, sie haben aber dieselbe Tätigkeit verrichtet.

Wir haben uns dann vor Ort darauf verständigt, das zu ändern, haben ein gemeinsames Projekt aufgesetzt und die Menschen über eine gemeinsame Gesellschaft auch ange­stellt. Das ist Kompetenz, Sache der Länder, muss und kann vor Ort geregelt werden. Sie können aber sicher sein: Da ich weiß, wie sich das darstellt, ist es eines meiner vordringlichen Projekte, da Abhilfe zu schaffen, das anzugehen und Rahmenbedin­gun­gen dafür zu schaffen, dass dieselbe Tätigkeit und ähnliche Tätigkeiten, wie sie beispielsweise


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 24

in sozialökonomischen Betrieben ausgeübt werden, entsprechend und gleich entlohnt werden.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage: Frau Abgeordnete Nussbaum, bitte.


Abgeordnete Mag. Verena Nussbaum (SPÖ): Schönen guten Morgen! Der Nationale Aktionsplan Behinderung wurde nach sehr langer Verzögerung nun in der letzten Minis­terratssitzung beschlossen. Inhaltlich ist dieser von Rückschritten im Vergleich zum vori­gen Nationalen Aktionsplan und von fehlender Finanzierung geprägt.

Herr Bundesminister, wann werden sowohl die Finanzierung für diese Maßnahmen nach dem NAP als auch die UN-Behindertenrechtskonvention in Österreich voll umgesetzt sein?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Die Frage der Finanzierung, das wissen Sie, ist natürlich im Zuge der Budget­verhandlungen zu klären. Und die Nationalen Aktionspläne sind ja immer Rahmen, die geschaffen werden, wobei die konkrete Ausgestaltung in finanzieller Hinsicht sehr oft fehlt. Mir ist das bewusst und auch klar.

Ich habe auch in Treffen mit Behindertenverbänden und Behinderteneinrichtungen zu­gesagt, dass wir im Zuge der Budgeterstellung auch Projekte gemeinsam mit den Einrichtungen und den Behindertenverbänden aufsetzen, um so dann in die konkrete Umsetzung zu kommen. Mir ist bewusst, dafür braucht es finanzielle Mittel. Diese sind im Zuge der Budgetverhandlungen sicherzustellen, und Umsetzung – rasche Umset­zung – wird anhand ganz konkreter Projekte erfolgen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Abgeordneter Muchitsch. – Bitte. 09.14.20


Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ): Guten Morgen, Herr Präsident! Guten Morgen, Herr Bundesminister! Zum Thema Teuerung und Pensionen, Herr Bundesminister, lautet meine Frage:

196/M

„Warum schaffen Sie es angesichts der hohen Inflation nicht, zumindest PensionistInnen sowie PflegegeldbezieherInnen unmittelbar nachhaltige Hilfe zu leisten und die Pensionsanpassung und Pflegegeldanpassung für 2023 um einige Monate vorzu­zie­hen?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Ich halte zunächst fest, dass wir sowohl rasch als auch langfristig helfen. Ich kann Ihnen ein ganz konkretes Beispiel geben: Eine Mindestpensionistin oder Bezie­herin der Ausgleichszulage mit 978 Euro pro Monat erhält in diesem Jahr eine Entlastung von 1 350 Euro – das entspricht 1,5 Monatseinkommen.

Die Antwort auf Ihre Frage ist also: Ja, wir machen Soforthilfen, wir tun das, und die Hilfe kommt auch an. Wir sind natürlich darauf vorbereitet – und machen das –, im kom­menden Jahr die Pensionen zu erhöhen und die Teuerung auszugleichen. Dasselbe gilt natürlich auch für die Erhöhung des Pflegegeldes. Wir wissen, dass die Teuerung bleiben wird. Wir wissen auch, dass da Maßnahmen gesetzt werden müssen. Die Bundesregierung hat auch immer erklärt, dass das, was wir bisher gemacht haben, nämlich Maßnahmen in einem Gesamtvolumen von 28 Milliarden Euro, weiter evaluiert wird und wir davon ausgehen, dass wir im Herbst zusätzliche Maßnahmen brauchen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 25

Für die PensionistInnen mit geringer Pension wurden umfangreiche Pakete geschaffen. Es gab im Dezember letzten Jahres die 150-Euro-Soforthilfe, im Frühjahr weitere 150 Euro, im Zuge des Antiteuerungspaketes weitere 300 Euro. Es profitieren insgesamt etwa 200 000 Pensionistinnen und Pensionisten davon. Und um darüber hinaus schnellstmöglich zu helfen und zu unterstützen, wird der Teuerungsabsetzbetrag als Einmalzahlung ausbezahlt.

Ich würde einfach festhalten wollen, dass uns diese Situation bewusst ist, dass wir rasch Maßnahmen gesetzt haben und dass die Bundesregierung auch festgehalten hat, dass es weitere Schritte brauchen wird, um diese Gruppe im Fokus zu behalten.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ): Herr Bundesminister, aus Ihrer Antwort heraus eine Nachfrage: Die Teuerung beträgt derzeit im Durchschnitt an die 5,5 Prozent, aktuell 8 Prozent im Monat. Können Sie garantieren, dass die Pensionsanpassung 2023 im Jänner die tatsächliche Teuerung bei den Pensionistinnen und Pensionisten in Österreich abgelten wird?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Na ja, Sie wissen als Gewerkschafter und Lohnverhandler, dass Lohnerhö­hun­gen oder, in diesem Fall, auch Erhöhungen von Pensionen Verhandlungssache sind und dass das ausverhandelt werden muss, weil es finanziert werden muss.

Sie können aber sicher sein: Mein Bestreben als Sozialminister ist es natürlich und selbstverständlich, über die Pensionserhöhungen den Ausgleich herzustellen, den diese Pensionistinnen und Pensionisten auch brauchen. Mir ist nämlich bewusst, dass gerade dort, wo geringe Pensionen vorhanden sind, die Teuerung ganz besonders zuschlägt, weil diese Menschen ihr Einkommen in extrem hohem Ausmaß – nahezu das gesamte Einkommen, das sie als Pension haben – für Lebenshaltungskosten, für Heizung und für den täglichen Bedarf ausgeben müssen und ansonsten nichts mehr übrig bleibt.

Das wird auch durch die jüngste Studie, die wir im Sozialministerium in Auftrag gegeben haben, untermauert, in der wieder angeschaut worden ist, wie sich das im Zeitverlauf entwickelt hat – ich bin sofort fertig –, und wir wissen, wir haben das in den Fokus zu nehmen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Eine weitere Zusatzfrage stellt Frau Abgeordnete Zopf. – Bitte.


Abgeordnete Bettina Zopf (ÖVP): Geschätzter Herr Minister! Unsere Maßnahmen gegen die Teuerung sind: 500-Euro-Klimabonus für jede und jeden, zusätzlich 300 Euro für besonders betroffene Gruppen, zum Beispiel die Mindestpensionisten, 180 Euro pro Kind zusätzlich zur Familienbeihilfe als Einmalzahlung; weiters kommt ein erhöhter Absetzbetrag von 500 Euro, die Erhöhung des Familienbonus soll vorgezogen werden, und die kalte Progression wird abgeschafft. Das sind zum Beispiel für ein Ehepaar mit zwei Kindern über 2 800 Euro oder für ein Pensionistenpaar über 1 700 Euro Entlastung pro Jahr. Experten zeigen sich mit diesem Paket zufrieden.

Herr Bundesminister, sind die Maßnahmen der Bundesregierung im Antiteuerungspaket aus Ihrer Sicht eine wirksame und rasche Hilfe für die, die es brauchen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Das sind sie. Das habe ich versucht, darzulegen, und ich habe mir, da das oft Debatte hier im Plenum und auch in Ausschüssen war, auch angeschaut, wo sich


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Österreich da im internationalen Vergleich bewegt, weil es mir schon ein Anliegen ist, auch Teuerungsabgeltungen so festzulegen, dass sie wirken, eine bestimmte Größenordnung haben, rasch wirken und auch strukturell wirken.

Ich bin dann noch einmal ein bisschen ins Detail gegangen und habe mir auch den Vergleich mit Deutschland vor Augen geführt: Die Deutschen haben etwas Ähnliches gemacht wie wir. Sie haben im Zuge einer Erhebung zur Frage, wie sich Armut entwickelt hat, jetzt vor zwei Wochen festgehalten, dass die deutsche Bundesregierung insgesamt eine Größenordnung von 25 Milliarden Euro auf den Weg gebracht hat – in Deutsch­land! – und dass nur 2 Milliarden davon – das wären für Österreich 200 Millionen Euro – dort ankommen, wo es besonders notwendig ist, nämlich bei den BezieherInnen der geringsten Einkommen. – Wir in Österreich haben das Zehnfache davon.

Ich würde daher schon meinen, dass wir da im europäischen Vergleich auch mit anderen Ländern gut aufgestellt sind. Und noch einmal die Botschaft: Wir wissen, die Teuerung wird nicht weggehen, und es ist von der Bundesregierung angekündigt, dass im Herbst geprüft wird, welche weiteren Maßnahmen wir setzen werden.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Abgeordneter Kaniak. – Bitte. 09.20.02


Abgeordneter Mag. Gerhard Kaniak (FPÖ): Herr Bundesminister, rückblickend be­trachtet haben viele Maßnahmen, die die Bundesregierung gesetzt hat, um die Corona­krise zu überwinden, sich als unverhältnismäßig erwiesen und mehr Schaden als Nutzen gestiftet. So hat auch der Rechnungshof festgestellt, dass im ersten Krisenjahr beson­ders im Gesundheitswesen viele Leistungen nicht erbracht worden sind: 6,55 Millionen weniger Arztkontakte von Patienten, 3,8 Millionen weniger Ambulanzbesuche, 1,8 Mil­lionen weniger Belegstage in den stationären Abteilungen in den Spitälern. Selbst auf den Intensivstationen gab es – trotz der Mehrbelastung durch Corona – 32 000 weniger Belegstage.

Wie gedenken Sie, die durch die unverhältnismäßigen Coronamaßnahmen der Bundes­regierung verursachen Kollateralschäden in unserem Gesundheitssystem, inklusive Behandlungsrückstau, zu sanieren?

*****

Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 184/M, hat folgenden Wortlaut:

„Wie sanieren Sie die Kollateralschäden im österreichischen Gesundheitssystem inklu­sive Behandlungsrückstau nach den unverhältnismäßigen Coronamaßnahmen der Bun­desregierung?“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Gut, was die Einschätzung der Maßnahmen und die Verhältnismäßigkeit angeht, haben wir unterschiedliche Auffassungen und haben diese auch schon oft diskutiert. Wir hatten es zu Beginn der Pandemie – das ist auch klar – mit einem völlig unbekannten Virus zu tun. Es sind dann europaweit, weltweit auch Maßnahmen zur Eindämmung ergriffen worden. Das war angesichts der damaligen Virusvariante, die grassiert ist, angezeigt und notwendig.

Was Ihre Frage zum Behandlungsrückstau betrifft: Ich hatte gestern ein intensives Gespräch mit allen Landeskrankenanstalten beziehungsweise deren Vertreterinnen und


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Vertretern, a) um mir ein Bild über die aktuelle Situation dort zu machen, auch was die Personalausstattung und den Personalmangel angeht, und b) um mich kundig zu machen, wie es genau mit dem von Ihnen angesprochenen Behandlungsrückstau ausschaut. Dieser wird – und das ist zugesichert – sukzessive abgearbeitet, und das ist in manchen Bereichen auch weit fortgeschritten.

Ja, es stimmt, es ist da auch im Sinne der Prioritätensetzung zu Verzögerungen gekommen, die aber nicht nur der Pandemie geschuldet sind. Es ist schon so, dass in den Landesspitälern mittlerweile auch die Personalsituation und Personalausstattung mit dazu beitragen, dass dort Rückstände aufgetreten sind. Auch – das sei dazugesagt – gewisse Mangelerscheinungen, die Sie kennen und die im ambulanten Bereich vorhanden sind – Stichwort: niedergelassene Ärzteschaft –, tragen mit dazu bei, dass Behandlungen in Spitäler verlagert werden, die eigentlich dort nichts verloren haben.

Insgesamt aber gilt: Ja, die Abarbeitung des Rückstaus bei den Behandlungen läuft, sie ist im Gange und auf gutem Wege.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage, Herr Abgeordneter? – Bitte.


Abgeordneter Mag. Gerhard Kaniak (FPÖ): Besonders gravierend und vor allem auch langfristig problematisch ist der Behandlungsrückstau bei den Vorsorgeuntersuchungen beziehungsweise auch im Bereich der Krebsfrüherkennung. Allein im ersten Krisenjahr wurden 11 Prozent weniger Krebsdiagnosen getroffen und über 135 000 Vorsorge­unter­suchungen weniger durchgeführt. Was gedenken Sie, vor allem in den beiden Bereichen Mammakarzinom und Kolonkarzinom – was die beiden Hauptkrebsarten sind, von denen die Österreicher betroffen sind – zu tun, um diesen Rückstau bei den Maßnahmen zur Früherkennung zu beseitigen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Was die Vorsorgeuntersuchungen und die Prophylaxe angeht, haben Sie recht, da ist natürlich ein Rückstau entstanden. Das ist aber insgesamt ein Problem und hat wiederum mit der Mangelsituation auch im niedergelassenen Bereich zu tun. Das ist unbefriedigend – vollkommen klar –, weil jede Früherkennung, die wir schaffen – und da rede ich ein Stück weit aus eigener Erfahrung –, Leid, Krankheit und auch Kosten verhindert.

Ja, es ist eine zentrale Aufgabe in unserem System, dieses Angebot zu schaffen, um rechtzeitig zur Vorsorge gehen und diese Vorsorgeuntersuchungen machen zu können. Ich bin gemeinsam mit der Sozialversicherung und den Ländern dabei, die Möglichkeiten zu prüfen, da erstens auszubauen, zweitens zu beschleunigen und sicherzustellen, dass Vorsorge in einer Geschwindigkeit stattfindet, die auch in der Fläche eine Wirkung erzielt. Ich teile Ihre Einschätzung: Das ist die beste Maßnahme, um im Gesundheits­system nachhaltig tätig zu sein.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Zusatzfrage stellt Frau Abgeordnete Heinisch-Hosek. – Bitte.


Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Schönen guten Morgen, Herr Bundes­minister! Stichwort Kollateralschaden – in einem anderen Zusammenhang: Der Rech­nungshof hat festgestellt, dass die Krankenversicherungsträger, insbesondere die Öster­reichische Gesundheitskasse, den Kollateralschaden der schwarz-blauen Regierung unter Kurz jetzt bewältigen müssen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 28

215 Millionen Euro beträgt dieser Schaden. Aus dem Leuchtturmprojekt von Schwarz-Blau ist eigentlich ein finanzielles Desaster geworden, vor allem aber wurden die Ver­sicherten belogen. Man hat ihnen eine Patientenmilliarde versprochen, die für Leistungs­verbesserungen hätte verwendet werden sollen. Daraus wird jetzt wohl nichts. Im Gegenteil, mit den zum Teil auch von Ihnen, Herr Bundesminister, durchgeführten zu­sätzlichen Belastungen und dem Entzug der finanziellen Mittel der ÖGK, der Öster­reichischen Gesundheitskasse, fehlt eine weitere Milliarde.

Jetzt meine Frage: Wie werden Sie als verantwortlicher Bundesminister dafür sorgen, dass die Versprechen der Politik – PatientInnenmilliarde – gegenüber den Pflichtver­sicherten und ihren Angehörigen eingehalten werden und diese Milliarde tatsächlich für Leistungsverbesserungen verwendet wird?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Das ist eine sehr umfangreiche Frage, die auf dem Rohbericht des Rech­nungshofes fußt.

Erster Punkt: Ich werde mir den Rechnungshofbericht in der Endfassung natürlich genau anschauen; mache das schon mit dem Rohbericht. Es gibt auch Empfehlungen des Rechnungshofes, und ich bin jemand in einem politischen Amt, der sehr viel davon hält, Empfehlungen des Rechnungshofes auch umzusetzen.

Zweiter Punkt: Natürlich wird es Gespräche mit der Sozialversicherung geben. Ich habe dort auch eine Aufsichtspflicht, die ich wahrzunehmen habe, und das werde ich auch tun. Das geht bis in die Finanzstruktur, die Abschlüsse und die finanzielle Ausgestaltung hinein. Sie können sich sicher sein, dass dieser Rechnungshofbericht, der dann in der Endfassung auf dem Tisch liegen wird, selbstverständlich erstens hier diskutiert wird, zweitens zu Maßnahmen führen wird und drittens Anlass dazu geben wird, insgesamt auf die Strukturen zu schauen: Wo hat sich was gerechnet und rentiert, wo nicht? Das hat der Rechnungshof auch getan.

Sie wissen auch, dass durch diese Zusammenlegung die versprochene Patienten­milliarde, die ich im Übrigen nie versprochen habe – wir auch nicht –, gar nicht möglich ist. Diese Milliarde gibt es nicht. Ich habe sie gesucht, sie ist nicht vorhanden. Die Herausforderungen insgesamt in Bezug auf die Finanzierung des Gesundheitssystems sind ohnehin groß genug. Sie können gewiss sein, dass es notwendig sein wird, auch auf die Finanzierungsströme insgesamt – im Gesundheitswesen, in der Aufteilung zwischen Bund, Ländern und Sozialversicherung – im Zuge der Finanzaus­gleichsver­handlungen genau hinzuschauen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Weitere Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Saxinger. – Bitte.


Abgeordneter Dr. Werner Saxinger, MSc (ÖVP): Guten Morgen, Herr Minister! Die Covid-Viren sind gekommen, um zu bleiben, wir müssen lernen, damit umzugehen. Die Null-Covid-Strategie ist zum Scheitern verurteilt. Die Frage, die sich stellt: Was können wir aktiv gegen die Pandemie tun? Was können wir tun, um die verheerenden Aus­wirkungen einzudämmen? Da gibt es einiges Bekannte: Händehygiene, Abstandhalten, Maskentragen in Räumen, natürlich die Impfung. Wir können auch Solidarität beweisen, indem wir Masken tragen und uns impfen lassen.

Es gibt den Begriff des Präventionsparadoxons, der Folgendes beschreibt: Durch die Maßnahmen wie Hygiene, Abstand, Impfen wurde noch Schlimmeres verhindert. Jetzt glauben aber manche, weil noch Schlimmeres nicht eingetreten ist, hätten wir diese Maßnahmen gar nicht gebraucht. (Abg. Belakowitsch: Wie in Schweden!) Das ist eben nicht so. Das ist ein Irrtum.


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Herr Minister, was kann man denen entgegnen, die glauben, ohne Maßnahmen wäre eh nichts Schlimmes passiert?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Na ja, das ist im Prinzip die Frage von Bewusstseinsbildung. Ich meine schon, dass das auch etwas mit Verhältnismäßigkeit und Einschätzungen zu tun hat. Meine Linie ist eine klare – die habe ich auch kundgetan –: dass es im dritten Jahr der Pandemie notwendig sein wird, mit Covid zu leben.

Das ist im Übrigen eine weltweite Strategie: auf der einen Seite damit umzugehen und Vulnerable, die wir nicht außer Acht lassen dürfen, zu schützen – das ist auch ein Gebot der Stunde, weil diese eben besonders verletzlich sind, wie das Wort sagt –, doch auf der anderen Seite so viel Normalität wie möglich zuzulassen. Wir müssen einen Weg im Hinblick darauf finden, dass wir angesichts der Krisen, die im Herbst auf uns zukommen und vielfach sind – also Teuerung, die Energiefrage, der Krieg in der Ukraine und Ähnliches mehr –, nicht mit Covid-Maßnahmen dazu beizutragen, dass die Dinge sich verschärfen, sondern wir sie entlasten. Das ist jedenfalls mein Zugang.

Was das Impfen angeht, ist die Empfehlung auch klar: Es ist jetzt angezeigt, über 65-Jährige auffrischen zu lassen. Wir sind dabei, gemeinsam mit den Bundesländern und auch den Sozialpartnern sehr basisnahe Impfangebote zu schaffen. Wir sind auch dabei, die Verteilung von Medikamenten, Covid-Medikamenten, besser zu organisieren. Das hat bisher in einzelnen Bundesländern nicht sehr gut geklappt. Wir sind im Austausch mit der Ärztekammer, um dieses zweite Sicherheitsnetz auch zu nützen. Ich bin zuversichtlich, dass wir da auf einem gutem Weg sind, einen Umgang zu finden und zu lernen, mit Covid zu leben.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zur nächsten Anfrage, jener der Frau Abgeordneten Ribo. – Bitte sehr. 09.29.00


Abgeordnete Bedrana Ribo, MA (Grüne): Geschätzter Minister! Am 12. Mai, am Tag der Pflege, haben Sie das größte Pflegepaket präsentiert. Das Paket war dringend notwendig, weil man über viele, viele Jahre hinweg die Pflege vernachlässigt hat. Wir haben zusammen mit unserem Koalitionspartner über viele Wochen gut, konstruktiv und wertschätzend verhandelt, und ich bin wirklich sehr froh, dass uns dieses große Paket gelungen ist.

194/M

„Wie viele Personen werden von den Maßnahmen der Pflegereform profitieren?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Das ist im Detail – wie folgt – darzustellen: Es sind insgesamt etwa 200 000 Per­sonen, die durch die Entgelterhöhungen davon profitieren; etwa 120 000 diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegepersonen, PflegefachassistentInnen und Pflegeassis­tentInnen, etwa 15 000 HeimhelferInnen und BehindertenbegleiterInnen.

Beim Entfall der Anrechnung der erhöhten Familienbeihilfe beim Pflegegeld profitieren etwa 46 000 Personen mit 60 Euro pro Monat, beim Angehörigenbonus sind es ge­schätzt zwischen 18 000 und 25 000 Personen, bei den Gratispflegekursen – eine kleine Maßnahme – etwa 1 000 pflegende Angehörige, bei den Ausbildungsbeiträgen und beim Pflegeausbildungs-Zweckzuschussgesetz sind es etwa 13 000 Auszubildende an den diversen Schulen sowie etwa 5 500 Auszubildende in den Sozialbetreuungsberufen.



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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordnete Bedrana Ribo, MA (Grüne): Das ist also ein Paket, welches wirklich Verbesserungen für die Menschen in der Pflege bringt. Wir werden auch heute wichtige Gesetze und Gesetzesänderungen hoffentlich mit einer großen Mehrheit beschließen, damit die Umsetzung eben schnell vorangehen kann. Ich hoffe, dass es da auch seitens der Opposition große Zustimmung gibt, weil dieses großartige Paket einfach wirklich unterstützenswert ist.

Wie viel Geld gibt es für das Pflegereformpaket, und was ist davon genau umfasst?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Es gibt insgesamt rund 1 Milliarde Euro; umfasst davon ist das Bundes­pflegegeldgesetz in der Größenordnung von 100 Millionen Euro, das Pflegeausbildungs-Zweckzuschussgesetz mit etwa 225 Millionen Euro, das Entgelterhöhungs-Zweck­zu­schussgesetz mit etwa 520 Millionen Euro – und jetzt noch 50 Millionen Euro zusätz­lich –, und es gibt weitere Maßnahmen, wie das Pflegestipendium, die Valorisierung der Förderung der 24-Stunden-Betreuung oder die Erleichterung der Inanspruchnahme sowie der Übernahme der Kosten zur Ersatzpflege. Allein das macht wie gesagt noch einmal 50 Millionen Euro aus. Und was man auch nicht vergessen darf, ist die Über­führung der Schulversuche ins Regelschulwesen.

Vielleicht noch ein letzter Satz zu diesem Punkt: Wir wissen, wir haben damit einen enorm wichtigen Schritt gesetzt, sowohl im Volumen wie auch in der Geschwindigkeit, das vor dem Sommer noch hinzubekommen. Es wird auch intensiv daran gearbeitet, die weiteren Schritte hinzubekommen, vor allem, was die Stipendienfrage und die berufs­begleitende Ausbildung angeht – zuerst war ja angedacht, das aufgrund technischer Schwierigkeiten beim AMS erst im September 2023 starten zu lassen, das wird aber deutlich beschleunigt werden. Ich bin im Gespräch mit dem Arbeitsmarktservice, wir werden das zu Beginn des nächsten Jahres hinbekommen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Abgeordneter Loacker. – Bitte. 09.32.33


Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Guten Morgen, Herr Minister! Nicht nur für Ihre Vorhaben in der Pflege brauchen Sie viel Geld, sondern auch das Pensionssystem erfordert viel Geld. Gute Sozialpolitik sorgt immer für einen Aus­gleich zwischen den Interessen der Beitragszahler auf der einen Seite und der Leis­tungsbezieher auf der anderen Seite. Jetzt gehen aber die Ausgaben immer weiter nach oben und die Beiträge decken den Aufwand immer weniger.

In der aktuellen Gebarungsvorschau der Sozialversicherung wurde das Pensionsloch in der Pensionsversicherung für die nächsten Jahre stark nach oben korrigiert: für das Jahr 2023 um eine halbe Milliarde Euro, für 2024 und 2025 um jeweils eineinhalb Milliarden Euro und für 2026 um 1,6 Milliarden Euro.

Welche ausgabendämpfenden Maßnahmen setzen Sie, damit Sie den Bundesfinanz­rahmen für die Untergliederung der Pensionsversicherung nicht überschreiten?

*****

Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 192/M, hat folgenden Wortlaut:

„In der aktuellen SV-Gebarungsvorschau wurde das Pensionsloch in der Pensions­versicherung für die nächsten Jahre stark nach oben korrigiert. Für das Jahr 2023: + 0,5 Mrd. Euro. Für das Jahr 2024: + 1,5 Mrd. Euro. Für das Jahr 2025: + 1,5 Mrd. Euro


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und für das Jahr 2026: + 1,6 Mrd. Euro. Welche ausgabendämpfenden Maßnahmen setzen Sie, um den Bundesfinanzrahmen in der UG 22 nicht zu überschreiten?“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Da muss ich eine klare Antwort geben: Dieser wird überschritten werden müssen, weil sich Pensionserhöhungen und Pensionsanpassungen entlang der Infla­tionsrate massiv kostenerhöhend auswirken werden – das ist vollkommen klar. Ich würde Ihnen eine falsche Auskunft geben, wenn ich sage, dass da weniger Geld auf­gewendet wird.

Natürlich wird es darum gehen, auch Sparpotenziale zu heben, aber das Pensions­system kann nicht von heute auf morgen verändert werden. Ich kenne die Forderung, kostendämpfende Maßnahmen einzuziehen, zu setzen, jetzt geht es aber zunächst darum, auch eine weitgehende Verarmung vor allem im Bereich der Mindest­pen­sionistinnen und Mindestpensionisten zu verhindern. Da wird es – das wurde ja in der vorigen Frage schon diskutiert – Anpassungen geben müssen, die sich natürlich entlang der Inflationsrate bewegen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Wenn wir das kurzfristig nicht schaffen, müssen wir aber den Blick in die Ferne richten. Im Bundesrechnungsabschluss, den der Rechnungshof jetzt vorgelegt hat, ist die Langfristprognose für die Pensionsausgaben enthalten, und demnach steigen die Ausgaben für die Pensionszuschüsse von 4,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts bis 2051 auf 6,8 Prozent des Bruttoinlands­pro­dukts.

Welche längerfristigen Maßnahmen im Pensionssystem setzen Sie, um diesen enormen Fehlbetrag, der auch eine Belastung für die Jungen ist, zu reduzieren?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Auch das ist eine schwierig zu beantwortende Frage, denn die demografische Entwicklung ist, wie sie ist, angesichts der Jahrgänge, die jetzt in Pension gehen, und es ist arithmetisch darstellbar, wie sich die Ausgaben allein entlang der Biografien weiter entwickeln werden.

Es wird natürlich insgesamt notwendig sein, den Staatshaushalt – und der Hinweis darauf ist schon richtig – entlang der besonderen Aufwendungen, die wir hatten – auch jetzt in den letzten beiden Jahren und auch entlang der Teuerungspakete, auch entlang der Abschaffung der kalten Progression, die Geld kosten wird –, wieder ins Gleich­gewicht zu bekommen. Es wird dann aber wohl auch Aufgabe des Finanzministers und der Bundesregierung insgesamt sein, einen Blick darauf zu werfen, wie sich entlang der neuen Bedingungen eine mittelfristige Finanzplanung gestaltet.

Recht gebe ich Ihnen in der Einschätzung, dass sich Bund, Länder und Gemeinden entlang dessen, was sich jetzt in den letzten beiden Jahren abgespielt hat – ökonomisch nämlich –, werden überlegen müssen, wie die Balance in den Haushalten langfristig hergestellt werden kann.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Abgeordneter Gödl. – Bitte. 09.36.05



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Abgeordneter Mag. Ernst Gödl (ÖVP): Guten Morgen, Herr Bundesminister! Heute ist ja jedenfalls ein guter Tag für die Pflege in Österreich. Wir werden dann bei den ersten Tagesordnungspunkten ausführlich darüber diskutieren und einige wichtige Beschlüsse fassen: Wir werden die Gehalts- und Arbeitsbedingungen bei den Pflegeberufen ver­bessern, wir werden mit dem Ausbildungsbeitrag von 600 Euro auch die Ausbildung attraktiver machen, wir bereiten ein Pflegestipendium in der Höhe von 1 400 Euro vor, sodass die Ausbildung attraktiver wird, wir stärken auch die Pflege zu Hause – es ist dann in der Folge ein Angehörigenbonus vorgesehen – und vieles mehr.

So werden wir also heute wichtige Beschlüsse fassen, und ich stelle daher schon jetzt folgende Frage an Sie, Herr Bundesminister:

189/M

„Was sind nach den Beschlüssen in dieser Woche die nächsten Schritte in der Pfle­gereform?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Also zunächst bin ich sehr dankbar, dass die Beschlussfassung heute stattfindet und damit der Rahmen geschaffen wird, um in die Gänge und in die Umsetzung zu kommen. Deshalb war es mir ein ganz besonderes Anliegen, diese Pflegereform eben noch vor dem Sommer hinzubekommen, um auch dem Nationalrat die Möglichkeit zu geben, durch die Beschlussfassung den Weg freizumachen.

Mein Haus ist jetzt intensiv damit beschäftigt, all diese Umsetzungsschritte gemeinsam mit den Ländern einzuleiten. Wir arbeiten an der administrativen Umsetzung, da sind die Gespräche mit den Bundesländern auch unverzüglich aufgenommen worden, weil ja die Dinge vielfach auch bei den Ländern passieren.

Hinsichtlich der 24-Stunden-Betreuung ist eine Attraktivierung der unselbstständigen Beschäftigung vorgesehen, ein konkretes Modell wird gerade gemeinsam mit den Sozialpartnern erarbeitet. Ebenso ist eine Adaptierung der 15a-Vereinbarung mit den Ländern vorzunehmen; wir haben dafür bereits 16 Millionen Euro reserviert – weil es dann eben die Aufteilung der Mittel zwischen Bund und Ländern geben wird, muss die Anpassung gemacht werden. Die Signale aus den Ländern sind durchwegs positiv, also die Bereitschaft, das auch mitzutragen, ist dort hoch.

Wesentliches Element der Weiterentwicklung der Pflegevorsorge wird eine Zielsteue­rung entlang des Modells in der Gesundheit sein. Auch da wurden Vorgespräche mit den Ländern, dem Städtebund und dem Gemeindebund geführt; diese werden fortgesetzt. Und wir sind natürlich auch dabei, die Vorbereitungen für den Finanzausgleich oder die Finanzausgleichsverhandlungen zu tätigen. – Es gibt jede Menge Arbeit, alles ist im Plan, und wir sind mit großer Vehemenz bei der Umsetzung.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage, Herr Abgeordneter? – Bitte.


Abgeordneter Mag. Ernst Gödl (ÖVP): Wir wissen, dass etwa 80 Prozent der Men­schen zu Hause gepflegt werden; die Pflege zu Hause ist also ein sehr, sehr wichtiger Baustein im gesamten Konzept der Pflege. Daher auch die Frage an Sie, Herr Minister: Was alles ist geplant, um die pflegenden Angehörigen noch besser zu unter­stützen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Im Rahmen der Pflegereform sind folgende Maßnahmen zur Unterstützung pflegender Angehöriger durch eine Novelle zum Bundespflegegeldgesetz vorgesehen:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 33

Das ist zum einen einmal die Leistung eines Angehörigenbonus in der Höhe von 1 500 Euro jährlich, und das sind weiters die Verlängerung der Antragsfrist beim Pfle­gekarenzgeld sowie die Zuwendungen für die Inanspruchnahme von Pflegekursen.

Darüber hinaus sind im Rahmen der Pflegereform natürlich auch Verbesserungen für pflegende Angehörige vorgesehen. Da gibt es zum Beispiel die Ausweitung der Anzahl von Angehörigengesprächen durch Psychologinnen und Psychologen, und im Übrigen sollen pflegende Angehörige künftig bereits nach drei Tagen die Möglichkeit haben, eine finanzielle Zuwendung zu den Kosten der Ersatzpflege zu beantragen, wenn sie aufgrund von Urlaub, Krankheit oder sonstigen wichtigen Gründen in der Pflege ver­hindert sind.

Zu beachten ist auch, dass durch die Erhöhung des Erschwerniszuschlags und durch den Entfall der Anrechnung eines Beitrags von 60 Euro der erhöhten Familienbeihilfe auf das Pflegegeld insgesamt mehr Geld für die Pflege durch Angehörige zur Verfügung steht.

Uns ist klar, und das war auch die Absicht, alle Säulen der Pflege – ambulant, stationär, zu Hause, 24 Stunden-Betreuung – nützen zu müssen, um eine gute Pflege in Öster­reich sicherzustellen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Eine Zusatzfrage stellt Abgeordnete Wimmer. – Bitte.


Abgeordnete Petra Wimmer (SPÖ): Guten Morgen, Herr Minister! Das von der Re­gierung groß präsentierte Pflegepaket wird ja heute nur zum Teil umgesetzt. Leider ist dieses Paket auch nicht nachhaltig, es beinhaltet keinerlei Verbesserungen der Arbeits­bedingungen, keine Entlastung für pflegende Angehörige und vor allem keinerlei Ausbau des Leistungsangebotes, und das wäre dringend notwendig. Das Paket scheint ein Ziel zu verfolgen: dass die Pflege billiger werden soll.

Wie soll jetzt der drohende Pflegekräftemangel behoben werden, wenn der Beruf weiterhin nicht attraktiver wird, wie soll das funktionieren, wenn Gehaltserhöhungen nur für zwei Jahre bezahlt werden? Gerade in der Ausbildung kann man von dem vorüber­gehend ausbezahlten Ausbildungsbonus nicht leben und man ist auch nicht sozial­ver­sichert.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Minister, bitte.


Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Ich würde Ihnen jetzt einmal diametral widersprechen wollen, aufgrund der Gespräche, die ich mit den Pflegeverbänden in den letzten Wochen hatte, in denen es auch darum ging, erstens die Begutachtungen einzuordnen und zweitens in die Um­setzung zu kommen. Diese sehen das total anders, sie sagen nämlich unisono, dieser Schritt war ganz besonders notwendig, sowohl in der Breite als auch in der Tiefe.

Das Paket ist angekommen, das wird dort auch so gesehen. Die wissen genauso gut wie ich und Sie, dass das nicht das Ende der Fahnenstange ist, aber jedenfalls ein wichtiger Schritt, um mehr Menschen in Ausbildung zu bekommen, Menschen im Beruf zu halten, auch durch die deutliche Erhöhung der Entschädigung, auch durch die zusätzliche Anerkennung der Schwerarbeit auch in der Nacht. Das ist ein Schritt, der notwendig war und der auch wirkt.

Es ist aufgrund der Nachfragezahlen, was die Ausbildung angeht, belegt: Das ist ein attraktives Modell, das nachgefragt wird und das seine Wirkung entfalten wird. Unbe­stritten ist: Um mehr Menschen in die Pflege zu bekommen, wird es weitere Anstren­gungen brauchen, und zwar auf allen Ebenen. Wir haben mittlerweile eine Konkurrenz um Arbeitskräfte auf dem Arbeitsmarkt, nicht nur in den Gesundheits- und Pflegeberufen,


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die es notwendig machen wird, dort alle Möglichkeiten auszuschöpfen. Das heißt –ich sage es auch an dieser Stelle –, wir werden auch Pflegekräfte aus dem Ausland brauchen, um in Zukunft die Pflege sicherstellen zu können.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Abgeordneter Kucher. – Bitte. 09.42.30


Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ich kann kein Geheimnis daraus machen: Wir diskutieren ja oft über die Zweiklassenmedizin, und ich kritisiere immer wieder, dass aus unserer Sicht seitens der Regierung im Kampf gegen diese Zweiklassenmedizin zu wenig weitergeht.

Die ÖVP ist da relativ sauber aufgestellt – nicht umsonst sind 50 000 Euro von Privat­kliniken in Richtung ÖVP geflossen –, die ist da relativ klar.

Jetzt habe ich ein bisschen Angst: Was wäre denn, wenn die Privatkliniken draufkämen, wenn wir heute über das Parteienfinanzierungsgesetz sprechen, dass man das Geld leider den Grünen gibt? Diese sind mindestens gleich untätig im Bereich der Zweiklas­senmedizin, wirken aber ein bisschen sauberer aufgestellt. Haben Sie Angst, dass das in diese Richtung gehen könnte?

Deswegen auch die konkrete Frage:

197/M

„Welche Maßnahmen werden Sie in Ihrer Ressortverantwortung eventuell gemeinsam mit anderen Regierungsmitgliedern setzen, um den Kassenvertragsmangel und damit die schon vorherrschende Zwei-Klassen-Medizin zu beseitigen?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Minister, bitte.


Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Vielleicht mache ich es so: Ich stehe für eine klasse Medizin und nicht für eine Zweiklassenmedizin. Klasse Medizin heißt hervorragend zugängliche Leistungen für alle gleichermaßen, egal aus welcher gesellschaftlichen Situation man kommt.

Wir haben in Österreich im europäischen Vergleich ein Spitzenfeld an Medizinern, auch eine hohe Qualität, auch bei der Ärztedichte sind wir gut. Wir haben natürlich regional – das ist ein riesiges Thema – Mangel in unterschiedlichen Fachrichtungen. Wir haben im niedergelassenen Bereich das Thema, dass gerade im ländlichen Raum Nach­folge­fragen nicht geklärt werden können – das ist bei mir auch angekommen –, und wir sind dabei, in diesem etwas schwierigen Finanzierungssystem, das wir haben, um es vor­sichtig zu formulieren – Sozialversicherung auf der einen Seite, Länder auf der anderen Seite, Bund, Ärztekammer auf der anderen Seite –, Gespräche darüber zu führen, wie wir zu Lösungen kommen können, die verhindern, dass permanent Leistungen aufgrund von Mangelerscheinungen im niedergelassenen Bereich zum Beispiel in die Ambu­lanzen verlagert werden. Das kann es nicht sein, weil das von der Finanzierung her auch nicht gerecht ist.

Wie können wir es schaffen? – Über attraktive Modelle es niedergelassenen ÄrztInnen, vor allem jungen Ärztinnen und Ärzten, möglich zu machen, diesen Beruf zu ergreifen und auch auszuüben. Da braucht es, das ist auch klar, neue Möglichkeiten entlang der Entweder-oder-Situation, dass man entweder Kassenarzt oder Wahlarzt oder Wahlärztin ist.

Es gibt auch gemeinsame Überlegungen mit der Sozialversicherung und den Ländern, wie man das gestalten kann. Es gibt Modelle, die das möglich machen, und ich orte Bereitschaft für eine gewisse Bewegung bei allen Stakeholdern. Das wird notwendig


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sein, um die Versorgung im ländlichen Raum sicherzustellen, mit der hohen Qualität, und nicht das zu haben, was Sie meinen, nämlich eine Zweiklassenmedizin: Dass man nur noch zur Wahlärztin oder zum Wahlarzt gehen kann, wäre jedenfalls zu verhindern.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ): Ja, vielen Dank. – Um es konkret zu machen: Ist es gerecht, dass ich als Politiker für ein Zahnimplantat 300 Euro dazugezahlt bekomme und eine Versicherte in Klagenfurt, die Angestellte ist, keine Zuzahlung bekommt? Da spreche ich vom Risikostrukturausgleich und gleich guten Leistungen für alle Versicher­ten in Österreich.

Um das ganz konkret zu machen: Was sind denn drei ganz konkrete Maßnahmen, die Sie als Gesundheitsminister setzen werden, damit es gleich gute Leistungen für alle Versicherten gibt, egal in welchem Bundesland man wohnt und wo man versichert ist?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Minister, bitte.


Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Erster Punkt: Sicherstellung der Versorgung im niedergelassenen Bereich, wie ich es vorhin angekündigt habe. Wenn das nicht sichergestellt ist, werden die Menschen gezwungen, in Wahlarztpraxen auszuweichen, beziehungsweise können sich das oft­mals nicht leisten und müssen dann auf medizinische Versorgung verzichten, und das muss hintangehalten werden.

Das ist mein Hauptpunkt: Es muss gelingen, auch in gemeinsamen Gesprächen mit Sozialversicherung, Ärztekammer und den Ländern, diesen Notstand zu beheben. Es kann nicht sein, dass beispielsweise in Dornbirn drei ÄrztInnen in Pension gehen und keine Nachfolge finden und damit der Zustand eintritt, dass Menschen nicht versorgt sind.

Das ist nicht hinnehmbar, und diesbezüglich liegen auch konkrete Modellversuche auf dem Tisch, um es klar zu sagen: Wie kann man es schaffen, dort Angebote sicher­zustellen, sodass der Zugang gesichert ist? Das ist das Hauptargument, und wenn wir das nicht hinbekommen, landen wir in einer Mangelversorgung und in einer Situation, in der Menschen ärztliche Hilfe nicht mehr in Anspruch nehmen und sich nicht behandeln lassen und am Ende der Kette im Spital landen, wo die Behandlungen wesentlich teurer sind. Das ist der Hauptpunkt.

Es gibt ein paar weitere Punkte: Leistungsangleichung auch in der Sozialversicherung insgesamt; es ist in der letzten Zielsteuerungskommissionssitzung ein Meilenstein ge­schaffen worden mit dem nationalen Impfprogramm. – Es ist schwierig genug, aber da die Schritte zu setzen, das ist jedenfalls mein Bestreben.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Zusatzfrage stellt Frau Abgeordnete Schwarz. – Bitte.


Abgeordnete Gabriela Schwarz (ÖVP): Herr Präsident! Einen schönen guten Morgen, Herr Bundesminister! Ich möchte bei zwei Dingen einhaken, die Kollege Kucher gesagt hat. Zur Mehrklassenmedizin: Sie haben ja darauf eindeutig geantwortet, und ich möchte das unterstreichen, denn ich glaube, dass es gerade mit der ÖGK gelungen ist, die Neunklassenmedizin, die es davor gab, nämlich unterschiedliche Leistungen für die gleichen Beiträge in Österreich, zu harmonisieren.

Diese Harmonisierung hat Geld gekostet, selbstverständlich, weil nach oben nivelliert wurde und nicht nach unten, aber diese Harmonisierung ist auf gutem Wege und sollte mit einem bundesweiten Gesamtvertrag demnächst abgeschlossen werden. – Das ein­mal dazu, das heißt, dort ist die Harmonisierung, die Gleichbehandlung schon gelungen.


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Sie haben auch die Wahlärztinnen und Wahlärzte, die immer wieder in Diskussion stehen, angesprochen. Ich glaube, da kommt es darauf an, nicht hinzudeuten und zu sagen, das funktioniert nicht gut, sondern zu fragen: Wie attraktiviert man es für Wahl­ärztinnen und Wahlärzte, im System, in der Gesamtversorgung, vor allem gemeinsam mit KassenärztInnen im niedergelassenen Bereich, tätig zu werden?

Gibt es da schon konkrete Ansatzpunkte?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Minister, bitte.


Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Ja, die gibt es. Erstens einmal werden wir den Ausbau von Primärversorgungs­einrichtungen forcieren müssen, das ist ein Gebot der Stunde, da sind wir einfach hintennach. Es wird auch darum gehen, flexible Ordinationsmodelle zu schaffen, mit weniger belastenden Bereitschaftsdienstregelungen, und diese auch an neue Lebens­situationen von jungen Ärztinnen und Ärzten anzupassen, die vielleicht das Bedürfnis haben, in der ersten Phase, beim Berufseintritt, Teilzeit zu arbeiten, Vertretungs­regelun­gen zu haben, die funktionieren, und Ähnliches mehr.

Es wird auch darauf ankommen, E-Anwendungen, E-Medizin zu forcieren, es wird gelten, die Arbeitsbedingungen insgesamt zu verbessern und – das ist ein wichtiger Punkt – bürokratische Hürden zu beseitigen. Ärztinnen und Ärzte sollen dafür da sein, in medizinischer Hinsicht tätig zu sein, und nicht, um Bürokratie abzuarbeiten.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Zusatzfrage stellt Herr Abgeordneter Schallmeiner. – Bitte.


Abgeordneter Ralph Schallmeiner (Grüne): Herr Präsident! Guten Morgen, Herr Minister! Sie haben es ohnehin schon angesprochen: Ein zentrales Problem ist ja der Mangel, wenn man so möchte, an Ärztinnen und Ärzten, die einen Kassenvertrag haben, insbesondere dort, wo es um die Primärversorgung geht.

Da spreche ich jetzt nicht nur von Allgemeinmedizinerinnen und ‑medizinern, sondern beispielsweise auch von Gynäkologinnen, Gynäkologen. Immer mehr Wahlarztrech­nun­gen kommen genau aus diesen beiden Bereichen, also aus der Allgemeinmedizin und aus der Gynäkologie, weil immer weniger Ärztinnen und Ärzte bereit sind, einen Vertrag mit der ÖGK einzugehen.

Daher stellt sich für mich die Frage – Sie haben die Frage der Primärversorgungs­einheiten auch schon kurz angesprochen –: Welche Maßnahmen setzen Sie, um die allgemeinmedizinische Versorgung, aber nicht nur diese natürlich, insbesondere auch über die Förderung von PVEs zu gewährleisten?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Es gibt die finanzielle Förderung von Lehrpraxen, auch um Anreize zu schaffen, in diese Modelle einzutreten. Es ist auch in Gesprächen mit der Sozialversicherung und der Ärztekammer klar: Es wird da auch unkonventionelle und neue Maßnahmen und Modelle brauchen. Es ist nicht jedes Modell auf jede Region gleich anwendbar. In Wien oder in anderen Städten, in Ballungsräumen, stellt sich die Situation anders dar als im ländlichen Raum.

Es wird auch darum gehen, das sogenannte Landarztmodell – um in sehr umfassendem Sinn Medizin anzubieten, Versorgung anzubieten – gemeinsam mit Regionen oder mit Gemeinden attraktiv zu machen. Das geht hin bis zu finanziellen Unterstützungen von­seiten der Länder oder auch von Kommunen, die anbieten, Ordinationen komplett ein­zurichten oder Häuser oder Ordinationen zur Verfügung zu stellen, um den Standort attraktiv zu machen, damit sich dort jemand niederlässt. Es gilt, Möglichkeiten zu schaffen,


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dass das nicht allein gemacht werden muss und dann nicht die gesamte Region allein versorgt werden muss, Modelle zu überlegen, dass Teilzeitzusatzangebote geschaffen werden können; das durchaus nicht nur im medizinischen Bereich, sondern auch in anderen Bereichen, zum Beispiel in der Pflege.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Abgeordnete Belakowitsch stellt die nächste An­frage. – Bitte. 09.51.51


Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Herr Präsident! Guten Morgen, Herr Bundesminister! Ich möchte noch einmal das Thema Pensionen ansprechen, weil Sie heute ja schon in einer Anfragebeantwortung erklärt haben, dass die Bundesregierung sehr viel für Mindestpensionisten beziehungsweise Ausgleichszulagenbezieher tut.

Ich möchte darauf hinweisen: Die Ausgleichszulage liegt derzeit bei 1 030,49 Euro, es gibt aber auch Pensionen, die da knapp drüber sind. Pensionen von 1 100 Euro, 1 150 Euro, 1 200 Euro sind jetzt auch nicht gerade die Riesenpensionen, allerdings haben die Pen­sionisten, die 1 200 Euro netto haben, nur eine Erhöhung von 1,8 Prozent bekommen. Wir haben damals, im November, bereits 3,7 Prozent gefordert. Wir haben immer wieder gefordert, dass man doch auch bei den anderen Pensionen hinschauen muss. Daher meine Frage:

185/M

„Welche Maßnahmen setzen Sie, um den galoppierenden Wertverlust der Pensionen für die ältere Generation aktuell auszugleichen?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Ich habe das vorhin schon zum Teil beantwortet. Es sind aufgrund der Sofort­maßnahmen, die getroffen worden sind, Erleichterungen geschaffen worden. Das ist unstrittig so. Es wird auch so sein, dass die Anpassung der Pensionen heuer entlang der Inflationsrate deutlich anders ausfallen wird als in den vergangenen Jahren. Das ist unstrittig und das wird auch Geld kosten, vollkommen klar.

Da die Teuerung aber weitergeht und durch diese Entlastungsschritte oder auch durch Erhöhungen nur zum Teil abgefedert werden kann, ist – und das ist die Zusage der Bundesregierung – angedacht, im Herbst zu überlegen: Welche weiteren Hilfen müssen und können auf den Weg gebracht werden? Nur – das ist auch gesagt und kommuniziert worden –: Wir können auf Dauer eine Inflationsrate von 8 bis 10 Prozent nicht über permanente Erhöhungen abgelten. Das geht sich dann irgendwann budgetär nicht mehr aus. Also da wird es ein Maßnahmenpaket brauchen, in dem insgesamt überlegt wird: Wie bekommen wir das strukturell in den Griff? Was gibt es auch vonseiten der Länder für Unterstützungsmöglichkeiten? Ich denke nur daran, dass zum Beispiel die Heiz­kostenzuschüsse der Bundesländer total unterschiedlich ausgestaltet sind, auch in ihrer Höhe. Die bewegen sich zwischen 300 Euro und 150 Euro, was für Mindestpensionisten einen gravierenden Unterschied darstellt.

Richtig ist aber: Da ist jedenfalls Handlungsbedarf gegeben, neben dem, was wir ge­macht haben, noch einmal nachzuschärfen und zu schauen: Wie hoch müssen die Erhöhungen sein?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Wenn ich das jetzt richtig verstanden habe, dann gehen Sie nicht davon aus, dass Inflationsraten von 8 bis 9 Prozent dauer­haft zu Pensionserhöhungen in dem Ausmaß führen werden. Sie gehen auch davon aus,


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 38

dass die Länder da etwas werden leisten müssen. Das ist eine gefährliche Drohung für die österreichischen Pensionisten, die ja auch Fixkosten haben und die ja ohnehin unter der Teuerung exorbitant leiden; teilweise überdurchschnittlich, wie ich ja gesagt habe, denn 1 200 Euro ist keine Riesenpension, trotzdem haben diese Personen selbstver­ständlich ihre Fixkosten zu bezahlen.

Gibt es von der Bundesregierung für Pensionen, die knapp über der Ausgleichszulage oder ein bisschen weiter drüberliegen – das sind ja nicht Personen, die auf riesengroße Ersparnisse zurückgreifen können –, tatsächlich keine Zusicherung, dass die Pensions­erhöhung, wie auch gesetzlich vorgeschrieben ist, im Bereich der Inflationsrate liegen wird?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Das genaue Gegenteil ist der Fall, das habe ich ja gesagt. Es wird im heurigen Jahr natürlich der Fall sein, dass sich die Erhöhungen entlang der aktuellen Inflationsrate werden bewegen müssen. Was denn sonst? Der Wertverlust ist ja schon eingetreten.

Wie sich das im nächsten und übernächsten Jahr darstellt, das ist die Frage. Das hängt auch damit zusammen, wie sich die Inflationsrate weiterentwickelt, wie sich das Wirtschaftswachstum weiterentwickelt, wie die Situation bei den Energiepreisen ist, wie die Situation in der Ukraine ist. All das wissen wir nicht. Im heurigen Jahr jedenfalls – und das ist die Zusage! – wird sich die Erhöhung entlang der Inflationsrate bewegen müssen, weil der Wertverlust schon eingetreten ist.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Abgeordneter Koza. – Bitte. 09.55.49


Abgeordneter Mag. Markus Koza (Grüne): Sehr geehrter Herr Minister! Meine Frage:

195/M

„Welche Maßnahmen sind“ – seitens des Ministeriums – „geplant, um die im inter­natio­nalen Vergleich sehr schlechten Durchimpfungsraten auch zu Standardimpfungen wie Masern oder Pneumokokken zu verbessern?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Ich habe schon versucht, anzudeuten, dass in der letzten Zielsteuerungssitzung mit der Verankerung eines öffentlichen Impfprogramms, das zunächst einmal mit der Influenzaimpfung beginnt und dann natürlich ausgeweitet werden soll, ein Durchbruch gelungen ist. Das war in gewisser Weise schon ein Kraftakt, weil es um die Aufteilung der Finanzierung zwischen Ländern, Sozialversicherung und Bund ging.

Wir beginnen mit der Grippeimpfung – da haben wir eine traditionell extrem niedrige Durchimpfungsrate, das ist klar. Wir müssen auch bei anderen Impfungen weiter­kom­men. Die Masern sind angesprochen worden. Zusätzlich zum Kinderimpfprogramm ist die Impfung gegen Masern, Mumps und Röteln für alle Personen in Österreich, unab­hängig vom Alter, an öffentlichen Impfstellen kostenfrei und sehr niederschwellig. Wir werden mit Aufklärungskampagnen versuchen, wieder eine Compliance zur Impfung zu schaffen, weil klar ist: Wenn wir eine gewisse Höhe der Durchimpfungsraten verlieren, bedeutet das eine Gefährdung der Gesundheit insgesamt.

Wir brauchen in bestimmten Bereichen, bei bestimmten Erkrankungen, Durchimpfungs­raten von 90 Prozent plus, damit auch die 10 Prozent, die nicht geimpft sind, von der sogenannten Herdenimmunität profitieren. Das ist uns klar, und es ist jetzt, glaube ich,


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mit dem Schritt der Implementierung eines öffentlichen Impfprogramms gelungen, ein Gerüst, ein Werkzeug herzustellen, an dem angedockt werden kann. Das muss aus­gebaut werden, das muss natürlich beibehalten werden, aber jetzt überhaupt einmal die Möglichkeit zu haben und das zu schaffen, ist im Zuge der Zielsteuerung ein wirklich großer Schritt.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordneter Mag. Markus Koza (Grüne): Sehr geehrter Herr Minister, eine weitere Frage an Sie: Von welchen Impfungen würden Sie es denn für besonders wichtig halten, dass sie in das Impfprogramm für Erwachsene aufgenommen werden?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Also zunächst würde ich versuchen, zu priorisieren, auch entlang der Wissen­schaft, wo es besonderen Nachholbedarf gibt, und da auch die Benchmark mit anderen europäischen Ländern suchen. Man muss sich aber anschauen, wo Impflücken be­stehen und warum sich das so entwickelt hat.

Wir haben schon entlang der Debatte rund um die Coronaimpfung das Problem erkannt, dass Impfungen an sich oder per se oft in Frage gestellt werden, und zwar völlig egal, völlig wurscht, ob es um die Coronaimpfung geht oder um welche Krankheit auch immer. Was aber nicht sein kann: dass wir dann durch die Hintertür wieder ein Problem mit Masern, Mumps, Röteln oder was auch immer bekommen! Es muss eine Zustimmung insgesamt zum Impfen erreicht werden, indem verankert wird, dass Impfen eine Vor­sorgeleistung darstellt, die gratis ist, die auch zur Verfügung gestellt wird und die man in Anspruch nehmen sollte, weil man damit in Wahrheit sein Kind schützt.

Im Zuge der Implementierung dieses Impfprogramms wird jetzt auch eine umfassende Kampagne aufgesetzt, und es wird auch auf Expertenseite Hearings geben, bei welchen Impfungen da insbesondere angesetzt werden muss.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage: Frau Abgeordnete Fiedler. – Bitte sehr.


Abgeordnete Fiona Fiedler, BEd (NEOS): Herr Präsident! Guten Morgen, Herr Minis­ter! Von den schlechten Durchimpfungsraten haben wir gerade gehört. Mich interessiert in dem Zusammenhang: Wie weit sind der Planungsstand für den Eltern-Kind-Pass und die Neugestaltung im Bereich der Schulgesundheit, um die Durchimpfungsraten bei Kindern zu erhöhen? Wird dabei in Erwägung gezogen, diese verpflichtend zu machen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Wir sind bei der Novelle des Mutter-Kind-Passes oder bei der Digitalisierung des Mutter-Kind-Passes weit fortgeschritten.

Es geht jetzt darum, wie genau zusätzliche Leistungen aufgenommen werden sollen. Ich gehe davon aus, dass wir bis zum Herbst in die Umsetzung kommen. Es ist jedenfalls prioritär angesetzt, weil wir wissen, dass das ein zentrales Instrument ist, um gesund­heitspolitisch gut agieren zu können, und wir dort auch hinschauen müssen.

Was die Schulärztinnen und Schulärzte angeht, ist das meiner Einschätzung nach ein ungehobenes Potenzial, bei dem aber vielleicht auch nachgeschärft werden muss, weil mir Situationen bekannt sind, in denen die Digitalisierung nicht ansatzweise Einzug gehalten hat und die Verfügbarkeit der Daten für die Gesundheitsplanung nicht gegeben ist. Es macht schon Sinn, wenn Schulärztinnen und Schulärzte Untersuchungen vor­nehmen und feststellen, dass es ein besonderes Augenmerk auf, keine Ahnung, adipöse


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Erkrankungen oder koordinative Störungen von Kindern zu legen gibt – dann muss das verfügbar sein. Das ist nicht gegeben, daran arbeiten wir, es ist datenschutzrechtlich nicht ganz simpel. Jedenfalls gibt es im schulärztlichen Bereich ungehobene Möglich­keiten, auf die ich meinen Fokus gelegt habe, um sie besser nützen zu können.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die Frau Abgeordnete stellt gleich die Haupt­frage. – Bitte sehr. 10.01.06


Abgeordnete Fiona Fiedler, BEd (NEOS): Seit dem Tag der Pflege liegt die Pflege­reform auf dem Tisch. Wie Ihnen wahrscheinlich auch selber bewusst ist, ist noch Luft nach oben, um da nachzuschärfen. In dem Zusammenhang interessiert mich Folgendes:

193/M

„Welche Erkenntnisse haben Sie aus dem bisherigen Reformprozess, um in der weiteren Umsetzung die gehobene Pflege stärker zu berücksichtigen?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Zunächst habe ich selbstverständlich im Zuge der Begutachtung eine Reihe von Erkenntnissen gewonnen und bin auch in Gesprächen, was die Umsetzung angeht, wo es Nachschärfungen braucht. Bereits in den Erläuterungen zur GuKG-Novelle 2022 ist angekündigt, dass eine Weiterentwicklung für den gehobenen Dienst für Gesundheits- und Krankenpflege stattfinden wird; dies auch insbesondere im Zusammenhang mit der Vereinheitlichung der Regelungen für Spezialisierungen, was als logische Konsequenz je­denfalls auch für die Überführung der Grundausbildung in den FH-Bereich erforderlich ist.

Der Zugang insgesamt ist schon, sicherzustellen, dass die Durchlässigkeit der Berufs­gruppen zueinander verbessert wird und dass die Aufstiegsmöglichkeiten gesichert sind, um den Beruf auch für Menschen attraktiv zu machen, die sagen: Wenn ich da einsteige, muss ich auch Möglichkeiten haben, mich weiterzuentwickeln!

Ich habe den Einrichtungen, den Stakeholdern, allen angeboten – habe es gestern wie­der gemacht –, mich mit ihnen gemeinsam an einen Tisch zu setzen. Ich kann Ihnen sagen, ich bin nicht so gestrickt, dass ich sage, diese Pflegereform, die heute beschlossen wird, ist ein Schlussbaustein – es ist der Beginn!

Wir werden einen jahrelangen Prozess brauchen, um Arbeitskräfte und Sicherheit in den Gesundheits- und Pflegeberufen insgesamt sicherzustellen. Das wird auf allen Ebenen enorme Anstrengungen brauchen, und das ist nicht mit dem, was jetzt vorliegt, erledigbar, sondern wird Jahre brauchen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage, Frau Abgeordnete? – Bitte.


Abgeordnete Fiona Fiedler, BEd (NEOS): Auch in dem Zusammenhang, Sie haben es eh kurz ausgeführt: Wie weit ist die Evaluierung, die Schulversuche für die Pflege­ausbildungen möglichst bundesweit einheitlich ins Regelwesen zu überführen, und wann können wir mit Vorlagen zu diesem Teil der Reform rechnen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Auch das war gestern Thema, im Austausch mit den Stakeholdern, allerdings muss ich das aus dem Stand beantworten.

Wenn ich es richtig im Kopf habe, sind wir bei der Evaluierung weit fortgeschritten und wohl in der Lage, im Herbst dann konkrete Schritte vorzulegen, aber da muss ich Ihnen im Detail vielleicht noch etwas nachliefern.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 41

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Abgeordnete Scheucher-Pichler. – Bitte. 10.03.41


Abgeordnete Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler (ÖVP): Herr Präsident! Einen schö­nen guten Morgen, sehr geehrter Herr Bundesminister! Die Reform der psychologischen Versorgung in Österreich wurde mit dem Psychologengesetz 2013 eingeleitet, dann ist nicht allzu viel weitergegangen.

Seit 2021 wurden 30 Millionen Euro von der ÖGK zur Verfügung gestellt, um voll finanzierte Therapieplätze in Österreich zu schaffen. Darüber hinaus hat auch die Bun­desregierung kürzlich erfreulicherweise 13 Millionen Euro für die psychische Versorgung von Kindern und Jugendlichen zur Verfügung gestellt, die eben durch die Pandemie besonders belastet waren.

Jetzt geht es darum, als Nächstes das 30 Jahre alte Psychotherapiegesetz zeitgemäß neu zu ordnen. Dazu gehört eine neue Ausbildungsschiene, die internationalen Stan­dards entspricht, mit Spezialausbildungen und vielem mehr, es wird aber auch die psychologische Behandlung als Leistung der Krankenversicherung in das ASVG auf­genommen werden oder sollte meiner Ansicht nach aufgenommen werden. Wichtig ist da die Zusammenarbeit der verschiedenen Bereiche, das Zusammenspiel der statio­nären, der niedergelassenen Bereiche, der Ambulanzen.

Meine Frage:

190/M

„Wie ist der Stand der Planungen zu dem im Regierungsprogramm vorgesehenen stufenweisen Ausbau der Sachleistungsversorgung im Bereich der psychischen Gesundheit mit dem Ziel der Bedarfsdeckung?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Ja, ein altes Thema, das ist mir bekannt. Es stimmt, es gibt keinen Gesamt­vertrag zwischen KV-Träger und Psychotherapeut und deshalb gibt es diese Vereins­lösung.

Wir sind bemüht, im Rahmen eines Konzepts für eine gesamthafte Lösung der psycho­logischen, psychotherapeutischen Versorgung eine Aufstockung und Verbesserung des Zugangs zu erreichen. Es gibt, wenn ich das erwähnen darf, einen Pilotversuch mit diesen 13 Millionen Euro, die zur Verfügung gestellt worden sind, der gemeinsam von Psychologinnen und Psychologen sowie Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten gemacht wird. Das ist schon ein Motivationstreiber, um da weiterzukommen, weil es funktioniert, weil es nachgefragt wird, weil es auch fortgesetzt wird, und das zeigt, dass eine basisnahe Grundversorgung notwendig ist.

Das ist inzwischen, glaube ich, auch angekommen und anerkannt. Die ÖGK baut ihr Angebot so aus, dass wir Ende 2022 wohl etwa 300 000 zusätzliche Therapiestunden haben werden. Ich bin da in guten Gesprächen mit allen und ich orte auch entlang der Notwendigkeit  weil der Bedarf da ist, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen, bei denen die Zahlen während der Pandemie einfach massiv angestiegen sind  die Bereitschaft, sich auch zu bewegen. Wir werden dieses Angebot brauchen, und der Ausbau wird notwendig sein.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte, Frau


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 42

Abgeordnete.


Abgeordnete Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler (ÖVP): Psychische Probleme sind oft auch die Ursache für Frühverrentungen, und gerade im Bereich der Kinder- und Jugendarbeit sind Prävention und Früherkennung ganz, ganz wichtig.

Was planen Sie da? Werden diese Prävention und die Früherkennung ein Schwerpunkt Ihrer Arbeit in der nächsten Zeit sein?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Auch dieses Thema wurde bei der letzten Sitzung der Zielsteuerungs­kom­mis­sion angesprochen. Es wird im Herbst einen eigenen Tagesordnungspunkt dazu geben, und es ist vereinbart, dass sich Bund, Länder, Sozialversicherung dem in konkreten Projekten annähern, um Ausbauschritte zustande zu bekommen.

Es ist wirklich so, dass wir in diesem Bereich auch Förderprojekte wie Gesund aus der Krise haben, niederschwellige Angebote, Stärkung der Kriseninterventionsszene und ‑zentren in Österreich. Ich hatte gestern auch dazu ein Meeting, und es ist klar, dass dieser Bedarf wächst.

Um es abzurunden: Es ist insgesamt auf allen Ebenen klar, dass es dringend erforderlich ist, bei psychotherapeutischen Angeboten, therapeutischen Angeboten insgesamt, bei denen es nicht nur um die körperliche Gesundheit geht – Gesundheitsvorsorge betrifft nicht nur körperliche Gesundheit –, Schritte zu setzen, weil damit auch insgesamt eine prophylaktische Wirkung für dann körperliche Erkrankungen erzielt wird.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Eine Zusatzfrage stellt Abgeordneter Shetty. – Bitte sehr.


Abgeordneter Mag. Yannick Shetty (NEOS): Herr Präsident! Guten Morgen, Herr Minister! Ich möchte anknüpfen: Kinder und Jugendliche waren und sind die Leidtra­genden in dieser Pandemie, mit den Maßnahmen der Bundesregierung wurden ihnen ihre sozialen Kontakte, ihre Freizeit und auch eine unbeschwerte Jugend ein Stück weit genommen. Die Zahlen zu den psychischen Erkrankungen sind explodiert, wir kennen sie alle  zwei Drittel der Mädchen zwischen 14 und 18 haben eine mittelgradige Depression –, und der einzig wirkliche Hebel, um diese Pandemie der psychischen Erkrankungen in den Griff zu bekommen, ist die Übernahme der Kosten für Psycho­therapie durch die Krankenversicherung.

Jetzt muss ich da mit meiner Frage schon noch einmal nachhaken, weil die Antwort bei allem Respekt nicht sehr konkret war. Ich würde gern von Ihnen wissen: Wann konkret kommt die Kostenübernahme durch die Krankenversicherung, insbesondere für Kinder und Jugendliche, in Hinblick auf die Psychotherapie?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Das hängt vom Fortgang der Gespräche mit den Sozialversicherungsträgern ab. Tut mir leid, dass ich keine konkrete Antwort geben kann, ich kann sie jetzt nicht liefern.

Sie können sich aber sicher sein: Mir ist das Problem bewusst, und ich weiß, dass das wird kommen müssen. Die Verhandlungen dazu sind intensiv im Gange, um die Ange­bote auf all diesen Ebenen auszuweiten. Ich weiß, auch aus allen Gesprächen, die ich hatte, und aus internationalen Vergleichen, dass der Handlungsbedarf akut ist.

Es ist also nicht so, dass ich das Problem unterschätze und nicht dringend bemüht bin, eine Lösung zustande zu bekommen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Abgeordneter Keck. – Bitte sehr. 10.09.09



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 43

Abgeordneter Dietmar Keck (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Das Tierschutz­gesetz wird ja heute noch einmal unter einem eigenen Tagesordnungspunkt behandelt. Die Vorgangsweise, wie dieses Gesetz in dieses Haus gekommen ist, ist aus unserer Sicht äußerst problematisch. Daher meine Frage an Sie:

198/M

„Wer war die österreichische Öffentlichkeit – welche NGOs und welche ExpertInnen konkret – die von Ihnen und dem Landwirtschaftsminister bei der heute zu beschließen­den Novelle des Tierschutzgesetzes und des Tiertransportgesetzes einbezogen wurde?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Also das ist erstens ein langer Prozess, und es hat auch eine breite Beteiligung gegeben. Dieser Prozess hat seit 2020 angedauert. Es hat nach dem Tierschutz­volks­begehren ein Hearing im Parlament gegeben, es hat mehrere Tierschutzgipfel gegeben, unter anderem zu Tiertransporten, den letzten im März 2022.

Es hat die Beteiligung der Zivilgesellschaft, der Branche, der NGOs, der Wissenschaft gegeben. Es wurden auch Beschlüsse des Tierschutzrates, des Vollzugsbeirates und der LandestierschutzreferentInnenkonferenz umgesetzt. Es sind im Rahmen der Begut­achtung 52 Stellungnahmen eingelangt, die alle gesichtet worden sind, auf die einge­gangen worden ist. Es sind Privatpersonen, die Vier Pfoten, der Dachverband Tierschutz mit beteiligt gewesen. Der Tierschutzrat wurde bei der letzten Sitzung über die Fort­schritte informiert.

Das heißt, Fazit: Es hat eine breite Beteiligung und Einbeziehung gegeben, und ich kann Ihnen nur sagen: Was da geschaffen wurde, ist ein Meilenstein. Das hat noch niemand zuvor zustande gebracht. Man kann jetzt Kritik daran üben, dass parlamentarische Wege nicht auf Punkt und Beistrich eingehalten worden sind – mag sein , aber am Ende, und das zählt, steht das Ergebnis. Und dieses Ergebnis ist epochal.

Es wird selbst von sehr kritischen Organisationen wie dem VGT zugestanden, dass das, was jetzt geschaffen wurde, einen Meilenstein darstellt und damit ein Weg frei gemacht wird, der seinesgleichen sucht – bei aller Kritik an den langen Übergangsfristen. Wir sind damit eines von drei Ländern in Europa, die das zustande gebracht haben, und das waren nicht sozialdemokratische Minister, die das gemacht haben, sondern ein grüner.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordneter Dietmar Keck (SPÖ): Ob dieses Ergebnis epochal ist, Herr Minister, und wie sich andere Organisationen dazu verhalten, werden wir heute noch diskutieren. Wie man aus den Medien hört, beabsichtigt ja die Regierung eine Verbesserung in einigen Monaten. Das steht heute zum Beispiel in den Medien.

Meine Frage: Wieso peitschen Sie jetzt ein Gesetz durch, wenn Sie sowieso in einigen Monaten eine Änderung haben wollen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Erstens peitschen wir nichts durch und zweitens sind wir laufend bemüht, weitere Verbesserungen zustande zu bringen. Da laufen auch Gespräche mit der AMA, um Übergangsfristen zu verkürzen, es laufen Gespräche über Förderungsmaßnahmen, um sofort Umstellungen zu ermöglichen.

Ich kann Ihnen nur sagen, das, was wir insgesamt an Rückmeldungen bekommen haben: Auf der einen Seite hatten wir auch Widerstände, auf der anderen Seite ist das,


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 44

was jetzt vorliegt, eine Lösung, mit der sich Österreich unter die top drei in Europa gesellt, und das können auch Sie nicht wegdiskutieren.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf die Schülerinnen und Schüler des Borg Bad Leonfelden recht herzlich bei uns begrüßen! (Allgemeiner Beifall.) Wir sind aktuell gerade bei der Fragestunde an Minister Rauch.

Die nächste Zusatzfrage stellt Abgeordneter Strasser. – Bitte.


Abgeordneter Dipl.-Ing. Georg Strasser (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Zwei Zitate einleitend: Der Sprecher der Schweinebranche sagt, dass wir mit diesem Paket weit über den europäischen Standards liegen, und er hält es aus Sicht der Branche für eine machbare Herausforderung. Zweites Zitat, Eva Rosenberg von den Vier Pfoten, die diese Weichenstellung so definiert: Da „gebührt sowohl Tierschutz-Minister Johannes Rauch als auch Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig und der Branche Anerkennung“.

Jetzt meine Frage: Sehr geehrter Herr Bundesminister, wie interpretieren Sie die Strate­giewende der Tierschutzorganisationen hin zu einem stärkeren Vorstelligwerden bei Handel und Gastronomie?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Na ja, das ist aus den vielen Gesprächen, die da stattgefunden haben, relativ leicht und klar erklärbar. Es hat schon auch Einigkeit darin bestanden, dass es auch darum geht, den österreichischen Bäuerinnen und Bauern eine Brücke zu bauen und diesen Transformationsprozess zu ermöglichen, und dass es nicht nur darum geht, Kritik zu üben und Rahmenbedingungen zu verändern, sondern in weiterer Folge auch – und das ist der Punkt – die einzelnen Stakeholder in die Pflicht zu nehmen. Da gehören natürlich der Handel oder der Lebensmitteleinzelhandel dazu.

Wir haben sozusagen auf der einen Seite die Produzentinnen und Produzenten, die unter bestimmten Bedingungen produzieren, auf der anderen Seite die Konsumentinnen und Konsumenten, die einkaufen wollen, und dazwischen den Lebensmittel­einzel­handel, der dadurch, durch diese Position, eine mächtige Stellung hat. Das war auch der Punkt, warum ich zu Branchengesprächen den Lebensmittelhandel eingeladen habe: um zu überlegen, wie man dort auch Rahmenbedingungen schaffen kann, die Nach­vollziehbarkeit gewährleisten.

So fair, finde ich, muss man schon sein, dass dann Produzentinnen und Produzenten für die Produkte, die sie erzeugen, einen fairen Preis bekommen. Es kann nicht sein, dass auf der Produzentenseite oder auf der Konsumentenseite eine Belastung stattfindet und beim Lebensmitteleinzelhandel nicht.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Eine Zusatzfrage stellt Frau Abgeordnete Voglauer. – Bitte.


Abgeordnete Dipl.-Ing. Olga Voglauer (Grüne): Sehr geehrter Herr Minister! Sie haben schon gesagt: Mit dem Vollspaltenbodenverbot und dem Tierschutzpaket gelingt ein Meilenstein. Wenn man sich das Vollspaltenverbot anschaut, dann sieht man, es sind 17 Jahre bis 2039, die man einzeln nicht betrachten kann. Da wird es einige Begleit­maßnahmen geben. Welche werden das sein, und wie wird sich da das Gesund­heits­ministerium einbringen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Also zunächst muss festgehalten werden – die lange Übergangsfrist ist kritisiert


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worden –: Bereits ab 1.1.2023 wird es nicht mehr möglich sein, Neubauten oder Um­bauten in diesem Bereich mit Vollspaltenböden zu bewerkstelligen.

Es wird vonseiten der AMA initiierte Projekte geben, um diesen Umstellungsprozess auch zu beschleunigen. Es wird, das hat Minister Totschnig auch angekündigt, Begleit­förderungen geben, um Anreize zu schaffen, diesen Umstieg rascher zustande zu bekommen und das, was ich gesagt habe, diesen Transformationsprozess, auch zu be­schleunigen.

Die Übergangsfrist ist ein Maximalendpunkt, und es wird natürlich alles getan, ge­meinsam mit der Branche, gemeinsam mit dem Landwirtschaftsministerium, gemeinsam mit der AMA, gemeinsam mit dem Lebensmittelhandel, um diesen Transformations­prozess rascher bewerkstelligen zu können.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die letzte Anfrage stellt Abgeordneter Smolle. – Bitte sehr. 10.15.59


Abgeordneter Dr. Josef Smolle (ÖVP): Herr Präsident! Guten Morgen, Herr Bundes­minister! Ich komme noch einmal zurück auf die ärztliche Versorgung im niedergelas­senen Bereich. Wir wissen, die Allgemeinmedizin ist so das Rückgrat der wohnortnahen medizinischen Versorgung. Die medizinischen Universitäten, die medizinische Fakultät setzt ja bei den Studierenden bereits Schwerpunkte in diese Richtung. Es kommt jetzt auch darauf an, die postgraduale Ausbildung in den Spitälern und Lehrpraxen ent­sprechend attraktiv zu machen und dann auch überhaupt das Berufsbild der nieder­gelassenen kassenvertragsärztlichen Allgemeinmedizinerinnen und Allgemeinmediziner weiterzuentwickeln.

Meine konkrete Frage ist, auch im Zusammenhang damit, dass ja die Idee Facharzt für Allgemeinmedizin seit mehr als zwei Jahrzehnten diskutiert wird:

191/M

„Was werden Sie tun, um den Nachwuchs in der Allgemeinmedizin sicher zu stellen?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Ja, es ist schon andiskutiert worden: Die Stärkung der Primärversorgung ist ein zentrales Anliegen meines Hauses. Wir haben da einerseits 100 Millionen Euro aus dem EU-Resilienzfonds sicherstellen können und damit wesentlich zum Ausbau von Primärversorgungszentren beitragen können.

Die zweite Schiene muss, wie von Ihnen angesprochen, das Berufsbild sein, und ja, wir arbeiten intensiv an der Entwicklung des Facharztes, der Fachärztin für Allgemein­medizin. Das ist eine ganz wesentliche Aufwertung sowie in gewisser Weise auch Gleichstellung und stellt sicher, dass damit insbesondere Jungmediziner, Jungmedizi­nerinnen ein attraktives Angebot bekommen.

Die Krankenversicherungsträger haben darüber hinaus einen Maßnahmenkatalog zur Attraktivierung der Allgemeinmedizin vereinbart: flexible Ordinationsmodelle, unter­schiedliche Berufspraxenmodelle, Anstellungsmöglichkeiten, Teilzeitmöglichkeiten, Über­windung bürokratischer Hürden, Ausbau der Primärversorgung, attraktive Entlohnung – also Gesamtpakete, um genau das zu tun: entlang der Lebensrealitäten von jungen Medizinerinnen und Medizinern Angebote zu schaffen, die es attraktiv machen, dort einzusteigen, auch die Sicherheit zu geben, das gut ausüben zu können – weil oft die Angst besteht, wie man das macht, wenn man frisch von der Uni kommt und in den


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niedergelassenen Bereich geht –, mit Lehrpraxen, all diesen Dingen. Der Fokus liegt intensiv darauf, den Nachwuchs in der Allgemeinmedizin sicherzustellen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordneter Dr. Josef Smolle (ÖVP): Der niedergelassene Bereich umfasst natürlich auch die Sonderfächer, und da ist es so, dass es in verschiedenen Bereichen Mängel, Versorgungsengpässe gibt. Bekannt ist das in der Kinderheilkunde, auch in der Gynä­kologie – da besonders betreffend weibliche GynäkologInnen –, aber regional auch in der Augenheilkunde, da und dort im Bereich Hauterkrankungen, Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde. Dann gibt es natürlich noch die echten Mangelfächer Psychiatrie und ganz besonders Kinder- und Jugendpsychiatrie. In anderen Sonderfächern, die auch genannt wurden, gibt es dazu eigentlich mehr als 7 000 Wahlärztinnen und Wahlärzte in Öster­reich, und es geht jetzt wirklich darum, die kassenärztliche Versorgung flächendeckend sicherzustellen.

Deshalb die ergänzende Frage: Was beabsichtigen Sie, hinsichtlich der kassen­ärzt­lichen Versorgung mit den Sonderfächern zu machen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Das kennen wir alle wahrscheinlich auch aus eigener Erfahrung, wenn es darum geht, einen Termin bei der Augenärztin, beim Augenarzt oder bei jemand anderem in den von Ihnen angesprochenen Fächern zu bekommen. Da geht es sehr wohl vor allem darum, im Tarifbereich zur Stärkung die höhere Honorierung möglich zu machen, und insgesamt, zum Beispiel bei der kinderärztlichen Versorgung, auch auf mehreren Stra­tegien aufzubauen.

Wir brauchen eine zahlenmäßige Ausweitung der Planstellen in Österreich. Zum Beispiel ist in Oberösterreich bis 2025 ein Ausbau um weitere vier Stellen vorgesehen. Wir brauchen für bereits besetzte Planstellen Anreize, die zeitliche Versorgung auszuweiten, also das Angebot der Verfügbarkeit auszuweiten. Da wurde zum Beispiel in Wien ein Bonusmodell für erweiterte Öffnungszeiten geschaffen, das halte ich für eine gute Möglichkeit, Mindestöffnungszeiten sicherzustellen. Es gibt Modelle für gut bezahlte, sehr gut bezahlte Wochenend- und Feiertagsbereitstellung der Dienstleistungen, weil es einfach oft so ist, dass man da niemanden findet. Das kann nur gemacht werden, indem das auch abgegolten wird, und ja, da muss man auch Geld in die Hand nehmen. Es geht um die Etablierung multiprofessioneller Modelle wie Kindergesundheitszentren und PVEs mit kinderärztlicher Beteiligung. In Salzburg und Oberösterreich hat die ÖGK beispielsweise das Projekt Lehrpraxis Kinderheilkunde ins Leben gerufen.

Es gibt also eine ganze Reihe von Maßnahmen, und Sie haben recht, es geht darum, das Angebot sicherzustellen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich danke schön. Ich danke dem Herrn Minister für die ausführlichsten Beantwortungen sowie allen Fragestellern. Die Fragestunde ist somit beendet, weil keine Frage mehr aufzurufen ist. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP und bei den Grünen.)

10.21.17Einlauf und Zuweisungen


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegen­stände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 47

A. Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Schriftliche Anfragen: 11573/J bis 11691/J

Schriftliche Anfrage an den Präsidenten des Nationalrates:

53/JPR

2. Anfragebeantwortungen: 10664/AB bis 10669/AB

3. Regierungsvorlage:

Bundesgesetz, mit dem das Zahnärztegesetz und das Zahnärztekammergesetz geändert werden (1657 d.B.)

B. Zuweisungen in dieser Sitzung:

a) zur Vorberatung:

Ausschuss für Arbeit und Soziales:

Antrag der Abgeordneten Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausgestaltung des Schulstartpakets (2691/A(E))

Antrag der Abgeordneten Fiona Fiedler, BEd, Kolleginnen und Kollegen betreffend Berücksichtigung des Behindertenbereichs in der Pflegereform (2698/A(E))

Antrag der Abgeordneten Fiona Fiedler, BEd, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kostenanalyse Pflege (2700/A(E))

Gesundheitsausschuss:

Antrag der Abgeordneten Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen betreffend bundesweite freiwillige und kostenlose Antikörpertests zur Schaffung einer umfassenden Datenlage zu Covid-19 (2685/A(E))

Antrag der Abgeordneten Fiona Fiedler, BEd, Kolleginnen und Kollegen betreffend Reform des Primärversorgungsgesetzes (2697/A(E))

Antrag der Abgeordneten Fiona Fiedler, BEd, Kolleginnen und Kollegen betreffend Berücksichtigung des Behindertenbereichs in der Pflegereform (2699/A(E))

Antrag der Abgeordneten Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen betreffend rasche Maßnahmen zur Erhöhung der Impfbereitschaft (2705/A(E))

Antrag der Abgeordneten Mario Lindner, Kolleginnen und Kollegen betreffend sexuelle Gesundheit leistbar machen – STI-Tests kostenfrei ermöglichen (2706/A(E))

Antrag der Abgeordneten Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sicherstellung einer dauerhaften finanziellen Absicherung von Hepatitis-C-Opfern, welche sich durch Plasmaspenden infiziert haben (2709/A(E))

Gleichbehandlungsausschuss:

Antrag der Abgeordneten Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abbau der Altersdiskriminierung in Österreich (2688/A(E))

Antrag der Abgeordneten Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen betreffend öster­reichweiter Ausbau der Ambulanzen für peripartal-Psychiatrie (2689/A(E))

Antrag der Abgeordneten Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Nen­nung der Nationalität von Tätern bei Sexualdelikten (2690/A(E))

Antrag der Abgeordneten Mag. Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen betreffend Integrationsvereinbarung um individuelle Fördermaßnahmen ergänzen (2694/A(E))


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 48

Antrag der Abgeordneten Mag. Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen betreffend Staatsbürgerschaftshürden für Adoptiveltern aufheben (2695/A(E))

Antrag der Abgeordneten Henrike Brandstötter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erweiterung der Gewaltschutzlandkarte (2701/A(E))

Antrag der Abgeordneten Henrike Brandstötter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einheitliche Richtlinien bei Sexualdelikten (2702/A(E))

Ausschuss für innere Angelegenheiten:

Antrag der Abgeordneten Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 2005 – AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005, sowie das Bundesgesetz über die Ausübung der Fremdenpolizei, die Ausstellung von Dokumenten für Fremde und die Erteilung von Einreisetitel (Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG), BGBl. I Nr. 100/2005, geändert werden (2687/A)

Justizausschuss:

Antrag der Abgeordneten Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen betreffend not­wendige Reform des Straftatbestandes des Amtsmissbrauchs (2684/A(E))

Antrag der Abgeordneten Mag. Harald Stefan, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlungen (Strafgesetzbuch – StGB), BGBl. Nr. 60/1974, geändert wird (2686/A)

Antrag der Abgeordneten Mag. Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen betreffend Staatsbürgerschaftshürden für Adoptiveltern aufheben (2696/A(E))

Unterrichtsausschuss:

Antrag der Abgeordneten Mag. Martina Künsberg Sarre, Kolleginnen und Kollegen betreffend Digitale Endgeräte für Schülerinnen und Schüler aus der Ukraine (2692/A(E))

Verfassungsausschuss:

Antrag der Abgeordneten Mag. Wolfgang Gerstl, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Kollegin­nen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesministeriengesetz 1986 und das ÖIAG-Gesetz 2000 geändert werden (Bundesministeriengesetz-Novelle 2022) (2683/A)

Antrag der Abgeordneten Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend Selbstverwaltung von Volksgruppen (2693/A(E))

Verkehrsausschuss:

Antrag der Abgeordneten Dr. Johannes Margreiter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Barrierefreie Züge und Bahnhöfe (2703/A(E))

Antrag der Abgeordneten Dr. Johannes Margreiter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Reisen mit Kinderwagen (2704/A(E))

Antrag der Abgeordneten Maximilian Lercher, Kolleginnen und Kollegen betreffend "LKW-Mautflucht beenden und § 43 StVO reformieren!" (2708/A(E))

Wissenschaftsausschuss:

Antrag der Abgeordneten Mag. Eva Blimlinger, Kira Grünberg, Kolleginnen und Kollegen betreffend Evaluierung des Ausbildungsangebots zur:zum ÖGS-Dolmetscher:in (2707/A(E))

b) zur Enderledigung im Sinne des § 28b GOG (vorbehaltlich der endgültigen Entscheidung des Ausschusses):


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Justizausschuss:

Bericht nach § 3 Abs. 5 des Bundesgesetzes über die Errichtung des COVID-19-Krisenbewältigungsfonds für Juni 2022, vorgelegt von der Bundesministerin für Justiz (III-694 d.B.)

*****

Ankündigung einer Dringlichen Anfrage


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die Abgeordneten Amesbauer, Kolleginnen und Kollegen haben das Verlangen gestellt, die vor Eingang in die Tagesordnung einge­brachte schriftliche Anfrage 11691/J der Abgeordneten Amesbauer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend „ÖVP-Asyl-Propaganda statt Maßnahmen gegen Zuwanderungswahnsinn und Migrationskostenexplosion“ dringlich zu behandeln.

Gemäß der Geschäftsordnung wird die Dringliche Anfrage um 15 Uhr aufgerufen.

Behandlung der Tagesordnung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Es ist vorgeschlagen, die Debatten über die Punkte 1 bis 7, 8 und 9, 12 bis 14, 15 bis 21, 22 und 23, 24 und 25, 26 und 27 sowie 29 und 30 der Tagesordnung zusammenzufassen.

Sind alle damit einverstanden? Gibt es einen Einwand? – Das ist nicht der Fall.

Redezeitbeschränkung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Es wurde in der Präsidialkonferenz Konsens über die Dauer der Debatten erzielt. Gemäß der Tagesblockzeit von 9,5 „Wiener Stunden“ entfallen auf die ÖVP 185, auf die SPÖ 128, auf die FPÖ 105, auf die Grünen - - (Rufe bei der ÖVP: Mikro!) – Ich wiederhole: auf die ÖVP 185, auf die SPÖ 128, auf die FPÖ 105, auf die Grünen 95 sowie auf die NEOS 76 Minuten.

Gemäß § 57 Abs. 7 der Geschäftsordnung beträgt die Redezeit für die gesamte Tagesordnung von den Abgeordneten, die keinem Klub angehören, 38 Minuten. Die Redezeit pro Debattenbeitrag wird auf 5 Minuten begrenzt.

Ich darf die Damen und Herren, die damit einverstanden sind, um ein Zeichen bitten. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir gehen sogleich in die Tagesordnung ein.

10.23.171. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 2653/A der Abgeordneten August Wöginger, Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz geändert wird (GuKG-Novelle 2022) (1616 d.B.)

2. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 2654/A der Abgeordneten August Wöginger, Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kollegen


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betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über einen Zweck­zu­schuss an die Länder für die Jahre 2022 bis 2025 zur Attraktivierung der Aus­bildung von Pflegeberufen (Pflegeausbildungs-Zweckzuschussgesetz – PAusbZG) erlassen wird (1617 d.B.)

3. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 2655/A der Abgeordneten August Wöginger, Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundespflegegeldgesetz geändert wird (1618 d.B.)

4. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 2656/A der Abgeordneten August Wöginger, Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über einen Zweck­zuschuss an die Länder für die Jahre 2022 und 2023 für die Erhöhung des Entgelts in der Pflege (Entgelterhöhungs-Zweckzuschussgesetz – EEZG) erlassen wird (1619 d.B.)

5. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 2349/A(E) der Abgeordneten Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen betreffend Pflegeoffen­sive sofort in Angriff nehmen (1620 d.B.)

6. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 2339/A(E) der Abgeordneten Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Förderung der Übergangspflege (1621 d.B.)

7. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 2478/A(E) der Abgeordneten Fiona Fiedler, BEd, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kosten­analyse Pflege (1622 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Es sind dies die Berichte des Ausschusses für Arbeit und Soziales. Hinsichtlich der einzelnen Ausschussberichte verweise ich auf die Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Schon in Vorbereitung ist der erste Redner, Herr Abgeordneter Muchitsch. – Das Wort steht bei Ihnen, bitte sehr.


10.23.35

Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geschätzte Damen und Herren! Wir behandeln jetzt ein Pflegepaket – vier Gesetzes­initiativen –, das verschiedene Punkte umfasst. Ich schicke gleich voraus, dass dieses Pflegepaket weder ein großer Wurf noch eine Pflegereform ist.


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Es gibt einen Bereich, den wir unterstützen werden, das ist der Bereich des Bun­despflegegeldes. Die anderen Teile dieser Gesetzesinitiativen sind für uns aber weder nachhaltige noch langfristige Lösungen der Probleme. Das, was Sie hier heute vorlegen, ist nicht die große Reform und löst vor allem nicht die Problematik, dass wir bis 2030 76 000 zusätzliche Pflegekräfte in unserem Land brauchen.

Das, was hier vorgelegt wird, ist Stückwerk. Was nicht vorgelegt wird: Es gibt keinen Pflegegarantiefonds, der kostenlose Pflegeleistungen sichert. Es gibt keine nachhaltige Ausbildungsoffensive für Pflegeberufe. Was Sie schaffen, ist ein Ausbildungsbonus von 600 Euro im Monat, mit dem man nicht sozialversichert ist und der auch nicht ausreicht, um entsprechend davon leben zu können. Sie verbessern die Arbeitssituation für 158 000 betroffene Beschäftigte in Pflege- und Gesundheitsberufen nicht.

Dieses Paket löst auch nicht den Fachkräftemangel. Warum? – Wenn man den Fach­kräftemangel auch in diesem Bereich der Pflege lösen will, braucht es drei wesentliche Schwerpunkte. Das eine ist Einkommen, das versuchen Sie, einmal für zwei Jahre zu lösen; das Zweite sind bessere Arbeitsbedingungen, wobei Sie alle Anträge der SPÖ betreffend Lösung der Nachtschichtproblematik, Einführung einer Schwerarbeits­rege­lung für diese Menschen, die Pflege leisten und Dienst am Menschen tun, abgelehnt haben; und das Dritte, was das Paket auch nicht umfasst, ist Wertschätzung: Wert­schätzung für alle Menschen, die mit der Pflege befasst sind. (Beifall bei der SPÖ.)

Es geht auch um Wertschätzung für die pflegenden Angehörigen. Wir wissen, dass es rund 930 000 pflegende Angehörige in Österreich gibt, und Sie haben einen Pflege­bonus für nur 23 000 Menschen geplant, nämlich jene 23 000 Menschen, die ihren Job aufgegeben haben, damit sie zu Hause ihre Angehörigen pflegen können, und diese planen Sie, mit 4 Euro pro Tag abzuspeisen. 4 Euro pro Tag für jemanden, der zu Hause die Pflege übernimmt: Wissen Sie, was 4 Euro pro Tag entspricht? – Das ist laut heutiger Abfrage 1 Kilo Brot beim Bäcker. 1 Kilo Brot pro Tag für jene Menschen, die ihre Familienangehörigen zu Hause pflegen – das ist ein Almosen, das ist zu wenig!

Ihr habt jetzt Wochen gebraucht, um – aufgrund unserer Kritik, aufgrund unserer Dis­kussion – draufzukommen, dass das nicht gut ist, dass das zu wenig ist, dass das ein Almosen ist. Weil die pflegenden Angehörigen etwas anderes brauchen: Die pflegenden Angehörigen brauchen mehr Angebot an Tageszentren. (Beifall bei der SPÖ.)

Die pflegenden Angehörigen brauchen mehr Angebot an mobilen Diensten. Die pfle­genden Angehörigen brauchen ein Angebot, das es ihnen ermöglicht, wenigstens für ein paar Stunden am Tag etwas anderes zu tun, ein Angebot, mit dem sie entlastet werden – nicht abgespeist.

Heute Nacht haben Sie uns einen Abänderungsantrag übermittelt, in dem drinnen steht, der Pflegebonus kommt, er wird heute beschlossen. Auf Seite 4 in der Begründung findet sich eine Zeile: „Korrektur von Redaktionsversehen“. Das heißt, ihr habt euch seit Wochen, seit Monaten verschaut und nicht gemerkt, dass da etwas Falsches drinnen steht, was niemand will, weil es einfach zu wenig ist. Das ist Chaos pur (Abg. Heinisch-Hosek: Ja!), das ist Husch-Pfusch, und das geht in dieser Regierung so weiter. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn ihr, lieber August Wöginger, diesen Pflegebonus jetzt neu verhandelt, dann macht es doch bitte wirklich gescheit. Schaut in das Burgenland (Abg. Maurer: Geh bitte! – Abg. Wöginger: Ja genau! Verstaatlichung!), wo es eine Anstellung der pflegenden Angehörigen gibt, wo die Leute sozialversichert sind und ein Einkommen bekommen, aber speist sie nicht wieder mit 4 Euro am Tag ab! Da hilft es auch nichts, wenn ihr jetzt plant, dass ihr die Pensionistinnen und Pensionisten mitaufnehmt. Ihr lasst ja wieder einen Teil zurück, nämlich jene Menschen, die von Vollzeit auf Teilzeit gegangen sind, damit sie zu Hause ihre Angehörigen pflegen können. (Abg. Heinisch-Hosek: Frauen!)


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Das sind überwiegend Frauen, und die lasst ihr mit diesen Gedanken wieder übrig. (Abg. Wöginger: Das ist ja nicht wahr! Das stimmt ja gar nicht!) Wenn ihr es schon neu macht, dann macht es wirklich gescheit, macht es besser (Abg. Wöginger: Das stimmt gar nicht, was du da sagst!) und nicht mit Almosen von 4 Euro brutto pro Tag, gleich viel, wie 1 Kilo Brot kostet. (Beifall bei der SPÖ.)

Abschließend: Dieses Paket, das heute hier von den Regierungsparteien vorgetragen, eingebracht und beschlossen werden soll, bringt keine Strukturreformen, weder im Ausbau der Pflege noch in der Nachhaltigkeit. Das bringt keine Wertschätzung gegen­über dem Personal, den 158 000 Beschäftigten, weil weder die Schwere der Arbeit anerkannt, noch die Einkommen langfristig gesichert werden.

Es ist keine nachhaltige, gesicherte Finanzierung, wenn ihr jetzt sagt: Für zwei Jahre geben wir einfach den Ländern Geld (Abg. Wöginger: Ja!), löst das dann, wie ihr es macht, aber macht es ganz einfach! Was danach ist, darüber müssen wir irgendwann einmal später ein bissl reden – beim Finanzausgleich! (Abg. Wöginger: Finanz­aus­gleich, lieber Freund!) – Ja, super, später!

Das ist nicht nachhaltig (Abg. Wöginger: Finanzausgleich! – Abg. Steinacker: ... Finanz­ausgleich!) und es gibt keine Anerkennung der über 900 000 pflegenden Angehörigen. Eine Pflegereform schaut anders aus. (Abg. Obernosterer: ... schlechtreden! Nur schlechtreden!) Das, was ihr hier macht, ist ein Stückwerk, das ist ein Beweis dafür, dass das Chaos nach der Pandemie, nach der Teuerung jetzt auch in der Pflege fortgesetzt wird, und es löst nicht das Problem, dass wir 76 000 zusätzliche Arbeitskräfte brauchen. Bitte, beendet dieses Chaos, macht den Weg frei für Neuwahlen! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Obernosterer: ... besser machen, nicht?)

10.30


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Klubobfrau Sigrid Maurer. – Bitte sehr.


10.30.39

Abgeordnete Sigrid Maurer, BA (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher, auch auf der Galerie! Es erfüllt mich mit wirklich großer Freude, dass wir heute dieses Pflegepaket beschließen. Das, was wir vor ein paar Wochen vorgestellt haben, ist tat­sächlich die größte Pflegereform seit Jahrzehnten. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Egal, ob es um die Versorgung von einem geliebten Menschen aus der eigenen Familie geht oder ob wir irgendwann selber darauf angewiesen sind: Die Pflege ist ein Thema, das uns alle an einem Punkt in unserem Leben ganz direkt betrifft.

Ich war im Juni in Vorarlberg bei meiner Kollegin Landesrätin Katharina Wiesflecker in einem Pflegeheim in Alberschwende, habe mir das vor Ort angeschaut, mit den Be­wohnerInnen gesprochen und mir angesehen, was das Pflegepersonal dort leistet. Diese Besuche waren in den letzten beiden Jahren coronabedingt sehr schwer möglich, aber bei diesem Besuch ist mir noch einmal besonders aufgefallen: Wir reden immer davon, dass der Pflegeberuf so ein harter Beruf ist. Das, was Pflegekräfte leisten, geht aber weit, weit über das, was die körperliche Arbeit betrifft, hinaus. Pflegekräfte sind ganz wichtige Bezugspersonen, sie gestalten den Alltag der Bewohnerinnen und Bewohner in den Heimen, sie spenden Trost, wenn er gebraucht wird. Es ist das nette Wort, es ist die Begrüßung am Morgen, die die Qualität ausmachen.

Die Bewohner und Bewohnerinnen in diesem Pflegeheim haben alle gesagt, es geht ihnen gut, sie sind grundsätzlich zufrieden, aber sie haben eine große Sorge – und das haben sie alle gesagt –, nämlich betreffend die Belastungsgrenzen ihrer BetreuerInnen,


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ihrer Pflegekräfte. Sie haben uns mitgegeben: Bitte schaut, dass das besser wird, schaut, dass mehr Geld da ist, dass mehr Personal da ist, damit sie nicht überlastet werden! – Das war ganz eindringlich, und mit dieser Pflegereform, die wir hier heute auf den Tisch legen und die wir heute in ersten Teilen beschließen, machen wir genau das: Wir verbessern die Situation der Pflegekräfte ganz maßgeblich. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wenn wir über die Zukunft der Pflege reden, dann geht es nicht nur um die Gesundheit und das Wohlbefinden der pflegebedürftigen Menschen, sondern es geht genauso um die Gesundheit und das Wohlbefinden der Menschen, die die Pflegearbeit leisten, in den unterschiedlichsten Einrichtungen, in der mobilen Pflege und in der eigenen Familie.

Diese Gespräche haben mich noch einmal darin bestätigt, dass das, was wir hier vor­legen, tatsächlich das ist, was es braucht. Ich glaube, das ist die Grundvoraussetzung für gute Politik: Dieser Pflegereform sind ganz umfängliche, ausgeweitete Gespräche, runde Tische, ein großer StakeholderInnenprozess vorausgegangen, bei denen sehr, sehr viele Institutionen eingebunden waren, Betroffene eingebunden waren, noch ge­startet unter Rudi Anschober, und mit Johannes Rauch bringen wir jetzt diese Pflege­reform zu Ende.

Was machen wir in diesem Paket? – Wir nehmen nicht nur 520 Millionen Euro, sondern wir nehmen jetzt 570 Millionen Euro in die Hand, um die Gehälter der Pflegekräfte auf­zubessern. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.) Das macht im Schnitt etwa ein zusätzliches Monatsgehalt im Jahr aus, und ich bin froh, dass es auch gelungen ist, dass wir die Pflegekräfte, die BegleiterInnen von Menschen mit Behinderungen jetzt mit aufnehmen konnten – deshalb auch diese 50 Millionen Euro Steigerung –, denn auch diese sollen gut inkludiert sein.

Es ist ganz klar, Kollege Muchitsch: Das muss die Basis für dauerhafte Verbesserungen sein. Sie wissen genau, wie die Kompetenzverteilung ist, es sind da die Länder zustän­dig. Ich muss schon sagen, dass mich das etwas verwundert: Wir kennen Sie als engagierten, erfolgreichen Gewerkschafter, der an sich immer das tut, was für die ArbeitnehmerInnen im Land gut und richtig ist. Ich kann Ihre Kritik an diesem Teil nicht nachvollziehen, und es wundert mich ein bisschen, dass das Selbstbewusstsein auf­seiten der Gewerkschaft offensichtlich fehlt und dass die Gewerkschaft es sich nicht zutraut, die Verbesserungen, die wir jetzt mit über 1 Milliarde Euro für die Gehälter er­reichen, nach den zwei Jahren, die wir jetzt bereits abgesichert haben, weiter ein­zufordern. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir haben in diesem Gesetz ganz, ganz viele Maßnahmen drinnen, die nicht nur das Gehalt betreffen, sondern auch für die Entlastung der Pflegekräfte sorgen. Wir haben eine einheitliche Mehrstundenregelung für Nachtdienste und eine zusätzliche Entlas­tungswoche. Wir sorgen dafür – und das ist ja die große Herausforderung –, dass wir die Pflegekräfte bekommen, die wir brauchen. Es sind nicht nur 76 000, es sind wohl 100 000, Kollege Muchitsch, die wir brauchen, und es gibt nicht nur 600 Euro Aus­bildungsbonus für die, die in Erstausbildung sind, nein, es gibt auch 1 400 Euro Stipen­dium für Menschen, die in diesen Beruf umsteigen wollen. Das ist natürlich Geld, mit dem man sich die Lebenshaltungskosten leisten kann. Niemand hindert ein Bundes­land – beispielsweise das Burgenland – daran, noch weitere Maßnahmen zu setzen.

Die pflegenden Angehörigen wurden angesprochen: Auch da gibt es Unterstützung mit dem Angehörigenbonus in Höhe von 1 500 Euro. Wir werden noch weiter daran arbeiten, was den BezieherInnenkreis betrifft.

Wir haben in diesem Gesetz auch auf ganz viele Forderungen aus der Praxis reagiert, was die Kompetenzverteilung betrifft. Wir haben auch die Reaktionen aus der Branche gehört, von der Caritas über die Diakonie, die Bundesländer, andere NGOs bis hin zu


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den VertreterInnen der zu Pflegenden. Dieses Paket ist riesig, und es ist genau das Paket, auf das seit Jahren, seit Jahrzehnten gewartet wird, das es unter anderen Regierungen nicht gegeben hat und das es jetzt unter einer schwarz-grünen Bun­desregierung gibt. Ich bin durchaus auch stolz darauf, dass das jetzt gelingt. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir legen heute den Grundstein, mit dem wir die Pflege in Österreich nachhaltig und langfristig sichern und verbessern – für alle Menschen, die Pflege brauchen, und das oft rund um die Uhr; für die unglaublich engagierten Pflegekräfte, die Tag und Nacht alles in ihrem Job geben und dabei weit mehr leisten als die physische Pflegearbeit im engsten Sinn; für Menschen aller Altersstufen, denen wir den Einstieg und Umstieg in einen zukunftssicheren Pflegeberuf ermöglichen, mit einer attraktiven und zugänglichen Aus- und Weiterbildung; und für die vielen pflegenden Angehörigen, die dafür sorgen, dass ihre liebsten Angehörigen gut gepflegt, gut betreut zu Hause, in ihrer vertrauten Umgebung leben können. (Beifall bei Abgeordneten von Grünen und ÖVP.)

Ja, das ist ein sehr großer Schritt, weitere werden folgen. Ich bin auch vollkommen d’accord mit der Forderung, dass Tageszentren ausgebaut werden müssen et cetera. Verantwortlich sind da die Länder, und daher kommt an dieser Stelle auch meine Aufforderung an alle Fraktionen hier: Wir brauchen in diesem Bereich die konstruktive Zusammenarbeit mit den Bundesländern, in denen auch Sie, liebe Sozialdemokratie, Verantwortung tragen. Arbeiten wir gemeinsam an einer nachhaltigen Verbesserung in der Pflege, im Sinne aller Menschen in unserem Land! – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

10.39


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Abgeordneter Stöger zu Wort gemeldet. – Bitte.


10.39.11

Abgeordneter Alois Stöger, diplômé (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Die Klubvorsitzende Maurer hat behauptet, es werde heute über die Nachtstunden der Pflegepersonen, über den Angehörigenbonus und über das Pflegestipendium verhan­delt. – Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist unrichtig.

All diese Themen werden in der heutigen Beratung nicht behandelt, daher ist das nur mehr Show und hängt nicht mit dem zusammen, was heute auf der Tagesordnung steht.

Liebe Regierungsparteien, geht zum Handeln über (Abg. Steinacker: Stopp, stopp, stopp! – weitere Zwischenrufe bei der ÖVP) und macht keine Show! (Beifall bei der SPÖ.)

10.39


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Das ist keine tatsächliche Berichtigung, Herr Abgeordneter! Das ist eine politische Wertung und keine tatsächliche Berichtigung. (Abg. Belakowitsch: ... der erste Teil schon!)

Abgeordneter Kaniak ist zu Wort gemeldet. – Bitte.


10.40.12

Abgeordneter Mag. Gerhard Kaniak (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bun­desminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuhörer! Abgeordnete Maurer hat aus meiner Sicht nur in einem einzigen Punkt recht gehabt, nämlich, dass die Pflegemisere tatsächlich schon seit Jahrzehnten besteht. Wenn man sich allerdings die jüngere Vergangenheit ansieht, dann muss man leider feststellen, dass es nun fast drei Jahre gedauert hat, bis ein relativ umfangreiches Pflegereformkonzept, das unter


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der freiheitlichen Gesundheitsministerin Hartinger-Klein 2019 in Ausarbeitung war und im Ministerium seit knapp drei Jahren schlummert, nun teilweise endlich wieder aufge­griffen wird.

Das ist auch das Positive, das ich festhalten möchte. Der nunmehr dritte grüne Gesund­heitsminister versucht zumindest, die Probleme im Pflegebereich tatsächlich anzu­gehen – und dafür zolle ich Ihnen, Herr Bundesminister, auch Respekt, dass Sie es zumindest versuchen, auch wenn wir im Detail – sowohl am Vorgehen als auch an den Inhalten, die heute beschlossen werden sollen – durchaus noch einiges an Kritik haben.

Zunächst möchte ich einmal mit dem Vorgehen der Bundesregierung beginnen: wie diese Gesetzesvorlagen überhaupt entstanden sind, wie diese Gesetzwerdung begleitet wird und wie hier auch mit dem Parlament und den demokratischen Institutionen um­gegangen wird.

Da stellen sich die Minister und Klubobleute hin, machen eine Pressekonferenz und kündigen eine Pflegereform an – die in keinster Weise gesetzlich vorbereitet ist, die nicht einmal irgendwo eine Gesetzesnovelle in Begutachtung oder Ähnliches gehabt hat –, basierend auf innergremialen Beschlüssen, die dann Stück für Stück geändert werden, und von der von den ursprünglichen Ankündigungen bis zum heutigen Tag fast überhaupt nichts mehr in der Form, wie ursprünglich angekündigt, vorhanden ist.

Da werden die Ausschüsse, der Gesundheitsausschuss und der Sozialausschuss, mit kurzfristigen, teilweise innerhalb der 24-Stunden-Frist liegenden Gesetzesnovellen und Abänderungsanträgen konfrontiert. Und das Spielchen setzt sich fort bis zum heutigen Tag, da wir wieder in der Nacht von gestern auf heute weitgehende Abänderungsanträge übermittelt bekommen haben.

Und dann stellen Sie sich hierher und versuchen, diese Änderungen, diese Beschlüsse, die heute gefasst werden, als epochal und riesengroß zu titulieren. In Wirklichkeit fehlen hier einfach die weitgehenden Diskussionen. Und auch, dass Sie einzelne Dinge wie zum Beispiel den Angehörigenbonus jetzt zurückziehen müssen und heute gar nicht beschließen können, zeigt, wie wenig und wie schlecht diese Dinge vorbereitet sind.

Sehr geehrter Herr Bundesminister, Sie haben selber im letzten Sozialausschuss ge­sagt, dass es ja – überraschenderweise, oder für Kenner der Materie vielleicht nicht so überraschend – einige Dinge gibt, die erst mit Jahreswechsel, erst mit 1.1.2023 tatsächlich in Kraft treten können. Ja, hätten Sie sich ein paar Monate Zeit gelassen für eine ordentliche Begutachtung und für eine ordentliche parlamentarische Diskussion (Abg. Gödl: Du hast genau das Gegenteil gesagt!), dann hätten Sie nicht das Problem gehabt, dass Sie heute Anträge wieder von der Tagesordnung nehmen müssen und mit heruntergelassenen Hosen dastehen. (Abg. Gödl: Du hast genau das Gegenteil gesagt: Es geht nix weiter!)

Nun zu den einzelnen Vorschlägen im Detail: Das Parlament soll heute eine Kompetenz­ausweitung für Pflegedienste beschließen. Sie wissen, diese Kompetenzausweitung für die Pflege, aber auch für andere Gesundheitsberufe ist schon 2017 im Regierungs­programm von ÖVP und FPÖ gestanden. Es freut mich, dass das jetzt von Schwarz-Grün wieder aufgegriffen wurde (Heiterkeit des Abg. Wöginger allerdings in einem Fuziminikleinbereich (mit Zeigefinger und Daumen eine entsprechende Geste aus­füh­rend), es ist nämlich genau eine Einzelregelung für Pflegekräfte, anstatt dass generell das Kompetenzschema überarbeitet und eine breite, zukunftsträchtige Lösung gefunden wird. Wir haben im Ausschuss, in den Ausschusssitzungen darüber diskutiert, zum Beispiel über die Weiterverordnung von Heilmitteln durch Pflegekräfte, Impfen durch Apotheker und vieles mehr, aber dazu gibt es nicht einmal ansatzweise Gesetzentwürfe vonseiten der Regierungsfraktionen.


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Das zweite Thema ist eine Reform des Pflegegeldes – und auch das war bereits 2019 in den Reformpapieren von Hartinger-Klein vorhanden. Ich bin froh, dass es jetzt auf­gegriffen wird und dass es zumindest für Demenzerkrankte eine Aufwertung der Pfle­gegeldeinstufung gibt. Das, was auch schon seit vielen Jahren bekannt ist, nämlich eine generelle Überarbeitung der Einstufung in die verschiedenen Pflegestufen und der Dotierung der verschiedenen Pflegestufen, findet sich aber in dieser Reform noch immer nicht. Auch da sind Sie säumig, Herr Bundesminister!

Sie reformieren auch die Ausbildung, vor allem führen Sie eine Pflegelehre ein – auch das ist ein Punkt, den wir Freiheitliche schon seit 2017 fordern und unterstützen – und wollen eine Art Schulgeld einführen, 600 Euro, also eine Bezahlung während der Ausbildung, die – Kollege Muchitsch hat das schon angesprochen – allerdings auch etliche Schwächen im Detail zeigt wie: keine Sozialversicherung dazu, der Zuschuss, der von den Ländern kommen soll, ist nicht klar definiert, und die langfristige Finan­zierung ist ebenfalls nicht geregelt.

Zusätzlich haben Sie da auch noch Hürden eingeführt, die die Attraktivität einer Ausbildung an den Pflegeschulen weiter abnehmen lässt. Es gibt zum Beispiel nach wie vor noch ein 1G-Regime an vielen Pflegeschulen, sodass Nichtgeimpfte diese Aus­bildung gar nicht erst anfangen können. Also auch da warten noch viele Aufgaben auf Sie, Herr Bundesminister, die es zu lösen gilt, die Sie wahrscheinlich bis zum nächsten Schulturnus im Herbst aber auch gar nicht lösen können – also ein weiteres verlorenes Jahr durch diese Bundesregierung.

Äußerst positiv ist, dass nun endlich auch Geld in die Hand genommen werden soll, um gehaltsmäßig die Pflegekräfte für deren enormen Einsatz – vor allem auch in den letzten beiden Jahren, aber generell – zu unterstützen. Nur: Die Art und Weise, wie das gemacht wird, ist auch wieder nicht nachhaltig – Kollege Muchitsch hat das bereits im Detail erläutert –: Sie nehmen gerade einmal für zwei Jahre verbindlich Geld in die Hand und wissen nicht, wie das langfristig finanziert werden soll. Und was noch viel schlimmer ist: Sie haben nicht einmal für diese kurzfristigen Maßnahmen tatsächlich budgetär vorgesorgt.

Wir beschließen in dieser Plenarsitzung voraussichtlich auch noch die Budgetgesetze, in denen die neue Vorausschau bis 2025 beschlossen wird, und in dieser mittlerweile zweiten Budgetnovelle findet sich noch immer kein einziger Euro zur Finanzierung Ihrer Pflegereform und zu den gut 500 Millionen Euro pro Jahr, die Sie in den nächsten zwei Jahren den Pflegekräften zukommen lassen wollen.

Sehr geehrter Herr Bundesminister, normalerweise sollte es doch andersherum sein: Zuerst sollte klar sein, dass die Mittel tatsächlich zur Verfügung stehen, und dann können Sie über die Gesetze verteilt werden. Sie machen das seit Wochen und Monaten umgekehrt, Sie machen große Ankündigungen und budgetär ist das Ganze nicht bedeckt. Das widerspricht den Haushaltsrichtlinien, und das ist aus meiner Sicht auch schädlich für die Glaubwürdigkeit der Politik, denn wenn man Geld verteilt, das noch nicht einmal vorhanden ist, dann nehmen das viele einfach nicht ernst.

Ich möchte zum Schluss kommen: Wir werden heute trotz der vielen Kritik, die ich soeben geübt habe, die zur Abstimmung kommenden Maßnahmen unterstützen (Abg. Gödl: Aha!)  nicht, weil wir sie für so großartig halten, sondern weil wir es für dringlich notwendig halten, dass ein klares und deutliches Zeichen gesetzt wird, dass man zumindest irgendetwas für die Pflegekräfte in diesem Land tut und dass sie zumindest irgendeine Art von Anerkennung bekommen, und da ist etwas besser als gar nichts.

Wir wollen Sie aber ersuchen, in den nächsten Monaten und in den nächsten Aus­schüs­sen intensiven Kontakt mit uns aufzunehmen und die weiteren Schritte deutlich besser mit uns und auch mit den Fachgesellschaften zu koordinieren, als Sie das bisher getan


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haben, und hoffen, dass wir die großen Fehler und Lücken, die in Ihrer Pflegereform vorhanden sind, gemeinsam noch lösen können. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

10.47


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Klubobmann Wöginger. – Bitte. (Abg. Belakowitsch – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Wöginger –: Aber kritisieren dürfen wir es schon! Abg. Wöginger: Aber sicher! Das tust ja sowieso!)


10.47.56

Abgeordneter August Wöginger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Heute ist ein besonders guter Tag für die Pflege. Ich bin als Sozialsprecher der Volkspartei stolz und froh, dass wir heute Pakete mit einem Gesamtvolumen von insgesamt rund 1 Milliarde Euro für die nächsten beiden Jahre verabschieden. Das hat es in den letzten Jahrzehnten nicht gegeben, daher ist es ein großer Wurf, daher sind es wichtige Maßnahmen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Pflege, für die pflegenden Angehörigen und auch für die zu betreu­enden und zu pflegenden Personen, die auch im Mittelpunkt stehen. Wir bedanken uns bei den pflegenden Angehörigen und bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Pflege ganz herzlich. Es ist ein wichtiges, ein gutes Paket für das Personal. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Grebien und Hamann.)

Da ich mich seit längerer Zeit mit dem Thema Pflege intensiv auseinandersetze, kann ich jetzt sagen – und Kollege Kaniak hat meiner Meinung nach wenigstens einen guten Zugang, weil er sagt: okay, es sind einmal erste Schritte!; vieles habe ich mit Sozial­ministerin Hartinger-Klein auch in unserer gemeinsamen Regierungszeit niedergeschrie­ben und vereinbart –: Heute finden sich zum Beispiel die Pflegelehre, der Demenz­zuschlag und die Kompetenzausweitungen für die Pflegeberufe darin. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Sie sind natürlich schon auch in unserem Papier gemeinsam verfasst gewesen (neuerlicher Zwischenruf der Abg. Belakowitsch), aber das geht weit darüber hinaus.

Eines möchte ich schon sagen: Ich danke Sozialminister Rauch ganz, ganz herzlich. Warum? – Weil er wenige Tage nach seinem Amtsantritt hergegangen ist und gesagt hat: Ich will das Thema Pflege absolut prioritär behandeln und auch Sofortmaßnahmen setzen, weil wir dem drohenden Personalmangel aktiv entgegentreten müssen. – Herr Sozialminister, das war in der Vergangenheit nicht so.

Wenn sich Kollege Stöger hier herausstellt und sagt, eine Maßnahme sei da noch nicht enthalten, dann sage ich eines ganz klar: der Stöger Lois war Sozialminister und hätte für die Pflege viel tun können. Was hat er gemacht? – Nichts! Absolut nichts! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Die roten Sozialminister haben im Bereich der Pflege absolut nichts getan, und daher gebührt der Dank dem jetzigen Minister und auch den Koalitionsparteien, weil wir da gute Maßnahmen auf den Weg gebracht haben. (Abg. Heinisch-Hosek: Weil ihr jeden Koalitionspartner legts, ihr seids wie ein Klotz am Bein!)

570 Millionen Euro für das Pflegepersonal – soll ich euch einmal unter die Nase reiben, wie viele Anschubfinanzierungen ihr in der Zeit, in der ihr den Kanzler gestellt habt, beschlossen habt? – Die kann man in der Scheibtruhe hereinführen, so viele waren das. Wir machen das für zwei Jahre. (Abg. Krainer: Soll ich dir deine Reden vorlesen aus der Zeit?! Was ist denn dein Wort wert? Damals hast du das nicht gesagt!) Warum? – Weil es dann Finanzausgleichsverhandlungen gibt und das Thema Pflege mit den Ländern und mit den Gemeinden natürlich ausverhandelt werden muss. So ist das! (Abg. Erasim: Wendehals! Wendehals! – Abg. Krainer: Was ist denn dein Wort wert? ...


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genauso wie du es jetzt machst!) Ihr habt das immer gemacht, und jetzt, weil ihr in der Opposition seid, kritisiert ihr das. Wisst ihr, was ihr tun solltet? – Stimmt einfach zu, weil die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Pflege das nicht verstehen, warum ihr nicht zustimmt, wenn es für sie um 570 Millionen Euro geht. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Erasim: Bei jedem Koalitionspartner eine andere Rede! ...! – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.)

Wir haben auch die HeimhelferInnen und das Behindertenbetreuungspersonal zusätz­lich in das Gesetz mit aufgenommen. Das war uns wichtig und das ist auch aus der Begutachtung hervorgegangen: Die Pflegeorganisationen sind diesbezüglich auf uns zugekommen und wollten das, obwohl, das muss man schon sagen, vor allem die Berufsgruppe der HeimhelferInnen und die Pflege- und Sozialbetreuungsberufe absolut in der Kompetenz der Länder liegen; aber wir nehmen diese beiden Gruppen mit und stocken pro Jahr um 25 Millionen Euro auf.

Diesbezüglich bringe ich auch den Abänderungsantrag der Abgeordneten August Wöginger, Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kollegen ein, der beinhaltet, dass es jährlich um 25 Millionen Euro mehr gibt, um eben die 12 000 vollzeitäquivalenten Heim­helferInnen und auch das Behindertenbetreuungspersonal da mitzunehmen. Das Geld wird nach einem Schlüssel auf die Bundesländer aufgeteilt, wobei die Mittel, die laut Gesetz schon zur Verfügung stehen, nämlich die 520 Millionen Euro, bereits berück­sichtigt sind. Wir teilen also die zusätzlichen Mittel so auf, dass der Bevölkerungs­schlüssel und die jeweilige Situation, wie viele Pflegekräfte es in einem Bundesland gibt, Berücksichtigung finden. Es ist da zu Verschiebungen gekommen, und daher ist es ein gerechter Ausgleich, wie diese zusätzlichen Mittel auf die Bundesländer auch nach dem Zweckzuschussgesetz verteilt werden. – Das ist das eine.

Das heißt, für die nächsten zwei Jahre werden 570 Millionen Euro bereitgestellt. Das wird für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Pflegeberufen im Durchschnitt in etwa ein zusätzliches Monatsgehalt für diese beiden Jahre sein, und wir bedanken uns noch einmal ganz, ganz herzlich für diese herausfordernde Arbeit, die da geleistet wird; die war gerade in den letzten beiden Jahren nicht einfach. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ein zweiter Teil beinhaltet die Ausbildung. Der Ausbildungsbonus wird mit bis zu 600 Euro festgelegt, zwei Drittel übernimmt der Bund, ein Drittel das Land. Derzeit haben wir einen Mixsalat auf Bundesländerebene, wenn es darum geht, wie viel für die Ausbildung in den Pflegeberufen dazugezahlt wird. Ab jetzt wird es ziemlich klar sein, und das wurde auch mit den Landesrätinnen und Landesräten so abgesprochen.

Eines möchte ich auch noch sagen: Stadtrat Hacker versteht wenigstens etwas vom Geschäft, denn er hat die Maßnahmen begrüßt und hat gesagt, das seien „spürbare Schritte“, die in die richtige Richtung gingen. Also die Landesrätinnen und Landesräte, egal, welcher Partei sie angehören, begrüßen diese Maßnahmen, nur die SPÖ hier im Haus ist auf Oppositionskurs eingestellt und trägt nicht einmal die Maßnahmen mit, mit denen wir die Ausbildung unterstützen und mehr Geld für das Pflegepersonal bereitstellen. Sie werden das zu erklären haben, denn das ist unverständlich. Wenn man so tief im Oppositionskurs und im Neinsagerkurs drinsteckt, dass man nicht einmal derartige Maßnahmen unterstützt, dann ist das auch ein eindeutiges Zeichen, das heute zum Ausdruck gebracht wird. Die SPÖ stimmt nicht mit – das verstehen die PflegerInnen nicht, das verstehen die pflegenden Angehörigen nicht, und insgesamt versteht man das überhaupt nicht. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wir setzen die Pflegelehre im Rahmen von Pilotprojekten um, die in allen Bundesländern möglich sein werden. Vorarlberg ist da ein Vorzeigebundesland. Ich habe mir das persönlich im Kanton Bern angeschaut. In der Schweiz ist übrigens die Pflegelehre der


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zweitbeliebteste Beruf, nach dem Kaufmann. Sie haben vor ungefähr 15 Jahren mit diesem Lehrprojekt begonnen und es hat sich eigentlich gut etabliert. Wir werden das jetzt einmal im Rahmen von Pilotprojekten ermöglichen.

Wir überführen auch die Schulversuche zu Pflegeassistenzberufen in das Regelschul­wesen. Die Durchlässigkeit wird erhöht: Mitarbeiter in der Pflege können zukünftig in der Arbeitszeit eine weiterführende Ausbildung machen. Das AMS ersetzt 75 Prozent der Lohnfortzahlung.

Es gibt Verbesserungen beim Pflegekarenzgeld: drei Monate Rechtsanspruch statt einem Monat. Wir haben eine Unterstützung für pflegende Angehörige auch insofern vorgesehen, als der Anspruch auf Zuwendungen für die Ersatzpflege schon nach drei Tagen und nicht erst nach einer Woche entsteht. Ebenso werden Pflegekurse für pflegende Angehörige unterstützt.

Der Demenzzuschlag ist bereits erwähnt worden: plus 20 Stunden pro Monat, das ist ganz, ganz wichtig. Alle, die jemanden zu Hause haben, der an Demenz erkrankt ist, wissen, das ist eine besondere Herausforderung für die pflegenden Angehörigen. Wir wissen das, und deshalb ist es eine ganz wichtige Maßnahme, zusätzlich 20 Stunden bei der Berechnung des Pflegegeldes vorzusehen. Es ist großartig, was in der Pflege und Betreuung zu Hause geleistet wird. Das ist die größte Herausforderung für die pflegenden Angehörigen, wenn jemand an Demenz erkrankt ist, und daher ist das eine ganz wichtige Maßnahme, die wir setzen, um den pflegenden Angehörigen unter die Arme zu greifen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ja, es ist richtig, was angesprochen wurde: Wir nehmen diesen Teil aus dem Gesetz heraus. Warum? – Weil wir Lösungen haben wollen, nicht nur für jene, die die Erwerbs­arbeitszeit reduzieren und weiterversichert sind, sondern es geht uns vor allem auch um die Pensionistinnen und Pensionisten. Das wollen wir aber legistisch gut ausarbeiten. Wir haben als Inkrafttretensdatum den 1. Jänner 2023 vorgesehen, das heißt, das kön­nen wir über den Sommer legistisch vorbereiten. Wir bringen auch heute gleich wieder einen Initiativantrag ein und werden dann gemeinsam mit dem Ministerium innerhalb der Koalition auch eine gute Lösung finden, um auch jene mitzunehmen, die selber schon in Pension sind.

Rund 50 Prozent aller pflegenden Angehörigen sind derzeit Pensionistinnen und Pen­sionisten. (Abg. Leichtfried: Was ist mit dem Max und der Susanne?) Insbesondere diese Zielgruppe wollen wir da mitaufnehmen, daher bringe ich folgenden Antrag ein, der genau das unterstützt und darstellt, dass es uns insbesondere auch um diese Gruppe geht:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten August Wöginger, Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Angehörigenbonus“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungs­vorlage zu übermitteln, mit der die Möglichkeit geschaffen wird, nahen Angehörigen, beispielsweise Pensionist:innen neben zahlreichen anderen pflegenden und betreu­enden Angehörigen, die eine Person mit Anspruch auf Pflegegeld ab der Stufe 4 in


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häuslicher Umgebung pflegen, einen Angehörigenbonus zu gewähren, zur Beschluss­fassung zu übermitteln.“

*****

Das heißt, das werden wir in den nächsten Wochen und Monaten ausarbeiten und spätestens im September auch zur Beschlussfassung vorlegen.

Meine Damen und Herren! Das ist heute ein guter Tag für die Pflege, das ist ein großes Paket, das wir hier verabschieden. Es ist richtig, es sind noch nicht alle Punkte mit beinhaltet. Warum nicht? – Wir haben diese Punkte am 12. Mai präsentiert, wir sind damit relativ rasch in Begutachtung gegangen, auf Hochtouren wurden diese Geset­zespakete ausgearbeitet, um vor allem dem Personal unter die Arme zu greifen, um vor allem die ersten Schritte bei den pflegenden Angehörigen zu setzen und um vor allem den Ausbildungsbonus auf Schiene zu bringen. Warum? – Weil das Schuljahr bekannt­lich im Herbst beginnt, deshalb ist die Beschlussfassung jetzt im Juli notwendig. Und die weiteren Maßnahmen wie die zusätzliche Entlastungswoche für das Pflege­personal fix ab dem 43. Lebensjahr, die 2 Stunden Nachtarbeitszuschlag, die jetzt auch bei allen stationären Einrichtungen angerechnet werden, all das bringen wir über den Sommer und den Herbst auf den Weg. Das sind Maßnahmen, die dann mit 1. Jän­ner 2023 in Kraft treten.

Meine Damen und Herren, vor allem von der SPÖ, zum Schluss möchte ich Ihnen noch ein paar Zitate von Vertretern der größten Organisationen, die für die Pflege in diesem Land zuständig sind, mitgeben. (Abg. Leichtfried: Ist das wieder der Max und die Susanne?)

Ich beginne mit der Volkshilfe, Herr Kollege Leichtfried, das ist ja bekanntlich keine Vorfeldorganisation von uns. Präsident Sacher sagt: „Das ist zweifellos ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.“ Das Rote Kreuz sagt: ein „erfreulicher Schritt in die richtige Richtung“. Direktorin Maria Moser von der Diakonie sagt: „ein erster wichtiger Meilenstein für gute Pflege“.

Meine Damen und Herren! Dieses Pflegepaket wird von den Pflegeorganisationen insgesamt begrüßt. Alle Expertinnen und Experten und alle, die sich im Bereich der Pflege auskennen, unterstützen diese Maßnahmen, und ich verstehe nicht, warum wir bei der Beschlussfassung hier in diesem Haus nicht ein gemeinsames Zeichen setzen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Pflege, die pflegenden Angehörigen und vor allem auch die zu betreuenden und zu pflegenden Menschen – es sind 470 000 an der Zahl, die derzeit Pflegegeld beziehen – hätten es sich verdient, dass das Hohe Haus einen gemeinsamen Beschluss fasst. (Zwischenruf der Abg. Erasim.)

Ich bin stolz, dass wir heute diese Punkte auf den Weg bringen – im Sinne einer guten Pflege in Österreich. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

10.59

Die Anträge haben folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten August Wöginger, Sigrid Maurer, BA, Mag. Ernst Gödl, Bedrana Ribo, MA,

Kolleginnen und Kollegen

zum Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 2656/A der Ab­geordneten August Wöginger, Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend


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ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über einen Zweckzuschuss an die Länder für die Jahre 2022 und 2023 für die Erhöhung des Entgelts in der Pflege (Entgelt­erhöhungs-Zweckzuschussgesetz – EEZG) erlassen wird (1619 d.B.) (TOP 4)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzentwurf wird wie folgt geändert:

1. § 2 lautet:

„§ 2. (1) Der Bund stellt den Ländern zur Erreichung der in § 1 genannten Ziele für die in § 3 festgelegten Maßnahmen jährlich Zweckzuschüsse gemäß den §§ 12 und 13 des Finanz-Verfassungsgesetzes 1948, (F-VG 1948), BGBl. Nr. 45/1948, zur Verfügung und zwar

              1. für das Jahr 2022 in der Höhe von bis zu 285 Millionen Euro, und

              2. für das Jahr 2023 in der Höhe von bis zu 285 Millionen Euro.

(2) Die Verteilung des Betrages in der Höhe von bis zu 260 Millionen Euro pro Jahr auf die Länder erfolgt nach dem gemäß § 10 Abs. 7 Finanzausgleichsgesetz 2017 – FAG 2017, BGBl. I Nr. 116/2016, oder einem diesem nachfolgenden Finanzausgleichsgesetz, für das jeweilige Kalenderjahr ermittelten Schlüssel der Wohnbevölkerung.

(3) Die Verteilung des Betrages in der Höhe von bis zu 25 Millionen Euro pro Jahr auf die Länder dient als Ausgleich und gliedert sich wie folgt:

(4) Voraussetzung für die Gewährung der Zweckzuschüsse an die Länder ist, dass die Länder entgeltgestaltende Vorschriften vorlegen, die die Dienstgeber bzw. Dienstge­berinnen zur Zahlung der vereinbarten Entgelterhöhung verpflichten, die jedem Dienst­nehmer bzw. jeder Dienstnehmerin gemäß § 3 Abs. 1 gebührt. Als entgeltgestaltende Vorschriften gelten insbesondere Kollektivverträge und Satzung von Kollektivverträgen sowie dienst- und besoldungsrechtliche Vorschriften der Länder. Sofern keine recht­zeitige Einigung der Kollektivvertragspartner zustande kommt, haben die Länder eine tatsächlich erfolgte Auszahlung an die betreffenden Träger gemäß § 5 Abs. 2 Z 3 nachzuweisen.“

2. § 3 Abs. 1 lautet:

„(1) Die Zweckzuschüsse gemäß § 2 sind für Entgelterhöhungen zu verwenden, die dem Pflege- und Betreuungspersonal der folgenden Berufsgruppen gebühren:

              1. Angehörige des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege gemäß GuKG,

              2. Angehörige der Pflegefachassistenz gemäß GuKG,


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              3. Angehörige der Pflegeassistenz gemäß GuKG,

              4. Angehörige der Sozialbetreuungsberufe nach der Vereinbarung gemäß Art. 15a- B-VG.“

3. Dem § 3 wird folgender Abs. 3 angefügt:

„(3) Die in der Regel jährlich anfallenden Kollektivvertragserhöhungen werden von der Maßnahme gemäß Abs. 1 nicht berührt.“

4. § 4 Abs. 2 lautet:

„(2) Voraussetzung für die Auszahlung der Zweckzuschüsse an die Länder im Sinne des § 2 Abs. 3 ist die Vorlage von entgeltgestaltenden Vorschriften, die die Dienstgeber bzw. Dienstgeberinnen zur Zahlung der Entgelterhöhung verpflichten, die tunlichst dazu dienen, dass:

              1. bestehende Gehaltsunterschiede zwischen Menschen in derselben Tätigkeit, aber unterschiedlichen Gehaltsordnungen oder Kollektivverträgen gemindert werden oder

              2. Mehrleistung und höhere Verantwortung aufgrund der Verschiebung von Auf­gaben abgegolten werden.

Diese entgeltgestaltenden Vorschriften sind bis spätestens 31. März 2023 von den Ländern dem Bund vorzulegen und werden im Zuge der Abrechnung überprüft. Sollten die entgeltgestaltenden Vorschriften zu einem früheren Zeitpunkt vorgelegt werden, kann die Auszahlung im Folgemonat – frühestens mit Jänner 2023 – erfolgen. Die Höhe dieser Auszahlung orientiert sich am zeitlichen Geltungsbereich der entgeltgestaltenden Vorschriften. Die Länder sind zur transparenten Zurverfügungstellung der an sie nach diesem Bundesgesetz ausbezahlten Mittel zur Umsetzung des § 3 Abs. 1 verpflichtet.“

5. § 5 Abs. 1 lautet:

„(1) Die Abrechnung ist auf Basis einer vom Bundesministerium für Soziales, Ge­sundheit, Pflege und Konsumentenschutz zur Verfügung zu stellenden Abrechnungs­unterlage einmalig im Jahr 2024 für die Jahre 2022 und 2023 vom Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz oder von einer von diesem zu beauftragenden Stelle durchzuführen. Der Abrechnungszeitraum wird um ein Jahr verlängert, sofern keine rückwirkende Auszahlung beginnend mit Jänner 2022 seitens der Kollektivvertragspartner vereinbart wird, weil die Laufzeit erst zu einem späteren Zeitpunkt beginnt. Die für das Jahr 2022 vorgesehenen Mittel können auch dann ab­gerechnet werden, wenn die Auszahlung an gemäß § 3 Abs. 1 begünstigte Personen im Jahr 2023 erfolgt.“

6. § 9 lautet:

„§ 9. Dieses Bundesgesetz tritt mit 1. September 2022 in Kraft.“

Begründung

Zu Z 1:

Der Bund stellt den Ländern weitere Mittel für die Jahre 2022 und 2023 in der Höhe von 25 Millionen Euro, sohin insgesamt 50 Millionen Euro für zwei Jahre als Zweckzuschuss, zur Verfügung. Diese Mittel dienen einerseits dazu die Unterdotierung einzelner Bun­desländer bei der Verteilung über den Finanzausgleichsschlüssel der Wohnbevölkerung auszugleichen und andererseits sollen mit den zusätzlichen Mitteln weitere Berufs­gruppen wie Heimhelferinnen und Heimhelfer sowie Behindertenbegleiterinnen und Behindertenbegleiter eine Entgelterhöhung erhalten.


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Um der Unterdotierung einzelner Bundesländer entgegenzuwirken, wurde ein neuer Abs. 3 geschaffen. So sollen die Länder aus den zusätzlich bereitgestellten Mitteln Ausgleichszahlungen erhalten.

Die Berechnung der jeweiligen Beträge erfolgt wie nachstehend beschrieben:

So wurde der Verteilungsschlüssel der Wohnbevölkerung mit jenem verglichen, der sich aus den nach dem Gesundheitsberuferegister zum Stichtag 31.12.2020 in den Settings nach § 3 Abs. 2 registrierten Personen ergibt. Für die im Gesundheitsberuferegister nicht erfassten Sozialbetreuungsberufe (Heimhelferinnen und Heimhelfer sowie Behinderten­begleiterinnen und Behindertenbegleiter) wurde von einem gleichen Verteilungs­schlüs­sel ausgegangen. Die Mittel wurden sodann für die unterdotierten Bundesländer auf das Niveau dieses Verteilungsschlüssels aufgestockt. Die sich danach ergebende verblei­bende Summe von rund 11 Millionen Euro wurde im Verhältnis der jeweils für das jeweilige Bundesland günstigeren Beträge ergänzt, sodass letztendlich die in der Tabelle des § 2 Abs. 3 angeführten Summen zur Verfügung gestellt werden.

Zu Z 2:

Der begünstigte Personenkreis gemäß § 3 Abs. 1 Z 4 soll um Heimhelferinnen und Heimhelfer sowie Behindertenbegleiterinnen und Behindertenbegleiter gemäß Art 1 Abs 2. Z 1 lit d, Abs. 2 Z 2 lit c und Z 3 der Vereinbarung gemäß Art 15a-B-VG erweitert werden, weil diese Personengruppen zumindest in wesentlichem Ausmaß (d.i. idR > ¼) grundlegende pflegerische Tätigkeiten in den in § 3 Abs. 2 genannten Settings ausüben und in diesem Fall umfasst sein sollen.

Im Übrigen erfolgten sprachliche Anpassungen bzw. Klarstellungen.

Zu Z 3:

Es erfolgt eine Klarstellung dahingehend, dass der Zweckzuschuss nicht dazu dient, die „normale“ Lohnrunde für das Pflegepersonal gegenzufinanzieren.

Zu Z 4:

Um allfälligen Liquiditätsproblemen entgegenzuwirken, soll im Falle der vorzeitigen Vorlage entgeltgestaltender Vorschriften eine Auszahlung ab Jänner 2023 erfolgen können. Betrifft die Einigung in der jeweiligen entgeltgestaltenden Vorschrift lediglich das Jahr 2022, so kann eine Auszahlung unter Aliquotierung des Zweckzuschusses erfolgen.

Zu Z 5:

Die für das Jahr 2022 vorgesehenen Mittel können auch dann abgerechnet werden, wenn die Auszahlung an die gemäß § 3 Abs. 1 begünstigten Personen im Jahr 2023 erfolgt.

Zu Z 6:

Der Zeitpunkt des Inkrafttretens soll aus Gründen der Planungssicherheit auf den 1. September 2022 vorverlegt werden, damit die Verteilung der zur Verfügung gestellten Mittel bereits in diesem Jahr auf Basis eines geltenden Gesetzes getroffen werden kann.

*****

Entschließungsantrag

der Abgeordneten August Wöginger, Sigrid Maurer, BA, Mag. Ernst Gödl, Bedrana Ribo, MA,

Kolleginnen und Kollegen


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betreffend „Angehörigenbonus“

Eingebracht im Zuge der Debatte über den Tagesordnungspunkt 3 (Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 2655/A der Abgeordneten August Wöginger, Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundespflegegeldgesetz geändert wird (1618 d.B.))

Begründung

Derzeit haben rund 469.000 Personen - das sind mehr als 5% der österreichischen Bevölkerung - einen Anspruch auf Pflegegeld, wobei aufgrund der demographischen Entwicklung und der erfreulicherweise steigenden Lebenserwartung mit einer weiteren Steigerung in den nächsten Jahren zu rechnen ist. Ein Großteil dieser Personen wird zuhause in unterschiedlichen Pflegesettings betreut.

Um einen tieferen Einblick in den Lebensalltag pflegender Angehöriger zu erhalten hat das Sozialministerium das Institut für Pflegewissenschaft in Kooperation mit dem Institut für Soziologie der Universität Wien mit der Durchführung einer Studie zur „Situation pflegender Angehöriger“ beauftragt. Auf Basis dieser Studie wissen wir, dass rund 950.000 erwachsene Menschen in Österreich von Pflege und Betreuung in der Familie betroffen sind. Somit kümmern sich rund 10% der Gesamtbevölkerung Österreichs ent­weder zu Hause oder in stationären Einrichtungen um einen pflegebedürftigen Men­schen!

Betreuende Angehörige sind nicht nur der „größte Pflegedienst“ Österreichs, sondern auch eine der tragenden Säulen unseres Pflegevorsorgesystems. Aus diesem Grund ist zwingend notwendig die Situation der pflegebedürftigen Personen und deren Ange­hörigen stets zu verbessern.

Die Regierung hat mit der Pflegereform und den darin enthaltenen 20 Maßnahmen einen wichtigen Schritt gesetzt. Um insbesondere den pflegenden Angehörigen noch mehr Unter­stützung und Wertschätzung zukommen zu lassen sind weitere Maßnahmen erfor­derlich.

Für nahe Angehörige, beispielsweise Pensionist:innen neben zahlreichen anderen pfle­genden und betreuenden Angehörigen, die eine Person mit Anspruch auf Pflegegeld ab der Stufe 4 in häuslicher Umgebung pflegen, soll daher im Bundespflegegeldgesetz die Möglichkeit der Gewährung eines Angehörigenbonus geschaffen werden.

Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungs­vorlage zu übermitteln, mit der die Möglichkeit geschaffen wird, nahen Angehörigen, beispielsweise Pensionist:innen neben zahlreichen anderen pflegenden und betreuen­den Angehörigen, die eine Person mit Anspruch auf Pflegegeld ab der Stufe 4 in häus­licher Umgebung pflegen, einen Angehörigenbonus zu gewähren, zur Beschlussfassung zu übermitteln.“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Entschließungsantrag ist verlesen worden, ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.


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Der verteilte Antrag ist dementsprechend erläutert worden und steht ebenfalls mit in Verhandlung, weil er ausreichend unterstützt ist und ordnungsgemäß eingebracht wurde.

Ich darf die Borg-Schüler aus Radstadt in Salzburg recht herzlich bei uns im Hohen Haus begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)

Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Abgeordneter Muchitsch zu Wort ge­meldet. – Bitte.


11.00.04

Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ): Herr Präsident! Der ÖVP-Klubobmann und Sozialsprecher der ÖVP, August Wöginger, hat behauptet, unter roten Sozialministern ist nichts passiert. (Zwischenrufe bei der ÖVP. – Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)

Das tut mir jetzt wirklich sehr, sehr weh. Warum? (Abg. Steinacker: Ich berichtige tatsächlich?!) – Ich berichtige: Abschaffung Pflegeregress – Sozialminister Stöger; Ein­führung Pflegekarenz – Sozialminister Stöger; Valorisierung des Pflegegeldes (Ruf bei der ÖVP: ... politische Bewertung! – Abg. Steinacker: Tatsächliche Berichtigung!) – gemeinsame Initiative im koalitionsfreien Raum. Das ist eine Diffamierung verstorbener Sozialminister, nichts in der Pflege gemacht zu haben, wie Jolly Hesoun, der 1993 das Pflegegeld eingeführt hat! (Abg. Steinacker: Redebeitrag! Das ist ein Redebeitrag! – Abg. Eßl: Keine tatsächliche Berichtigung! – Abg. Steinacker: Jetzt ist’s aber wirklich genug!)

Korrigiere: Dem verstorbenen Rudi Hundstorfer hier auszurichten, nichts gemacht zu haben (Abg. Steinacker: Das ist ein Redebeitrag, Frau Präsidentin! Das ist ja wirklich nicht mehr in Ordnung!), weil er den Pflegefonds eingerichtet hat, das ist einen Schritt zu weit gegangen, August Wöginger! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Eßl: Ordnungsruf!)

11.01


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Fiona Fiedler. – Sie sind jetzt am Wort.


11.01.26

Abgeordnete Fiona Fiedler, BEd (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher zu Hause! (Die Begrüßung auch in Gebärdensprache ausführend:) Liebe gehörlose Men­schen! Jetzt haben wir also den ersten Block dieser (mit den Fingern Anführungszeichen andeutend) größten Pflegereform seit Jahrzehnten. Wenn man den Koalitionsparteien so zuhört, könnte man wirklich fast glauben, dass Sie damit etwas bewegen wollen. De facto machen Sie aber eine dringend überfällige Anpassung eines Gesetzes an die Praxis. Es geht da um Verabreichung von Spritzen und Infusionen. Das sehen wir ein, weil das in den Krankenhäusern täglich passiert. Wir stimmen bei diesem Gesetz aber nur mit, weil es um die Rechtssicherheit für Pflegekräfte geht. Als inhaltliche Reform können Sie diese Anpassung wirklich niemandem verkaufen!

Dann geht es um Anpassungen beim Pflegegeld. Die sind ja auch schön und gut. Aber ich verrate Ihnen etwas: Die bringen dem Pflegepersonal überhaupt nichts, und das System wird dadurch auch nicht geändert. Bei Ihren beiden neuen Gesetzen sieht man sofort, wo Sie sich weigern, das System zu reformieren. Zwei Jahre Zweckzuschüsse für Ausbildungen und Zusatzgehälter, und das in einem Ausmaß, das auch keine Datenbasis hat. Sie verwenden einen falschen Verteilungsschlüssel, und Sie arbeiten nicht an der Attraktivierung der Berufe.


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Wenn wir aber schon beim Geld für die Pflege sind, möchte ich noch kurz auf unseren Antrag eingehen, den Sie heute ablehnen. Wir wollen eine Kostenanalyse im Pflegesystem, weil auch der Rechnungshof nicht genau nachvollziehen kann, wo von wem wie viel für welche Pflege ausgegeben wird und was möglicherweise noch alles über sogenannte Pflegegelder bezahlt wird. Wir wissen nur, dass es nicht ausreichend dort ankommt, wo es hingehört. Was machen Sie? – Sie weigern sich, hinzusehen, sich eine Faktenbasis für Ihre Reformen zu suchen, und gleichzeitig behaupten Sie, dass Sie für Ihre fehlgeleiteten Zweckzuschüsse eine Lösung suchen, wie die Pflegekräfte auch in zwei Jahren noch höhere Gehälter bekommen können. Wie soll Ihnen das irgend­jemand glauben, wenn Sie nicht wissen, wie viel Geld im System ist und wo es ver­sickert? (Beifall bei den NEOS.)

Was die Menschen merken, sind die hohen Pflegekosten für alte Menschen in der Pflege daheim und die trotzdem schlechten Arbeitsbedingungen für die unterschiedlichsten Berufe in der Pflege und Betreuung. Sie stellen sich mit dieser angeblichen Reform hin und behaupten, dass es für alle besser wird. Das glaubt Ihnen niemand, und die Bevöl­kerung weiß das genauso. Deshalb werden wir auch gegen diese Zweckzu­schuss­gesetze als angebliche Reform stimmen. – (Den Dank auch in Gebärdensprache aus­führend:) Danke. (Beifall bei den NEOS.)

11.04


Präsidentin Doris Bures: Zu einer Stellungnahme hat sich Herr Bundesminister Johannes Rauch zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Minister.


11.04.19

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Ich würde gerne versuchen, eine Einordnung dieser Pflegereform vorzunehmen und auch auf einige Kritikpunkte einzu­gehen. Zunächst möchte ich festhalten: Diese eine Milliarde ist dringend notwendig, um dort Maßnahmen zu setzen, wo sie überfällig sind. Das ist, für die Menschen, die in der Pflege tätig sind, die Arbeitsbedingungen zu verbessern, die Löhne zu verbessern und die Anerkennung, dass dies ein herausfordernder Beruf ist, der mit vielen Belastungen verbunden ist, und auch in Umsetzung zu bringen.

Was die Geschwindigkeit angeht und die Frage, wo noch Defizite sind: Es war uns sehr daran gelegen, diesen Reformschritt heute hier zu beschließen und in die ersten Um­setzungsschritte zu kommen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es war uns auch sehr daran gelegen, eine Begutachtung zu machen und auch Ergeb­nisse aus der Begutachtung mit hineinzunehmen, aufzunehmen und ernst zu nehmen. Das ist das Wesen einer Begutachtung: Man schickt es aus und nimmt Verbesserungen auf. Ich bin sehr froh, dass es gelingt, heute dieses Maßnahmenpaket zu verabschieden, weil damit ein Schritt gesetzt wird – und es ist nicht der letzte –, ein wichtiges Signal an die Menschen in der Pflege, dass wir erkannt haben: Wir kümmern uns darum. Wir setzen eine Reihe von Verbesserungen um, um den Pflegeberuf attraktiv zu halten und in der Ausbildung die Rahmenbedingungen zu verbessern, damit es besser und noch attraktiver wird, sich in der Pflege zu engagieren.

Jetzt möchte ich noch eines zu bedenken geben. Das österreichische System der Pflege und Betreuung von alten Menschen ist ein gut entwickeltes und ruht auf mehreren Säulen. (Zwischenruf der Abg. Erasim.) Zunächst ist es der Wunsch der allermeisten Menschen – wir wissen das –, so lange wie möglich zu Hause gepflegt zu werden. Menschen möchten in ihrer vertrauten Umgebung gepflegt werden. Das geht nicht immer und geht auch immer weniger, weil sich das alte – wenn Sie so wollen – Modell, dass


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die Angehörigen zu Hause pflegen, aufgrund von demografischen, aufgrund von gesell­schaftlichen Veränderungen immer weniger ausgeht.

Das heißt, die stationäre Pflege wird wichtiger und, das sei auch gesagt, die 24-Stunden-Betreuung, die von Pflegekräften, die zu uns kommen, geleistet wird, ist ebenfalls ein wichtiger Bestandteil. Alle diese Bausteine – die Pflege zu Hause, ambulant unterstützt, unterstützt durch unterschiedliche Einrichtungen wie Krankenpflegevereine, mobile Hilfsdienste, was auch immer es an Angeboten gibt, die stationäre Pflege in Alten- und Pflegeheimen und die 24-Stunden-Betreuung – sind essenziell. Wir können auf keinen dieser Bausteine, auf keine dieser Säulen verzichten. In all diesen Bereichen schafft die Pflegereform deutliche Verbesserungen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Nächster Punkt: Wir wissen – und das ist kein österreichisches Phänomen –: Die Men­schen werden älter, die Gesellschaft, Europa insgesamt wird älter. Wir werden zusätz­lichen Bedarf an Pflegekräften haben. Die Voraussetzungen zu verbessern, dass Menschen diesen Beruf ergreifen – wie wir es heute hier tun –, ist dringend erforderlich.

Eines sei gesagt, und ich bin von ganz vielen Pflegekräften gebeten worden, das auch zu sagen: Ja, es ist ein Beruf mit Herausforderungen. Ja, er ist auch mit Belastungs­situationen verbunden und war es vor allem in den letzten beiden Jahren. Ich wurde aber dringend gebeten, auch zu sagen, dass es ein wunderbarer Beruf und eine enorme Bereicherung ist, mit Menschen zu arbeiten, an Menschen zu arbeiten und den Men­schen Wertschätzung entgegenzubringen und – das ist ganz wesentlich und ein zentraler Punkt – ein Altern in Würde zu ermöglichen.

Ich finde, Menschen haben ein Anrecht, diese Würde bis ans Ende ihrer Tage zu bekom­men, auch dann, wenn sie schwer pflegebedürftig sind. Mir ist es auch ein besonderes Anliegen, wenn es ums Alter, um Altenbetreuung, um Pflege geht, nicht nur immer die Defizite zu betonen; auch ältere Menschen, auch alte Menschen haben Ressourcen, die können etwas! Wir sollten uns nicht darauf fokussieren, immer nur die Defizite im Auge zu behalten. Bitte betrachten wir Altern oder alte Menschen auch als Menschen, die etwas können, die Erfahrungen haben, die sie weitergeben können, von denen wir profitieren. Auch das ist Wertschätzung. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Jetzt würde ich Ihnen zum Schluss gerne noch einen Aspekt zu bedenken geben, der mich massiv erschreckt hat, als ich auf einer großen Tagung war, bei der es um Pflege und Betreuung von alten Menschen gegangen ist und bei der ausgeführt worden ist, was sich am sogenannten Markt auch noch abbildet.

Abgesehen davon, dass die Tendenz besteht, Pflege zu privatisieren, dort Einsparungen zu generieren, das alles nur noch unter einem Kostenaspekt zu sehen, was ich für nicht richtig halte, scheint etwas in die Gänge zu kommen, das ich für höchst bedenklich halte, nämlich die Automatisierung von Pflegeleistungen und Betreuungsleistungen und auch die Mechanisierung von Pflegeleistungen und Betreuungsleistungen. Das geht so weit, dass bei den großen Techkonzernen, die wir alle kennen und deren Instrumente wir auch alle mit unseren Smartphones und Endgeräten bedienen, darüber nachgedacht wird, über Lösungen mit künstlicher Intelligenz, alte Menschen, die zu Hause sind, die nie­manden haben, über IT-Technologie zu bespaßen – ich nenne es so. Das heißt, Geräte, die sprechfähig sind – ich nenne jetzt beispielhaft den Namen Alexa –, übernehmen dann gesteuert die Unterhaltung von alten Menschen zu Hause. Es sind lernende Systeme, die auch in der Lage sind, spezifisch auf Situationen einzugehen, und vorgau­keln, es wäre jemand dort, der sich um einen kümmert. Das halte ich, geschätzte Damen und Herren, für eine Zumutung. Das kann und darf nicht die Zukunft von Pflege und Betreuung sein! (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von ÖVP, SPÖ und FPÖ.)


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Deshalb bin ich dankbar, dass es auch bei aller Kritik diese Debatte im Parlament gibt. Ich bin auch für weitere Verbesserungen sehr offen. Ich weiß, das ist ein jahrelanger Prozess, den wir leisten müssen, um Pflege und Betreuung auch langfristig in unserem Sinne sicherzustellen. Sie können sich sicher sein: Die heutige Beschlussfassung ist der Beginn eines Prozesses, die hohe Qualität der Pflege in Österreich sicherzustellen und daran zu arbeiten, dass das auch so bleibt. Insofern bin ich sehr dankbar für die Zustimmung auch seitens der FPÖ-Fraktion, auch für die Kritik. Wir sind auf einem guten Weg, mit diesem Pflegepaket einen Schritt zu machen, um den uns manche in Europa – ich weiß das – beneiden. – Danke sehr. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

11.12


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Bedrana Ribo. – Bitte.


11.12.40

Abgeordnete Bedrana Ribo, MA (Grüne): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher auf der Galerie und zu Hause! Jahrzehntelang stand die Pflegereform in allen Regierungsprogrammen. Das heißt, über die Probleme in der Pflege haben wir schon sehr, sehr lange Bescheid gewusst.

Wir alle wissen aber auch, wie komplex das System Pflege in Österreich ist. Die Ver­antwortlichkeiten beziehungsweise die Zuständigkeiten sind zum Großteil bei den Län­dern, bei den Gemeinden, und der Spielraum des Bundes ist einfach ein geringer.

Es war eine gesellschaftliche Notwendigkeit, Verbesserungen anzugehen, denn die Rufe beziehungsweise die Hilferufe aus der Pflege waren sehr, sehr laut. Ich freue mich wirklich, dass wir heute dieses großartige Paket beschließen und dass uns hier wirklich etwas Großes gelungen ist. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir haben die Pflegereform angekündigt, und heute werden eben Gesetze und Gesetzesänderungen beschlossen, damit es schnell in die Umsetzung geht. Der Bund hat mehr als 1 Milliarde Euro in die Hand genommen, hat Mittel zur Verfügung gestellt, und nun werden eben die rechtlichen Rahmenbedingungen geschaffen. Auch die Stel­lungnahmen in der Begutachtung wurden berücksichtigt. Mich freut es wirklich sehr, dass nun auch die HeimhelferInnen, die BehindertenbetreuerInnen dabei sind.

Was beinhaltet die Pflegereform? Es wurde heute eh schon öfters gesagt, ich möchte trotzdem ein paar Punkte nennen, die mir wichtig sind. Die Menschen in der Pflege bekommen mehr Gehalt, 570 Millionen Euro mehr für die Menschen in der Pflege. Sie leisten großartige Arbeit, das wissen wir alle. Die Pandemie hat es gezeigt. Das ist auch gut so.

Und das ist unsere Wertschätzung: Die Ausbildungen werden finanziell unterstützt. In Zukunft gibt es ein Pflegestipendium von 1 400 Euro. Das heißt, die Menschen, die in die Pflege gehen, werden finanziell unterstützt. Das ist gut so, denn wir sollten ihnen eigentlich den roten Teppich ausrollen, so sehr brauchen wir diese Menschen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es gibt Erhöhungen der Erschwerniszulage für demenziell beeinträchtigte Personen von 25 Stunden auf 45 Stunden, den Entfall der Anrechnung eines Betrages von 60 Euro für erhöhte Familienbeihilfe auf das Pflegegeld und viele, viele weitere Maßnahmen.

Die Kritik der Opposition, es fehle an diesem, an jenem: Ich kann nur Ja sagen, ich kann euch zustimmen. Natürlich fehlt es. Warum? – Es kann nicht eine Pflegereform das wegmachen, was über Jahrzehnte nicht angefasst wurde. (Abg. Erasim: Geh bitte! – Abg. Heinisch-Hosek: Habt ihr es nicht gerade gehört?) Die Versäumnisse der Vergan­genheit sind so gravierend, dass es einfach länger und mehr braucht. (Zwischenruf des


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Abg. Stögmüller.) Da bitte ich natürlich auch um eure Zusammenarbeit. Es geht hier um die Menschen in der Pflege, es geht hier nicht um die Grünen, es geht hier nicht um die ÖVP. Parteipolitik schön und gut, aber nicht in diesem Bereich! Es ist zu ernst. Die Menschen in der Pflege brauchen uns alle. Sie brauchen eine gemeinsame Lösung. Ich bitte auch alle darum und ich kann es nicht verstehen, dass die Opposition diesem großartigen Paket nicht zustimmen wird. Ich kann es nicht verstehen! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Erasim: Vielleicht ist es doch nicht so großartig!)

1 Milliarde Euro für die Pflege! Es ist ein erster wichtiger, guter, stabiler Schritt, es sollen weitere folgen, na klar. (Abg. Erasim: Das hören wir seit zweieinhalb Jahren, der erste Schritt!) Wie gesagt, viele von euch sitzen heute hier, die jahrelang die Versäumnisse einfach hingenommen haben. Deswegen, glaube ich, ist es jetzt an der Zeit, dass wir alle gemeinsam dieses Paket beschließen, das wie gesagt Verbesserungen für die Men­schen in der Pflege, für die Pflegenden selbst, für die Angehörigen bietet.

Es ist ein Satz, den immer wieder viele sagen, aber ich wiederhole ihn gerne: Pflege braucht uns, denn auch wir werden heute oder morgen oder irgendwann einmal die Pflege brauchen. (Beifall bei den Grünen.) – Danke.

Ich bringe noch den Abänderungsantrag der Abgeordneten August Wöginger, Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kollegen zum Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 2655/A der Abgeordneten August Wöginger, Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes­pfle­gegeldgesetz geändert wird, ein.

Es wurde heute eh schon angekündigt, worum es dabei geht. Wir haben den Angehö­rigenbonus herausgenommen, weil wir einfach eine Verbesserung schaffen wollen. Wir wollen, dass viel mehr Menschen berücksichtigt werden.

Der Antrag liegt Ihnen allen in schriftlicher Form vor, und ich bitte um Zustimmung. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

11.18

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten August Wöginger, Sigrid Maurer, BA, Mag. Ernst Gödl, Bedrana Ribo, MA,

Kolleginnen und Kollegen

zum Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 2655/A der Abgeordneten August Wöginger, Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kollegen betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundespflegegeldgesetz geändert wird (1618 d.B.) (TOP 3)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzentwurf wird wie folgt geändert:

1. Die ursprüngliche Ziffer 1 entfällt.

2. Ziffer 1 (neu) lautet:

„1. § 7 zweiter Satz lautet:


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„Ausgenommen davon ist die Erhöhung der Familienbeihilfe für erheblich behinderte Kinder gemäß § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376/1967.““

3. Ziffer 2 (neu) lautet:

„2. § 21a Abs. 1 lautet:

„(1) Zuwendungen aus dem Unterstützungsfonds für Menschen mit Behinderung (§ 22 des Bundesbehindertengesetzes) können nach Maßgabe der für diesen Zweck zur Verfügung stehenden Mittel bei Vorliegen einer sozialen Härte an jemanden gewährt werden, der

              1.          als naher Angehöriger seit mindestens einem Jahr

              a)          eine pflegebedürftige Person, der zumindest ein Pflegegeld der Stufe 3 nach diesem Bundesgesetz gebührt, oder

              b)          eine nachweislich demenziell erkrankte pflegebedürftige Person, der zumindest ein Pflegegeld der Stufe 1 nach diesem Bundesgesetz gebührt, oder

              c)          eine pflegebedürftige minderjährige Person, der zumindest ein Pflegegeld der Stufe 1 nach diesem Bundesgesetz gebührt,

überwiegend pflegt, und an der Erbringung der Pflegeleistung wegen Krankheit, Urlaub oder aus sonstigen wichtigen Gründen verhindert ist oder

              2.          als naher Angehöriger einer pflegebedürftigen Person, der zumindest ein Pflegegeld der Stufe 1 nach diesem Bundesgesetz gebührt, an einem oder mehreren Kursen zur Wissensvermittlung im Bereich Pflege und Betreuung teilnimmt.““

4. Ziffer 4 entfällt, die ursprüngliche Ziffer 5 wird Ziffer 3.

5. Die ursprüngliche Ziffer 6 wird Ziffer 4 und lautet wie folgt:

„4. Dem § 21b wird folgender Abs. 9a angefügt:

„(9a) Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen ist ermächtigt, zum Zweck der Bedarfs- und Entwicklungsplanung im Zusammenhang mit der 24-Stunden-Betreuung die personenbezogenen Daten pflegebedürftiger Personen gemäß Abs. 7 Z 1 lit. a, b, g h, i und m an die für die Aufgabenerfüllung zuständigen Ämter der Landesregierungen, Magistrate, Bezirkshauptmannschaften, Gemeinden und an den Fonds Soziales Wien auf deren Anfrage zu übermitteln, sofern diese für die Aufgabenerfüllung in deren örtlichen und sachlichen Zuständigkeitsbereich erforderlich sind und pseudonymisierte Daten vom jeweiligen Übermittlungsempfänger mit nachvollziehbarer Begründung nicht als ausreichend dargelegt werden. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat bei der Datenübermittlung die in Artikel 32 Datenschutz-Grundverordnung fest­gelegten Datensicherheitsmaßnahmen einzuhalten. Die verarbeiteten personenbezo­genen Daten sind unverzüglich zu löschen, wenn sie für die Erfüllung des konkreten Zwecks nicht mehr benötigt werden, spätestens jedoch mit Ablauf eines Jahres ab dem Zeitpunkt der Übermittlung.““

6. Die ursprüngliche Ziffer 7 wird Ziffer 5.

7. Die ursprüngliche Ziffer 8 wird Ziffer 6 und lautet wie folgt:

„6. § 21c Abs. 1 lautet:

„(1) Personen, die eine Pflegekarenz gemäß § 14c AVRAG vereinbart haben oder eine solche aufgrund eines Rechtsanspruchs in Anspruch nehmen, sowie Personen, die sich zum Zwecke der Pflegekarenz gemäß § 32 Abs. 1 Z 3 AlVG vom Bezug von Arbeits­lo­sengeld oder Notstandshilfe abgemeldet haben, gebührt für die Dauer der Pflegekarenz,


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höchstens aber für drei Monate, ein Pflegekarenzgeld nach den Bestimmungen dieses Abschnittes. Personen, die eine Pflegeteilzeit gemäß § 14d AVRAG vereinbart haben oder eine solche aufgrund eines Rechtsanspruchs in Anspruch nehmen, gebührt für die Dauer der Pflegeteilzeit, höchstens aber für drei Monate, ein aliquotes Pflegekarenzgeld. Pro zu betreuender pflegebedürftiger Person gebührt das Pflegekarenzgeld für höchstens sechs Monate. Bei einer neuerlichen Vereinbarung oder Inanspruchnahme einer Pflegekarenz oder Pflegeteilzeit wegen einer wesentlichen Erhöhung des Pflege­bedarfs um zumindest eine Pflegegeldstufe (§ 9 Abs. 4) gebührt das Pflegekarenzgeld für höchstens weitere drei Monate pro Person, die Pflegekarenz oder Pflegeteilzeit ausübt, insgesamt aber höchstens sechs Monate pro zu betreuender pflegebedürftiger Person. Eine Pflegekarenz oder eine Pflegeteilzeit nach gleichartigen bundes- oder landesgesetzlichen Regelungen sind wie eine Pflegekarenz oder eine Pflegeteilzeit gemäß §§ 14c und 14d AVRAG zu behandeln. Auf das Pflegekarenzgeld besteht ein Rechtsanspruch.““

8. Die ursprüngliche Ziffer 9 wird Ziffer 7.

9. Die ursprüngliche Ziffer 10 wird Ziffer 8.

10. Nach Ziffer 8 wird folgende Ziffer 9 eingefügt:

„9.. § 21d Abs. 2 Z 1 lautet:

              „1.         Vereinbarung oder sonstigen Nachweises über die Inanspruchnahme der Pflegekarenz oder Pflegeteilzeit,““

11. Die ursprüngliche Ziffer 11 wird Ziffer 10.

12. Die ursprüngliche Ziffer 12 wird Ziffer 11 und lautet wie folgt:

„11. § 21d Abs. 3 lautet:

„(3) Wird eine Pflegekarenz oder Pflegeteilzeit aufgrund eines Rechtsanspruchs in Anspruch genommen und erfolgt in diesem Zeitraum keine weitere Vereinbarung, so gilt die Beantragung des Pflegekarenzgeldes bis zur Beendigung der Maßnahme, längstens bis zwei Monate nach Beginn der Pflegekarenz bzw. Pflegeteilzeit, als fristgerecht. In den übrigen Fällen beträgt die Antragsfrist zwei Monate ab Beginn der Maßnahme. Wird der Antrag nach der Frist von zwei Monaten, jedoch vor dem Ende der Pflegekarenz, Pflegeteilzeit oder Familienhospizkarenz gestellt, gebührt das Pflegekarenzgeld ab dem Tag der Antragstellung. Verspätete Anträge sind zurückzuweisen.““

13. Die ursprüngliche Ziffer 13 wird Ziffer 12 und lautet wie folgt:

„12. § 21e Abs. 7 lautet:

„(7) Für Zeiträume, in denen ein Pflegekarenzgeld gebührt, sind finanzielle Zuwen­dungen gemäß § 21a nicht möglich. Personen, die eine Pflegekarenz gemäß § 14c AVRAG oder eine Pflegeteilzeit gemäß § 14d AVRAG vereinbart oder auf Grund eines Rechtsanspruchs in Anspruch genommen haben, können für diese Dauer keine Zu­wendungen gemäß § 21b beziehen, wenn der zu betreuende Angehörige Dienstleis­tungen im Sinne einer 24-Stunden-Betreuung in Anspruch nimmt, für die eine Förderung gemäß § 21b für denselben Zeitraum gewährt wird. Die §§ 10, 11, 15, 18 Abs. 4, 21, 24, 26, 27 Abs. 5, 32 und 33a gelten sinngemäß.““

14. Die ursprüngliche Ziffer 14 wird Ziffer 13 und lautet wie folgt:

„13. In § 21f Abs. 1 zweiter Satz wird die Wortfolge „ursprünglich vereinbarte“ durch die Wortfolge „ursprünglich vereinbarte oder beabsichtigte Dauer“ ersetzt.“

15. Die ursprüngliche Ziffer 15 wird Ziffer 14 und lautet wie folgt:


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„14. In § 21f Abs. 2 wird das Wort „vereinbarten“ durch die Wortfolge „vereinbarten oder beabsichtigten Dauer“ ersetzt.“

16. Die ursprüngliche Ziffer 16 entfällt.

17. Die ursprüngliche Ziffer 17 wird Ziffer 15 und lautet wie folgt:

„15. Dem § 44 wird folgender Abs. 9 angefügt:

„(9) Die Ausgleiche gemäß Abs. 1 zu einem Pflegegeld, bei dem die Anrechung der Erhöhung der Familienbeihilfe für erheblich behinderte Kinder aufgrund der Änderung des § 7 entfällt, sind aus diesem Grund mit Wirkung vom 1. Jänner 2023 von Amts wegen nicht neu zu bemessen.““

18. Die ursprüngliche Ziffer 18 wird Ziffer 16.

19. Die ursprüngliche Ziffer 19 wird Ziffer 17 und lautet wie folgt:

„17. Dem § 49 wird folgender Abs. 33 angefügt:

„(33) Das Inhaltsverzeichnis 1. Teil, § 7 zweiter Satz, § 21a Abs. 1, § 21b Abs. 9a, § 21c Abs. 1, § 21d Abs. 2 Z 1, § 21d Abs. 3, § 21e Abs. 7, § 21f Abs. 1 zweiter Satz, § 21g, § 21f Abs. 2 sowie § 44 Abs. 9 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XXX/2022 treten mit 1. Jänner 2023 in Kraft.““

Begründung

Zu Z 1 (Inhaltsverzeichnis) und Z 11 (§ 21g):

Korrektur von Redaktionsversehen.

Zu Z 3, 5, 6, 8, 9 und 10 (§ 21a Abs. 1, § 21c Abs. 1, § 21d Abs. 2 Z 1, § 21e Abs. 7, § 21f Abs. 1 zweiter Satz und § 21f Abs. 2):

Korrektur von Redaktionsversehen. In § 21a Abs. 1 wurde die Gliederung zu Gunsten einer besseren Lesbarkeit geändert.

Zu Z 4 (§ 21b Abs. 9a):

Die Änderung des Gesetzeswortlauts aufgrund entsprechender Stellungnahmen im Rahmen des vorparlamentarischen Begutachtungsverfahrens bedingte eine Einschrän­kung der Übermittlung von Daten, die zu den besonderen Kategorien personen­bezo­gener Daten gemäß Art. 9 Abs. 1 DSGVO zählen, indem diese lediglich auf Anfrage der für die Aufgabenerfüllung örtlich und sachlich zuständigen Stelle übermittelt werden kön­nen, wobei der potentielle Empfängerkreis aufgrund der verfassungsrechtlichen Kom­petenz der Länder und deren unterschiedlichen Ausgestaltung der Pflegesysteme weit zu definieren war, sowie grundsätzlich in pseudonymisierter Form als gelinderer Eingriff in das Grundrecht auf Datenschutz zu übermitteln sind, es sei denn, es kann mit einer Begründung ausreichend dargelegt werden, weshalb die pseudonymisierte Übermittlung nicht als ausreichend erachtet wird. Die entfallenen Passagen in Hinblick auf Daten­sicherheitsmaßnahmen und Löschung wurden wiederaufgenommen, wobei die Lösch­frist nunmehr spätestens mit Ablauf eines Jahres ab Übermittlungszeitpunkt fest­gelegt wird. Werden Daten zum Beispiel 1. Juli 2022 übermittelt, so sind diese am 2. Juli 2023 zu löschen. Dieser Zeitraum wird als ausreichend für die Datenverarbeitung im Rahmen des Planungswesens zur Aufrechterhaltung von Betreuungs- und Pflegemaß­nahmen erachtet.

Zu Z 2 und 12 (§ 7 zweiter Satz und § 44 Abs. 9):

Familien mit erheblich behinderten Kindern sind großen Belastungen, auch finanzieller Natur, ausgesetzt. Aus diesem Grund soll künftig der Betrag von 60 Euro von der Erhö­hung der Familienbeihilfe nicht mehr auf das Pflegegeld angerechnet werden.


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Die Änderungen sollen ab 1. Jänner 2023 sowohl für bestehende Fälle als auch für am 1. Jänner 2023 anhängige Verfahren gelten und gemäß der neuen Übergangs­bestim­mung im § 48g von Amts wegen vorgenommen werden. Unter Anwendung des § 9 Abs. 5 Z 3 sollen die Änderungen mit Beginn des Monates wirksam werden, mit dem die gesetzliche Änderung eingetreten ist. Dies soll auch für gerichtliche Verfahren gelten.

Die vorliegenden Änderungen sollen ebenso Fälle betreffen, bei denen ein Anspruchs­übergang gemäß § 13 durchgeführt wird, wodurch sich die Beträge, die aufgrund der Legalzession auf den Kostenträger übergehen, erhöhen. Auch diese Änderung wäre von Amts wegen vorzunehmen. Überdies sollen die davon betroffenen Ausgleiche gemäß § 44 nicht neubemessen werden, damit auch diese Personen in vollem Umfang von dieser Verbesserung profitieren.

Gemäß § 27 Abs. 3 besteht keine Verpflichtung zur Erlassung von Bescheiden für Neubemessungen des Pflegegeldes als Folge von Änderungen dieses Bundesgesetzes. Die Betroffenen sollen von der Anpassung des Pflegegeldes und der Neubemessung aufgrund der Änderung des § 7 von den Entscheidungsträgern entsprechend informiert werden.

Zu Z 7 (§ 21d Abs. 3):

Nach der geltenden Rechtslage ist vorgesehen, dass bei einer Antragstellung innerhalb von zwei Wochen ab Beginn der Pflegekarenz, Pflegeteilzeit oder Familienhospizkarenz das Pflegekarenzgeld ab Beginn dieser Maßnahme gebührt. Wird der Antrag nach dieser Frist jedoch vor dem Ende der Pflegekarenz, Pflegeteilzeit oder Familienhospizkarenz gestellt, gebührt das Pflegekarenzgeld ab dem Tag der Antragstellung; verspätete An­träge sind zurückzuweisen.

Die Erfahrungen bei der Vollziehung haben gezeigt, dass diese Bestimmung zu Härten führen kann, zumal bei einer Vereinbarung einer Pflegekarenz oder Pflegeteilzeit bzw. bei einer Familienhospizkarenz die Frist für eine Antragstellung auf Pflegekarenzgeld innerhalb von zwei Wochen ab Beginn der Maßnahme in Anbetracht der oftmals schwie­rigen Familiensituation als zu kurz bemessen erscheint.

Der erste Satz bezieht sich ausschließlich auf jene Fälle, in denen eine Pflegekarenz oder Pflegeteilzeit aufgrund eines Rechtsanspruchs in Anspruch genommen wurde und es zu keiner weiteren Vereinbarung gekommen ist. In diesen Fällen soll die Beantragung des Pflegekarenzgeldes bis zur Beendigung der Maßnahme, längstens jedoch zwei Monate nach Beginn der Maßnahme, zulässig sein. Das Pflegekarenzgeld soll rück­wirkend ab Beginn der Maßnahme gebühren.

In den übrigen Fällen soll nunmehr normiert werden, dass das Pflegekarenzgeld ab Beginn der arbeitsrechtlichen Maßnahme gebührt, wenn die Beantragung innerhalb von zwei Monaten ab Beginn der Maßnahme erfolgt.

Wird der Antrag nach der Frist von zwei Monaten jedoch vor dem Ende der Pflegekarenz, Pflegeteilzeit oder Familienhospizkarenz gestellt, soll das Pflegekarenzgeld ab dem Tag der Antragstellung gebühren. Verspätete Anträge sollen zurückgewiesen werden.

Nach Ansicht des BVwG (GZ W228 2129008-1/2E) handelt es sich bei der Frist in § 21d Abs. 3 BPGG um eine materiell-rechtliche Frist. Das bedeutet, dass es bei Anträgen auf Pflegekarenzgeld auf das Einlangen des Antrags bei der Behörde ankommt.

Zu Z 13 (§ 49 Abs. 33):


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 74

Die vorgeschlagenen Änderungen sollen mit Wirkung vom 1. Jänner 2023 in Kraft treten.

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Abänderungsantrag wird gerade verteilt, wurde ein wenig erläutert und steht mit in Verhandlung.

Nun ist Frau Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek zu einer tatsächlichen Berich­ti­gung zu Wort gemeldet. – Bitte.


11.18.19

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Abgeordnete Bedrana Ribo hat soeben behauptet, jahrzehntelang wäre im Bereich der Pflege nichts passiert. (Abg. Ribo: Zu wenig!)

Ich berichtige tatsächlich: 1993 Einführung des Pflegegelds, Pflegekarenz eingeführt (Abg. Loacker: Da war noch Schwarz-Weiß-Fernsehen! – Heiterkeit bei NEOS und Grü­nen), Valorisierung des Pflegegelds unter Beteiligung der SPÖ, Pflegeregress abge­schafft, Pflegefonds eingerichtet unter Rudi Hundstorfer.

Ich habe Sie nicht verstanden, Herr Kollege, aber ich glaube, es war unqualifiziert. (Bei­fall bei der SPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Ihr habt nichts getan, hat er gesagt, und das stimmt auch! – Zwischenruf des Abg. Krainer. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

11.19


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Philip Kucher. – Bitte.


11.19.13

Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn sich die Regierungsparteien nur halb so viel Zeit für gute Regierungsarbeit nehmen würden als für irgendwelche Mar­ketingsprüche, dann wären wir in Österreich in vielen, vielen Bereichen schon deutlich, deutlich besser unterwegs. (Beifall bei der SPÖ.)

Was wir heute von Wöginger und Maurer erlebt haben, wie sie sich gemeinsam so partnerschaftlich herausgestellt und gesagt haben: die allerallerbeste Pflegereform aller Zeiten, das haben wir vor drei Jahren auch schon gehabt, und da hat das Pärchen an­ders ausgeschaut, es hat nämlich Wöginger und Hartinger-Klein geheißen. Die sind auch nebeneinander aufmarschiert und haben uns immer wieder gesagt (Abg. Heinisch-Hosek: Die Patientenmilliarde!): die allerallerbeste Gesundheitsreform aller Zeiten, es wird eine Patientenmilliarde geben und wie super alles werden wird. Über alle, die das nicht gut gefunden haben, die gewarnt haben, hat es geheißen: Die haben keine Ahnung von der Gesundheitspolitik. (Zwischenruf der Abg. Erasim.) Große Sprüche hat es gegeben: eine Patientenmilliarde, alles wird wunderbar sein, Hartinger-Klein und August Wöginger miteinander. (Beifall bei der SPÖ.)

Letzte Woche war es schwarz auf weiß im Rechnungshofbericht nachzulesen – ein Desaster. Nichts ist besser geworden für die Patientinnen und Patienten, da hat sich gar nichts gebessert. Ein Batzenminus ist aus der Patientenmilliarde geworden. Das heißt, es ist Marketing von August Wöginger (Zwischenruf des Abg. Michael Hammer), immer in unterschiedlicher Besetzung – einmal ist es Frau Hartinger-Klein, inzwischen ist Hartinger-Klein ausgetauscht worden, nun heißt sie Sigrid Maurer – und es sind immer dieselben Mechanismen, die wir hier im Parlament erleben.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 75

Wenn wir heute über die Pflege reden, da reden wir von Respekt gegenüber der Pflege. Frau Kollegin, ich sage Ihnen ehrlich etwas: Wenn man über die Berufsgruppe drüberfährt und in Sonntagsreden immer wieder von Respekt redet, dann wäre doch eine Form des Respekts, einfach der Berufsgruppe einmal zuzuhören. (Ruf bei den Grünen: Was?) Ich nenne ein kleines Beispiel: Gibt es eine einzige Person hier im Parlament, die mir einen Fachexperten oder eine Fachexpertin aus dem Bereich der Pflegewissenschaft nennen kann, der oder die die Pflegelehre begrüßt? (Zwischenruf des Abg. Michael Hammer.) In ganz Österreich gibt es keine einzige Fachgesellschaft, die findet, dass die Pflege-lehre sinnvoll ist. Junge Burschen und Mädels mit 15 und 16 Jahren in den Pflegebereich zu lassen, die dann diese Arbeit leisten müssen, ist das Verbrennen von Menschen. Alle Fachgesellschaften warnen davor. (Beifall bei der SPÖ.) Hier im Parlament wird groß vom Respekt gegenüber der Pflege geredet, aber in Wahrheit ist es euch völlig egal, was die Fachexperten aus der Pflege sagen. (Abg. Michael Hammer: Sozialistische ...!)

Es ist ein kleines Nest irgendwo in Tirol, wo der Wirtschaftsbund ein paar Experten um sich gesammelt hat. Kollege Hörl, da bist du ganz vorne mit dabei. Ihr bildet euch ein, dass man durch die Pflegelehre das alles billiger machen kann. (Zwischenruf der Abg. Ribo.) Alle Fachexperten warnen davor. (Abg. Hörl: Also du gehörst nicht dazu!) – Kollege Hörl, ich darf dich bitten: Ich mische mich nicht ein bei den Seilbahnen, aber lass du dafür die Finger von der Pflege, dann werden wir gut miteinander auskommen! Ist das ein Deal? (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ. – Abg. Hörl breitet die Arme aus, erhebt sich und neigt den Kopf.) Also: nicht nur von Wertschätzung reden, sondern die Wertschätzung auch tatsächlich leben!

Kollege Muchitsch hat ausgezeichnet ausgeführt: Das ist „Stückwerk“ und „Husch-Pfusch“. Das beste Beispiel ist, dass man über Nacht wieder einmal alles hat reparieren müssen – das zeigte sich an der Rede der armen Kollegin Ribo von den Grünen. Obwohl du erzählt hast, das ist so eine tolle Pflegereform, musstest du am Schluss noch einmal alles an deiner Rede abändern. (Abg. Ribo – einen Daumen hebend –: Ein ...!) Das ist ja ein Stückwerk. Wenn in der eigenen Rede hinten und vorne noch immer Sachen fehlen, ist das nicht wirklich durchdacht. Das hast du heute auch selbst bemerkt.

Ich möchte noch einen Punkt bringen (Abg. Michael Hammer: ... überhaupt mal einen Punkt bringen! – weiterer Zwischenruf bei der ÖVP): Wenn es dann heißt, wie viel Geld ausgegeben wird, muss man im Duden oder im Lexikon unter Laissez-faire nach­schauen, dann findet man wirklich ein Foto von Minister Rauch. Zu sagen: Die Bun­desländer haben nun eine halbe Milliarde Euro zur Verfügung, macht was Gescheites damit, schaut, dass die Menschen in der Pflege arbeiten, dass da irgendwas ankommt! – ohne Richtlinien, ohne Spielregeln –, das ist doch bitte keine Gesundheitspolitik, wenn jeder macht, was er will. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Abg. Ribo.)

Der Bereich ist so wichtig, vom Bodensee bis zum Neusiedler See. Alle Menschen ver­dienen die beste Pflege, und dafür braucht es auch Kriterien, einen einheitlichen Pfle­geschlüssel. Aber irgendwo zu sagen: Da habt ihr ein bisschen Geld, tut dafür aber den Mund halten!, das ist keine Pflegereform. (Ruf bei der ÖVP: Unsoziale Aussagen! – Abg. Weidinger: Unerhört! Unerhört!) Dasselbe, was Hartinger-Klein uns vor zwei Jahren erzählt hat, hat Sigrid Maurer uns heute wieder erzählt. Viel Marketingblabla, viel Gerede von Wertschätzung und großen Reformen – und in Wahrheit kommt derselbe Topfen heraus. (Ruf bei der ÖVP: Das war echte Lärmbelästigung jetzt!) Das ist leider das türkise Marketing, bei dem die Grünen sich derzeit leider instrumentalisieren lassen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Kühberger.)

11.23


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Ernst Gödl. – Bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 76

11.23.58

Abgeordneter Mag. Ernst Gödl (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundes­minister! Meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Alle Zuseherinnen und Zuseher zu Hause seien auch herzlich begrüßt! (Abg. Belakowitsch: Ich stell’ einmal fest, das Sakko passt besser!) Es gibt Tage als Abgeordneter, an denen man sich fragt, ob es Sinn macht, in diesem Haus zu sein; dann gibt es viele Tage, an denen man prinzipiell gerne da ist; und dann gibt es Tage wie den heutigen, an denen man besonders stolz sein kann, dass man dabei ist (Zwischenruf der Abg. Erasim), bei einer derartig großen Reform, die wir heute beschließen. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Michael Hammer.)

Meine geschätzten Damen und Herren, tatsächlich beschließen wir heute die größte Pflegereform seit 1993. (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP.) Ja, 1993 erfolgte ein großer Schritt, als nämlich das Bundespflegegeld eingeführt wurde. Nun nimmt diese Bundes­regierung gemeinsam mit dem Parlament mehr als 1 Milliarde Euro in die Hand, um die Rahmenbedingungen in der Pflege maßgeblich zu verbessern. Genau zu dieser Stunde, meine geschätzten Damen und Herren, wollte ich eigentlich zu Hause sein. In meiner Gemeinde wird genau in diesem Moment um 11 Uhr ein Pflegeheim mit 150 Pflege­plätzen eröffnet. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Ich wäre als Vizebürgermeister gerne dabei gewesen und ich wäre auch als Sozialhilfeverbandsobmann gerne dabei gewesen (Abg. Belakowitsch: Multifunktionär!) – alles ehrenamtlich, also der Sozial­hilfeverband ist ehrenamtlich –, weil der Sozialhilfeverband die Aufgabe hat (Abg. Erasim: ... beliebt!), jene Kosten abzudecken, die der Einzelne bei den Pflegekosten nicht stemmen kann. (Abg. Rauch: Sozial ...! – Zwischenruf der Abg. Erasim.)

Meine geschätzten Damen und Herren! Ja, ich habe heute Früh mit dem Pflege­dienst­leiter gesprochen, und der hat eine Bitte ausgesprochen, nämlich: Bitte verbessert die Bedingungen – gerade im Bereich des Personals! Ich habe ihm gesagt: Ja, das machen wir heute. Wir werden heute nämlich einige Gesetze beschließen; konkret sind es vier Gesetze, zwei ändern wir heute und zwei werden wir neu einführen.

Meine geschätzten Damen und Herren von der SPÖ! Ihr habt jahrelang, auch bei der letzten Regierung unter Kurz gemeinsam mit den Freiheitlichen, hier gefordert, dass ihr Taten sehen wollt. Als wir – Gust Wöginger und die Klubobfrau von den Grünen – dann am 12. Mai, am Tag der Pflege, die Reformen konkret angekündigt haben, haben Sie noch gefordert: Ja, was sind Ankündigungen? Wir wollen Gesetze sehen! – Ja, meine geschätzten Damen und Herren, hier sind die Gesetze, die wir heute ändern, die unser Pflegesystem maßgeblich verbessern werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der Grünen.)

Natürlich hat sich in den letzten 30 Jahren, seit 1993, seit der Einführung des Pflege­geldes vieles verändert, zum Beispiel auch die Anzahl der Pflegegeldbezieherinnen und -bezieher. Waren es damals rund 230 000, so sind es heute mehr als das Doppelte. Es sind ungefähr um die 470 000 Menschen, die Pflegegeld beziehen, die also dokumen­tieren, dass sie eine pflegerische Unterstützung im täglichen Leben benötigen. Des­wegen, meine geschätzten Damen und Herren, haben wir uns ganz klar dazu bekannt, 20 Maßnahmen zu setzen und über 1 Milliarde Euro in die Hand zu nehmen, um unser System zu verbessern.

Was ändern wir? – Wir machen eine Novelle zum Gesundheits- und Krankenpflege­gesetz. Ja, da werden wir einiges tun, um die Kompetenzen zu erweitern. Das war auch ein Ergebnis des Prozesses, auch der Taskforce, und des Wunsches aus der Praxis, einiges zu verändern. Das machen wir. Wir haben den Lehrberuf in Vorbereitung, Gust Wöginger hat es schon angesprochen, weil wir alle Zugänge zu den Pflegeberufen ermöglichen wollen, damit diese attraktiver werden.


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Zudem ändern wir das Bundespflegegeldgesetz. Wir erhöhen zum Beispiel in diesem Zusammenhang den Demenzzuschlag – etwas ganz Wichtiges. Es gibt viele Menschen im hohen Alter, die Demenzerscheinungen haben, die einen besonderen Aufwand in der Pflege bedeuten. Ja, hier gibt es einen zusätzlichen Zuschlag. Damit wird auch diese Kategorie verbessert.

Wir werden auch den Angehörigenbonus einführen. Wir haben ihn heute nochmals herausgenommen, weil wir ein paar Dinge präzisieren wollen, weil wir auch den Bezie­herkreis erweitern wollen, weil es einige Anregungen aus den verschiedenen Institu­tionen gab. Ja, das machen wir. Das machen wir, weil wir ein gutes Regelwerk schaffen wollen. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP und bei den Grünen.)

Es kommen auch zwei neue Gesetze, die besonders teuer, aber sehr, sehr wichtig sind. Zum Ersten ist dies das Pflegeausbildungs-Zweckzuschussgesetz. Es ist uns also ein besonderes Anliegen, dass bereits die Ausbildung im Pflegebereich honoriert wird. Jene, die sich zum ersten Mal ausbilden lassen, werden in Zukunft mindestens 600 Euro pro Monat als Beitrag zur Erstausbildung erhalten. Für jene, die umsteigen wollen – das wird der nächste Schritt sein –, werden wir, so bald wie möglich, spätestens nächstes Jahr im September, ein Pflegestipendium ins Leben rufen. Wenn es früher möglich ist, werden wir das früher einführen. Ja, die werden dann 1 400 Euro als Beitrag erhalten, als Hilfe, damit sie eine Ausbildung beginnen können, wenn sie aus einem anderen Beruf um­steigen wollen.

Das vierte Gesetz, das wir heute beschließen, meine Damen und Herren, ist das Ent­gelterhöhungs-Zweckzuschussgesetz – ein klares Bekenntnis zum Pflegeberuf, ein klares Bekenntnis, dass wir da bei den Gehältern nachbessern müssen, auch als eine besondere Form der Wertschätzung. Dafür nimmt die Bundesregierung für die nächsten beiden Jahre 570 Millionen Euro in die Hand. Sie haben ja gerade in der SPÖ viele erfahrene Kommunalpolitikerinnen und -politiker: Natürlich wird sich das dann im nächsten Finanzausgleich fortschreiben. Ja, ganz klar! Man muss diese Attraktivierungs­maßnahmen natürlich auf Dauer umsetzen, und das wird auch passieren, das kann ich Ihnen auf jeden Fall garantieren. Deswegen, meine geschätzten Damen und Herren, ist es tatsächlich ein sehr, sehr großer Wurf, den wir heute schaffen.

Besonders freut mich – an die Adresse der FPÖ und an Kollegen Kaniak –, dass die FPÖ heute über ihren Schatten springt und diese Maßnahmen mitträgt. Ich glaube, Konrad Adenauer hat es einmal formuliert: Es hindert einen niemand daran, über Nacht gescheiter zu werden. – Ja, meine Damen und Herren, das ist gut so, das ist richtig so, dass Sie heute mitstimmen. (Abg. Rosa Ecker: Übertreibt es nicht!)

Mich verwundert extrem, lieber Beppo Muchitsch von der SPÖ, dass Sie sich weiterhin verweigern – aus rein parteipolitischem Kalkül. Wenn du hier herauskommst und sagst: Eigentlich bräuchten wir ja Tagesbetreuungszentren!, dann sage ich: Das ist ja richtig, nur: Es hätte dich niemand daran gehindert – du bist, glaube ich, Stadtparteiobmann der SPÖ in Leibnitz und ihr seid seit 17 Jahren Bürgermeisterpartei in Leibnitz –, in deiner Gemeinde ein Tagesbetreuungszentrum einzurichten. Das haben inzwischen übrigens viele Gemeinden in der Steiermark und auch in anderen Bundesländern gemacht. Das liegt natürlich weiterhin bei den Gemeinden und bei den Ländern, das bleibt auch so.

Dass Sie als SPÖ heute aber nicht dabei sind, dass Sie nicht zustimmen, dass Sie quasi wirklich am falschen Dampfer unterwegs sind! Ich weiß, ihr seid schon am Urlaubs­dampfer, wir sind noch am Arbeitsdampfer. Wir hackeln, wir verbessern die Lebens­bedingungen gerade in der Pflege und legen ein großes Paket vor. (Beifall bei Abge­ordneten von ÖVP und Grünen.)

Zum Abschluss, meine Damen und Herren: Wie von meinem Klubobmann ange­sprochen, sind die Rückmeldungen aus dem Pflegebereich – aus den verschiedenen Institutionen,


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aus den Trägerorganisationen – eindeutig, nämlich eindeutig positiv. Ich möchte als Beispiel die Caritas nennen, die sagt, es sei ein großes Aufatmen in der Branche hörbar.

Meine geschätzten Damen und Herren, ja, heute bin ich stolz, besonders stolz, Teil des Nationalrates zu sein, wenn wir diese große Pflegereform beschließen! Das ist nämlich für unsere BürgerInnen, für alle Menschen in Österreich eine Verbesserung, und im Besonderen für jene, die in der Pflege beschäftigt sind. Ich bitte um ganz breite Zustimmung. – Glück auf! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

11.31


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Rosa Ecker. – Bitte.


11.31.55

Abgeordnete Rosa Ecker, MBA (FPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren hier im Saal und zu Hause! Ja, den Satz von Herrn Gödl nehmen wir uns mit, nämlich auch in dem Sinn, dass wir replizieren: Es wird nie­mand daran gehindert, gescheiter zu werden. – Wir hoffen, dass die ÖVP und die Grünen bei diesem Pflegepaket in der nächsten Zeit noch eklatant und großzügig klotzen und nachbessern.

Wir stimmen heute zu – ja natürlich, weil endlich etwas weitergehen muss und man von Ankündigungen in der Pflege gar nichts hat! Das kann aber noch nicht das Ende der Fahnenstange sein. (Abg. Höfinger: Ist es nie!) Fragen Sie die pflegebedürftigen Menschen in Österreich, fragen Sie das Pflegepersonal! (Beifall bei der FPÖ.)

Wir hätten schon längst einen Pflegenotstand ausrufen müssen, und die vorliegenden Maßnahmen sind Flickwerk. Ja, sie lösen heute und morgen kein Problem, und sie werden das Personal, das den Pflegeberuf an den Nagel gehängt hat, nicht zurückholen. Zu diesen zwei Jahren Bonusgehalt: Man weiß ja noch nicht, wie es ausgeschüttet wird. Zuckerl locken keine Berufseinsteiger und ‑umsteiger an, und gerade die Planungs­sicherheit ist nicht gegeben, wenn man nicht weiß, ob man von diesem Bonusbetrag auch Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld, Arbeitslosengeld, Vorsorgeversicherung bekommt. – Das ist alles nicht geklärt und an die Länder ausgelagert! Womöglich entstehen neun Modelle. (Zwischenruf des Abg. Michael Hammer.)

Sehr geehrte Damen und Herren, die Pflege im Familienverband spart dem Staat insgesamt 3 Milliarden Euro im Jahr, sie ist die günstigste Versorgungsform und die beliebteste bei der älteren Generation und bei den Menschen, die Pflege brauchen. Der Angehörigenbonus erst ab Pflegestufe 4 ist wirklich eine Verhöhnung von Menschen, die Pflege zu Hause leisten. Pflegestufe 4 bedeutet, 24 Stunden am Tag, sieben Tage in der Woche für den Menschen, der das braucht, verfügbar zu sein. Ab Pflegestufe 4 erhält man einen Seniorenplatz ohne Zuzahlung  das ist ja kein Ausgleich! Auch die Menschen, die Pflege an Menschen in der Pflegestufe 1 bis 3 leisten, hätten sich wirklich einen Bonus verdient. Diese brauchen einen Ausbau und eine Stärkung der mobilen Dienste, davon hören wir aber heute auch nichts.

Längst überfällig ist ein Angebot in der Übergangspflege. Der Antrag von uns Frei­heitlichen, der in diesen zusammengefassten Tagesordnungspunkten enthalten ist, wird abgelehnt, denn laut der Kollegin von den Grünen – Sie können es in der Parla­ments­korrespondenz nachlesen – brauche es das nicht, das gebe es ja schon, und man schicke ja niemanden heim, der sich nicht helfen kann. – Also liebe Kollegen von der ÖVP und von den Grünen, manchmal frage ich mich schon, wo Sie leben, in welcher Blase Sie unterwegs sind! Wissen Sie wirklich nicht mehr, was draußen passiert, dass Akutbetten im Krankenhaus keine Pflegebetten sind, dass auch dort Corona zuge­schlagen hat und der Pflegemangel bedeutet, dass Pflegekräfte fehlen? Dass man dort auch nicht weiß, wie man die Betten für Menschen, die Krankenbehandlung brauchen,


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verfügbar macht und Menschen wenn irgend möglich sofort nach Hause schickt, wenn keine Krankenbehandlung mehr, aber eigentlich noch Pflege nötig ist?

Ich kenne einige Geschichten aus meinem Umfeld. Ein Senior, der an die 80 Jahre alt war, alleinstehend, allein wohnend, wurde nach einer schweren Operation nach Hause geschickt. Es war keine mobile Hilfe verfügbar und der Mann konnte nicht alleine aufs Klo gehen, sich Lebensmittel besorgen und sich selbst versorgen.

Eine Frau wurde nach einer schweren Beinoperation, selbst nicht gehfähig, nach Hause entlassen, bevor es den Angehörigen möglich war, entsprechende Utensilien zu be­sorgen: Pflegebett, Leibstuhl, Rollstuhl, Badewannenlift. Es braucht entsprechende Ver­ordnungen und es ist nicht alles prompt verfügbar, von den Adaptierungen der Räum­lichkeiten ganz zu schweigen.

Ein Mann im mittleren Alter hatte einen schweren Unfall. Zwischen Krankenhaus und Reha konnte er sich nicht selbst versorgen, er wäre hier in Österreich auf Pflege ange­wiesen gewesen. Er war vorher völlig gesund, er hatte keine Pflegestufe. Er bekam zur Kurzzeitpflege kein Bett im Seniorenheim, weil er kein Pflegegeld bezogen hatte. Glück­licherweise war der Mann aufgrund einer Beschäftigung auch in Deutschland versichert. In Deutschland gibt es diesen Rechtsanspruch auf Kurzzeitpflege, auf Übergangspflege, und dort hat er Hilfe bekommen.

Der von uns geforderte Rechtsanspruch wäre wirklich notwendig, um bittere Erfahrungen für Betroffene zu verhindern. Das Entlastungsmanagement, das oft zitiert wird, kann auch nicht alles abdecken, und wie gesagt sind Betten und Personal Mangelware. Ein Kurzzeitbett im Seniorenheim ist zu 100 Prozent selbst zu bezahlen: an die 3 000 Euro pro Monat, wenn überhaupt eines verfügbar ist. Laut der Kollegin von den Grünen im Ausschuss ist der Rechtsanspruch auf Übergangspflege im Krankenhaus nicht nötig, weil ohnehin niemand aus dem Krankenhaus entlassen werde, wenn zu Hause keine Pflege vorhanden sei. – Liebe Frau Kollegin, ich hoffe, Sie kommen nicht selbst einmal in diese Situation. Sie würden möglicherweise bitter feststellen, dass Sie unrecht haben. (Beifall bei der FPÖ.)

Eine umfangreiche Kostenanalyse, wie von den NEOS gefordert, würde ergeben, dass das Geld für Übergangspflege gut eingesetzt wäre, weil Mobilisation vor einem Reha-Aufenthalt vieles noch auffangen könnte und Spätfolgen verhindern würde.

Sehr geehrte Damen und Herren, die meisten pflegebedürftigen Menschen sind nicht besonders vermögend! Sie können sich Übergangspflege als Selbstzahler nicht leisten, sie schauen, dass sie irgendwie über die Runden kommen. Sie werden von dieser schwarz-grünen Regierung alleingelassen. Ja, dieses Pflegepaket ist besser als nichts, ein erster Schritt, insgesamt aber noch viel zu wenig. (Beifall bei der FPÖ.)

11.37


Präsidentin Doris Bures: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Abgeordneter Muchitsch zu Wort gemeldet. – Bitte.


11.37.55

Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ): Frau Präsidentin! Ich habe eine tatsächliche Berichtigung zum Redebeitrag des Herrn Abgeordneten Ernst Gödl.

Abgeordneter Gödl hat behauptet, die Stadt Leibnitz habe betreffend Tageszentrum keine Einrichtung geschaffen. – Ich berichtige: Die Stadt Leibnitz hat im Kernraum der Südsteiermark ein Tageszentrum beantragt. Dieses Tageszentrum wurde aber mit ÖVP-Mehrheit in eine ÖVP-Umlandgemeinde verschoben. (Beifall bei der SPÖ.)

11.38



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 80

Präsidentin Doris Bures: Nun ist Herr Abgeordneter Markus Koza zu Wort gemeldet. – Bitte.


11.38.38

Abgeordneter Mag. Markus Koza (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte ZuseherInnen! Bis 2030 haben wir im Bereich der Pflege und Betreuung einen Bedarf von 76 000 Per­sonen. Das ist eine Schätzung, eine Bedarfsprognose der Gesundheit Österreich GmbH. Die Gründe sind klar: Wir haben einen demografischen Wandel, die Menschen werden erfreulicherweise immer älter. Der Bedarf nach Pflegeleistungen, nach öffentlichen Pflegeleistungen, nach umfassenden Pflegeleistungen wird mehr.

Wir wissen, dass bereits heute das Pflegepersonal über weite Strecken überlastet ist. Wir wissen, dass die Burn-out-Raten im Bereich der Pflege- und Sozialberufe sehr hoch sind. Wir wissen, dass immer mehr Menschen den Pflegeberufen den Rücken kehren und leider auch nicht mehr zurückkommen, weil es für sie zu wenig Perspektive gibt, weil die Arbeitsbedingungen, die Einkommensbedingungen zu belastend und zu hart sind.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, mit dieser Pflegereform, die wir heute hier beschließen werden, werden wir erfreulicherweise wichtige und richtige Schritte in Richtung einer besseren Entlohnung und in Richtung besserer Arbeitsbedingungen für die Menschen in der Pflege einschlagen. Das ist sehr wichtig, sehr richtig und vor allem sehr dringend. (Beifall bei den Grünen.)

Bereits angekündigt worden sind weitere Verbesserungen der Arbeitsbedingungen, die aber heute noch nicht zur Beschlussfassung vorliegen, sondern deren Beschlussfas­sung in einer der nächsten Plenarsitzungen erfolgen wird, wie beispielsweise eine zusätzliche, sechste Urlaubswoche als Erholungswoche. Ebenfalls angekündigt ist und kommen wird, dass künftig alle Pflegekräfte in der stationären Langzeitpflege 2 Stunden Zeitgutschrift als Ausgleich für Nachtdienste bekommen. Das sind wesentliche Schritte, um Menschen in der Pflege mehr Zeit für Erholung, mehr Zeit, um entspannen zu kön­nen, zu geben.

Das, was wir heute beschließen, ist eine deutliche Verbesserung der Einkommens­bedingungen der Menschen, die in der Pflege arbeiten, in diesem gesellschaftlich so wichtigen Bereich – wichtig nicht nur wenn es unmittelbar um die Pflege der Angehörigen geht, sondern auch weil es dadurch, dass Menschen Pflegeleistungen anbieten, dass es Pflegeleistungen gibt, anderen überhaupt erst ermöglicht wird, beispielsweise einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Das ist eine wichtige, zentrale gesellschaftspolitische, sozialpolitische und wirtschaftspolitische Funktion.

Es muss auch klar sein, dass für diese wichtige Funktion, die diese Menschen haben, für diese wichtige Arbeit auch eine entsprechende Entlohnung gegeben sein muss. Dass das künftig nicht nur für die Pflegeberufe gelten wird, sondern auch für verwandte Berufe – im Bereich der Behindertenbegleitung beispielweise oder auch im Bereich der Heimhilfe –, ist ebenfalls ein ganz wesentlicher Schritt und stärkt auch den inter­dis­ziplinären Ansatz in der Pflege.

Was passiert jetzt ganz konkret? – Das ist ein vollkommen neuer Schritt, der jetzt gegangen wird: Wir stellen als Bundesregierung 570 Millionen Euro für die nächsten zwei Jahre zur Verfügung, um die Einkommensbedingungen der Menschen in der Pflege strukturell nachhaltig zu verbessern. Wer ist damit beauftragt? – Diejenigen natürlich, die für die Einkommen in den jeweiligen Branchen auch zuständig sind, nämlich die Sozialpartner. Es ist seit Jahren und seit Jahrzehnten eine zentrale Forderung von Gewerkschaften, von Berufsverbänden, von wem auch immer, dass endlich die Ein­kommen in den Pflegeberufen, in den Sozialberufen deutlich verbessert werden, und


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das passiert mit diesem Beschluss. Ja, es ist nur für zwei Jahre sichergestellt, aber es soll strukturelle Änderungen und nachhaltige Änderungen in den Kollektivverträgen geben, das steht ganz klar im Gesetz drinnen. Wer wirklich glaubt, dass nach den nächsten Finanzausgleichsverhandlungen auf einmal ein Weg zurück eingeschlagen wird, dass die Kollektivverträge nicht mehr gelten, das Geld nicht da ist, der irrt, denn das wird sich niemand trauen. Das sind nachhaltige, strukturelle, länger dauernde Verbesserungen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist heute ein wichtiger Tag für die Zukunft der Pflege, ein guter Tag für die Zukunft der Pflege, weil er die Basis dafür schafft, dass Pflegeberufe künftig besser entlohnt werden – mit dem Wert, den sie tatsächlich für die Gesellschaft und die Menschen in diesem Land bringen. Ich bitte um Ihre Zustimmung. – Danke. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

11.43


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Verena Nussbaum. – Bitte.


11.43.18

Abgeordnete Mag. Verena Nussbaum (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Werte Zuseherinnen und Zuseher auf der Galerie! Nachdem der Druck auf die Regierungsparteien im Pflegebereich so groß geworden war (Abg. Michael Hammer: Weil ihr nichts getan habt vorher!), wurden im Mai 20 Punkte präsentiert, in denen erklärt wurde, wie die Bundesregierung unsere Pflege zukünftig absichern will. Die Erwartungen waren sehr hoch und es war bereits fünf nach zwölf, also mehr als höchste Zeit zu handeln. (Abg. Michael Hammer: Das hättet aber ihr auch schon tun können!)

Bis jetzt sind aber nur Ankündigungen erfolgt, und was wir heute hier beschließen, ist nur ein bescheidener Teil der sogenannten Pflegereform. Von Reform sehen wir da nicht viel – auch wenn von den Regierungsparteien immer wieder dieses Wort verwendet wird, wird der Inhalt dadurch nicht besser. Wie immer geht es um chaotische Ankündigungen, aber das sind wir von dieser Bundesregierung jetzt ohnedies schon gewöhnt. Das zeigt sich allein daran, dass bei den Verbesserungen hinsichtlich Bezahlung der riesengroße Bereich der Heimhilfen und Sozialbetreuungsberufe im ursprünglichen Entwurf verges­sen wurde. Erst jetzt, infolge der Stellungnahmen, wurden sie nachträglich einbezogen.

Kritisch anmerken müssen wir aber schon, dass die Nachhaltigkeit absolut nicht gegeben ist. Es gibt keine langfristigen Verbesserungen bei den Arbeitsbedingungen. (Abg. Ribo: Für die die Länder zuständig sind!) Da frage ich mich schon: Wie soll der Pflegeberuf für die Berufswahl attraktiver werden, wenn Entgelterhöhungen jetzt einmal auf zwei Jahre befristet sind (Abg. Gödl: Finanzausgleich!) und heute keine weiteren Verbesserungen der Arbeitsbedingungen beschlossen werden? (Abg. Gödl: Das ist ein Zauberwort: Finanzausgleich!) Das ist eben kein großes Paket. Ich sehe das nur daran, dass einfach versucht wird, kurzfristig Löcher zu stopfen. Damit werden aber die Prob­leme nicht gelöst, und es gibt auch keine Leistungsverbesserung und keine Leistungs­angebote für zu pflegende Menschen. (Beifall bei der SPÖ.)

Der einzige kleine Lichtblick ist die Novelle zum Pflegegeldgesetz mit dem Erschwer­niszuschlag für Menschen mit einer schweren geistigen oder psychischen Behinderung, insbesondere Demenzerkrankung, und auch der Regelung, dass die erhöhte Familienbeihilfe für behinderte Kinder nicht mehr auf das Pflegegeld angerechnet wird.

Der groß angekündigte Angehörigenbonus aber, der im ursprünglichen Gesetzentwurf in der Höhe von 4,11 Euro pro Tag beinhaltet war – was auch wieder eine sehr inter­es­sante Zahl ist, denn um diesen Betrag kann man sich keine Leistung für den zu pfle­genden Angehörigen zukaufen –, wurde als redaktionelles Versehen wieder gestrichen,


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weil er wieder so eng gegriffen war, weil nicht bedacht worden ist, dass PensionistInnen, die ihre Angehörigen pflegen, nicht vorkommen, auch nicht ArbeitnehmerInnen, die von Vollzeit auf Teilzeit reduziert haben. Jetzt wurde versucht, es mit einem Entschließungs­antrag zu reparieren, aber was heißt denn das? – Es wird wieder alles in den Herbst verschoben, der Angehörigenbonus wird heute nicht beschlossen. Es verzögert sich wieder alles, und man sieht wieder die völlige Planlosigkeit dieser Regierung. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

11.46


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Bettina Zopf. – Bitte.


11.46.41

Abgeordnete Bettina Zopf (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher auf der Galerie und zu Hause vor den Fernsehbildschirmen! Was es heißt, pflegender Angehöriger zu sein, ist mir persönlich bekannt. Zwei Jahre lang habe ich meine Tante gepflegt und ein Jahr meine Mutter, allerdings nur in den Pflegestufen 1 und 2.

Seit 2006 bin ich Gewerkschaftsvertreterin der Gemeindebediensteten und betreue dort auch die Bediensteten der gemeindeeigenen Altenwohnheime. Die Probleme, die es in den Pflegeheimen gibt, sind mir bekannt. Beim Sozialamt war ich unter anderem für die Antragstellung auf Pflegegeld und für alles rund um pflegende Angehörige zuständig. Mit Recht kann ich behaupten, dass ich die Materie aus der Praxis und von vielen Seiten her kenne. Was Bedienstete und Angehörige leisten, wenn sie pflegen, das lässt sich nicht hoch genug bezahlen. Ihr Beruf ist Berufung. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.) Er ist körperlich und psychisch anstrengend, aber, wie ich aus eigener Erfahrung und auch aus vielen Erzählungen weiß, auch sehr schön.

2015 und 2021 war ich in Oberösterreich bei den Pflegeverhandlungen als Arbeit­nehmervertreterin dabei. Löhne und Gehälter sind nämlich Länderkompetenz. Ich habe vorhin Herrn Kollegen Kucher gefragt, ob er weiß, wie es in Klagenfurt mit dem Grundgehalt aussieht; er konnte es mir noch nicht beantworten, aber er wird es mir schicken.

Ich weiß, wie hoch das Einstiegsgehalt in Oberösterreich ist, und kann ganz klar sagen, dass Oberösterreich mit Wien gleichauf liegt. Da frage ich mich, wenn die Pflege so schlecht bezahlt ist und die Gehaltsverhandlungen Länderkompetenz sind, warum denn im von der SPÖ geführten Wien das Grundgehalt nicht höher ist. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen. – Zwischenruf des Abg. Kucher.)

Der Bund hat es jetzt in die Hand genommen und steuert noch einmal 520 Millionen Euro bis Ende 2023 bei. Jetzt muss ich noch dazusagen: Es war mir auch extrem wichtig, dass wir nicht auf die Heimhilfen und auf die FachsozialbetreuerInnen im Behinderten­bereich vergessen. Es kommen jetzt noch einmal 50 Millionen Euro genau für diese Berufsgruppen dazu, die ebenfalls Unglaubliches leisten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Es sei gesagt, dass wir alles in unserer Macht Stehende tun, um das Pflegepersonal und die pflegenden Angehörigen zu entlasten. Uns ist bewusst, dass derzeit auch in der Pflege zu wenig Personal vorhanden ist, deshalb führen wir die Pflegelehre ein. Da kann ich aus der Praxis sagen: Meine Tochter wäre gerne in die Pflege gegangen, aber das Angebot hat es für sie mit 15 Jahren noch nicht gegeben. Jetzt hat sie eine andere Lehre gemacht (Abg. Kucher: Wer empfiehlt die Pflegelehre? Welche Fachgesellschaft?) – und eine Lehre ist nicht schlecht (Abg. Kucher: Die Pflegelehre?), eine Lehre ist gut (Zwischenrufe bei der SPÖ), und was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr, Herr Kucher.


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Man muss sehr wohl darauf achten (Abg. Kucher: Wer empfiehlt die Pflegelehre, welche Einrichtung? Wer empfiehlt das? Auf Basis welcher Expertise?), dass man ihnen nicht zu viel zumutet, aber wenn sie mit 15 diesen Beruf ergreifen wollen, dann soll man ihnen das nicht verwehren. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen. – Neuerliche Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wir setzen finanzielle Anreize, es wird einen Ausbildungsbonus in der Höhe von 600 Euro geben, es wird auch Pflegestipendien geben – das alles sind Anreize, um mehr Per­sonen in die Pflege zu bekommen, damit diese diesen Beruf ergreifen und damit wir das bestehende Personal entlasten.

Auch für die pflegenden Angehörigen setzen wir neue Schritte: Es kommt der Pflege­bonus in Höhe von 1 500 Euro, den sollen die pflegenden Angehörigen, die eine Person ab Pflegestufe 4 zu Hause pflegen, erhalten. Nicht nur jene, die selbst- und weiter­versichert sind, das heißt, die nicht mehr arbeiten gehen, sondern auch unsere Pensio­nistinnen und Pensionisten, die zu Hause Angehörige pflegen, sollen diesen Bonus bekommen. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

Eines ist klar: Wir müssen aufhören, immer nur davon zu reden, wie anstrengend und herausfordernd die Pflege ist, denn damit tun wir weder den Menschen, die in dieser Branche arbeiten, etwas Gutes noch den Pflegebedürftigen einen Gefallen. Bei einer Arbeit, bei der man so eng mit anderen Menschen zu tun hat, gibt es nicht nur Belastung, sondern auch viel Wertschätzung und Erfolgserlebnisse. Ich habe die größte Hochach­tung vor jeder Person, die in der Pflege arbeitet, und schätze ihre Arbeit, denn ich möchte mich ja auch einmal darauf verlassen können, dass ich möglicherweise einmal gepflegt werde. (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Generell regt es mich auf, dass das Arbeitengehen an und für sich so oft schlechtgeredet wird, daher ein Appell an die SPÖ: Bitte endlich einmal keine populistischen Anträge mehr auf Erhöhung des Arbeitslosengeldes (Abg. Kucher: Das ist die ÖVP-Politik – Zwischenruf der Abg. Yılmaz), denn das verstehet niemand mehr – und schon gar nicht Leute, die pflegen und nicht mehr wissen, wie sie pflegen sollen, weil sie so wenig Personal haben. (Beifall und Bravoruf bei der ÖVP sowie Beifall bei Abgeordneten der Grünen.)

Wir tun in der Regierung gemeinsam mit den Grünen lieber etwas (Zwischenrufe der Ab­geordneten Matznetter und Holzleitner), um jene zu entlasten, die tagtäglich ihren Beitrag leisten und auch arbeiten gehen. Zum Schluss würde eine Pflegerin vielleicht sagen: Sei nett zu mir, es kann sein, dass ich dich einmal pflege! – Danke an alle Men­schen, die in der Pflege tätig sind. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

11.52


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Christian Ragger. – Bitte.


11.52.29

Abgeordneter Mag. Christian Ragger (FPÖ): Geschätzte Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Minister! (Abg. Kucher: Das Kärntenpaket!)  Das Kärntenpaket kommt auf jeden Fall, das sei einleitend für Herrn Abgeordneten Kucher gesagt.

Man sollte eine Reform, wenn man sie einleitet, auch einmal entsprechend gutheißen, und man kann das heute auch wirklich in Ansätzen in Bezug auf ÖVP und Grüne einmal tun. Das ist aber nur der erste Ansatz.

Wenn man einen Prozess einer Reform beginnt, dann muss man sich natürlich auch im Detail anschauen, von wo man startet und welchen Ansatz man für eine Pflegereform findet. Es gibt drei große Bereiche:


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Der erste Bereich – die dort greifenden Maßnahmen loben Sie heute über den Klee – ist die Entlohnung. Da gibt es ein Paket in der Höhe von 520 Millionen Euro beziehungs­weise, weil Sie jetzt auch die Heimhilfe und die Behindertenbetreuung mit hineinge­nommen haben, von 570 Millionen Euro. Da erwarte ich mir, dass es – als positiver Ansatz – am Ende des Tages dann auch wirklich bei den Personen ankommt, nämlich insofern ankommt, als dieses Geld als Entgeltzahlung den jeweiligen Pflegerinnen und Pflegenden zur Verfügung gestellt wird. Da appelliere ich nun an Sie, Herr Minister, dass Sie mit den Finanzreferentinnen und ‑referenten und den Sozialreferentinnen und Sozialreferenten auch dafür Sorge tragen. (Beifall bei der FPÖ.) Wenn es nämlich nur eine Bonuszahlung ist, dann entspricht es letztendlich nicht dem Gedanken, den wir eigentlich mit dieser Pflegereform erfüllen wollten.

Der zweite Bereich, was auch durchaus wünschenswert und begrüßenswert ist, ist, dass im privaten Bereich 1 500 Euro Bonus gezahlt werden. Da ist es auch wichtig, dass das nicht erst in der Pflegestufe 4 passiert – wir sprechen diesbezüglich von über 24 000 Men­schen –, sondern es soll für alle Menschen gelten – und Sie vergessen ja immer, 80 Prozent der zu pflegenden Personen sind zu Hause –, und da sprechen wir von 950 000 Personen, die zu Hause versorgt werden. Daher wünsche ich mir, dass dieser Bonus nicht nur ab Pflegestufe 4 ausgezahlt wird, sondern für alle ausgezahlt werden muss, denn es wird Ihnen für die zukünftige Versorgung der älteren Menschen klar sein müssen, dass man sie nicht alle in den Pflegeheimen unterbringen kann.

Letzteres ist ein frommer Wunsch der Sozialdemokraten: Dort kostet es ja nichts, ist es ja gratis, zahlt es eh der Staat! (Abg. Heinisch-Hosek: Haben wir nie gesagt! – Abg. Kucher: Das ist wieder nur Populismus!) – Das Gros passiert letztendlich zu Hause. Ich wünsche mir nur einmal, dass ihr mitgeht und euch im privaten Bereich anschaut, was das für eine familiäre, was das für eine psychische Anspannung für Menschen ist, die sowohl ältere Menschen als auch Menschen, die beeinträchtigt sind, zu Hause zu versorgen haben. Ich habe miterlebt, dass Frauen, Mütter gekommen sind, die psychisch am Ende gewesen sind, weil sie nicht mehr in der Lage waren, ihre Kinder zu versorgen. (Zwischenruf der Abg. Kuntzl.) Es ist die Aufgabe des Staates, da Hilfe angedeihen zu lassen. (Beifall bei der FPÖ.)

Daher ist es auch so wichtig, dass dieses Versorgungskapitel zu Hause erfolgt, und daher ist auch die Finanzierungsdarstellung wichtig. Ich wünsche mir da schon, dass die Länder mit einer 15a-B-VG-Vereinbarung ins Boot geholt werden, wie wir das seinerzeit ja auch mit der Mindestsicherung gemacht haben, denn da gibt es auch die Grund­satzgesetzgebung. Wir waren also so mutig und haben das den Bund an sich ziehen lassen. Wir werden darüber nachdenken müssen, eine einheitliche Finanzierung zusam­menzubringen, sowohl im Pflegeheimbereich als auch zu Hause. – Das ist der zweite Punkt.

Der dritte Punkt – da schreien natürlich die Sozialdemokraten, weil sie es nicht hören wollen und auch keinen Einfluss darauf nehmen können – ist natürlich die Möglichkeit der natürlichen Versorgung der jungen Menschen, und das muss auch ein Konzept der Pflegelehre sein. Ihr könnt nicht nur immer alles akademisieren und schreien: Ich will nur Diplomierte! (Abg. Kucher: Wer sagt das, Christian?) – Ihr habt das gemacht, eure Sozialminister wollten das immer. (Abg. Kucher: Nein!) Diese Menschen dürsten aber danach, neue Berufe anzugehen. (Abg. Kucher: Wer empfiehlt so etwas?!) Die Schweizer zeigen es uns seit 15 Jahren vor, wie erfolgreich Pflegelehre sein kann. Da gebe ich ihnen recht! (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Kucher: Ja, die haben aber Masterstudien!) Es dauert halt nur bei der ÖVP ein bisschen, bis sich das setzen kann. Sie musste mit uns gemeinsam in eine Koalition gehen, damit sie die Pflegelehre endlich versteht und sie auch umsetzt. Dafür gibt es ab und zu auch die Grünen, die das dann am Ende des Tages verstanden haben.


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Summa summarum: Es ist noch viel zu tun, es ist ein erster Schritt. Bitte hören Sie nicht auf, jetzt auf Kurs zu drehen und Geschwindigkeit aufzunehmen, indem Sie diese Pflegelehre weiter umsetzen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter, wollten Sie noch einen Entschließungs­antrag einbringen oder nicht? (Abg. Ragger: Ja, darf ich den Entschließungsantrag noch einbringen?) – Dann können Sie das jetzt noch schnell machen. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Matznetter: Wir brauchen eine Abgeordnetenlehre! – Abg. Kucher: Oft ist es eh besser ...!)


Abgeordneter Mag. Christian Ragger (fortsetzend): Was würde ich ohne meine Prä­sidentin machen?! – Ich darf einen Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Chris­tian Ragger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Echte Pflegereform statt türkis-grüner Überschriftenschmäh“ einbringen und darf festhalten, dass er bereits zur Verteilung gelangt ist, daher der Entschließungsantrag, glaube ich, ordnungsgemäß eingebracht ist.

Hab ich das richtig gesagt? (Beifall bei Abgeordneten der FPÖ.)

11.57

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Christian Ragger, Rosa Ecker, Dr. Dagmar Belakowitsch, Mag. Gerhard Kaniak, Edith Mühlberghuber

und weiterer Abgeordneter

betreffend Echte Pflegereform statt türkis-grüner Überschriftenschmäh

eingebracht im Zuge der Debatte zu Top 3.) Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 2655/A der Abgeordneten August Wöginger, Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes­pflegegeldgesetz geändert wird (1618 d.B.) in der 168. Nationalratssitzung am Don­nerstag, den 8. Juli 2022.

„Eines der größten Probleme in der Pflege ist die Einstufung in die Pflegestufen – fast jeder Betroffene beklagt sich über ein restriktives System, Bürokratieirrsinn und fehlende Transparenz“, sagte heute der freiheitliche Nationalratsabgeordnete Mag. Christian Ragger, der bei den wesentlichsten Fragen an Sozialminister Rauch in einer aktuellen Anfragebeantwortung (10518/AB) nur Stehsätze vorfindet. „Auf die Frage hin, welche Schritte für Verbesserung des Pflegegeldsystems, seiner Weiterentwicklung, zur Erhöhung der Pflegesätze sowie einer gerechteren Pflegeeinstufung unternommen wer­den, kommt die Antwort, dass ‚punktuelle Verbesserungen‘ vorgenommen werden – ein Hohn für alle, denen zu Unrecht die wahre Pflegestufe verweigert wird, davon kann sich keiner was erhoffen“, so Ragger.

Laut Ragger bilden der Entfall der Anrechnung der erhöhten Familienbeihilfe auf das Pflegegeld und des Erschwerniszuschlags für Personen mit schweren Behinderungen und Demenz die positiv hervorzuhebenden Ambitionen des Ministers, jedoch fehle dem Vorhaben die Breitenwirkung: „Immer nur kleinen, ausgewählten Gruppen einzelne Ver­besserungen zukommen zu lassen, ist noch lange keine Reform. Es braucht Entlastung für alle – und zwar, was das Finanzielle und die Dienstleistung anbelangt. Jährliche Einmalzahlungen und Hilfe bei wirklich schweren Fällen sind da eindeutig zu wenig, noch dazu, weil ja die Einteilung in höhere Pflegestufen von den Sozialversicherungen sehr restriktiv gehandhabt wird. Wem nützt ein Zuschlag, den man schlussendlich ohnehin


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nicht bekommt, weil einem der Grad der Beeinträchtigung nicht anerkannt wird?“, hinter­fragte Ragger.

Beschwerden über Fehleinstufungen nehmen ein ungeheures Maß an: „Was teilweise etwa geh- und sehbehinderten Menschen zugemutet wird, nur damit für Hilfe nicht aufgekommen werden muss, entbehrt jeder Kritik. Es ist unmenschlich, wie hier ohne Verständnis für die Person und ohne genaue Betrachtung der Alltagsherausforderungen in Stufen schubladisiert wird, die die Lebensrealitäten unmöglich ganzheitlichen abbilden können. Der Bedarf an notwendigen Hilfen wird oftmals in Abrede gestellt. Von den Kassen hört man da Sätze wie ‚das werden Sie schon schaffen‘ oder ‚da kennen Sie sicher wen, der hilft‘. Das ist alles andere als wertschätzend, sondern eine Zumutung, die sich dann finanziell niederschlägt. Tragisch, wenn die helfende Person, meist das zusammenwohnende Kind, selbst eine Beeinträchtigung hat und dann auch nicht von der Rezeptgebühr befreit ist“, so Ragger und weiter: „Wer in dieser Falle der falschen Einstufung sitzt, kommt auch nicht herum, Attest für Attest vorzulegen und bittstellerisch sein Recht zu verlangen, nur um dann immer wieder die Abweisung zu erfahren. Dieser Irrsinn, der die Menschen verarmen lässt, muss endlich ein Ende finden. Hier braucht es vor allem eine Reform der Menschlichkeit, damit sich die teuerungsgebeutelten Pflegebedürftigen und deren Angehörigen wieder ihr Leben in Würde leisten können.

Als FPÖ stellen wir diesem türkis-grünen Überschriftenschmäh unsere klaren Alter­nativvorschläge entgegen, die eine echte Pflegereform darstellen und keine Gruppe zurücklassen. Mit dem „Kärntner Pflegemodell“, der finanziellen Förderung der häus­lichen Pflege mit einem 50 Prozent-Bonus ab Pflegestufe 3, der Einrichtung einer bun­desweiten Übergangspflege sowie der vierteljährlichen Inflationsanpassung des Pflege­geldes und aller sonstigen Unterstützungszahlungen in aktuellen Krisenzeiten soll hier eine taugliche Basis geschaffen werden.

Schwarz-grüne Reformpläne zur Pflege benachteiligen Betreuungsberufe massiv

 „Alles, was anfangs von der schwarz-grünen Regierung gut gemeint war und eine bahn­brechende Reform einleiten sollte, hat sich nun in der Pflege und in anderen Sozial- und Gesundheitsbereichen als absolute Katastrophe entpuppt, was zu Ungleichheit, Benach­teiligung und Geringschätzung für die Sozialbetreuungsberufe führt“, kritisierte der freiheitliche Behindertensprecher NAbg. Mag. Christian Ragger. Damit stößt er in das gleiche Horn wie die Lebenshilfe, die sich um die geminderte Attraktivität der Berufe im Behindertenwesen besorgt zeigt. „Der Mangel sowohl an Krankenpflegern als auch Sozialbetreuern darf nicht dazu führen, dass durch kurzsichtige Maßnahmen von einem Bereich in den anderen einfach umgeschichtet wird. Das ist keine seriöse Politik, sondern eine Verlagerung des Problems“, führte Ragger aus.

„Die ‚Reform‘ der Bundesregierung sieht 520 Millionen Euro für eine höhere Bezahlung in den kommenden zwei Jahren für Pflegekräfte vor, wovon schließlich jeder Pfleger mit etwa 100 Euro netto mehr im Monat profitieren dürfte. Diese geringe und kurzfristig anberaumte Lohnerhöhung durch Bonuszahlungen schafft aber dennoch genug Unmut in den Sozialberufen, da Betreuungsberufe nicht erfasst werden. Die Folge der Schlechterstellung wird sein, dass sich ohnehin ob des knappen Personals nicht mehr Berufseinsteiger finden lassen werden. Schwarz-Grün bringt es also zusammen, hier ein neues Loch aufzureißen und mehr Probleme zu schaffen, als zu lösen. Was es braucht, ist eine Anpassung in den Kollektivverträgen aller Sozial- und Gesundheitsberufe, um hier nachhaltig und vor allem fair die Gehälter anzuheben“, forderte Ragger.

„Gleiche Tätigkeiten sollen auch gleich entlohnt werden“, verlangte Ragger und verwies auf die ähnlichen Arbeitsbereiche der Berufsgruppen. Doch die finanzielle Benach­teili­gung zeige sich auch schon in der Ausbildung: „Wenn Ausbildungsbeiträge, Förde­run­gen und Stipendien ungleich vergeben werden, erleben wir eine Schwerpunktsetzung,


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die auf die andere Berufsgruppe nachteilig wirkt. Die Zahl derer, die also eine Ausbildung im Sozialbetreuungsbereich anstreben, wird sich in den nächsten zwei Jahren erheblich verringern und es wird ein irrsinniges Loch in die Versorgung gerissen. Alleine jetzt schon ist in Einrichtungen für Menschen mit geistigen Behinderungen ein absoluter Notstand ausgebrochen, wo sich die wenigen Betreuer nicht mehr zu helfen wissen und es zu Dienstverfehlungen und Missständen kommt, wie es auch die Volksanwaltschaft aufgezeigt hat“, sagte Ragger.

Kärntner Pflegemodell

Um die auf uns zukommenden Herausforderungen im Bereich der Pflege lösen zu können, braucht es einen klaren Systemwechsel. Die Devise muss lauten: Daheim statt stationär! Das zeigt sich etwa in der Pflegemodellregion Kärnten.

Die Ausgaben des Landes für rund 7.000 Kärntner, die stationär gepflegt werden, steigen stetig an und sind wesentlich höher als die Kosten für etwa 25.000 Pflegegeld-Bezieher, die zuhause versorgt werden. Neben den Kosten, steigt auch die Zahl der pflegebedürftigen Personen und damit der Bedarf an Pflegekräften. Experten gehen davon aus, dass bis zum Jahr 2030 in Österreich mehr als 75.000 Pflegekräfte zusätzlich benötigt werden.

Diese Entwicklung wird mit dem herkömmlichen Pflegemodell weder personell noch finanziell zu bewältigen sein. Um einerseits also die Kosten erheblich zu senken und andererseits die benötigten Pflegekräfte aufbringen zu können, muss die „Ressource Familie“ stärker genutzt werden. Pflegebedürftige Menschen (mindestens von Pflege­stufe 1 bis 3) sollten zuhause gepflegt werden, solange es möglich ist.

Die Pflege zu Hause muss einerseits zur Entlastung des stationären Bereichs und zum Verbleib in den eigenen vier Wänden forciert werden, um andererseits gleichzeitig Kosten und Ressourcen zu schonen. Es muss für die Kärntner Bevölkerung wieder eine verlässliche Versorgungs- und Finanzierungssicherheit im Bereich der Pflege geben.

Dazu braucht es eine angemessene finanzielle Unterstützung sowie sozialrechtliche Absicherung für diejenigen im Umkreis der Familie, die diese Aufgabe übernehmen.

Mit einem monatlichen „Pflegescheck“ für die pflegenden Angehörigen, soll die Pflege zuhause für jeden leistbar gemacht werden. Er kann dabei helfen, die Pflege an sich bzw. den Pflegebedarf zu finanzieren, während er den pflegenden Angehörigen gleich­zeitig die Möglichkeit gibt, sich selbst zu versichern.

Die Pflege muss also derart gestaltet sein, dass sie auf den demographischen Wandel – vor allem auch in den ländlichen Regionen – reagiert, echte Wahlmöglichkeiten bietet und zudem günstig und hochwertig den Pflegenden und ihren Angehörigen zur Verfü­gung steht. Es muss auf die Selbständigkeit und Unabhängigkeit der zu pflegenden Person wertgelegt werden. Pflege- und Assistenzbedürftige sind in jeder Lage durch Respekt, Achtung und liebevollen Umgang in ihrer Selbstbestimmung und Würde zu unterstützen.

Folgende Punkte beinhaltet das Kärntner Pflegemodell:

- Pflegescheck

- Soziale Absicherung für pflegende Angehörige

- Steuerliche Entlastung von Pflegeberufen

- Neue Ausbildungsmodelle (Pflege-Lehre nach Schweizer Vorbild)

Dieses „Kärntner Pflegemodell“ soll bundesweit umgesetzt werden und ein weiteres Modul im Rahmen der österreichischen Pflegereform darstellen.


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Pflegegeldbonus: 50 Prozent mehr Pflegegeld ab Stufe 3 bei häuslicher Betreuung

Pflegebedürftige, die daheim betreut und gepflegt werden, sollen um 50 Prozent mehr Pflegegeld in allen Pflegegeldstufen ab der Stufe 3 erhalten. Diese sollen auch nach dem Anpassungsfaktor valorisiert werden. Die Grundlage für den Anpassungsfaktor ist der Richtwert nach der vierteljährlichen Pflegegeldvalorisierung.

Übergangspflege im Krankenhaus

Modelle der Übergangspflege werden in einzelnen Bundesländern, etwa Niederöster­reich angeboten:

„Übergangspflege ist eine rehabilitative Pflege und Betreuung von bis zu 12 Wochen (84 Tage) pro Kalenderjahr als Überbrückungshilfe nach der Akutbehandlung in einem Krankenhaus und vor der Entlassung nach Hause. Bei dieser Leistung steht die Therapie und Rehabilitation und weniger die Medizin im Vordergrund. Dadurch soll wieder ein selbstständiges Leben zu Hause (mit oder ohne Betreuung) ermöglicht werden.“

Übergangspflege für Hilfe suchende Personen kann in allen bewilligten stationären Pflegeeinrichtungen nach § 49 i.V.m. § 47 NÖ Sozialhilfegesetz 2000 angeboten werden. Ein Zuschuss zur Übergangspflege wird pro Anlassfall max. für 12 Wochen ge­währt. Innerhalb eines Kalenderjahres ist ein weiterer Zuschuss nicht möglich. Die Zeiten eines Krankenhausaufenthaltes werden auf die 12 Wochen angerechnet und führen zu keiner Verlängerung. Ein Krankenhausaufenthalt mit einer Dauer von mehr als ca. 7 Tagen beendet die förderbare Übergangspflege.

Für die Inanspruchnahme von Übergangspflege muss die Hilfe suchende Person aus ihrem Einkommen 1/30 von 80% ihres monatlichen Einkommens sowie 1/30 von 100% der pflegebezogenen Geldleistungen (z.B. Pflegegeld) als Eigenleistung für jeden Tag bezahlen. Kommt es während des Aufenthalts zu einer Erhöhung des Pflegegeldes ist der gesamte Zeitraum mit der tatsächlichen Einstufung abzurechnen. Jänner 2021 Unter Einkommen ist das monatliche Nettoeinkommen zu verstehen. Einkommen ist grund­sätzlich jede regelmäßig zufließende Geldleistung (z.B. Rente, Pension, Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Mieteinnahmen, Pacht...). Nicht zum Einkommen zählen Geldleistungen Sonderzahlungen, Familienbeihilfen, Studienbeihilfen. Das Einkommen von unterhaltspflichtigen Angehörigen bzw. das Vermögen der Hilfe suchende Person wird für die Berechnung der Eigenleistung nicht berücksichtigt. Bestehende Unterhalts­pflichten und laufende Zahlungsverpflichtungen werden bei der Bemessung der Eigen­leistung nicht berücksichtigt.

Quelle: Richtlinie Übergangspflege (gemäß § 19 NÖ Sozialhilfegesetz 2000)

In unserem Nachbarland Deutschland haben Versicherte Anspruch auf Übergangs­pflege im Krankenhaus.

Übergangspflege im Krankenhaus nach § 39e SGB V

Versicherte der Gesetzlichen Krankenversicherung haben einen Anspruch auf eine „Übergangspflege im Krankenhaus“. Dies Leistung wurde mit dem Gesundheitsver­sorgungsweiterentwicklungsgesetz (GVWG), welches am 20.07.2021 in Kraft getreten ist, neu in den Leistungskatalog aufgenommen. Die Rechtsgrundlage für die Übergangs­pflege im Krankenhaus ist § 39e Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V).

Der Anspruch auf Übergangspflege im Krankenhaus

Ein Anspruch auf die Übergangspflege im Krankenhaus besteht für Versicherte, für die im unmittelbaren Anschluss an eine Krankenhausbehandlung die erforderlichen Leis­tungen der


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• Häuslichen Krankenpflege,

• Kurzzeitpflege,

• Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder

• Pflegeleistungen nach dem SGB XI

• nicht oder nur unter erheblichem Aufwand erbracht werden können.

Die Übergangspflege wird in dem Krankenhaus erbracht, in dem die stationäre Krankenhausbehandlung durchgeführt wurde.

Leistungsumfang

Der Anspruch auf die Übergangspflege im Krankenhaus besteht für längstens zehn Tage je Krankenhausbehandlung.

Im Rahmen des Leistungsanspruchs auf die „Übergangspflege im Krankenhaus“ werden die erforderliche

• ärztliche Behandlung,

• die Versorgung mit Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln,

• die Aktivierung der Versicherten,

• die Grund- und Behandlungspflege und

• die Unterkunft und Verpflegung

• übernommen.

• Ebenfalls beinhaltet die Leistung das Entlassmanagement.

Zuzahlung

Wie für nahezu alle Leistungen der Gesetzlich Krankenversicherung ist auch für die Übergangspflege im Krankenhaus eine Zuzahlung vorgesehen. Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, müssen nach § 39e Abs. 2 SGB V vom Beginn der Über­gangspflege an innerhalb eines Kalenderjahres für längstens 28 Tage den sich nach § 61 Satz 2 SGB ergebenden Betrag je Kalendertag an Zuzahlung leisten. Das bedeutet, dass je Tag 10,00 Euro zu zahlen sind. Der Zuzahlungsbetrag ist an das Krankenhaus zu entrichten.

Um hier allen Betroffenen in Österreich einen entsprechenden Zugang zu einem solchen Fördermodell zu ermöglichen, sollte eine bundeseinheitliche Regelung angestrebt werden. Aufbauend auf dem NÖ Modell sollte eine bundeseinheitliche Regelung Platz greifen. Zentrale Forderung ist ein Rechtsanspruch auf diese Übergangspflege und eine zeitnahe Umsetzung bis zum 31.12.2022.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzuleiten, die folgende gesetzliche Regelungen umfasst:

- Die Einführung eines Pflegeschecks (Kärntner Modell)

- Eine soziale Absicherung für pflegende Angehörige (Kärntner Modell)

- Eine steuerliche Entlastung von Pflegeberufen (Kärntner Modell)


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- Die Etablierung neuer Ausbildungsmodelle (Pflege-Lehre nach Schweizer Vorbild) (Kärntner Modell)

- Die Umsetzung des Kärntner Modells bis 31.12.2022

- Abschaffung von finanziellen Benachteiligungen von Berufsgruppen mit ähnlichen pflegerischen wie betreuerischen Tätigkeitsfeldern (etwa der Behindertenbetreuung) durch Miteinbeziehung dieser Gruppen in die Pflegereform

- Schaffung einer transparenten und für die Betroffenen nachvollziehbaren Pflegegeld­einstufung unter der Betrachtung ganzheitlicher Heranziehung der alltäglichen, realen Bedürfnisse

- Beendigung der restriktiven Gewährung höherer Pflegegeldstufen und Abbau der behördlichen Bürokratie durch niederschwellige Antragsformalitäten

- Die Schaffung eines Pflegegeldbonus: 50 Prozent mehr Pflegegeld ab Stufe 3 bei häuslicher Betreuung.

- Eine unterjährige, zumindest vierteljährliche Anpassung des Pflegegeldes und aller weiteren finanziellen Leistungen an die aktuelle Inflationsentwicklung

- Ein Rechtsanspruch auf eine rehabilitative Pflege und Betreuung von bis zu 12 Wochen (84 Tage) pro Kalenderjahr als Überbrückungshilfe nach der Akutbehandlung in einem Krankenhaus und vor der Entlassung nach Hause. (Übergangspflege)

- Die Finanzierung der Übergangspflege durch den jeweiligen Sozialversicherungs­träger, bei dem der Anspruchsberechtigte sozialversichert ist.

- Ein Inkrafttreten der Regelung für die Übergangspflege bis 31.12.2022

*****


Präsidentin Doris Bures: Man muss den Antrag in den Grundzügen erläutern, aber man kann anhand Ihrer vorherigen Ausführungen und Ihrer Kritik an dem Entwurf die Ableitung zum Entschließungsantrag herstellen. (Allgemeine Heiterkeit. – Beifall und Oh-Ruf des Abg. Wurm.) Also: in den Grundzügen erläutert, ausreichend unterstützt, mit in Verhandlung. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Nächster Redner: Herr Abgeordneter Michael Hammer. – Bitte.


11.57.45

Abgeordneter Mag. Michael Hammer (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren! Ich glaube, es ist in vielen Vorreden schon zum Ausdruck gebracht worden – und das nicht nur von Vertretern der Regierungsfraktionen, sondern auch von Vertretern der Opposition, von den konstruktiven Vertretern, Teilen der Opposition –, dass diese Pflegereform ein ganz wesentlicher Schritt ist. Sie ist ein großes Paket, das es in diesem Ausmaß seit vielen, vielen Jahren nicht gegeben hat. Das Wort Reform ist ja immer eher damit verbunden, etwas zu verändern. Ich glaube, es wird aber nicht nur etwas ver­ändert, sondern es ist eine wirklich große Vorwärtsbewegung, die im Bereich der Pflege auch notwendig ist.

Eingangs sei mir schon eine Bemerkung erlaubt, weil die Turnübung, die die SPÖ da aufführt, schon sehr bezeichnend ist. Zum einen: Wenn Sie sagen, in der Pflege sei es 5 nach 12, frage ich: Ja, wer hat denn jahrzehntelang die Sozialreferenten in der Bundesregierung gestellt? (Abg. Heinisch-Hosek: Sozialreferenten? Minister, wenn schon!) Zum anderen: Wenn es dann um Reformen geht, dann ist man nicht dabei. Das


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ist genau so wie gestern, als es um die Teuerungsabgeltung ging: Die SPÖ stimmt nicht mit, wenn es darum geht, den Menschen Hilfestellungen zukommen zu lassen. Genauso ist es bei den Pflegekräften: Da ist man auch nicht dabei, wenn wir Gehaltsanpassungen und Unterstützungen beschließen.

Besonders pikant ist es dann, wenn man im Rahmen von tatsächlichen Berichtigungen herausgeht und sagt: Wir als SPÖ haben aber damals das Bundespflegegeld einge­führt! – Ich habe den Zwischenruf von Kollegen Loacker wirklich kreativ gefunden, der gesagt hat, da hat es fast noch Schwarz-Weiß-Fernsehen gegeben, als die SPÖ das letzte Mal in der Pflege etwas weitergebracht hat. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Ribo. – Abg. Kucher: ... unterste Schublade! – Abg. Loacker: Provozier mich nicht, ich kann noch weiter! – Abg. Krainer: Was? Da war die Kutsche noch nicht erfunden oder das Rad, oder worum geht es dann ...?)

Das Thema Pflege ist vielfältig, und ich kann die verschiedensten Ebenen, die in der Pflege vorhanden sind, selber feststellen, denn ich war im Sozialressort des Landes Oberösterreich tätig, bin als Bürgermeister auch im Sozialhilfeverband, weil ja die Gemeinden auch für die Pflege zuständig sind, und kenne das auch hier, auf Bun­desebene. Ich glaube, es ist gut – und ich darf mich da wirklich auch bei unserem Klub­obmann und bei Frau Klubobfrau Maurer bedanken –, dass der Bund da in Vorleistung geht und vieles anstößt und da einfach eine Dynamik auslöst, die wir brauchen.

Die Pflege ist vielfältig und das ist bei den Reden auch zum Ausdruck gekommen. Heute geht es um den Bereich der Pflegebetreuungsberufe, dass wir Unterstützung in der Ausbildung geben. Es ist in vielen Redebeiträgen auch gesagt worden, dass das natürlich nicht das Ende der Fahnenstange ist. Es ist über das Angebot, den Ausbau der mobilen Betreuung, die Tagesbetreuung und vor allem die Unterstützungsleistungen für pflegende Angehörige gesprochen worden.

Heute geht es bei den wesentlichen Maßnahmen darum, dass wir für die Menschen, die in der Pflege tätig sind, auch entsprechende Unterstützungen und Gehaltsanpas­sun­gen – für diesen Bereich insgesamt fast 600 Millionen Euro – tätigen. Ich glaube, dass das nicht nur eine monetäre Bewertung, sondern auch eine wirkliche Wertschätzung und Anerkennung ist, und die ist auch entsprechend notwendig. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

Ein zweiter Bereich ist – ich glaube, den darf man keinesfalls aus den Augen verlieren, und da setzen wir wirklich viele Schritte –, wirklich Menschen, junge Menschen in den Pflegeberuf zu bekommen. Ich glaube, dass wir da mit den Unterstützungsmaßnahmen für die Pflegeausbildung, auch mit dem Thema der Pflegelehre einen ganz wesentlichen Schwerpunkt setzen. Die Herausforderung ist dennoch groß genug, weil derzeit in vielen Branchen, in vielen Sparten Nachwuchs gesucht wird, und der Pflege- und Gesundheits­bereich ist eine davon. Ich glaube, mit diesen Anreizen können wir da zumindest unter­stützend tätig werden.

Ich möchte auch noch einmal den Angehörigenbonus hervorstreichen und kann voll unterstreichen, was auch Kollege Ragger vor mir gesagt hat: Pflege findet vielerorts zu Hause statt, sie ist ein wesentlicher Teil der Versorgung unserer älteren Menschen. Die Menschen, die zu Hause pflegen, brauchen diese Unterstützung, die wir mit dem Ange­hörigenbonus setzen, auch.

Zusammengefasst: Das ist ein wirklich großer Schritt nach vorne im Bereich der Pflege. Es werden weitere folgen! Ich darf aber auch sagen: Es ist eine gemeinsame Kraft­anstrengung von Bund, Ländern und Gemeinden, und es wäre auch die Opposition gefordert, sich da konstruktiv einzubringen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der Grünen.)

12.02



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 92

Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Herr Abgeordneter Christian Drobits zu Wort. – Bitte.


12.02.10

Abgeordneter Mag. Christian Drobits (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Die Beschäftigten im Pflege- und Betreuungs­bereich kriechen am Zahnfleisch. Die Pflegebedürftigen wissen nicht, wie es weitergeht, wenn man sich die Situation im Krieg, die Situation mit der Teuerung anschaut. Die Angehörigen der Pflegebedürftigen wissen nicht mehr, wie sie die Pflege organisieren sollen, ohne den Job zu verlieren. (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Wenn ich dann höre, dass sich die Regierungsparteien herstellen – nachdem sie zwei Jahre während Corona nur geklatscht haben, angekündigt haben und im Endeffekt zwei Gesundheitsminister verbraucht haben – und heute sagen, dass sie die größte Pflege­reform seit Jahrzehnten gemacht haben, so ist das eine Lüge (Abg. Gabriela Schwarz: Obacht!) und eigentlich der falsche Ansatzpunkt, das heute zu sagen. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir stehen heute mit einer sogenannten Pflegereform da, weil der Herr Bundesminister – der dritte – erkannt hat, dass er nur überleben kann, wenn er schnell etwas macht. Er hat gesagt, dass die Geschwindigkeit für ihn wichtig war. Die Geschwindigkeit war für ihn wichtig, damit er weiterhin als Bundesminister diesen Bereich führen kann. Die Regierungsparteien hätten heute sicherlich nicht diese Pflegereform präsentiert. Das hat die letzten zwei Jahre nicht geklappt und das hätte auch heute nicht geklappt. Ich behaupte, dass diese Pflegereform – Frau Kollegin Maurer, Sie haben gesagt, dass das die größte Pflegereform der letzten Jahrzehnte sei – das größte Abtauschgeschäft zwischen zwei Parteien in einem Bereich ist – und das liegt uns heute vor.

Ich bin überzeugt, auch weil Kollege Wöginger nicht da ist (Abg. Zopf: Das ist eine Pflegemilliarde!), dass sich der Arbeitnehmerflügel der ÖVP in dieser Pflegereform jedenfalls nicht durchgesetzt hat. Kollege Kucher hat schon gesagt, dass Herr Hörl mit den Seilbahnen und vielleicht andere Wirtschaftstreibende diese Pflegereform bestimmt haben. (Abg. Gabriela Schwarz: So ein Blödsinn! – Abg. Michael Hammer: Das ist ein Blödsinn!) Was wurde denn nicht geändert, Kollege Hammer, was habt ihr nicht geändert? (Ruf bei den Grünen: Das ist doch lächerlich! Das ist wirklich peinlich!) – Durch die ÖVP ist es noch immer möglich, dass mit der Pflege in Österreich ein Geschäft gemacht werden darf. Ihr ermöglicht es immer noch, dass Privatinvestoren, Hedgefonds und auch Aktionäre im Pflege- und Betreuungsbereich derzeit die Gewinner sind. (Neuerliche Zwischenrufe bei der ÖVP.) Solange Sie das nicht ändern und solange Sie nicht die Gemeinnützigkeit in Österreich einführen, ist das weiterhin gegeben. Das ist die Handschrift der ÖVP, der Wirtschafts-ÖVP. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn sich der Arbeitnehmerflügel der ÖVP oder die Grünen mit ihrer früheren Vor­gangsweise durchgesetzt hätten, dann wäre bereits heute umgesetzt, dass das Zeit­guthaben bei Nachtdiensten – dieser Schutzmechanismus im Nachtschwerarbeits­ge­setz – für alle gilt. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ihr habt es wiederum nicht gemacht, obwohl es versprochen worden ist! Dann wäre auch umgesetzt, dass es eine Schwer­arbeitspension für Pflege und Betreuung gibt. Niemand in diesem Saal kann mir sagen, warum ihr dazu nicht steht und die Bestimmung heute nicht endlich aufgenommen habt, dass auch die Pflege- und Betreuungskräfte als Schwerarbeiter in die Schwerarbeits­ver­ordnung aufgenommen werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Ihr wollt den Menschen nicht helfen und ihr habt deren Sprache verlernt. Ich sage Ihnen offen und ehrlich, Frau Kollegin Zopf: Sie glauben, dass Sie die Sprache der Menschen kennen. (Zwischenruf der Abg. Zopf.) – Sie kennen sie nicht, Sie sind ganz weit weg davon! Ich zeige es Ihnen noch an einem Beispiel: Wenn Sie einen Ausbildungsbonus


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mit 600 Euro einführen, der keine Sozialversicherung, keine Existenzsicherung be­inhaltet, und den Menschen sagen: Bitte geht in die Pflege- und Betreuungsberufe, wir brauchen euch dort!, dann passt das nicht zusammen. Sie lügen sich selbst an! Das stimmt nicht, Sie sind nicht am Puls der Zeit und Sie verstehen nicht, was die Menschen brauchen. (Abg. Gabriela Schwarz: Das Burgenland enteignet gerade alle Pflege­betrei­ber!)

Wir brauchen jetzt eine andere Handschrift. Herr Bundesminister, uns haben Sie an Ihrer Seite, aber Sie sind alleinstehend: Ich sehe, Sie sitzen da allein. (Abg. Loacker: Nein, er ist ja verheiratet! – Heiterkeit bei SPÖ, Grünen und NEOS.) Es ist auch der Bun­desminister für Bildung nicht hier und auch kein Bundesminister für einen anderen Bereich, Sie sitzen alleine, aber ich bin überzeugt, dass Sie zumindest überleben wollen, und Ihr Überlebenswille ist die einzige Chance dafür, dass wir im Pflegebereich weiter­kommen.

Wir von der Sozialdemokratie werden jedenfalls dieser Wirtschaftshandschrift im Pflege­bereich nicht Rechnung tragen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

12.06


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist zu diesen Tagesordnungspunkten nun niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist damit geschlossen.

Ist seitens der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Die Abstimmung über diese Tagesordnungspunkte verlege ich an das Ende der Verhandlungen über die Vorlagen des Ausschusses für Arbeit und Soziales.

12.07.038. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 2636/A der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Kriegs­opfer­versorgungsgesetz 1957, das Opferfürsorgegesetz, das Impfschadengesetz, das Verbrechensopfergesetz, das Heimopferrentengesetz, das Pensions­gesetz 1965, das Bundestheaterpensionsgesetz und das Bundesbahn-Pensionsgesetz geän­dert werden (1623 d.B.)

9. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 2506/A(E) der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend vorgezo­gene Anpassung des Pflegegeldes (1624 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen nun zu den Punkten 8 und 9 der Tagesordnung, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Erster Redner ist Herr Abgeordneter Josef Muchitsch. – Bitte.


12.07.56

Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ): Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Bei diesen beiden Tagesordnungspunkten handelt es sich um zwei Anträge der SPÖ, bei denen es darum


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geht, die Pensionsanpassung 2023 auf 1. Juli vorzuziehen, und auch darum, das Bun­despflegegeld betreffend Maßnahmen gegen die Teuerung vorzuziehen.

In Österreich ist die Inflation – wie wir alle wissen – seit 50 Jahren auf einem Rekord­hoch. Die dramatische Situation verschärft sich, wir sehen keiner Entspannung entge­gen, sondern es wird von Expertinnen und Experten – wie zum Beispiel von der Oester­reichischen Nationalbank – eher prognostiziert, dass die Teuerung einen Wert von 9 Prozent erreichen kann.

Die Preissteigerungen sind allen Menschen in diesem Land bewusst und sie betreffen auch immer mehr Menschen: beim Tanken, beim Einkaufen, bei den Stromrechnungen, bei den Energiekosten. Wenn eine neueste Studie nun voraussagt, dass bereits über 800 000 Haushalte von dieser Teuerung massiv betroffen sind und sie deshalb ihr tägliches Leben einschränken müssen, dann muss es, glaube ich, unser Ansatz sein – dem wir hier seit Wochen eine Mehrheit zu verschaffen versuchen –, dass wir hier eine Pensionsanpassung von Jänner 2023 mit einer Erhöhung von 6 Prozent als soge­nannten Vorschuss auf den Sommer 2022 vorziehen, weil vor allem auch die Pensio­nistinnen und Pensionisten von dieser Teuerung massiv betroffen sind. In gleicher Weise sollte das auch mit dem Bundespflegegeld geschehen. (Zwischenruf des Abg. Gödl.)

Seit Wochen predigen wir das, seit Wochen wurden unsere Anträge vertagt. Im letzten Ausschuss wurden beide abgelehnt, nun stehen sie heute im Plenum zur Verhandlung.

All das, was ihr betreffend die Pensionisten gemacht habt, das verpufft, das verpufft so schnell, indem man sagt: Okay, 300 Euro Soforthilfe (Abg. Gödl: Ja!) für die Mindest­pensionistinnen und -pensionisten! – Die aktuelle Studie zeigt aber, dass die Teuerung bei den Mindestpensionistinnen und -pensionisten pro Monat 50 Euro ausmacht, also 600 Euro im Jahr. (Abg. Gödl: Das kriegen sie eh!)

Fakt ist, dass die Kosten nicht hinuntergehen, sondern weiter steigen. Fakt ist, dass Sie als Regierungsparteien alle Bemühungen in Richtung: Runter mit den Preisen!, abge­lehnt haben, ÖVP wie Grüne. Sie haben sich für den Weg der Einmalzahlungen ent­schieden.

Die Einmalzahlungen verpuffen, damit wird kein Produkt billiger, und in Wirklichkeit wer­den viele Pensionistinnen und Pensionisten von den beiden Regierungsparteien ÖVP und Grüne zurückgelassen. (Beifall bei der SPÖ.)

Umso mehr richte ich auch das Ersuchen an beide Parteien, Klarheit zu verbreiten, statt mit irgendwelchen Wortspielereien den Menschen nicht reinen Wein einzuschenken. Heute in der Früh habe ich auf der Straße einen Folder mit türkisem Layout und dem Schriftzug „Kostenbremse“ bekommen. Darunter steht: „Die Volkspartei“ und „Geld zurück. Für Österreich.“ – Ich meine, ich habe das jetzt fünfmal durchgeschaut, aber alles, was da drinsteht, hat nichts mit einer Kostenbremse zu tun. (Zwischenrufe bei der ÖVP. – Abg. Belakowitsch: Sind da Inserate drin?)

Das hat nichts mit einer Kostenbremse zu tun! Was Sie machen, sind Einmalzahlungen, die verpuffen. Das hilft aber nicht dabei, dass die Preise runtergehen und Produkte günstiger werden.

Bitte, macht doch etwas! Wenn ihr euch schon entschieden habt, viele Österreicherinnen und Österreicher bei diesen Teuerungsmaßnahmen zurückzulassen (Ruf bei der ÖVP: Lächerlich!), wenn ihr euch schon entschieden habt, viele Pensionistinnen und Pen­sionisten zurückzulassen, dann spielt nicht mit falschen Fakten! Versucht nicht, den Leuten hier ein Bild zu vermitteln, dass alles so super ist – das geht nicht durch! (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Die Leute spüren das jeden Tag beim Einkaufen, auch die Pensionistinnen und Pensionisten.


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Wenn ihr ein bisschen ein Gespür für jene Leute habt, die jetzt nicht mitgenommen werden, dann stimmt ihr unseren beiden Anträgen zu! (Beifall bei der SPÖ.)

12.12


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Markus Koza. – Bitte.


12.12.20

Abgeordneter Mag. Markus Koza (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Lieber Kollege Muchitsch! Die Frage ist ja nicht, ob etwas getan werden muss oder nicht – die diesbezügliche Antwort ist da längst gegeben; wir haben in diesem Haus zuletzt Beschlüsse gefasst, die den Haushalten ganz stark dabei unter die Arme greifen sollen, diese Teuerung zu be­wältigen –, die Frage ist schlichtweg: Was sind die besseren Mittel, was sind die geeigneteren Mittel und was wirkt tatsächlich schneller?

Kollege Muchitsch, wenn du sagst, dass alle diese Einmalzahlungen verpuffen (Abg. Belakowitsch: Ja, schon!), aber eine 6-prozentige Erhöhung im Monat von 60 Euro nicht verpuffen soll, dann weiß ich nicht, warum das so sein sollte. – Wir haben uns die Sachen durchgerechnet. Ich finde es ja total legitim und auch richtig und wichtig, dass man darüber diskutiert, ob vielleicht das Vorziehen einer prozentuellen Erhöhung sinn­voller ist als die Maßnahmen, die wir beschlossen haben – darüber kann man reden, darüber haben auch wir gesprochen.

Auch wir haben uns überlegt, ob das besser ist oder ob es nicht doch sinnvoller ist, heuer noch diesen Weg der Einmalzahlungen als Teuerungsausgleich zu gehen, denn nächs­tes Jahr – und das ist im Gesetz festgeschrieben, das ist gesetzlich vorgeschrieben – gibt es natürlich die Erhöhung der Pensionen, die Erhöhung der Ausgleichszulagen entlang des Aufwertungsfaktors, sprich die Werterhaltung entlang der Inflation. Das hat auch der Minister schon ganz klar gesagt: Ja, die Pensionen werden natürlich gesichert wie bei Kollektivvertragsverhandlungen, bei denen das vorhergehende Jahr für die Erhöhung herangezogen wird – genau so ist das auch jetzt bei den Pensionen.

Die Frage war nur: Was ist wirklich wirkungsvoller? Was bringt den unmittelbar Be­troffenen mehr: diese prozentuelle Erhöhung oder tatsächlich diese Einmalzahlungen, unter anderem auch der erhöhte Klimabonus, bei dem hier immer wieder so stark kritisiert wird, dass er nicht treffsicher wäre und dass er zwar allen, aber den unteren Einkommen nicht so stark zugutekommen würde? – Wir haben uns das tatsächlich durchgerechnet. Laut Information des Sozialministeriums betrug die durchschnittliche Alterspension im Dezember 2021 1 432 Euro brutto im Monat. Würde ich die um 6 Pro­zent erhöhen, wie es gefordert ist, wäre die Erhöhung über das Jahr netto 468 Euro; die Erhöhung dieser Pensionen durch die Maßnahme, die wir gesetzt haben, liegt aber bei 1 000 Euro. (Beifall der Abg. Voglauer.)

Das heißt, diese beiden Maßnahmen – nämlich einerseits der Teuerungsabsetzbetrag, der ja bis spätestens 30. September zur Geltung kommt, und der Klimabonus – wirken deutlich besser, sie wirken stärker, sie bringen den Haushalten eigentlich mehr als die Erhöhung.

Und wie gesagt: Ab nächstem Jahr wird die Inflation ohnehin ausgeglichen, das heißt, der Inflationsausgleich ist jetzt für diese Haushalte eigentlich stärker.

Wir haben uns das für eine Pension mit 900 Euro monatlich angeschaut, einmal mit Aus­gleichszulagenrichtsatz, einmal ohne Ausgleichszulagenrichtsatz. Wenn diese Person in einem Haushalt wohnt, in dem jemand anderer auch noch dazuverdient, ist es eine Erhöhung von 629 Euro nach den Paketen, die wir hier beschlossen haben; bei 6 Pro­zent Erhöhung wären es 357 Euro. Auch da sind wir also deutlich höher. Inter­es­santerweise dreht es sich eigentlich erst dann um, wenn die Pensionen relativ hoch sind


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(Abg. Belakowitsch: Was ist „relativ hoch“? Was ist das?), und eigentlich war unser Zugang, dass wir vor allem die unteren und die mittleren Pensionen stärken wollen.

Darum finden wir, dass das, was wir hier beschlossen haben, besser greift, rascher wirkt und auch gegen die Teuerung jetzt, zu diesem Zustand wirkt. Es ist keine Frage: Ja, es braucht auch die nachhaltige Erhöhung, und die wird es geben. Es wird sie geben, weil wir sie im Gesetz stehen haben, weil es der Minister gesagt hat und weil wir sie schlichtweg dringend brauchen, um Armut in diesem Land bestmöglich zu verhindern. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

12.16


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dagmar Belakowitsch. – Bitte.


12.16.17

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen! Ich habe Ihnen, Herr Kollege Koza, jetzt zugehört, und es drängen sich schon viele Fragen auf. Sie mögen ja damit recht haben, dass Sie da etwas ausgerechnet haben – ich bezweifle das nicht –, aber dieser Teuerungsausgleich von 300 Euro für Mindestpensionisten nützt einer Pensionistin mit 1 050 Euro schon nichts mehr, weil die Ausgleichszulage bei 1 039 Euro endet. Das heißt, es geht um die kleinen Pensionen, die knapp über der Ausgleichszulage liegen: Die bekommen nichts, die gehen leer aus – und das sind sehr, sehr viele!

Sie sagen: Wir wollen die kleinen Pensionen und nicht die relativ großen stützen!, aber Sie sind uns die Definition von relativ groß schuldig geblieben. Ich erinnere mich: Als wir im November hier gestanden sind und gesagt haben: Wir haben schon eine Inflationsrate von 3,7 Prozent, wir brauchen mehr Erhöhung!, ist Kollege Wöginger herausgegangen und hat gesagt: Ja, die großen Pensionen kriegen natürlich nur 1,8 Prozent! – Wissen Sie, wie er groß definiert hat? – 1 300 Euro brutto, das sind 1 200 Euro netto; mit einer großen Pension hat das relativ wenig zu tun.

Was Sie alle übersehen, ist nämlich, dass natürlich auch die Pensionisten ihre Fixkosten haben: Sie haben Mietzahlungen, sie haben Energienachzahlungen zu leisten. Es ist ja schön, dass Sie sagen: Im Gesetz steht, wir müssen es erhöhen! – Na, Gott sei Dank steht das im Gesetz, und ja, natürlich wird es eine Erhöhung geben, aber ein Jahr lang lässt man diese Menschen im Stich, ein ganzes Jahr lang haben wir immer wieder eine Zwischenerhöhung, ein Vorziehen der Erhöhung gefordert, aber es ist nichts gekommen. Die einzige Ausnahme gab es für Mindestpensionisten, aber für alle anderen nicht.

Stellen Sie sich doch eine alleinstehende ältere Dame, die vielleicht 1 100 Euro hat, vor! Die hat überhaupt nichts von all dem, was Sie da jetzt großartig gesagt haben. Sie hat maximal den Gutschein über 150 Euro für den Energiekostenausgleich bekommen – den kann sie dann nächstes Jahr einlösen, weil die Abrechnungen ja schon lange pas­siert sind. Das sind doch Tatsachen! Da ist überhaupt nichts passiert! Da schauen Sie zu und Sie lassen die Leute jetzt ein ganzes Jahr lang im Stich, damit sie dann nächstes Jahr eine ein bisschen höhere Pension haben. Die sind verzweifelt! Diese Menschen sind tatsächlich verzweifelt, und dann kommen Sie noch mit dem Energiebonus daher. Ja, großartig! Wenn der so gut funktioniert wie die 150 Euro, dann ist es besser, Sie nehmen das Wort Energiebonus gar nicht mehr in den Mund.

Herr Bundesminister, ich habe Sie auch heute in der Früh ganz bewusst nach den Pen­sionisten gefragt, weil das ein riesengroßes Thema ist, und da haben Sie mir in der ersten Antwort gesagt: Ja, natürlich wird es nächstes Jahr die Inflationsrate als Erhöhung geben – klar, das ist ja auch gesetzlich geregelt –, aber wir werden uns mittelfristig, in den Jahren danach, etwas überlegen müssen, da wir es budgetär nicht werden stemmen


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können, dann immer die hohen Inflationsraten als Basis für die Erhöhung zu nehmen. – Ja, was heißt denn das? Sie sind dann mit der zweiten Antwort zurückgerudert und haben herumgeeiert, aber das heißt doch nichts anderes, als dass Sie die Pensionisten kalt enteignen wollen, und da werden Sie massivsten Widerstand von uns spüren, das kann ich Ihnen heute schon garantieren.

Es kann nicht sein, dass Ihre verfehlte Politik auf dem Rücken der älteren Generation ausgebadet werden muss. (Beifall bei der FPÖ.)

12.19


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ernst Gödl. – Bitte.


12.19.45

Abgeordneter Mag. Ernst Gödl (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Alle Zuseherinnen und Zuseher zu Hause und hier auf der Galerie! Mit Verlaub, Frau Kollegin Belakowitsch, aber derart viele, ja, Falschmeldungen wie in Ihrer Rede vorhin, das kommt selten vor (Abg. Belakowitsch: Welche? Welche?), und ich möchte auch noch auf die vorhergegangene Debatte zur Pflege kurz replizieren.

Herr Drobits hat – wenn ich das richtig interpretiere; ich weiß nicht, ob er noch hier im Haus ist – allen Ernstes gemeint, die SPÖ stimme deswegen nicht zu, weil sie nur eine verstaatlichte Pflege haben will. – Es gibt ja in unserem Pflegesystem viele private An­bieter, die für unser System wichtig sind. Es gibt übrigens viele private Träger in der Pflege; ich denke dabei auch an das Rote Kreuz. Ich bin selbst zum Beispiel ehren­amtlicher Vorsitzender einer gemeinnützigen GmbH und wir beschäftigen 300 Men­schen in der mobilen Pflege.

Ja, natürlich sollen die alle den Pflegebonus bekommen, und Sie stimmen deswegen dagegen, weil es eben private Anbieter gibt. Das ist ja wirklich himmelschreiend, wenn das Ihre Argumentation ist.

Aber zum Thema Teuerung: Ich möchte da nahtlos an Kollegen Koza anschließen, der es mit den Berechnungen sehr gut auf den Punkt gebracht hat. Es ist natürlich das Privileg der Opposition, alles zu fordern und nichts verantworten zu müssen. Das ist ein Privileg, das Regierer nicht haben. Für uns Regierer, uns, die wir in Regierungs­ver­antwortung sind, gilt – ich glaube, ein deutscher Politiker, ich weiß es jetzt nicht genau, hat das gesagt –: „Regieren ist ein Rendezvous mit der Realität“. – Natürlich, wir müssen uns der Realität stellen, und die Realität ist nicht einfach, das stimmt.

Die Teuerung setzt den Menschen in Österreich zu, setzt vor allem jenen zu, die ein geringes Einkommen haben. Genau deswegen haben wir mehrere Maßnahmenpakete geschnürt, haben wir bereits ganz gezielt gerade für besonders betroffene Gruppen Zah­lungen, Einmalzahlungen in verschiedenen Varianten auf den Weg gebracht, damit wir dieser Teuerung gegensteuern. Und natürlich bleiben wir bei unserem System, dass wir im Jahresabstand Inflationsanpassungen machen, sowohl bei den Pensionen als auch beim Pflegegeld. Natürlich bleibt es dabei.

Vielleicht ein Wort zum Pflegegeld: Es gibt ja verschiedene Systeme (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch) und es gibt auch verschiedene Höhen, man kann es europaweit vergleichen.

Schauen Sie nach Deutschland! In Deutschland gibt es ein fünfstufiges Pflegegeld (Abg. Belakowitsch: Sie reden über das Pflegegeld, es geht aber um die Pensionen!), und die letzte, die höchste Stufe beträgt in Deutschland 951 Euro – in Österreich übrigens 1 770 Euro, die Pflegestufe 7.


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In Deutschland hat die Bundesregierung im November vorigen Jahres übrigens be­schlossen, eine Erhöhung, eine Valorisierung für mindestens drei Jahre auszu­schließen. – Wir in Österreich valorisieren jedes Jahr entlang des Anpassungsfaktors, der sich eben an der Inflation orientiert, und das soll und muss so bleiben. Der Teuerung, die uns jetzt zu schaffen macht, begegnen wir jedenfalls mit ganz gezielten Maßnahmen, mit unse­rem Antiteuerungspaket.

Auch diesbezüglich haben wir heute eine Informationsoffensive gestartet – schön, dass du auch Teil dieser Informationsoffensive geworden bist, Beppo Muchitsch. Ich selbst bin in der Früh am Bahnhof Wien Mitte gestanden und habe die Menschen informiert, welche Maßnahmen die Bundesregierung ergreift.

Weil mein Kollege Koza vorhin einige Berechnungen mit verschiedenen Pensionshöhen angestellt hat und nachgewiesen hat, dass diese Zahlungen, die die Regierung auf den Weg gebracht hat, mehr ausmachen als eine zeitweilige prozentuelle Erhöhung der Pensionen (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch) – ich habe ein weiteres Beispiel, auch ganz in deinem Sinne, Frau Kollegin Belakowitsch –: Wenn jemand zum Beispiel 1 800 Euro brutto Pension bekommt – es gibt viele Pensionisten in diesem Segment –, so profitiert er heuer allein aufgrund der vielen Maßnahmen der Bundesregierung in Summe mit 1 611 Euro. Diese Pensionisten haben heuer 1 611 Euro mehr aufgrund der vielen Maß­nahmen, die wir bereits beschlossen haben. Das ist mehr als die von euch, liebe SPÖ, geforderte Anpassung, Erhöhung der Pension im Sinne der Inflation.

Das heißt, die Bundesregierung ist sich völlig bewusst, dass wir Maßnahmen setzen müssen, um in Zeiten einer hohen Inflation gerade den betroffenen Gruppen unter die Arme zu greifen, aber Ihre Antworten sind maximal populistische Forderungen.

Wir geben Antworten, die realistisch sind, die lösungsorientiert sind und deren Ergebnis tatsächlich sofort bei den Menschen ankommt. Dafür machen wir uns auch stark und dafür bitte ich auch um Ihre Unterstützung.

Es ist wirklich schade, liebe SPÖ, dass Sie sich gegen all diese Antiteuerungspakete verwahrt haben, dass Sie sich weggedreht haben, dass Sie weggeschaut haben, dass Sie nicht mitgestimmt haben (Abg. Belakowitsch: ... Falschmeldung!), dass Ihnen offensichtlich völlig egal ist, wie es den Menschen in den Gemeinden, in den Städten geht.

Wir stehen dafür: Unterstützung ganz besonders für jene, die es brauchen, und Unter­stützung für alle in Zeiten einer hohen Inflation. Das ist unsere Politik, die wir konsequent fortsetzen werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

12.24


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Alois Stöger. – Bitte.


12.24.50

Abgeordneter Alois Stöger, diplômé (SPÖ): Frau Präsidentin! Abgeordneter Gödl hat jetzt behauptet, wir stimmen nicht zu. – Das Gegenteil ist der Fall. Wir haben einen Antrag gestellt, dieser wird jetzt verhandelt, mit dem wir die Regierungsparteien er­suchen, zuzustimmen, dass die Menschen etwas bekommen. (Abg. Gödl: Sie stimmen gegen jedes Teuerungspaket!) Und was tun Sie? – Nein, Sie stimmen nicht zu! Ihr stimmt nicht zu, liebe Regierungsparteien! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Gödl: Das ist eine Schande für die SPÖ, dass Sie ... gegen die Ausgleichszahlungen stimmen!)

Liebe Damen und Herren, genau das ist das Thema: Die Regierung erzählt irgendetwas (Ruf bei der ÖVP: Nein ...!), und sie macht dann genau das Gegenteil. (Abg. Gödl: Wir beschließen, und Sie sind im Schmollwinkel!)


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Ich sage jetzt ganz deutlich: Was ist denn das Problem? – Das Problem ist, das ist ganz einfach (Abg. Gödl: Das Problem ist, dass Sie nicht in der Regierung sitzen!): Die Regierung schaut zu, wie die Preise steigen. Sie machen keinen Preisdeckel für Gas. Dafür, dass kein Preisdeckel für Gas gemacht wird, zahlt jeder. Das zahlt der Pensionist, die Mindestpensionisten trifft es viel, viel mehr, aber das zahlt auch der Pensionist, der ein ganzes Leben lang gehackelt hat, der nicht schlecht verdient hat, ein Spitzen­facharbeiter war, ein Angestellter war, der zahlt das auch, und der kriegt keinen Aus­gleich irgendwie (Abg. Greiner: Das ist ein Witz!), sondern der zahlt das, der überweist das Geld an den Verbund oder wie sie alle heißen. Daher brauchen wir einen Ausgleich.

Was hat die SPÖ gesagt? – Die SPÖ hat gesagt: Machen wir eine vorzeitige Pensions­erhöhung (Beifall bei der SPÖ – Abg. Gödl: Das ist weniger, als wir machen! Sie wollen weniger machen als die Regierung!), damit wir das regeln, damit die Pensionisten regelmäßig etwas kriegen! Und was ist die Antwort der Regierung? – Die Regierung sagt: Wir machen für eine kleine Gruppe eine Einmalzahlung. (Abg. Gödl: „Kleine Gruppe“?!) – Das funktioniert dann, wenn man nur ein Mal zur Tankstelle fahren muss. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Gödl: Jetzt machen Sie sich nicht lächerlich!) Wie oft fahrt ihr denn zur Tankstelle?

Liebe Österreicherinnen und Österreicher, eine Einmalzahlung funktioniert nur dann, wenn ich nur ein Mal zum Billa, zum Spar und zum Hofer gehen muss, aber, liebe Öster­reicherinnen und Österreicher, wie oft geht ihr denn zum Billa, Spar und Hofer? Näm­lich öfter, und die Einmalzahlung löst das Problem nicht! (Zwischenruf des Abg. Zarits.)

Wir können gern die Auseinandersetzung führen. (Abg. Gödl: Ihr lasst die Leute im Stich!) Was auch das Problem ist: Eine vorgezogene Pensionserhöhung wäre dann auch die Basis für weitere Pensionserhöhungen. (Beifall bei der SPÖ.)

In der Bevölkerung, liebe Regierungsparteien, glaubt doch keiner, dass die Preise wieder niedriger werden. Daher ist es wichtig, dass diese Erhöhungen auch nachhaltig wirken. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Gödl: Sie lassen die Leute im Stich! Sie lassen die Leute im Stich!)

Liebe Damen und Herren! Es ist wichtig, auch darauf hinzuweisen: Die tatsächliche Infla­tion ist doppelt so hoch wie das, was die Regierungsparteien jetzt für Jänner angekündigt haben. Die ist doppelt so hoch! Das ist darin begründet, dass die Erhöhung der Pensio­nen ab August gerechnet wird, Wenn ich also von August bis November noch einmal 5 Prozent mehr Inflation habe, und ich gebe dann im Jänner eine Pensionserhöhung auf Basis von August weiter (Abg. Gödl: Jetzt müssen Sie einmal ...! Die Inflation ist immer ...!), dann wird es ein Problem, und daher haben die Leute weniger.

Ich lade die Regierungsparteien ein: Macht erstens keine Einmalzahlung, sondern macht etwas Langfristiges, etwas Dauerhaftes, etwas Nachhaltiges (Abg. Gödl: Kalte Progres­sion!) – das ist entscheidend –, und stimmt zweitens bitte unserem Antrag zu, dann tut ihr etwas für die Menschen in diesem Land! (Beifall bei der SPÖ.)

12.28


Präsidentin Doris Bures: Mir liegt nun eine Wortmeldung für eine tatsächliche Berich­tigung vor. – Herr Abgeordneter Martin Litschauer, bitte.


12.29.09

Abgeordneter Ing. Martin Litschauer (Grüne): Frau Präsidentin! Herr Abgeordneter Stöger hat behauptet, der Klimabonus wäre eine Einmalzahlung. (Abg. Stöger: Davon habe ich nicht geredet!)

Ich berichtige tatsächlich: Der Klimabonus wird jährlich ausgezahlt! (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Ruf bei der SPÖ: Hat er ja nicht gesagt!)

12.29



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 100

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Gerald Loacker. – Bitte.


12.29.29

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Frau Präsidentin! Der Herr Minister ist gerade nicht im Saal. Herr Ex-Minister Stöger müsste es besser wissen, aber sein Wissen hat er jetzt ausgeblendet, daher muss ich hier die wenig spaßige Rolle des Faktencheckers übernehmen.

Was ist denn eigentlich die Funktion der gesetzlichen Pensionsversicherung? – Das ist die Funktion, Ihr Erwerbseinkommen für das Alter zu versichern. Wenn Sie viel verdient haben und viele Beiträge bezahlt haben, bekommen Sie eine hohe Pension, wenn Sie wenig verdient haben und wenig Beiträge bezahlt haben, bekommen Sie eine niedrige Pension – das ist das Versicherungsprinzip. Und es ist das gute Recht der Pen­sionistinnen und Pensionisten in Österreich, dass sie eine Inflationsabsicherung haben, die im Gesetz steht, da muss gar keiner etwas tun. Das wird jährlich durchgeführt, immer mit 1. Jänner. In diesem Fall schaut man, wie die Inflation von August 2021 bis Juli 2022 war, und das gibt es mit 1. Jänner 2023 drauf.

Die Regierung hat auch gesagt – auch mit unserer Zustimmung –: Bis dahin gewähren wir noch eine Einmalzahlung. Man muss kein Mathematiker sein, um sagen zu können: Am 1. Jänner 2023 wird es aufgrund des Gesetzes – für alle, die es nachlesen wollen: § 108f ASVG – eine hohe Pensionserhöhung geben. Da muss man jetzt also auch kein Fass aufmachen, das ist gesichert, und das ist gut so – auf einem sehr hohen Niveau, wirklich auf einem sehr hohen Niveau. Ich möchte nur zu bedenken geben: Die öster­reichischen Durchschnittspensionen liegen 60 Prozent über den deutschen Durch­schnittsrenten, und das ist schon ein beachtliches Niveau.

Gute Sozialpolitik hat eine Aufgabe und eine Verantwortung, und diese Aufgabe besteht darin, die Balance zwischen den Interessen der Leistungsbezieher und den Interessen der Beitragszahler zu wahren. Die Beitragszahler sind die Erwerbstätigen, die auch nur einmal im Jahr eine Lohnerhöhung nach dem Kollektivvertrag haben, und es ist nicht gerecht, diesen Erwerbstätigen zusätzliche Lasten aufzubürden und die Balance zu ver­schieben. Diese Erwerbstätigen haben auch schwierige Zeiten hinter sich, Coronakrise, Kurzarbeit, Jobverlust, Umsatzrückgänge, und auch jetzt schwierige Zeiten, weil auch sie mit höheren Kosten konfrontiert sind.

Im Sinne dieser Balance sind solche populistischen Anträge, 6-prozentige Erhöhungen vorzuziehen und Ähnliches, zwar schön im Verkauf, die SPÖ bekommt schöne Schlag­zeilen und bekommt sicher auch freundliche E-Mails von Pensionisten, aber das ist nicht verantwortungsvoll und auch nicht gerecht, weil wir hier herinnen ja nicht die Verant­wortung für eine bestimmte Personengruppe, sondern für die Gesellschaft als Ganzes haben, und da brauchen wir diese Balance. (Beifall bei den NEOS.)

Schauen wir uns an, wie viel wir für Pensionen ausgeben! Ich nehme jetzt die bereits nicht mehr aktuellen Zahlen des Bundesfinanzrahmens her: Im heurigen Jahr sind es 23 Milliarden Euro, nächstes Jahr 24,8 Milliarden Euro und übernächstes Jahr 26 Mil­liarden Euro, Tendenz stark steigend. Der Anteil am Bundesbudget, der für Pensions­zuschüsse aufgebraucht wird, steigt immer weiter. Und wir wissen aus der Geba­rungsvorschau der Sozialversicherung, dass die Werte, die ich gerade vorgelesen habe, jährlich um 1,5 Milliarden Euro zu niedrig angesetzt sind.

Es ist also nicht die Zeit für populistische Geschenke, denn das muss auch alles jemand zahlen – und das sind die Erwerbstätigen und die Pensionisten von morgen und über­morgen, auf die wir mit gleichem Recht schauen müssen wie auf die, die jetzt in Pension sind. (Beifall bei den NEOS.)

12.33



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 101

Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist nun niemand mehr dazu gemeldet. Damit ist diese Debatte geschlossen.

Ist seitens der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Die Abstimmung über diese Tagesordnungspunkte verlege ich an den Schluss der Ver­handlungen über die Vorlagen des Ausschusses für Arbeit und Soziales.

12.33.5410. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (1523 d.B.): Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Föderativen Republik Brasilien über soziale Sicherheit (1625 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen zum 10. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Kira Grünberg. Ich mache darauf aufmerksam, dass mir derzeit nur eine Wortmeldung zu diesem Tagesordnungspunkt vorliegt und wir danach in den Abstimmungsvorgang eintreten. – Bitte, Frau Abgeordnete.


12.34.31

Abgeordnete Kira Grünberg (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Minister! Bei diesem Tagesordnungspunkt geht es um ein Abkommen zwischen Öster­reich und Brasilien zur sozialen Sicherheit. In den letzten Jahren haben einige Staaten, gerade auch in Europa, ein Abkommen mit Brasilien geschlossen; unter diesen Ländern sind zum Beispiel Belgien, Frankreich, Deutschland und Luxemburg. Es gibt auch immer mehr österreichische Firmen, die sich in Brasilien niederlassen, deswegen wurde auch der Ruf aus Österreich lauter, ein Abkommen mit Brasilien zu schließen.

Bereits 2015 gab es Gespräche unter Einbeziehung von Expertinnen und Experten, und im Mai 2016 konnte man sich auf ein Abkommen einigen. Jedoch wurde die Unter­zeichnung etwas verzögert, weil es in beiden Ländern, also in Brasilien und in Österreich, immer wieder zu Regierungsumbildungen kam. Nun ist es aber endlich soweit, wir stehen kurz vor der Unterzeichnung eines Abkommens mit dem Land Brasilien.

Worum geht es in diesem Abkommen? – In diesem bilateralen völkerrechtlichen Vertrag werden die Pensionsversicherung und Fälle von grenzüberschreitender Erwerbstätigkeit geregelt. Durch das Abkommen zwischen Österreich und Brasilien haben Sozial­ver­sicherte in beiden Staaten die gleichen beziehungsweise ähnliche Ansprüche auf Leis­tungen der Sozialversicherung dieser Länder. Von dieser Regelung profitieren haupt­sächlich Personen, die grenzüberschreitend in beiden Vertragsstaaten erwerbstätig sind. Mit dem Abkommen werden ihre sozialen Rechte gewahrt.

Weiters gibt es Übereinkünfte, was die Pensionsversicherung betrifft. Hat man in einem Land zu wenig Jahre gesammelt, um Anspruch auf eine Pension zu haben, so werden zukünftig zurückgelegte Versicherungsjahre für den Pensionsanspruch zusammen­ge­rechnet.

Abkommen wie diese erlauben es uns, in unterschiedlichsten Ländern der Welt zu arbeiten und dabei sozialrechtlich abgesichert zu sein und natürlich auch Pensionsjahre zu sammeln. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Abgeordneten der NEOS.)

12.36


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist nun niemand mehr dazu gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 102

Können wir gleich zu den Abstimmungen kommen? – Mir wird Zustimmung signalisiert. Dann gehe ich so vor.

12.37.05Abstimmung über die Tagesordnungspunkte 1 bis 10


Präsidentin Doris Bures: Wir kommen zur Abstimmung über den Tagesordnungs­punkt 1: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz geändert wird, samt Titel und Eingang in 1616 der Beilagen.

Wer dem seine Zustimmung gibt, den ersuche ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit so angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung. – Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Tagesordnungspunkt 2: Entwurf betreffend Pflegeausbildungs-Zweckzuschussgesetz samt Titel und Eingang in 1617 der Beilagen.

Wer spricht sich für diesen Gesetzentwurf aus? – Das ist mit Mehrheit so angenommen.

Wir kommen gleich zur dritten Lesung. – Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung mit Mehrheit angenommen.

Abstimmung über den Tagesordnungspunkt 3: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundespflegegeldgesetz geändert wird, in 1618 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Wöginger, Maurer, Kolleginnen und Kollegen einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag eingebracht. Ich werde daher zunächst über die vom erwähnten Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Wöginger, Maurer, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag betreffend die Streichung der Ziffern 1, 4 und 16 sowie entsprechende Umnummerierungen beziehungsweise Änderungen der übrigen Ziffern eingebracht.

Wer sich dafür ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen? – Das ist einstimmig so ange­nommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschuss­berichtes.

Wer spricht sich dafür aus? – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung. – Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung einstimmig angenommen.

Damit kommen wir Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Wöginger, Maurer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Angehörigenbonus“.

Wer spricht sich für diesen Entschließungsantrag aus? – Das ist mit Mehrheit ange­nommen. (260/E)

Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Echte Pflegereform statt türkis-grüner Über­schrif­tenschmäh“.

Wer ist für diesen Entschließungsantrag? – Das ist die Minderheit, abgelehnt.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 103

Damit gelangen wir zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 4: Entwurf betreffend Entgelterhöhungs-Zweckzuschussgesetz in 1619 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Wöginger, Maurer, Kolleginnen und Kollegen einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag eingebracht. Ich werde daher zunächst über die vom erwähnten Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Wöginger, Maurer, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag betreffend Änderung der §§ 2 bis 5 und 9 ein­gebracht.

Wer spricht sich dafür aus? – Das ist mit Mehrheit so angenommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschuss­berichtes.

Wer ist dafür? – Das ist mit Mehrheit so angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung mit Mehrheit angenommen.

Abstimmung über Tagesordnungspunkt 5: Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 1620 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer ist für diese Kenntnisnahme? – Der Bericht ist mit Mehrheit zur Kenntnis genom­men.

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 6: Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 1621 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer für diese Kenntnisnahme ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Der Bericht ist mit Mehrheit zur Kenntnis genommen.

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 7: Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 1622 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer ist für diese Kenntnisnahme? – Der Bericht ist mit Mehrheit zur Kenntnis ge­nommen.

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 8: Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 1623 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer ist dafür? – Das ist mit Mehrheit zur Kenntnis genommen.

Abstimmung über Tagesordnungspunkt 9: Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 1624 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer spricht sich dafür aus? – Der Bericht ist mit Mehrheit zur Kenntnis genommen.

Somit gelangen wir schließlich zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 10: Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, den Abschluss des Staatsvertrages: Ab­kommen zwischen der Republik Österreich und der Föderativen Republik Brasilien über soziale Sicherheit, in 1523 der Beilagen gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 Bundes-Verfassungs­gesetz zu genehmigen.

Wer sich dafür ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist einstimmig so ange­nommen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 104

12.42.5711. Punkt

Antrag der Abgeordneten Dipl.-Ing. Georg Strasser, Mag. Faika El-Nagashi, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Schutz der Tiere (Tierschutzgesetz – TSchG) und das Bundesgesetz über den Transport von Tieren und damit zusammenhängenden Vorgängen (Tiertrans­portgesetz 2007 – TTG 2007) geändert werden (2586/A)


Präsidentin Doris Bures: Somit gelangen wir zum 11. Punkt unserer heutigen Tages­ordnung.

Hinsichtlich dieses Antrages wurde dem Gesundheitsausschuss eine Frist zur Bericht­erstattung bis 6. Juli 2022 gesetzt.

Ein Wunsch auf eine mündliche Berichterstattung im Sinne des § 44 Abs. 4 der Ge­schäftsordnung liegt mir nicht vor.

Wir gehen daher in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Cornelia Ecker. – Bitte.


12.44.02

Abgeordnete Cornelia Ecker (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf an dieser Stelle den Bundesvorsitzenden der SPÖ-Bauern, Bürgermeister Michl Schwarzlmüller, bei uns im Hohen Haus begrüßen. – Schön, dass du da bist! (Beifall bei der SPÖ.)

Geschätzter Herr Minister, als Sie vor Kurzem das Aus der Vollspaltenböden verkündet haben, habe ich mich grundsätzlich sehr gefreut, doch als die Gesetzestexte von ÖVP und Grünen zu dieser Thematik übermittelt wurden, fühlte ich mich schlichtweg nur mehr gefrotzelt. Daher möchte ich die Gelegenheit hier nutzen, um einen sachlichen Fakten­check durchzuführen.

Keine Vollspaltenböden mehr in der Schweinehaltung bis 2040, sagt die Regierung. – Wahr ist, dass es kein verbindliches Ausstiegsdatum gibt, denn die vorliegenden Geset­zestexte räumen einen derart großen Spielraum bei der Umsetzung ein, dass man mit etwas Geschick noch weit, weit über 2040 seine Schweine auf Vollspaltenböden halten kann. Abgesehen davon kann die Frist ohne Weiteres verlängert oder auch ausgesetzt werden.

Erwähnenswert ist dabei auch, dass sämtliche Anlagen, die zwischen 2023 und 2039 neu errichtet werden, auch weit über 2040 hinaus genützt werden dürfen, denn ab der ersten Inbetriebnahme kann die Haltungseinrichtung für mindestens 23 Jahre ohne rechtliche Konsequenzen betrieben werden.

Wichtige Begriffe in diesem Gesetz wurden schlichtweg nicht definiert. Das öffnet unserer Meinung nach auch Tür und Tor für jene, die das Tierwohl nicht ernst nehmen wollen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, es geht um lebende Tiere, es geht um Schweine, die auch in Zukunft auf ihrem Urin, auf ihrem Kot leben müssen!

Ab 2023 dürfen keine neuen Stallungen mit Vollspaltenböden mehr errichtet werden, sagt die Regierung. – Wahr ist, dass auch danach weiterhin große Teile der aktuell zulässigen Form errichtet werden dürfen. Es wird mit Begriffen wie unstrukturierte Voll­spaltenbuchten ohne Funktionsbereich jongliert, aber nichts wirklich definiert.

Auch wenn das Gesetz nur Kosmetik bringen wird, bin ich der festen Überzeugung, dass es zahlreiche Landwirtinnen und Landwirte geben wird und gibt, die Tierwohl fördern wollen, wenn wir ihnen auch das richtige Werkzeug und die richtigen Anreize dazu geben


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 105

(Beifall bei der SPÖ), ganz nach dem Motto: Wer nicht mit der Zeit geht, der geht mit der Zeit!

Wir als SPÖ hätten uns gewünscht, dass die Landwirtinnen und Landwirte eine Art Werkzeugkasten in die Hand bekommen, der alles genau definiert, wie ein tierwohl­gerechter Schweinstall in der Zukunft auszusehen hat. Das ist jedoch nicht passiert.

Bis 2028 soll eine neue Verordnung erarbeitet werden. – Das hat nichts mit Planungs­sicherheiten für die Landwirtinnen und Landwirte zu tun, das hat mit Verunsicherung jener Menschen zu tun, die nicht wissen, was die Zukunft bringt, denn die Teuerung stellt auch die Schweinebauern vor Riesenhürden. Vier Jahre werden sie jetzt im luftleeren Raum hängengelassen, und es ist nicht sicher, was danach verordnet wird.

Herr Minister, es gab zu diesem Gesetz keine Diskussion im zuständigen Ausschuss. ÖVP und Grüne haben sich eingemauert und die ganzen Anregungen und Anreize, die im Begutachtungsverfahren eingelangt sind, einfach ignoriert. Das von uns geforderte öffentliche Expertenhearing wurde natürlich auch nicht abgehalten. Offensichtlich trauen Sie sich mit diesen schmalen Kompromissen nicht an die Öffentlichkeit. Wir als SPÖ sehen viele Probleme, viele Schwachstellen und vor allem keine Planungssicherheit für jene, die einen Schweinebetrieb haben. Der Tierschutz ist zu wichtig, als dass man ihn einfach durchs Parlament peitscht, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich fordere hier die Regierungsparteien auf: Stehen Sie zu Ihrer Verantwortung, werden Sie Ihrer Verantwortung gerecht! Nehmen Sie den vorliegenden Entwurf, weisen Sie ihn zurück in den Gesundheitsausschuss, diskutieren wir ihn noch einmal mit Expertinnen und Experten, setzen wir ordentliche Ziele, ordentliche Rahmenbedingungen im Sinne der Planungssicherheit für unsere Bäuerinnen und Bauern fest! Es braucht diese Pla­nungssicherheit für unsere Betriebe, und vor allem braucht es Perspektiven, um endlich das Höfesterben rasch einzudämmen. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

12.49


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Olga Voglauer. – Bitte.


12.49.12

Abgeordnete Dipl.-Ing. Olga Voglauer (Grüne): Frau Präsidentin! Spoštovana Visoka Hiša! Dragi kolegi in kolegice! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher auf der Galerie und zu Hause! Es wurde heute in der Fragestunde schon gesagt, das ist ein Meilenstein für den Tierschutz mit den Gesetzestexten, die wir heute hier beschließen werden. Es ist das umfangreichste Paket, das wir seit Bestehen des Tierschutzgesetzes und des Tiertransportgesetzes beschließen. Ausschlaggebend dafür war die österreichische Bevölkerung, mit ihrer Unterschrift auf dem Tierschutzvolksbegehren, eingeleitet durch Sebastian Bohrn Mena, hat sie den Grundstein dafür gelegt, dass wir uns auf diesen Prozess eingelassen haben.

Wir haben im Dezember hier in diesem Haus einen umfassenden Entschließungsantrag eingebracht und beschlossen, und die ersten Resultate werden heute durch den Beschluss dieser Tierschutzgesetzgebung sichtbar und unmittelbar wirksam. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Deshalb freut es mich auch, einen gesamtändernden Abänderungsantrag der Abge­ordneten Georg Strasser, Olga Voglauer, Kolleginnen und Kollegen zum Antrag 2586/A der Abgeordneten Georg Strasser, Mag. Faika El Nagashi, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Schutz der Tiere und das Bundesgesetz über den Transport von Tieren und damit zusammenhängenden Vorgängen geändert werden, einzubringen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 106

Es ist Ihnen dieser Abänderungsantrag zugegangen, er liegt Ihnen vor, und ich darf etwas erläuternd auf diesen Antrag eingehen.

Was gelingt uns? – Es gelingt uns mit diesem Beschluss das Aus für Vollspaltenböden per 31.12.2039, und das ist ein Meilenstein. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeord­neten der ÖVP.)

Es gilt ab dem nächsten Jahr ein neuer Standard für die Umbauten und Neubauten von Schweineställen, und zusätzlich verankern wir mit der Abänderung ein Begleitprojekt bis 2026, in dem wir mit den Branchen, mit der Wissenschaft, mit dem Tierschutz, mit den Häusern – mit dem Gesundheitsministerium, aber auch mit dem Landwirtschafts­minis­terium – diesen neuen Standard entwickeln.

Wenn hier heute gesagt wird, all das sei nichts, dann darf ich Ihnen sagen: Ich habe diesen Prozess in den letzten zwei Jahren miterlebt, und was haben wir getan? – Wir haben mit den betroffenen Betrieben und Bäuerinnen und Bauern gesprochen, wir haben mit den Tierschutzorganisationen gesprochen, wir haben mit den Tierschutzombuds­personen gesprochen, wir haben uns Rückmeldungen geholt, und ja, es wird nicht ein Einzelinteresse verfolgt, es werden Interessen von verschiedenen Seiten zusam­men­geführt und es liegt ein irrsinnig gutes Paket vor – nicht umsonst wurde es in den letzten Tagen auch so gelobt. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Gelungen ist uns eines, nämlich mit VisionärInnen am Tisch zu sitzen, und diese VisionärInnen haben sich nicht von einer Pandemie, von der Teuerung, von der wirklich schwierigen Marktlage für unsere Nutztierbranchen verleiten lassen, nein, sie haben über diese Grenze, über diese Berge hinweggedacht, sich überlegt: Was kann es in drei Jahren geben? Was wird es in acht Jahren geben? Wie schaut die Realität in 17 Jahren aus?

Es geht absolut an der Realität und an der Praxis vorbei, zu sagen, da würde sich nichts ändern. Schauen wir uns die Schweinehaltung in drei Jahren, schauen wir sie uns in fünf Jahren an, dann wird uns allen bewusst sein, welche Meilensteine wir heute hier be­schlossen haben!

Es ist ein gemeinsamer Erfolg, und mein Dank gilt auch den Tierschutzorganisationen – den Vier Pfoten und dem Verein gegen Tierfabriken –: Ihr habt Großartiges geleistet und auch durch eure Arbeit wurde dieses Paket möglich. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Das Gesetz, das wir heute hier beschließen, umfasst aber um einiges mehr. Wir sind nicht bei einer Branche stehen geblieben, wir haben gemeinsam mit der Rinderbranche ausverhandelt, dass die Anbindehaltung mit 2030 zu Ende sein wird, und jetzt laufen schon Verhandlungen zwischen Molkereien und auch den Gütesiegeln, dass wir schon früher aus dem aussteigen. Sie werden sehen, Anbindehaltung bei Rindern wird viel früher ein Ende finden als 2030. (Abg. Sieber: Die Anbindehaltung ist schon ...!)

Wir haben bei den Kälbertransporten einen ganz großen Schritt gemacht. Wir erhöhen das Alter, ab dem Kälber zu anderen Höfen transportiert werden dürfen, auf 21 Tage, vor allem aber stärken wir die heimische Produktion.

Ein Vorbildbeispiel für alle anderen Branchen ist das Kalb rosé. Wir wissen, in der Gastronomie wird hauptsächlich Kalbfleisch aus dem Ausland verzehrt und unsere Kälber werden weit weg transportiert. Das ändern wir nun. Die Kälbermäster bauen ein Projekt auf, im Rahmen dessen Österreich selbst aufzieht, schlachtet und verarbeitet, alles in bäuerlicher Hand. Das ist Zukunftsmusik, das ist visionär, das wünsche ich mir auch für die anderen Branchen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 107

Beim Geflügel verbieten wir das Schreddern, gehen auch einige Schritte weiter bei der Mitsprache der Tierschutzombudspersonen. Die sind jetzt gestärkt, nicht nur durch die Änderungen im Tierschutzgesetz, sondern auch durch jene im Tiertransportgesetz.

Summa summarum haben wir mit den Menschen geredet, wir haben miteinander ge­redet und nicht übereinander, wir haben uns nichts ausgerichtet, sondern haben die offenen Fragen am Verhandlungstisch geklärt – das war ein vorbildlicher Prozess. Ich würde mir wünschen, das würde uns überall in dieser Form gelingen.

Mein Dank gilt den beiden Ministern, meinem Kollegen Georg Strasser und den Tier­schutz­organisationen. Ich bitte die restlichen Fraktionen, noch einmal zu überdenken, was hier vorliegt, denn eure Zustimmung würde mich sehr freuen. (Beifall bei den Grünen.)

12.55

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Gesamtändernder Abänderungsantrag

der Abgeordneten Georg Strasser, Olga Voglauer,

Kolleginnen und Kollegen

zum Antrag (2586/A) der Abgeordneten Dipl.-Ing. Georg Strasser, Mag. Faika El-Nagashi, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Schutz der Tiere (Tierschutzgesetz-TSchG) und das Bundesgesetz über den Trans­port von Tieren und damit zusammenhängenden Vorgängen (Tiertransportgesetz 2007 – TTG 2007) geändert werden (TOP 11)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

„Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Schutz der Tiere (Tierschutz­ge­setz-TSchG) und das Bundesgesetz über den Transport von Tieren und damit zusam­menhängenden Vorgängen (Tiertransportgesetz 2007 – TTG 2007) geändert werden

Der Nationalrat hat beschlossen:

Artikel I

Änderung des Tierschutzgesetzes – TSchG

Das Bundesgesetz über den Schutz der Tiere (Tierschutzgesetz-TSchG), BGBl. I Nr. 118/2004, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 86/2018, wird wie folgt geändert:

1. Im Inhaltsverzeichnis wird die Wort- und Zeichenfolge „§ 8. Verbot der Weitergabe, der Veräußerung und des Erwerbs bestimmter Tiere“ durch die Wort- und Zeichenfolge „§ 8. Verbot der Weitergabe, des Erwerbs, des Imports sowie der Ausstellung bestimmter Tiere“ ersetzt; an nummerisch richtiger Position werden folgende Einträge eingefügt:

              „§ 1a.   Umsetzung und Durchführung von EU-Recht“

              „§ 3a.   Vollziehung von Verordnungen der Europäischen Union“

              „3. Abschnitt

Besondere Bestimmungen zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 108

              § 32a.  Leitfäden

              § 32b.  Kontaktstelle

              § 32c.  Durchführung von Schulungen und Prüfungen und Ausstellung von Sachkundenachweisen

              § 32d.  Entzug von Sachkundenachweisen“

2. Nach § 1 wird folgender § 1a samt Überschrift eingefügt:

„Umsetzung und Durchführung von EU-Recht

„§ 1a. Dieses Bundesgesetz dient ferner der Umsetzung und Durchführung von Rechts­akten der Europäischen Union, die den Geltungsbereich dieses Gesetzes betreffen und in der Anlage genannt werden.“

3. Nach § 3 wird folgender § 3a samt Überschrift eingefügt:

„Vollziehung von Verordnungen der Europäischen Union

§ 3a. (1) Die in der Anlage genannten unmittelbar anwendbaren Rechtsakte der Euro­päischen Union sind samt Änderungsrechtsakten, delegierten Rechtsakten und Durch­führungsrechtsakten im Rahmen dieses Bundesgesetzes zu vollziehen.

(2) Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz hat die Anlage durch Verordnung – sofern die Haltung von landwirtschaftlichen Nutztieren erfasst ist, im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus – zu aktualisieren.

(3) Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz kann unter Bedachtnahme auf die Zielsetzung dieses Bundesgesetzes durch Verordnung nähere Vorschriften zur Durchführung der in der Anlage genannten unmittelbar anwend­baren Rechtsakte der Europäischen Union samt Änderungsrechtsakten, delegierten Rechtsakten und Durchführungsrechtsakten in sinngemäßer Anwendung der §§ 24, 27, 31, 32 und 35 erlassen. Sofern die Haltung landwirtschaftlicher Nutztiere betroffen ist, ist das Einvernehmen mit dem Bundesminister für Landwirtschaft, Regionen und Tou­rismus herzustellen. Im Hinblick auf die Ausstattung von Schlachthöfen ist das Einver­nehmen mit dem Bundesminister für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort herzu­stellen.“

4. In § 5 Abs. 2 Z 1 lit. m entfällt die Wort- und Zeichenfolge „, oder Tiere mit Qual­zuchtmerkmalen importiert, erwirbt, vermittelt, weitergibt oder ausstellt“.

5. In § 6 werden nach Abs. 2 folgende Abs. 2a bis 2c eingefügt:

„(2a) Das Schreddern von lebendigen Küken ist verboten. Ebenso ist das Töten lebens­fähiger Küken verboten, sofern diese nicht der Futtergewinnung dienen. Dieser Verwen­dungszweck ist jederzeit auf Verlangen von der Brüterei der Bezirksverwaltungsbehörde nachzuweisen.

(2b) Im Falle einer Anwendung einer Methode zur Früherkennung des Geschlechts während der Brut und der Aussortierung von Küken im Embryonalstadium ist dies ab dem siebenten Bebrütungstag nur mit Betäubung erlaubt. Nach dem 14. Bebrütungstag ist die Aussortierung verboten.

(2c) Die Tötung sowie das Verbringen zum Zweck der Schlachtung von Säugetieren, die sich offensichtlich im letzten Drittel der Trächtigkeit befinden, ist verboten. Das Verbot gilt nicht, wenn die Tötung eines solchen Tieres im Einzelfall nach tierärztlicher Indikation geboten ist und überwiegende Gründe des Tierschutzes der Tötung bzw. dem Ver­bringen zum Zweck der Schlachtung nicht entgegenstehen.“


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 109

6. In § 7 Abs. 1 wird in Z 6 der Punkt am Ende durch einen Beistrich ersetzt; folgende Z 7wird angefügt:

              „7.         das Entfernen oder Kürzen der Vibrissen.“

7. § 7 Abs. 5 entfällt.

8. § 8 samt Überschrift lautet:

„Verbot der Weitergabe, des Erwerbs, des Imports sowie der Ausstellung bestimmter Tiere

§ 8. (1) Es ist verboten, ein Tier, für das ein Weiterleben mit nicht behebbaren Qualen verbunden ist, zu einem anderen Zweck als zur unverzüglichen schmerzlosen Tötung weiterzugeben, zu veräußern oder zu erwerben. Der Erwerber hat ein solches Tier unverzüglich schmerzlos zu töten oder töten zu lassen.

(2) Es ist verboten, Tiere mit Qualzuchtmerkmalen zu importieren, zu erwerben, zu ver­mitteln, weiterzugeben, auszustellen oder zu bewerben bzw. in der Werbung abzubilden. Davon ausgenommen ist die Vermittlung und die Weitergabe von Tieren im Sinne des § 30 Abs. 1 sowie von einzelnen, individuell bestimmten Tieren im Sinne des § 8a Abs. 2 Z 5 durch den Halter oder eine gemäß § 30 mit den Pflichten eines Halters betraute Person und die Weitergabe im Wege der Erbschaft.

(3) Das Ausstellen, der Import, der Erwerb, die Vermittlung und die Weitergabe von Hunden, die nach dem 1. Jänner 2008 geboren und an deren Körperteilen Eingriffe vor­genommen wurden, die in Österreich verboten sind, ist verboten. Davon ausgenommen ist die Vermittlung und die Weitergabe von Hunden im Sinne des § 30 Abs. 1 sowie von einzelnen, individuell bestimmten Hunden im Sinne des § 8a Abs. 2 Z 5 durch den Halter oder eine gemäß § 30 mit den Pflichten eines Halters betraute Person und die Weitergabe im Wege der Erbschaft. Das wissentliche Verbringen von in Österreich geborenen Hunden ins Ausland zum Zwecke der Vornahme von Eingriffen, die in Österreich verboten sind, ist verboten.“

9. § 8a Abs. 2 lautet:

„(2) Das öffentliche Anbieten von Tieren zum Kauf oder zur sonstigen Abgabe ist nur in folgenden Fällen gestattet:

              1.          im Rahmen eines gemäß § 29 Abs. 1 bewilligten Tierheims, oder

              2.          im Rahmen einer gemäß § 31 Abs. 1 bewilligten Haltung, oder

              3.          durch Züchter, die gemäß § 31 Abs. 4 diese Tätigkeit gemeldet haben, eingeschränkt auf die von ihnen gezüchteten Tiere, oder die von der Meldepflicht gemäß § 31 Abs. 4 durch Verordnung ausgenommen sind, oder

              4.          zum Zweck der Land- und Forstwirtschaft bzw. von in § 24 Abs. 1 Z 1 genannten Tieren, oder

              5.          die Suche von Interessenten für einzelne, individuell bestimmte Tiere mit einem Alter von mehr als sechs Monaten bzw. für Hunde und Katzen, bei denen die bleibenden Eckzähne bereits ausgebildet sind, die nicht bei ihrem bisherigen Halter bleiben können oder dürfen, durch den Halter oder eine gemäß § 30 mit den Pflichten eines Halters betraute Person, Vereinigung oder Institution, wobei bei Hunden nachzu­weisen ist, dass diese seit mindestens sechzehn Wochen in der Heimtierdatenbank gemeldet sind.

Dies gilt auch für derartige Aktivitäten im Internet.“

10. § 12 Abs. 1 lautet:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 110

„(1) Zur Haltung von Tieren ist jeder berechtigt, der

              1.          zur Einhaltung der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes und der darauf gegründeten Verordnungen in der Lage ist, insbesondere auch über die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt und

              2.          gegen den kein aufrechtes Tierhaltungsverbot gemäß § 39 Abs. 1 be­steht.“

11. Nach § 14 Abs. 1 wird folgender Abs. 1a eingefügt:

„(1a) Personen, gegen die ein aufrechtes Tierhaltungsverbot gemäß § 39 Abs. 1 besteht, dürfen nicht als Betreuungspersonen tätig sein.“

12. § 16 Abs. 4 lautet:

„(4) Rindern sind geeignete Bewegungsmöglichkeiten oder geeigneter Auslauf oder Weidegang an mindestens 90 Tagen im Jahr zu gewähren.“

13. §16 Abs. 4a entfällt.

14. In § 16 Abs. 5 wird die Wort- und Zeichenfolge „Katastropheneinsätzen oder Einsätzen als Dienst-, Assistenz- oder Therapiehund“ durch die Wort- und Zeichenfolge „Katastropheneinsätzen oder Einsätzen als Dienst-, Assistenz-, Therapie-, Hüte- oder Herdenschutzhund“ ersetzt.

15. In § 18 wird nach Abs. 2 folgender Abs. 2a eingefügt:

„(2a) Die Haltung von Absetzferkeln, Zuchtläufern und Mastschweinen in unstruk­turierten Vollspaltenbuchten ohne Funktionsbereich ist verboten.“

16. In § 24 Abs. 1 Z 1 wird der Begriff „Neuweltkameliden“ durch die Wortfolge „Lamas und Alpakas“ ersetzt.

17. § 24a wird folgender Abs. 8 angefügt:

„(8) Organe von Gebietskörperschaften sind ermächtigt, zum Zweck der Administrierung der Hundeabgabe folgende Daten der Datenbank zu verarbeiten:

              1.          personenbezogene Daten des Halters, ist dieser nicht mit dem Eigen­tümer des Tieres ident, ebenso die des Eigentümers:

              a)          Name,

              b)          Adresse,

              c)          Geburtsdatum,

              d)          Datum der Aufnahme der Haltung des Hundes.

              2.          tierbezogene Daten:

              a)          Rasse des Hundes,

              b)          Geburtsdatum des Hundes,

              c)          Kennzeichnungsnummer (Chipnummer).

Die verarbeiteten Daten sind 20 Jahre nach dem Geburtsjahr des Hundes zu löschen.“

18. In § 25 Abs. 1 wird die Wort- und Zeichenfolge „sind; das Nähere ist“ durch die Wort und Zeichenfolge „sind. Weiters ist auch die Beendigung der Haltung binnen 14 Tagen anzuzeigen. Das Nähere ist“ ersetzt.

19. In § 27 Abs. 3 wird die Zeichenfolge „§ 23 Z 5“ durch die Zeichenfolge „§ 23 Abs. 2“ ersetzt.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 111

20. § 31a Abs.3 entfällt.

21. Dem 2. Hauptstück wird folgender 3. Abschnitt samt Überschrift angefügt:

„3. Abschnitt

Besondere Bestimmungen zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009

Leitfäden

§ 32a. (1) Zur Ausarbeitung von Leitfäden gemäß Art. 13 der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 über den Schutz von Tieren zum Zeitpunkt der Tötung (ABl. Nr. L 303 vom 18.11.2011 S. 1) sind die Wirtschaftskammer Österreich und die Landwirtschaftskammer Österreich berechtigt.

(2) Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz hat die Leitfäden zu prüfen und im Zuge dessen gegebenenfalls zu überarbeiten oder zu ergänzen. Dabei sind der Tierschutzrat gemäß § 42 und der Vollzugsbeirat gemäß § 42a zu hören. Die geprüften Leitfäden sind vom Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz der Europäischen Kommission zu übermitteln und auf der Homepage des Bundesministeriums für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsu­mentenschutz zu veröffentlichen.

(3) Werden von der Wirtschaftskammer Österreich oder der Landwirtschaftskammer Österreich keine Leitfäden vorgelegt, obliegt die Ausarbeitung dieser dem Bundes­minister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz.

Kontaktstelle

§ 32b. (1) Kontaktstelle gemäß Art. 20 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 ist die Fachstelle für tiergerechte Tierhaltung und Tierschutz.

(2) Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz sowie die Kontaktstelle gemäß Abs. 1 kann Personen oder Institutionen mit der Erstellung von wissenschaftlichen Gutachten gemäß Art. 20 der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 beauftragen.

Durchführung von Schulungen und Prüfungen und Ausstellung von Sachkunde­nach­weisen

§ 32c. (1) Die Programme für die Schulungen, die Inhalte und die Modalitäten der Prüfungen gemäß Art. 21 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 werden basierend auf Vorschlägen der Wirtschaftskammer Österreich und der Landwirt­schafts­kammer Österreich vom Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsu­mentenschutz durch Verordnung geregelt.

(2) Die Organisation und Durchführung von Schulungen und Prüfungen gemäß Art. 21 der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 hat durch die Wirtschaftskammern und die Land­wirtschaftskammern oder durch Fortbildungsinstitute dieser Einrichtungen oder durch sonstige in der Verordnung gemäß Abs. 6 genannte einschlägige Ausbildungsstätten zu erfolgen. Diese haben jeweils eine Liste über die ausgestellten Zeugnisse zu führen. Den Behörden sind auf Verlangen Auskünfte zu erteilen und Einsicht in die Liste zu gewähren oder die Liste in ihrer Gesamtheit zu übermitteln.

(3) Mit dem Zeugnis über die erfolgreiche Absolvierung der Schulung mit Abschluss­prüfung ist bei der Bezirksverwaltungsbehörde des Wohnsitzes ein Sachkundenachweis gemäß Art. 21 der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 zu beantragen. Personen, die eine entsprechende Schulung durch ein Zeugnis nachweisen können, aber keinen Wohnsitz in Österreich haben, haben den Sachkundenachweis bei der nach dem Ort der Verrichtung ihrer Arbeit örtlich zuständigen Behörde zu beantragen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 112

(4) Die Behörden gemäß Abs. 3 stellen die Sachkundenachweise aus. Dabei sind neben den verpflichtenden Angaben gemäß Art. 21 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 folgende personenbezogene Daten anzuführen:

              1.          Vor- und Familienname,

              2.          Geburtsdatum der Inhaberin bzw. des Inhabers,

              3.          Wohnsitzadresse.

(5) Die Behörden gemäß Abs. 3 haben jeweils eine Liste über die ausgestellten Sachkundenachweise zu führen und diese aktuell zu halten.

(6) Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz hat durch Verordnung nähere Bestimmungen über die Erlangung von Sachkunde­nach­weisen, die Anrechnung von einschlägigen Ausbildungen und die Form der Sachkun­denachweise zu regeln.

(7) Kopien der Sachkundenachweise des Personals haben in den Schlachthöfen auf­zuliegen. Der Behörde ist Einsicht zu gewähren.

(8) Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz hat die Kontaktdaten der in Abs. 2 genannten Stellen auf der Homepage des Bundes­ministeriums für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz zu veröffent­lichen.

(9) Bis 8. Dezember 2015 ist die Erlangung eines Sachkundenachweises möglich, wenn eine Person mit entsprechenden Kenntnissen und Fähigkeiten gemäß § 7 iVm Anhang I der Tierschutz-Schlacht-Verordnung, BGBl. II Nr. 488/2004 idF BGBl. II Nr. 31/2006, drei Jahre Berufserfahrung nachweist und keine Gründe vorliegen, die gemäß § 32d Abs. 1 einen Entzug bedeuten würden.

Entzug von Sachkundenachweisen

§ 32d. (1) Der Sachkundenachweis ist von der Behörde mit Bescheid zu entziehen, wenn

              1.          aufgrund von Kontrollen festgestellt wird, dass einer der in Art. 22 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 genannten Gründe vorliegt und einer Verwarnung durch die zuständige Behörde nicht nachgekommen wurde, oder

              2.          die Inhaberin bzw. der Inhaber des Sachkundenachweises wegen schwerwiegender Verstöße in Zusammenhang mit einer Tätigkeit im Anwendungs­be­reich der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 oder dieses Bundesgesetzes rechtskräftig bestraft wurde, oder

              3.          eine rechtskräftige Bestrafung gemäß § 222 StGB erfolgt ist, oder eine Bestrafung gemäß § 222 StGB nur wegen Fehlens der Zurechnungsfähigkeit unter­blieben oder der Staatsanwalt aufgrund diversioneller Maßnahmen gemäß § 198 StPO von der Strafverfolgung zurückgetreten ist.

(2) In Fällen des Entzuges ist der Sachkundenachweis der Behörde unverzüglich abzuliefern. Wird der Sachkundenachweis nicht abgeliefert, so ist er gemäß dem Ver­waltungsvollstreckungsgesetz 1991, BGBl. Nr. 51, zu entziehen. Die Behörde, die den Sachkundenachweis entzieht, hat, wenn es sich dabei nicht um die Behörde handelt, die diesen ausgestellt hat, dieser unverzüglich Mitteilung zu erstatten und den einge­zogenen Sachkundenachweis zu übermitteln. Die Behörde, die den Sachkun­de­nach­weis ausgestellt hat, hat den Entzug des Sachkundenachweises unverzüglich in der Liste gemäß § 32c Abs. 5 zu vermerken.

(3) Die Wiedererlangung ist im Falle eines Entzuges aufgrund von Abs. 1 Z 1 möglich, wenn durch abermalige positive Absolvierung der Schulung mit Prüfung gemäß § 32c


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 113

Abs. 2 nachgewiesen wird, dass ein Entzugsgrund nach Art. 22 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 nicht mehr vorliegt. Im Falle eines Entzuges gemäß Abs. 1 Z 2 ist die Wiederholung der Schulung mit Prüfung einmal möglich.“

22. In § 35 Abs. 2 wird die Zeichenfolge „§§ 26, 27, 29 und 31“ durch die Zeichenfolge „§§ 26, 27, 29, 31 Abs. 1 und 4, 31a Abs. 1“ ersetzt und nach dem Wort „Behörde“ die Wort- und Zeichenfolge „im Register gemäß § 8 Tierseuchengesetz, RGBl. Nr.  177/1909, zu erfassen und“ eingefügt.

23. § 35 Abs. 3 letzter Satz lautet:

„Die Durchführung sowie die Ergebnisse der Kontrollen gemäß Abs. 2 sind von der Behörde in das elektronische Register gemäß § 8 Tierseuchengesetz, RGBl. Nr.  177/1909, einzutragen.“

24. § 37 Abs. 2a lautet:

„(2a) Organe der Behörde sind berechtigt, Personen, die gegen § 8 Abs. 2 und 3 oder § 8a verstoßen, die Tiere abzunehmen.“

25. In § 38 Abs. 1 wird das Wort „Wer“ durch die Wort- und Zeichenfolge „Wer gegen die Bestimmungen der in der Anlage genannten unmittelbar anwendbaren Rechtsakte der Europäischen Union oder gegen die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes verstößt, indem er“ ersetzt.

26. In § 38 Abs. 3 wird die Wort- und Zeichenfolge „§§ 5, 7, 8a, 9, 11 bis 32, 36 Abs. 2“ durch die Wort- und Zeichenfolge „§§ 5, 7, 8a, 9, 11 bis 32, 32c, 32d, 36 Abs. 2“ ersetzt und nach dem Wort „Verwaltungsakte“ die Wortfolge „oder gegen eine Bestimmung der in der Anlage genannten unmittelbar anwendbaren Rechtsakte der Europäischen Union“ eingefügt.

27. In § 38 Abs. 4 wird nach dem Wort „Person“ die Wort- und Zeichenfolge „bzw. eine seiner Aufsicht und Weisung unterstehende Person der in der Anlage genannten unmittelbar anwendbaren Rechtsakten der Europäischen Union,“ eingefügt.

28. Nach § 38 Abs. 5 wird folgender Abs. 5a eingefügt:

„(5a) Strafbar nach § 38 Abs. 3 ist auch, wer mittels im Ausland gesetzter Aktivitäten im Internet Tiere in Österreich anbietet und dadurch gegen § 8a Abs. 2 verstößt.“

29. In § 38 Abs. 6 erster Satz wird die Wort- und Zeichenfolge „§ 21 Abs. 1a“ durch die Wort- und Zeichenfolge „§ 45 Abs. 1“ ersetzt.

30. § 38 Abs. 8 entfällt.

31. In § 39 Abs. 1 wird die Wortfolge „die Haltung von Tieren“ durch die Wortfolge „die Haltung und Betreuung von Tieren“ ersetzt.

32. In § 39 Abs. 3 wird die Wort- und Zeichenfolge „nach Abs. 1 gehalten“ durch die Wort- und Zeichenfolge „nach Abs. 1 oder § 25 Abs. 3 Z 2 gehalten oder betreut“ ersetzt.

33. In § 40 Abs. 1 wird nach dem Wort „Übertretung“ die Wort- und Zeichenfolge „der in der Anlage genannten unmittelbar anwendbaren Rechtsakte der Europäischen Union oder“ eingefügt.

34. Dem § 41 Abs. 3 werden folgende Sätze angefügt:

„Die Behörden haben die Tierschutzombudspersonen bei der Ausübung ihres Amtes zu unterstützen. Diese Unterstützung kann entweder durch eine eigens eingerichtete juris­tische Stelle in der Tierschutzombudsstelle erfolgen, oder die Tierschutzombudsperson kann im erforderlichen Umfang auf die rechtliche Expertise der Landesverwaltung zu­greifen.“


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 114

35. In § 41 Abs. 4 wird das Wort „Verwaltungsverfahren“ durch die Wortfolge „Ver­waltungsverfahren und verwaltungsgerichtlichen Verfahren“ ersetzt; die Wortfolge „nach diesem Bundesgesetz“ wird durch die Wortfolge „nach diesem Bundesgesetz und nach dem Tiertransportgesetz 2007, BGBl. I 54/2007,“ ersetzt.

36. In § 41 Abs. 5 wird die Wortfolge „nach diesem Bundesgesetz“ durch die Wort- und Zeichenfolge „nach diesem Bundesgesetz sowie nach dem Tiertransportgesetz 2007, BGBl. I Nr. 54/2007,“ ersetzt.

37. Dem § 44 werden folgende Abs. 29 bis 35 angefügt:

„(29) § 18 Abs. 2a tritt mit dem 1. Jänner 2023 für alle ab diesem Datum baurechtlich bewilligten neu gebauten oder umgebauten Anlagen in Kraft. Für alle sonstigen, den bis dahin geltenden tierschutzrechtlichen Bestimmungen entsprechenden bestehenden Haltungseinrichtungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des BGBl. I Nr. xx/2022 bestehen, tritt § 18 Abs. 2a mit 1.1.2040 in Kraft.

(30) Bis zum 31.12.2026 ist vom Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz und vom Bundesminister für Landwirtschaft, Regionen und Touris­mus ein Projekt hinsichtlich der Evaluierung der Haltungssysteme im Bereich der Buch­ten und Bodengestaltung bei der Haltung von Schweinen durchzuführen. Dieses Projekt hat die Anforderungen zur Strukturierung und Ausgestaltung der Buchten, sowie der Böden als Alternative zu den bestehenden Vollspaltenbuchten im Sinne des Tierwohls zu entwickeln. Insbesonders ist die Beschaffenheit des Bodens (per­foriert/geschlos­sen/planbefestigt) sowie die Perforationsdichte, der Einsatz von Beschäftigungsmaterial und die Strukturierung der Buchten durch Funktionsbereiche zu untersuchen. Zusätzlich sind an Hand der angeführten Parameter auch Haltungssysteme von, an bestehenden Qualitätsprogrammen teilnehmenden, Schweinemastbetrieben zu evaluieren. Darüber hinaus sind die ökonomischen, arbeitstechnischen und ökologischen Auswirkungen dieser Haltungssysteme unter Berücksichtigung des Verbots des routinemäßigen Schwanz­kupierens und des Erfordernisses eines physisch und temperaturmäßig angenehmen Liegebereichs zu bewerten. Die auf Grund des Projekts als geeignet anzusehenden Anforderungen an Buchten, Böden und deren Ausgestaltung sind von den Auftraggebern des Projekts der gemäß § 18 Abs. 6 eingerichteten Fachstelle vorzulegen und von dieser bis zum 31.12.2027 zu begutachten. Die Ergebnisse des Projekts und das Gutachten der Fachstelle sind jedenfalls als Grundlage für die Fest­setzung des neuen rechtlichen Mindeststandards gemäß § 24 Abs. 1 Z 1, dem alle Schweine­haltungen ab dem 1.1.2040 jedenfalls zu entsprechen haben, heranzuziehen.

 (31) Anlagen zur Schweinehaltung, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Anpassung der Bestimmungen in der Verordnung gemäß § 24 Abs. 1 Z 1 gemäß Abs. 30 letzter Satz dem ab 1. Jänner 2023 geltenden Standard entsprechen, können abweichend von dem in Abs. 29 festgelegten Ende der Anpassungsfrist (1. Jänner 2040) bis zum Ende der Nutzungsdauer von 23 Jahren ab erstmaliger Inbetriebnahme der Haltungs­ein­richtung weiter betrieben werden.

(32) Mit Inkrafttreten der Verordnung gemäß § 24 Abs.1 Z 1 entsprechend Abs. 30 haben alle ab diesem Datum in baulicher Hinsicht neu gebauten oder umgebauten Anlagen dem neuen Mindeststandard zu entsprechen.

(33) Im Bericht gemäß § 9 Landwirtschaftsgesetz 1992 (Grüner Bericht), BGBl. Nr. 375/1992, ist in einem gesonderten Kapitel über den Fortschritt hinsichtlich der Weiter­entwicklung der Stallbausysteme und der Fördermaßnahmen im Schweinebereich mit den Schwerpunkten Tierwohl, Wirtschaftlichkeit, Nationale Selbstversorgung sowie einem Vergleich zu anderen europäischen Standards alle zwei Jahre darzustellen. Mit diesem Kapitel soll die soziale, ökologische und wirtschaftliche Auswirkung des


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langfristigen Ausstiegs aus der Haltung von Mastschweinen in unstrukturierten Buchten mit Beton-Vollspaltenböden transparent gemacht werden.

(34) Das Inhaltsverzeichnis, § 1a samt Überschrift, § 3a samt Überschrift, § 5 Abs. 2 Z 1, § 7 Abs. 1, § 8 samt Überschrift, § 8a Abs. 2, § 12 Abs. 1, § 13 Abs. 2, § 14 Abs. 1a, § 16 Abs. 5, § 18 Abs. 2b, § 24a Abs. 1 Z 1, § 24 Abs. 8, § 25 Abs. 1, § 27 Abs. 3, der 3. Abschnitt des 2. Hauptstückes samt Überschrift, § 32a samt Überschrift, § 32b samt Überschrift, § 32c samt Überschrift, § 32d samt Überschrift, § 35 Abs. 2 und 3, § 37 Abs. 2a, § 38 Abs. 1, 3 4, 5a und 6, § 39 Abs. 1 und 3, § 40 Abs. 1, § 41 Abs. 4 und 5, § 48 Z 3, die Anlage sowie der Entfall des § 38 Abs. 8 in der Fassung BGBl. I Nr. xx/2022 treten mit 1. September 2022 in Kraft. Gleichzeitig tritt das Bundesgesetz zur Durchführung unmittelbar anwendbarer unionsrechtlicher Bestimmungen auf dem Gebiet des Tier­schutzes, BGBl. I Nr. 47/2013, idF BGBl. I Nr. 37/2018, außer Kraft. § 6 Abs. 2a bis 2c in der Fassung BGBl. I Nr. xx/2022 tritt mit 1. Jänner 2023 in Kraft.

(35) § 16 Abs. 4 in der Fassung BGBl. I Nr. xx/2022 und der Entfall von § 16 Abs. 4a treten mit 1. Jänner 2030 in Kraft.“

38. Nach § 48 Z 3 wird folgende Z 3a eingefügt:

              „3a.       hinsichtlich des § 44 Abs. 30 der Bundesminister für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz,“

39. Nach § 48 wird folgende Anlage angefügt:

„Anlage

1.          Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 über den Schutz von Tieren zum Zeitpunkt der Tötung (ABl. Nr. L 303 vom 18.11.2011 S. 1);

2.          Verordnung (EU) 2017/625 über amtliche Kontrollen (ABl. Nr. L 95 vom 7. April 2017 S. 1) soweit diese den Tierschutz in Verbindung mit der Haltung von Tieren sowie dem Schlachten und dem Töten von Tieren betrifft.“

Artikel II

Änderung des Tiertransportgesetzes – TTG 2007

Das Bundesgesetz über den Transport von Tieren und damit zusammenhängenden Vorgängen (Tiertransportgesetz 2007 – TTG 2007), BGBl. I 54/2007, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 37/2018, wird wie folgt geändert:

1. Im Inhaltsverzeichnis wird nach dem Eintrag „§ 2 Begriffsbestimmungen“ folgender Eintrag eingefügt:

              „§ 2a    Vollziehung von Verordnungen der Europäischen Union“

2. Im Inhaltsverzeichnis werden nach dem Eintrag „§ 20 Vorübergehendes Beför­derungsverbot“ folgende Einträge eingefügt:

              „§ 20a  Besondere Regelungen für Transporte bestimmter Tiere zu wirt­schaft­lichen Zwecken“

              „§ 20b  Verordnungsermächtigung“

3. § 2 samt Überschrift lautet:

„Begriffsbestimmungen


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 116

§ 2. (1) Die Begriffsbestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 1/2005 gelten als Be­griffsbestimmungen im Sinne dieses Bundesgesetzes.

(2) Auftraggeber im Sinne dieses Bundesgesetzes ist jede juristische oder natürliche Person, welche einen Tiertransport bei der zuständigen Behörde am Versandort zur Abfertigung vorstellt (Versender), unabhängig davon, ob es sich hierbei um den Tierhalter, Organisator, Transportunternehmer oder sonstigen Verfügungsberechtigten handelt.“

4. Nach § 2 wird folgender § 2a samt Überschrift eingefügt:

„Vollziehung von Verordnungen der Europäischen Union

§ 2a. (1) Die in der Anlage 1 genannten unmittelbar anwendbaren Rechtsakte der Europäischen Union sind samt Änderungsrechtsakten, delegierten Rechtsakten und Durchführungsrechtsakten im Rahmen dieses Bundesgesetzes zu vollziehen.

(2) Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz hat durch Verordnung die Anlage 1 zu aktualisieren.

(3) Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz kann unter Bedachtnahme auf die Zielsetzung dieses Bundesgesetzes durch Verordnung nähere Vorschriften zur Durchführung der in der Anlage 1 genannten unmittelbar an­wendbaren Rechtsakte der Europäischen Union samt Änderungsrechtsakten, dele­gierten Rechtsakten und Durchführungsrechtsakten in sinngemäßer Anwendung des § 20b erlassen.

(4) Die in diesem Bundesgesetz und auf Grundlage dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen enthaltenen Verweise auf die durch Art. 154 Abs. 2 der Verordnung (EU) 2017/625 aufgehobenen Bestimmungen gelten als Verweis auf die Verordnung (EU) 2017/625.“

5. Dem § 5 wird folgender Abs. 6 angefügt:

„(6) Wer als Auftraggeber einen Langstreckentransport in Drittstaaten von Österreich aus durchführen lässt, hat dafür zu sorgen, dass die für Retrospektivkontrollen not­wendigen Daten gemäß Art. 6 Abs. 9 und Art. 15 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1/2005 und Aufzeichnungen gemäß Art. 5 Abs. 4, Art. 8 Abs. 2, Art. 14 Abs. 1 lit a) und c) sowie Art. 21 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1/2005 nach Abschluss des Transportes inner­halb eines Monats der zuständigen Behörde am Versandort übermittelt werden. Werden diese Daten und Aufzeichnungen nicht innerhalb der oben genannten Frist beigebracht, sind weitere Transporte für diesen Auftraggeber erst nach Vorlage der genannten Daten abzufertigen.“

6. § 8 samt Überschrift lautet:

„Kontaktstelle

§ 8. Kontaktstelle gemäß Art. 24 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1/2005 ist das Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz. Sie ist zuständige Stelle für die Weiterleitung und Entgegennahme von Mitteilungen über Ver­stöße gegen die Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 1/2005 gegenüber anderen Mitgliedstaaten. Das Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsu­mentenschutz kann sich zur Erfüllung seiner Aufgaben als Kontaktstelle der Fachstelle für tiergerechte Tierhaltung und Tierschutz bedienen.“

7. In § 18 Abs. 2 wird die Wort- und Zeichenfolge „in Abs. 1“ durch die Wort- und Zeichenfolge „im ersten Satz“ ersetzt.

8. Nach § 20 werden folgende § 20a und § 20b samt Überschriften eingefügt:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 117

„Besondere Regelungen für Transporte bestimmter Tiere zu wirtschaftlichen Zwecken

§ 20a. (1) Aus Gründen der Tiergesundheit ist die Transportfähigkeit im Sinne des Anhang 1 Kapitel 1 der Verordnung (EG) Nr. 1/2005 für Transporte, bei denen der Versandort in Österreich und der Bestimmungsort außerhalb Österreichs liegt, bei Tieren frühestens ab einem Alter von drei Wochen gegeben. Ab dem 1.1.2025 ist die Transportfähigkeit bei Kälbern ab einem Alter von drei Wochen bis zu einem Alter von vier Wochen nur dann gegeben, wenn im abgebenden Tierbestand eine gute Kälber­gesundheit im Rahmen einer regelmäßigen tierärztlichen Bestandsbetreuung gegeben ist.

(2) Unbeschadet von Abs. 1 dürfen Kälber, Lämmer, Kitze (Zickel), Fohlen und Ferkel auch bis zu einem Alter von drei Wochen innerbetrieblich, sowie von und zur Alm- und/oder Weidefläche transportiert werden. Darüber hinaus dürfen diese Tiere inner­österreichisch einmalig direkt zwischen zwei landwirtschaftlichen Betrieben transportiert werden, wenn die Tiere zur Bestandsergänzung:

              1.          innerhalb des Bundeslandes, in dem sich der Betrieb befindet, oder

              2.          außerhalb des eigenen Bundeslandes bis höchstens 100 km

transportiert werden.

(3) Transporte von Kälbern, Lämmern, Kitzen (Zickeln), Fohlen und Ferkeln, die älter als drei Wochen sind, müssen so abgeschlossen werden, dass keine Ruhezeit gemäß Anhang 1, Kapitel V Ziffer 1.5. der Verordnung (EG) Nr. 1/2005 erforderlich ist. Beträgt die Beförderungszeit bis zur Ruhezeit gemäß Anhang 1, Kapitel V Ziffer 1.5 der Verordnung (EG) Nr. 1/2005 weniger als acht Stunden, dürfen die Transporte nach erfolgter Ruhezeit fortgesetzt werden. Die Transporte müssen danach so abgeschlossen werden, dass keine weitere Ruhezeit gemäß Anhang 1, Kapitel V Ziffer 1.5 der Verord­nung (EG) Nr. 1/2005 erforderlich ist.

(4) Bis 1. 1. 2027 ist die Auswirkung der in Abs. 1 bis 3 festgelegten Verbringungs­voraussetzungen auf die Entwicklung der Transportfähigkeit und der Tiergesundheit in der inländischen Kälbermast unter Berücksichtigung der Vermarktung von Kalbfleisch, der Exportzahlen und der Mortalitätsrate im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus zu evaluieren und ein Bericht im Hinblick auf eine Erhöhung des Mindesttransportalters auf vier Wochen zu erstellen.

(5) Transporte von Hausequiden, Hausrindern, Hausschafen, Hausziegen und Haus­schweinen zum Zwecke der unmittelbaren Schlachtung oder Mast von einem Versandort in Österreich direkt an einen Bestimmungsort in einem Drittstaat (außerhalb der Europäischen Union) sind verboten. Ausgenommen von diesem Verbot sind Bestim­mungsorte in Staaten mit dem Status „EU-Beitrittskandidat“, welche sich bereits im Prozess der Integration von EU-Rechtsvorschriften befinden, oder Staaten der Euro­päischen Freihandelszone (EFTA).

(6) Transporte auf der Straße von Zuchttieren in Drittstatten sind untersagt. Aus­genommen davon sind Transporte in Drittstaaten, wenn

              1.          der Transport so abgeschlossen werden kann, dass nur eine Ruhezeit gemäß Anhang 1, Kapitel V Ziffer 1.5. der Verordnung (EG) Nr. 1/2005 erforderlich ist, oder

              2.          diese in Anlage 2 angeführt sind. Die Anlage 2 ist bei Bedarf, jedenfalls aber alle drei Jahre zu evaluieren, wobei im Zuge der Evaluierung von der Rinderzucht Austria, Schweinezucht Österreich eGen oder dem Österreichischen Bundesverband für Schafe und Ziegen gemeinsam mit der Wirtschaftskammer Österreich, dargelegt werden


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 118

muss, dass die Exporte im Zuge eines national geförderten Herdenaufbauprogrammes erfolgen oder ein nachhaltiger Herdenaufbau im jeweiligen Zielland erfolgt.

(7) Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz hat im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus bei Bedarf auf Basis der Evaluierung gemäß Abs. 6 Z 2 durch Verordnung die Anlage 2 zu aktualisieren.

Verordnungsermächtigung

§ 20b. Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz kann durch Verordnung nähere Bestimmungen zu Transportfähigkeit, Transportmittel und zusätzliche Bedingungen für lange Beförderungen festlegen. Weiters kann er fest­legen, dass bei langen Beförderungen mit Bestimmungsorten in bestimmten Drittstaaten die geplanten Transportrouten und auf der Strecke anzufahrenden Kontrollstellen sowie die Befähigungsnachweise für Fahrer und Betreuer mindestens vier Wochen vor Beginn der Beförderung der zuständigen Behörde bekanntzugeben sind, damit eine Plausi­bilitätskontrolle im Sinne des Art. 14 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1/2005 ent­sprechend durchgeführt werden kann.“

9. In § 21 Abs. 1 Z 22 wird die Wort- und Zeichenfolge „entgegen § 5 Abs. 2“ durch die Wort- und Zeichenfolge „entgegen § 5 Abs. 2 und 6“ ersetzt.

10. § 21 Abs. 1 Z 29 lautet:

              „29.       als Transportunternehmer Tiere in oder durch Österreich befördert, obwohl ein Verbot oder anderslautende Regelung gemäß § 20 oder § 20a besteht,“

11. Der Schlussteil des § 21 Abs. 1 lautet:

„begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, eine Verwaltungsübertretung und ist in den Fällen von Z 8 bis 12, 14, 16 und 24 mit einer Geldstrafe bis 2000 Euro, in den Fällen der Z 2, 4 bis 6, 13, 15, 18, 19, 22, 23, 25, 27 und 28 mit einer Geldstrafe bis zu 3500 Euro und in den Fällen der Z 1, 3, 7, 17, 20, 21, 26 und 29 mit einer Geldstrafe von 400 Euro bis zu 5 000 Euro zu bestrafen. Im Wiederholungsfall kann eine Geldstrafe bis zu 50 Prozent des oben angeführten Strafrahmens erhöht werden.“

12. In § 21 Abs.4 wird die Wort- und Zeichenfolge „bis 100 Euro“ durch die Wort- und Zeichenfolge „bis 500 Euro“ ersetzt.

13. Dem § 24 wird folgender Abs. 10 angefügt:

„(10) Das Inhaltsverzeichnis, die § 2, § 2a Abs. 1 bis 3, § 5 Abs. 6, § 8, § 20a, § 20b, § 21 Abs. 1 und 4, § 25 sowie die Anlagen 1 und 2 in der Fassung des BGBl. I Nr. xxx/2022, treten mit 1. September 2022 in Kraft. § 2a Abs. 4 in der Fassung des BGBl. I Nr. xxx/2022 tritt mit 14. Dezember2022 in Kraft.“

14. § 25 samt Überschrift lautet:

„Vollziehungsklausel

§ 25. Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes ist der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, und zwar

              1.          hinsichtlich des § 4 Abs. 2 im Einvernehmen und hinsichtlich des Abs. 3 gemeinsam mit der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Inno­vation und Technologie,


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              2.          hinsichtlich des § 4 Abs. 4 und 5 gemeinsam mit dem Bundesminister für Inneres,

              3.          hinsichtlich des § 15 Abs. 2 in Bezug auf landwirtschaftliche Nutztiere sowie hinsichtlich des § 20a Abs. 7 im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus

betraut.“

15. Nach § 25 werden folgende Anlagen 1 und 2 angefügt:

„Anlage 1

Verordnungen der Europäischen Union gemäß § 2a Abs. 1

              1.          Verordnung (EG) Nr. 1/2005 des Rates vom 22. Dezember 2004 über den Schutz von Tieren beim Transport und damit zusammenhängenden Vorgängen sowie zur Änderung der Richtlinien 64/432/EWG und 93/119/EG und der Verordnung (EG) Nr. 1255/97 (ABl. Nr. L 3 vom 5. Jänner 2005);

              2.          Verordnung (EG) Nr. 1255/97 zur Festlegung gemeinschaftlicher Kriterien für Aufenthaltsorte und zur Anpassung des im Anhang der Richtlinie 91/628/EWG vorgesehenen Transportplans (ABl. L 174 vom 2.7.1997);

              3.          Verordnung (EU) 2017/625 über amtliche Kontrollen (ABl. Nr. L 95 vom 7. April 2017 S. 1) soweit diese Tiertransporte betrifft.“

              „Anlage 2

Drittstaaten, in welche Zuchttiere auf der Straße transportiert werden dürfen

Armenien

Aserbaidschan

Georgien

Kasachstan

Kirgisistan

Russische Föderation

Usbekistan““

Begründung

Zu Artikel 1, Änderung des Tierschutzgesetzes - TSchG

Allgemeiner Teil:

Beschlüsse des Tierschutzrates, des Vollzugsbeirates und der Landestierschutz­referen­tinnenkonferenz sowie Punkte des Regierungsprogramms sollen in einer Novelle des TSchG umgesetzt werden.

Das im Regierungsprogramm geforderte Verbot des Schredderns lebendiger Küken soll umgesetzt und die Tötung männlicher Küken Beschränkungen unterworfen werden. Darüber hinaus soll ein Verbot der Tötung und der Verbringung zum Zweck der Schlach­tung von Säugetieren, die sich im letzten Drittel der Gravidität befinden, umgesetzt werden.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 120

Weiters soll ein Beschluss der Landestierschutzreferentinnenkonferenz vom 15.3.2019 umgesetzt werden, in dem ersucht wurde eine rechtliche Grundlage für eine Zusam­menführung der Heimtierdatenbank mit Datenbanken der Länder und Gemeinden zu schaffen.

Ebenfalls umzusetzen wäre ein in seiner 38. Sitzung am 13.6.2019 gefasster Beschluss des Tierschutzrates, dass ein Tierhalteverbot auch die Betreuung von Tieren umfassen sollte. Personen mit aufrechtem Tierhalteverbot betreuen oftmals weiterhin einen gan­zen Tierbestand.

Sowohl Tierschutzrat als auch Vollzugsbeirat haben festgehalten, dass das Scheren der Vibrissen beim Hund einen verbotenen Eingriff darstellt. Eine gesetzliche Verankerung wäre vorzunehmen.

Darüber hinaus sollen Ausnahmen für die Weitergabe von Tieren mit Qualzucht­merk­malen sowie kupierten Hunden klargestellt werden.

Der Beschluss des Tierschutzrates vom 18.11.2021 betreffend das Verbot der Bewer­bung von Tieren mit Qualzuchtmerkmalen wäre ebenfalls umzusetzen.

Die Bestimmungen für den (Online)-Handel mit Tieren sollen überarbeitet und damit im Vollzug bestehende Probleme beseitigt werden. Durch die vorgesehene Ermächtigung der Behörde, Auskunft über bestimmte Daten von Telekommunikationsdienstleistern zu verlangen, sowie die Ausdehnung der Strafbarkeit auf Auslandstaten, soll die Ahndung von Verwaltungsübertretungen effektiver gestaltet werden.

Zudem soll die Parteistellung der Tierschutzombudspersonen auch auf Verfahren nach dem Tiertransportgesetz 2007 erweitert und ihnen damit auch das Recht, Rechtsmittel in Angelegenheiten des Tiertransportgesetzes 2007 zu erheben, eingeräumt werden. Darüber hinaus erfolgt die Klarstellung, dass Tierschutzombudspersonen auch im ver­waltungsgerichtlichen Verfahren Parteistellung zukommt.

Die Haltung von landwirtschaftlichen Nutztieren auf Vollspaltenböden ist umstritten und wird seitens des Volksanwalts und diverser NGOs kritisiert. Ein Verbot für Voll­spal­tenböden im Rahmen der Haltung von Absetzferkeln, Mastschweinen und Zuchtläufern wird ab 1.1.2040 festgelegt. Die wissenschaftlichen und praktischen Inhalte von System­fragen der Schweinehaltung sollen in einem Projekt bis 2026 entwickelt und bis 2027 durch die Fachstelle geprüft werden. Die Ergebnisse sind die Grundlage für die Weiter­entwicklung des rechtlichen Mindeststandards, welcher in der 1. Tierhaltungsverordnung festzulegen ist.

Die Kompetenz des Bundes zur Novellierung des Tierschutzgesetzes ergibt sich aus Art. 11 Abs. 8 B-VG. Hinsichtlich der Parteistellung der Tierschutzombudspersonen im Tiertransportgesetz ergibt sich die Kompetenz aus Art. 10 Abs. 1 Z 9 (Tierschutz ist hier Annexmaterie zum Kompetenztatbestand „Verkehrswesen“).

Besonderer Teil:

Zu Z 2, Z 3, Z 21, Z 25 bis Z 27, Z 33 und Z 39:

Durchführungsbestimmungen, die bisher im Bundesgesetz zur Durchführung unmittel­bar anwendbarer unionsrechtlicher Bestimmungen auf dem Gebiet des Tierschutzes, BGBl. I Nr. 47/2013, geregelt waren, sollen zur besseren Übersichtlichkeit ins TSchG aufgenommen werden. Eine Falschzitierung in § 32c Abs. 8 wird korrigiert. Dem­entsprechend sind auch die Strafbestimmungen anzupassen. Zudem sollen in der Anlage A jene EU-Verordnungen (unmittelbar anwendbares Unionsrecht) aufgenommen werden, die im Rahmen des TSchG zu vollziehen sind.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 121

Zu Z 4, Z 7, Z 8 und Z 24:

Der Vollzugsbeirat thematisierte in seiner 20. Sitzung, dass nach dem Wortlaut des § 7 Abs. 5 TSchG auch die Weitergabe von entlaufenen, ausgesetzten, zurückgelassenen bzw. abgenommenen kupierten Hunden durch die Behörde selbst oder durch inlän­dische Tierheime verboten sei. Da dies jedoch nicht die Intention des Gesetzgebers war (vgl. GZ: BMG-74100/0007-II/B/10/2013), wäre klarzustellen, dass die Vermittlung und Weitergabe von Tieren im Sinne des § 30 Abs. 1 sowie von einzelnen, individuell bestimmten Tieren gemäß § 8a Abs. 2 Z 5 vom Weitergabeverbot des § 7 Abs. 5 aus­genommen ist. Dieselbe Ausnahme soll für Tiere mit Qualzuchtmerkmalen rechtlich verankert werden.

Aus systematischen Erwägungen soll das Verbot des Imports, des Erwerbs, der Ver­mittlung, der Weitergabe und der Ausstellung von Tieren mit Qualzuchtmerkmalen sowie von Hunden, an deren Körperteilen verbotene Eingriffe vorgenommen wurden, sowie die zuvor genannten Ausnahmen in § 8 Abs. 2 und Abs. 3 aufgenommen werden. Um die Möglichkeit der Eingriffe der Behörde nicht einzuschränken, wurde § 37 Abs. 2a an­gepasst.

In der 43. Sitzung des Tierschutzrates vom 18.11.2021 wurde das Verbot des Abbildens bzw. dem Einsatz und der Verwendung von Tieren mit Qualzuchtmerkmalen in der Werbung empfohlen, da diese eine kontraproduktive Signalwirkung auf die Konsu­mentinnen und Konsumenten habe und zur Verharmlosung der Qualzuchten führe. Dieser Empfehlung wäre durch die Aufnahme des Verbots des Bewerbens bzw. dem Abbilden von Tieren mit Qualzuchtmerkmalen in der Werbung entsprochen.

Zu Z 5:

Der Punkt des Regierungsprogramms „Verbot des Schredderns von lebendigen Küken“ wäre hiermit umgesetzt. Darüber hinaus wird die Tötung lebensfähiger Küken, sowie – im Falle der Durchführung einer Früherkennungsmethode des Geschlechts – die Aus­sortierung von Küken im Embryonalstadium zweckgebundenen und zeitlichen Beschrän­kungen unterworfen.

Das Gremium für Tiergesundheit und Tierschutz der Europäischen Behörde für Lebens­mittelsicherheit (EFSA) untersuchte im Rahmen eines Gutachtens Fragestellungen rund um die Schlachtung von trächtigen Nutztieren in der Europäischen Union. Die Expert:innen waren sich einig, dass Tierföten in den ersten zwei Dritteln der Tragezeit keine Schmer­zen, Leiden oder Unbehagen empfinden, da sich die entsprechenden anatomischen und neurologischen Strukturen erst im letzten Trächtigkeitsdrittel entwickeln. Für das letzte Drittel der Tragezeit konnte die Empfindung von Schmerzen jedoch nicht ausge­schlos­sen werden. Aus Tierschutzsicht wäre daher ein entsprechendes Verbot der Tötung und der Verbringung zum Zweck der Schlachtung von Säugetieren, die sich erkennbar im letzten Drittel der Gravidität befinden, umzusetzen. Die Durchführung einer Trächtig­keitsuntersuchung wird nicht vorgeschrieben, es sollen nur offensichtlich trächtige Tiere nicht zur Schlachtung verbracht werden, wobei jedoch von einer entsprechenden Sorgfalt des Tierhalters auszugehen ist.

Zu Z 6:

Sowohl vom Tierschutzrat als auch vom Vollzugsbeirat wurde die Meinung vertreten, das Scheren der Vibrissen bei Hunden stelle einen verbotenen Eingriff iSd § 7 TSchG dar. Aufgrund entsprechender Probleme im Vollzug und im Begutachtungsverfahren eingelangter Stellungnahmen, wäre nun auch gesetzlich zu verankern, dass das Entfernen oder Kürzen der Vibrissen generell einen verbotenen Eingriff darstellt, da dieses Tasthaarsystem für Tiere eine wichtige Rolle im Verhältnis zur Umwelt darstellt.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 122

Zu Z 9:

Im Zuge der Tier & Recht Tagung 2020 der Tierschutzombudsstelle Wien wurde zur effektiveren Kontrolle des Online-Handels mit Tieren die Neugestaltung des § 8a angeregt. Die dort vorgestellten Lösungsansätze wurden in der neuen Formulierung des Abs. 2 berücksichtigt.

So sollen durch die Begrenzung der Handlungsmodalitäten des Abs. 2, auf das Anbieten zum Kauf oder zur sonstigen Abgabe, potentielle Spannungen zwischen Abs. 1 und Abs. 2 beseitigt werden.

Zudem wurde sowohl im Vollzugsbeirat am 24.11.2020 als auch im Tierschutzrat am 10.11.2020 berichtet, dass in der Praxis Tiere von Haltungseinrichtungen öffentlich angeboten werden, die wesensmäßig und nach ihrer Bewilligung nur zur Verwahrung von Tieren, nicht aber zum Anbieten von Tieren berechtigt sind. Durch die Novelle des Tierschutzgesetzes, BGBl. I Nr. 61/2017, wurden in § 29, der sich ursprünglich aus­schließlich auf Tierheime bezog, als weitere Sonderhaltungsformen Tierpensionen, Tierasyle und Gnadenhöfe aufgenommen. Tierpensionen, Tierasyle und Gnadenhöfe bezwecken nach ihren Legaldefinitionen in § 4 Z 9a bzw. Z 9b die vorrübergehende oder dauerhafte Verwahrung von fremden bzw. herrenlosen Tieren. Ein Anbieten von Tieren durch diese Einrichtungen ist nicht vorgesehen. Da eine diesbezügliche Anpassung des § 8a infolge der Novelle BGBl. I Nr. 61/2017 bislang unterblieb, wäre dies zum Zwecke der Klarstellung nun nachzuholen.

In der Vergangenheit wurde seitens des Vollzugs berichtet, dass nach § 31 Abs. 4 gemeldete Züchter auch Tiere anbieten, die nicht aus ihrer Zucht, sondern etwa aus ausländischen Züchtungen stammten. Daher war eine Klarstellung dahingehend erfor­derlich, dass Züchter nur jene Tiere öffentlich anbieten dürfen, die auch aus ihrer Zucht stammen.

Zu Z 10 und Z 11:

Dient der Klarstellung, dass Personen mit aufrechtem Tierhaltungsverbot, den Anfor­derungen der §§ 12 und 14 nicht entsprechen.

Zu Z 12 und Z 13:

Die bisherigen Ausnahmegründe vom Auslaufgebot werden gestrichen, und somit wird die dauernde Anbindehaltung endgültig verboten. Diese Maßnahme verbessert das Tierwohl, da dem Bedürfnis der Rinder nach freier Bewegung und Sozialkontakt besser entsprochen werden kann.

Zu Z 14:

Der bisherige Wortlaut wird um die Begriffe Hüte- oder Herdenschutzhund ergänzt, um klarzustellen, dass die Anbindung von Hüte- bzw. Herdenschutzhunden, etwa während der Vornahme von Maßnahmen des Herdenmanagements nicht als Anbindehaltung zu werten ist. Jedenfalls ist aber auch bei Ausübung solcher Maßnahmen immer sicher­zustellen, dass es sich um eine kurzfristige Anbindung handeln (zB im Rahmen von Almabtrieben oder Behandlungsmaßnahmen bei den Herden) muss und diese nur während des Arbeitseinsatzes der Tiere im unbedingt notwendigen Ausmaß erlaubt ist.

Zu Z 15:

Die Haltung von Absetzferkeln, Zuchtläufern und Mastschweinen in unstrukturierten Vollspaltenbuchten soll in Hinkunft verboten werden. Dies gilt bei neu und umgebauten Anlagen bereits ab 1. Jänner 2023, für bestehende Anlagen werden im § 44 Übergangs­fristen bis 2040 festgelegt.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 123

Zu Z 16:

Der Begriff „Neuweltkamelide“ hat sich als unzutreffend für diese Gruppe der land­wirtschaftlichen Nutztiere erwiesen, weil er auch die Wildformen, die in der 2. Tier­haltungsverordnung geregelt werden, einschließt. Es ist daher klarzustellen, dass hier nur die Haltung von Lamas und Alpakas umfasst sein soll.

Zu Z 17:

In der Tagung der Landestierschutzreferentinnen am 15.3.2019 wurde der Beschluss gefasst, dass eine rechtliche Grundlage für eine Zusammenführung der Heimtierdaten­bank mit Datenbanken der Länder und Gemeinden geschaffen werden sollte. Diesem Beschluss wird mit der Ermächtigung der Organe von Gebietskörperschaften zum Zweck der Administrierung der Hundeabgabe bestimmte Daten der Tierschutzdatenbank zu verarbeiten, Rechnung getragen.

Zu Z 18:

Um den Vollzug effizienter zu gestalten und die Meldungen der Wildtierhaltungen aktueller halten zu können, wird auch die Beendigung der Haltung von Wildtieren gemäß § 25 Abs. 1 anzeigepflichtig.

Zu Z 19:

Zitatanpassung

Zu Z 20:

Seitens des Vollzugs wurde festgestellt, dass § 31a Abs. 3 nicht vollziehbar ist. Die Regelung soll daher entfallen.

Zu Z 22 und 23:

Im Zuge der letzten Novellen des Tierschutzgesetzes wurde die Melde- bzw. Bewilli­gungspflicht von Pflegestellen bzw. Personen, die mit Heimtieren handeln, in § 31a verankert. Auch diese Personen bzw. Organisationen wären von der Behörde auf die Einhaltung der Vorschriften des TSchG zu kontrollieren. Auch im Zusammenhang mit dem Durchführungsgesetz zur Verordnung (EU) Nr. 2017/625 wären nun die Ergebnisse aller Tierschutzkontrollen in das elektronische Register gem. § 8 Tierseuchengesetz einzutragen.

Zu Z 28:

Derzeit ist eine Sanktionierung von Verstößen gegen § 8a Abs. 2 nur möglich, wenn die Tathandlung nachweislich im Inland begangen wurde. Am Online-Handel mit Tieren in Österreich nehmen jedoch auch viele ausländische Anbieter teil. Ebenso sind Anbieter, die bloß vorgeben aus dem Ausland zu agieren, mangels nachweisbaren inländischen Tatorts, nicht verfolgbar. Um eine effektive Ahndung von Verstößen gegen § 8a Abs. 2 zu gewährleisten, soll die Strafbarkeit auf Handlungen ausgedehnt werden, die im Ausland stattfinden und wodurch Tiere in Österreich unter Verstoß gegen § 8a Abs. 2 angeboten werden.

Zu Z 29:

Es wäre eine Anpassung des Zitats in § 38 Abs. 6 TSchG vorzunehmen, da § 21 Abs. 1a VStG mit dem Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetz 2013 (BGBl. I 2013/33) aufgehoben wurde. Inhaltliche Nachfolgeregelungen finden sich nunmehr in § 45 Abs. 1 VStG.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 124

Zu Z 30:

Im Jahr 2012 betrug die Verjährungsfrist des § 31 Abs. 2 VStG lediglich sechs Monate. Diese Frist wurde durch die im Rahmen des Tierversuchsrechtsänderungsgesetzes (BGBl 2012/114) eingefügte Bestimmung des § 38 Abs. 8 TSchG verlängert. Da durch die Novellierung des § 31 Abs. 2 VStG die Verjährungsfrist nun drei Jahre beträgt, wäre der Abs. 8 zu streichen.

Zu Z 31 und 32:

In der 38. Sitzung des Tierschutzrates am 13.6.2019 wurde der Antrag eingebracht und angenommen, dass ein Tierhalteverbot auch die Betreuung von Tieren umfassen sollte. Personen mit aufrechtem Tierhalteverbot betreuen oftmals weiterhin einen ganzen Tierbestand. Zur Klarstellung, dass die „Betreuung“ eines Tieres vom Tierhalteverbot mitumfasst sein muss, hätte eine entsprechende Umsetzung dieses Antrags des Tierschutzrates zu erfolgen.

Zu Z 34 bis 36:

Aufgrund der umfangreichen Parteistellung der Tierschutzombudspersonen in tier­schutz- und tiertransportrechtlichen Verfahren wird die Möglichkeit der Einrichtung einer juris­tischen Stelle bzw. der Zugriff der Tierschutzombudspersonen auf die rechtliche Expertise in der Landesverwaltung als notwendig erachtet.

Die Parteistellung der Tierschutzombudspersonen soll auch auf Verwaltungsverfahren nach dem Tiertransportgesetz 2007 erweitert werden und ihnen auch das Recht, Rechts­mittel in Angelegenheiten des Tiertransportgesetzes 2007 zu erheben, eingeräumt werden. Die Parteistellung nach Tiertransportgesetz betrifft hier ausschließlich die Ver­waltungs- und Verwaltungsstrafverfahren nach dem TTG 2007, nicht die Abwicklung von Kontrollen nach diesem Gesetz (sohin auch nicht die Durchführung der Plausi­bilitäts­prüfung einzelner Transporte) und keinesfalls die Ausstellung von veterinärbehördlichen Zertifikaten (Gesundheitsbescheinigungen) für Transporte.

Grundsätzlich ist die Parteistellung der Tierschutzombudspersonen in Verfahren betref­fend Maßnahmenbeschwerden bereits durch den geltenden Gesetzestext gegeben, da § 17 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013, festhält, dass u.a. im Verfahren über Maßnahmenbeschwerden jene verfahrensrechtlichen Be­stimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden sind, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte. Demgemäß sind auch die Bestimmungen über die Parteistellung der Tierschutzombudspersonen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren anzuwenden. Zur Klarstellung wurde nun auch der Begriff des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens in § 41 Abs. 4 aufgenommen.

Zu Z 37:

Das Verbot der unstrukturierten Vollspaltenbuchten ohne Funktionsbereich gilt für alle ab dem 1. Jänner 2023 baurechtlich bewilligten neu gebauten oder umgebauten Anlagen und Haltungseinrichtungen.

Im Zuge des derzeit laufenden Projekts IBeST werden Lösungen für Betriebe erarbeitet, die den Standard ab 1.1.2023 erfüllen wollen. Dieses Projekt ist fortzuführen, um den Umstieg von Betrieben vom derzeitig aktuellen Standard auf den neuen Standard ab 1.1.2023 zu ermöglichen und zu unterstützen.

Ergänzend zu dem bestehenden Projekt wird ein weiteres Projekt (§ 44 Abs. 30), aufbauend auf die Strukturen von IBeSt von den zuständigen Ministerien eingerichtet. Im Zuge dieses Projektes (IBeSt+) werden die Grundlagen für die Festlegung des rechtlichen Mindeststandards erarbeitet, dem Schweinehaltungen ab dem 1.1.2040


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 125

jedenfalls zu entsprechen haben: durch verschiedene Maßnahmen (mehr Platz, größere Gruppen, Regelung der Temperatur, Buchtenstruktur) soll es zur deutlichen Trennung von Funktionsbereichen kommen.

Dadurch können Alternativen zu den unstrukturierten bestehenden Vollspaltenbuchten, unter Beachtung EU-rechtlicher Anforderungen entwickelt werden. Die Ergebnisse dieses Projektes werden der Fachstelle vorgelegt und werden von dieser bis 31.12.2027 begutachtet. Die Ergebnisse des Projekts und das Gutachten sind die Grundlage für die Weiterentwicklung des rechtlichen Mindeststandards, welcher in der 1. Tierhaltungs­verordnung festzulegen ist.

Eine entsprechende Übergangsfrist für nicht diesen Anforderungen entsprechenden Anlagen wurde eingefügt, wobei insbesondere auch der Investitionsschutz für solche Haltungen, die nach Inkrafttreten des § 18 Abs. 2a und vor Inkrafttreten der neuen Mindeststandards im Sinne des Abs. 30 in Betrieb genommen wurden, Berücksichtigung findet.

Um den kontinuierlichen Fortschritt der Weiterentwicklung der Stallbausysteme in der Schweinehaltung und die damit zusammenhängenden Fördermaßnahmen sowie deren Auswirkungen zu dokumentieren und transparent darzulegen, werden diese Themen­bereiche in einem gesonderten Kapitel des Grünen Berichts behandelt.

Zu Z 37:

Die Vollzugsklausel wurde angepasst.

 Zu Artikel 2, Änderung des Tiertransportgesetzes - TTG 2007

Allgemeiner Teil:

Das Tiertransportgesetz 2007 – TTG 2007 – wurde seit seinem Inkrafttreten am 1. August 2007 bis auf eine Anpassung durch das 2. Materien-Datenschutz-Anpas­sungsgesetz 2018 nicht novelliert.

Im Wesentlichen enthält das TTG 2007 Bestimmungen zur Durchführung der Verord­nung (EG) Nr. 1/2005 und über den Transport von Tieren, soweit dieser von einzelnen Bestimmungen der Verordnung ausgenommen ist. Seit dem Inkrafttreten der Verord­nung (EG) Nr. 1/2005 und des TTG 2007 haben sich in der Praxis einige zu regelnde Punkte ergeben, die zur Klarstellung bzw. Verschärfung der Bestimmungen des TTG 2007 notwendig erscheinen und damit zur Verbesserung des Tierwohls beim Transport beitragen können.

Folgende Punkte wären im Rahmen einer Novelle des Tiertransportgesetzes 2007, BGBl. I Nr. 54/2007, zu regeln:

-             Die        Definition eines Auftraggebers und dessen Aufgaben im Zusammenhang mit der Durchführung von Retrospektivkontrollen

-             Möglichkeit       der Übertragung der Aufgaben der Kontaktstelle an die Fachstelle für tiergerechte Tierhaltung und Tierschutz

-             Besondere Regelungen für Transporte bestimmter Tiere zu wirtschaftlichen Zwecken

-             Verordnungsermächtigung für nähere Bestimmungen zu Transportfähigkeit, Transportmittel und zusätzliche Bedingungen für lange Beförderungen von Haus­equi­den, Hausrindern, Hausschafen, Hausziegen und Hausschweinen

-             Erhöhung der Geldstrafen, die sofort von den Organen der Sicherheitsexekutive eingehoben werden dürfen


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 126

Es wird festgehalten, dass Änderungen der Verordnung (EG) Nr. 1/2005 durch Art. 154 der Verordnung (EU) 2017/625 (Verordnung über amtliche Kontrollen) im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Gesetzesnovelle noch nicht schlagend werden, sondern dass die bisherigen Regelungen gemäß Abs. 3 leg.cit. noch weiter anzuwenden sind.

Die Kompetenz des Bundes gründet sich auf Art. 10 Abs. 1 Z 9 „Verkehrswesen“ (Tierschutz ist hier Annexmaterie zu genannten Kompetenztatbestand).

Besonderer Teil:

Zu Z 3 und 5:

Auftraggeber können Organisator, Versender oder Halter am Versandort in Österreich im Zusammenhang mit einem Tiertransport sein.

Die Tiertransport-Verordnung der EU, Verordnung (EG) Nr. 1/2005, bestimmt, dass eine Kopie des ausgefüllten Fahrtenbuchs sowie der entsprechende Kontrollbogen und Ausdruck lediglich auf Verlangen auch der zuständigen Behörde des Versandortes zu übermitteln sind. Da die Übermittlung dieser Daten für die Retrospektivkontrollen unerlässlich ist, wird vorgesehen, diese verpflichtend an die abfertigende Behörde zu übermitteln.

Zu Z 4 und Z 15:

Unmittelbar anwendbares Unionsrecht bedarf einer entsprechenden Vollzie­hung/Sank­tionierung. Die Liste der unmittelbar anwendbaren Rechtsakte der Europäischen Union, die im Rahmen dieses Bundesgesetzes zu vollziehen sind, findet sich in der Anlage 1.

Zu Z 6:

Die Aufgaben der Fachstelle für tiergerechte Tierhaltung und Tierschutz umfassen unter anderem auch die Tätigkeit als nationale Kontaktstelle in Angelegenheiten des Tier­schutzes im Auftrag des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Kon­sumentenschutz. Das Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Kon­sumentenschutz kann sich daher auch bei der Erfüllung seiner Aufgaben als Kon­taktstelle der Fachstelle für tiergerechte Tierhaltung und Tierschutz bedienen. Dies wäre im TTG festzuhalten.

Zu Z 7:

Redaktionelle Anpassung.

Zu Z 8 und Z 15:

Besondere Regelungen für Transporte bestimmter Tiere zu wirtschaftlichen Zwecken: Ballou und Zeiler berichten, dass Kälber, besonders männliche Tiere, sich in den ersten zwei bis vier Lebenswochen in einer sehr sensiblen Phase befinden, während der das native gastrointestinale System umgestellt werden muss und das Immunsystem lernt, selbstständig die Immunabwehr zu erarbeiten. In Kombination mit dem Transportstress und in Abhängigkeit von der Transportdauer und der Dauer von Flüssigkeits- und Nah­rungskarenz kann es zu erheblichen Leiden kommen. Daher sollte gesetzlich verankert werden, dass Tiere der genannten Arten unter drei Wochen nicht transportfähig sind. Unabdingbare innerösterreichische Transporte sind eingeschränkt auf eine Distanz von maximal 100 km weiterhin möglich, wobei der Begriff Bestandsergänzung sowohl für Milch- als auch Mastbetriebe gilt. Ebenso ist der Transport auf Almen bzw. Weideflächen zulässig.

Transporte von Kälbern, Lämmern, Zickeln, Fohlen und Ferkeln an einen Bestim­mungs­ort außerhalb Österreichs sind ab drei Wochen möglich, wobei diese Transporte so vorzunehmen sind, dass diese Transporte so abgeschlossen werden müssen, dass der


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 127

Bedarf einer 24-stündigen Ruhezeit nur dann gegeben sein darf, wenn der erste Transportabschnitt kürzer als acht Stunden ist.

Der Export von Mast- bzw. Schlachttieren in Drittländer wird verboten. Bei Zuchtrindern wird ein zweistufiges Verfahren angewandt. Jedenfalls zulässig ist es, Zuchtrinder auf der Straße zu transportieren, wenn der Bestimmungsort unter Berücksichtigung von nur einer 24-stündigen Ruhezeit erreicht werden kann. Dies bedeutet, dass die Beför­derungsdauer maximal 82 Stunden betragen darf (29h / 24h Ruhezeit / 29h). Transporte an Bestimmungsorte, die außerhalb dieser Distanz liegen, dürfen nur dann durchgeführt werden, wenn nachgewiesen werden kann, dass diese Exporte im Zuge eines Herden­aufbauprogrammes durchgeführt werden. Hierzu ist jedenfalls alle 3 Jahre ein Bericht vorzulegen, der Grundlage für die Anpassung der Anlage 2 ist.

Verordnungsermächtigung: Es wird auch unter Bedachtnahme auf den anerkannten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse als notwendig erachtet, dass die Möglichkeit besteht, im Verordnungsweg nähere Bestimmungen zu Transportfähigkeit, Transport­mittel und zusätzliche Bedingungen für lange Beförderungen von Hausequiden, Haus­rindern, Hausschafen, Hausziegen und Hausschweinen zu erlassen.

Weiters soll die Möglichkeit bestehen, in dieser Verordnung für bestimmte Destinationen erhöhte Anforderungen an die Vorlage der Planungsunterlagen zu stellen, um der Behörde ausreichend Zeit und Grundlage für die Plausibilitätsprüfung zu geben. Auch ermöglicht dies, vom Organisator bei Problemen eine Alternativplanung abzuverlangen.

Zu Z 9:

Der in § 5 Abs. 6 neu geregelten Bestimmung wäre eine entsprechende Straf­bestim­mung zuzuordnen.

Zu Z 10 und 11:

Ebenfalls wäre der Verstoß gegen das besondere Verbot für Transporte in Drittstaaten zum Zwecke der unmittelbaren Schlachtung oder Mast sowie das Verbot für Lang­streckentransporte von Kälbern bis zu einem Alter von drei Wochen unter Strafe zu stellen.

Zu Z 12:

Die Möglichkeit der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes, sofort Geldstrafen bis 100 Euro einzuheben, stellt das einzige Mittel dar, Verstöße gegen Bestimmungen des TTG unmittelbar zu bestrafen. Ansonsten wäre für jedes Vergehen Anzeige zu erstatten und ein entsprechendes Verfahren einzuleiten.

Die Erhöhung dieser in § 21 Abs. 4 TTG geregelten Möglichkeit der sofortigen Einhebung von Geldstrafen durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes bis zu 500 Euro wurde auch bereits seitens des Bundesministeriums für Inneres angeregt.

Zu Z 13 und 14:

Regelung des Inkrafttretens der Novelle und Anpassung der Vollzugsbestimmungen.

*****


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Peter Schmiedlechner, Sie gelangen jetzt zu Wort. – Bitte.


12.55.26

Abgeordneter Peter Schmiedlechner (FPÖ): Frau Präsident! Herr Minister! Sehr geehrte Zuseher und Zuseherinnen! Tierschutzgesetz und Tiertransportgesetz (Rufe bei


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 128

der ÖVP: Vorbildlich!): Liebe Kollegin, da spricht Realitätsverweigerung, Ahnungs­losig­keit, es ist ein katastrophales Zeichen, in der jetzigen Situation ein solches Gesetz zu beschließen und zu verabschieden. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Vorweg möchte ich mich bei den Tausenden Bäuerinnen und Bauern bedanken, die 365 Tage im Jahr im Stall stehen, für uns ordentliche Lebensmittel produzieren und für die einzigartige Kulturlandschaft in Österreich sorgen. – Danke! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Tierwohl und Tierschutz sind uns allen wichtig, wir in Österreich haben bereits eines der strengsten Tierschutzgesetze. Es wäre weit sinnvoller, liebe Kollegen, sich hinsichtlich Tierschutz- und Tiertransportgesetz dafür einzusetzen, dass wir europaweit einheitliche Richtlinien und Regeln bekommen, aber die Regierungsparteien setzen ihre Wahnsinns­politik fort, die heimische Landwirtschaft, die eigene Landwirtschaft wird sukzessive zerstört und gleichzeitig schließt man in Europa ein Handelsabkommen nach dem anderen ab, um die heimische Landwirtschaft auszutauschen – so erst unlängst mit Neuseeland, weshalb jetzt Lebensmittel Tausende Kilometer herangekarrt werden. – Fleisch, Milch, Käse: Einfach verrückt!, kann man da nur sagen.

Was werden wir mit dieser Verschärfung jetzt erreichen? Wem nützt sie? Wir erhalten eine Verteuerung der Lebensmittel – sehr sozial, liebe Grüne! (Ruf bei der ÖVP: ... auch nicht recht!) – in einer Situation, in der sich die Menschen kaum mehr den Einkauf leisten können, so ein Gesetz zu verabschieden – sehr gescheit, liebe ÖVP! Ihr erreicht, dass aufgrund des Wettbewerbsnachteils die heimische Produktion verschwindet, viele Bauern werden die Produktion einstellen, gerade im Schweinebereich. Ihr erreicht, dass in Österreich weitere Abhängigkeiten geschaffen werden – sehr sinnvoll, wenn man sich jetzt die Politik anschaut. Ihr habt das beim Gas erreicht, ihr habt das beim Öl erreicht mit eurer Sanktionspolitik, jetzt sind die Lebensmittel dran. Politik der Schwachsinnigen, kann man da nur sagen. (Beifall bei der FPÖ. – Rufe bei der ÖVP: He! Frau Prä­sidentin! – Abg. Steinacker: Frau Präsidentin, also solche Worte sind gar nicht not­wendig!)

12.58.27*****


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Schmiedlechner, ich erteile Ihnen für den Ausdruck „Politik der Schwachsinnigen“ einen Ordnungsruf und ersuche Sie, sich im weiteren Verlauf Ihrer Rede zu mäßigen.

*****


12.58.41

Abgeordneter Peter Schmiedlechner (fortsetzend): Danke.

Was erreicht ihr für die Tiere, liebe Grüne? – Ihr erreicht für die Tiere gar nichts, denn die Tiere werden woanders gemästet und aufgezogen und werden nachher nach Österreich importiert. Das Sinnvolle an dem Gesetz ist noch dazu, dass man dann teilweise sogar die Tiere lebend nach Österreich importiert, um sie dann am Schlachthof einzubürgern und mit dem AT-Stempel aufzuwerten. Ihre Politik ohne Hausverstand, ohne Weitsicht und ohne Plan führt ins nächste Chaos. (Abg. Hofinger: Der liest es so runter, der glaubt es ja selber nicht! – Zwischenruf des Abg. Höfinger.)

Viele von euch, viele Menschen können sich das Leben nicht mehr leisten. Was bedeuten jetzt die höheren Auflagen? – Natürlich höhere Kosten für die Konsumenten, aber auch mehr Arbeit für die Bauern. Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit. Wir als FPÖ können gerne über strengere Tierschutzgesetze diskutieren, aber das muss im


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Wirtschaftsraum der EU passieren, das muss auf EU-Ebene passieren, und dort müssen gleiche Spielregeln für alle EU-Länder gelten. (Abg. Maurer: Die EU ist doch so böse! Die EU ist ja ganz schlimm, oder? – Abg. Sieber: Jetzt ... die EU recht!)

Wer liefert zukünftig unser Essen, wenn wir jetzt mit solchen Gesetzen die Betriebe ruinieren? Wer sorgt für die Ernährungssouveränität? Anstatt endlich für eine umfas­sende Herkunftskennzeichnung zu sorgen, diskutieren wir jetzt über ein neues Tier­schutzgesetz (Abg. Voglauer: Ja genau!), was noch mehr Richtlinien und noch mehr Auflagen für die Bauern bedeutet. (Abg. Voglauer: Lies dir den Antrag durch!)

Es wäre wichtig, gerade jetzt in der Wirtschaftskrise, solche Gesetze beiseitezuschieben und den Menschen zu helfen, zu schauen, dass wir die Teuerung in den Griff bekommen. (Beifall bei der FPÖ.)

13.00


Präsidentin Doris Bures: Ich möchte noch nachholen: Frau Abgeordnete Voglauer hat einen gesamtändernden Abänderungsantrag eingebracht; sie hat ihn in den Grundzügen erläutert, und er ist jetzt auch schon verteilt – ordnungshalber: Er steht natürlich mit in Verhandlung.

Nun gelangt Herr Abgeordneter Georg Strasser zu Wort. – Bitte.


13.01.12

Abgeordneter Dipl.-Ing. Georg Strasser (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Bundesminister! Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Vor circa 18 Monaten ist das Tierschutzvolksbegehren von Sebastian Bohrn Mena zu uns ins Parlament gekommen, und ich darf mich bei den Unterzeichnerinnen und Unter­zeich­nern und auch bei Sebastian Bohrn Mena bedanken. Das Konzept hat sozusagen bewirkt, dass dieser Prozess den Blick aufs Ganze geschärft hat. (Präsident Hofer über­nimmt den Vorsitz.)

Zum anderen: ein großes Dankeschön an die Grünen, im Speziellen an Olga Voglauer, für die intensive und gute Zusammenarbeit. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ich darf mich auch bei den Ministern Rauch und Totschnig für ihr persönliches Enga­gement vor allem im medialen Diskurs in den letzten Wochen bedanken sowie bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Institutionen, die im Prozess mitgewirkt haben. Vor allem darf ich mich aber bei den Bäuerinnen und Bauern und ihren Vertreterinnen und Vertretern und den NGOs bedanken.

Olga Voglauer hat diesen Prozess schon sehr gut beschrieben: Wir haben es geschafft, dass zwei interessante Bevölkerungsgruppen sozusagen den Blick über den Tellerrand wagen und dass man versucht hat, Verständnis füreinander aufzubringen. Das ist ein Zeichen dafür, dass Dialog gelingen kann und dass Dialog, wenn er gelingt, auch zum Erfolg führt, denn der heutige Pakt ist ein Pakt für die Zukunft, ein Schulterschluss für die Zukunft. – Ein großes Dankeschön dafür. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Überrascht bin ich ein bisschen von der Rede von Kollegen Schmiedlechner (Zwischen­ruf bei der FPÖ), weil sich die FPÖ in den letzten Jahren und auch im Rahmen des Prozesses betreffend das Tierschutzvolksbegehren im Parlament an und für sich immer als Speerspitze sozusagen für kürzere Fristen, für die Abschaffung des Voll­spalten­bodens ausgesprochen hat, sich also eigentlich mehr als Tierschutzpartei als – sozusagen – Bauernschutzpartei dargestellt hat. Die Rede ist ein interessanter Beitrag, ich bin gespannt, wie die anderen Redebeiträge sein werden. Sie sollten sich an­schauen, was Ihre Tierschutzsprecherin, Bundesrätin Steiner-Wieser, gesagt hat; ihr ist


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das alles viel zu wenig – viel zu wenig –, was wir sozusagen heute auf den Weg bringen. (Zwischenruf bei der FPÖ.)

Was bedeutet dieses Paket? Was bedeutet dieses Paket aus bäuerlicher Sicht, was bedeutet es für uns Bäuerinnen und Bauern? – Obwohl wir Vorreiter in Europa und international sind, sind wir bereit, weitere Entwicklungsschritte zu machen – im Bereich der Schweinewirtschaft, im Bereich der Rinderwirtschaft, im Bereich der Geflügel­wirt­schaft –, weil uns dieses Paket in Wahrheit mehr Planungssicherheit bringt – mit Über­gangsfristen, die Transformation zum Beispiel in der Schweinebranche möglich machen.

Wir gehen damit aber auch in Vorlage. Ich sage es in aller Offenheit: Wir werden ganz genau hinschauen, was dann die Verarbeiter, der Lebensmitteleinzelhandel, die Gastro und auch die Konsumentinnen und Konsumenten auf den Märkten, im täglichen Konsumverhalten tun, denn der Tisch ist gedeckt: mit Tierwohlprogrammen. Wir werden ganz genau hinschauen, ob die Aussendungen des Lebensmitteleinzelhandels dann auch mit Leben erfüllt werden, wir werden ganz genau hinschauen, ob das nicht nur Feigenblätter sind, und wir werden ganz genau hinschauen, weil wir uns mit einem Greenwashing des Handelsportfolios nicht zufriedengeben werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Die Politik macht ihre Hausaufgaben. Da darf ich wieder bei Kollegen Schmiedlechner und bei Kollegin Ecker anschließen und bitten, nicht so zu tun, als würde es keine Begleitmaßnahmen geben, als würde es keine ambitionierten Projekte wie Kalb rosé geben, als würde es das Eine-Million-Strohschweine-Ziel nicht geben.

Die Politik macht ihre Hausaufgaben: 1 Milliarde Euro in den nächsten fünf Jahren für die Investförderung und für den Tierwohlbereich im Rahmen des Öpul. Wir fördern die Qualitätsprogramme des AMA-Gütesiegels (Zwischenruf bei der SPÖ), und wir haben den Nabe-Plan; da darf sich auch noch die eine oder andere Landesinstitution, Ge­meindeinstitution und auch Bundesinstitution an der Nase nehmen, damit österreichi­sche regionale Ware dort noch mehr eingesetzt wird.

Es ist ein guter Kompromiss, das heutige Paket ist aber auch ein Schulterschluss. Frau Kollegin Ecker, vielleicht ist es Ihnen aufgefallen: Drei Demonstrationen waren ange­sagt – gestern, heute und morgen –, und drei Demonstrationen fanden nicht statt, weil der Dialog mit den NGOs dazu geführt hat, dass wir uns auf dem Weg, der heute beginnt, gegenseitig unterstützen und dass wir schauen, dass wir die Ziele, die wir uns setzen, dann auch in der Realität erreichen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Aus diesem Grund werden wir weiter auf Dialog und Verständnis setzen, wir werden weiter auf die Umsetzung der Qualitätsprogramme pochen und wir werden weiter auf die Selbstversorgung, die Kollege Schmiedlechner angesprochen hat, schauen, weil wir nicht wollen, dass Schweinefleisch aus Polen oder aus Brasilien auf unseren Tisch kommt.

Abschließend: Ja, guter Prozess, gute Ergebnisse, der Tisch ist gedeckt, gehen wir es an – Glück auf! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

13.07


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist nun MMag.a Katharina Werner. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


13.07.14

Abgeordnete MMag. Katharina Werner, Bakk. (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Damen und Herren hier und liebe Zuseher zu Hause! Die Regierung präsentiert heute ein in ihren Augen sehr umfassendes


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 131

Paket zum Tierwohl in Österreich, ein Paket, das man eben auf Biegen und Brechen durchbringen wollte und das nicht einmal im Ausschuss behandelt wurde. Ehrlich: Für mich sieht Demokratie anders aus. (Ruf bei der ÖVP: Stimmt ja nicht! – Beifall bei den NEOS sowie Beifall und Bravoruf bei Abgeordneten der SPÖ.)

Auch den Umgang mit den Ideen von anderen Parteien finde ich ein bisschen schräg: Der Tierschutzminister wollte im Mai die Fiaker noch verbieten, jetzt will er eine Studie dazu. Das ist genau das, was wir im letzten Plenum gefordert haben, deshalb bringe ich jetzt folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten MMag. Katharina Werner, Bakk., Kolleginnen und Kollegen betreffend „Hitzefrei für Fiakerpferde“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, wird aufgefordert, eine Studie in Auftrag zu geben, welche die physiologischen Folgen des Einsatzes von Arbeits-, und insbesondere Fiakerpferden unter klimatisch herausfordernden Bedingungen auf die Tiergesundheit erforscht und geeignete evidenzbasierte Maßnahmen für den zukünftigen Einsatz empfiehlt, um ggf. Handlungsempfehlungen abzuleiten.“

*****

Also: Wenn Sie die Ideen schon verwenden, dann seien Sie so ehrlich, sagen Sie, von wem sie sind, und stimmen Sie einfach zu! (Beifall bei den NEOS.)

Zurück zum Tierschutzpaket: Es ist weit nicht so umfassend, wie man es uns verkaufen möchte. Der gesamte Haustierbereich wurde ausgelagert, er wird dann im Herbst präsentiert. Tierqual wird dadurch unnötig verlängert, denn es gibt da eine Reihe von Maßnahmen, auf die man sich eigentlich schon geeinigt hat und die man jetzt sofort hätte setzen können.

Was bleibt von den großen Ankündigungen also übrig? – Um ehrlich zu sein: nicht viel.

Positiv sehen wir, was im Geflügelbereich erreicht wurde. Das sinnlose Kückentöten endet, und die Biodiversitätsweiden werden eingeführt. Das ist aber leider so ziemlich alles. Egal ob man die Kälbertransporte, die Anbindehaltung und so weiter und so fort anschaut: Da gibt es einfach zu wenig Fortschritt für uns. (Ruf bei der ÖVP: Ah geh ...!)

In den Medien wurde das Ende der Vollspaltenböden groß verkauft. Ich finde es gut, dass sich der Herr Minister nach dem letzten Plenum unsere Aufforderung zu Herzen genommen und da noch einmal nachverhandelt hat. Jetzt steht zumindest ein Enddatum drinnen, aber: 2040 – ernsthaft? –, und das nur bei den Schweinen.

Als ich das gelesen habe, habe ich es für einen schlechten Scherz gehalten. Es ist ein fauler Kompromiss, ein Auslagern der Verantwortung in die Zukunft, und die Menschen spüren das. Ich glaube, ganz zu Recht fragen sie sich, ob es dafür einen grünen Tierschutzminister gibt. Selbst die AMA hat nämlich ambitioniertere Ziele.

Man weiß genau, dass die österreichischen Landwirte ihre Produkte vor allem in Deutschland nicht mehr werden verkaufen können, wenn da nicht rasch eine Ver­änderung bewirkt wird. Da brauchen wir eine Linie und einen echten Fortschritt. Laut einer Anfragebeantwortung durch den Landwirtschaftsminister haben Sie aber weder


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 132

einen Plan noch konkrete Zahlen für diese Umstellung. Das wäre uns ein Anliegen: Wir brauchen hier wirklich konkrete Zahlen.

Abschließend möchte ich noch festhalten: Mir ist bewusst, dass es gerade jetzt angesichts der Inflation schwierig ist, mehr Tierwohl an den Konsumenten zu bringen, aber ich bin überzeugt davon, dass wir diese multiplen Krisen meistern werden und die Konsumenten auch ihren Beitrag dazu leisten werden, wenn man sie lässt.

Die Politik hat nicht die Aufgabe, nur an morgen, übermorgen oder an das nächste Wahlergebnis zu denken. Die Politik hat die Aufgabe, die Zukunft zu gestalten. Das braucht Mut, und im Tierschutz würde ich mir mehr Mut wünschen. – Danke schön. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Höfinger: Sehr praxisfremd, Wahnsinn! Absolut weg von der Realität! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

13.11

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten MMag. Katharina Werner Bakk., Kolleginnen und Kollegen

betreffend Hitzefrei für Fiakerpferde

eingebracht im Zuge der Debatte in der 168. Sitzung des Nationalrats über den Antrag der Abgeordneten Dipl.-Ing. Georg Strasser, Mag. Faika El-Nagashi, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Schutz der Tiere (Tierschutzgesetz-TSchG) und das Bundesgesetz über den Transport von Tieren und damit zusammenhängenden Vorgängen (Tiertransportgesetz 2007 – TTG 2007) geändert werden (2586/A)– TOP 11

Die Situation von Fiakerpferden in Innenstädten ist immer wieder Thema, insbesondere wenn die Temperaturen steigen und an der 30 Grad Marke kratzen oder diese über­steigen. Ob und ab wann die Umstände für die Tiere gesundheitlich belastend sind ist wissenschaftlich nicht eindeutig:

Der Studie der Universität von Guelph in Kanada (2012) zufolge ist besonders feucht-warmes Sommerwetter, etwa nach einem Gewitter, gefährlich. Bei heißem, feuchtem Wetter reichen 17 Minuten Training mit mäßiger Intensität aus, um die Körpertemperatur eines Pferdes auf gefährliche Werte zu erhöhen. Die Komforttemperatur für Pferde liegt bei 5 bis 10 Grad. Minusgrade bis 15 Grad unter Null stecken sie problemlos weg. Aber alles, was über die 20-Grad-Plus-Marke hinausgeht, belastet bereits ihren Organismus. Im Hochsommer reicht dann der Schweiß alleine oft nicht mehr aus, um ein Pferd herunterzukühlen, selbst dann nicht, wenn die Produktion, gesteuert vom zentralen Ner­vensystem, auf Hochtouren läuft und bis zu 30 Liter Schweiß pro Stunde erzeugt werden.

Laut der kanadischen Studie können die Auswirkungen schwerwiegend sein. Steigt die Körpertemperatur eines Pferdes von den normalen 37-38 Grad auf bis zu 41 Grad, können die Temperaturen in den arbeitenden Muskeln bis zu 43 Grad erreichen, eine Temperatur bei der Proteine in den Muskeln laut Studie zu denaturieren beginnen. Pferde die unter Hitzestress leiden, können an Hypotonie, Koliken oder sogar Nieren­versagen leiden. Die Forschung der Universität von Guelph zeigt, dass bei einer Luft­feuchte von 75 Prozent, Pferde ihren Körper nur bis zu einer Außentemperatur von 20 Grad ausreichend kühlen können. Bei trockner Hitze, beispielsweise 50 Prozent Luft­feuchte, können die Tiere auch bis 30 Grad gut mit den Klimaverhältnissen umgehen. Danach überhitzen die Tiere. Die Pferde versuchen sich dann durch verstärktes Atmen weiter herunterzukühlen, die Atemfrequenz liegt dann oft höher als die Herzfrequenz, was den Körper in eine Extrembelastung versetzt.


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Diese Forschungsergebnisse stammen aber aus dem Jahr 2010 und nehmen zudem keinen Bezug auf die Studie der VetMed Wien aus dem Jahr 2008.

Die Studie der Vetmed Wien aus dem Jahr 2008 kommt zum Schluss, dass die im Rahmen der Studie erhobenen klimatischen Bedingungen  einem damals typischen Wiener Sommer entsprachen und überforderten die untersuchten Fiakerpferde in ihrem physiologischen Anpassungsvermögen nicht. Hitzestress, in Form einer Überforderung des thermoregulatorischen Systems im Pferd, wurde in keiner der annähernd 400 Messungen an den Tieren festgestellt.

Die aktuelle Diskussion um das Verbot von Fiakerpferden bezieht sich von den ver­schiedensten Seiten unter anderem auf die genannten Studien aus den Jahren 2008 und 2012. Die nicht nur widersprüchlich sondern angesichts der Entwicklung des Klimas überholt sind. Seit Erstellung der beiden Studien sind mehr als 12 Jahre vergangen. 12 Jahre, in denen sich die klimatischen Bedingungen für die Pferde in Österreich gänzlich anders gestalten als damals. Selbst wenn sich der Tierschutzminister gemäß dem VfGH Urteil aus dem Jahr 2017 ( G347/2016) nicht als zuständig für die Regelung der klima­tischen Bedingungen sieht, sondern die Kompetenz bei den Bundesländern sieht, so ist es seine Aufgabe für eine evidenzbasierte Entscheidungsgrundlage bezüglich geeig­neter Maßnahmen für den tierschutzfreundlichen Einsatz von Arbeits- insbesondere Fiakerpferden zu sorgen und daraus ggf. Handlungsempfehlungen abzuleiten. Statt eines generellen Verbotes des Einsatzes von Fiakerpferden wären etwa die Auslage­rung in gekühlte Unterkünfte und Ställe außerhalb der Innenstadt als Standorte mit voriger Buchung und dann Abholung der TouristInnen oder einem Shuttle zu den aus­lagerten Standorten denkbar. Dazu bedarf es jedoch aktueller Daten und Studien, die die momentanen klimatischen Bedingungen berücksichtigen und die Wirksamkeit derartiger Maßnahmen untersuchen. 

• https://news.uoguelph.ca/2010/06/when-the-rider-is-hot-the-horse-is-hotter/

• https://www.br.de/nachrichten/wirtschaft/klimawandel-bringt-hund-und-pferd-an-ihre-hitzegrenze,SeesfcE

• https://www.vetmeduni.ac.at/fileadmin/news_import/Fiakerstudie_Endbericht.pdf

• https://www.ris.bka.gv.at/VfghEntscheidung.wxe?Abfrage=Vfgh&Dokumentnummer=JFT_20170926_16G00347_00&IncludeSelf=False

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, wird aufgefordert, eine Studie in Auftrag zu geben, welche die physiologischen Folgen des Einsatzes von Arbeits-, und insbesondere Fiakerpferden unter klimatisch herausfordernden Bedingungen auf die Tiergesundheit erforscht und geeignete evidenzbasierte Maßnahmen für den zukünftigen Einsatz empfiehlt, um ggf. Handlungsempfehlungen abzuleiten.“

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß einge­bracht und steht somit auch in Verhandlung.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 134

Zu einer Stellungnahme hat sich jetzt Herr Bundesminister Johannes Rauch zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesminister.


13.11.26

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Herr Präsident! Hohes Haus! Zu Beginn möchte ich mich auch bei den Be­teiligten bedanken, denn man soll sich nicht mit fremden Federn schmücken. Dass dieses Paket hier und heute so verabschiedet werden kann, ist sehr maßgeblich Georg Strasser und Olga Voglauer zu verdanken. Das möchte ich an dieser Stelle einfach festhalten.

Ihr beide habt euch mit unglaublichem Engagement darum bemüht, eine Lösung zu­stande zu bekommen und habt es auch geschafft, den Dialog zu finden – nicht nur zu suchen, sondern zu finden –, nämlich mit den Tierschutzorganisationen auf der einen Seite und mit der Branche auf der anderen Seite; zwei weiter entfernte Welten konnte man sich bis zum heutigen Tag nicht vorstellen. Ich danke euch für euren Einsatz! Es ist euer Gesetz und vor allem auch euer Erfolg. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Was heute verabschiedet und beschlossen wird - - (Zwischenrufe bei SPÖ und NEOS.) – Ich höre Zwischenrufe von der Opposition, da fällt mir ein: Ich war 20 Jahre lang Oppo­sitionspolitiker und daher weiß ich, das Schlimmste für einen Oppositionspolitiker ist, wenn einem die Kritikbasis abhandenkommt. (Beifall bei Abgeordneten der Grünen.) Das ist schwierig, denn dann weiß man nicht mehr, wo man ansetzen kann. Wenn selbst der VGT (neuerliche Zwischenrufe bei SPÖ und NEOS) – ich weiß, es ist schwierig – sagt, das ist eine mutige Entscheidung und der Weg geht in die richtige Richtung, dann tut man sich schwer. Das kann ich ein Stück weit nachvollziehen. Es ist jedenfalls ein gutes Gesetz, ein gutes Paket, und es ebnet den Weg – und das ist wichtig – in eine zukunftsfähige Landwirtschaft. Das haben wir auch immer betont. (Zwischenrufe der Abgeordneten Cornelia Ecker und Kucharowits.)

Ich bin lange genug im Landtag gesessen und habe mich mit Landwirtschaftspolitik beschäftigt, auch mit der Praxis; ich habe in meinem Leben etwa 100 landwirtschaftliche Betriebe besucht, ich weiß also, wovon ich spreche, das kann ich Ihnen sagen.

Das Paket ist deshalb gut, weil es die Brücke für die landwirtschaftlichen Betriebe baut und damit die Zukunft sichert und die Lebensmittelversorgung im eigenen Land sicher­stellt. Auch bietet es Sicherheit und Rechtssicherheit für die Bäuerinnen und Bauern. Es nimmt – ja, das stimmt – auch die Konsumentinnen und Konsumenten mit und verpflichtet auch den Lebensmitteleinzelhandel.

Genau deshalb habe ich mich mit Vertretern des Lebensmitteleinzelhandels getroffen, nämlich um klarzumachen, deutlich zu machen: Mit dieser Beschlussfassung sind die Voraussetzungen geschaffen, jetzt gibt es auch eine Verpflichtung des Lebensmittel­einzelhandels, da nachzuziehen und zu liefern. (Beifall bei den Grünen und bei Abge­ordneten der ÖVP.)

Wir sind ja damit – und das habe ich schon am Vormittag bei der Anfragebeantwortung gesagt – inzwischen unter den top drei Staaten in Europa, was das Tierwohl anlangt, und es werden andere nachziehen. Was in Deutschland aktuell passiert, auch unter grüner Regierungsbeteiligung, geht genau in dieselbe Richtung; und ja, das wird auch Konsequenzen auf europäischer Ebene haben.

Wir warten aber nicht auf die europäische Ebene – das ist ein besonders interessanter Zugang, denn meiner Wahrnehmung nach war die FPÖ-Fraktion sonst immer dagegen, dass Dinge auf europäischer Ebene geregelt werden, in diesem Fall ist sie allerdings dafür –, weil wir den Bäuerinnen und Bauern, den Konsumentinnen und Konsumenten


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Rechtssicherheit geben und jetzt die Voraussetzungen dafür schaffen wollen, dass zukunftssicher investiert werden kann.

Wenn es ab 1.1.2023 nicht mehr möglich sein wird, weder in der Sanierung noch im Neubau Vollspaltenbuchten zu verwirklichen, dann ebnet das den Weg in eine zukunfts­sichere Branche. Das ist exakt der Punkt, den es braucht. (Zwischenruf der Abg. Cor­nelia Ecker.)

Die Übergangsfristen sind auch deshalb vertretbar, weil es ökonomisch unzumutbar ist, einem Betrieb, der im letzten Jahr investiert hat, jetzt vorzuschreiben, dass er das ab dem nächsten Jahr abreißen und neu errichten muss.

Die Übergangshilfen sind angedeutet worden: Es gibt vonseiten der AMA da breite Anreize, ab 2023/2024 rascher umzusteigen. Es wird Förderungen auch für den Umbau geben, es sind die Maßnahmen dort gesetzt.

An dieser Stelle möchte ich mich bei meinem Kollegen Minister Totschnig herzlich für die Zusammenarbeit bedanken. Da ist die Brücke jetzt geschlagen und gestaltet. Wir starten mit diesem Beschluss – und das darf ich an dieser Stelle festhalten – in eine Zukunft, was das Tierwohl und die Zukunftsfähigkeit der Landwirtschaft betrifft, um die uns viele Länder in Europa beneiden. – Dafür noch einmal herzlichen Dank an alle Beteiligten! (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

13.16


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt jetzt Mag.a Faika El-Nagashi. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.

13.16.36


Abgeordnete Mag. Faika El-Nagashi (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Wir beschließen heute ein Tierschutzpaket mit einem Commitment zu einer völlig neuen Perspektive. Es beendet die Frage: Voll­spalten, ja oder nein?, und es beginnen die Gespräche zu einer Zukunft mit weniger Tierleid und einem Paradigmenwechsel in der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung. Diese Gespräche und Verhandlungen werden nicht einfach, aber sie werden mit einem breiten Schulterschluss zwischen der Branche und den NGOs geführt werden, und sie stehen im Zeichen einer progressiven Ernährungswende, die von immer mehr Menschen gewollt und gefordert wird.

Vollspaltenböden haben jetzt ein Ablaufdatum. Im Jahr 2039 werden wir uns nicht mehr darüber unterhalten, wie viele Schweinebetriebe noch schnell umbauen müssen, um 2040 rechtzeitig aus dem Vollspaltenbodensystem auszusteigen.

2039 wird die Welt, aber auch unser Agrarsystem anders aussehen. Der Konsum von Fleisch, wie er heute üblich ist, wird nicht mehr möglich sein – the End of Meat –, weil wir ohne den Paradigmenwechsel in der Ernährungsfrage nicht überlebensfähig sind, weil die jungen Generationen und auch viele der Alten das wissen und weil es mittlerweile nicht mehr nur eine Frage des Klimas, der Gesundheit oder des Tierschutzes ist, sondern auch eine Frage der Versorgung, der Ernährungssicherheit und der Zukunft. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

In 20 Jahren wird die Welt anders aussehen, mit bedeutend weniger landwirtschaftlicher Tierhaltung und immer mehr Nachfrage nach nachhaltiger und pflanzlicher Ernährung. Wir stellen heute die Weichen für maßgebliche Veränderungen und werden uns nicht nur für den bestmöglichen neuen Standard in der konventionellen Schweinehaltung, sondern für die Reduktion des Konsums tierischer Produkte und für den Ausbau und die Förderung pflanzlicher Alternativen einsetzen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 136

Das Tierschutzpaket enthält viele wichtige Verbesserungen, aber es gibt eine, die ich ganz besonders hervorheben möchte: Wir konnten nach vielen Gesprächen eine Aus­weitung der Infrastruktur und der Rechte der Tierschutzombudsstellen erreichen. Das ist wichtig, weil in den Ombudsstellen sehr viel Expertise und sehr viel Know-how vor­handen ist, aber oft die Rahmenbedingungen nicht so gut sind und der Handlungs­spielraum viel zu klein ist. Da wird die Novelle eine spürbare Verbesserung bringen.

Mit diesem Paket ist aber unsere Arbeit selbstverständlich nicht getan, sondern im Gegenteil: Im Herbst werden wir ein zweites Tierschutzpaket vorlegen, das Verbes­se­rungen in der Heim- und Wildtierhaltung betrifft. Das beinhaltet das Verbot von Qual­züchtungen und die Verpflichtung zur Sachkunde in der Exoten- und Wildtierhaltung. Wir werden über den Sommer intensiv daran arbeiten, weil es nicht nur die landwirt­schaftliche Tierhaltung ist, die in Österreich Probleme und Tierleid erzeugt.

Das heutige Tierschutzpaket ist ein bedeutender Erfolg im Sinne des Tierschutzes. Dieses Feedback haben wir in den letzten Tagen mehrfach von den Tierschutz-NGOs und den TierrechtsaktivistInnen bekommen. Daher ist das heute ein besonders motivie­render Tag für die weiteren Baustellen, die noch vor uns liegen. – Danke an alle, die uns auf diesem Weg unterstützen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.20


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Dietmar Keck. – Bitte, Herr Abge­ordneter.


13.20.35

Abgeordneter Dietmar Keck (SPÖ): Na ja, Kollegin Voglauer, nicht schon wieder – aber es kommt! (Zwischenruf der Abg. Voglauer.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Minister! Herr Präsident! Von meinen Vorrednern wurde heute viel über ein Paket gesprochen, das Sie so intensiv verhandelt haben, bei dem Sie so intensiv mit den NGOs und allen in Verhandlungen waren, aber eines haben Sie nicht gemacht: es hier im Parlament verhandelt.

Wir im Parlament haben an und für sich Gesetzestexte und Gesetzesvorlagen zu diskutieren und zu verhandeln. Das ist nicht passiert. Es wurde mit allen Tricks und Schmähs verhindert, dass wir hier im Parlament diese Gesetzesvorlage diskutieren kön­nen, dass wir hier im Parlament unsere Kritikpunkte, die wir hatten und noch immer haben, einbringen können. Herr Bundesminister, zu dem, was Sie vorhin zu diesen Kritikpunkten gesagt haben, kann ich Ihnen nur sagen: Es sind noch viele da. Es sind nicht die Kritikpunkte abhandengekommen, sondern man hat versucht, uns zu täuschen. Ich sage es mit aller Klarheit und Deutlichkeit, Herr Minister!

Ich kann Ihnen nur eines sagen, meine Damen und Herren: Was bedeutet das, wenn immer wieder gesagt wird, 2039 ist es vorbei? Bedeutet das, dass man will, dass die Schweine in Österreich noch 17 Jahre lang so leben? 17 Jahre! (Der Redner hält eine Tafel in die Höhe, auf der Schweine in Vollspaltenbodenhaltung zu sehen sind.) – Schau dir das an, Georg Strasser, 17 Jahre! (Zwischenruf des Abg. Strasser.) – Ja, da kannst du schon meckern. 17 Jahre! Wisst ihr, wie viele Generationen Schweine das sind? – 34 Generationen Schweine.

Man kann dieses Gesetz aber auch noch erweitern, das geht bis 2053. Wenn man sich das bis 2053 anschaut, meine Damen und Herren (eine Tafel mit der Aufschrift „30 Jahre bis zum Ende des Vollspaltenbodens“, einer Zeitleiste sowie einem Bild, auf dem Schweine in Vollspaltenbodenhaltung zu sehen sind, in die Höhe haltend) – ich stelle das Bild von der Tierschutzombudsstelle her, weil ja mit den Tierschutzombudsleuten so großartig diskutiert und gesprochen wurde, die haben es uns aufgezeigt –: Bis 2053 gibt es 150 Millionen Schweine, die noch unter diesen Umständen leben müssen. Ist das der


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Erfolg im Tierschutz, den wir hier herinnen feiern? (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Schallmeiner.) – Nein, ich glaube es nicht, meine Damen und Herren, sondern das ist eine Niederlage für die Tiere in Österreich, weil euch der Tierschutz egal ist!

Das würde mich wirklich interessieren: Als wir in der Regierung waren, habe ich als Tierschutzsprecher Tierschutz verhandelt. (Abg. Voglauer: ... und dann reden wir weiter!) Jetzt verhandeln auf einmal der Landwirtschaftssprecher von der ÖVP (Abg. Höfinger: Ja, aber der was versteht davon, weil der kompetent ist!) und die Land­wirtschaftssprecherin von den Grünen (Abg. Voglauer: Lies doch mal den Text dazwischen!) das Tierschutzgesetz. (Abg. Voglauer: Du solltest in die Tiefe lesen, nicht nur die Headlines! – Abg. Höfinger: Bravo!) Die Tierschutzsprecher waren bei dem Ganzen ja gar nicht eingebunden. Meine Damen und Herren! Wie weit wir hier ge­kommen sind, das sieht man schon. (Abg. Höfinger: Du hast dir deine Kompetenzen selbst angeeignet, die haben es gelernt! – Abg. Voglauer: Der Keck! Wer lesen kann, ist klar im Vorteil!)

Noch einmal zur Vorgangsweise, und das auch heute: Kollegin Voglauer hat einen gesamtändernden Abänderungsantrag eingebracht (Abg. Voglauer: Genau!), 16 Seiten, die wir 2,5 Stunden, bevor dieser Tagesordnungspunkt aufgerufen wurde, erhalten haben. (Abg. Voglauer: Geh! Heast, das habt ihr übermittelt bekommen! Geh, red nicht so einen Blödsinn! Wirklich!) Das sind 16 Seiten, die man sich einmal anschauen muss, sodass man weiß, was los ist, denn – ich muss es euch wertfrei sagen (Abg. Voglauer: Na!) – ich vertraue euch schon gar nicht mehr, wenn ihr so kurzfristig einen ge­samtändernden Abänderungsantrag einbringt. (Abg. Voglauer: Du hast das vielleicht so spät gelesen! Deine Fraktion hat das schon früher gekriegt, am 5.!) Ihr bringt dann 16 Seiten ein, die man sich nicht mehr anschauen kann. Meine Damen und Herren! Das ist der Stil, den die ÖVP, und das ist der Stil, den die Grünen hier haben. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Voglauer: Na, bitte!)

Wenn Sie ständig von der Unterstützung der NGOs sprechen, muss man aber wirklich klar und deutlich sagen: Was haben denn die zwei NGO-Organisationen – es waren nur zwei – gesagt? – Der VGT hat gesagt: ein mutiger Schritt! – Das stimmt auch. Wie ist denn dieser mutige Schritt erfolgt? – Wir haben seit vier Jahren hier in diesem Haus permanent Anträge zur Abschaffung der Vollspaltenböden (Abg. Voglauer: Na, nimmst dich jetzt wichtiger als das Tierschutzvolksbegehren?!), zur Abschaffung der betäu­bungslosen Ferkelkastration, zur Abschaffung der Anbindehaltung eingebracht. (Abg. Weidinger: Stimmst eh mit!) Seit vier Jahren werden sie permanent von der ÖVP abgelehnt, werden sie jetzt auch von den Grünen abgelehnt. Das heißt, diese Anträge werden nicht zur Kenntnis genommen. (Abg. Voglauer: Das haben wir nicht abgelehnt! Vertagt haben wir das!)

Meine Damen und Herren! Dass ich richtigliege, zeigen auch die Zwischenrufe der Kollegin Voglauer: Die regt sich auf, weil die mit ihren Nerven am Ende sind, weil sie weiß, dass sie nicht richtig gehandelt haben. Das ist ganz logisch. (Beifall bei der SPÖ. – Heiterkeit bei Abgeordneten der Grünen.)

Meine Damen und Herren! Der VGT hat gesagt: ein mutiger Schritt! – Ja, das hat er gesagt, weil diese Regierungsparteien von uns und – das muss man auch sagen – dankenswerterweise auch von der „Kronen Zeitung“ wirklich unter Druck gesetzt wurden, dass endlich etwas passiert, dass dieser Schritt erstmalig gesetzt wurde.

Die Tierschützer haben aber auch gesagt, alles andere da drinnen passt nicht. Sie haben nicht gesagt, die betäubungslose Ferkelkastration, die noch drinnen ist, ist super. (Abg. Voglauer: Aber dann bist doch zufrieden mit dem, was jetzt kommt, oder? Weil wenn du Druck ausgeübt hast und wir jetzt folgen, dann musst jetzt zufrieden sein!) Das haben sie nicht gesagt. Sie haben auch nicht gesagt, dass die Anbindehaltung bis 2030 halten


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soll. Das haben sie nicht gesagt. Sie haben auch nicht gesagt, dass die Kälber mit drei Wochen schon transportiert werden können. Nein, das haben sie nicht gesagt. (Abg. Voglauer: Dann hast du aber nicht zugehört!) Sie haben auch nicht gesagt, dass die Übergangsfristen so super sind. Nein, das haben sie nicht gesagt.

Es gibt aber auch noch andere NGOs. Tierschutz Austria zum Beispiel hat das auch vollkommen kritisiert. Das wird nicht zur Kenntnis genommen. Wenn Sie sagen, Sie sind mit den Tierschutzombudsleuten beieinandergesessen, dann muss ich sagen: wir auch. Auch wir, die Opposition, haben uns mit den Tierschutzombudsleuten zusammen­ge­setzt. (Abg. Strasser: Na bravo, das ist ja super!) Wir haben uns mit den Tierschutz­ombudsleuten unterhalten, und die haben uns ihre Bedenken mitgeteilt. Das haben sie euch auch gesagt. (Abg. Voglauer: Natürlich!) Wir wollten ein Gespräch – alle Fraktionen! – mit den Tierschutzombudsleuten, aber leider Gottes wollten das Schwarz und Grün nicht. Dann haben wir das halt als Opposition alleine gemacht. (Abg. Voglauer: Wir haben es auch gehabt!) Es waren die Freiheitlichen, die NEOS und wir, die mit den Tierschutzombudsleuten geredet haben. (Abg. Strasser: Wir auch, Kollege, wir auch! – Abg. Voglauer – erheitert –: Ja!) Die vielen Kritikpunkte, die die Tierschutzombudsleute eingebracht haben, alles, was die gesagt haben, Georg Strasser (Abg. Voglauer: Die Welt ist ein bissl größer als dein Horizont, wirklich!), habt Ihr aber nicht verarbeitet, da ist von euch nichts gekommen. Ihr habt das Ganze zudem auch verhindert. (Abg. Voglauer: Die Redezeit ...! Das ist eine schlechte Rede! Eine sehr schlechte Rede!)

Jetzt aber zur Schweinehaltung (Rufe bei der ÖVP: Redezeit!): Kollegin Voglauer hat gesagt: Schauen wir uns das in drei Jahren an! – Drei Jahre schauen wir uns an, wie es mit der Schweinehaltung ausschaut. (Abg. Voglauer: Ja!) 2016 haben wir das auch schon gesagt. 2016 wurde vereinbart, dass ein Projekt gestartet wird, bei dem die Schweinehaltung angeschaut wird, und mittlerweile haben wir 2022, passiert ist nichts. Dasselbe wird auch jetzt wieder passieren. Es wird 2027 nichts kommen, weil von dieser Regierung da nichts zu erwarten ist. (Abg. Weidinger: Zur Sache, bitte! Zur Sache!)

Ich kann nur eines sagen, meine Damen und Herren: Es ist ja noch mehr beim Tierschutz nicht passiert. (Abg. Voglauer: Die Redezeit!) Ich muss wirklich die Bilder herzeigen: Den Vollspaltenboden gibt es ja nicht nur bei den Schweinen, es gibt ihn natürlich auch bei den Kühen. (Der Redner stellt eine Tafel, auf der Kühe in Vollspaltenbodenhaltung zu sehen sind, auf das Rednerpult.) Da wurde aber nicht darüber geredet, was denn da mit dem Vollspaltenboden passieren soll, sondern es wird massivste Werbung in Österreich gemacht, auch von der AMA. (Der Redner hält eine Tafel in die Höhe, auf der Kühe auf einer Alm zu sehen sind.) Da werden solche Bilder von der Tierhaltung hergezeigt, die lieb sind, die super sind. (Abg. Hechenberger: Das ist auch Praxis! Das ist eine Tatsache! Das ist gelebte Realität!)

Der Großteil der Tierhaltung in Österreich schaut aber so aus, meine Damen und Herren. (Der Redner zeigt auf die auf dem Rednerpult stehende Tafel, auf der Kühe in Vollspal­tenbodenhaltung zu sehen sind.) Genau das ist es, was wir nicht wollen. Wir wollen in Österreich Tierwohl haben (Beifall bei der SPÖ), meine Damen und Herren, und noch dazu ein Tierwohl, von dem man auch sagen kann, dass es Tierwohl ist.

Jetzt noch einmal zur Kritik: Prof. Christoph Winckler – ich nehme an, der wird euch bekannt sein – ist Nutztierwissenschaftler an der Boku in Wien, und die Boku ist ja keine unbedeutende Universität. Sein Fazit zu dem Gesetz ist: „Das Gesetz ist ein erster Schritt,“ – das sagen wir auch – „aber aus Tierwohlsicht kein großer Wurf.“ Das hat er gesagt. (Abg. Weidinger: Gleich weiterlesen!)  Ich lese schon weiter, lieber Herr! Was sagt er denn noch? – „Was ihm auch fehlt: ein Ende der Vollspaltenböden bei den Mastrindern.“ – Ich habe es vorhin hergezeigt. – „Denn auch wenn es im Unterschied zu manchen anderen EU-Ländern ein Mindestplatzangebot für die Tiere gebe, ‚ist das genauso ein Tierschutzproblem wie bei den Schweinen. Gummiauflagen helfen da nur


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wenig. Rinder sind nicht dafür gemacht, auf perforierten Betonböden in einer reizarmen Umgebung gehalten zu werden.‘“ – Auch das diskutieren wir sehr lange. Er sagt auch: „Das ist schmerzhaft“ für die Tiere. Und wenn ein Professor sagt, das ist schmerzhaft für die Tiere, und wir wissentlich nichts tun, verstoßen wir gegen § 5 Tierschutzgesetz. Ich nehme an, jeder Abgeordnete kennt den § 5 des Tierschutzgesetzes und weiß, was der besagt.

„Aus ‚tierschutzfachlicher Sicht‘“ – das sagt er auch noch und das muss man auch noch vorlesen – „ist es für ihn nicht nachvollziehbar, dass Ferkel weiterhin ohne Betäubung kastriert werden dürfen“. Wie hat denn die Kastration ausgeschaut? – Die Kastration hat so ausgeschaut, dass den Ferkeln ohne Betäubung – es wurden ihnen zwar Scherz­mittel gegeben – die Hoden herausgerissen wurden. Das ist jetzt Gott sei Dank untersagt. Jetzt schneidet man sie halt heraus, aber auch ohne Betäubung, meine Damen und Herren. Er sagt: „Auch wenn vorher ein schmerzstillendes Mittel gegeben wird, wirkt das nicht ausreichend gegen den Operationsschmerz. Es ist, als würden Sie ein Aspirin einnehmen und sich dann in den Finger schneiden“ – und glauben, Sie haben keine Schmerzen. „Das lindert zwar später die Entzündung im Gewebe“ – ja, das ist möglich –, „aber der Schnitt tut genauso weh wie ohne.“

Ich kann Ihnen nur sagen, meine Damen und Herren (Abg. Voglauer: Was ist denn das jetzt? Ein Manifest?): Das ist kein Tierschutzgesetz zum Wohl der Tiere, das ist ein Tierschutzgesetz zum Wohl einer kleinen Clique. Ich sage zum ÖVP-Bauernbund und ich kann nur den Bauern sagen: Wir sind bereit, Sie – auch finanziell – bei der Umge­staltung der Ställe zum Wohle der Tiere und zum Wohle der Bauern zu unterstützen. (Beifall bei der SPÖ. – Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von ÖVP, Grünen und SPÖ.)

13.29


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Ing. Josef Hechenberger. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.29.46

Abgeordneter Ing. Josef Hechenberger (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher hier und auch zu Hause!

Es ist jetzt knapp nach 13 Uhr, knapp nach Mittag; ich gehe davon aus, dass wir uns alle mit regionalen Lebensmitteln aus Österreich versorgt haben, denn das ist der größte und wichtigste Beitrag, um Tierleid zu reduzieren und Tierwohl entsprechend zu steigern. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Am Beginn ist mir jetzt eines wichtig: Kollegin Werner von den NEOS und Kollege Keck von der SPÖ – in seiner sehr impulsiven Rede – haben gesagt, es hätte keine Debatte gegeben. Das ist nicht wahr, weil wir letztes Jahr im Juni einen eigenen Ausschuss gehabt haben, mit fünf verschiedenen Expertinnen und Experten, wo wir auf einer breiten Basis das Thema Tierschutz gemeinsam diskutiert haben. Ich bitte, das zukünftig auch richtig darzustellen. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Voglauer.)

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, ich stehe heute hier als Bauer, als Bergbauer und Rinderbauer, und möchte auch diese Seite ansprechen, denn wir diskutieren über Tierschutz und müssen dabei auch an die Bauernfamilien denken. Letztendlich sind wir sehr froh darüber, was die Bauernfamilien leisten, was sie jeden Tag tun, welch hohe Qualität an Lebensmitteln sie herstellen. Für mich war immer wichtig, dass in den Verhandlungen auch diese Sichtweise nicht vergessen wird. Wir brauchen Tierschutz, ja, und zwar Tierschutz mit Augenmaß und Hausverstand, denn wenn wir die Anfor­derungen betreffend Tierschutz nach oben treiben und die Produktion ins Ausland


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verlagern, ist letztendlich die Konsequenz daraus: Wir müssen Billiglebensmittel impor­tieren, bei denen das Tierwohl nicht identifizierbar ist, mit denen Tierleid importiert wird.

Das, denke ich, ist der große Unterschied zwischen den Regierungsparteien und im Speziellen der SPÖ. Wir sagen: Tierschutz mit Hausverstand, mit Augenmaß; diese Beschlussfassung ist eine große Herausforderung für unsere Bauernfamilien, keine Frage, aber man geht diesen Weg gemeinsam. Die SPÖ sagt: Tierschutz mit allen Mitteln – heißt Produktion weg, heißt aber auch Arbeitsplätze weg; heißt nicht nur Arbeitsplätze weg, sondern auch Wertschöpfung weg. Ich glaube, wir sind in Zeiten wie diesen, in denen wir so extrem von Gas abhängig sind, gut beraten, uns nicht noch eine weitere Flanke aufzumachen und die Abhängigkeit im Land zu steigern.

Seien wir recht froh, dass wir die Lebensmittelproduktion nach wie vor im Land haben, und schauen wir, dass wir sie auch zukünftig sichern! Deshalb für mich ein ganz klarer Appell: ein Dank an die Bauern und ein klares Signal, dass wir Tierschutz mit Haus­verstand und Augenmaß brauchen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Weil es vorhin gesagt worden ist und mir das auch wichtig ist: Ich glaube, wir müssen aufpassen, dass wir Tierschutz, Tierwohl letztendlich nicht nur über die Haltungsform alleine definieren, denn eines ist klar: Es gibt tolle Laufställe und es gibt tolle Ställe der Kombinationshaltung. Wir haben massiv dafür gekämpft, dass wir die intensive Mensch-Tier-Beziehung zwischen Bauernfamilie und Tier ausbauen, und wir haben auch sehr stark für die Kombinationshaltung gekämpft, gerade auch in meinem Bundesland Tirol: Im Sommer sind die Tiere auf der Weide – das sind genau diese Bilder, Herr Kollege Keck, die Sie hergezeigt haben –, im Winter sind sie angebunden im Stall, wo sie natür­lich auch entsprechend Auslauf und Bewegung haben. Das ist sehr wohl eine Hal­tungsform, die wir auch in Zukunft unterstützen werden, und wir werden dafür kämpfen, dass sie aufrecht bleibt. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Voglauer.)

Ich glaube, es ist auch wichtig, gut darauf zu schauen, eine flächendeckende Land­wirtschaft aufrechtzuerhalten, wo wir auch die Klein- und Kleinstbauern, die Bergbauern in Zukunft sichern und entsprechend unterstützen.

Zum Letzten, weil Kollege Schmiedlechner uns massiv kritisiert hat: Wir nehmen die Kritik zur Kenntnis, passt, aber – ich sehe Peter jetzt nicht – eine Bitte habe ich: Diskutiert innerhalb der FPÖ einmal das Thema Tierschutz, denn eines verstehe ich nicht. (Zwi­schenruf des Abg. Schnedlitz.) – Diskutieren wir einmal, Herr Kollege Schnedlitz, mit deinem Landesrat in Niederösterreich, Waldhäusl! Eines verstehe ich nicht, geschätzte Kolleginnen und Kollegen der FPÖ: Ihr bringt einen Antrag ein, diskutiert, kritisiert den Tierschutz und gleichzeitig macht ihr ein Volksbegehren mit dem Titel Stoppt Lebendtier-Transportqual. Was heißt das? – Das heißt für uns, wenn man nur die Überschrift liest, dass wir keine Zuchttiere mehr nach Südtirol verkaufen dürfen. Ist das das, was die FPÖ will? (Abg. Schnedlitz: ... nicht verstanden! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Also das glaube ich nicht gern. (Beifall bei der ÖVP. – Rufe und Gegenrufe zwischen Abge­ordneten von FPÖ und ÖVP.)

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, wir sollten das Thema Tierschutz wichtig nehmen, Tierschutz mit Hausverstand, und auch die Bauernfamilien auf diesen Weg mitnehmen, weil wir letztendlich die Lebensmittelproduktion sichern müssen, denn Sicherheitspolitik heißt auch, die Lebensmittelversorgung in Zukunft aufrechtzu­er­halten. – Danke an die Bauernfamilien für ihre Arbeit. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

13.34


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Mag. Hannes Amesbauer. – Bitte, Herr Abgeordneter.



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13.35.03

Abgeordneter Mag. Hannes Amesbauer, BA (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Es wurde ja heute schon mehr­fach betont: Der Ausgangspunkt dieser Gesetzesnovelle liegt ja im äußerst erfolgreichen Tierschutzvolksbegehren, das maßgeblich von Sebastian Bohrn Mena initiiert wurde. Auch ich habe dieses Volksbegehren aus voller Überzeugung unterschrieben, weil es sehr vernünftig war, sehr ausgewogen war, weil es keine Sündenböcke gesucht hat, weil es nicht auf die Bauernschaft hingehaut hat, sondern praktikable, umsetzbare Lösungs­vorschläge unterbreitet hat.

Wir haben das auch im Ausschuss intensiv diskutiert, es gab auch ein sehr interessantes Hearing, und das muss man ernst nehmen. Dieses Volksbegehren hat auch gezeigt, dass die Menschen den Umgang, der in Österreich teilweise mit Tieren veranstaltet wird, nicht hinnehmen wollen, und auch wir als verantwortungsvolle Politiker können es nicht wollen, dass mit unseren Mitgeschöpfen auf teilweise so schäbige und schändliche Weise umgegangen wird. Das ist das eine.

Das andere ist jetzt das Gesetzespaket. Kollege Strasser, du hast vorhin etwas über die Rede von Kollegen Schmiedlechner gesagt: Also ich habe das nicht gehört, dass er gesagt hätte, ihm sind die Übergangsfristen beim Vollspaltenboden zu kurz; da hast du eine andere Rede gehört. (Zwischenruf des Abg. Lindinger.) Im Gegenteil: Also ich bin auch der Meinung, dass sie zu lange sind und dass es da andere Lösungen hätte geben können. (Ruf: Sie sind zu lange!)

Zum direkten Vorredner: Beim Volksbegehren des Landesrates Waldhäusl, Stoppt Lebendtier-Transportqual, das übrigens auch sehr erfolgreich war, geht es konkret darum, dass Tiere, die der Schlachtung zugeführt werden, nur bis zum nächstgelegenen Schlachthof lebend transportiert werden sollen. Es gibt ja Alternativen. (Abg. Sieber: Kürzere? Kürzere Wege? Habe ich das richtig verstanden?) Man kann das in diesem Bereich so machen, dass man die Tiere nur zum nächstgelegenen Schlachthof führt oder dass man auch die geschlachteten Tiere transportiert, das ist dann halt leider ein bissl teurer. Das ist ja das Perverse an dem System, dass die Lebendtiertransporte über Tausende Kilometer quer durch Europa bis nach Nordafrika gestattet sind, und dass das dann günstiger ist. Also das ist ein System, das kann niemand wollen und das gehört abgeschafft, und da hat Landesrat Waldhäusl völlig recht. (Beifall bei der FPÖ.)

Geschätzte Kollegen von den Regierungsfraktionen, ich möchte aber fair sein. Ich sage ja nicht, dass das alles ein Mist ist, was Sie jetzt hier auf den Tisch legen, überhaupt nicht. Sie haben sich da in gewissen Punkten bewegt, und Sie werden auch bei unserem Abstimmungsverhalten, das differenziert ausfallen wird, sehen, dass wir einigen Be­reichen auch zustimmen werden. Die Verschärfungen im Bereich der Qualzuchten, auch das Verbot des Kückenschredderns – das wird ja in Österreich eh nicht wirklich prak­tiziert, aber damit wir einmal klargestellt haben, dass das verboten ist – und der Umgang mit männlichen Kücken insgesamt: Da gibt es durchaus Verbesserungen und da werden wir auch zustimmen.

Wir hätten uns aber mehr erwartet, wir hätten uns mehr Mut erwartet. Darum können wir dem Ganzen nicht pauschal zustimmen. Ich bin schon gespannt, wie Sie sich verhalten, wenn das Volksbegehren zum Verbot der Lebendtiertransporte auch hier im Haus be­handelt wird, wenn bei den Qualzuchten ein völliges Verbot kommt und wenn wir dann wirklich Meilensteine setzen.

Noch einmal von dieser Stelle aus ein Dank an die Initiatoren dieses Volksbegehrens, und im Gegensatz zu Kollegen Keck sehe ich das wie gesagt differenziert. Wir haben da einen Prozess gehabt, auch bei der Behandlung des Volksbegehrens, der gut war, und auf dieser Ebene sollten wir weitermachen, sollten wir weitergehen, aber in Summe


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wünsche ich mir dann schon mehr Mut und mehr echten Einsatz zum Wohl unserer Mitgeschöpfe, zum Wohl der Tiere. (Beifall bei der FPÖ.)

13.38


Präsident Ing. Norbert Hofer: Herr Abgeordneter Clemens Stammler ist der nächste Redner. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


13.38.46

Abgeordneter Clemens Stammler (Grüne): Herr Präsident! Geschätzter Herr Bun­desminister! Geschätzte Zuhörerinnen und Zuhörer! Kolleginnen und Kollegen! Die SPÖ ist immer voller Expertise, wenn es um Pflege und wenn es um Tierschutz geht – komischerweise ist das immer nur dann der Fall, wenn Sie in Opposition sind. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ein gutes Gesetz erkennt man wirklich am besten daran, dass sich die Opposition in den eigenen Reden in Widersprüche verstrickt. Kollegin Ecker, auf der einen Seite Planungssicherheit einzufordern und auf der anderen Seite lange Fristen zu kritisieren ist ganz einfach absurd. Es ist die Lebensrealität da draußen, dass es Betriebe gibt, in denen die Betriebsführerin, der Betriebsführer kurz oder zehn Jahre vor der Pension steht. Denen jetzt zu sagen: Bau bitte um 1 Million Euro oder mehr einen neuen Schweinestall!, obwohl sie wissen, sie haben keinen Hofnachfolger, ist ein Ding der Unmöglichkeit.

Bäuerinnen und Bauern sind nicht einmal arbeitslosenversichert. Bäuerinnen und Bau­ern müssen arbeiten, bis sie in Pension gehen können, und das muss ihnen auch ermöglicht werden. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Kollege Schmiedlechner, hinsichtlich EU-weiter Standards gebe ich dir bedingt recht, ja, das hätte schon Sinn. Dass das aber aus deinem Mund kommt, obwohl genau die FPÖ jene Partei ist, die sich sofort entmündigt fühlt, sobald es EU-Gesetze gibt, bei denen wir keinen nationalen Spielraum mehr haben, obwohl kritisiert wird, dass prinzipiell alles über die EU passiert und wir keinen Spielraum haben, dass genau du dann einforderst, dass das europaweit geregelt werden muss, kann ich nicht verstehen. (Beifall bei Abgeordneten von Grünen und ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Amesbauer.)

Europaweite Regelungen: Wie sehen die aus? – Tun wir doch nicht so, als wäre die Schweinebranche bisher finanziell im gelobten Land gewesen! Der größte belgische Schweineproduzent mästet mehr Schweine als alle Schweinemästerinnen und Schweine­mäster der Steiermark zusammen. Dass man diesen Betrieben jemals gesagt hat: Ihr könnt bei gleicher Qualität und gleicher Produktionsweise am europäischen Markt kon­kurrenzfähig sein!, war in Wahrheit falsch. Das wird nie funktionieren.

Jetzt ist es natürlich schwierig, diesen Betrieben, die jetzt schon am Rande des Mög­lichen sind, was die Finanzierbarkeit ihres Lebens, ihrer Höfe und Betriebe anbelangt, zu sagen, wir gehen einen neuen Weg. Dieser neue Weg ist aber absolut wichtig und richtig, und ich bin froh, dass auch die Branche das – diesen Prozess – nach breit geführten Gesprächen verstanden hat und jetzt frohen Mutes in die richtige Richtung geht.

Die Wahrheit ist die: Diese Bilder, die Kollege Keck hergezeigt hat, sind schrecklich, und es gibt kaum einen Menschen, den das nicht berührt. Diese Bilder haben aber nur bedingt mit dem Haltungssystem zu tun. Diese Bilder – vor allem die furchtbarsten Bilder – entstehen dann, wenn menschliches Versagen vorliegt. Das kann in jedem System stattfinden. Menschliches Versagen entsteht meistens aufgrund einer Überlas­tung, einer Überforderung, aufgrund – wenn man dahinter schaut – von Krankheit, auch psychischer Krankheit, oft auch hervorgerufen durch eine Schuldenfalle, die ganz am


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Anfang gestanden ist, und dann muss man produzieren, weil der Stall nun schon einmal dasteht.

Tierleid können wir am besten verhindern, wenn wir in Zukunft Sozialpolitik eben nicht mehr über die Lebensmittelpreise machen – und Sie (in Richtung SPÖ) sind die, die Deckelungen für Lebensmittel fordern –, sondern Sozialpolitik ganz einfach über Um­schichtung und nicht mehr über alle drüber machen. Das könnte der Weg sein, damit Lebensmittel das wert sind, was sie wert sind. Support your local farmer! – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie der Abg. Doppelbauer.)

13.43


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Ing. Klaus Lindinger. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.43.46

Abgeordneter Ing. Klaus Lindinger, BSc (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Kolle­ginnen und Kollegen! Werter Herr Bundesminister! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ja, das Thema Tierschutz bewegt. Es bewegt nicht nur die Konsumentinnen und Kon­sumenten, es bewegt vor allem die Bäuerinnen und Bauern. Ich bringe euch jetzt ein Beispiel: Ein guter Freund aus meiner Nachbargemeinde hat letztes Jahr in einen Schweinemaststall investiert – nach den aktuell geltenden Regelungen mit den Voll­spalten – und kalkuliert, dass der Stall in 20 Jahren abbezahlt ist. Gäbe es keine Übergangsfristen, das sage ich in aller Deutlichkeit, dann würde das nicht passieren. So, wie der Lebensmitteleinzelhandel es macht, alle sieben Jahre eine neue Filiale irgend­wohin stellen, das funktioniert da nicht. Da braucht es längere Übergangsfristen.

Noch ein Beispiel, eines, das wahrscheinlich jede und jeden in Österreich betrifft: ein neues Auto zu kaufen. Sie schaffen sich das Auto an, und dann – stellen Sie sich vor! –, fünf Jahre später wird der gesetzliche Rahmen verändert, dieses Auto wird verboten, und Sie, meine Damen und Herren, müssen sich ein neues Auto kaufen. – Das geht sich nicht aus. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren, ihr werdet verstehen, dass ich in diese allgemeine positive Stimmung heute nicht ganz einstimmen kann, aber als Demokrat nehme ich diesen großen Konsens zur Kenntnis und dieses neue Tierschutzgesetz akzeptiere ich, weil – und das sage ich in aller Offenheit – es in einigen Punkten durchaus Verbesserungen mit sich bringt und auch halbwegs verträgliche Übergangsfristen beinhaltet.

Jetzt aber zu einem anderen Punkt – und da sei ganz klar festgehalten: es gibt drei Gruppen, die Bäuerinnen und Bauern, den Handel und die Industrie und die Konsu­mentinnen und Konsumenten –: Wir schaffen da für genau eine Gruppe eine Verpflich­tung, nämlich für die Bäuerinnen und Bauern, und für die anderen beiden haben wir die tobenden Appelle. Das stimmt mich bedenklich.

Nehmen wir doch Rücksicht auf die hervorragende Qualität der österreichischen Pro­dukte! Unterstützen wir die bäuerliche Produktion durch den Kauf dieser Produkte! Sichern wir damit auch die Lebensmittelversorgung in Österreich und verhindern wir den Import von Billigfleisch, produziert nach niedrigsten Tierschutzstandards! Vielleicht gehört sogar gesagt: Schauen wir, dass wir diese billigen Lebensmittel aus dem Ausland aus den Supermarktregalen verbannen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Kollege Amesbauer hat gesagt, er hat das Tierschutzvolksbegehren unterschrieben. Mein Wunsch, nein, ich fordere sogar jeden auf, der das unterschrieben hat: Damit seid ihr auch verpflichtet, die österreichischen Produkte zu kaufen – also nicht nur etwas unterschreiben und etwas fordern und dann nicht danach handeln, denn das funktioniert nicht. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Jakob Schwarz.)


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Und eine Bitte an alle hier: Reden wir mit den Bauern und nicht über die Bauern! Glaubt mir, in den letzten Tagen, Wochen, Monaten sind viele Zuschriften gekommen, ich habe mit vielen Bäuerinnen und Bauern geredet: Sie haben Sorgen, sie haben Ängste, wenn nicht sogar Existenzängste.

Ich möchte hier eine große Bitte, einen Appell an alle aussprechen, die mitgeholfen haben, dieses Paket so zu verhandeln, und vor allem auch an die NGOs, und zwar ihre Positionen zu nutzen, den Handel und die Konsumenten in die Pflicht zu nehmen. Das ist wahrscheinlich in Zeiten der hohen Inflation etwas schwierig oder eine große Herausforderung, aber mehr Tierwohl braucht auch mehr tatsächliche Abgeltung für die Bäuerinnen und Bauern, denn sonst funktioniert das nicht. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Eines möchte ich hier klarstellen, meine sehr geehrten Damen und Herren, weil gerade in den letzten Wochen und Monaten die Schweineproduzenten durch zum Teil einseitige Publikationen als Tierquäler dargestellt worden sind und in ein falsches Licht gerückt wurden: Ich weise das entschieden zurück! Eines ist nämlich klar: Die Bäuerinnen und Bauern sind die besten Tierschützer, denn geht es den Tieren gut, geht es dem Bauern gut, nämlich wirtschaftlich.

Ich habe da einen Bericht der „Kronen Zeitung“ von vor 14 Tagen. (Der Redner hält zwei Blätter mit Kopien des erwähnten Artikels mit der Überschrift „Wie geht es ihren Schweinen, Herr Hörtenhuemer?“ in die Höhe.) Es ist nicht immer so über die Schweine­haltung berichtet worden. Das ist eine realistische Darstellung. Genau von solchen Berichten würde ich mir viel mehr wünschen, nämlich eine realistische Darstellung eines Betriebs. Ich lade alle dazu ein, dass wir mehr von der Realität sprechen und nicht alle in eine Schublade stecken.

Meine Damen und Herren! Wenn ein Kriminalitätsfall in einer Sparte aufgedeckt wird, dann spricht man auch nicht über die gesamte Berufsgruppe. Banker, Lehrer, Ärzte, das sind alles angesehene Berufe, aber es ist auch schon passiert, dass zum Beispiel ein Arzt einen falschen Fuß amputiert hat – es sind aber nicht alle verurteilt worden. Genau das wünsche ich mir auch hinsichtlich Landwirtschaft. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Jakob Schwarz. Zwischenruf bei der SPÖ.) Wenn schlechte Fälle aufgedeckt werden, dann ist das klar zu verurteilen, und das sage ich in dieser Deutlichkeit, aber stecken wir nicht alle in eine Schublade!

Meine Damen und Herren! 2004 ist hier im Hohen Haus das bundeseinheitliche Tier­schutzgesetz beschlossen worden. Ich möchte einen Fall von damals aufgreifen. Jeder kennt das Frühstücksei, das Spiegelei, das Omelett. Damals ist auch schon über die Haltung geredet worden. In Österreich ist die Käfighaltung verboten – zu Recht! Doch schauen wir einmal, welche Unmengen von flüssigen Eiern in 15-, 20-Liter-Kanistern aus dem Ausland importiert werden! Es würde mich interessieren, wie in diesen Ländern die Tierhaltung, die Legehühnerhaltung aussieht. Appelle allein sind zu wenig, da müssen wir alle an einem Strang ziehen!

Ich darf nun zu dem Bereich der Schweinehaltung übergehen und zur Preissituation etwas sagen. Ich weiß nicht, ob es hier herinnen viele von euch wissen: 1980 hat die Bäuerin, der Bauer für eine 100-Kilo-Mastsau bester Qualität 180 Euro gekriegt. Wisst ihr, was jetzt gezahlt wird? – Letzte Woche: 220 Euro. Ja, die Produktion ist über die letzten Jahre gesteigert worden, aber angesichts der immer mehr werdenden und höhe­ren Auflagen, der zunehmenden Erschwernisse, der täglich steigenden Kosten für Erzeugung, Fütterung, Rohstoffe, Energie wird das auf Dauer nicht möglich sein.

Meine Damen und Herren! Wenn wir schon mehr Auflagen hinsichtlich Tierschutz haben, dann geht das alle an. Wir müssen da die Betriebe mitnehmen, wir müssen Anreize schaffen, wir müssen lange Übergangsfristen vorsehen, sonst geht es sich wirtschaftlich


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nicht aus! In Hinkunft werden alle beweisen müssen, dass der Konsument, der Handel oder auch wir als Bauern diesen hohen Anforderungen gerecht werden. Medien, NGOs können positiv dazu beitragen. Das ist mein großer Wunsch. Das neue Gesetz mit den notwendigen Übergangsfristen, mit dem Schutz von neuen Investitionen, 23 Jahre ab dem aktuellen Standard, und vielen anderen Bereichen: Der Großteil der Bauern wird damit leben müssen. Das sage ich in aller Deutlichkeit.

Wir nehmen die Herausforderung an, unter der Bedingung, dass Handel und Konsu­menten mitziehen. Das haben sich nämlich unsere Bäuerinnen und Bauern in Österreich verdient. Das muss klar gesagt sein. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

13.52


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Gabriel Obernosterer. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.52.07

Abgeordneter Gabriel Obernosterer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren auf der Ga­lerie und zu Hause vor den Fernsehschirmen! Viele werden sich jetzt fragen: Warum geht der Obernosterer als Touristiker und Unternehmer beim Thema Tierwohl zum Red­nerpult? (Abg. Kucher: Das wollte ich gerade fragen!) – Ich sage euch, warum ich hier stehe.

Dieses Gesetz, Herr Bundesminister, ist richtig und wichtig. Ich bin bei einem kleinen Bauern mit sechs, sieben Kühen, zehn Schafen und ein paar Schweinen aufgewachsen, und dann haben meine Eltern mit dem Tourismus angefangen. Das war damals diese regionale Wertschöpfung, da müssen wir wieder hinkommen: Es müssen die Produkte, die hier erzeugt werden, auch hier auf den Tisch kommen.

Es ist ja von meinen Vorrednern schon vieles angesprochen worden. Das hat natürlich auch seinen Preis. Im Jahr 1954 sind für Lebensmittel in einem Haushalt pro Kopf 45 Prozent des Einkommens ausgegeben worden. Im Jahr 1974 waren es nur mehr 27 Prozent und im Jahr 2021, Ende 2021, waren es nur mehr 11 Prozent. Wenn heute in einem Geschäft 1 Liter Mineralwasser teurer ist als 1 Liter Milch, dann passt das einfach nicht mehr zusammen.

Warum braucht es dieses Gesetz? – Nicht für die vielen kleinen Bauern, die die Land­schaft erhalten, die den Tourismus draußen in den Landregionen aufrechterhalten, dort funktioniert die Welt noch. Mit der Industrialisierung und mit der Massenproduktion sind die niedrigen Preise gekommen, und das müssen wir in den Griff kriegen! Ich gratuliere den beiden Verantwortlichen, unseren beiden Ministern, die dafür zuständig sind, dass das heute auf Schiene gebracht wird. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ich habe heute den Vertretern der Oppositionsparteien zugehört. Ich meine, wir wissen ja inzwischen, wie die Oppositionsparteien stimmen. Am meisten denkt ihr in letzter Zeit darüber nach: Wie kann man ein gutes Gesetz doch noch zerpflücken, um zu zeigen, dass es schlecht ist?, und nicht darüber: Was kann man besser machen?, das seht ihr als eure Aufgabe. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Wenn heute die Sozialisten da herinnen der Bevölkerung erklären wollen, dass sie bessere Umweltschützer, bessere Natur­schützer und bessere Tierschützer als die Grünen sind, dann muss ich ihnen sagen: Da seid ihr aber so etwas von falsch gestrickt! Das funktioniert einfach nicht. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)


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Lebensmittel müssen uns etwas wert sein. Der Bauer muss uns etwas wert sein. Der Tourismus in Österreich findet hauptsächlich in den Landregionen statt. Die Bauern erhalten dort die Naturlandschaft, der Tourismus ist es, der dort zusätzliches Geld hereinbringt. Gewisse Betriebe gehen schon voraus, Herr Obmann, und zeigen, wie das funktioniert. Slow Food ist momentan in aller Munde. Was ist Slow Food? – Vom Bauern erzeugt und vom Wirt im Gasthaus auf den Tisch gebracht. Dieser Weg ist fortzusetzen, und wir werden diesen Weg auch fortsetzen und damit auch Erfolg haben.

Eines muss man dazusagen: Von heute auf morgen geht gar nichts. 30 Jahre lang hat man in die andere Richtung gearbeitet, und jetzt müssen wir schauen, dass wir mit unseren Bauern und mit unserem Tourismus wieder dort hinkommen, wo wir aufge­wachsen sind: in unsere Natur- und Kulturlandschaft. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

13.55


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Abgeordneter Peter Weidinger. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.55.43

Abgeordneter Peter Weidinger (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundes­minister! Werte Kolleginnen! Werte Kollegen! Vor allem aber liebe Schülerinnen, liebe Schüler, die ihr heute hier seid! Es ist vor allem für die junge Generation heute ein beson­ders guter Tag, weil wir mit der Beschlussfassung dieses Tierwohlpakets einen neuen zusätzlichen Meilenstein für das Tierwohl in Österreich setzen und weil wir damit auch einen weiteren Schritt setzen, um unsere Bäuerinnen und unsere Bauern und die Landwirtschaft weiterzuentwickeln, nach vorne zu bringen.

Daher möchte ich mich ganz herzlich bedanken: bei Herrn Abgeordnetem Georg Strasser, der auch Bauer ist und jeden Tag, wenn er zu Hause ist, selbst mitanpackt, und bei Abgeordneter Olga Voglauer, die das Gleiche in Kärnten, dem Bundesland, aus dem ich komme, tut. Sie haben mit allen Partnern verhandelt, denn wenn man für Zweibeiner und für Vierbeiner etwas Gutes bewegen will, dann braucht man auch einen Geist der Zusammenarbeit, dann ist es notwendig, dass man sich zusammensetzt und redet; und das haben die beiden Abgeordneten gemacht. Sie haben sich nicht nur mit den Politi­kerinnen und den Politikern hier im Haus zusammengesetzt, sondern auch mit Men­schen, die ein Interesse daran haben, dass man sich besonders um Tiere kümmert, und mit Menschen, die ein Interesse daran haben, dass wir immer gutes Essen auf unserem Teller haben.

Darum geht es nämlich: Wir wollen einerseits eine gute regionale Selbstversorgung haben und wir wollen andererseits den besten Standard, den wir in Österreich traditionell haben und gewohnt sind, auch in Zukunft garantieren können, damit die Menschen von nah und fern bei uns die besten regionalen Lebensmittel, die man sich nur vorstellen kann, genießen können.

Wie erreicht man das? – Indem man heute hier eine Regelung dergestalt schafft, dass, wenn in Zukunft Ställe gebaut werden, zusätzliche Auflagen eingehalten werden müs­sen, die man gemeinschaftlich in einem Kompromiss ausverhandelt hat. Der Herr Bür­germeister, mein Vorvorredner, hat erzählt, dass sein Nachbar viel Geld in einen Stall investiert hat. Er wird dann natürlich vor ganz neue Tatsachen gestellt, wenn man ihm sagt: Morgen musst du etwas ganz anderes machen! Damit so etwas nicht passiert, hat man es so gemacht, dass diese Regeln in ein paar Jahren greifen und umgesetzt werden, sodass es genug Zeit gibt, sich darauf vorbereiten zu können. Das erreicht man, indem man mit Organisationen, die diesen Prozess unterstützen, wie zum Beispiel der AMA, zusammenarbeitet.


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Ich komme jetzt aber zu einem wesentlichen Punkt, der die Bevölkerung und uns alle betrifft: Wir müssen uns dafür entscheiden, dass wir diese Produkte auch kaufen. Des­wegen fordere ich Sie alle auf: Nehmen wir unsere Verantwortung wahr und fragen wir nach, wenn wir beim Gastwirt sind, wenn wir unterwegs sind: Kommen diese Lebens­mittel auch aus Österreich?! Wenn sie aus Österreich kommen, können wir uns sicher sein, dass sie den höchsten Standard haben, dass die Lebensmittelsicherheit gegeben ist, dass sie gesund sind. Damit leisten wir einen Beitrag dazu, dass die Bäuerinnen und die Bauern unsere Kulturlandschaft in Österreichs Regionen pflegen können; da freuen sich der Tourismus, aber natürlich auch die Österreicherinnen und die Österreicher.

Also zusammenfassend: Es liegt ein Paket am Tisch, das einen großen Meilenstein dar­stellt, mit dem ein neuer Schritt gesetzt und ein neues Kapitel aufgeschlagen wird, wie man in Österreich miteinander Politik macht und wie man gemeinsam Entscheidungen trifft, um die Landwirtschaft und damit auch ganz Österreich mit regionalen Lebensmit­teln sicher in die Zukunft zu führen.

In diesem Sinne lade ich alle Fraktionen ein: Springen Sie über Ihren Schatten und unterstützen Sie diesen Prozess, der uns allen sehr guttut – wenn wir zusam­men­arbeiten –, und stimmen Sie im Interesse der Bauernschaft und des Tierwohls mit! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

13.59


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Pia Philippa Strache. – Bitte, Frau Abgeordnete.


13.59.53

Abgeordnete Pia Philippa Strache (ohne Klubzugehörigkeit): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren hier im Hohen Haus! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Tierschutz: Worüber reden wir? – Wir reden über das Schicksal von Millionen Rindern, Kälbern, Schweinen, Hühnern und zahl­reichen anderen sogenannten Nutztieren, die meist von unserem menschlichen Mit­gefühl weitgehend ausgeschlossen sind. Zumindest war es bisher so, denn jetzt gibt es Neuerungen, die durchaus auf bessere Zeiten im Tierschutzbereich hoffen lassen, zum Beispiel einen Minister, der sich zumindest regelmäßig öffentlich zum Thema Tierschutz äußert.

Nun, ich denke, das hat sehr vielfältige Gründe, einer aber ist mit Sicherheit, dass es auch den Konsumenten nicht mehr egal ist, wie es den Nutztieren geht. Auch wenn sich viele von ihnen ein Leben als Vegetarier oder Veganer nicht vorstellen können, hat das Leben eines Tieres einen anderen Stellenwert bekommen. Daher ist es längst an der Zeit gewesen, dass da auch politisch erste Maßnahmen ergriffen werden, aber auch weil die Branche – und das trotz Inflation und den damit verbundenen Teuerungen – sonst doch ein wenig an dem Ast sägt, auf dem sie sitzt, weil wir in Zeiten des globalen Wettbewerbs Besonderheiten hervorstreichen und fördern müssen. Sonst bleibt eines Tages nur noch die Massentierhaltung, und da braucht es dann aber keine normalen Bauernhöfe mehr, sondern einzig riesige, ethisch mehr als bedenkliche Tierfabriken, bei denen es ausreicht, Hilfsarbeiter oder Leiharbeiter auszubeuten und auf Tierwohl keinen Wert zu legen. Da rentiert sich dann nur noch die Masse, und der Tierschutz wird mit Blick auf den Weltmarkt zum Ausschlusskriterium. Wenn keine Ausflüchte mehr helfen, dann bleiben wir bei den ökonomischen Argumenten.

An der landwirtschaftlichen Tierhaltung und an der Fleischverarbeitung hängen Arbeits­plätze, und Österreich, seine Bauern und seine Landwirtschaft sowie eben die Tiere verdienen ein gesamtheitliches, gut abgesichertes Konzept für eine sorgenfreie Zukunft. Eines ist ganz klar: Massentierhaltung, so wie sie derzeit erzwungen wird, fördert nicht


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das Bauerntum, fördert nicht die Traditionen, sondern sie ruiniert diese, einschließlich der zahlreichen Kulturlandschaften. Tierschutz ist also mehr als zeitgemäß – auch vom wirtschaftlichen Standpunkt aus betrachtet.

Bei diesem Paket gibt es einige gravierende Lücken, und es gibt viel, viel Verbesse­rungspotenzial. Vieles haben meine Vorredner schon gesagt, dennoch ist dieses Maß­nahmenpaket ein kleiner Erfolg, weil sich halt einmal ein bisschen etwas getan hat, aber es ist lediglich das Eis aufgebrochen. Ich habe allerdings die Sorge, dass es zu einem jahrelangen Stillstand beim Thema Tierschutz kommt und wieder nichts angepackt und umgesetzt wird, weil eben ein erster zeitgemäßer kleiner Baustein gelegt wurde.

Schwach ist definitiv die Lösung für den Transport der Kälber. Mit rund drei Wochen sind sie nicht nur zu schwach für den Transport, sie können auch die Reise nicht bewältigen, ohne altersgerecht versorgt zu werden. Die Tränken sind eigentlich überflüssig, da die Kälber noch einen anderen Trinkreflex haben, und ich erwähne jetzt auch nicht die Stehsärge, die Dunkelheit, denn oft ist der Weg zum Schlachten die einzige Möglichkeit, dass diese Kälber jemals Tageslicht sehen. Auch zahlreiche Krankheiten entstehen auf dieser Reise. Warum aber sollten wir beim Thema Tierschutz über diese grausamen Themen sprechen?

Auch die Lösung hinsichtlich Vollspaltenböden ist eher dürftig, da habe ich leider nicht den Eindruck, dass da etwas durchdacht wurde.

Tierschutz ist eine stetige Auseinandersetzung mit den Bedürfnissen, Empfindungen und Schicksalen der Hoftiere. Lösungen zu suchen, die einem einfach wieder ein paar Jahre Ruhe verschaffen, weil eh ein bisschen etwas passiert ist, ist zu wenig. Reden wir im Zusammenhang mit Tierschutz über die moralische Zurechnungsfähigkeit der Konsumentinnen und Konsumenten! Reden wir im Zusammenhang mit Massentier­haltung über die Profitgier dahinter und eine Auslegung des Tierschutzgesetzes, die all diese Verbrechen allein deswegen für richtig erachtet!

Fiaker – sehr geehrter Herr Bundesminister, Sie haben es einmal angesprochen – sind auch ein wichtiges Thema, und ich bin dankbar für diesen Antrag. Ich werde in Dis­kussionen oft darauf angesprochen, dass Pferde ja Steppentiere sind, dass die auch auf der Weide den ganzen Tag in der prallen Sonne stehen und total hitzeunempfindlich sind. Ich habe noch nie, nie, nie ein Pferd auf der Weide gesehen, das bei Hitze eine Kutsche mit fünf Personen ziehen muss. Nur einmal nebenbei: Ein Pferd, das 500 Kilo schwer ist, muss bei schwerer Arbeit jeden Tag 50 bis 80 Liter trinken. Ich habe nicht den Eindruck, dass das bei den Standplätzen optimal gewährleistet ist.

Final kann man sagen: Ja, es ist ein Tierschutzpaket, auch wenn sich gerade die zahl­reichen engagierten Tierschützerinnen und Tierschützer in Österreich zu Recht mehr gewünscht hätten und auch ich von etwas, das als Meilenstein im Tierschutz bezeichnet wurde, deutlich mehr erwartet hätte. – Danke. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

14.05


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wie vereinbart verlege ich die Abstimmung über Tagesordnungspunkt 11 an den Schluss der Verhandlungen über die Tagesordnungspunkte 12 bis 14 und fahre in der Erledigung der Tagesordnung fort.


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14.05.1812. Punkt

Antrag der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 und das COVID-19-Maßnahmengesetz geändert werden (2652/A)

13. Punkt

Antrag der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gesundheitstelematik­ge­setz 2012 geändert wird (2659/A)

14. Punkt

Antrag der Abgeordneten August Wöginger, Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das COVID-19-Impfpflichtgesetz, die COVID-19-Impfpflichtverordnung und die Verordnung betreffend die vorüber­gehende Nichtanwendung des COVID-19-Impfpflichtgesetzes und der COVID-19-Impfpflichtverordnung aufgehoben werden und das Epidemiegesetz 1950 geän­dert wird (2676/A)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen nun zu den Punkten 12 bis 14 der Tages­ordnung, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Hinsichtlich dieser Anträge wurde dem Gesundheitsausschuss jeweils eine Frist zur Berichterstattung bis 6. Juli 2022 gesetzt.

Es liegt kein Wunsch auf eine mündliche Berichterstattung im Sinne des § 44 Abs. 4 der Geschäftsordnung vor.

Zu Wort gelangt nun Philip Kucher. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.06.31

Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ): Herr Präsident! Ich habe mit Kollegin Bayr noch ein bisschen diskutiert, und zu den bisherigen Reden der ÖVP sind uns fast nur noch Kinderlieder eingefallen. Wir waren jetzt gerade bei Pippi Langstrumpf: „Ich mach’ mir die Welt / Widdewidde wie sie mir gefällt“. – Das war, glaube ich, so in Summe der Sukkus der Reden der ÖVP zum Tierschutzgesetz. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Das ist schon eine Mischung aus ein bisschen Realitätsverdrängung und ein bisschen Marie-Antoinette gewesen, was wir da gehört haben. Die ÖVP stellt sich hin und sagt moralisierend: Die Lebensmittel sind in Österreich viel zu billig, die Menschen sollten viel, viel mehr für die Lebensmittel ausgeben! – Da könnte man natürlich als Politik auch einen Beitrag leisten. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Wenn die Kollegen vom Bauernbund sich jetzt groß beschweren, dann könnten sie auch einmal einen intensiven Diskurs mit den Kollegen vom Wirtschaftsbund führen – Gabriel Obernosterer verkörpert ja beides – und durchaus auch schauen, dass man dafür sorgt, dass die Menschen auch ein bisschen Geld im Brieftaschl haben.

In einer schwierigen Situation, in der sich ganz, ganz viele Menschen das Leben gar nicht mehr leisten können (Ruf bei der ÖVP: Was ist dein Vorschlag?), könnte man auch die Bevölkerung unterstützen und dafür sorgen, dass sie sich gute Lebensmittel leisten kann, und so auch etwas zum Tierwohl beitragen. (Beifall bei der SPÖ.)

Das hat schon ein bisschen etwas mit einer eingeschränkten Wahrnehmung der Realität zu tun. (Zwischenruf des Abg. Schmuckenschlager.)


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Ähnlich ist es leider auch beim Themenbereich Impfen und Coronamanagement. Ich sage es euch ganz ehrlich: Ich habe gar keine Lust mehr, da hinüberzuschimpfen und zu diskutieren, was in Österreich im Bereich Krisenmanagement alles falsch läuft. (Zwi­schenruf des Abg. Wurm.) Ich möchte das gar nicht ansprechen. Ich glaube, dass die Menschen in Österreich doch andere Sorgen haben. Die Leute sind verzweifelt, sie wissen nicht mehr, wie sie die Gasrechnung bezahlen sollen (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch), sie wissen nicht, wie es wirtschaftlich weitergeht. Die Menschen haben andere Sorgen und würden sich erwarten, dass dieser Regierungspfusch irgendwann einmal ein Ende nimmt, dass das, was seit zwei Jahren dilettantisch abgearbeitet wird (Abg. Belakowitsch: Zweieinhalb sind es schon!), dass dieses Herumdilettieren und Herumpfuschen irgendwann einmal zu Ende geht (Zwischenruf des Abg. Wurm) und zumindest das Coronakrisenmanagement so läuft, dass man sagt, da ist eine Strategie erkennbar, nicht ein Zickzackkurs. (Abg. Belakowitsch: So wie in Wien!)

In diesem Sinne ist es, glaube ich, wichtig, dass man diesen Regierungspfusch auch im Zusammenhang mit der Impfpflicht heute beendet. Das war sozusagen ein Meisterstück der türkis-grünen Regierungszusammenarbeit (Abg. Belakowitsch: Ihr wart dabei!), man hat es geschafft, ganz deutlich zu sagen: Österreich ist in einer Situation, in der nur noch das funktioniert! (Zwischenrufe der Abgeordneten Wurm und Hauser.)

Die Freiheitlichen waren ja in der Partnerschaft ganz vorne mit dabei, ihr seid ja neben Sebastian Kurz die Hauptschuldigen, dass wir in Österreich in diesem Bereich so schlecht unterwegs sind! (Abg. Wurm: Mea culpa! Mea culpa, Philip!) Das eine war die Bundesregierung, die wahrscheinlich im Zusammenhang mit dem Coronakrisen­mana­gement einen Weltrekord an Inkompetenz aufgestellt hat (Abg. Belakowitsch: Ja, ja! Machen wir es wie in Wien! Lassen wir ...! – neuerlicher Zwischenruf des Abg. Wurm), aber da ist die Opposition in Form der Freiheitlichen partnerschaftlich ganz vorne mit dabei gewesen. (Zwischenruf des Abg. Hauser.) – Herr Ivermectin, Sie waren da in Tirol ganz vorne mit dabei! (Heiterkeit des Abg. Wurm.) Da brauchen wir nicht lange zu diskutieren, das weißt du ganz genau, denn diese Debatte hat uns nicht weitergebracht. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Abg. Fürst.)

Es ist wichtig, dass wir in der Politik jetzt diesen Schlussstrich ziehen, dass wir sagen, dieser Regierungspfusch muss jetzt enden. Jetzt wären wir so weit, dass wir fragen, wie es denn im Krisenmanagement weitergehen soll, damit wir über die Teuerung reden können. Praktischerweise ist der Bundesminister für beides zuständig, und von beiden Seiten kommt nicht viel (Abg. Belakowitsch: SPÖ ...! Wenn man mitgestimmt hat ...!); deswegen ist es wichtig, dass wir jetzt zumindest das Krisenmanagement im Bereich von Corona professionalisieren.

Wir werden einen Plan für den Herbst brauchen. Was nicht geht, möchte ich hier in dieser Runde sagen: Als Bundesminister für Gesundheit einen Plan vorzulegen und zu sagen, wir planen mehrere Varianten, entweder wird es schlimm oder es wird super oder irgend­etwas dazwischen, das ist kein Plan, das ist bestenfalls würfeln und hoffen, dass irgendetwas rauskommt. Krisenmanagement und Maßnahmenplanung auf Basis unterschiedlicher Szenarien sehen natürlich anders aus. Wir erleben leider, dass es noch immer keinen Plan gibt. (Abg. Belakowitsch: Also was jetzt? Impfpflicht ab­schaffen oder nicht abschaffen?) – Frau Kollegin Belakowitsch, ich weiß gar nicht, warum Sie jetzt so aufgeregt sind, Sie können sich ja durchaus vielleicht irgendwann einmal sachlich einbringen. Es wäre doch schön gewesen, wenn die FPÖ außer Pferde­wurmmitteln oder irgendeinem Plan B (Ruf bei der FPÖ: Geh hör doch auf mit dem Blödsinn!), der nicht funktioniert, auch irgendwann einmal aktiv mitgearbeitet hätte. (Bei­fall bei der SPÖ. – Abg. Belakowitsch: Falsches Thema! Mein Gott! Du warst dabei, dein Problem!)


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Als SPÖ haben wir das immer getan, wir haben gesagt: Wenn es sinnvolle Maßnahmen gibt, dann sind wir mit dabei (Zwischenruf des Abg. Schallmeiner), und wenn es einen Pfusch gibt, dann sind wir nicht mit dabei. Das ist der klare Weg. (Abg. Belakowitsch: Also war es jetzt ein Pfusch oder war es nicht falsch? War es ein Pfusch oder war es sinnvoll?) Die Freiheitlichen waren gleich im Zickzack unterwegs wie die ÖVP, da hat die ehemalige Koalition zwischen ÖVP und FPÖ schon Nachwirkungen hinterlassen – Hartinger-Klein lässt grüßen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Belakowitsch: Das war jetzt schwach, Philip!)

14.10


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Ralph Schallmeiner. – Bitte schön. (Abg. Belakowitsch: Können Sie es uns sagen? War es ein Pfusch oder war es sinn­voll? – Abg. Wurm: Philip, das war sehr ...! – Abg. Belakowitsch: Der Philip hat es nicht beantworten können! – Abg. Wöginger: Der Kakao war stark heute in der Früh! Starker Kakao!)


14.11.07

Abgeordneter Ralph Schallmeiner (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minis­ter! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren zu Hause vor den Bildschirmen und hier im Haus auf der Galerie! Vizekanzler Kogler pflegte immer zu sagen, dass er all jene beglückwünscht, die es immer schon gewusst haben, ins­besondere jene, die im Vorhinein schon so gescheit waren, dass sie alles ganz genau gewusst haben. (Abg. Belakowitsch: Was ist mit ihm? Warum reden Sie im Imperfekt?) So kommt mir das auch gerade ein bisschen vor.

Aber niemand kann ja im Vorhinein zu 100 Prozent genau sagen, wie sich die Pandemie im Detail entwickeln wird. Die Expertinnen und Experten können uns immer nur Pfade aufzeigen, wohin sich etwas wahrscheinlich entwickeln wird. (Abg. Belakowitsch: Lasst die Leute einfach in Ruhe!) Entsprechend müssen wir auch mit Annahmen arbeiten, entsprechend braucht es Szenarien, die verschiedene Rahmenbedingungen durchdekli­nieren. (Abg. Belakowitsch: Nehmt einfach an, es ist vorbei!)

Das Gesundheitsministerium arbeitet am sogenannten Virusvariantenmanagementplan, übrigens einem Plan, bei dem alle neun Bundesländer, auch die sozialdemokratisch geführten Bundesländer, natürlich eingebunden sind und sich auch dementsprechend mit ihrer Expertise einbringen. Um das klarzustellen: Da ist natürlich dann auch die Kooperation mit den Kommunen drinnen, da sind natürlich auch die Expertinnen und Experten drinnen. Es ist eben die Erfahrung aus den letzten zweieinhalb Jahren, die dort Eingang findet. Damit haben wir profunde, durchdachte Szenarien, die eben dann dementsprechend zum Einsatz kommen, wenn es auch notwendig ist. Ich glaube, lieber Kollege Kucher, es ist nicht so schwer, dass man das, was uns in den nächsten Wochen und Monaten erwartet und wie der Plan ist, dann auch sieht; noch dazu, wenn Wien, Kärnten und Burgenland hier ja sehr aktiv, sehr proaktiv auch mitgearbeitet haben. (Abg. Kucher: Wo ist der Plan?)

Das Ziel ist ein besserer gesamtgesellschaftlicher Umgang mit Covid und den Belas­tungen durch die Pandemie. Nie wieder darf unser Gesundheitswesen so derart hart an den Rand der Belastung und des Kippens kommen wie im Oktober und im November 2021. Ich glaube, darin sind wir uns auch alle miteinander einig. (Abg. Belakowitsch: War weniger als im Oktober 2020! Die Leute haben schon noch ein Hirn zum Nach­denken!)

Gleichzeitig muss sichergestellt werden, dass die Maßnahmen so gewählt werden, dass die Menschen in diesem Land diese auch gut mitnehmen und mitgehen können. Daher


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ha­ben wir ja beispielsweise auch vor Kurzem die Vorgangsweise der Verkehrs­beschrän­kungen für einen Teil der Betroffenen gefunden, anstatt weiterhin auf strikte Abson­de­rungen zu setzen. Auch wenn die Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ das immer ein bisschen anders zu framen versuchen, ist das aber beispielsweise ein gelinderes Mittel in der Pandemiebekämpfung. (Abg. Belakowitsch: Aber keine Gesunden!)

Dafür braucht es aber auch noch kleinere Anpassungen, und deshalb bringe ich hierzu folgenden Antrag ein, den ich verlese:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen zum Antrag der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 und das COVID-19-Maßnahmengesetz geändert werden (2652/A) (TOP 12)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs genannte Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

„1. In Artikel 1 erhält die Novellierungsanordnung die Ziffernbezeichnung „2.“; folgende Z 1 wird vorangestellt:

„1. In § 3b wird die Wortfolge „Bis zum Vorliegen des Testergebnisses der Nachtestung ist“ durch die Wort- und Zeichenfolge „Sofern eine Absonderung gemäß §§ 7 oder 17 vorgesehen ist, ist bis zum Vorliegen des Testergebnisses der Nachtestung“ ersetzt.“

2. Dem Artikel 1 werden folgende Z 3 bis 5 angefügt:

„3. In § 7 Abs. 1 wird nach dem Wort „Absonderungsmaßnahmen“ die Wortfolge „oder Verkehrsbeschränkungen“ eingefügt.

4. Nach § 49 Abs. 1 wird folgender Abs. 1a eingefügt:

„(1a) Abweichend von § 33 ist der Anspruch auf Vergütung des Verdienstentganges gemäß § 32 Abs. 1a binnen drei Monaten vom Tag, an dem eine Maßnahme gemäß § 7 oder § 17 aufgehoben worden wäre oder eine Verkehrsbeschränkung gemäß § 7b geendet hat, bei der Bezirksverwaltungsbehörde, in deren Sprengel sich der Wohnsitz (Sitz) des Antragstellers befindet, geltend zu machen.“

5. Dem § 50 wird folgender Abs. 33 angefügt:

„(33) § 3b, § 4 Abs. 5, § 7 Abs. 1 und § 49 Abs. 1a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XX/2022 treten mit dem der Kundmachung folgenden Tag in Kraft; § 3b, § 4 Abs. 5 und § 49 Abs. 1a treten mit Ablauf des 30. Juni 2023 außer Kraft.““

3. In Artikel 2 erhält die Novellierungsanordnung die Ziffernbezeichnung „1.“; folgende Z 2 wird angefügt:

„2. Dem § 13 wird folgender Abs. 19 angefügt:

„(19) § 5 Abs. 6 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XX/2022 tritt mit dem der Kundmachung folgenden Tag in Kraft.““

*****

Es geht hierbei, wie schon erwähnt, um technische Adaptierungen und Erläuterungen, insbesondere was beispielsweise diese neu eingeführten Absonderungen anbelangt. – Das ist einmal das eine.


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Das andere ist: Wir werden heute auch, wie bereits angekündigt, die Impfpflicht wieder abschaffen. Die Ausgangslage zum Zeitpunkt, als der Grundsatzbeschluss, diese umzu­setzen, getroffen wurde, war eine andere. Es war der Eindruck der Deltawelle, es war das Wissen, welchen Wert eine hohe Impfungsrate damals gehabt hätte, was wir uns alle erspart hätten, wenn deutlich mehr Menschen geimpft gewesen wären. Daher wurde die Impfpflicht damals mit breiter Unterstützung hier im Haus verhandelt und be­schlossen. Ich möchte mich hierbei nochmals und ausdrücklich bei allen Parteien, die wochenlang ernsthaft und mit dem Wissen, dass es sich hierbei um eine definitiv heikle Materie handelt, miteinander verhandelt haben, bedanken. (Beifall bei Abgeordneten von Grünen und ÖVP sowie des Abg. Bernhard.)

Es war für uns alle eine schwere Entscheidung und es war für uns alle ein Hüpfen über den eigenen Schatten. Entsprechend war es auch kein fauler Kompromiss, sondern ein sehr flexibles Gesetz, das eine beständige Verhältnismäßigkeitsprüfung vorsieht. Die dafür eingesetzte Kommission, bestehend aus zwei Juristinnen und Juristen und zwei Medizinerinnen und Medizinern, hat uns gute Dienste erwiesen, hat die Situation regelmäßig evaluiert. Der VfGH gesteht übrigens diesem Konstrukt indirekt auch eine gute und vor allem verfassungsgemäße Funktion zu, indem er erst vor Kurzem die Konformität des Gesetzes bestätigte, nicht zuletzt auch aufgrund der Empfehlungen der Kommission und dem Folgen dieser Empfehlungen.

Demgegenüber steht eine nunmehr andere Situation als damals im November 2021. Omikron belastet deutlich weniger das Gesundheitswesen bei deutlich höheren Infek­tionszahlen. Was aber auch deutlich stärker belastet wurde und immer noch wird, ist unsere Gesellschaft. Minister Rauch hat davon gesprochen, Gräben zuzuschütten – dem schließe ich mich an. Die aufgerissenen Gräben zu all jenen, die durch Halb- und Unwahrheiten von Verschwörungserzählern in eine Ecke gedrängt wurden, müssen wir zuschütten.

Das bedeutet aber nicht, dass wir über alles, was passiert ist, hinwegsehen können. Das bedeutet auch nicht, dass wir achselzuckend die Drohungen gegen impfende Ärztinnen und Ärzte hinnehmen werden. (Beifall bei Grünen und ÖVP.) Das bedeutet auch nicht, dass wir darüber hinwegsehen können, wenn Menschen im Gesundheitswesen oder auch anderswo bedroht wurden oder bedroht werden, weil sie sich für die Impfung ausgesprochen haben. (Abg. Wurm: Ihr seid resistent gegen ...!) Dazu gehört auch, dass wir das Spiel mit dem Feuer, das bewusste Behaupten von Verschwö­rungserzäh­lungen, so wie es auch Politikerinnen und Politiker hier im Haus immer wieder machen, nicht einfach hinnehmen können und werden. Und nein, Kollege Hauser, das Verbreiten von verschwörungstheoretischen Behauptungen eines – laut Wikipedia – Verbreiters „von Desinformation wie falscher Behauptungen und Fake News, Verschwörungs­ideo­logien sowie russischer Regierungspropaganda“ in Form einer parlamentarischen An­frage ist kein Kavaliersdelikt (Beifall bei Abgeordneten von Grünen und ÖVP), sondern ist ein aktiver Beitrag, die Gesellschaft zu spalten, durch Sie und die Mitunterzeich­nerinnen und Mitunterzeichner Ihrer Anfrage von gestern.

Heute jedenfalls werden wir die Impfpflicht wieder aussetzen (Abg. Wurm: Ah! Ah! Ein Freudʼscher Versprecher!), nicht nur aussetzen, sondern sie wieder abschaffen. Wir werden sie heute abschaffen. Wir haben immer gesagt, dass wir sie nur so lange haben werden, wie wir sie auch brauchen. (Abg. Wurm: Peinlich! Äußerst peinlich!) So wie bei allen anderen Maßnahmen immer so viel wie notwendig, so wenig wie möglich als Motto hochgehalten wurde, so halten wir auch das hier gemachte Versprechen. Wer den Expertinnen und Experten in den letzten Wochen zugehört hat, weiß auch, dass dieser Entschluss von ganz vielen dieser Expertinnen und Experten in der Zwischenzeit mit­getragen wird, wie auch der Entschluss damals, die Impfpflicht einzuführen, von diesen


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mitgetragen wurde. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.19

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner,

Kolleginnen und Kollegen

zum Antrag der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 und das COVID-19-Maßnahmengesetz geändert werden (2652/A) (TOP 12)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs genannte Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

„1. In Artikel 1 erhält die Novellierungsanordnung die Ziffernbezeichnung „2.“; folgende Z 1 wird vorangestellt:

„1. In § 3b wird die Wortfolge „Bis zum Vorliegen des Testergebnisses der Nachtestung ist“ durch die Wort- und Zeichenfolge „Sofern eine Absonderung gemäß §§ 7 oder 17 vorgesehen ist, ist bis zum Vorliegen des Testergebnisses der Nachtestung“ ersetzt.“

2. Dem Artikel 1 werden folgende Z 3 bis 5 angefügt:

„3. In § 7 Abs. 1 wird nach dem Wort „Absonderungsmaßnahmen“ die Wortfolge „oder Verkehrsbeschränkungen“ eingefügt.

4. Nach § 49 Abs. 1 wird folgender Abs. 1a eingefügt:

„(1a) Abweichend von § 33 ist der Anspruch auf Vergütung des Verdienstentganges gemäß § 32 Abs. 1a binnen drei Monaten vom Tag, an dem eine Maßnahme gemäß § 7 oder § 17 aufgehoben worden wäre oder eine Verkehrsbeschränkung gemäß § 7b geendet hat, bei der Bezirksverwaltungsbehörde, in deren Sprengel sich der Wohnsitz (Sitz) des Antragstellers befindet, geltend zu machen.“

5. Dem § 50 wird folgender Abs. 33 angefügt:

„(33) § 3b, § 4 Abs. 5, § 7 Abs. 1 und § 49 Abs. 1a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XX/2022 treten mit dem der Kundmachung folgenden Tag in Kraft; § 3b, § 4 Abs. 5 und § 49 Abs. 1a treten mit Ablauf des 30. Juni 2023 außer Kraft.““

3. In Artikel 2 erhält die Novellierungsanordnung die Ziffernbezeichnung „1.“; folgende Z 2 wird angefügt:

„2. Dem § 13 wird folgender Abs. 19 angefügt:

„(19) § 5 Abs. 6 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XX/2022 tritt mit dem der Kundmachung folgenden Tag in Kraft.“““

Begründung

Zu Artikel 1 (Epidemiegesetz 1950 – EpiG):

Zu Z 1 (§ 3b):

Vor dem Hintergrund der im Nationalrat beschlossenen (s 1503 der Beilagen XXVII. GP) Verordnungsermächtigung in § 7b des Epidemiegesetzes 1950 (Festlegung von


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Verkehrsbeschränkungen für kranke, krankheitsverdächtige oder ansteckungsver­däch­tige Personen durch Verordnung) ist auch § 3b dahingehend anzupassen, dass bei Vorliegen eines positiven Testergebnisses nach durchgeführtem SARS-CoV-2-Antigen­tests zur Eigenanwendung eine selbstüberwachte Heimquarantäne nur dann anzutreten ist, wenn Absonderungsmaßnahmen nach §§ 7 oder 17 EpiG vorgesehen sind.

Zu Z 2 (§ 7 Abs. 1):

Es handelt sich um eine Klarstellung, insbesondere im Zusammenhang mit dem neuen § 7b EpiG.

Zu Z 2 (§ 49 Abs. 1a):

Die Sonderregelung des Verdienstentganges aufgrund einer Infektion mit SARS-CoV-2 in § 32 Abs. 1a EpiG macht es erforderlich, die Fristenberechnung anzupassen und die behördliche Zuständigkeit klarzustellen, weil der Anknüpfungspunkt für den Anspruch in § 32 Abs. 1a EpiG im Nachweis einer befugten Stelle über ein positives Ergebnis eines molekularbiologischen Tests auf SARS-CoV-2 besteht. Daran hat sich auch die Fristen­berechnung zu orientieren, wobei die Frist – parallel zum Fall behördlicher Maßnahmen – ab jenem Tag zu laufen beginnen soll, an dem eine behördliche Maßnahme gemäß § 7 oder § 17 aufgehoben worden wäre. Eine Klarstellung der Zuständigkeit ist insbe­sondere im Hinblick auf § 7b erforderlich.

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Abänderungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht somit auch mit in Verhandlung.

Mag. Gerhard Kaniak gelangt nun zu Wort. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Wurm: Das war kein Zeichen von Größe! – Abg. Schallmeiner: Was? – Abg. Wurm: Deine Rede!)


14.19.19

Abgeordneter Mag. Gerhard Kaniak (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bun­desminister! Es ist tatsächlich endlich so weit, das unsägliche Impfpflichtgesetz wird mit dem heutigen Tag wieder das Zeitliche segnen und von diesem Hohen Haus ausgesetzt beziehungsweise abgesetzt werden. Das ist gut so. Da ist den Zehntausenden De­monstranten, die sich in den vergangenen Monaten auf der Straße dafür eingesetzt haben, dass dieses Unrechtsgesetz abgeschafft wird, zu danken. Und auch die Frei­heitliche Partei hat ihren Teil dazu beigetragen. (Beifall bei der FPÖ.)

Warum erlaube ich mir, dieses Gesetz unsäglich zu nennen? – Weil es ein absolut unverhältnismäßiger Eingriff in die Grund- und Freiheitsrechte der Menschen war, weil es nüchtern betrachtet absolut das Gegenteil von dem erreicht hat, was die Regie­rungs­parteien behauptet haben, damit erreichen zu wollen; denn es hat nicht dazu geführt, dass die Menschen sich vermehrt gegen Covid-19 haben impfen lassen, und es hat darüber hinaus noch dazu geführt, dass die Menschen auch andere sinnvolle Impfungen nicht mehr in Anspruch genommen haben. Das, Herr Bundesminister Rauch, Herr Klub­obmann Wöginger, ist es, was Sie mit diesem Gesetz angestellt haben. Wenn Kollege Schallmeiner hier heraußen steht und davon redet, dass Unwahrheiten verbreitet wer­den (Zwischenruf des Abg. Schallmeiner), polarisiert und emotionalisiert wird, dann muss man sagen: Das, was Sie mit dem Impfpflichtgesetz angestellt haben, ist ein viel, viel größerer Schaden, den Sie als Regierungsparteien angerichtet haben, als all das, was die freiheitlichen Abgeordneten jemals zustande gebracht hätten. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Matznetter: ... zustande!)


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Nun gut, das Impfpflichtgesetz ist in Kürze Geschichte. Wir beschließen heute – Sie beschließen heute – auch weiter gehende Maßnahmen im COVID-19-Maßnahmen­ge­setz zur Implementierung der von Ihnen gewünschten Verkehrsbeschränkungen. Da Kollege Schallmeiner das ja schon als gelinderes Mittel tituliert hat, möchte ich das hier noch einmal infrage stellen. Ich habe das im Ausschuss bei der Änderung des Epide­miegesetzes ja bereits getan, aber ich möchte das noch etwas im Detail erläutern.

Warum sind wir gegen diese Verkehrsbeschränkungen? – Nun, Verkehrsbeschrän­kungen können im Einzelfall, so wie sie in der Vergangenheit angewendet worden sind, tatsächlich ein gelinderes Mittel zu einer vollständigen Absonderung sein. Das, was hier vorliegt, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist aber quasi eine Generalbe­voll­mächtigung, ein weiteres Ermächtigungsgesetz für den Gesundheitsminister, flächen­deckend und für alle Österreicher, oder, so wie es ihm beliebt, nach eigenem Ermessen für einzelne Gruppen Verkehrsbeschränkungen zu erlassen, die so weitreichend sein können, dass auch andere grundrechtliche Freiheiten, wie zum Beispiel das Recht auf Teilnahme an Demonstrationen, davon betroffen sein können. Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, werden wir Freiheitliche niemals tolerieren. (Beifall bei der FPÖ.)

Auch was die Vorbereitung für den Herbst anbelangt, muss ich Kollegen Kucher recht geben. Das Aufzeichnen von ein paar Szenarien ist kein Plan. Das, was fehlt, sind die konkreten Maßnahmen, die gesetzt werden müssen. Da müssen wir ganz von vorne anfangen. Es ist erschütternd, dass der Großteil unserer Forderungen, die wir im Plan B bereits im Sommer 2020 aufgestellt haben, noch immer nicht umgesetzt ist – und dabei wären das genau die Punkte, die wir nun für den Herbst bräuchten.

Wir haben noch immer keine solide Datenbasis, Herr Bundesminister. Es gibt zum Beispiel keine einzige Auswertung in Ihren offiziellen Unterlagen, die Sie auch dem Gesundheitsausschuss zugespielt haben, in der die Infektionswellen nach den verschie­denen Virussubtypen aufgelistet sind, die Gefährlichkeit tatsächlich individuell für die einzelnen Virustypen analysiert wird, woraus dann die richtigen Schlüsse gezogen wer­den. Es gibt keine Analyse der getroffenen Maßnahmen, was tatsächlich effektiv war und was mehr geschadet als geholfen hat. Es gibt alles nur in einer Aufsummierung und einer rückblickenden Betrachtung, die Kraut und Rüben zusammenwirft und nicht diffe­renziert. Dabei hat sich ja seit Omikron – und das sagen alle Experten, die sich in der Materie auskennen – maßgeblich alles geändert, weil sich zeigt, dass die Maßnahmen zum Schutz vor Übertragung und Ansteckung praktisch wirkungslos sind, dass gleich­zeitig aber die Häufigkeit des Auftretens überschaubar und die Schwere der Erkrankung so mild ist, dass wir, was die Erkrankungsschwere und auch das Sterblichkeitsrisiko betrifft, mittlerweile unter dem Niveau einer saisonalen Grippe liegen.

In dieser Situation noch immer so zu tun, als ob wir vor einer tödlichen Krankheit stehen würden, die 10 Prozent der Menschen dahinraffen würde, so wie das Ex-Kanzler Kurz am Beginn der Pandemie behauptet hat, ist nicht nur fahrlässig, sondern verant­wor­tungslos. Es entspricht auch nicht der Realität, und das ist genau der Grund, sehr geehrter Herr Bundesminister, warum mittlerweile nur mehr so wenige Menschen die­sem Regierungskurs folgen. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn Sie sich tatsächlich auf den Herbst vorbereiten wollen, dann sollten wir leichte Subtypen wie Omikron B1, B4, B5, wie sie momentan zirkulieren, gar nicht mehr vom Epidemiegesetz erfassen, sondern aufpassen und wachsam sein, ob vielleicht in Zukunft eine neue schwere Variante kommt, die vielleicht dann auch wieder Maßnahmen rechtfertigen würde – aber nur Maßnahmen, die sich wirklich als evidenzbasiert wirksam erwiesen haben. (Abg. Belakowitsch: Also keine!) Das ist momentan sehr schwierig zu sagen, da gebe ich Ihnen recht, ja. Und jene Dinge, die notwendig sind, um das Gesund­heitssystem in Österreich auf eine neue schwere Erkrankungswelle vorzubereiten, ge­hö­ren eben auch einmal umgesetzt: die Stärkung der Gesundheitsbehörden, die Stärkung des


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niedergelassenen Bereichs zur frühzeitigen Versorgung mit Hausvisiten und Ähnlichem, der frühzeitige Einsatz von Arzneimitteln. Sie haben heute in der Fragestunde am Beginn der Plenarsitzung übrigens selbst zugegeben, dass der Einsatz der in Österreich bereits seit Monaten vorhandenen Covid-Therapeutika mitnichten funktioniert. Viele der Arznei­mittel sind gar nicht in Verteilung. In Oberösterreich wird im niedergelassenen Bereich genau eines der eingelagerten Präparate verteilt, das eigentlich gar nicht am besten geeignet ist, weil es relativ viele Wechselwirkungen hat; andere, die besser geeignet wären, werden gar nicht eingesetzt.

Nun macht der Bürgermeister in Wien heute eine Pressekonferenz, in der er bei einer Belegungsquote mit Covid-Patienten von 2,7 Prozent auf der Normalstation in den Spitälern neue Verschärfungen ankündigt. Dort spielen sich nach seinen eigenen Wor­ten die Dramen ab – bei 2,7 Prozent Belegung durch Covid-Patienten, ohne die heraus­zurechnen, die auf der Normalstation behandelt werden und einen Covid-Zufallsbefund haben! Da frage ich mich: Was läuft in diesem Land falsch, warum schaffen wir es nicht, dass es da vernünftige Regelungen vonseiten des Ministeriums gibt, dass positiv Getestete frühzeitig die vorhandenen Medikamente bekommen, mit denen sie nach wenigen Tagen wieder vollkommen virenfrei wären, keine Absonderung notwendig wäre, sie wieder am Arbeitsprozess teilnehmen könnten und das Risiko von schweren Erkrankungen und Todesfolgen de facto ausgeschlossen ist? Sie kennen vermutlich die Datenlage dieser Medikamente. Warum werden die nicht eingesetzt? Warum redet man stattdessen davon, die Leute wieder einzusperren, sie von ihrem Arbeitsplatz oder vielleicht zumindest vom Sozialleben fernzuhalten, sie wieder Test- und Impfzwängen zu unterwerfen? Das ist ein Irrweg, Herr Bundesminister!

Sehen Sie sich nochmals unsere Vorschläge an, diskutieren Sie das noch einmal mit uns, bereiten wir uns tatsächlich auf die Möglichkeit einer schweren Infektionswelle vor, die aber sicherlich nicht von Omikron ausgehen wird, sondern wenn, dann von etwas anderem. Dafür aber brauchen wir die Maßnahmen, die jetzt getroffen werden, und das, was Sie jetzt wieder ankündigen, auf keinen Fall. (Beifall bei der FPÖ.)

14.26


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Dr. Josef Smolle. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Gabriela Schwarz: Gott sei Dank!)


14.26.46

Abgeordneter Dr. Josef Smolle (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundes­minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Heute geht es darum, das Impfpflichtgesetz außer Kraft zu setzen. Wenn man sich das anschaut, dann zahlt es sich aus, die Vergangenheit kurz Revue passieren zu lassen: Die Coronapandemie hat bei uns deutlich drei Phasen hinter sich gebracht, und da kommt man so ungefähr auch mit den Jahren hin.

Jahr 2020: Ein neues Virus hat eine immunologisch völlig naive – das heißt unge­schützte – Bevölkerung getroffen; und entsprechend hat das Virus zugeschlagen, nicht nur bei uns, sondern weltweit. Es sind damals nachweislich 2 Prozent der nachgewiesen infizierten Personen verstorben. Als noch weniger getestet worden ist, war dieser Pro­zentsatz noch höher, und es war wirklich eine dramatische Situation. Es hat praktisch keine spezifischen medizinischen Maßnahmen dagegen gegeben. Das heißt, man musste sich allein auf sogenannte nichtpharmakologische Interventionen beschränken; damit meint man eben Maßnahmen von Abstand halten bis hin zum Lockdown – Maß­nahmen, die wirklich sehr intensiv in unser wirtschaftliches und soziales Leben einge­griffen haben. Das war im Wesentlichen die Entwicklung 2020, und da ist es gelungen, doch sehr viel Schlimmes zu verhindern, aber mit großer Anstrengung und mit großen Einschränkungen.


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Im Jahr 2021 sind dann die Impfungen verfügbar geworden, und man hat dann sehr schnell gesehen, dass diese Impfungen sehr gut vor schweren Verläufen und vor Todesfolge schützen, und sie haben zu Beginn und über viele Monate hin auch vor der Infektion geschützt und das Infektionsgeschehen insgesamt massiv bremsen können. (Zwischenruf des Abg. Wurm.) Das ist über die Mitte des Jahres 2021 hinaus so gewesen. Es sind die Alphavariante zu Beginn des Jahres und die Deltavariante dann mehr in der zweiten Jahreshälfte dazugekommen. Die Deltavariante war wiederum deut­lich gefährlicher als der vorherige Wildtyp; und man hat gesehen, dass die Infektion sich nicht wirklich einbremsen lässt – nicht zuletzt weil die Impfquote nicht so hoch war, wie man es gebraucht hätte. Das war der Anlass, dass man sich Gedanken über ein Impf­pflichtgesetz gemacht hat, wobei man aber auch schon berücksichtigt hat, dass man von einem gegenwärtigen Wissensstand und einem Verlauf der Pandemie nicht vorhersagen kann, wie das ein halbes oder ein Jahr später ausschauen wird.

Das war der Grund, warum dieses Impfpflichtgesetz als Rahmengesetz geschrieben worden ist, wobei das konkrete Wirksamwerden jeweils von der aktuellen Situation abhängig war, zu beurteilen und dann per Verordnung zu regeln war.

Im heurigen Jahr – dritte Phase – ist Omikron gekommen: massiv infektiös, weitaus mildere Verläufe, viel weniger Belastung der Spitäler, einerseits weil dieser Typ per se etwas weniger schlimme Erkrankungen macht, ganz besonders aber, weil wir mittler­weile durch Impfung und Genesung eine breite Grundimmunität in der Bevölkerung haben. Dadurch ist die Situation eine andere. Zusätzlich sind jetzt auch Medikamente verfügbar, die bei Ausbruch der Erkrankung tatsächlich auch verwendet werden können. Auch diese sind in der Lage, die Gefährlichkeit der Erkrankung weiter einzudämmen. Die Situation ist also eine andere geworden, und genau deshalb können wir das Impfpflichtgesetz heute außer Kraft setzen.

Ich finde, das ist richtig. Weil vorhin von einer Zickzackpolitik gesprochen worden ist: Das ist es nicht. Es ist eine andere Politik. Sie mag nicht populär sein. Sie ist sicher nicht populistisch. Es ist eine Politik, die sich an der Wissenschaft und deren Erkenntnissen orientiert, die verantwortungsbewusst mit gesundheitlichen Herausforderungen umgeht, die die aktuelle Situation bewertet und dementsprechend handelt; und genau deshalb haben wir heute diesen Beschluss auf der Tagesordnung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte allen hier danken, die in zum Teil sehr lebhaftem Diskurs über diese ganzen zweieinhalb Jahre mit uns gemeinsam um vernünftige Wege gerungen haben, die auch bereit sind, zu erkennen, wenn sich Situationen ändern, so wie das da der Fall ist, und mit uns gemeinsam den Weg in die Zukunft gehen.

Die Situation ist eine andere geworden; hundertprozentig voraussagen, wie es die nächsten Monate kommt, kann derzeit niemand. Ich bin auf der Seite des vorsichtigen Optimismus: Es wird nie mehr ein völlig neues Covid-19-Virus eine völlig unvorbereitete Bevölkerung treffen. Deshalb wird es sicher nicht mehr so schlimm werden, wie es einmal war. Wir müssen wachsam sein. Danke an den Herrn Minister, dass ent­sprechende Szenarien vorbereitet werden. Ich bin froh, dass wir die Impfung haben. Es ist klar, dass sie mittlerweile weltweit an die 15 bis 20 Millionen Todesfälle verhindert hat, sie wird weiterhin eine wesentliche Stütze sein. – Ich sage herzlich Danke, ich wün­sche alles Gute! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

14.32


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächste Rednerin ist Gabriele Heinisch-Hosek. – Bitte, Frau Abgeordnete.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 159

14.32.57

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Die Aussage, dass Politik die letzten zweieinhalb Jahre populistische Politik war, kann ich vollinhaltlich teilen. Ich glaube, ein Blick in die Vergangenheit, der sich aus meiner, aus unserer Sicht ein bisschen differenzierter darstellt als jener, den Kollege Smolle gerade gezeichnet hat, lohnt sich (Zwischenruf des Abg. Schallmeiner), denn man muss, wenn man ganz ehrlich ist, angesichts dieses kollektiven Vergessens, das die Pandemiepolitik betreffend bei den Regierungsparteien schon länger angebrochen ist, die Erinnerung wieder auffrischen und die Dinge in Erinnerung rufen. (Abg. Schallmeiner: Ja, das große Vergessen ist bei euch ...!)

Es war von Beginn an – Sie erinnern sich alle, und ich sage diese Worte absichtlich – „billige Selbstdarstellung“, besonders des damaligen Bundeskanzlers Sebastian Kurz (Beifall bei der SPÖ), der sich immer nur zwei- bis dreimal die Woche in Presse­kon­ferenzen über Zurufe aus der Wissenschaft hinweggesetzt hat, auch über die Expertise aus den Ministerien hinweggesetzt hat. Es ist alles in den Kabinetten irgendwie gestrickt und gebastelt worden, und so haben die Gesetzentwürfe dann auch ausgesehen. Es war ein absolutes Kommunikationsdesaster und es war wirklich von Verwirrung und Widerspruch getragen. (Zwischenruf des Abg. Taschner.) Was braucht man aber in einer Krise? – In einer Krise braucht man Vertrauen sowie Glaubwürdigkeit, und beides haben wir vermisst! (Beifall bei der SPÖ.)

Was ist, abgesehen vom dilettantischen Handwerk, übrig geblieben? – Eine gespaltene Gesellschaft, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, eine gespaltene Gesellschaft mit Langzeitfolgen, die wir noch nicht absehen können – auch das sagt die Wissenschaft. Herr Bundesminister, es ist jemand von der Med-Uni Innsbruck gewesen, der sich gemeinsam mit Kollegen und Kolleginnen sehr viele Gedanken macht und gemacht hat, was die psychoneuroimmunologischen Langzeitfolgen dieser Krise sein werden. Risiko­kommunikation der Regierung, die kurzfristig Angst schürt und die Leute vielleicht ein bisschen dazu bringt, folgsamer zu sein, hat langfristige Auswirkungen aufs Immun­sys­tem, hat Wechselwirkungen im Bereich der Psyche, des Immunsystems und schwerer chronischer Erkrankungen, die noch folgen können.

Genau das ist passiert. Es waren so viele Flops da: Die App war ein Flop, die Ampel war ein Flop, die Infokampagne war ein Flop, und auch die Impflotterie, die dann, als man das Impfpflichtgesetz beschlossen hatte, als Anreizsystem nie stattgefunden hat, war ein Flop, weil sie nicht durchsetzbar war.

Die Auswirkungen von all dem können wir noch nicht absehen: was das für die junge Generation, was das für die Kinder bedeutet, die in den nächsten zehn, 20, 30 Jahren mit diesen Langzeitfolgen zu leben haben werden; abgesehen davon, dass wir noch nicht wissen, mit welchen Auswirkungen die Pandemie sich noch weiter ausbreitet, und abgesehen davon, dass die Impfquote auch in anderen, sehr wichtigen Bereichen sehr gesunken ist, nämlich bei Masern, bei Mumps, bei Röteln: minus 68 Prozent Impfquote. Auch daran wird zu arbeiten sein, dass wir, abgesehen von der psychischen Gesundheit, auch in diesen Bereichen die Gesundheit unserer nächsten Generationen sicherstellen. (Beifall bei der SPÖ. – Bravoruf des Abg. Kucher.)

14.36


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist nun Fiona Fiedler. – Bitte, Frau Abgeordnete.


14.36.38

Abgeordnete Fiona Fiedler, BEd (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher zu Hause! (Die


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Begrüßung auch in Gebärdensprache ausführend:) Liebe gehörlose Menschen! Ge­sund­heitstelematik ist ein sehr sperriges Wort, in der Praxis aber bedeutet dieses Gesetz für viele Patienten große Erleichterungen; denn es war der eine Vorteil der Pandemie, dass gewisse Digitalisierungsschritte zum Vorteil der Patienten gesetzt wurden – zwar eher konfus und deshalb nicht als ordentliche Gesetze, aber immerhin.

Jetzt sehen wir den Worst Case dessen, was Ihre ewigen Ausnahmeverlängerungen bewirken: Zwei Jahre lang haben Patienten ihre Rezepte ohne Arztbesuch bekommen können, und besonders chronisch kranke Patienten haben davon enorm profitiert, weil man nicht mehr dauernd für das immer gleiche Rezept zum Arzt laufen muss. Auch Apotheken haben mit der Lieferung von rezeptpflichtigen Medikamenten begonnen. Wir haben den E-Impfpass wegen der Pandemie früher als vorgesehen umgesetzt und könnten diesen auch effizient für ein Gesundheitsmonitoring einsetzen. Wir sehen also: Es hat viele Reformen in diesem Gesetz gegeben, und viele davon waren positiv. Sie waren nicht abgestimmt und wurden deshalb immer wieder verlängert, zwischenzeitlich aber haben die Patienten davon profitiert.

Schon vor Monaten haben wir gesagt, dass E-Medikation und E-Rezept endlich abge­stimmt werden müssen. Erwartet hätten wir von dieser Regierung eine weitere Verlän­gerung dieser kontaktlosen Rezepte, aber genau in diesem Bereich – in dem einen Bereich, in dem Patienten profitieren – schränken Sie die Handhabung massiv ein.

Im Krankenhausbereich aber bleibt die Pandemie voll bestehen. Dort muss der Ver­sorgungsauftrag noch ein ganzes Jahr nicht erfüllt werden. Merken Sie eigentlich, was Sie mit Ihrer Politik für die Bevölkerung anrichten? Sie denken nicht an die Menschen oder das, was Sie mit Ihren Gesetzen für die Bevölkerung im Gesundheitssystem machen und machen könnten.

Sehr geehrter Herr Minister, sehr geehrte Regierungsparteien, so dürfen Sie mit Patien­ten nicht umgehen! – (Den Dank auch in Gebärdensprache ausführend:) Danke. (Beifall bei den NEOS.)

14.38


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer Stellungnahme zu Wort gemeldet ist nun Herr Bundesminister Johannes Rauch. – Bitte, Herr Minister.


14.38.53

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Herr Präsident! Geschätzte Abgeordnete! Der nicht ganz einfache Versuch einer Zusammenfassung, wo wir nach zweieinhalb Jahren Pandemie stehen: Es ist von Abgeordnetem Smolle dargestellt worden, wie sich die Situation zu Beginn entwickelt hat – völlig andere Voraussetzungen, anderer Typ, niemand hat Bescheid gewusst, es gab keine wissenschaftliche Evidenz. Es mussten damals auch – und das ist überall passiert – Entscheidungen auf Basis einer sehr dürftigen Erkenntnislage getroffen wer­den.

Diese hat sich dann sukzessive verbessert, in manchen Bereichen jedoch bis heute nicht. Ich darf Sie daran erinnern, dass wir im Bereich Long Covid nach wie vor eine äußerst dürftige Informations- und Datenlage haben. Da wird noch viel Forschungsarbeit notwendig sein, um eine Einordnung vornehmen zu können.

Ich darf Sie daran erinnern, dass sich im Bereich Long Covid die Einschätzungen, wie viele Menschen davon betroffen sind, zwischen 3 Prozent – das sind die niedrigsten Schätzungen – und, in einer Studie in Großbritannien, etwa 40 Prozent – was unwahr­scheinlich ist – bewegen. Jedenfalls dürfte der Anteil aktuell bei 10 Prozent liegen, und das sind bitte nicht vernachlässigbare Zahlen, weil davon eine Vielzahl von Menschen auch in unserem Land betroffen sind.


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Es wurden dann Maßnahmen gesetzt. Es ist der Krisenmodus in der einen oder anderen Form angewendet worden, mit einschneidenden Maßnahmen – mit Lockdowns, mit Ausgangsbeschränkungen und Ähnlichem mehr –, und zu Beginn einer Hochphase und damals mit einem anderen Typ der Pandemie ist dann die Impfpflicht eingeführt worden, in der Absicht, damit einen besseren Schutz der Gesamtbevölkerung zustande zu bekommen – wie gesagt, unter völlig anderen Voraussetzungen.

Das hat sich jetzt massiv geändert, dies ist dargelegt worden, und wir haben uns entlang der Empfehlung der Impfpflichtkommission auch daran gehalten, was möglich ist – und ich sage es jetzt noch einmal: Eine Impfpflicht kann nicht einfach aus der hohlen Hand heraus umgesetzt werden. Sie muss verhältnismäßig sein (Abg. Belakowitsch: Das war sie aber nicht!) und sie muss durch die Verfassung abgedeckt sein. Das war sie nicht, zwei Mal nicht, und die Empfehlung der Impfpflichtkommission hat das dann auch so bestätigt und dargelegt. Alles andere wäre ein Verfassungsbruch gewesen und hätte zu Schwierigkeiten vor dem Verfassungsgerichtshof geführt.

So, nun sind wir zur Entscheidung gekommen, etwas, das nicht funktioniert, in der Form jetzt nicht verhältnismäßig ist, gänzlich abzuschaffen und darauf zu setzen, dass sich die Menschen freiwillig auffrischen lassen – und dabei bleibe ich. Ich weiß, es gibt auch andere Einschätzungen hier im Haus, aber die Impfung ist ein Instrument, das uns hilft, schwere Verläufe zu bekämpfen, und ich ersuche dringend, da nicht eine andere Pro­paganda zu betreiben, weil Sie damit Menschen verunsichern, nämlich auch in Bezug auf Impfungen – sie sind von Frau Abgeordneter Heinisch-Hosek angesprochen wor­den –, die wir auch ganz dringend brauchen. Wir brauchen die Zustimmung zur Impfung und die Bereitschaft, sich impfen zu lassen, auch gegen andere Krankheiten wie Masern, Mumps und Röteln, und es kann nicht sein, dass die Impfung, die eine Errungenschaft der Wissenschaft ist, die uns über Jahrzehnte geholfen hat, so zu leben, wie wir heute leben, in Misskredit gebracht wird und per se verteufelt wird. Das ist wissenschaftlich unzulässig, gesellschaftspolitisch gefährlich und gesundheitspolitisch unverantwortlich. (Beifall bei Abgeordneten von Grünen und ÖVP sowie der Abg. Meinl-Reisinger.)

Wie gehen wir weiter vor? – Kollege Kucher, ich kann schon verstehen, man kann sich auch über Variantenpläne lustig machen, aber hätten wir es so gemacht, dass wir uns auf eine einzige Virusvariante festgelegt hätten, das wäre Würfeln gewesen und das wäre eine Vorwegnahme einer Entscheidung gewesen, weil Sie eben nicht wissen, was wir im Herbst zu gewärtigen haben.

Es ist nur seriös – und entlang der Wissenschaft auch so empfohlen –, sich zu über­legen: Was kann denn da sein? Das machen alle europäischen Staaten so – wir auch! (Zwischenruf des Abg. Kucher.) Wir auch (Beifall des Abg. Jakob Schwarz), und wir haben jede Virusvariante mit Maßnahmen hinterlegt, mit einem Instrumentenkoffer hin­terlegt – das liegt vor.

Wir tun seit Wochen nichts anderes als das von Ihnen Eingeforderte, nämlich zu evalu­ieren: Was hat funktioniert, was hat nicht funktioniert?, zu vergleichen: Was hat in europäischen Ländern funktioniert, was hat nicht funktioniert?, und darauf hinzu­schau­en, wie wir in der jetzigen Phase der Pandemie zwei Dinge tun können, nämlich die Vulnerablen schützen – das ist nach wie vor unsere Aufgabe – und gleichzeitig Wirt­schaften, Leben, gesellschaftliches Leben breitestmöglich sicherstellen.

Ich sage Ihnen eines: Es wird auch darum gehen, bestimmte Maßnahmen überhaupt nicht mehr Platz greifen zu lassen. Ich persönlich halte Schulschließungen für ein voll­kommen untaugliches Mittel, eine Pandemie zu bekämpfen, weil damit Kollateral­schä­den angerichtet werden, die ihresgleichen suchen. Die sind untauglich, das hat sich gezeigt! Da sind auch bei Kindern und Jugendlichen Bildungsdefizite generiert worden,


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die nicht mehr aufgeholt werden können, jedenfalls nicht von Kindern, deren Eltern nicht die finanziellen Möglichkeiten haben, sich Nachhilfe am privaten Markt zu organisieren.

Das heißt im Klartext: Schulschließungen vermeiden!, es heißt aber auch, wenn es dann notwendig sein wird, möglicherweise wieder Maskenpflicht zu verordnen, wenn halt die Infektionszahlen ansteigen, wie Sie sehen. Diese Balance zu halten und zu wahren, das heißt, ein Leben mit Covid zu ermöglichen, bei Vorsicht auf der einen Seite und einer ausgewogenen Gestaltung des Lebens auf der anderen Seite, das ist die Kunst.

Ich weiß schon, es hätten viele gern eine genaue Planbarkeit, einen Fahrplan, einen Raster: wann, bei welchen Zahlen, macht man wo was. – Das geht sich nicht aus, weil erstens die Verteilung regional unterschiedlich ist und sich auch die Verläufe ändern. Wir sind ja auch jetzt mit der Situation konfrontiert, dass die nächste Welle, von der alle gesagt haben, sie kommt im Herbst, jetzt früher da ist. Da haben sich einfach die Pro­gnosen und die Realitäten geändert. Das Virus hält sich also nicht an Pläne, das ist so. (Zwischenruf des Abg. Kucher.)

Mein Bemühen ist es jedenfalls, da in Ausgewogenheit beide Seiten zu berücksichtigen: Vorsicht auf der einen Seite und ein Leben mit Covid auf der anderen Seite. Das ist der Weg, den auch andere europäische Staaten zu gehen versuchen; weltweit nennt sich das dann Living with Covid. Das werden wir lernen müssen, das heißt aber auch – ich bin ja viel gescholten worden für das Wort Eigenverantwortung, das werde ich so vielleicht nicht mehr in den Mund nehmen –, natürlich wird es darauf ankommen, auch die Menschen mitzunehmen und klarzumachen: Man kann nicht alles staatlich verord­nen, nicht in der Sekunde. – In diesem Spannungsfeld, glaube ich, werden wir uns be­wegen.

Es wird dazu jetzt der Variantenplan finalisiert und vorgelegt werden, auch von der Bundesregierung beschlossen werden, und ich bin der Auffassung, da befinden wir uns dann mittlerweile schon auf einem guten und vertretbaren Weg. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.46


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Mag. Gerald Hauser. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.46.14

Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (FPÖ): Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Kolleginnen und Kollegen! Ich bräuchte eine halbe Stunde, um die ganzen Absurditäten, die die Vorredner da aufgeführt haben, aufzuklären (Abg. Kucher: Wo ist denn das Taferl? – Abg. Leichtfried: Wo ist denn das Taferl?), ich habe aber nur 4 Minuten. (Abg. Leichtfried: Wir wollen ein Taferl sehen!)

Herr Minister – ich beginne der Reihe nach –, Ihre Coronapolitik, die Coronapolitik der Regierung, der Systemparteien SPÖ und NEOS ist krachend gescheitert (Abg. Schallmeiner: Ah!), bitte, und das merkt die Bevölkerung draußen (Abg. Leichtfried: Wir wollen ein Taferl sehen!), dass wir als Freiheitliche Partei recht bekommen haben.

Herr Minister! Wenn Sie sagen, Sie sind gegen Schulschließungen: Wir, die Freiheitliche Partei, waren die einzige Partei, die sich immer gegen Schulschließungen ausge­sprochen hat (Abg. Gabriela Schwarz: Ist die Anfrage echt? Ist die Anfrage echt von dir?), und wir sind von euch als Schwurbler bezeichnet worden. (Ruf: Ja, richtig!) Die ganzen Kolla­teralschäden, die eure Politik verursacht hat, sind ja ein Desaster, bitte! Jetzt kommt ihr Gott sei Dank einmal drauf! (Beifall bei der FPÖ.)

Und zur historischen Wahrheit: Es ist ja eine Schande, dass sich Politiker hierherstellen und versuchen, sich – wie die SPÖ – aus der Verantwortung herauszudiskutieren! (Abg.


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Kucher: Unterste Schublade! – Abg. Leichtfried: Das ist nicht einmal mehr eine Schub­lade!) Es hat hier im Parlament eine einzige Partei gegeben, die geschlossen gegen die Impfpflicht nicht nur aufgetreten ist, sondern auch geschlossen dagegengestimmt hat, und das war die Freiheitliche Partei! (Beifall bei der FPÖ.)

Jetzt, Kollege Smolle, zu deiner geschichtlichen Wahrheit: Im November wurde in Tirol die Impfpflicht von den Landeshauptleuten mit der Regierung beschlossen, und weißt du, wieso? – Bleib bei der Wahrheit! Weil ihr damals euer Narrativ nicht aufrechterhalten habt, sondern die Geimpften in einen Lockdown geschickt habt, und als Kompensation habt ihr gesagt: Damit wir das nach außen verkaufen können, führen wir eine Impfpflicht ein. – So ist die geschichtliche Wahrheit. Bleibt endlich einmal bei der Wahrheit! (Beifall bei der FPÖ.)

Nun zu den ganzen Absurditäten, Herr Minister. (Der Redner stellt ein Plakat mit einer mehrspaltigen Tabelle auf das Rednerpult.) – Sie sind schon wieder am Handy. Besser wäre es, wenn Sie aufpassen würden. (Bundesminister Rauch: Das ist kein Handy, das ist ein Tablet! – Das ist kein Handy!) – Sie ignorieren die Fakten. Allein an die EMA sind zwischenzeitlich 25 480 Todesfälle (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPÖ) doku­men­tiert, bei einer Meldequote von 6 Prozent. – Da gibt es noch Stimmen, die lachen! Das ist ja unglaublich, bitte.

Nebenwirkungen: 1 907 201, bitte, bei 6 Prozent – das sind 30 Millionen Menschen, die unter dieser Impfung leiden! Herr Minister, Sie haben hier bis heute nicht aufklären kön­nen (der Redner faltet das Plakat und legt es neben dem Rednerpult ab), wieso Sie einen Impfstoff forcieren, dessen Wirksamkeit und Sicherheit gegenüber der EMA erst bis Juli 2024 dokumentiert werden müssen. Das sind bedingte Zulassungen! Ich spreche Sie heute wieder an. (Abg. Leichtfried: Wieso ist das Taferl weg?) Wieso antworten Sie mir nicht, bitte? Antworten Sie mir dazu bitte einmal! (Abg. Leichtfried: Wir wollen das Taferl sehen! – Zwischenruf des Abg. Schallmeiner.)

Wir sind nicht müde geworden, darauf hinzuweisen, bitte, dass die Impfungen weder vor Infektionen (Abg. Leichtfried: Das Taferl ist weg!) noch vor schweren Verläufen noch vor Todesfällen schützen. Ganz aktuell – schauen Sie sich das an! –, hier habe ich aus­gehoben: Neuseeland. (Der Redner stellt ein Plakat, auf dem unter der Überschrift „Neu­seeland: Kumulierte bestätigte COVID-19-Todesfälle“ eine Grafik zu sehen ist, auf das Rednerpult.) In Neuseeland war die Situation so (Abg. Leichtfried: Sie waren in Neuseeland? Das glaub ich Ihnen nicht!): Bis zum 1. März hat es in Neuseeland (Abg. Leichtfried: Sie waren sicher nicht in Neuseeland!) sage und schreibe Gott sei Dank nur 56 Todesfälle, Fälle von an Covid Verstorbenen gegeben. (Abg. Leichtfried: Wann waren Sie in Neuseeland?)

Dann ist die Impfquote erhöht worden. (Abg. Leichtfried: Sie waren in Neuseeland? Das glaube ich Ihnen nicht ...!) Es ist geboostert worden wie eine Rakete, bitte. Ja, die Impfung wirkt – leider Gottes in die falsche Richtung. Es gibt erste Nebenwirkungen und Todesfälle. (Widerspruch bei ÖVP und Grünen.) Schauen Sie sich das (auf die Tafel weisend) an!

Herr Minister, mit dieser Regierung haben Sie federführend – unter grüner Führung! – das Gesundheitssystem in Österreich zerstört. (Ruf bei den Grünen: Wer hat es zer­stört? – Heiterkeit bei den Grünen.) Sie haben nicht nur die Gesellschaft ruiniert, sondern Sie haben die Wirtschaft ruiniert, Sie haben Kollateralschäden verursacht, Sie sind mitverantwortlich dafür, dass sich die Menschen das Leben nicht mehr leisten können. (Der Redner stellt eine Tafel mit der Aufschrift: „Klinik-Chef Weiss: ‚Wir sind in der Bredouille, aber nicht wegen Covid‘“, „An der Klinik würden Patienten abgewiesen oder frühzeitig entlassen, weil der Platz fehle, klagt Klinik-Chef Weiss. Covid sei nicht die Ursache.“, auf das Rednerpult.) Sie sind mit Ihrer Politik auch verantwortlich dafür – und


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ich zitiere den Mainstream, heute waren bitte drei Artikel in der „Tiroler Tageszeitung“ (den Ausdruck eines Zeitungsartikels in die Höhe haltend) –: „Klinik-Chef Weiss: ‚Wir sind in der Bredouille, aber nicht wegen Covid‘“. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Wissen Sie, was Sie mit Ihren Impfungen angerichtet haben? – Nicht nur dem Gesund­heitssystem gehen die Ärzte und die Pfleger aus, weil sie erkrankt zu Hause liegen, et cetera, die Leute sind nicht mehr einsetzbar, sondern auch im Flugtourismus fehlen die Leute. Die wurden geimpft, bitte. In Schulen ist es ähnlich. (Abg. Maurer: Ma bitte, Herr Kollege! – Abg. Leichtfried: Sie waren sicher nicht in Neuseeland!) Und auch da: Das Gesundheitssystem bricht dank einer desaströsen grünen Politik zusammen. Genieren Sie sich, Herr Minister! (Beifall bei der FPÖ.) Genieren Sie sich, Herr Minister, und hören Sie endlich mit dieser faktenwidrigen Coronapolitik gegen die Bevölkerung auf! (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Maurer: Das tut so weh! – Abg. Leichtfried: Sie waren sicher nicht in Neuseeland! – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

14.51


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Dr. Werner Saxinger. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.51.44

Abgeordneter Dr. Werner Saxinger, MSc (ÖVP): Puh, tief durchatmen, Kollege Hauser! Ich habe da immer Angst, dass medizinisch etwas passiert. (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

Wenn ich diesen Ausführungen zuhöre, bin ich eigentlich immer sprachlos, und dann denke ich mir immer: Eigentlich haben wir zwei Ohren und einen Mund, und man sollte mehr zuhören und weniger reden! (Abg. Michael Hammer: Da braucht man ein Hirn auch dazu! – Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.) Das wäre oft ganz gut angebracht. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Belakowitsch: Seien Sie vorsichtig, ich habe Ihre Rede vom 20. Jänner da liegen, Herr Kollege!)

Gleich vorweg – ich werde schauen, dass ich das noch schaffe –: Die Impfung ist und bleibt das wichtigste Mittel in der Bekämpfung der Pandemie, da sind wir uns einig. Dennoch schaffen wir die Impfpflicht jetzt ab. Es gibt aber von unserer Seite ein großes Ja zur Impfung – ein ganz großes Ja –, denn die Impfung ist wichtig und auch richtig. (Zwischenruf bei der FPÖ.)

Bevor ich aber zu den Gründen für die Abschaffung des Impfpflichtgesetzes komme, möchte ich noch einen Abänderungsantrag zum Gesundheitstelematikgesetz einbrin­gen, mit dem wir die derzeitige Regelung bezüglich der Erleichterungen für Rezepte, Schlagwort Fernrezept, bis Ende des Jahres verlängern wollen – dies hauptsächlich deshalb, weil es Lieferengpässe für E-Card-Lesegeräte gibt.

Sehr geehrte Zuhörer, entschuldigen Sie meine stakkatoartige Sprache in den nächsten Sekunden, aber dieser Abänderungsantrag muss vorgelesen werden. Daher schalte ich in den Schnellsprachemodus um:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen zum Antrag der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gesundheitstelematikgesetz 2012 geändert wird (2659/A) (TOP 13)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs genannte Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:


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„1. Der Novellierungsanordnung Z 1 werden folgende Novellierungsanordnungen Z 2 und 3 angefügt:

„2. Dem § 26 wird folgender Abs. 13 angefügt:

„(13) § 22 Abs. 2 Z 4 sowie § 27 Abs. 18 und 19 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I. Nr. xxx/2022 treten rückwirkend mit 1. Juli 2022 in Kraft. § 27 Abs. 18 und 19 tritt mit Ablauf des 31. Dezember 2022 außer Kraft.“

3. Dem § 27 werden folgende Abs. 18 und 19 angefügt:

„(18) Die Überprüfung der eindeutigen Identität der betroffenen Personen (§ 4 Abs. 3, § 18 Abs. 4) darf von Apotheken sowie Ärzten und Ärztinnen in Impfstraßen anhand des Namens und der Sozialversicherungsnummer der betroffenen Person und gemäß § 19 Abs. 2 Z 1 erfolgen, sofern eine eindeutige Identifizierung gemäß § 18 Abs. 4 Z 1 und Z 5 mangels vorhandener technischer Infrastruktur im Hinblick auf den Stand der Technik und die Implementierungskosten nicht möglich oder nicht zumutbar ist. Das IT-Sicherheitskonzept gemäß § 8 hat die Überprüfung der eindeutigen Identität der betrof­fenen Personen technisch abzusichern.

(19) Die Übermittlung von Gesundheitsdaten und genetischen Daten darf im Rahmen der Verschreibung von Arzneimittel, die Suchtgift enthalten (Suchtgiftrezepte), bis zur flächendeckenden Einführung eines elektronischen Prozesses unter den Voraus­set­zungen des Abs. 10 ungeachtet des § 6 Abs. 1 Z 2 per E-Mail erfolgen. Die technischen und organisatorischen Datensicherheitsmaßnahmen gemäß Abs. 12 gelten für eine Übermittlung per E-Mail mit der Maßgabe, dass sie auf die Art und Eigenschaft dieser Übermittlungsform auszurichten sind.“ “ “

*****

So, jetzt gehe ich wieder in den normalen Modus. (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der Grünen. – Abg. Belakowitsch: Ich glaube, Sie sind froh, dass Sie haben lesen dürfen!)

Zurück zum Impfpflichtgesetz: Warum schaffen wir das ab? – Wie hat es Anfang 2022 ausgesehen, meine Damen und Herren, als wir die Impfpflicht eingeführt haben? Wir haben es heute schon oft gehört: Die Deltavariante war dominant (Abg. Belakowitsch: Falsch, leider falsch! Sie haben etwas anderes gesagt, da drinnen! Da reden Sie von der derzeitigen ...! Das ist peinlich! – Zwischenruf des Abg. Bösch) und die Spitäler waren am Rand der Überlastung. Was ist heute, lieber Kollege Wurm, liebe Kollegin Belakowitsch? – Wir haben die Omikronvarianten mit milderen Verläufen, und die Krankenhäuser und Intensivstationen sind trotz hoher Infektionszahlen weniger belastet. (Abg. Wurm: Werner, sag, du hast dich geirrt!) Wir haben also insgesamt eine etwas entspanntere Situation.

Was auch ganz wichtig ist – vielleicht treffen wir uns da –: Die Impfdebatte hat in unserer Gesellschaft große Gräben geschaffen (Rufe bei der FPÖ: Sie haben die Gräben geschaffen!), in Familien, an Arbeitsplätzen, unter Freunden. Auch das gilt es zu über­winden.

Was im Vergleich zum Jahresanfang noch anders ist, liebe Kolleginnen und Kollegen: Wir haben Medikamente, Frau Kollegin Belakowitsch. (Abg. Bösch: Verschwörungs­the­orien!) Wir haben viele Medikamente, eine breite Palette an Wirkstoffen. Die Fortschritte sind enorm. Die Medizin, die Wissenschaft, die Forschung haben da Großartiges geleistet – auch dafür einmal ein großes Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeord­neten der Grünen.)


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1 780 Medikamente wurden in klinischen Studien geprüft, 36 sind übrig geblieben, die zugelassen sind – teilweise zur Gänze. Ein Medikament ersetzt aber keine Impfung, aber es ist ein zweites Sicherheitsnetz.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Impfpflicht wird abgeschafft. Was wir aber auch nicht vergessen sollten, was ganz wichtig ist, ist die sogenannte Eigenverantwortung. Die kann man lernen, dafür ist es nie zu spät. Händewaschen, in Innenräumen mit vielen Personen Masken tragen und die Impfung: Das wäre ganz, ganz wichtig. (Abg. Belakowitsch: Glauben Sie, werden Sie auch noch gescheiter?)

Abschließend möchte ich Kollegen Hauser noch fragen: Es gibt eine Anfrage von der FPÖ, in der drinnen steht, dass die Pandemie von den Eliten herbeigeredet wird. (Abg. Hauser: Ja, tun Sie einmal antworten!) Da möchte ich gerne eine Stellungnahme, ob das wirklich ernst gemeint ist. (Ruf bei der FPÖ: Ja, das ist ernst gemeint!) – Ich danke für die Ausführungen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

14.56

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner

zum Antrag der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gesundheitstelematikgesetz 2012 geändert wird (2659/A) (TOP 13)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs genannte Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

„1. Der Novellierungsanordnung Z 1 werden folgende Novellierungsanordnungen Z 2 und 3 angefügt:

„2. Dem § 26 wird folgender Abs. 13 angefügt:

„(13) § 22 Abs. 2 Z 4 sowie § 27 Abs. 18 und 19 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I. Nr. xxx/2022 treten rückwirkend mit 1. Juli 2022 in Kraft. § 27 Abs. 18 und 19 tritt mit Ablauf des 31. Dezember 2022 außer Kraft.“

3. Dem § 27 werden folgende Abs. 18 und 19 angefügt:

„(18) Die Überprüfung der eindeutigen Identität der betroffenen Personen (§ 4 Abs. 3, § 18 Abs. 4) darf von Apotheken sowie Ärzten und Ärztinnen in Impfstraßen anhand des Namens und der Sozialversicherungsnummer der betroffenen Person und gemäß § 19 Abs. 2 Z 1 erfolgen, sofern eine eindeutige Identifizierung gemäß § 18 Abs. 4 Z 1 und Z 5 mangels vorhandener technischer Infrastruktur im Hinblick auf den Stand der Technik und die Implementierungskosten nicht möglich oder nicht zumutbar ist. Das IT-Sicher­heitskonzept gemäß § 8 hat die Überprüfung der eindeutigen Identität der betroffenen Personen technisch abzusichern.

(19) Die Übermittlung von Gesundheitsdaten und genetischen Daten darf im Rahmen der Verschreibung von Arzneimittel, die Suchtgift enthalten (Suchtgiftrezepte), bis zur flächendeckenden Einführung eines elektronischen Prozesses unter den Voraus­setzungen des Abs. 10 ungeachtet des § 6 Abs. 1 Z 2 per E-Mail erfolgen. Die tech­nischen und organisatorischen Datensicherheitsmaßnahmen gemäß Abs. 12 gelten für eine Übermittlung per E-Mail mit der Maßgabe, dass sie auf die Art und Eigenschaft dieser Übermittlungsform auszurichten sind.“ “ “


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Begründung

Durch die vorgeschlagenen Bestimmungen soll einerseits eine möglichst patient:innen-freundliche Übergangslösung bis zur vollständigen Umstellung auf einen (ausschließ­lich) elektronischen Prozess im Bereich der Verschreibung suchtgifthaltiger Arzneimittel ermöglicht werden, andererseits soll die pandemiebedingte Möglichkeit zur eindeutigen Identifizierung von betroffenen Personen unter bestimmten – engen – Voraussetzungen beibehalten werden. Die datenschutzrechtliche Zulässigkeit der vorgeschlagenen Be­stimmungen (Ausgestaltung von Datensicherheitsmaßnahmen im Rahmen der Verar­beitung von Gesundheitsdaten und genetischen Daten) stützt sich auf die Öffnungs­klausel des Art. 9 Abs. 4 DSGVO (vgl. Pfandlsteiner/Gabauer/Trieb, Rechtskonforme elektronische Übermittlung von Gesundheitsdaten und genetischen Daten. Zum Anwen­dungsbereich des GTelG 2012, RdM 2019/103, 171). Die Zuständigkeit des Bundes zur Erlassung des vorgeschlagenen Bundesgesetzes ergibt sich aus Art. 10 Abs. 1 Z 12 B-VG („Gesundheitswesen“).

Zu Z 2 (§ 26 Abs. 13):

Die Bestimmung regelt das In- und Außerkrafttreten.

Es wird davon ausgegangen, dass sowohl die flächendeckende Einführung eines elektronischen Prozesses im Bereich der Verschreibung suchtgifthaltiger Arzneimittel bis Jahresende abgeschlossen sein wird, als auch die eindeutige Identifizierung gemäß § 18 Abs. 4 GTelG 2012 technisch umgesetzt werden kann (insbesondere, weil die Lieferengpässe für die e-card-Lesegeräte bis dahin überwunden sein sollten und die Landessanitätsdirektionen den eImpfpass in ihre Systeme integriert haben), sodass die beiden vorgeschlagenen Bestimmungen bis 31. Dezember 2022 befristet werden sollen.

Zu Z 3 (§ 27 Abs. 18 und 19):

Bereits im März 2020 wurden im GTelG 2012 als eine der ersten Maßnahmen zur Vermeidung von Menschenmassen einige erleichterte Bestimmungen im Zusammen­hang mit der Bekämpfung von COVID-19 geschaffen (unter dem Schlagwort „Fern­rezept“ beispielsweise die erleichterte Identifikation via Name, Sozialversiche­rungsnum­mer und admin-card, die Übermittlung von Gesundheitsdaten per E-Mail etc). Nachdem diese Maßnahmen (§ 27 Abs. 12a, 12b, 14a bis 14c, 16 GTelG 2012) in den vergan­genen zwei Jahren mehrmals verlängert wurden, traten sie nun mit 30.06.2022 außer Kraft.

Für die eindeutige Identifizierung der betroffenen Personen via Patientenindex stehen – pandemieunabhängig – die in § 18 Abs. 4 genannten Möglichkeiten zur Verfügung, nämlich das Stecken der e-card (am praxisrelevantesten), die Identifizierung via Bürger­karte/ID-Austria (technisch nur im Rahmen des Zugangsportals gemäß § 23 umgesetzt), die Verarbeitung von Identitätsdaten einer gemäß § 4 Abs. 2 identifizierten Person (nur für bestimmte Krankenanstalten und Einrichtungen der Pflege zulässig), über elektro­ni­sche oder sonst eindeutig identifizierbare Verordnungen oder Zuweisungen sowie über die sogenannte „Tablet-Lösung“ im Rahmen des Elektronischen Impfpasses („eImpfpasses“).

Sowohl in Apotheken als auch auf Impfstraßen ist aufgrund des außer Kraft getretenen § 27 Abs. 14b die technische Infrastruktur auf eine eindeutige Identifizierung ohne Stecken der e-card ausgerichtet, zumal auch einige Länder den eImpfpass noch nicht in ihren System implementiert haben, weshalb das e-card System (auf Basis des § 27 Abs. 14b ohne Stecken der e-card) in den Impfstraßen als Überbrückung eingesetzt wird. Eine Umstellung der eindeutige Identifizierung auf Stecken der e-card (eindeutige Identifizierung gemäß § 18 Abs. 4 Z 1) ist derzeit technisch oftmals nicht möglich. Aufgrund einer Umstellung der e-card-Lesegeräte kommt es derzeit zu Lieferengpässen bei Komponenten des e-card-Systems, da es zum einen erforderlich ist, bereits


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vorhandene Geräte auszutauschen, zum anderen, dass Gesundheitsdiensteanbieter, die noch keine e-card-Lesegeräte verwendet haben, mit diesen ausgestattet werden. Das Zusammentreffen dieser beiden Komponenten führt zu Lieferengpässen bei Komponenten des e-card-Systems: Die alten e-card-Lesegeräte stehen nicht mehr und die neuen e-card-Lesegeräte noch nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung. Selbst dann, wenn alte e-card-Lesegeräte angeschafft werden könnten, können diese in drei Monaten nicht mehr als Hardware eingesetzt werden, sodass deren Ankauf für Impf­straßen aus Steuergeldern für diesen sehr kurzen Zeitraum gegenüber den Prüforganen nicht darstellbar wäre (vgl. dazu auch Art. 32 DSGVO, der auch auf die Implemen­tierungskosten Bezug nimmt).

Im Rahmen des eImpfpasses stünde zwar auch noch die Möglichkeit der Identifizierung via Tablet (§ 18 Abs. 4 Z 5) zur Verfügung, jedoch sind diese Tablets nicht darauf ausgerichtet, dass sie von vielen verschiedenen Ärzten und Ärztinnen genutzt werden, was aber insbesondere auf Impfstraßen der Fall ist. Die Tablets müssten für die Nutzung durch verschiedene Ärzte und Ärztinnen täglich neu aufgesetzt werden, was zu einer erheblichen Zeitverzögerung führen würde.

Aus diesen Gründen ist es erforderlich, den vormals für alle Gesundheitsdiensteanbieter im Zusammenhang mit der Bekämpfung von COVID-19 geltenden § 27 Abs. 14b nun eingeschränkt auf Apotheken und Impfstraßen zu verlängern. Die Inanspruchnahme dieser erleichternden Bedingung ist allerdings nur zulässig, sofern eine Identifizierung via Stecken der e-card oder Tablet aufgrund fehlender technischer Infrastruktur weder möglich (Fehlen von e-card-Lesegeräten), noch zumutbar (etwa Zurücksetzen der Tab­lets unter erheblichem Zeitverlust) wäre. Das bedeutet umgekehrt, dass Apotheken und Impfstraßen, in denen ausreichend funktionstüchtige e-card-Lesegeräte zur Verfügung stehen, in denen die Tablet-Lösung dennoch etabliert ist oder die eine Identifizierung gemäß § 18 Abs. 4 Z 5 auf anderer Weise sichergestellt haben, sich nicht auf diese Bestimmung berufen können. Die Inanspruchnahme dieser erleichterten Bedingung ist von den sich darauf berufenden Gesundheitsdiensteanbietern detailliert in ihrem IT-Sicherheitskonzept (§ 8) zu ergänzen (Abs. 18).

Die Suchtgiftverordnung (SV), BGBl. I Nr. 374/1997, idgF, sieht für die Verschreibung von suchtgifthaltigen Arzneimitteln besondere Formerfordernisse vor. Jede ärztliche Ver­schreibung unterliegt den besonderen Formvorschriften der §§ 18 bis 22 SV. So hat z. B. der:die Arzt:Ärztin gemäß § 18 Abs. 1 letzter Satz leg. cit. das Rezept durch Aufkleben der Suchtgiftvignette auf der Vorderseite des Rezepts als Suchtgiftverschreibung zu kennzeichnen. Im Zuge der flächendeckenden Einführung des eRezeptes durch den Dachverband der Sozialversicherungsträger wurde das Thema „Suchtgiftverschrei­bun­gen“ aufgrund der daran geknüpften besonderen formalen und prozesstechnischen Erfordernisse (Sucht- und Missbrauchspotenzial sowie diesbezügliche Sensibilisierung der beteiligten Kreise, Fälschungssicherheit/Missbrauchsvermeidung, Einbindung des amtsärztlichen Dienstes im Rahmen der Opioid-Substitutionsbehandlung etc.) und damit einhergehender Komplexität bislang ausgeklammert. Suchtgiftverschreibungen in der Schmerztherapie können jedoch via eRezept elektronisch erstellt und sodann ausge­druckt werden. Nach Aufbringen der Suchtgiftvignette und Unterfertigung durch den:die verschreibende:n Arzt:Ärztin kann das Rezept in der Folge in der Apotheke eingelöst werden. Voraussetzung dafür ist freilich, dass das solcherart ausgedruckte Rezept die durch § 19 SV postulierten besonderen Formalerfordernisse für Suchtgiftrezepte erfüllt. Um weiterhin eine möglichst patient:innen-freundliche Übergangslösung bis zur vollstän­digen Umstellung auf einen (ausschließlich) elektronischen Prozess sicherzustellen, soll durch den vorgeschlagenen Abs. 19, wie bereits während der letzten beiden Jahre auf­grund der COVID-19-Pandemie, eine Übermittlung durch den:die verschreibende Arzt:Ärztin an die Apotheke via E-Mail und Fax (Abs. 12) möglich sein. Damit kann sichergestellt werden, dass vor dem Hintergrund der COVID-19-Pandemie, jene meist


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schwerkranken und daher besonders vulnerablen Menschen, die suchtgifthaltige Arznei­mittel bedürfen, infolge somit vermeidbarer physischer Kontakte mit dem:der Arzt:Ärztin vor zusätzlichen Belastungen und Gefährdungen besser geschützt und keinen unnöti­gen Risiken ausgesetzt sind.

Im Rahmen der Opioid-Substitutionsbehandlung ermöglicht es § 8a Abs. 1c Sucht­mittel­gesetz (SMG), BGBl. I Nr. 112/1997, idgF, substituierenden Ärztinnen und Ärzten unter bestimmten Voraussetzungen auf die Substitutions-Dauerverschreibung den Vermerk „Vidierung nicht erforderlich“ anzubringen, was den Entfall der Vidierungspflicht durch die:den Amtsarzt:ärztin vor Abgabe des Medikaments in der Apotheke zur Folge hat.

Gemäß § 21 Abs. 2a SV ist diesfalls eine Ablichtung der Substitutions-Dauerver­schrei­bung gemäß § 8a Abs. 1c SMG von dem:der substituierenden Arzt:Ärztin unverzüglich, längstens jedoch innerhalb von drei Werktagen ab Ausstellung, dem:der nach dem Wohnsitz von dem:der Patient:in zuständigen Amtsarzt:ärztin zu übersenden. Diese Übersendung dient der nachgängigen Kontrolle und sollte möglichst zeitnah erfolgen. Da die Übermittlung dieser Substitutions-Dauerverschreibungen zur nachgängigen Kon­trolle durch den:die Amtsarzt:ärztin derzeit beinahe ausschließlich via E-Mail erfolgt, soll durch die vorgeschlagene Bestimmung diese Möglichkeit – bis zur vollständigen Imple­mentierung eines (ausschließlich) elektronischen Prozess – auch weiterhin möglich sein. Selbiges gilt für die Übermittlung von Substitutions-Einzelverschreibungen, wenn sucht­mittelrechtliche Vorschriften die Übermittlung durch die Apotheke an den:die Amts­arzt:ärztin vorsehen.

Der vorgeschlagene Abs. 19 ist u.a. für die geschaffene Ausnahmebestimmung des § 8a Abs. 1c SMG erforderlich, um eine rasche Übermittlung an die Apotheke bzw. den:die Amtsarzt:ärztin gewährleisten zu können. Eine Übermittlung per Fax wird mangels technischer Voraussetzungen nur von einer geringen Anzahl an Ärzten und Ärztinnen genutzt. Eine postalische Übermittlung ist aus administrativen und zeitlichen Gründen nicht praktikabel. Wie auch im Rahmen der Schmerztherapie ist es im Hinblick auf die ungewisse COVID-19-Lage im Herbst eine wichtige Maßnahme, nicht zwingend erforderliche Patient:innenkontakte zu vermeiden und Personen in Opioid-Substitutions­behandlung – als vulnerable Gruppe – weiterhin zu schützen. Überdies dient diese Maßnahme in jenen Fällen, in denen nicht von der Ausnahmebestimmung des § 8a Abs. 1c SMG Gebrauch gemacht werden kann und eine Substitutions-Dauerverschreibung daher dem:der Amtsarzt:ärztin zur Vidierung (in der Regel durch den:die Substitu­tions­patienten:Substitutionspatientin) physisch vorgelegt werden muss, dem Schutz der Amtsärzte:Amtsärztinnen („physical distancing“), zumal diese im Rahmen der Eindämmung von COVID-19 und den damit einhergehenden Aufgabenstellungen ohne­dies besonders gefordert und teils erheblichen Mehrbelastungen ausgesetzt sind.

Bei § 27 Abs. 19 handelt es sich sohin um eine Nachbildung des außer Kraft getretenen § 27 Abs. 12b. In den vergangenen beiden Jahren wurde oftmals kritisiert, dass die Übermittlung von Gesundheitsdaten und genetischen Daten per unverschlüsseltem E-Mail zulässig sei. Damit wurde verkannt, dass der Passus „ungeachtet des § 6“ die Gesundheitsdiensteanbieter nicht per se von der Verschlüsselungspflicht, sondern nur von der Verwendung einer Ende-zu-Ende-Verschlüsselung (denn diese ist in § 6 Abs. 1 Z 2 GTelG 2012 vorgesehen; arg: „vollständige Verschlüsselung“) entbindet. Die Vor­aussetzungen für eine Übermittlung von Gesundheitsdaten und genetischen Daten per E-Mail „ungeachtet des § 6 Abs. 1 Z 2“ sind aufgrund des vorgeschlagenen Abs. 19 insbesondere ein vorheriger persönlicher oder telefonischer Kontakt sowie die Ein­haltung der in § 27 Abs. 12 GTelG 2012 normierten technischen und organisato­rischen Datensicherheitsmaßnahmen für die Übermittlung per Fax mit der Maßgabe, dass diese auf eine E-Mail-Übermittlung auszurichten sind (z. B. Sicherung der E-Mail-Zugänge vor unbefugtem Gebrauch, Prüfung der Aktualität der E-Mail-Adresse, Nutzung der „vom


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Gerät“ unterstützten Sicherheitsmechanismen, also beispielsweise auch Nutzung einer Transportverschlüsselung).

Wie bereits der vorgeschlagene Abs. 18 erfährt der vorgeschlagene Abs. 19 entgegen seiner Vorgängerbestimmung (§ 27 Abs. 12b) eine enge Einschränkung. Das heißt, dass Gesundheitsdaten und genetische Daten, die nicht im Rahmen der Verschreibung von Arzneimittel, die Suchtgift enthalten, verarbeitet werden, von Gesundheitsdienste­anbie­tern nur unter den Voraussetzungen des § 6 übermittelt werden dürfen.

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Ich darf sagen, dass der Abänderungsantrag ordnungs­gemäß eingebracht ist und somit auch in Verhandlung steht.

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Verena Nussbaum. – Ich nehme an, Sie machen mit 3 Minuten eine Punktlandung. Bitte, Frau Abgeordnete.


14.57.09

Abgeordnete Mag. Verena Nussbaum (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Diese Regierung verliert mit ihrer Chaospolitik immer mehr an Zustimmung in der Bevölkerung, diese liegt derzeit nur mehr bei 30 Prozent. (Zwischenruf des Abg. Leichtfried.) Wir haben damit die unbeliebteste Regierung in der Zweiten Republik – und das überrascht mich auch in keinster Weise, denn auch hier im Hohen Haus werden wir mit diesen chaotischen Abläufen dauernd konfrontiert, indem die üblichen parlamentarischen Pro­zesse missachtet werden.

Dass wir seit der Coronapandemie Anträge und Abänderungen fast ausschließlich ganz kurz vor dem jeweiligen Ausschusstermin erhalten, wurde inzwischen schon zur Ge­wohnheit; Begutachtungen sind sowieso zum Fremdwort geworden. Dieses Mal gibt es aber noch eine Steigerung: Der Höhepunkt ist nämlich, dass diese Anträge jetzt nicht einmal mehr in einem Ausschuss diskutiert werden können, weil sich die Regierungs­parteien geweigert haben, einen Gesundheitsausschuss einzuberufen. (Ruf bei der FPÖ: Na so was!) Daher kann man nicht abschätzen, wie zum Beispiel Datensicherheit bezüglich der Änderungen beim Impfzertifikat gewährleistet ist, die künftig über einen Link im elektronischen Impfpass abrufbar sein sollen. Ebenso sind die Änderungen zum Gesundheitstelematikgesetz sehr kurzfristig gekommen. (Präsident Sobotka übernimmt den Vorsitz.)

Es bleiben viele offene Fragen übrig. So gibt es tatsächlich weiterhin offene Fragen bei der Pandemiebekämpfung, denn anhand dieser Tagesordnungspunkte sieht man wieder das völlige Versagen der Regierung, was die Pandemiebekämpfung betrifft. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Pandemie ist noch immer nicht zu Ende – und wie wir derzeit merken, macht die Pandemie auch keine Sommerpause. Man hat das Gefühl, dass die Regierung in der Planlosigkeit weiterstrudelt wie eh und je. Auch Sie, Herr Gesundheitsminister, haben sich leider in das herrschende Chaos der Regierungsmitglieder sehr gut eingegliedert und sich da nahtlos eingereiht, was die Pandemiebekämpfung betrifft.

Wir haben von der Abschaffung der Impfpflicht plötzlich erfahren, ohne irgendeine Begründung dazu zu bekommen, ohne etwas von Expertinnen und Experten zu hören, und wie in den vergangenen zwei Jahren gibt es absolut keinen Plan für den Herbst – auch nicht für die Schulen. Sie sagen, Sie sind auch dagegen, dass die Schulen geschlossen werden, aber ob das der Bildungsminister auch so sieht, das wissen wir nicht.


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Was ist mit der Maskenpflicht? Wird die Quarantäne abgeschafft? Wird eine vierte Impfung generell empfohlen? Wenn ja, für wen? – Es gibt so wie immer extrem viele offene Fragen, und es gibt keine Antworten. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

15.00


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich bedanke mich für die große Zeitdisziplin, so brauche ich Sie nicht zu unterbrechen.

Ich unterbreche aber die Verhandlungen zu den Punkten 12 bis 14 der Tagesordnung, und wir treten damit in die verlangte Behandlung einer Dringlichen Anfrage gemäß der Geschäftsordnung um 15 Uhr ein.

15.00.32Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend „ÖVP-Asyl-Propaganda statt Maßnahmen gegen Zuwanderungswahnsinn und Migrationskostenexplosion“ (11691/J)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen zur dringlichen Behandlung der schriftlichen Anfrage 11691/J.

Da diese inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch den Schriftführer.

Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

Zuwanderungswahnsinn – Fortgesetzter Asylmissbrauch

Die ÖVP hat der österreichischen Bevölkerung einen restriktiven Migrationskurs ver­sprochen. Bekommen haben die Bürger jedoch Rekordzuwanderungszahlen. Allein 2021 stiegen die Asylantragszahlen um mehr als 160 Prozent. Der Asylstatistik vom April 2022 des Bundesministeriums für Inneres ist zu entnehmen, dass in Österreich von 2015 – bis April 2022 über eine Viertelmillion Asylanträge gestellt wurden. Im ersten Jahres­drittel wurden 16.000 Ansuchen gestellt. Das ist mehr als jeweils in den Gesamtjahren 2018, 2019 und 2020. Im Vergleich zum Vorjahr beträgt das Plus 138 Prozent.

Einem Artikel der Zeitung „Heute“ vom 29.6.2022 waren die aktuellen Aufgriffszahlen zu entnehmen:

"Stark zunehmende Aufgriffszahlen vornehmlich in burgenländischen Bezirken werden derzeit vom Innenministerium registriert. Die wöchentlichen Höchstwerte aus dem Vor­jahr wurden mit 2.685 Aufgriffen in der zweiten Juniwoche bereits übertroffen, heißt es in einem internen Bericht der Asylabteilung, der "Heute" vorliegt. In dieser Woche wurden 2.178 neue Asylanträge gestellt. Laut Bericht herrscht reger Verkehr auf der Balkanroute: 106.295 Aufgriffe wurden heuer am Balkan schon gemeldet, ein Plus von 24 Prozent gegenüber 2021. 40.000 bis 45.000 Migranten würden sich in der Region noch aufhalten. Auch über das Mittelmeer seien bisher 21.860 Menschen (+31 Prozent) gekommen.“

Österreich ist Spitzenreiter bei Asylanträgen in der EU

Österreich ist unter der türkis-grünen Regierung zum Migrationsmagneten geworden. Bei einem Vergleich der Asylanträge der EU-Mitgliedstaaten 2021 steht Österreich auf Platz 4 nach Deutschland, Frankreich, Spanien und Italien. Bei der Pro-Kopf-Belastung im Vergleich mit den übrigen EU-Mitgliedstaaten liegt Österreich auf Platz 2 hinter Zypern. Die meisten illegalen Einwanderer kommen aus Afghanistan, Syrien, Tunesien, der Türkei und Pakistan. Sie reisen durch viele sichere Drittstaaten nach Österreich.

Versagen der ÖVP-Asyl-Propaganda


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Für die Österreicher hat diese Asyl-Propaganda-Politik der ÖVP weitreichende negative Folgen: Parallelgesellschaften, Import von Kriminalität und nicht zuletzt enorme Kosten für das Sozialsystem. Es gibt auch keine echte Kostenwahrheit. Wie hoch die Beträge sind, welche die österreichischen Steuerzahler für das Asylwesen mit all seinen Aus­wüchsen stemmen müssen, wird konsequent verschleiert. Die ÖVP präsentiert sich zwar gegenüber der Bevölkerung in der Asyl- und Fremdenpolitik gerne vollmundig als scharfer Hardliner, indem sie FPÖ-Vorschläge verbal übernimmt, aber nicht zur Um­setzung bringt. Gleichzeitig brechen Wellen illegaler Migrationsströme über Österreich und Europa herein, wobei die Rückführung illegaler Migranten nicht einmal ansatzweise funktioniert. Die ÖVP hat immer noch nicht verstanden, dass es nicht darum geht, illegale Migration besser zu verwalten, sondern sie zu verhindern!

Migrationskostenexplosion – Unser Steuergeld für unsere Bürger

Teuerung und Inflation treffen die österreichischen Bürger mit voller Härte. Die negativen Auswirkungen dieser Kostenlawine spüren die Österreicher tagtäglich: Treibstoff wird zum Luxusgut, Wohnen wird bald unleistbar, Nahrungsmittel werden immer teurer und eine dramatische Energiepreissituation stellt zahlreiche Menschen vor unüberwindbare finanzielle Hürden.

Eine rasche und effektive Unterstützung der Bürger gibt es von dieser Regierung nicht. Dafür ist aber genug Geld für die Versorgung und Betreuung von ungebetenen Aus­ländern vorhanden. Alleine die Bewältigung des Asylwesens – von der Unterbringung bis zur Abwicklung der Verfahren – verschlingt Unsummen. Die im Budgetkapitel „Fremdenwesen“ veranschlagten Mittel in Höhe von 347,4 Millionen Euro für 2022 werden nicht nur bei weitem nicht ausreichen, sie stellen zudem auch nur einen Aus­schnitt der Gesamtkosten für den Staat in diesem Zusammenhang dar. Schätzungs­weise zwei Milliarden Euro jährlich kostet die Österreicher das Asylwesen mit all seinen Verästelungen – das reicht von der Grundversorgung über Familienleistungen, Integra­tion, Sozialhilfe, Krankenversorgung, Arbeitsmarktpolitik, Bildung etc. Nicht zu verges­sen: Der juristische Zug durch sämtliche Instanzen, den Asylwerber ja gern antreten.

Das ist das Resultat der völlig fehlgeleiteten türkis-grünen Asylpolitik und bietet einen Vorgeschmack auf die sich nun immer deutlicher anbahnenden Entwicklungen. Denn ÖVP und Grüne machen Österreich wieder zu einer der ersten Adressen für die illegale Einwanderung.

Der „Kronen Zeitung" vom 05.06.2022 konnte ein Interview mit Asylrichter DDr. Friedrich Kinzlbauer entnommen werden:

„Die Situation hat sich verschlimmert! Letztes Jahr wurden in Österreich rund 40.000 Asylanträge gestellt, davon waren 5600 Mehrfachanträge. Mehrfachanträge sind Folgeanträge von Personen, deren Antrag abgelehnt wurde und die dann wieder einen Antrag stellen und wieder einen usw. Unsere Grenzen sind nicht dicht! Wären sie es, gäbe es keine illegalen Einreisen nach Österreich. Erdöl, Strom, Diesel, Rohstoffe, die Preise steigen für die Bevölkerung immens. Doch der größte Preistreiber ist die ungezügelte Migration, die nach wie vor in Österreich gegeben ist. Hier könnten große Einsparungen vorgenommen werden. Gerade im Migrations-bereich sind Milliarden drin­nen, würden sämtliche Ausgaben hiefür berücksichtigt (Alimentation, Verwaltung, Exe­kutive, Judikative, diverse Fördermittel usw.). (…) Es kommt noch viel mehr dazu: Naturalien, Bekleidungshilfen, Schulbeihilfen, Gesundheitskosten (größter Preistreiber), Schulungskosten, Freizeitaktivitäten wie z. B. Fitness-, Box-, Judoklub, Spielplätze etc. – das sind Wahnsinnssummen. Ein Beispiel für den Missbrauch im Gesundheitswesen ist auch darin zu sehen, dass ein Asylwerber, der gerade eineinhalb Monate in Österreich war, in dieser Zeit 30 Arztbriefe vorlegte; 6 von Krankenhäusern und 5 von verschiedenen Ärzten. Bei den 5 Ärzten handelt es sich durchwegs um anerkannte


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Fachärzte. Jetzt muss man als Bürger feststellen, dass es für einen selbst Monate dauert, bis er derartige Termine bekommt. Ein Asylwerber hat jedoch die Möglichkeit, dass er innerhalb eines Monates 30 medizinische Anlaufstellen hat.“

Endlich konsequent Einwanderung in den Sozialstaat Österreich verhindern!

Das Asylrecht für Fremde, die über etliche sichere Drittstaaten nach Österreich kommen, muss ausgesetzt werden. Gleichzeitig müssen die nationalen Grenzen für illegale Migranten dichtgemacht werden. Es braucht eine „Festung Europa“ – und solange es die nicht gibt, baut Österreich die „Festung Österreich“. Das müsste eigentlich die Botschaft von Innenminister Karner an die EU und an illegale Einwanderer und Schlep­per sein. Die ÖVP verrät wieder einmal die eigene Bevölkerung.

Das Ziel muss sein, die illegale Einwanderung zu stoppen, statt über die Verteilung von illegalen Einwanderern in der EU zu reden. Solidarisch sollte die Bundesregierung zuallererst mit der eigenen Bevölkerung sein – und das bedeutet für Österreich einen Asylstopp und einen echten Grenzschutz statt des bestehenden „Welcome-Service“ in unser Asylsystem, für das die Polizei und das Bundesheer von Bundesminister Karner missbraucht werden.

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten an den Bundes­minis­ter für Inneres folgende

Dringliche Anfrage

1. Ist Ihnen bekannt, dass laut Mitteilung ungarischer Exekutivbeamter an der unga­rischen Südgrenze zu Serbien zurzeit Ausnahmezustand herrscht?

2. Gibt es einen Plan, wie Österreich agieren wird, wenn es wieder wie 2015/2016 zu einem Massenansturm an Fremden kommen wird?

3. Wenn ja, wie sieht dieser im Detail aus?

4. Wie viele unrechtmäßig eingereiste bzw. aufhältige Fremde wurden bis 30. Juni 2022 in Österreich aufgegriffen?

5. Wie viele Asylanträge, aufgegliedert auf die Staatsangehörigkeit wurden heuer bis 30. Juni 2022 in Österreich gestellt?

6. Wie hoch ist bei den Asylanträgen bis 30. Juni 2022 die Zahl der Erstantragssteller?

7. Wie hoch lag die Zahl der Erstantragsteller in den Jahren 2018, 2019, 2020 und 2021?

8. Wie hoch lag die Zahl der Erstantragsteller in den Jahren 2015 und 2016?

9. Wird die Gesamtzahl der Erstantragsteller im Jahr 2022 nach den Einschätzungen der Experten des Innenministeriums die Zahl des Krisenjahres 2016 überschreiten?

10. Kann die Gesamtzahl der Erstantragsteller im Jahr 2022 nach den Schätzungen der Experten des Innenministeriums sogar die Zahl des negativen Rekordjahres 2015 erreichen oder gar überschreiten?

11. Wie gliedern sich die bis 30. Juni 2022 in Österreich gestellten Asylanträge auf Männer und Frauen?

12. Wie viele Asylanträge wurden bis 30. Juni 2022 in Österreich von unbegleiteten Minderjährigen gestellt?

13. Wie viele Asylwerber haben sich bis 30. Juni 2022 dem Asylverfahren entzogen, sind also „untergetaucht“?

14. Wie viele Zurückschiebungen gab es heuer bis 30. Juni 2022?


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15. Wie viele Zurückweisungen gab es heuer bis 30. Juni 2022?

16. Wie viele Abschiebungen gab es heuer bis 30. Juni 2022?

17. Wie viele Personen wurden heuer bis 30. Juni 2022 nach Ungarn zurückgeschoben bzw. zurückgewiesen?

18. Wie viele der im Burgenland bis 30. Juni 2022 aufgegriffenen Migranten waren in Ungarn bereits registriert worden?

19. Wie viele geschleppte Personen wurden heuer bis 30. Juni 2022 – gegliedert nach Monaten und in Summe – in Österreich aufgegriffen?

20. Wie verteilen sich heuer bis 30. Juni 2022 die insgesamt verzeichneten Aufgriffe auf die Bundesländer?

21. Wie verteilen sich heuer bis 30. Juni 2022 die insgesamt verzeichneten Aufgriffe auf die Nationalitäten der aufgegriffenen Personen?

22. Wie viele Fremde wurden insgesamt heuer bis 30. Juni 2022 – gegliedert nach Monaten und in Summe – in Österreich registriert, die illegal eingereist sind?

23. Wie verteilen sich heuer bis 30. Juni 2022 die insgesamt registrierten Fremden, die illegal eingereist sind bzw. illegal aufhältig waren, auf Bundesländer?

24. Wie verteilen sich heuer bis 30. Juni 2022 die insgesamt registrierten Fremden, die illegal eingereist sind bzw. illegal aufhältig waren, auf Nationalitäten der Fremden?

25. Wie viele Schlepper wurden heuer bis 30. Juni 2022 – gegliedert nach Monaten und in Summe – in Österreich festgenommen?

26. Wie verteilen sich heuer bis 30. Juni 2022 diese Festnahmen auf die Bundesländer?

27. Wie verteilen sich heuer bis 30. Juni 2022 die festgenommenen Schlepper auf Nationalitäten?

28. Wie viele Personen können der operativen Datenbank „illegale Migration“ unter dem Personenstatus Schlepper zum Anfragezeitpunkt entnommen werden?

29. Wie viele Tatverdächtige wurden im ersten Halbjahr 2022 gemäß § 114 Fremden­polizeigesetz – Schlepperei angezeigt?

30. Bei wie vielen Fremden wurde heuer bis 30. Juni 2022 der Antrag auf internationalen Schutz auf Grund von Drittstaatssicherheit als unzulässig zurückgewiesen?

31. Welche Maßnahmen werden Sie 2022 setzen, um die illegale Einreise von Fremden zu verhindern?

32. Welche Initiativen haben Sie zur Verschärfung des Asyl- und Fremdenrechts seit Ihrem Amtsantritt gesetzt?

33. Welche Initiativen zur Verschärfung des Asyl- und Fremdenrechts wurden seit dem Amtsantritt der schwarz-grünen Bundesregierung im Jänner 2020 gesetzt?

34. Gab es von Ihrer Seite Initiativen zum Abschluss von weiteren Rücküber­nahme­abkommen?

35. Wenn ja, mit welchen Staaten?

36. Wenn nein, warum nicht?

37. Haben Sie versucht auf europäischer Ebene den Abschluss von weiteren Rück­übernahmeabkommen voranzutreiben?


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 175

38. Wenn ja, mit wem hatten Sie diesbezüglich Kontakt und welche Ergebnisse sind vorhanden oder absehbar?

39. Welche relevanten Drittstaaten kooperieren mit Österreich derzeit nicht oder unzureichend bei Rückübernahmen – unabhängig davon, ob ein Abkommen besteht oder nicht?

40. Welche Drittstaaten kooperieren mit Österreich derzeit nicht bei Rückübernahmen, obwohl ein Abkommen besteht?

41. Welche Maßnahmen setzen Sie, wenn Staaten, mit denen es ein Abkommen gibt, nicht kooperieren?

42. Was unternehmen Sie auf EU-Ebene, um die Kooperationsbereitschaft von Drittstaaten bei Rückführungen zu erhöhen?

43. Wie viele Fremde waren zum 30. Juni 2022 in Grundversorgung, aufgegliedert nach dem jeweiligen Status (Asylberechtigter, Asylwerber, etc.)?

44. Wie viele davon waren Männer, Frauen und Minderjährige?

45. Wie viele davon waren unbegleitete Minderjährige?

46. Wie viele davon hatten noch ein laufendes Asylverfahren?

47. Wie viele offene Asylverfahren gab es mit 30. Juni 2022?

48. Welche konkreten Schwerpunktaktionen im Rahmen der von Ihnen Anfang Mai angekündigten „Aktion scharf“ haben bisher stattgefunden?

49. Welche zusätzlichen Ressourcen wurden für die „Aktion scharf“ mobilisiert und, die nicht ohnehin bereits länger geplant waren?

50. Wie viele illegale Grenzübertritte nach Österreich konnten durch die „Aktion scharf“ verhindert werden?

51. Wie vielen Personen wurde seitens der deutschen Behörden im Jahr 2021 die Einreise verweigert, sodass diese nach Österreich zurückgewiesen wurden?

52. Wie viele Fremde haben 2021 einen Asylantrag gestellt?

53. Wie viele Fremde haben 2021 nach einer Asylantragstellung Österreich wieder verlassen?

54. Warum wird die Wochenlage Illegale Migration nicht veröffentlicht?

55. Da es jetzt schon bei den eingesetzten Exekutivkräften vor allem im Burgenland zu Überlastungen kommt, wie werden Sie darauf reagieren?

In formeller Hinsicht wird ersucht, diese Anfrage im Sinne des § 93 Abs. 1 GOG-NR zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu behandeln und dem Erstanfragesteller Gelegenheit zur mündlichen Begründung zu geben.

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf dem Antragsteller, Herrn Abgeordneten Amesbauer, als erstem Fragesteller zur Begründung der Anfrage, die gemäß § 93 Abs. 5 der Geschäftsordnung 20 Minuten nicht überschreiten darf, das Wort erteilen. – Herr Abgeordneter, bei Ihnen steht das Wort. Bitte sehr.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 176

15.01.06

Abgeordneter Mag. Hannes Amesbauer, BA (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Frau Staatssekretärin! Es ist interessant, bei diesem Thema auch die Touris­musstaatssekretärin dabeizuhaben, weil der Kriminaltourismus bei diesem Thema ja auch eine große Rolle spielt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! An jedem Tag, an dem dieses Hohe Haus zusammentritt, beschäftigt es sich im Wesentlichen mit dem gleichen Überthema. Und was ist das Überthema in diesem Land? – Das Totalversagen dieser schwarz-grünen Bundesregierung an allen Ecken und Enden, in sämtlichen Politikbereichen. (Beifall bei der FPÖ.)

Zweieinhalb Jahre lang war es das Versagen im Umgang mit Corona, das, gepaart mit einer unglaublichen Bösartigkeit, die Menschen extrem belastet hat. Die Spitze dieser Bösartigkeit – das unsägliche Impfpflichtgesetz, das Sie ja heute noch beerdigen werden, dieser verantwortungslose Flop, den Sie hier fabriziert haben – hat Ihnen den Widerstand auf der Straße und auch hier im Hohen Haus eingebracht.

Einstweilen ist es aber schon auch das Versagen an anderen Krisenherden, das den Schaden für die Bürger weiter verlängert. Sie stümpern seit Monaten beim Kampf gegen die Kostenlawine herum. Die Bürger stöhnen unter der Teuerung, wissen nicht mehr, wie sie sich das Leben leisten sollen. Sie sind nicht in der Lage, die geplagten Menschen schnell, wirksam und nachhaltig dort zu entlasten, wo die Kosten ihnen gerade über den Kopf wachsen. Und dieses Versagen befeuern Sie auch noch mit Ihrer verant­wortungs­losen Sanktionspolitik, mit Ihrem verantwortungslosen Umgang mit der österreichischen Neutralität und haben damit auch die Versorgungssicherheit Österreichs gefährdet und der Wirtschaft und den Privathaushalten schweren Schaden zugefügt, nur um im inter­nationalen Konzert der Kriegstreiber mitspielen zu dürfen.

All das wird uns politisch noch sehr lange begleiten – nein, es wird uns verfolgen, meine Damen und Herren, über Jahre hinaus! Vor allem die Menschen in Österreich wird dieses Versagen verfolgen, und sie werden einen hohen Preis dafür zahlen müssen – und zahlen ihn auch schon heute.

Heute aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, reden wir über ein weiteres Kapitel Ihres eklatanten Versagens, das ebenfalls immens ist, das ebenfalls extrem folgen­schwer ist und das unserer Heimat Österreich und den Menschen in Österreich, den Österreicherinnen und Österreichern, ebenso schweren Schaden zufügt. Dieses Kapitel Ihres Versagens ist leider zu einem weiteren Teil bereits geschrieben, aber es ist noch nicht zur Gänze veröffentlicht, und zwar deshalb, weil die Medien aufgrund der vielfälti­gen Krisen und Themenbereiche und ‑felder Ihres politischen Versagens ja gar nicht mehr wissen, worauf sie sich konzentrieren sollen. Es poppt ständig ein neuer Skandal auf, und Sie liefern einen Flop nach dem anderen.

Herr Innenminister, Sie sitzen heute hier, wurden mit dieser Dringlichen Anfrage der Freiheitlichen Partei von uns in das Hohe Haus zitiert. Sie sind der Autor dieses unsäglichen Kapitels, das wir heute im großen, dicken Buch des schwarz-grünen Ver­sagens behandeln, und dieses Kapitel des Versagens, dieses aktuelle Kapitel, trägt den Titel: Asyl und Zuwanderungspolitik.

Zugegeben, Herr Minister, Sie haben es nicht allein geschrieben, aber Sie setzen die Schauergeschichten fort, die ein gewisser Karl Nehammer begonnen hat. Ich spreche über die illegale Masseneinwanderung, mit der wir konfrontiert sind, die immer stärker an die folgenschweren Krisenjahre 2015 und 2016 erinnert, in denen Österreich ja vollständig die Souveränität über seine Grenzen aufgegeben hat und Zigtausende aus


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aller Herren Länder unkontrolliert, unregistriert ins Land geströmt sind. (Beifall bei der FPÖ.)

Werfen wir aber jetzt einmal, damit wir die ganze Problematik etwas einordnen können, einen Blick auf die aktuelle Asylstatistik, schauen wir uns an, was im heurigen Jahr passiert ist: Bis Mai 2022 gab es in Summe 21 810 Asylanträge. Das ist eine Steigerung von 152 Prozent zum Vorjahr, und das Vorjahr war schon extrem – darauf komme ich noch. Es gab also 21 810 Asylanträge bis Mai 2022, und, Herr Minister, uns liegen glaub­würdige Informationen vor, dass bis zum heutigen Tag schon über 30 000 Asylanträge in Österreich gestellt wurden. Vielleicht können Sie bei Ihrer anschließenden Beant­wortung auch bestätigen, ob das stimmt, aber wir haben sehr, sehr glaubwürdige Quellen, die uns sagen, dass es in Österreich jetzt, bis zum heutigen Tag, schon 30 000 Asylanträge gab. Allein in den letzten 14 Tagen – ja, allein in den letzten zwei Wochen! – sollen es über 5 000 Asylanträge gewesen sein.

Herr Innenminister, mich würde interessieren: Wohin soll das führen? Integrations­minis­terin Raab hat vor Kurzem in den Medien bekannt gegeben, dass sie mit 50 000 Asyl­anträgen bis Ende des Jahres rechnet. Ich meine, wenn wir uns diese Entwicklung ansehen, wird sich das bei Weitem nicht ausgehen, und wir werden diese 50 000 höchstwahrscheinlich dann schon mit Ende des Sommers erleben müssen.

Noch ein bisschen etwas aus der Statistik, meine sehr geehrten Damen und Herren – schauen wir uns den EU-Vergleich an, schauen wir uns zum Beispiel die Pro-Kopf-Belastung an, die Pro-Kopf-Belastung pro 100 000 Einwohner im EU-Vergleich: Da liegt Österreich mit 447 auf Platz zwei direkt hinter Zypern, und wer sich geografisch ein bisschen auskennt, weiß schon, dass Zypern ein bisschen anders exponiert ist, als das bei Österreich der Fall ist.

Die Pro-Kopf-Belastung in Österreich liegt also bei 447, der EU-Schnitt liegt bei 141. Das Schlusslicht bildet Ungarn mit – wie viel glauben Sie? – null; die Pro-Kopf-Belastung in Ungarn ist null. Schweden, ein traditionell zuwanderungsfreundliches Land, hat auch schon eine Kurskorrektur eingelegt und liegt mit 135 auf Platz 15 der EU-Statistik. Und was besonders interessant und mir bei dieser Statistik ins Auge gestochen ist, ist der Vergleich mit Deutschland. Deutschland liegt mit 229 in der Pro-Kopf-Belastung auf Platz sechs. Deutschland: 229; zum Vergleich noch einmal Österreich: 447. Die Pro-Kopf-Belastung in Österreich ist also mehr als doppelt so hoch als in Deutschland, obwohl Deutschland zehnmal so viele Einwohner hat. Wie kann das funktionieren? Wie geht das? Das versteht niemand in diesem Land, Herr Innenminister! (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Bürstmayr: Weil pro Kopf? Pro Kopf!)

Über 45 Prozent, Kollege Bürstmayr, sind Männer – und übrigens, damit das auch gleich dabei ist: In dieser Statistik spielen die ukrainischen Vertriebenen, die Frauen und Kin­der, keine Rolle, meine Damen und Herren, weil – Sie wissen das ganz genau – diese nicht unter das Asylrecht fallen, sondern unter die Vertriebenenverordnung – damit da keine Missverständnisse entstehen.

Wir sprechen hier also von illegalen Einwanderern aus aller Herren Länder, vorwiegend aus Syrien und Afghanistan, aber auch aus anderen Ländern wie der Türkei, wie Pakistan, Marokko, Tunesien, Somalia, Indien und weiteren Ländern. Die Hauptantrag­steller in dieser gesamten Asylstatistik sind nach wie vor Afghanen und Syrer – weil die Ukrainer natürlich auch Asylanträge stellen können, aber das passiert fast nicht, da findet man von ihnen in dieser Statistik nur 480, also einen verschwindend kleinen Bereich.

Und dann schauen wir zurück – ich habe ja vorhin gesagt, dass ich auch noch zurück zum Vorjahr komme –: Das war ja die glorreiche Zeit, als uns Herr Nehammer, Ihr Vor­gänger, im Jahr 2020 die De-facto-Nullzuwanderung versprochen hat, und diese De-facto-


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Nullzuwanderung hat so ausgesehen, dass es im Jahr 2021 knapp 40 000 Asylanträge gab. Das waren um 170 Prozent mehr als im Jahr 2020, meine Damen und Herren!

Interessant ist – und jetzt möchte ich auch zur Amtszeit des Innenministers Herbert Kickl einen Vergleich anstellen , dass von diesen knapp 40 000 Anträgen im Vorjahr 32 375 originäre Anträge waren, also 81 Prozent der Asylanträge waren originär. Was heißt originär? – Originär heißt, das sind Erstanträge, das sind keine Mehrfachanträge oder Anträge im Sinne des Familiennachzuges, sondern das sind Erstanträge. Im Vorjahr waren das also 32 375, 81 Prozent aller Anträge. Im Jahr 2018 – unter einem Innen­minister Kickl – waren es lediglich 5 800 originäre Asylanträge. Das waren 42 Prozent aller Anträge. Da sieht man also schon, dass freiheitliche Politik wirkt, und da sieht man auch, dass Innenminister der ÖVP nicht willens und nicht in der Lage sind, das Asyl­thema in den Griff zu bekommen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ.)

Wie schaut es denn aktuell auf der Balkanroute aus, die ja von einem gewissen Sebastian Kurz im Alleingang heldenhaft geschlossen wurde, wobei er sich ja mit diesem Thema unter anderem den Wahlsieg 2017 in Wahrheit erschlichen hat!? (Abg. Steinacker: Erschlichen?!)  Bis Ende Juni gab es 106 295 Aufgriffe auf der Balkanroute. Das ist ein Plus von 24 Prozent im Vergleich zum Jahr 2021. Auch auf dem Mittelmeer wurden bisher fast 22 000 Illegale registriert und aufgegriffen.

Die Situation eskaliert mit schwerwiegenden Folgewirkungen für unsere Gesellschaft, für den sozialen Frieden in diesem Land, für die Wirtschaft. Asyl ist ein riesengroßer Kostentreiber, meine Damen und Herren, das wissen Sie ja ganz genau! Jetzt sage ich Ihnen noch etwas ganz Interessantes zu den Kosten: 347,4 Millionen Euro sind im aktuellen Budgetkapitel Fremdenwesen ausgewiesen. Diese 347 Millionen Euro werden bei Weitem nicht reichen. Man muss auch sagen: Das ist nur ein Ausschnitt der Ge­samtkosten, denn: Die Gesamtkosten werden in Österreich derzeit auf 2 Milliarden Euro jährlich geschätzt. Das ist es, was uns das Asylwesen neben all den anderen Problemen, die es uns beschert, kostet.

Es ist ja eine besondere Unverfrorenheit, dass Sie erst gestern im Innenausschuss die Erhöhung der Grundversorgung, die 15a-Vereinbarung mit den Bundesländern, auf den Weg gebracht haben. Diese Regierung erhöht in Zeiten des Kostendrucks für die Bevölkerung, in denen sich die Menschen das Leben nicht mehr leisten können, in denen sich die Menschen das Tanken, das Einkaufen und die Mieten nicht mehr leisten können, die Grundversorgung für Asylwerber um 20 Prozent, meine Damen und Herren! Das ist eine Frechheit! Das ist verantwortungslos! Unser Geld für unsere Leute, sage ich – vor allem in Zeiten wie diesen! (Beifall bei der FPÖ.)

Jetzt gehen wir ein bisschen zurück in die Vergangenheit: Im Jahr 2016 lag die damalige rot-schwarze Bundesregierung schon in den letzten Zügen. Wir hatten ein Asylchaos zu verzeichnen, aber unter der damaligen rot-schwarzen Bundesregierung, unter einer Innenministerin Mikl-Leitner gab es eine Obergrenze von 37 500 Asylwerbern im Jahr. Die damalige Regierung hat also gesagt: Mehr als 37 500 Asylwerber – das ist ohnehin eine exorbitant hohe Zahl – verträgt dieses Land nicht.

Jetzt zitiere ich, was Mikl-Leitner gesagt hat, warum wir diese Obergrenze brauchen. Mikl-Leitner sagte damals, als Innenministerin: „um den sozialen Frieden in Österreich zu wahren. Österreich sei in vielen Punkten am Limit, etwa was die Belastung der Asylbehörden, den Arbeitsmarkt, das Gesundheits- und das Sozialsystem und das Bil­dungssystem betrifft“. – Das sagte Johanna Mikl-Leitner. (Abg. Loacker: Die hat auch das mit dem ... gesagt!) Zur Erinnerung: Im Jahr 2016, nach den Eindrücken des Jahres 2015, hätte eine Asylwerberzahl von 37 500 – laut Mikl-Leitner – ausgereicht, um die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung entscheidend zu gefähr­den. Im Vorjahr waren es aber 40 000, und heuer werden es wahrscheinlich schon im


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Sommer 50 000 sein. Bei mehr als 37 500 Asylanträgen, sagte Mikl-Leitner, sei das Funktionieren von staatlichen Einrichtungen gefährdet und könne der soziale Friede nicht mehr gewahrt werden. Ja, meine Damen und Herren, dann machen Sie endlich etwas! Mich würde interessieren, was diese Bundesregierung tut, um diese Situation in den Griff zu bekommen. Die Antwort ist: Nichts, Herr Innenminister! (Beifall bei der FPÖ.)

Das Maßnahmenpaket, das Sie auf den Weg gebracht haben, ist ein Witz. Das ist ein Witz: 50 zusätzliche Polizisten an die Staatsgrenze. Ja was sollen die dort machen? Däumchen drehen? Reden Sie einmal mit Ihren eigenen Polizisten, die im Übrigen gemeinsam mit den Bundesheersoldaten exzellente Arbeit verrichten! Diese Grenz­polizisten sind zunehmend frustriert, weil der politische Auftrag der falsche ist, weil sie ein Empfangskomitee darstellen, denn jeder, der es irgendwie über die Staatsgrenze schafft und das Zauberwort Asyl ausspricht, ist im Asylverfahren, im System, wird weitergeleitet und verteilt auf die Bundesländer, ist in der Grundversorgung, durchläuft das Asylverfahren durch alle Instanzen, mit Asylanwälten wie Herrn Bürstmayr, die sich eine goldene Nase damit verdienen, meine Damen und Herren! Das kann es ja nicht sein.

Ich habe das ja schon oft gesagt: Wir müssen etwas machen, damit wir Push-backs durchführen können. Wir müssen Rückweisungen machen. Das ist eine Frotzelei, dass da immer wieder die Ausrede kommt: Das dürfen wir nicht, das ist gegen das Unionsrecht! Meine Damen und Herren, da geht es um die Sicherheit und – laut Mikl-Leitner – um das Funktionieren des Staates und den sozialen Frieden in diesem Land! Ja die können mir doch in Brüssel den Buckel runterrutschen. Das entscheiden wir selbst! (Beifall bei der FPÖ.)

Was soll uns denn passieren, wenn wir in diesem Punkt zum Schutz unserer eigenen Bevölkerung einmal temporär gegen das Unionsrecht verstoßen? Ja was wollen sie denn machen? Dann sollen sie die Nase rümpfen, dann sollen sie irgendwelche Vertragsverletzungsverfahren einleiten, dann sollen sie uns vielleicht eine Strafe geben. Ja dann zahlen wir diese halt nicht! So einfach ist es, Herr Innenminister! Wir müssen etwas tun. Wenn Sie da unbedingt Ihr heiliges Unionsrecht nicht verletzen wollen, dann möchte ich Sie darauf hinweisen, dass es schon auch Möglichkeiten gibt, die diese Bundesregierung nutzen kann, um das Ganze völlig rechtskonform zu machen.

Das österreichische Asylgesetz – und Herr Bürstmayr wird mir das sicher bestätigen – ermöglicht im Einklang mit EU-rechtlichen Grundlagen die Anwendung von Sonder­bestimmungen für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und des Schutzes der inneren Sicherheit. Wir wissen ja dank Mikl-Leitner, dass die öffentliche Ordnung und die innere Sicherheit schon aufgrund der Zahlen massiv gefährdet sind. Das EU-Recht ermöglicht, diese Sonderbestimmungen in Kraft zu setzen. Das bedeutet: kein faktischer Abschiebeschutz mehr für die Illegalen, Binnengrenzkontrollen in Verbindung mit Ein­reisebehinderungen und Zurückweisungen an der Grenze – die berühmten Push-backs. Das ist möglich. Das können wir auch völlig unionsrechtskonform umsetzen. (Abg. Krisper: Das ist nicht möglich!) Wenn es nicht geht – das habe ich ja vorhin schon gesagt –, dann müssen wir es trotzdem machen. Wir müssen handeln! (Beifall bei der FPÖ. – Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Krisper.)

Ich erwarte mir vom Innenminister der Republik Österreich, dass er sich auch auf inter­nationaler Ebene, auf europäischer Ebene dafür einsetzt, dass das möglich ist. (Abg. Loacker: Was sagt die Kollegin Fürst, wenn Sie ... und Sie sagen ... nicht einhalten?) Es gibt ja Partner, es gibt Verbündete. Das sind auf der einen Seite die osteuropäischen Länder, das sind auf der anderen Seite aber auch sozialdemokratisch regierte Länder wie Dänemark, die einen anderen Weg gehen, oder auch die baltischen Staaten, die dafür sorgen wollen, dass Push-backs in der EU völlig legal werden. Ich meine, das versteht ja kein Mensch auf der Straße! Erklären Sie das irgendjemandem! Das soll Herr


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Bürstmayr mit seinem Unionsrecht irgendjemandem erklären, dass jeder, der herkommt und Asyl sagt, hier im System ist, egal ob wir das wollen oder nicht.

Zum Thema Rechtsbruch: Da passiert ja bereits zigtausendfacher Rechtsbruch. Was ist mit Schengen? Was ist mit Dublin? Es dürfte kein Einziger legal herkommen, und es kommt auch keiner legal her. Das sollen wir einfach hinnehmen, weil wir sagen: Uns sind die Hände gebunden, wir können nichts machen!? Ich habe Ihnen die Zahlen genannt. Der Innenminister weiß es und warnt ja auch immer wieder selbst vor der Entwicklung und den Folgewirkungen dieser Entwicklung. Herr Innenminister, Sie sind aber in einer Position, in der Warnungen zu wenig sind. Die Problematik ist bekannt. Sie sind gefor­dert, zu handeln, meine Damen und Herren!

Ich verstehe nicht, warum Sie alle Maßnahmen, die vorgeschlagen werden, meistens diskussionslos vom Tisch wischen. Sie waren ja – zusammen mit dem Außenminister – vor Kurzem beim türkischen Präsidenten Erdoğan und haben Herrn Erdoğan und die Türkei als große Partner in der Asylfrage genannt. (Bundesminister Karner: Innen­minister!) Na, das ist schon spannend, denn wir wissen ja, dass dieser EU-Türkei-Deal nicht funktioniert (Abg. Belakowitsch: Der Erdoğan ist aber euer bester Freund! – Bundesminister Karner: Beim Innenminister war ich, nicht bei Erdoğan!), dass er die EU Milliarden kostet, dass Erdoğan das als Drohkulisse und als Faustpfand nutzt (Abg. Belakowitsch: Der Präsident, der Kanzler, alle fahren zum Erdoğan! – Bundesminister Karner: ... Innenminister, Sie wissen das, Frau Abgeordnete!) und jederzeit die Grenze aufmachen kann, wie er das auch schon gemacht hat, meine Damen und Herren!

Mit den Freiheitlichen in der Bundesregierung wird es in Zeiten wie diesen keinen einzigen Asylantrag mehr geben, meine Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ.)

Weiters müssen wir die unzähligen Millionen, die wir im Rahmen der Entwicklungs­zusammenarbeit zahlen, an Rücknahmen knüpfen, sodass jene Länder, die von uns Millionen bekommen, ihre Staatsbürger, die sich bei uns illegal aufhalten, zumindest zurücknehmen. Darüber wird man wohl reden dürfen.

Meine Damen und Herren, wir müssen handeln, und ich fordere die ÖVP zum wie­derholten Male auf: Nutzen Sie den koalitionsfreien Raum! Jeder in diesem Haus weiß, dass mit den Grünen die von Ihnen versprochene restriktive Asylpolitik nicht mög­lich ist – das ist ein Ding der Unmöglichkeit –, darum haben Sie ja diesen koalitionsfreien Raum. Wir Freiheitliche sind hier Ihr Partner, wenn es vernünftige Maßnahmen gibt. Wir unterstützen Sie (Abg. Wurm: Streck die Hand aus!), wir helfen Ihnen bei diesem Problem, wir lösen das gemeinsam mit Ihnen! Dazu fehlt Ihnen aber leider der Mut. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir brauchen eine Festung Europa, aber diese Festung Europa funktioniert nicht, und solange diese Festung Europa nicht funktioniert, müssen wir an der Festung Österreich bauen – zum Schutz unserer Bürger. Es muss heißen: Österreich zuerst!, meine Damen und Herren, wir können die Entwicklung nicht zulassen, dass weiterhin Horden von Zigtausenden Illegalen in dieses Land strömen und den sozialen Frieden, den gesell­schaftlichen Zusammenhalt und auch die wirtschaftliche Weiterentwicklung (Zwischenruf der Abg. Krisper), die ja bedroht ist, weiterhin gefährden.

Was aber macht die ÖVP? – Die ÖVP schaut lieber, dass sie ihre eigenen Freunde ver­sorgt, dass sie ihre Parteifreunde, die in Kabinetten gearbeitet haben, auf höchste Posten setzt. Das ist unlängst mit dem Bundespolizeidirektor passiert. Ich habe hier zur Erinnerung ein nettes Foto von Karl Nehammer, das (den Ausdruck eines Fotos, das Karl Nehammer und Michael Takacs mit zwei Luftballons mit der Aufschrift „Team Kurz“ zeigt, in die Höhe haltend) können Sie sich anschauen: Herr Takacs. – Die Familie wird versorgt, die Familie kommt auf Spitzenposten. Da wird die Funktion eines


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Bundespolizeidirektors, den eigentlich kein Mensch braucht, neu geschaffen, nur damit die Freunde von Herrn Nehammer wohldotierte Posten haben.

Damit muss Schluss sein! Kümmern Sie sich um Ihre Kernaufgaben, kümmern Sie sich um den Schutz unserer Grenzen! Schauen Sie, dass wir die, die illegal hier sind, wieder loswerden, und arbeiten Sie endlich für die Bürger in diesem Land! (Beifall bei der FPÖ.)

15.21


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist der Herr Bundesinnen­minister. – Bitte. (Zwischenruf des Abg. Matznetter.)


15.21.54

Bundesminister für Inneres Mag. Gerhard Karner: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Geschätzte Damen und Herren Abgeordnete! Ich freue mich, dass ich heute hier die Gelegenheit habe, einige Dinge klarzustellen.

Herr Abgeordneter Amesbauer, Sie haben in vielen Punkten richtige Dinge ange­sprochen, wenn auch auf eine durchaus polemische Art, wie Sie das auch im Innenausschuss getan haben. Ich möchte nur zwei Dinge korrigieren: Ich fühle mich nicht ins Parlament zitiert – ich war selbst 18 Jahre Parlamentarier –, ich fühle mich ins Parlament ein­geladen, um dem Hohen Haus, den Damen und Herren Abgeordneten, einige Dinge auch von meiner Seite darzulegen. Das Zweite: Ich war beim türkischen Innenminister Soylu, um einige wichtige Punkte zu besprechen; darauf komme ich später zurück.

Vor knapp vier Wochen habe ich den Schlepperbericht präsentiert, und es waren leider – leider! – eindrucksvolle Zahlen (Abg. Belakowitsch: ... nicht eindrucksvoll!), die wir präsentieren mussten, nämlich dass die organisierte Schlepperkriminalität im Jahr 2021 dramatisch zugenommen hat: Die Zahl der aufgegriffenen Schlepper hat sich von 311 auf 441 erhöht, das ist eine Steigerung von 40 Prozent.

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Die Schlepperei ist einer der lukrativsten Zweige der organisierten Kriminalität. Manche Experten meinen, dass in der organisierten Kriminalität über den Bereich der Schlepperei mittlerweile mehr Geld gemacht wird als über den Bereich des Drogenhandels. Damit geht einher, da besteht ja eine Verbindung, dass zumindest die Hälfte der Personen, die einen Asylantrag stellen – zumindest so viele sind nachgewiesen –, über Schlepper nach Österreich gekommen sind. Die Experten schätzen, dass 70 bis 80 Prozent aller Asylwerber über Schlepper nach Österreich gekommen sind.

Wir haben im letzten Jahr fast 40 000 Asylanträge zu verzeichnen gehabt. Ich möchte nur einige Beispiele bringen, weil sie auch die Erfolge unserer Polizei zeigen – ich bitte, darauf immer wieder hinzuweisen, Herr Abgeordneter Amesbauer. (Abg. Amesbauer: Habe ich ja gemacht!) Sie sagen zu Recht, die Polizei leiste exzellente Arbeit an der Grenze – aber nicht nur die Polizei, auch die Kriminalpolizei, und zwar auch in der internationalen Zusammenarbeit. So wurde zum Beispiel Mitte Mai ein 29-jähriger Rumäne festgenommen – ein sehr heftiger Fall, das war jener Rumäne, der vor einigen Jahren zum Beispiel auch aus dem Landesgericht Sankt Pölten geflohen ist. Über 36 000 Personen wurden über diesen Schlepperboss geschleppt – 36 000 geschleppte Personen! –, 152 Millionen Euro. Es kostete über eineinhalb Jahre an akribischer inter­nationaler kriminalpolizeilicher Kleinarbeit, damit so etwas aufgedeckt werden konnte. Über 200 Schlepper sind bei diesem großen Fang ins Netz gegangen.

Oder der Fall auf der Ost-Autobahn, vor wenigen Wochen in Schwechat, als vier Asyl­werber aus Marokko und Tunesien auf der Unterseite eines Lastwagens geschleppt wur­den oder sich geschleppt haben: Einer dieser jungen Männer, 19 Jahre alt, wollte bei Schwechat den Lastwagen verlassen, wurde dabei überfahren und ist zu Tode gekommen. Den


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Schleppern sind die Menschenleben egal, das ist eine der brutalsten mafiosen Orga­nisationen, die es gibt.

Oder – vor wenigen Tagen –: 36 Marokkaner, die nach Österreich geschleppt wurden, und ein Grazer mit marokkanischem Hintergrund hat das durchgeführt.

Akribische Kleinarbeit, höchst erfolgreich: Es geht darum, wie diese Schlepperbanden agieren.

Faktum ist auch – auch darauf weise ich immer wieder hin –, dass der Angriffskrieg Putins auf die Ukraine letztendlich Auswirkungen auf das Schleppergeschäft hat. Ich muss das auch klar sagen und verdeutlichen. Warum? – Weil Schlepperbanden, weil Schlepperbosse mittlerweile damit Werbung machen, dass Europa und eben auch Österreich, wo die Richtlinie über den temporären Schutz für die ukrainischen Staats­bürgerinnen und Staatsbürger – überwiegend Staatsbürgerinnen – gilt, offen wären: Du kannst sofort arbeiten, du hast die Möglichkeit, ins Sozialsystem, ins Bildungssystem zu kommen. (Abg. Belakowitsch: Ja, und wer hat davor gewarnt?) Mit dieser Sache wird bewusst brutales Marketing gemacht.

Ja, daher haben wir die Überwachungen verstärkt, auch die Grenzkontrollen verstärkt: zu Ungarn, zu Slowenien. Wir sind dafür in Kritik geraten, dass wir weiterhin Bin­nen­grenzkontrollen durchgeführt haben, aber wir haben im Schreiben an die Kommission klar gesagt: Ja, es ist notwendig, dass wir Richtung Slowenien, Richtung Ungarn auch in Zukunft Grenzkontrollen durchführen. (Beifall bei der ÖVP.)

Mit Anfang Mai haben wir dann auch „Die Aktion scharf ist eine Aktion gerecht“ gestartet. Warum Aktion scharf als Aktion gerecht? – Scharf gegenüber jenen, die dieses System missbrauchen, damit jenen geholfen werden kann, die unsere Hilfe brauchen – da denke ich an die Geflohenen und Vertriebenen aus der Ukraine. Im Rahmen dieser Schwer­punktaktionen sind bereits im ersten Halbjahr 279 Schlepper in Österreich festgenom­men worden – eine 30-prozentige Steigerung in den ersten Monaten dieses Jahres. Das sind die Hintermänner, die dafür verantwortlich sind, dass Menschen zu uns kommen.

Ja, auch das sei deutlich angesprochen: Es werden durch diese verstärkten Kontrollen mehr Schlepper aufgegriffen, aber mehr Kontrollen bedeuten auch einen Anstieg von Aufgriffen an illegalen Migranten, ein Mehr an Asylanträgen. Das heißt, je mehr Kon­trollen, je mehr Aufgriffe es gibt, desto mehr Asylanträge gibt es letztendlich. Das ist akribische Kleinarbeit, ich habe es gesagt, aber es führt auch dazu (Abg. Belakowitsch: Welche Logik Sie da haben!), dass unser System entsprechend belastet wird.

Was auch zu bemerken ist, gerade in den letzten Wochen, in den ersten Monaten dieses Jahres: dass zunehmend Asylanträge von Personen aus Ländern gestellt werden, für die praktisch keine Chance auf Asyl besteht; von Menschen, die aus wirtschaftlichen Gründen ihr Land verlassen wollen, was aber nichts mit dem Asylsystem zu tun hat, oder die letztlich auf das Marketing der Schlepper hereinfallen. So ist die Zahl der Asylanträge von Personen aus Tunesien um 2 000 Prozent gestiegen, und es betrifft auch Menschen aus Pakistan, der Türkei sowie Indien.

Wir haben in den ersten fünf Monaten dieses Jahres fast 22 000 Asylanträge gehabt, und es sind mit Juni – geschätzt – fast 31 000 Asylanträge; das ist eine Steigerung von 185 Prozent gegenüber dem Vorjahr. (Abg. Belakowitsch: Ende des Sommers haben wir 50 000!)

Ja, das sind die Fakten, über die soll man reden, über die muss man reden (Abg. Belakowitsch: Nein, da muss man gar nicht reden! Reden ist zu wenig!), und da müssen wir auch konsequente Maßnahmen setzen  was wir auch tun! (Beifall bei der ÖVP.)


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Noch einige Zahlen, es kommen ja dann in der Anfragebeantwortung noch sehr viele Zahlen: Gleichzeitig haben heuer, in diesen ersten sechs Monaten, bereits fast 7 600 Asyl­antragsteller ihr Verfahren zurückgezogen, zurückgelegt, wenn Sie so wollen; sie sind weitergereist oder zurück in ihre Heimat gereist. Das ist eine Steigerung von über 300 Prozent gegenüber dem Vergleichszeitraum des letzten Jahres.

Was heißt das? – Es ist ein klares Indiz dafür, dass da eine große Zahl an sogenannten Wirtschaftsmigranten unterwegs ist, weil sie in die sogenannten Schnellverfahren, in die sogenannten beschleunigten Verfahren kommen. Das sind Menschen, die kaum eine Chance auf Asyl haben. Es gibt die Schnellverfahren, beschleunigten Verfahren, einerseits innerhalb von 72 Stunden beziehungsweise 24 Tagen, und es sind eben sehr viele, die sich, sobald sie merken, sie sind im Schnellverfahren, dem Schutz freiwillig entziehen und letztendlich weiterreisen oder in ihre Heimat zurückreisen.

An dieser Stelle möchte ich, weil ich diese Zahlen genannt habe, auch die Gelegenheit nutzen und zu einem Thema, das auf europäischer Ebene immer wieder oder manchmal beim Europäischen Rat diskutiert wird, Stellung beziehen, nämlich zu dem Thema Flüchtlingsquoten, Verteilungsquoten.

Warum habe ich als Innenminister von Österreich eine klar ablehnende Haltung? – Aus zweierlei Hinsicht, und ich darf das klar begründen:

Erstens – ich habe die Zahlen genannt –: Österreich, und das ist völlig richtig, hat im letzten Jahr die zweithöchste Zahl an Asylanträgen zu verzeichnen gehabt. Das ist der erste wesentliche Grund. Das heißt, wenn Sie so wollen, Österreich hat die Quote mehr als deutlich übererfüllt.

Zweitens – und das ist meines Erachtens das noch viel ursächlichere Signal – ist das eine Aufforderung an die Schlepper, Menschen anzuwerben, dass sie sich auf den Weg machen, um letztendlich gerettet zu werden, weil Europa ohnehin die Flüchtlinge über Quoten verteilt. Das wäre ein völlig, völlig falsches Signal, und daher bin ich sehr klar und konsequent und werde auch weiterhin klar gegen diese Quoten auftreten. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Amesbauer: Da gebe ich Ihnen recht!)

Jetzt darf ich einige Punkte zu den Maßnahmen erläutern, und dann bei der Beant­wortung der Anfragen auch noch einige weitere. Ich möchte das auf folgende Bereiche festlegen – ich nehme das immer zusammen, weil ich es für so wichtig halte –: Kampf gegen Schlepperei und Kampf gegen illegale, irreguläre Migration. Nachgewiesen: 50 Prozent der illegalen Asylanträge erfolgen über die Schlepperei. Das ist nachge­wiesen! Die Schätzungen der Experten liegen bei 80 Prozent. Daher sind dieser Kampf gegen die Schlepperei und die internationale polizeiliche Zusammenarbeit so essenziell.

Daher zu den Maßnahmen, zu den ersten Maßnahmen, die wir gesetzt haben: wie schon erwähnt Aktion scharf als Aktion gerecht mit Anfang Mai; jetzt: ein wesentlicher Fokus auf die Außengrenzen der EU und den Bereich Nordafrika. Daher war und ist es not­wendig, dass wir auch mit diesen Staaten entsprechend bilaterale Gespräche führen, daher war ich in den letzten Tagen auch in Ägypten – einem zentralen Land in Nordafrika, wenn Sie so wollen, einem Ankerland oder letztendlich auch Transitland. Dort brauchen wir eine vernünftige Gesprächsbasis. Wir haben eine klare polizeiliche Zusammenarbeit vereinbart und auch begonnen, darüber zu reden – was es bisher nicht gab –, mit Ägypten ein Rückübernahmeabkommen zu verhandeln. Es ist eben wichtig, mit diesen Ländern, Nordafrika und dort gerade Ägypten, Gespräche zu führen.

Zweitens: Türkei. Ich habe wie gesagt – vielleicht haben Sie das nicht ganz richtig nachgelesen, Herr Abgeordneter – den türkischen Innenminister getroffen und mit ihm auch das Thema polizeiliche Zusammenarbeit, Schlepperei in erster Linie, besprochen, weil wir gerade in dieser Region – da wir viele Asylanträge aus der Türkei selbst, aber


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auch aus Pakistan oder Iran haben – eine Ankerregion oder ein Ankerland brauchen, und das ist die Türkei als Gesprächspartner. Wir haben als Ziel vereinbart, dass wir uns halbjährlich über die polizeiliche Zusammenarbeit, aber auch den Kampf gegen Terrorismus und Extremismus austauschen.

Ebenfalls mit Blick auf diese Länder habe ich gesagt, Schlepper machen brutalstes Marketing, ein brutales Marketing, indem sie Menschen etwas vorgaukeln, was so nicht stimmt. Sie gaukeln ihnen die heile Welt vor: Sie brauchen nur 3 000 bis 5 000 Euro zu zahlen und sie werden in Europa arbeiten dürfen und eine schöne Wohnung haben. – Das stimmt nicht, und wir müssen da – und das tun wir über unterschiedlichste Medien, vor allem über den Social-Media-Bereich – auch entsprechend dagegenhalten, ihnen klarmachen, was sie erwartet, wenn sie sich in die Hand von Schleppern begeben, nämlich: dass ihnen droht, zu ertrinken, dass ihnen droht, zu ersticken, dass ihnen droht, überfahren zu werden. Das sind Dinge, die wir ihnen klarmachen müssen. Machen wir doch nicht das Geschäft der Schlepper, überlassen wir doch nicht den Schleppern die Deutungshoheit! Das ist ganz, ganz entscheidend, dass wir da dagegenhalten und die Menschen auch entsprechend informieren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Der nächste Punkt ist die Kooperation mit Ungarn und den Staaten des Westbalkans. Ich halte die Zusammenarbeit mit Ungarn für extrem wichtig, auch die polizeiliche Zusammenarbeit. Wir haben derzeit knapp 40, aber wir werden bis Mitte Juli, spätestens Ende Juli 50 Polizistinnen und Polizisten an der ungarisch-serbischen Grenze haben, weil diese als EU-Außengrenze eine ganz wichtige Grenze ist. Dort wollen und müssen wir letztendlich zusammenarbeiten. Auch die technische Unterstützung ist mit den Ungarn vereinbart: Wärmebildkameras, Drohnen, Herzschlagdetektoren sind auch wich­tige Mittel im Kampf gegen die Schlepperei – viele von Ihnen kennen diese drama­tischen, furchtbaren Bilder, wie sich Flüchtlinge, Migranten in Lkws, in Lastwägen hinein­pferchen –, denn mit diesen Gerätschaften kann man die Menschen dort aufspüren, wo sie sich verstecken.

Insgesamt sind derzeit 100 Polizistinnen und Polizisten am Westbalkan im Einsatz. Ich hatte vor wenigen Wochen auch ein Arbeitsgespräch mit dem serbischen Innenminister, auch er ist ein wichtiger Partner im Kampf gegen die Schlepper, im Kampf gegen die illegale Migration.

Drittens komme ich – ich habe das schon gesagt – noch auf die österreichische Außen­grenze zu sprechen. Ja, es mögen für Sie nicht viele sein, trotzdem bin ich allen Kräften im Burgenland, dem Bundesheer, den Polizistinnen und Polizisten, sehr, sehr dankbar, dass sie dort an der Grenze sind, dass sie kontrollieren. 55 zusätzliche Kräfte wurden jetzt mit Anfang Juli zugeteilt, um den Schleppern klar zu signalisieren: Hier wird kon­trolliert, hier gibt es kein Durchkommen! Das sind wichtige Signale, die wir senden müssen.

Wir haben die gemischten Streifen mit der ungarischen Grenzpolizei  von 14 auf 19 erhöht. Das ist ganz, ganz wichtig, weil durch die gemischten Streifen auch in Ungarn selbst Aufgriffe erfolgen. Das heißt, diese Menschen kommen letztendlich dann nicht in unser System. Das ist ganz wichtige bilaterale Zusammenarbeit. Da nutzt es nichts, wenn wir uns gegenseitig etwas ausrichten, wir müssen zusammenarbeiten, inter­natio­nal, bilateral, damit wir den Kampf gegen die Schlepper effizient führen können. (Beifall bei der ÖVP.)

Das betrifft im Übrigen auch die slowakische Grenze. Der slowakische Innenminister war letzte Woche zu einem bilateralen Gespräch in Österreich, und wir haben ebenfalls das Thema gemischte Streifen angesprochen, wir haben das Thema Schleierfahndung an­gesprochen, weil ja Schlepper sofort darauf reagieren, wenn Routen strenger kontrolliert werden. Daher ist es notwendig, dass wir da auch ein entsprechendes Netz haben.


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Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Ja, wir werden diesen Kampf gegen Schlepper, gegen illegale, irreguläre Migration konsequent weiterführen und fortführen, weil es notwendig ist. Wenn Sie so wollen: eine Aktion scharf als Aktion gerecht – scharf gegenüber jenen, die dieses System ausnützen wollen, und gerecht gegenüber jenen, die letztendlich Unterstützung und Hilfe brauchen.

Ich werde daher auch am kommenden Montag bei dem informellen Treffen der Innen­minister in Prag einige Punkte, die ich für wichtig halte, aufs Tapet bringen. Zunächst einmal muss ich dem französischen Vorsitz sagen, dass da wirklich etwas weiter­gegangen ist. Die Richtlinie des temporären Schutzes ist innerhalb von wenigen Tagen einstimmig auf Innenministerebene beschlossen worden. Aber wir haben auch das Thema Screening, das heißt, Datenerfassung, Datenerfassung an den EU-Außen­grenzen, das Thema Eurodac, gemeinsame Datenbank, und auch den Schengenkodex Neu entsprechend beschlossen.

Was meine ich damit? – Den klaren Willen der europäischen Innenminister und Innen­ministerinnen – durchaus umstritten –, dass, wenn es notwendig ist, auch Binnengrenz­kontrollen zulässig sind. Dafür haben wir gekämpft und da haben wir uns auch durch­gesetzt, weil es einfach möglich sein muss, damit wir diesen europäischen Raum auch in Zukunft sicher gestalten können. (Beifall bei der ÖVP.)

Das sind Themen, die auf europäischer Innenministerebene weiter vorangetrieben wer­den müssen. Diese Themen – ich weise sehr oft darauf hin –, steigende Asylzahlen, steigende Schlepperei, steigende illegale Migration, betreffen Österreich ganz beson­ders, sind aber letztendlich im gesamteuropäischen Kontext wieder deutlich im Steigen begriffen, und daher müssen wir auf europäischer Ebene weiter Akzente setzen.

Thema robuster Außengrenzschutz: Da sind wir auf europäischer Ebene noch nicht so weit, wie wir sein sollten, da gebe ich Abgeordneten Amesbauer durchaus recht. Frontex, Frontex Neu, das ist etwas, da muss Verbesserung her.

Das Zweite ist die Diskussion über sogenannte Drittstaatverfahren. Da bin auch nicht ich allein, auch wenn ich dafür zum Teil kritisiert wurde, als ich gesagt habe – und da bitte ich, mich korrekt zu zitieren –, dass wir uns das Modell aus Großbritannien in Ruanda ansehen sollten, aber auch das Modell Dänemark, die gesagt haben: Führen wir doch Asylverfahren in Drittstaaten durch, damit sich Menschen eben nicht auf den Weg über das Mittelmeer machen, wo sie dann zu ertrinken drohen!

Daher ist es doch notwendig: Schauen wir uns doch diese Erfahrungen an! Es ist in Großbritannien schleppend angelaufen, wie man sieht, das ist richtig, trotzdem aber muss es doch möglich sein – was heißt möglich, es ist notwendig! –, dass wir auch über solche Dinge diskutieren, wie das auch die SPÖ Burgenland tut, nämlich Drittstaat­verfahren zu ermöglichen, damit Menschen nicht ertrinken, ersticken und überfahren werden. Ich halte das für ganz, ganz wichtig, damit wir da weiterkommen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich kann auch einiges von dem unterstreichen – wie gesagt: nicht in der Polemik, aber durchaus im Inhalt –, was Kollege Amesbauer gesagt hat, nämlich zum europäischen Asylrecht: Da müssen wir auch einen Schritt weiter kommen. Es kann nicht sein, dass ein Binnenland der Europäischen Union wie Österreich die zweithöchste Anzahl an Asylanträgen pro Kopf hat (Abg. Amesbauer: Das kann es nicht sein!), daher brauchen wir neue Richtlinien auch auf europäischer Ebene. (Beifall und Bravoruf des Abg. Amesbauer.  Abg. Belakowitsch: Ja, was tun Sie dafür? Nicht: Wir brauchen!) Das ist richtig, daher wird es auch in diesem Bereich weitere Akzente geben müssen, und dafür werden wir auch kämpfen, weil es notwendig ist – weniger Polemik, mehr Inhalte, dann werden wir auch da etwas zusammenbringen. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg.


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Bürstmayr. – Abg. Belakowitsch: Wenn Sie jetzt noch handeln würden, dann wären wir ... auf der sicheren Seite, Herr Minister!)

Bevor ich zur Beantwortung der Fragen komme, nur noch eine Ergänzung, weil mir das wichtig ist, weil wir das gestern im Innenausschuss mit einer breiten Mehrheit auch beschlossen haben, nämlich die Erhöhung der Grundversorgung: In erster Linie betrifft das jene Organisationen, die Menschen unterstützen, die geflohen sind.

Wir haben derzeit 87 000 Menschen in der Grundversorgung, davon sind – es sind Circazahlen – circa 58 000 Menschen aus der Ukraine, die wir entsprechend versorgen, und es war eben notwendig, das anzupassen. Nach 2016 hat es jetzt wieder eine An­passung hinsichtlich der Unterstützung jener Organisationen gegeben, die diesen Men­schen  Vertriebenen, die vor Bomben geflohen sind! , vor allem Frauen und Kindern, in den letzten Wochen und Monaten so großartig geholfen haben, damit diesen Men­schen weiterhin geholfen werden kann.

Ich danke allen, die das getan haben und die das gestern entsprechend mitgetragen haben. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich komme nun zur Beantwortung der Fragen.

Zur Frage 1:

Die derzeit sehr angespannte Situation an der ungarisch-serbischen Außengrenze ist bekannt, ich habe auch darauf hingewiesen. Im bilateralen Einsatz sind österreichische Exekutivbedienstete vor Ort, die laufend über die Situation berichten.

Das österreichische Kontingent wird bis 22. Juli 2022 auf rund 50 Exekutivbedienstete aufgestockt. Zusätzlich findet ein regelmäßiger Austausch mit der ungarischen Polizei­führung statt.

Zu den Fragen 2 und 3:

Ja, basierend auf den Erfahrungen aus den Jahren 2015 und 2016 wurden für eine mögliche und nunmehr neuerlich stattfindende Migrationswelle Maßnahmen evaluiert und angepasst. Unser Maßnahmenpaket zur verstärkten Bekämpfung der Schlepperei und der illegalen Migration sieht unter anderem drei Handlungsbereiche vor, wie ich sie auch skizziert hatte, nämlich: Außengrenze-EU, Nordafrika, Westbalkan, und natürlich auch die österreichische Außengrenze.

Zur Frage 4:

33 482.

Zur Frage 5:

Jänner bis Mai – vielleicht wundern Sie sich, aber ich darf das differenziert betrachten: Jänner bis Mai sind die Zahlen, die veröffentlicht sind, die Zahlen für Juni sind zum Teil eben noch Schätzungen, weil da noch die genauen Zahlen in die Statistik eingeführt werden müssen –: 21 810; im Juni rund 9 000.

Nach Nationalitäten im Zeitraum Jänner bis Mai: Afghanistan: 5 464; Syrien: 5 139; Tunesien: 2 173; Pakistan: 1 634; Türkei: 1 247; Indien: 1 194; Marokko: 1 092; Somalia: 576; Ukraine: 480; Sonstige: 2 811.

Zu den Fragen 6 bis 8:

2015: 78 537 originäre Anträge; 2016: 29 864 originäre Anträge; 2017: 11 926 originäre Anträge; 2018: 5 800 originäre Anträge; 2019: 6 237 originäre Anträge; 2020: 9 486 originäre Anträge; 2021: 32 376 originäre Anträge.


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Von Jänner bis Mai 2022: 18 060 originäre Anträge; Juni 2022: rund 8 000 originäre Anträge.

Zu den Fragen 9 und 10:

Ich habe mehrmals darauf hingewiesen, dass wir uns in einer herausfordernden Situ­ation befinden, und da wir mit einer sehr hohen Asylantragszahl konfrontiert sind – rund 180-prozentige Steigerung zum Vorjahr –: Seriöse Einschätzungen sind jetzt, zur Jah­resmitte, nicht möglich.

Zur Frage 11:

Bis Mai: weiblich 3 183, männlich 18 627; im Juni: weiblich rund 1 000, männlich rund 8 000.

Zur Frage 12:

Bis Mai: 2 940; im Juni: rund 1 000.

Zur Frage 13:

Im Zeitraum Jänner bis Mai 2022: 6 075 Personen; im Juni: rund 1 500 Personen.

Zur Frage 14:

Bis Juni: 321 Personen.

Zur Frage 15:

Bis Juni: 712 Personen.

Zur Frage 16:

Im Zeitraum Jänner bis Juni 2022 erfolgten insgesamt 4 920 Außerlandesbringungen, davon 2 781 freiwillige und 2 139 zwangsweise Ausreisen.

Zur Frage 17:

Bis Juni 2022 wurden keine Personen nach Ungarn zurückgeschoben und 356 Per­sonen zurückgewiesen. Ich darf erwähnen, dass gegen Ungarn Vertragsver­letzungsver­fahren laufen und dass derzeit keine Rückübernahmen erfolgen.

Zur Frage 18:

Entsprechende Statistiken werden nicht geführt.

Zur Frage 19:

Gesamt: 14 747 nachgewiesene Fälle; Jänner: 1 654 nachgewiesene Fälle; Februar: 1 680 nachgewiesene Fälle; März: 1 885 nachgewiesene Fälle; April: 2 768 nachge­wiesene Fälle; Mai: 3 020 nachgewiesene Fälle; Juni: 3 740 nachgewiesene Fälle.

Zur Frage 20:

Österreich: 33 482; Burgenland: 19 344; Kärnten: 576; Niederösterreich: 3 560; Ober­österreich: 1 934; Salzburg: 1 378; Steiermark: 579; Tirol: 1 830; Vorarlberg: 576; Wien: 3 705.

Zur Frage 21:

Die top zehn Nationen machen insgesamt über 80 Prozent der Gesamtanzahl aus, weshalb ich diese nun vorlesen werde, nämlich die top zehn:

Afghanistan: 7 202; Syrien: 5 077; Tunesien: 4 069; Pakistan: 3 363; Indien: 2 303; Türkei: 2 091; Marokko: 1 733; Somalia 583; Ägypten: 571; Serbien: 416.


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Zur Frage 22:

Jänner: 3 559; Februar: 3 368; März: 4 288; April: 5 255; Mai: 6 299; Juni: 10 713.

Zu den Fragen 23 und 24:

Sowohl illegal eingereiste als auch illegal aufhältige Fremde werden in der Statistik als aufgegriffene Illegale erfasst. Eine gesonderte Auswertung ist nicht möglich.

Zur Frage 25:

Gesamt bis heute: 279; Jänner: 33; Februar: 36; März: 22; April: 71; Mai: 56; Juni: 61.

Zur Frage 26:

Burgenland: 149; Kärnten: 7; Niederösterreich: 53; Oberösterreich: 23; Salzburg: 10; Steiermark: 10; Tirol: 8; Vorarlberg: 3; Wien: 16.

Zur Frage 27:

Es sind viele Länder, die top zehn werde ich verlesen. Syrien: 43; Türkei: 30; Afghanistan: 26; Ukraine: 25; Moldawien: 22; Nordmazedonien: 21; Österreich: 12; Rumänien: 11; Tunesien: 11; Bulgarien: 8.

Zur Frage 28:

279.

Zur Frage 29:

403.

Zur Frage 30:

Entsprechende Statistiken werden nicht geführt.

Zur Frage 31:

Die Maßnahmen zur Bekämpfung der Schlepperei und der illegalen Migration teilen sich im Wesentlichen in drei Handlungsbereiche: Außengrenze EU-Nordafrika, Westbalkan und Zusammenarbeit mit unseren Nachbarn sowie die österreichische Grenze. Aus­zugweise möchte ich noch die Errichtung einer Taskforce Außerlandesbringung, die JCP und die Informationskampagne Mythen über Migration anführen.

Nur wenn unterschiedlichste Maßnahmen zusammenwirken, können wir im Kampf ge­gen Schlepperei und illegale Migration bestehen.

Zu den Fragen 32 und 33:

Es werden laufend Initiativen gesetzt, um den Vollzug und das Fremdenrecht auf natio­naler und europäischer Ebene noch besser, effizienter und konsequenter zu gestalten, seien es die beschleunigten Verfahren, die Eurodac- oder die Screening-Verordnung.

Seit Amtsantritt der Bundesregierung im Jänner 2020 wurden insgesamt 13 Geset­zes­novellen im fremdenrechtlichen Bereich kundgemacht, davon sechs seit meinem Amts­antritt im Dezember letzten Jahres.

Zu den Fragen 34 bis 38:

Gemeinsam mit dem Bundesminister für europäische und internationale Angelegen­heiten werden beispielsweise mit den Staaten Indien, Kasachstan und Mongolei Ver­handlungen geführt. Auf EU-Ebene werden Verhandlungen beispielsweise mit Algerien, Marokko und Tunesien geführt, die ich selbstverständlich aktiv unterstütze. Verhand­lungen mit Ägypten haben wir aufgenommen und auch vereinbart.


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Als Innenminister betone ich das Erfordernis einer funktionierenden Rückübernahme regelmäßig im Rat und gegenüber der Kommission, wobei Abkommen und Verein­ba­rungen hierfür eine wesentliche Grundlage darstellen.

Zur Frage 39:

Die Kooperation mit Herkunftsstaaten hinsichtlich Rückübernahme und im Besonderen zwangsweiser Rückkehr ist generell herausfordernd. Relevante Staaten, die die zwangs­weise Rückübernahme eigener Staatsangehöriger nicht akzeptieren, sind der Iran und der Irak.

Zur Frage 40:

Rückübernahmeabkommen sind keine Voraussetzung für die entsprechende Zusam­menarbeit, sie sind jedoch ein klares Zeichen eines Commitments. Ein Staat, der trotz bestehender EU-Vereinbarung mit Österreich nicht beziehungsweise mangelhaft koope­riert, ist aktuell Gambia. Österreich hat sich daher aktiv für den Einsatz des sogenannten EU-Visahebels, welcher gegenüber Gambia aktiviert wurde, eingesetzt.

Zu den Fragen 41 und 42:

Eine nachhaltige Rückkehrpolitik als zentrales Element einer gesamthaften, nachhal­tigen und glaubwürdigen Migrationspolitik fußt auf einer funktionierenden Rücküber­nahmekooperation mit den Herkunftsstaaten. Wesentlich ist, dass bei einer fehlenden Kooperation konkrete Schritte auf europäischer Ebene folgen, wie beispielsweise die aktive Kommunikation und schlussendlich die rasche Anwendung des Visahebels. Dafür setzen sich der Außenminister und ich sehr klar ein.

Zur Frage 43:

Zum Stichtag 30. Juni: 88 504 Personen; davon 17 192 Asylwerberinnen und Asyl­wer­ber; 2 021 Asylberechtigte; 7 684 subsidiär Schutzberechtigte und 61 607 sonstige Leis­tungsbezieher wie Personen mit Vertriebenenstatus beziehungsweise Geduldete. Von diesen 61 607 sind circa 57 000 Ukrainerinnen und Ukrainer.

Zu den Fragen 44 und 45:

39 732 Personen männlich, 48 762 Personen weiblich; bei den restlichen Leistungs­be­ziehern ist das Geschlecht nicht bekannt. 29 087 Leistungsbezieher sind minderjährig, davon 1 687 unbegleitete minderjährige Fremde.

Zur Frage 46:

18 611.

Zur Frage 47:

Bis Mai: 30 291; im Juni: rund 34 000.

Zur Frage 48:

Im Rahmen der Aktion scharf als Aktion gerecht wurden neben der Verstärkung der bundesweiten Ausgleichsmaßnahmen von Anfang Mai 2022 bis Ende Juni 2022 insge­samt 117 nationale Schwerpunktaktionen im Burgenland und 35 bilaterale Schwer­punktaktionen gemeinsam mit Ungarn durchgeführt. Das geschieht natürlich zusätzlich zu den laufenden Grenzkontrollen, den Schleierfahndungen und den Kontrollen im Hin­terland.

Zur Frage 49:

Bei jeder dieser Schwerpunktaktionen werden neben zusätzlichem Personal auch tech­nische Mittel wie Drohnen, Wärmebildkameras und Hubschrauber eingesetzt. Unterstützt


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werden diese Schwerpunktaktionen auch durch Kräfte aus den benachbarten Bun­desländern Wien, Niederösterreich und der Steiermark.

Zur Frage 50:

Meiner Meinung nach viele. Unter anderem haben allein die verstärkten gemeinsamen Streifen rund 1 400 Migranten in Ungarn angehalten. Darüber hinaus möchte ich erwäh­nen, dass Einschätzungen nicht Gegenstand des parlamentarischen Anfragerechts sind.

Zur Frage 51:

Einreiseverweigerung durch Deutschland 2021: gesamt rund 7 000; das beinhaltet auch Mehrfachzurückweisungen.

Zur Frage 52:

39 930.

Zur Frage 53:

Entsprechende Statistiken werden nicht geführt.

Zur Frage 54:

Bei der Wochenlage Migration handelt es sich um laufend zu adaptierende und nach­zuerfassende Daten aus den Meldungen der operativen Kräfte in den Bundesländern. Jede Veröffentlichung würde bedeuten, dass die kommunizierten Zahlen nicht mehr aktuell sind. Weiters setzen sich die operativen Daten für die Migrationslage auch aus Daten anderer Mitgliedstaaten zusammen, für die das BMI keine Erlaubnis zur Veröf­fentlichung hat.

Unsere öffentliche Asylstatistik wurde mit Anfang des Jahres überarbeitet und wird nun monatlich beziehungsweise quartalsweise als Detailstatistik veröffentlicht.

Zur Frage 55:

Zuerst darf ich auf meine Beantwortung zu den Fragen 2, 3 und 49 verweisen. Bereits mit 1. Juli 2022 wurden 55 Fremdkräfte zur Unterstützung der Landespolizeidirektion Burgenland von anderen Bundesländern dienstzugeteilt. Es findet eine laufende Evalu­ierung der Lage sowie der operativen Prozesse statt, um rasch auf neue Entwicklungen reagieren zu können.

Abschließend möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass es bei den Zahlen für Juni im weiteren Verlauf noch zu Bereinigungen kommen kann, weshalb ich diese getrennt dargestellt habe – ich habe nämlich Jänner bis Mai und den Juni separat ausgewiesen, damit ich, was meine Aufgabe ist, das Parlament ausführlich und korrekt informiere. – Vielen herzlichen Dank, meine Damen und Herren Abgeordnete. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Scherak: Das macht ja nicht jeder Minister, alle informieren ...!)

15.55


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Fürst. – Bitte.


15.56.06

Abgeordnete Dr. Susanne Fürst (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Frau Staatssekretärin! Herr Innenminister, Ihr Statement gerade und auch die Beant­wortung der Fragen hat ja gezeigt, dass wir uns hinsichtlich der Fakten, hinsichtlich der dramatischen Zahlen in Sachen Asyl, Migration, unkontrollierte Einwanderung einig sind. Das ist schon einmal eine gute Basis. Gentlemen don’t disagree about facts, hat es vor langer Zeit einmal geheißen – also ein guter Beginn.


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Auch die Maßnahmen, die Sie dann vorschlagen, die Aktionen, die Sie angeblich machen – Bekämpfung der Schlepperkriminalität, sich einzusetzen für kürzere Verfah­ren, für mehr Abschiebungen, Rückführungen –, sind natürlich nicht neu, wären aber der richtige Weg, nur: Das sind die Worte, das sind die Statements hier.

Wie schaut’s aber wirklich aus? – In Wirklichkeit haben wir eben die Zahlen, die Sie hier auch bestätigt haben. Ich will sie gar nicht mehr wiederholen, es reicht einfach die Feststellung, die Sie auch bestätigt haben: Österreich liegt hinsichtlich der Asylzahlen bei der Pro-Kopf-Belastung in der EU auf Platz zwei. – Das sagt alles.

Wir haben seit Beginn 2020 eine türkis-grüne Bundesregierung. Es hat geheißen, das Versprechen hat gelautet: Ausländer-, Asyl-, Migrationspolitik bleibt in der Kompetenz der ÖVP. Das war die eine Welt. Da wird der restriktive Kurs der Vorgängerregierung mit der FPÖ fortgesetzt. (Abg. Belakowitsch: Leider nein!)

Nun beweisen aber genau die Zahlen, die Sie ja jetzt auch bestätigt haben, das Ge­genteil. Es ist wieder total in die Gegenrichtung gegangen. Es gehen alle ein und aus bei uns. Wir haben nach wie vor die jahrelangen Verfahren, wir haben die Asylindustrie, die dranhängt, in der viel Geld fließt, wir haben kaum Abschiebungen und Rück­füh­rungen. Das heißt: Wer hat sich durchgesetzt? – Die grüne Seite; für die ist das ein Erfolg, allerdings: Rückhalt in der Bevölkerung ungefähr im einstelligen Bereich. Sie haben aber das Versprechen abgegeben, den restriktiven Kurs fortzusetzen, und das haben Sie bisher nicht gehalten. (Beifall bei der FPÖ.)

Ganz im Gegenteil: 2020, 2021 waren in Lockdownzeiten die Grenzen offen, also Reisefreiheit nicht für uns, auch nicht für die autochthonen Europäer, sondern für die Drittstaatler. Wir haben Asylzahlen, die sich den Zahlen aus 2015 annähern. Was ist der Unterschied in der Dramatik?  Es wird in den Medien nicht berichtet und man versteckt sich hinter den anderen Krisen, die uns jetzt natürlich so beschäftigen.

Auch bei der Teuerung, die jetzt ständig in Sondersitzungen – natürlich zu Recht – und in Aktuellen Stunden thematisiert wird, wird eine der Hauptursachen für die Preistreiber nicht genannt, nämlich genau diese Asylzahlen und die ungezügelte Einwanderung, die natürlich nicht zuletzt auch angesichts der Coronazeit erhebliche Gesundheitskosten verursacht hat.

Herr Innenminister, weil Sie auch von den Signalen gesprochen haben, die auszusenden sind und die natürlich wichtig sind, gerade an die Schlepper  dass sie eben nicht die Leute hierherbringen , muss ich Sie schon fragen: Haben Sie da schon mit Ihren Kollegen in der Bundesregierung gesprochen, die nämlich ganz fatale Signale, vor allem zu Beginn des Krieges, ausgesendet haben, die sie aber nie korrigiert haben?

Ich darf nur daran erinnern, dass Bundeskanzler Nehammer am 24.2., also schon am ersten Tag des Krieges Ukraine/Russland, gesagt hat: Natürlich nehmen wir alle Flücht­linge auf! Er hat die Ukraine gleich zum Nachbarstaat Österreichs erklärt. Er hat zwar wie immer vorausschauend und auch rechthabend gesagt, dass er nicht davon ausgehe, dass der Ansturm groß sein wird. Wir seien aber solidarisch mit Polen, der Slowakei und Ungarn, die die Hauptlast tragen würden, und wenn es notwendig sei, seien wir dann in Österreich solidarisch. Ja, wir haben es ja! Und jetzt haben wir natürlich auch eine erhebliche Zahl da; ich weiß jetzt nicht genau – 70 000, 80 000 –, wie viele gerade da sind. Die Ukrainer fallen nicht in die Asylstatistik, sondern die kommen noch dazu, muss man sagen.

Übrigens hat Bundeskanzler Nehammer in demselben Interview am 24.2. auch von Ver­sorgungssicherheit gesprochen, dass wir in diesem Winter keine russischen Gas­lie­ferungen mehr brauchen und genug Gas in den Speichern haben. – Das nur ganz nebenbei.


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Kollegin Edtstadler hat dann ebenfalls gleich zu Beginn des Krieges Ende Februar erklärt: Aufnahme für ukrainische Flüchtlinge ohne Limit. – Ohne Limit! Was ist das für ein Signal an Schlepper? Gerade in einer so hochsensiblen Phase von Konflikten – das weiß man ja – gibt es die Krisengewinnler, die Kriegsgewinnler, und dazu gehören immer die Schlepper, die, wie Sie zu Recht gesagt haben, skrupellos, ohne Rücksicht auf Leid agieren. Es ist eine riesige Industrie und Einnahmequelle, die sogar den Drogenhandel befördert und in Kriegszeiten natürlich floriert. Wenn man aber solche Signale aussendet und sie nicht korrigiert, dann darf man sich nicht über den Anstieg der Schlepper­krimi­nalität wundern.

Sie haben dann erst im Mai, zwei, drei Monate später, begonnen und haben in Interviews festgestellt: Ja, die Schlepper nutzen die Situation in der Ukraine aus, um ihr Geschäfts­feld neu zu definieren, die Zahl der Aufgriffe ist gestiegen! Es kommen jetzt auch viele Nichtukrainer, Menschen aus Tunesien, Marokko und Indien, die eigentlich keine Chance auf Asyl hätten! – Ja, richtig, das haben Sie jetzt auch bestätigt, aber Ihre Kollegin Edtstadler hat halt auch gesagt, dass nicht nur die Ukrainer mit ukrainischem Pass kommen dürfen, sondern auch Drittstaatler, die nur aus der Ukraine kommen. (Abg. Belakowitsch: Das hat sie gesagt! Wörtlich!) Wozu führt das? – In der Ukraine haben offensichtlich unzählige Menschen aus Nigeria, aus Afghanistan und Somalia studiert, und die kommen da jetzt aus der Ukraine herüber. Ich meine, das sind eben ganz, ganz fatale Signale.

Sie haben dann Anfang Juni noch gesagt, dass jetzt im Innenministerium schon laut darüber nachgedacht wird, Flüchtlinge in ihre Herkunftsländer zurückzuschicken, auch wenn das Asylverfahren hier noch läuft. Wir wissen natürlich alle, dass die viele Jahre laufen, und es wäre einmal höchst an der Zeit, dazu überzugehen. Sie haben aber auch gemeint, dass wir da ganz am Anfang stehen, es wäre einmal sinnvoll. – Ehrlich gesagt, da fragt man sich schon, was das soll. Ich weiß nicht, wie lange wir das schon im Parteiprogramm haben, auch im Regierungsprogramm von Türkis-Blau hatten wir das eigentlich schon festgeschrieben. Natürlich ist das schwierig, ja. Sie stellen auch fest, dass die Drittstaaten die Flüchtlinge nicht zurücknehmen. – Ja, aber wo stehen wir? Sie haben uns jetzt auch erklärt, Sie stehen in Verhandlungen über Rückübernah­meab­kom­men. – Ja, aber das muss doch alles schon passiert sein! Und wo machen Sie Druck in der EU? (Abg. Belakowitsch: Das ist Aufgabe des Außenministers!) Das ist ja unglaub­lich, dass da nichts zustande kommt.

Wir waren gerade im Gespräch mit Außenminister Schallenberg, der zugegeben hat, dass Österreich nur 26 bilaterale Abkommen hat; man darf diese nämlich sehr wohl mit einzelnen Staaten bilateral abschließen. Von den 26 Staaten sind aber sage und schreibe 17 EU-Staaten. Und wenn man jetzt glauben würde, bei den restlichen neun handelt es sich um die Länder, aus denen die meisten kommen, also Afghanistan, Marokko, Somalia, Syrien und Irak – nein, nein, nein! Da sind die Schweiz, Liechtenstein, Bosnien und Kosovo dabei. Ja, das ist ohnehin wichtig, dass wir mit der Schweiz ein Abkommen haben, dass wir die Schweizer wieder zurückschicken, aber ich glaube, das ist jetzt nicht wirklich so erste Priorität.

Übrigens, wenn wir schon bei der Schweiz sind: Diese hat über 50 Rückführungs­ab­kommen, bilaterale natürlich; sie ist nicht in der EU, aber da funktioniert das, sie hat diese Abkommen. Da könnte man sich auch so manches abschauen, glaube ich, so wie man sich überhaupt von der Schweiz so manches abschauen könnte.

Und zur EU: Ja, da liegt vieles im Argen, auch hinsichtlich Gerichtsbarkeit von EGMR und EuGH, aber da geht es halt darum, wirklich Druck zu machen – und ich denke, für die ÖVP geht es darum, ihre Versprechen einzulösen. (Beifall bei der FPÖ.)

16.04



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 193

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Stocker. – Bitte. (Abg. Belakowitsch  – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Stocker –: Bitte keine Schönwetterrede!)


16.04.29

Abgeordneter Dr. Christian Stocker (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Meine geschätzten Damen und Herren, die Sie diese Sitzung vor den Bildschirmen beziehungsweise hier im Saal verfolgen! Was wir hier heute erleben, ist die Fortsetzung der Debatten des gestrigen Tages und dessen, was die Opposition offensichtlich für Politik hält. (Abg. Belakowitsch: Ach so! Weil es Ihnen wurscht ist! – Ruf bei der SPÖ: Das passt euch nicht, gell?)

Die SPÖ hat gestern die Menschen in diesem Land in der Frage der Teuerung im Stich gelassen. (Heiterkeit bei der SPÖ.) – Sie waren dagegen, dass die, die es am drin­gendsten brauchen, 300 Euro bekommen. Sie waren dagegen, dass die Familienbeihilfe von 180 Euro im August ausbezahlt wird. Sie waren dagegen, dass im Oktober 500 Euro pro Person und 250 Euro pro Kind ausbezahlt werden, und Sie waren dagegen, dass der Familienbonus erhöht wird. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Ruf bei der SPÖ: Der war im Blackout!) Das sollen die Menschen in diesem Land wissen, damit sie auch wissen, wo die soziale Kompetenz verortet ist, nämlich in der Bun­desregierung und nicht mehr in der SPÖ. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Rufe bei der SPÖ: Hallo! – Abg. Stöger: Das war der gestrige Tag?)

Heute, meine geschätzten Damen und Herren, wird das Asylthema von der FPÖ dazu ver­wendet, um hier einmal mehr Lösungen anzubieten, die keine sind. (Abg. Belakowitsch: Ach so!) – Nein, die keine sind. (Abg. Belakowitsch: Glauben Sie das? – Abg. Amesbauer: Der Minister hat uns ja recht gegeben! – Abg. Belakowitsch: Haben Sie Ihrem Minister zugehört? Er hat gemeint, er stimmt uns zu!) Das, was Sie hier anbieten, und das, was Sie hier der Bevölkerung vortragen, das trägt zur Lösung der Probleme genau nichts bei. Sie lassen die Menschen auch bei diesem Thema im Stich, das sage ich Ihnen ganz offen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Belakowitsch: Ja, wie genau?)

Vergegenwärtigen wir uns ein bisschen, was die SPÖ hier anzubieten hat. (Abg. Belakowitsch: Wir sind die FPÖ!) Kollege Amesbauer hat ja ein paar Dinge schamhaft verschwiegen, die in seiner Anfrage noch drinnen stehen. Da steht zum Beispiel zu diesem Thema drinnen: „Es braucht eine ‚Festung Europa‘“, und es braucht eine Festung Österreich. (Abg. Belakowitsch: Ja! Das hat er ohnehin gesagt!) – Die Zeit der Festungen, Herr Kollege, ist schon so lange vorbei (Abg. Belakowitsch: Die ÖVP will natürlich alle hereinholen!), dass auch Sie wissen sollten, dass sie in Wirklichkeit zur Lösung nichts beigetragen hat und auch nichts beitragen kann. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Amesbauer: Das haben Kollegen von der ÖVP auch schon gesagt!)

Ihr Klubobmann Kickl hat dazu gesagt: Eine Festung, das ist doch ein schöner Begriff, denn die schützt jene, die drinnen sind. – Ich sage Ihnen etwas: Sie haben den Bundesminister heute offen zum Rechtsbruch aufgefordert (Abg. Belakowitsch: Zu einer Gesetzesänderung haben wir ihn aufgefordert!), das ist Ihr Ansatz zur Lösung des Asylproblems. (Abg. Amesbauer: Und was ist Ihr Ansatz?) Wenn die Richtigen in der Festung drinnen sind, schützt das auch jene, die draußen sind (Abg. Amesbauer: Und was ist mit der Sonderbestimmung?), das sage ich Ihnen dazu auch.

Ja, Sie fordern den Bundesminister zum Rechtsbruch in Asylfragen auf und glauben, dass Sie damit ein Problem lösen. Aber ich verstehe das schon, denn als Herr Kickl Innenminister war, hat er auch geglaubt, dass sich etwas ändern wird, wenn er ein Taferl


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 194

in Traiskirchen hinhängt und draufschreibt: Ausreisezentrum. – Ja, hängen Sie halt ein Taferl an die Grenze, auf dem draufsteht: geschlossen; vielleicht nutzt es auch etwas. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.  Abg. Belakowitsch: Was ist Ihre Politik? Das haben die Bürger entschieden!  Abg. Amesbauer: Ja, was ist Ihre Lösung?)

Dieses Thema ist viel zu ernst und die Herausforderung viel zu groß, als dass es auf diesem Niveau diskutiert werden sollte. Wir wissen, dass wir es nur international im Rahmen der EU werden lösen können. (Abg. Amesbauer: Ja, hab’ ich auch gesagt! – Abg. Belakowitsch: Ja, ist ja klar, weil die EU macht ja nichts!) Wir wissen, dass wir es bilateral lösen werden. Und das, was wir im Inland tun können, hat der Herr Bun­des­minister, dem ich dafür herzlich danke, ausführlich dargestellt, nämlich die Schlepperei zu bekämpfen, damit dieses Leid vermindert wird.

Das, was Sie hier vorschlagen, sind Scheinlösungen (Abg. Belakowitsch: Nein!): ein Taferl aufhängen, einen Rechtsbruch begehen, Push-backs machen, die verboten sind. Sie verweigern sich ja den Bestimmungen der Rechtsordnung und den Entscheidungen der Gerichte. (Abg. Amesbauer: Nein! – Abg. Belakowitsch: Die sind aber nicht vorge­geben! Gesetze kann man ändern!)

Es hat ja noch so einen kuriosen Vorschlag des Herrn Kickl gegeben: Nachtruhe für Asylwerber. Das war auch so etwas. Zwischen 22 Uhr und 6 Uhr Nachtruhe für Asyl­werber. (Zwischenruf der Abg. Fürst.) Auf diesem Qualitätsniveau bewegen sich Ihre Vorschläge. Aus meiner Sicht sind sie sinnbefreit (Abg. Belakowitsch: Lassen Sie das die Bevölkerung entscheiden!) und mittlerweile auch rechtsbefreit. (Abg. Amesbauer: Was ist mit der Sonderbestimmung?)

Ich schließe hier mit dem berühmten Schmetterlingsvergleich – Sie werden ihn ja vielleicht kennen (Abg. Martin Graf: Sie verhängen Chaos!) –: Wer glaubt, dass die FPÖ beim Asylthema zur Lösung beiträgt, der glaubt auch, dass der Zitronenfalter Zitronen faltet. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Amesbauer: Der war echt gut! – Abg. Belakowitsch: Dabei sagt der Minister, was die eigenen Abge­ordneten ...! – Abg. Amesbauer: Das war jetzt ein Schenkelklopfer! – Abg. Belakowitsch: Das zeigt, wie die ÖVP hier handeln will, nämlich gar nicht!)

16.09


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Kollege Einwallner. – Bitte sehr.


16.09.37

Abgeordneter Ing. Reinhold Einwallner (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister! Frau Staatssekretärin! Na ja, meine Damen und Herren, was wir heute hier bei dieser Dringlichen Anfrage erleben, ist so das übliche Spiel der FPÖ, wie wir es halt kennen: dass man diese Karte immer zieht, wenn man sie gerade braucht. Das ist halt inzwischen schon so durchschaubar, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ, dass es einfach nur mehr unglaubwürdig ist, was Sie hier tun.

Ich sage Ihnen eines: Ihre Vorgangsweise, die Sie hier an den Tag legen, löst kein einziges Problem. (Abg. Ries: Also alles bestens? Erzählen Sie das ...!) Es löst kein Problem, im Gegenteil: Sie schaffen mit Ihrer Politik und mit der Art, wie Sie dieses ernste Thema angehen, das Bild der Sündenböcke, Sie spielen Menschen gegeneinander aus, Sie hetzen auf – und das löst das Problem auf keinen Fall, ganz im Gegenteil; das gefährdet unsere Gesellschaft und gefährdet auch den sozialen Frieden in unserem Land. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ähnlich durchschaubar sind die Angriffe von Kollegen Stocker in Richtung Sozialde­mo­kratie, weil Sie merken, dass Ihre Lösungen in der Frage der Teuerung nicht bei den


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 195

Menschen ankommen. Die Menschen spüren nicht, dass diese Regierung etwas tut, Sie lassen sie im Stich. Die Menschen haben noch nicht gemerkt, dass etwas gegen die Teuerung unternommen wird, weil die Vorschläge einfach nicht passen und das auch nicht ankommt, und darum gehen auch diese Angriffe ins Leere. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich sage eines: Der Glaube daran, dass wir diese Frage, die Frage des Asyls, national lösen können, ist ein Irrglaube. Wir brauchen europäische Lösungen, und ich glaube – ich nenne Ihnen ein Beispiel –, wir brauchen auch Verfahrenszentren mit UNHCR-Stan­dards und ‑Qualität an den EU-Außengrenzen. Es ist daher wichtig, in der Europäischen Union um Partner zu werben; wir brauchen gemeinsame Partner auf europäischer Ebene. (Abg. Amesbauer: Zum Beispiel das rote Dänemark!) Wir brauchen eine Koa­li­tion auf europäischer Ebene mit den besonders betroffenen Staaten. (Abg. Belakowitsch: Dänemark macht es gut!) Das ist wichtig. Wenn man in der gleichen Lage ist und sich zusammenschließt, ist man stark und hat auch eine stärkere Stimme in Europa. (Rufe bei der FPÖ: Richtig! Ja!) Das brauchen wir in diesen Fragen und das müssen wir anstreben. (Beifall bei der SPÖ.)

Alleingänge auf europäischer Ebene, wie Sie sie machen, haben leider keinen Sinn. Das löst das Problem nicht. Es gibt keine Lösungskompetenz, die fehlt leider in dieser Bundesregierung. Die Lösungskompetenz fehlt in vielen Bereichen: betreffend Teue­rung, betreffend Energiekrise (Abg. Obernosterer: Oje, oje, oje!), aber auch bei diesem Thema fehlt die Lösungskompetenz dieser Bundesregierung. Sie isolieren sich mit Ihrer Haltung auf europäischer Ebene, und das erzeugt leider genau das Gegenteil: dass man alleine dasteht und nichts gemeinsam auf den Weg bringen kann. Gerade in dieser Frage brauchen wir aber eine gemeinsame Lösung.

Wir müssen aber auch das tun, was wir national regeln können. Herr Innenminister, Sie sind noch nicht so lange im Amt, die ÖVP hat das Innenministerium jetzt aber schon seit vielen Jahrzehnten in der Hand und hätte schon längst die Möglichkeit gehabt, ent­sprechende Maßnahmen zu setzen.

Es fehlt immer noch ausreichend Personal für rasche und effiziente Asylverfahren. Ich glaube, es ist notwendig, dass wir das endlich umsetzen. Es braucht schnelle, effiziente Asylverfahren in unserem Land. (Zwischenruf des Abg. Lausch.) Wir brauchen mehr Personal bei den Registrierungsstellen, wir brauchen auch mehr Personal bei der Po­lizei, um Kontrollen durchzuführen. Sie haben in Ihrer Beantwortung zwar aufgezählt, wie die Grenzen kontrolliert werden und wo die Grenzen kontrolliert werden; ich nenne Ihnen aber nur ein Beispiel – es betrifft Ihr Heimatbundesland –, eine kleine Gemeinde, Berg, im Bezirk Bruck an der Leitha: Da klagt der Bürgermeister schon seit Wochen – es ist fast ein Hilferuf des Bürgermeisters –, aber er wird im Stich gelassen. Er wird von Ihnen und von der Landeshauptfrau in Niederösterreich im Stich gelassen, er bekommt keine Hilfe, bekommt keine Unterstützung in dieser Frage. (Zwischenruf des Abg. Rauch.) Das ist notwendig, da müssen wir hinschauen; dort, wo die Probleme sind, müssen wir auch dementsprechend handeln. (Beifall bei der SPÖ.)

Ziel muss es sein, meine Damen und Herren, diesem menschenverachtenden Modell des Schleppens – da haben Sie vollkommen recht – die Grundlage zu nehmen, aber das schaffen wir nicht allein mit einer nationalen Lösung. Nein, wir brauchen, so wie ich es gesagt habe, eine Allianz der betroffenen Länder in der Europäischen Union. Es braucht eine Etablierung von Verfahrenszentren nach UNHCR-Standards. Es braucht starke und verstärkte Anstrengungen, wenn es um Rückführungsabkommen geht, dass wir dem­entsprechend mehr Rückführungsabkommen aushandeln, und es braucht auch – und da muss man schauen, wie man Frontex besser aufstellen kann – eine gute bezie­hungsweise bessere Kontrolle der EU-Außengrenzen. Nur so werden wir dieses Prob­lem lösen können. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Lausch.)

16.14



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 196

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Bürstmayr. – Bitte.


16.15.03

Abgeordneter Mag. Georg Bürstmayr (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Diese Dringliche Anfrage der Freiheitlichen Partei erinnert mich ein bisschen an „Und täg­lich grüßt das Murmeltier“, nur halt mit Hannes Amesbauer an der Stelle von Andie MacDowell; das ist nicht ganz so romantisch. Alles, was Sie da vorbringen, klingt sehr, sehr alt, sehr, sehr vertraut. Ich möchte trotzdem versuchen, ganz sachlich auf zwei, drei Punkte einzugehen.

Ja, es ist richtig, im Jahr 2022 hat Österreich deutlich mehr AsylwerberInnen aufge­nom­men als in den Jahren davor. – Na, Kunststück! In den Jahren 2019 und 2020 (Abg. Belakowitsch: Trotzdem haben wir die meisten ...!) sind diese Zahlen wegen Corona ja komplett eingebrochen. (Abg. Belakowitsch: Nein, „komplett eingebrochen“ nicht! 20 000 waren es!) Jetzt haben wir einen Nachholeffekt. Das war erwartbar und das ist europaweit so.

Und ja, es ist richtig, es sind viele Asylwerberinnen und Asylwerber in Grundversorgung in Österreich, aber – und Sie haben das heute in der Anfragebeantwortung deutlich gehört – auf einen Asylwerber, auf eine Asylwerberin in Grundversorgung kommen zwei Geflüchtete aus der Ukraine. Das ist genau das Verhältnis. Wir haben über 60 000 Men­schen aus der Ukraine aufgenommen. Und jetzt sage ich Ihnen einmal etwas: Sie und ich und wir alle in diesem Haus haben das noch nicht einmal gemerkt. Wissen Sie, warum? – Weil es in diesem Land eine Zivilgesellschaft gibt (Zwischenrufe bei der FPÖ), die das leistet! (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Krisper.) Natürlich sind das genauso Geflüchtete, natürlich sind das genauso Flüchtlinge (Zwischenruf des Abg. Amesbauer), ihnen fallen genau dieselben Bomben derselben Armee auf den Kopf wie den Flüchtlingen aus Syrien; die haben dieselbe Aufschrift, denselben Hersteller, den­selben Absender, nämlich Russland. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Amesbauer: ... das sind keine Islamisten, das sind Europäer! – Abg. Belakowitsch: Das versteht er nicht, er verdient Geld damit!)

Wir machen das in Österreich, Österreichs Zivilgesellschaft leistet das. Und ja, das ist und bleibt eine Herausforderung. Wir Grüne wissen das und wir arbeiten daran, in kleinen Schritten und jeden Tag, und davon lassen wir uns durch Sie und – ent­schuldigen Sie, wenn ich das so sage – Ihre Panikmache nicht abbringen. (Beifall bei den Grünen.)

Wir brauchen keine neuen Gesetze, wir brauchen keine Panikmache, wir brauchen keine Notverordnung. Das, was wir brauchen, ist Engagement, Ruhe, Sachverstand (Zwi­schenrufe bei der FPÖ) und ein bisschen Mitgefühl. – Danke fürs Zuhören. (Beifall bei den Grünen.)

16.18


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Krisper. – Bitte.


16.18.19

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Herr Präsident! Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Angst ist eine Emotion, mit der vonseiten der Politik gerne gearbeitet wird. Wenn die Fakten nicht mehr genug hergeben, um diese Gefühle zu befeuern, dann arbeitet man mit Unwahrheiten. Man benützt Unwahrheiten, um Emotionen zu schüren, stellt sich dann alleine hin und tut so, als ob man der einzige Retter wäre, und geht so auf Stimmenfang. Dafür muss leider


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 197

gerade dieses sensible Thema Asyl und Migration schon lange herhalten, und zwar nicht nur vonseiten der FPÖ, sondern auch vonseiten der ÖVP.

Trennen wir einmal die Themen Asyl und Migration (Zwischenruf bei der FPÖ); es gibt ja oft das Gerede von der illegalen Migration, auch vonseiten des Herrn Ministers. Warum kann ein Mensch in Österreich sein? – Entweder als Asylwerber oder als Migrant. Asylwerber heißt, wir schauen uns an, ob jemand Schutz braucht. (Zwischenruf des Abg. Ries.) Braucht jemand Schutz, dann darf er bleiben, braucht er ihn nicht, dann ist er abzuschieben. Migration können wir steuern. Wer gut für unseren Arbeitsmarkt ist, den sollten wir holen, wen wir nicht brauchen können, dem sollten wir kein Visum erteilen.

Zu Asyl: Seit vielen Jahren wird da von ÖVP und FPÖ, die sich als Heilsbringer ins­zenieren, Angst geschürt. Warum? – Weil das ein billiges Erfolgsrezept ist. (Abg. Belakowitsch: Billig ist das nicht!  Zwischenruf des Abg. Amesbauer.) Ich erinnere nur an den Wahlkampf und das vermeintliche Schließen der Westbalkanroute – ver­meintlich, weil das ein unredliches, fiktives Versprechen war.

Bis heute aber machen FPÖ und ÖVP hier weiter. So meint die FPÖ heute in der Dringlichen Anfrage, Zitat: „Im ersten Jahresdrittel wurden 16.000 Ansuchen gestellt. [...] Im Vergleich zum Vorjahr beträgt das Plus 138 Prozent.“

Die Prozentzahl ist irreführend, Kollege Bürstmayr hat das schon ausgeführt. Warum?  Die Zahl für den Vergleich kommt natürlich aus dem Innenministerium, das diesen Ver­gleich auch angestellt hat, der unredlich ist, weil der Vergleich mit dem Vorjahr gezogen wird, als es strengste Restriktionen in der Reisebewegung und dadurch viel weniger Ein­reisen gab. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Wenn man sich die Entwicklung redlich ansehen möchte, nimmt man das Quartal des letzten Jahres her, 2021, und dann sieht man, dass die Anzahl der Anträge sogar um 30 Prozent gesunken ist. (Abg. Amesbauer: Stimmt ja nicht!)

Mit solchen, bewusst aufschreckend formulierten Meldungen arbeitet aber auch das ÖVP-Innenministerium, zuletzt auch Innenminister Karner: Die Anträge sind belastend am Steigen, kann man dann lesen. (Abg. Amesbauer: Stimmt ja, aber ...!)

Aber was belastet denn, was verursacht Kosten? Doch nicht der Antrag, sondern die Versorgung bei uns in der Grundversorgung und durch andere Leistungen. Das heißt, Sie müssen sich redlich anschauen: Wer bleibt denn wirklich? (Abg. Belakowitsch: Alle, das ist ja das Problem!) Wenn man sich das anschaut, so stellt man fest, es sind im Vergleich zum Vorjahr – ausgenommen die Vertriebenen aus der Ukraine – wiederum weniger Personen als jetzt. Es ist also alles Angstmacherei. (Beifall bei NEOS und Grünen.)

Ein Horrorszenario wird hier an die Wand gemalt. Und noch dazu, wenn Sie dieses Horrorszenario selber annehmen, wo bleibt Ihre Lösung? Wir NEOS malen keine Hor­rorszenarien an die Wand. Wir sind dennoch der Meinung, dass man sich resilient auf­stellen und sich natürlich innerhalb Europas koordinieren muss. Das kann die einzige Lösung sein: sich solidarisch die Asylverfahren zu ihrer Bearbeitung aufzuteilen. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Das Absurde ist aber, dass gerade die FPÖ und die ÖVP für diese Lösung nicht zu haben sind, obwohl gerade Österreich, das, wie richtigerweise gesagt wurde, viele Asyl­anträge zu stemmen hat, von so einer Aufteilung profitieren würde. Und dass Kollege Amesbauer dann noch lobend auf Ungarn verweist, das sich völlig unsolidarisch verhält, ist nur mehr absurd.

FPÖ und ÖVP brauchen aber das Chaos, um weiter Angst machen zu können, und um den Zuschauer glauben zu lassen, man brauche Push-backs, man brauche ein


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 198

barbarisches Vorgehen gegen Asylwerber. Die FPÖ befindet sich mit solchen Aussagen wieder einmal völlig außerhalb des Verfassungsbodens.

Herr Minister, dass Sie in Replik auf Kollegen Amesbauer meinen, Sie müssten nur zwei Sachen richtigstellen und dabei nicht auch richtigstellen, dass Push-backs von Ihnen natürlich nicht akzeptiert werden, war für mich äußerst irritierend. Ich werde versuchen, Sie auf die Verteilerliste für den Newsletter des EGMR zu setzen, der nämlich vor Kurzem klargestellt hat, dass gerade das von Ihnen als gutes Beispiel herangezogene Szenario von Abschiebungen nach Ruanda menschenrechtswidrig ist und gegen das Folterverbot verstößt. (Beifall bei den NEOS sowie der Abg. Yılmaz.)

Weiters erwarten wir uns, dass Sie tun, was Sie versprochen haben, nämlich den Frauen und Kindern, die vor dem Aggressionskrieg Putins gegen die Ukraine geflohen sind, wirklich zu helfen. Wie Kollege Bürstmayr gesagt hat, verdanken wir die Tatsache, dass sie gut versorgt sind, den privaten Haushalten, die ihre Türen geöffnet haben, und nicht dem Staat. In großem Ausmaß haben da nämlich wirklich die Menschen in Österreich für die Unterkunft gesorgt.

Sie machen Ihren Teil nicht. Die ÖVP und ihre Fürsten der Finsternis – die Bundesländer haben ja leider viel zu viel zu sagen – können sich nicht darauf einigen, den Menschen ausreichend Geld zu geben, damit die Mütter, insbesondere Frauen sind ja hier, ihre Kinder mit Essen versorgen können. Es müssen seit Monaten mittlerweile Essensgut­scheine in Österreich verteilt werden, um den Frauen diese Sorgen zu nehmen.

Ich würde mir da erwarten: im Bereich Asyl ein menschlicheres, koordiniertes Vorgehen, und im Bereich Migration mehr Herz und Hirn. Ich erwarte demnach von der Regierung, insbesondere von der ÖVP, mehr Hirn und von den Grünen mehr Herz. (Beifall bei den NEOS sowie der Abg. Yılmaz.)

16.23


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Belakowitsch. – Bitte.


16.23.51

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Bundesminister! Es geht um das Thema Asyl. Es war ein bisschen spannend, jetzt zu beobachten, als Kollege Stocker hier herausgegangen ist und sich da in einer Art und Weise echauffiert hat, die fast überraschend war. Das hat sich auch am Applaus gezeigt. Ich glaube, Sie waren sich selber nicht sicher, was da los ist. Er hat ja in erster Linie dem Bundesminister widersprochen.

Herr Kollege Stocker, also ich habe das jetzt nicht ganz verstanden. Sie beginnen damit: Herr Amesbauer, Sie wollen die Festung Europa! – Ja, die wollen wir. Da sind wir aber in sehr guter Gesellschaft mit der niederösterreichischen Landeshauptfrau. Die hat näm­lich in ihrer Zeit als Innenministerin auch gesagt: „Wir müssen an einer Festung Europa bauen“, und da hat sie vollkommen recht gehabt. Das Problem war nur, dass sie es nicht gemacht hat. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn Sie sagen, Kollege Amesbauer hätte den Herrn Minister zum Amtsmissbrauch aufgefordert, dann haben Sie das nicht ganz verstanden. Der Herr Minister soll sich auf europäischer Ebene dafür einsetzen. Das ist noch kein Amtsmissbrauch. Er soll sich gefälligst jetzt dafür einsetzen, aber bitte, wir wollen kein Türl mit Seitenteilen, wie es das damals unter Faymann und Mikl-Leitner gegeben hat, sondern wir wollen tatsäch­lichen Schutz unserer Grenzen haben! Das ist notwendig, und dafür soll sich der Minister jetzt auf europäischer Ebene ganz, ganz stark machen!


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 199

Man kann ja in Brüssel auch einmal Nein sagen, man kann ja auch einmal eine eigene Meinung vertreten! Man muss nicht immer im Liegen noch umfallen und überall dabei sein, nur um das Liebkind zu sein. Österreich ist mehr als belastet.

Wenn man sich dann die Zahlen ansieht, wie schaut es denn aus mit den Asylanträgen? Der besondere Spaßmacher von den Grünen, Kollege Bürstmayr, hat gesagt: Ist ja ganz logisch, dass die Zahlen voriges Jahr niedriger waren, denn es war ja Lockdown.

Ich möchte nur darauf hinweisen: Als es einen Innenminister Kickl gab, gab es im Jahr 2018 13 000 Asylanträge und im Jahr 2019 12 000 Asylanträge. Dann kamen die Lockdowns, und die Asylanträge in Österreich sind auf über 14 000 angestiegen – dies zu einer Zeit, als die Österreicher das Land nicht verlassen durften, als es Grenz­kontrollen gab für die autochthone Bevölkerung, aber da waren die Grenzen immer weit offen!

Dann ist es im Jahr 2020 weitergegangen. 2020 hat Österreich noch die europaweit höchste Asylantragszahl gehabt, die höchsten Zahlen im Verhältnis zur Einwohnerzahl, 2021 hatten wir dann – unter Anführungszeichen – „die zweithöchsten“. Wir sind seit Jahren im Spitzenfeld, mit Ausnahme von 2018 und 2019! Da läuft doch etwas schief, meine Damen und Herren!

Wenn sich Kollege Stocker hier noch aufregt und meint, Kollege Kickl habe Symbolpolitik betrieben, so muss ich sagen: Offensichtlich nicht nur. Vielleicht auch ein bisschen, weil auch Symbole zählen, weil es auch eine Vermittlung an jene ist, die hierherkommen und glauben, ein Rundumservice zu bekommen. Das ist doch das Problem! Österreich kann das nicht mehr stemmen!

Die eigene Bevölkerung stöhnt und ist geknechtet unter der Teuerung, aber da ist Geld ganz offensichtlich im Übermaß vorhanden! Sie wollen offensichtlich nichts ändern, Herr Kollege Stocker! Vielleicht finden Sie es eh schön, dass die Grenzen offen sind und alle hereinströmen, vielleicht gefällt Ihnen das; uns gefällt das nicht, und der österreichischen Bevölkerung gefällt das auch nicht! (Beifall bei der FPÖ.)

Wir wollen, dass unsere Grenzen dicht gemacht und geschützt werden, ja selbst­ver­ständlich! Denn wenn Sie die Leute an der Grenze nicht zurückweisen können, dann sind sie hier. Dann sagen sie einmal Asyl und dann bleiben sie hier, und dann kriegen wir sie auch nicht mehr los! Das ist das Problem, das wir in Österreich haben! Darum sind die Zahlen schon so exorbitant hoch. Österreich ist ein Asylparadies, das ist ganz offensichtlich. Da ist etwas falsch gelaufen in diesem Land.

Darum, muss ich ganz ehrlich sagen, verstehe ich Sie nicht, Herr Stocker. Dieses Welcomeservice, das wir an den Grenzen haben, muss durch ein Abschreckungsservice ersetzt werden! Nur so werden wir es schaffen, dass unsere Grenzen eben nicht weiter­hin überrannt werden!

In diesem Zusammenhang gab es eine Aufforderung an den Innenminister, sich auf europäischer Ebene ordentlich dafür einzusetzen. Nun kann er sagen, er will es nicht, das ist ein anderes Thema; aber das ist keine Aufforderung zum Rechtsbruch, das ist eine Aufforderung, in Brüssel bei diesem Thema Muskeln zu zeigen.

Österreich ist nämlich in diesem Zusammenhang eines der belastetsten Länder in der EU, und das Ganze vor dem Hintergrund, dass unsere eigene Bevölkerung oft nicht mehr weiß, wie sie sich ihr Leben leisten soll. Daher muss jetzt Schluss sein! Ich glaube, Österreich hat genug geleistet in den letzten Jahren! Wir haben unsere Solidarität mehr als übererfüllt! Jetzt sollten andere Länder etwas tun! (Beifall bei der FPÖ.)

16.28


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Gödl. – Bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 200

16.28.46

Abgeordneter Mag. Ernst Gödl (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Geschätzte Damen und Herren hier im Haus und zu Hause vor den Bildschirmen! Wenn man die letzten beiden Rednerinnen jetzt neben­einanderstellt und ihre Argumente betrachtet, kann man, glaube ich, sagen, dass unser Bundesminister mit seiner Art, Politik zu betreiben, und auch mit den Vorstößen, die er unternommen hat, genau richtig liegt, nämlich genau in der Mitte. Er liegt mit seiner Politik in der Mitte zwischen den Forderungen einerseits und den Forderungen anderer­seits, er liegt in der Mitte (Abg. Belakowitsch: Haben Sie ihm nicht zugehört? – weitere Zwischenrufe bei der FPÖ), wenn es einerseits um ein Handeln im Sinne von Men­schenrechten und Rechtsstaatlichkeit geht, andererseits aber natürlich auch um ein wichtiges Handeln im Sinne des österreichischen Staates. (Beifall bei der ÖVP.) Das garantiert unser Innenminister und das hat er in seiner Antwort auch eindeutig gesagt.

Es ist das Besondere in diesem Haus, meine Damen und Herren – dies an alle, die uns von zu Hause zusehen –, dass die Opposition immer weiszumachen versucht, wir könnten internationale, globale Krisen hier allein lösen und bewältigen.

Wir sind nun einmal ein Land mit neun Millionen Einwohnern (Abg. Yılmaz: Sagen Sie, welche Opposition!) und wir sind vielen internationalen Krisen ausgesetzt. (Abg. Amesbauer: Das hat gar niemand gesagt!) Die Pandemie war oder ist so eine, die Teuerung ist so eine, bei der die SPÖ immer so tut: Na ja, alles ist hausgemacht!, und auch die FPÖ immer in die gleiche Richtung argumentiert.  Nein, das sind internationale Entwicklungen, bei denen wir natürlich versuchen, bestmöglich gegenzusteuern. Auch bei der Migration ist es so.

Ich versuche wirklich, ganz sachlich zu argumentieren und vielleicht auch ein paar Dinge aus unserer Sicht zurechtzurücken, auch das Beschönigen, auch was Herr Kollege Bürstmayr teilweise gesagt hat, aber ganz besonders auch Frau Krisper.

Ja, Österreich war in den letzten Jahren ein absolutes Zielland innerhalb der Euro­päischen Union in Fragen der Asylsuche. (Abg. Belakowitsch: Immer noch! Nicht „war“! Ist immer noch!) Wir haben seit 2015, wenn man nur diese Zahlen betrachtet, etwa 258 000 Asylanträge in Österreich verzeichnet, und etwa 153 000 von diesen erhielten Schutz in Österreich – Schutz aus gutem Grund, weil sie nachweisen konnten, dass sie zu Hause, dort, wo sie herkommen, tatsächlich auch persönlich verfolgt werden. Trotz­dem gibt es in mancherlei Hinsicht eine gewisse Schieflage, die wir hier auch klar ansprechen müssen und die auch unser Bundesminister klar angesprochen hat.

Ich war in den letzten zwei Monaten auf zwei Migrationskonferenzen in Europa, zum einen in Paris und zum anderen vor zwei Wochen, gemeinsam mit einigen Kolleginnen und Kollegen, in Istanbul. Eine Aussage eines hochrangigen französischen Politikers aus der Mannschaft von Macron war: Es darf in Europa kein Asyl à la carte geben. Man darf sich Asyl nicht einfach aussuchen dürfen. (Zwischenruf der Abg. Seidl.) Europa, die Europäische Union muss ein System entwickeln, in dem Schutz gewährt wird, ja; aber es kann nicht sein, dass ganz wenige Länder – und dazu zählt Österreich – bevorzugte Asylländer sind und dagegen keine Schritte unternehmen dürfen.

Freilich – und das muss man auch ansprechen, das hat auch Frau Ministerin Mikl-Leitner 2016, sie wurde heute schon zitiert, angesprochen –: Wir müssen im Asylbereich, auch in der Frage der Integration natürlich auch darauf schauen, was unser Staat insgesamt leisten kann. Deswegen ist es so wichtig, dass wir zu Lösungen kommen, die natürlich nur international zu schaffen sind. Das ist das Allererste, und das predigen wir als Volkspartei seit Jahren: Das Erste, die oberste Prämisse ist, die Hilfe vor Ort zu ver­stärken.


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Ich bin gespannt, was Sie betrifft, liebe Freiheitliche. Wir haben etwas später, bei den Tagesordnungspunkten des Finanzausschusses, auch einen Punkt, bei dem wir noch Einzahlungen seitens Österreichs an internationale Hilfsorganisationen für Entwick­lungs­hilfe beschließen werden. Ja, wir müssen diese Hilfe verstärken, wirtschaftliche Hilfe vor Ort, um Länder zu stabilisieren. Sollte es zu Konflikten kommen und sollten Menschen flüchten müssen, dann müssen wir die Nachbarländer unterstützen, damit sie Flüchtlinge aufnehmen und menschenwürdig versorgen können.

Deswegen ist es auch so wichtig, liebe Kolleginnen und Kollegen der Freiheitlichen, dass wir jetzt, da wir selbst als Nachbarn unmittelbar betroffen sind, nämlich als Nachbarn zu einem echten, wahnsinnigen Konflikt in der Ukraine, zu diesem Krieg, gerade auch in der Rolle des Nachbarn Unterstützung leisten – und das tun wir, und da haben wir schnell gehandelt. (Abg. Krisper: Stimmt nicht!) Die österreichische Bundesregierung hat sehr schnell die Vertriebenen-Verordnung erlassen.

Es stimmt schon, wir haben sehr viele in der Grundversorgung, und wir beschließen heute auch eine Erhöhung der Beiträge zur Grundversorgung (neuerlicher Zwischenruf der Abg. Krisper), damit die Grundversorgung gewährleistet ist. Da leistet Österreich Enormes. Das ist auch richtig (Zwischenruf des Abg. Amesbauer) und wichtig. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Was aber nicht sein darf, meine Damen und Herren: Das aktuelle Asylsystem begünstigt weltweit das Schlepperwesen massiv. Sie sehen in allen Statistiken: Wer kann sich denn auf die Reise machen, Asyl zu suchen? Die meisten bleiben in der unmittelbaren Nachbarschaft, wenn sie in ihrem Land nicht bleiben können. Wer macht sich auf die Reise? – Der, der es sich leisten kann, der, der einen Schlepper bezahlen kann! Und es geht uns nicht um diese Leute. Es ist völlig klar, dass die sich auf die Reise machen. Wir müssen denen, die als Schlepper fungieren, das Handwerk legen, denen müssen wir die Geschäftsgrundlage entziehen.

Dazu braucht es natürlich ein besseres Außengrenzenmanagement (Abg. Angerer: Das erzählt ihr schon seit Jahren!) der Europäischen Union, dazu braucht es in Zukunft andere Verfahren innerhalb der Europäischen Union. Dazu braucht es Überlegungen, ob wir nicht die Asylprüfungen tatsächlich an den Außengrenzen machen, damit diese teuren Kosten für eine Schlepperei nach Mitteleuropa gar nicht erst in Kauf genommen werden müssen, und dann folgt möglicherweise in vielen Fällen ein negativer Asyl­bescheid; denn das ist die größte Frustration auch für diejenigen, die sich auf die Reise gemacht haben (Abg. Bösch: Wirkungslos! Wirkungslos!): viel Geld ausgegeben, die Schlepper haben profitiert, am Schluss haben sie einen negativen Asylbescheid, und wir haben alle Hände voll zu tun, sie in ihre Herkunftsländer zurückzuführen. Das heißt, ja, es gibt Handlungsbedarf. (Abg. Belakowitsch: Die lassen wir gar nicht rein! Das Beste ist, gar nicht reinzulassen!)

Herr Bundesminister, danke, dass Sie sich wirklich über die Maßen einsetzen, um dies­bezüglich bessere Lösungen zu finden. Es besteht Handlungsbedarf, im Sinne unseres eigenen Landes einfach effektive Lösungen zu finden, auch im Interesse jener, die Asyl suchen. Die erste Prämisse muss Hilfe vor Ort sein, und die zweite, den Schleppern das Handwerk zu legen. Daran müssen wir arbeiten. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

16.35


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Bayr. – Bitte.


16.35.58

Abgeordnete Petra Bayr, MA MLS (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich gebe meinem Vorredner ganz recht, wir brauchen in der Tat mehr Mittel für Entwicklungszusammenarbeit, aber nicht nur für die internationalen Finanzinstitutionen,


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die wir heute später noch beschließen werden, sondern auch für die bilaterale. Da ist für Österreich echt noch sehr viel Luft nach oben, sich auch budgetär bewegen zu können. (Beifall bei der SPÖ.)

Seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine sind ungefähr acht Millionen Men­schen aus der Ukraine geflohen, die allermeisten von ihnen Frauen und Kinder, sehr viele von ihnen aufgrund von sexuellen Übergriffen traumatisiert. Es gibt schauderhafte Geschichten darüber, dass Mütter vor ihren Kindern vergewaltigt worden sind, dass die Kinder, Mädchen wie Burschen gleichermaßen, vor ihren Müttern vergewaltigt worden sind. Diese Leute sind höchst traumatisiert. Diese Leute brauchen sehr dringend unsere Hilfe, zum Beispiel in Form von juristischer oder politischer Hilfe. Ich glaube, dass das einerseits Anlass dafür sein soll, dass wir uns anschauen, wie gut internationales Recht, auch Kriegsrecht, in dieser Frage funktioniert.

Uns ist klar, es ist an sich verboten, sexuelle Gewalt als Kriegsmittel zu verwenden. Es wird nur ganz, ganz schlecht geahndet – ganz, ganz schlecht vor allem nicht nur bei den Ausführungstätern, bei den Vergewaltigern selbst, sondern in der gesamten Befehlskette ist es kaum möglich, den Tätern Herr zu werden, weil ganz oft Beweise fehlen, die dann wirklich vor Gericht auch verwendet werden können, sei es im Fall der Ukraine der Inter­nationale Strafgerichtshof oder ein eigenes Tribunal, das dafür eingerichtet werden muss.

Es ist einfach total wichtig, auch forensisch gesehen, wirklich haltbare Fakten zu haben, die man vor ein Gericht bringen kann, weil nur dann, wenn es diesen Zugang der Über­lebenden zu Gerichten gibt, gibt es auch die Möglichkeit, überhaupt Rechtsmittel zu haben, nur dann – etwa im Fall des Internationalen Strafgerichtshofes – gibt es die Mög­lichkeit, zu diesem Opferfonds zu kommen, im Rahmen dessen auch Opfer von sexueller Gewalt, Überlebende von sexueller Gewalt entschädigt werden könnten.

Darüber hinaus braucht es auch – und das auch bei uns in Österreich – Akuthilfe, Akuthilfe für die Überlebenden, sei es in Form von psychologischer, medizinischer, juristischer oder auch sozialer Unterstützung, aber auch – wir wissen, viele Frauen werden bei diesen Vergewaltigungen schwanger – ein Recht auf Zugang zu ihren reproduktiven Rechten und die Möglichkeit, auch eine Abtreibung vornehmen lassen zu können. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Krisper.) Das ist in vielen Ländern, wie zum Beispiel Polen, wovon wir wissen, dass viele Frauen dort landen, unmöglich, und das sollte nicht unmöglich sein. Das ist aber auch in Österreich zum Teil unmöglich, da kommt es auf die Meldeadresse an, ob es zum Beispiel auch finanzielle Hilfen für eine Abtreibung gibt oder nicht. Also da haben wir einiges zu tun.

Vergewaltigung als Kriegsmittel ist wahrscheinlich so alt wie Krieg an sich. Es ist wahr­scheinlich das Kriegsmittel, das am abscheulichsten die Demütigung, die Verletzung und die Unterwerfung nicht nur einer individuellen Frau, sondern auch ihrer Familie, auch der Gemeinschaft zum Ausdruck bringt. Wir sehen das auch in anderen Gesellschaften, in anderen kriegerischen Auseinandersetzungen, dass sexuelle Gewalt sehr lange und anhaltende Effekte hat.

Wenn ich da zum Beispiel an all die Frauen in Ex-Jugoslawien, die vergewaltigt worden sind, denke oder an die Jesidinnen, die von IS-Kämpfern mehrfach pro Tag verkauft worden sind. Wenn ich an Afghanistan denke – auch ohne Krieg, by the way – und wenn ich an die Ukraine jetzt denke: Da ist viel zu tun.

Lassen Sie mich aber noch eine generelle Überlegung anstellen: Putin führt diesen Krieg aus unterschiedlichem Kalkül; zum einen aus einem Großmachtkalkül, aus der Über­legung, wieder ein großer, mächtiger, zarengleicher Herrscher zu werden, aber er hat natürlich auch ein anderes Kalkül im Sinn, wenn es darum geht, welche Effekte solche Kriege auf den Westen haben. Da geht es einfach um Instabilität. Da geht es um


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Destabilisierung, sei es über den Weg der Nahrungsmittelkrise, die er erzeugt, die in weiterer Folge Flucht erzeugen wird, sei es über die Energiekrise, die ganz sicher auch die Klimakrise anheizen wird – ich denke nur an Österreich, wo empfohlen wird, Gas durch Erdöl zu ersetzen –, oder sei es, um die Flucht an sich zu befördern.

Das ist ganz genau das gleiche strategische Mittel, das Putin in Tschetschenien und in Syrien eingesetzt hat, und jetzt setzt er es in der Ukraine ein. Das ist ganz genau das gleiche Kalkül, das seine Vasallenstaaten eingesetzt haben, das etwa Lukaschenka in Belarus eingesetzt hat, indem er Afghanen an die EU-Grenze gekarrt und gesagt hat: Freier Weg in die EU hinein!

Es ist einfach das Kalkül, durch flüchtende Menschen Instabilität zu erzeugen, durch flüchtende Menschen den Ruf nach einem starken Mann zu erzeugen. Das heißt, Putin missbraucht Menschen, um anderswo Ängste zu schüren, und rechtspopulistische Parteien schwimmen auf genau dieser Welle mit, surfen auf dieser Welle und versuchen, dadurch Stimmungsmaximierung zu machen. Das ist schändlich. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Krisper.)

Wer hier die Büttel Putins sind, kommt aber eh nicht überraschend, und so gesehen geht es einfach wirklich nur darum, diese Krise gemeinschaftlich zu überwinden (Abg. Schrangl: Wissen Sie, was auf der Tagesordnung steht?) und zu schauen, dass wir wieder in ein Fahrwasser kommen, in dem Rechtsstaatlichkeit, in dem Demokratie, in dem Rationalität den Ton angeben und nicht Ängste, die von Putin und seinen politischen Vasallen im Westen geschürt werden. – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ.)

16.42


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete El-Nagashi. – Bitte.


16.42.21

Abgeordnete Mag. Faika El-Nagashi (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe wahrgenommen, dass es eine große Sorge in Bezug auf das Thema Schlepperei gibt. Es gibt den Wunsch, der Schlepperei das Handwerk zu legen. Ich glaube, es gibt einige Punkte, die in dieser Debatte noch nicht erwähnt wurden, dazu, was da notwendig wäre, nämlich legale Fluchtwege zu schaffen: legale Fluchtwege, Resettlement­program­me, Schutz und Kontingente für besonders vulnerable Gruppen. Damit wird der Schlep­perei das Handwerk gelegt. (Beifall bei den Grünen, bei Abgeordneten der SPÖ sowie der Abg. Krisper.)

Es ist eine Debatte, die abstrakt geführt wird, aber nicht mit abstrakten Worten, sondern mit sehr konkreten Worten. Ich weiß nicht, ob Sie sich selber zuhören: Es ist eine Debatte, bei der es zum Teil schmerzhaft ist, überhaupt zuzuhören, wie über Menschen gesprochen wird. Es wird ausgeblendet, über wen gesprochen wird. Es wird über Menschen gesprochen, die auf der Flucht vor Krieg, vor Verfolgung sind, die dämonisiert werden, die entmenschlicht werden, die abgewertet werden. Das tun Sie mit der Sprache, die Sie verwenden, in einer sprachlichen Eskalation, die Sie anwenden, in einer Vermischung verschiedener Bereiche, von Asyl und von Migration, und mittels einer hohen Verunsicherung, die Sie hineinlegen: eine Verunsicherung und eine Spaltung, die allgemein in die Gesellschaft hineinzielt, aber auch eine Verunsicherung der Menschen, die auf der Flucht sind, die in Österreich leben, die hier um Schutz ansuchen, die auch Asyl bekommen haben und die in Bezug auf ihre eigene Bleibeperspektive, Lebens­perspektive, die Situation ihrer Familien und Angehörigen hoch verunsichert sind.

Die Botschaft, die Sie in diese Richtung ausschicken, ist eine Botschaft der Bevölkerung gegenüber und Menschen gegenüber. Das ist das Verwerfliche, wenn Sie dieses Thema für Sommerkampagnen hernehmen und von „Asyl à la carte“ sprechen: Damit wird es in


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einen Bereich gezogen, in dem es von der Lebensrealität der Menschen völlig losgelöst ist. (Beifall bei den Grünen, bei Abgeordneten der SPÖ sowie der Abg. Krisper.)

Die Botschaft, die damit ausgeschickt wird, vor allem jungen Menschen gegenüber – und es ist angesprochen worden, dass es auch einen integrationspolitischen Aspekt gibt; nicht nur, aber vor allem jungen Menschen aus unterschiedlichen Communitys gegen­über, die hier leben, hier Schutz bekommen haben, hier ihre Lebens- und Zukunfts­perspektive aufbauen; jungen Menschen aus der afghanischen Community, jungen Menschen aus der tschetschenischen Community –, ist permanent die Botschaft: Ihr gehört hier nicht dazu! – Und das ist eine sehr problematische Botschaft. Integrations­politik sollte genau das Gegenteil machen und sollte sich bemühen, Perspektiven zu schaffen, Chancen zu schaffen und Zusammenhalt zu schaffen. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Lindner.)

Der Beitrag der Zivilgesellschaft ist schon angesprochen worden – dass die Zivilgesell­schaft ein Eckpfeiler, eine Säule in der Flüchtlings- und Integrationsarbeit ist –, und ihr gebührt auch ein sehr großer Dank. Sie steht als Gegenpol zu dem, was auf der poli­tischen Ebene allzu oft gemacht wird, nämlich dieses Thema für eine gesellschafts­spal­tende und eine rassistische Rhetorik zu missbrauchen. (Beifall bei den Grünen sowie der Abgeordneten Lindner und Krisper.)

16.45


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Loacker. – Bitte.


16.46.01

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Wenn ich der Anfrage der FPÖ etwas Positives abgewinnen will, dann muss ich es so hinzimmern, dass ich sage: Ja, okay, wenn die FPÖ ausdrücken will, dass Österreich eine schlechte Zuwanderungspolitik hat, okay, dann kann ich dem zustimmen! Ich würde sogar sagen, wir haben eigentlich keine Zu­wanderungspolitik und wir würden eine brauchen, und zwar eine gezielte. (Abg. Schrangl: Das ist eine andere Thematik! Abg. Kainz: Ja, aber eine gute!)

Die Frau Staatssekretärin hat kürzlich zu Recht darauf hingewiesen, dass im Tourismus 35 000 Arbeitskräfte fehlen. Und was wird gemacht? – Das Saisonnierkontingent wird um 1 000 erhöht – um 1 000! Das ist nichts! Saisonniers sind ja die, die zum Arbeiten kommen und nach dem Arbeiten wieder gehen und gar nicht bleiben wollen und auch nicht bleiben können. Warum man da solche Beschränkungen einzieht, frage ich mich seit Jahren. Erntehelfer für Pilzernte, Spargelernte, alles Mögliche, 200 im Jahr: Die Leute kommen zum Arbeiten, die wollen arbeiten und gehen dann mit dem schwer­verdienten Geld wieder nach Hause. Die machen Arbeiten, die – das muss man ganz offen ansprechen – die Österreicherinnen und Österreicher nicht machen. Warum diese Beschränkung auf 200 Erntehelfer? (Abg. Lausch: Du bist in der falschen Veran­staltung!) – Das ist aber das, was die Mehrheitsparteien im Hauptausschuss an Kontin­genten beschließen. Für Familiennachzug sind es dann 5 100, da kommen dann viel mehr. Auch da frage ich mich: Wie kommt diese Gewichtung zustande? Warum sind wir bei denen, die bei uns arbeiten wollen, so restriktiv und bei denen, bei denen es nicht ums Arbeiten geht, relativ großzügig? – Es passt nicht zusammen.

Wir haben momentan insgesamt in der Wirtschaft über 200 000 offene Stellen, allein beim AMS sind Hundert-irgendwas-tausend gemeldet. Jetzt haben wir doch in dieser Woche hier herinnen Erleichterungen bei der Rot-Weiß-Rot-Karte beschlossen. 5 000 Rot-Weiß-Rot-Karten werden jedes Jahr vergeben, und der SPÖ geht das zu weit, weil sie fürchtet, dass der Arbeitsmarkt unterminiert wird, wenn statt 5 000 Rot-Weiß-Rot-Karten


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vielleicht 6 000 oder 6 500 vergeben werden. Da haben einfach wesentliche Player in dieser Republik kein Gespür für Zahlen und keine Verhältnismäßigkeit bei den Größen­ordnungen. Die Rot-Weiß-Rot-Karte ist bei diesen Dimensionen für den Arbeitsmarkt leider irrelevant. Es wäre schön, wenn sie relevant wäre, weil mehr Arbeitskräfte diese Möglichkeit nützen, um nach Österreich zu kommen. Stattdessen aber bauen wir Hürden auf, die so hoch sind, dass die Menschen lieber nach Schweden, nach Australien, nach Kanada arbeiten gehen, weil sie da leichter hinkommen können und schneller arbeiten dürfen.

Das Thema Ukraine ist auch schon angesprochen worden. Wir können jetzt darüber diskutieren, ob 70 000 Ukrainer oder 60 000 oder 80 000 da sind, aber ich habe jedenfalls aus einer Anfragebeantwortung die Information, dass 5 168 von denen – also weit weniger als ein Zehntel – eine Beschäftigungsbewilligung beim AMS bekommen haben, weil wir es natürlich auch diesen Ukrainerinnen und Ukrainern möglichst kompli­ziert machen. Die kommen her, bekommen eine Blaue Karte, weil sie geflüchtet sind, und dann sagt man nicht: Ihr habt eine Blaue Karte, ihr dürft arbeiten, wie wenn ihr EU-Bürger wärt! – Nein, die müssen jetzt noch zum AMS wegen einer Beschäftigungs­bewilligung. Argument: Wir müssen ja wissen, was die tun.

Und dann frage ich parlamentarisch an (Abg. Belakowitsch: ... Asylthema ...!): Was wissen wir denn, was die tun? – Und: Das AMS weiß original gar nichts. Laut Anfrage­beantwortung wissen wir es nicht. Dann frage ich mich: Warum schickt man die zum AMS? Warum müssen die Unternehmen noch eine Beschäftigungsbewilligung einholen, wenn wir mit der Information dann eh nichts machen? Man sollte lieber die bürokratische Hürde herunterschrauben.

Viele, die aus der Ukraine kommen, haben Probleme mit der Anerkennung ihrer Aus­bildungen. Sie haben etwas gelernt und können das in Österreich nicht anwenden, weil wir alle möglichen Hürden aufbauen. Da gibt es natürlich auch bestimmte Kammern, die dann besonders restriktiv in der Anerkennung sind – wir wollen keine Namen nennen, aber die betreffenden Ärzte wissen schon, wer gemeint ist –, dass man die Leute gezielt draußen hält. Das ist der Spirit, und den hat natürlich auch die FPÖ seit 1986 genährt. (Beifall bei den NEOS.)

Damit halten wir nicht nur Asylwerber draußen, sondern Menschen, die hier arbeiten wollen, und das ist ein Fehler. Wir werden sie nämlich brauchen. Wir haben jetzt schon einen Arbeitskräftemangel, und wenn man ein bisschen die Zahlen anschaut, wer denn da in nächster Zeit in Pension geht und wer neu auf den Arbeitsmarkt kommt, dann sieht man, dass geburtenstarke Jahrgänge in Pension gehen und geburtenschwache Jahr­gänge, die auch ein ganz anderes Verhältnis zur Work-Life-Balance haben, nachkom­men. Das heißt, da fehlen uns Zehntausende Arbeitskräfte allein aufgrund der Demo­grafie. Wir werden, ob uns das schmeckt oder nicht, die Zuwanderung brauchen, damit unsere Wirtschaft weiter funktionieren kann, und dafür brauchen wir eine gezielte Zu­wanderungspolitik, die dieses Land nicht hat. (Beifall bei den NEOS. Abg. Belakowitsch: Ja, aber das Problem ist, die sind dann in der Mindestsicherung!)

16.51


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Ries. – Bitte.


16.51.40

Abgeordneter Christian Ries (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Es ist kein Zufall, dass dieser Punkt gerade heute auf der Tagesordnung steht (Abg. Yılmaz: Ja, denke ich mir!), denn heute ist der Internationale Sag-die-Wahrheit-Tag, und so wollen wir es auch halten. (Beifall bei der FPÖ. – Zwi­schenrufe bei der SPÖ.)


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Auch in der Frage der illegalen Migration sollten wir die Wahrheit sagen. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Sagen wir also, dass derzeit an der Grenze zwischen Serbien und Ungarn teilweise bürgerkriegsähnliche Zustände herrschen! Sagen wir, dass es dort täglich verletzte Polizisten gibt! Sagen wir zum Beispiel auch, dass es erst letzten Samstag eine Schießerei zwischen Pakistani und Afghanen gab, mit einem Toten und sechs Schwer­verletzten! Sagen wir das!

Sagen wir, dass es der Wahrheit entspricht, dass im Burgenland täglich an die 400 Per­sonen aufgegriffen werden! Da sind keine Ukrainer dabei. Wer das gesagt hat, der tanzt auf der falschen Veranstaltung.

Und sagen wir auch, dass es der Wahrheit entspricht, dass uns die Bundesrepublik Deutschland jede Woche 100 bis 200 illegale Migranten zurückschickt, zu denen sie sagt – und das ist nach deutschem Asylgesetz möglich –: Ihr kommt aus Österreich, sucht dort um Asyl an! – Sagen wir das!

Sagen wir auch, dass die Zahl der Illegalen seit Monaten linear ansteigt und dass das BMI diese Entwicklung bisher komplett versäumt hat, und sagen wir auch, wie viele Aufgegriffene jetzt mittlerweile schon wieder untergetaucht sind; wir nicht wissen, wo sie sind!

Sagen wir auch, dass von unseren Nachbarländern die Flüchtlinge, die durch ihr Land gekommen sind, nicht registriert wurden, und wir jetzt die Ersten sind, die sie registrieren sollen! Dann gehören sie uns – sagen wir das auch! Und sagen wir auch, dass die Polizeibeamten an der Grenze frustriert sind, weil sie wissen, dass sie eine Sisyphus­arbeit verrichten, die nur darin besteht, die illegale Migration zu verwalten!

Und weil es auch die Wahrheit ist, sage ich Ihnen jetzt, dass sich die Lage im Burgenland zwischenzeitlich so zugespitzt hat, dass sich die Frauen und die Mädchen in den Grenzgemeinden am Abend nicht mehr außer Haus trauen.

Herr Kollege Einwallner, wenn Sie meinen, das sei eine Scheindebatte, dann würde ich Ihnen einmal empfehlen, das, was Sie hier zum Besten gegeben haben, am Dorfplatz einer kleinen burgenländischen Grenzgemeinde zu verzapfen. (Beifall bei der FPÖ. Bundesminister Karner: Waren Sie herinnen, wie ich geredet habe?) – Ja.

Herr Kollege Einwallner, und dann würde ich Ihnen raten, dass Sie Ihr Fahrzeug mit der Nase Richtung Vorarlberg parken, denn dann werden Sie sich beeilen müssen. Sie würden sich wundern, wie viele nasse Fetzen es in so einer kleinen burgenländischen Gemeinde gibt. (Beifall bei der FPÖ. Zwischenruf des Abg. Einwallner.) – Kollege Einwallner, diese Menschen, die in den Grenzgemeinden wohnen, sehen jeden Tag, was da passiert und dass bis jetzt nicht reagiert worden ist.

Mittlerweile, liebe Kollegen von der ÖVP, sagt auch Ihr Landesparteiobmann im Bur­genland wörtlich: Die „Flüchtlingsströme aus dem Jahr 2015 dürfen sich nicht wieder­holen. Das ist in Wirklichkeit Auftrag der Politik.“ Ja, und recht hat er natürlich. Sagen Sie einfach die Wahrheit! Sagen Sie, wie es ist und was jetzt zu tun ist, und stecken Sie nicht den Kopf in den Sand, wie Ihre Vorgängerin Mikl-Leitner das 2015 gemacht hat!

Mittlerweile, Herr Kollege Einwallner, hat sogar die SPÖ im Burgenland erkannt, dass Frontex nicht effektiv arbeitet, und verlangt jetzt Asylzentren im Ausland, die für Öster­reich zuständig sind. Das haben wir im Burgenland schon 2015 verlangt (Abg. Yılmaz: Ihr seid die Besten!) und der damalige Landespolizeidirektor Doskozil hat sich recht ausführlich darüber geäußert, auch der heutige Landeshauptmann Doskozil verlangt das. Offenbar geschehen noch Zeichen und Wunder.

Herr Bundesminister, 2015 wiederholt sich gerade. Die Massen verteilen sich nur auf Wochen und Monate. Die Zahl ist dieselbe oder wird dieselbe sein. Zwischenzeitlich


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erreichen mich persönlich jeden Tag Fotos und Mails von besorgten Bürgern und auch von Polizeibeamten. Sie sind außer sich, weil bis jetzt nichts passiert ist. Die Polizei muss mittlerweile oder zurzeit noch das machen, was an und für sich die Firma Neckermann macht: Quartiere ausmachen und die Personen dorthin bringen. Das ist momentan die Tätigkeit der Polizei.

Unsere Polizei weiß genau, dass es zur Bekämpfung der illegalen Migration eine Stra­tegie braucht, und die vermissen wir. Halten Sie sich an Clausewitz, der sinngemäß sagt: Strategie ist der ökonomische Einsatz der Kräfte. Das stimmt damals wie auch heute.

Entwickeln Sie eine wirksame Strategie, und tun Sie das bald, bevor es zu spät ist, denn die Lage wird sich verändern, aber nicht zum Guten, das wissen wir von ungarischen Kollegen! Stecken Sie also nicht den Kopf in den Sand, das nimmt Ihnen den Überblick, und schützen Sie Österreich und seine Grenzen! (Anhaltender Beifall bei der FPÖ.)

16.57


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Jachs. – Bitte.


16.57.18

Abgeordnete Mag. Johanna Jachs (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bun­desminister! Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Damen und Herren! Für die Dring­lichkeit des antragstellenden Kollegen von der FPÖ bin ich zwar nicht mehr zuständig, auch nicht für die Aufgeregtheit der Kollegin Belakowitsch (Abg. Belakowitsch: War ich aufgeregt?), aber ich versuche dennoch, ein bisserl zu beruhigen.

Schauen wir auf die Tatsachen: Tatsache eins ist, dass ich die Dringlichkeit Ihrer Anfrage wirklich nicht verstehe, denn hätten Sie die Asylstatistik ordentlich durchgearbeitet (ein mehrseitiges Schriftstück in die Höhe haltend), hätten Sie eigentlich alle Antworten bekommen, die der Herr Bundesminister jetzt auch in der Anfragebeantwortung mitge­teilt hat. Da sind alle Zahlen drinnen. (Beifall bei der ÖVP.)

Die zweite Tatsache ist, dass hinter all diesen Zahlen immer Menschen stehen, und das sind Menschen, die in Notlagen, in Notsituationen von Kriminellen, von Schleppern ausgenutzt werden, und das ist das wahre Verbrechen an der ganzen Geschichte. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Deswegen ist in dieser gesamten schwierigen Gemengelage unsere Linie, die Linie der Volkspartei auch ganz, ganz klar: Wir geben all jenen Schutz, die zu Hause von Krieg bedroht werden, deren Leib und Leben in Gefahr ist oder die in ihren Heimatländern verfolgt werden, und jene, auf die das nicht zutrifft, haben dann eben auch kein Recht auf Asyl. Daraus lassen sich auch die Schwerpunkte der Arbeit unseres Bundesministers ableiten: Er kämpft gegen die Schlepperkriminalität und er kämpft gegen die illegale Migration.

Und da Sie, liebe Kollegen von der FPÖ, immer wieder einmal die Balkanroute erwähnen und wie löchrig diese nicht sei: Also ich kann Ihnen versichern, diese angeblichen Löcher sind jedenfalls nicht so groß wie heute die Löcher in Ihren Reihen. (Abg. Wurm weist in Richtung ÖVP-Reihen.) Wenn knapp die Hälfte der Abgeordneten bei der eigenen Dringlichen Anfrage anwesend ist, dann ist das auch ein Zeichen dafür, dass man sich selbst und die Dringlichkeit der Anfrage eigentlich gar nicht so ernst nimmt. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Aber ja, es stimmt, die Zahlen steigen aufgrund der geopolitischen Situation, und gerade deswegen baucht es einfach starke solidarische Partner in der EU.

Es braucht einen starken Außengrenzschutz, einen effektiven EU-Außengrenzschutz, und es braucht auch Kontrollen an der österreichischen Grenze, auch diese passieren gerade. Dafür gibt es zusätzliches Personal: 55 werden an die Grenze geschickt. Ich


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verstehe es überhaupt nicht, Herr Kollege Ries, dass du dich immer über diese Zahl so lustig machst (Abg. Lausch: Das wundert mich gar nicht, dass Sie das nicht verstehen! Das kann man Ihrer Rede entnehmen, dass Sie uns nicht verstehen!), denn: Gerade ihr Männer müsstet das wissen, es kommt nicht nur auf die Quantität, sondern vielleicht auch auf die Qualität an. (Heiterkeit bei der ÖVP.) Und die Qualität der Arbeit unserer Beamtinnen und Beamten auf der Straße, an den Grenzen ist hervorragend. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Lausch: Zum Unterschied von Ihnen weiß er, wovon er redet!)

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe bei der Begründung der Dringlichen Anfrage wirklich gut aufgepasst – und war ein bissel überrascht. Ich war nicht überrascht darüber, dass die FPÖ den Grund allen Übels immer darin sieht, dass es Zuwanderung gibt, aber ich war dann schon überrascht, dass die FPÖ auch dieses Mal den Grund für die Teuerung in der Zuwanderung sieht. Das ist einfach nicht logisch. Ich kann Sie aber auch da beruhigen, um wieder zum Anfang meiner Rede zurückzukommen: Die Bun­desregierung macht nicht nur etwas gegen die Teuerung – wir stellen den Österreiche­rinnen und Österreichern in den nächsten Jahren 28 Milliarden Euro zur Verfügung und helfen ihnen –, unser Bundesminister kämpft auch weiterhin gegen illegale Migration. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Belakowitsch: Na da muss er erst einmal anfangen zu kämpfen!)

17.01


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Yılmaz. – Bitte. (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)


17.01.19

Abgeordnete Nurten Yılmaz (SPÖ): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Frau Staatssekretärin! (Abg. Michael Hammer: Es sind gerade zwei Präsidenten oben!) – Was? (Abg. Belakowitsch: Auch die Frau Präsidentin Bures ist da!) – Ah, Frau Präsidentin – oh Gott! (Heiterkeit der Rednerin sowie bei Abgeordneten von SPÖ, ÖVP, FPÖ, Grünen und NEOS.) Muss ich jetzt meine Rede umschreiben? (Beifall bei Abgeordneten von SPÖ und FPÖ.)


Präsidentin Doris Bures: Jetzt kam große Freude zum Ausdruck.


Abgeordnete Nurten Yılmaz (fortsetzend): Nein, das war Spaß.

Sehr geehrte Damen und Herren! Migration hat es schon immer gegeben und sie wird es weiterhin geben, ob Sie es wahrhaben wollen oder nicht, Migration in all ihren Formen und Facetten: erzwungene Migration aufgrund von Kriegen und Verfolgung, Arbeits­migration oder Migration aufgrund von Partnerschaften. Egal, wie sehr Sie von ÖVP und FPÖ sich das nicht wünschen, die hat es schon immer gegeben und die wird es immer geben. Klar ist aber auch, dass es ein Staat alleine nicht schaffen kann, da müssen wir alle zusammenarbeiten – nach den Grundsätzen der Solidarität und Humanität und immer die Wahrung der Menschenrechte im Blick.

Sehr geehrte Damen und Herren! Österreich steht vor großen Aufgaben, vor Problemen, ob es jetzt die Pandemie ist, der Krieg in der Ukraine; es gibt viele, viele Menschen, die auf der Flucht sind, denen wir helfen wollen und können.

Ich möchte jetzt ein Lob aussprechen, nämlich dafür, dass wir es geschafft haben – zwar ein bissel spät, aber doch –, die Tagsätze für die Grundsicherung zu erhöhen. Wir haben das gestern im Ausschuss beschlossen und werden das hoffentlich morgen auch hier im Plenum beschließen können, weil es mehr als notwendig ist. (Abg. Sobotka begibt sich zur Regierungsbank und spricht mit Bundesminister Karner.)

Auf der anderen Seite gibt es aber nach wie vor in der Betreuung der Ukraineflüchtlinge sehr viele Baustellen, die klar ersichtlich sind, und zwar seit dem ersten Tag an, Herr


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Präsident, Herr Innenminister! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesminister Karner: Ent­schuldigung, Frau Abgeordnete!) – Bitte.

Es gibt nämlich das Problem, dass UkrainerInnen, die arbeiten wollen, keinen Dienst­leistungsscheck annehmen dürfen. Das ist ein Problem. Sie wollen arbeiten, sie bekommen eine Arbeit, können aber nicht mit dem Dienstleistungsscheck bezahlt werden. Dazu gibt es ja die Regierung, die diese Probleme lösen soll.

Das Zweite: Familienbeihilfe. Ukrainerinnen und Ukrainer, die arbeiten dürfen und eine Arbeit finden, bekommen keine Kinderbeihilfe. Ein Minister schiebt es dem anderen zu, alles wird ignoriert. Wann soll das passieren?

Oder: Pflegegeld. Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben auch sehr viele Ukrainerinnen und Ukrainer, die alt sind, der Pflege bedürfen, und diese haben keinen Anspruch auf Pflegegeld, obwohl zugesagt, obwohl die Regierung sagt, das werde man lösen. Die Frage ist immer nur: Wann möchten Sie es lösen?

Eines der Probleme ist aus unserer Sicht auch, dass die Regierung sich weigert, den EU-Migrations- und -Asylpakt zu unterstützen. Sie sagen, es ist gescheitert. (Bun­desminister Karner: Nein, das stimmt nicht! Wir haben drei Punkte zusammen­ge­bracht!) – Nein, schauen Sie: Es liegt der Vorschlag auf dem Tisch, dass Asylsuchende im EU-Gebiet nach den Aufnahmekapazitäten der jeweiligen Länder aufgeteilt werden und jene, die keinen Aufenthaltstitel bekommen können, weil kein Anspruch, auch gemeinsam rückgeführt werden. Und Österreich befindet sich leider Gottes bei denen, die das blockieren. Sie sagen von vornherein, ohne es probiert zu haben: Das ist gescheitert!, und dann beschweren Sie sich und sagen: Wir haben die zweitgrößte Afghanistancommunity. – Ja, weil Sie es blockieren!

Österreich hätte viel weniger Belastung, wenn die Asylsuchenden EU-weit aufgeteilt würden. (Abg. Gödl: Das ist ein Blödsinn, bitte!) Nehmen Sie das zur Kenntnis und arbeiten Sie mit den anderen Ländern zusammen, die das machen wollen! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Lausch: Wir haben schon gesehen, für die Sozialdemokraten ist das kein Thema!)

Herr Bundesminister! Ich möchte zum Schluss noch ein Lob aussprechen: Es war eine wirklich gute Entscheidung, dass Sie Herrn Mag. Achleitner (Bundesminister Karner: Achrainer!), Achrainer zum Flüchtlingskoordinator gemacht haben. Das ist eine sehr, sehr gute Entscheidung und - - (Bundesminister Karner: Der Herr Bundeskanzler hat diese Entscheidung getroffen!) – Der Herr Bundeskanzler hat die Entscheidung getrof­fen. Na dann werde ich mich morgen auch bei dem bedanken. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

17.06


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Julia Seidl. – Bitte.


17.07.00

Abgeordnete Mag. Julia Seidl (NEOS): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Arbeitskräftemangel, wohin man schaut – wir haben darüber schon in mehreren Sitzun­gen hier diskutiert. Agenda Austria sagt: Bis 2050 wird die Bevölkerung im erwerbs­fähigen Alter in fast allen Regionen Österreichs kräftig zurückgehen, in Kärnten und in der Steiermark um über 10 Prozent.

Weil ja heute der Tag der Wahrheit ist, wie Kollege Ries gesagt hat, möchte ich auch einmal ein paar Fakten auf den Tisch legen beziehungsweise über die Wirklichkeit sprechen, und zwar im Bereich Tourismus.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 210

In der Hotellerie, in der Gastronomie, in Tourismusbetrieben, in der Freizeitwirtschaft fehlen Arbeitskräfte, viele Arbeitskräfte, 10 000 Arbeitskräfte. Mitarbeiterinnen und Mit­arbeiter aus Drittstaaten warten ewig lang auf Arbeitsgenehmigungen. In Wirklichkeit schaut es nämlich so aus, dass laut AMS-Statistik ausländische Beschäftigte mittlerweile in folgendem Umfang in Österreich tätig sind: Im Juni 2021 waren es 108 297 Personen. Das sind 23,5 Prozent, also 20 624 Personen, mehr als 2020. 40 Prozent der aus dem Ausland kommenden beschäftigten Arbeitskräfte sind mittlerweile aus Drittstaaten. Alleine in Tirol sind es 55 000 Personen im Tourismus, das heißt, 55 Prozent der Beschäftigten im Tourismus haben keinen österreichischen Pass. 29 000 Menschen aus Afghanistan und Syrien sind mittlerweile im Tourismus beschäftigt.

Und ganz ehrlich, es dürfte eigentlich aufgrund von dem, was wir heute gehört haben und seit Jahren von der FPÖ hören, keinen einzigen Tourismusbetrieb mehr in Öster­reich geben, der noch die FPÖ wählt. Schauen wir es uns einmal an: Wir haben 27 000 Men­schen, die letztes Jahr aus dem Vereinigten Königreich zu uns gekommen sind – aber das sind wahrscheinlich die Guten oder, wie Frau Fürst sagt, die autochthone euro­päische Bevölkerung. Und das sind wahrscheinlich nicht die, die Herr Kollege Amesbauer meint, wenn er sagt, er will sie wieder loswerden.

Diese menschenverachtende Sprache hier herinnen, die wir heute wieder von Kolle­ginnen und Kollegen der FPÖ gehört haben, ist wirklich unglaublich und ist eines Wirtschaftsstandorts Österreich, der auf Arbeitskräfte aus dem Ausland angewiesen ist, auch nicht würdig. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Lausch: Wir wollen sie wieder weg­schicken! Ist das jetzt besser? – Abg. Belakowitsch: Wir wollen sie gar nicht herein­lassen, Frau Kollegin!)

Ich sage Ihnen noch etwas: In meinem Lieblingscafé ist der Kellner Syrer, in meiner gemeinnützigen Arbeit sind Syrer, Iraner, Afghanen und Marokkaner. Einen FPÖler habe ich dort noch nie gesehen, ich weiß auch nicht, warum. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenruf bei der FPÖ.)

Wenn Sie sich einmal überlegen, wer Ihr Schnitzel, von dem Sie wollen, dass es jeder Österreicher jede Woche am Tisch hat, zubereitet, wer das Mise en Place gemacht hat (Abg. Belakowitsch: Das mach ich selber! Das mache ich alles selber!), wer den Teller abwäscht, wer die Schwarzwäsche wäscht, dann möchte ich wissen, wie das im Tourismus in Zukunft funktionieren soll. Wenn Sie sagen, dass wir niemanden aus dem Ausland brauchen, der in Österreich arbeitet, dann verkennen Sie die Wirklichkeit. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Amesbauer: Wer sagt denn das? Wer sagt das?)

Abschließend, weil mich das wirklich ärgert (Abg. Belakowitsch: Jetzt geht es um Asyl!) – ich sage es noch einmal –: 29 000 ehemalige Asylwerber arbeiten mittlerweile in Österreich, 29 000 Syrer und Afghanen. (Abg. Lausch: Aber nicht die Illegalen!) Wissen Sie, wie viel das ist? (Abg. Belakowitsch: Jössas na, die ...!) Ich möchte wissen, wie viele FPÖler statt ihnen den Job im Tourismus machen würden – nämlich genau niemand. Genau niemand! (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Lausch: Aber nicht die Illegalen!)

Ich möchte Sie wirklich im Sinne der österreichischen Wirtschaft und im Sinne des österreichischen Tourismus bitten, aufzuhören, über die ausländischen Arbeitskräfte derart zu sprechen, sodass wir in Zukunft noch größere Schwierigkeiten haben werden, sie nach Österreich zu bringen. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Lausch: Ein Illegaler kann ja nicht arbeiten, weil er ist ja illegal! – Abg. Belakowitsch: Das ist ja unser Ziel, dass weniger kommen, Illegale!)

17.11



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 211

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Philipp Schrangl. – Bitte.


17.11.21

Abgeordneter Mag. Philipp Schrangl (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Innenminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren im Saal und zu Hause! Meine Vorrednerin hat es schon erwähnt, und Kollege Ries hat es richtig gesagt: Heute ist Erzähl-die-Wahrheit-Tag. Deswegen wundert es mich, dass so viele Abgeord­nete hier an diesem Pult so viele Dinge vermischen.

Ich wollte eigentlich nicht darauf eingehen, aber meiner Vorrednerin muss ich eindeutig sagen: In dieser Anfrage geht es ja nicht um diejenigen, die sich legal in Österreich aufhalten, weil sie Asylstatus bekommen haben, denn das sind nämlich genau die, die arbeiten dürfen, sondern um die, die illegal bei uns einreisen. Die dürfen eben nicht arbeiten. (Abg. Seidl: Aber die dürfen nicht einmal beim Arbeitgeber den Antrag stellen!) Deswegen vermischen Sie bitte nicht alles und streuen Sie den Menschen nicht Sand in die Augen!

Genauso vermischen auch die Grünen wieder alles. Wir reden hier nicht von Migration, wir reden hier auch nicht von der Rot-Weiß-Rot-Karte oder von Menschen, die zu uns kommen und bei uns arbeiten wollen, sondern wir reden von illegalen Migranten, die hierherkommen und niemals eine Chance haben, auch nur einen Asyltitel zu bekommen. Davon hat Kollege Amesbauer gesprochen. (Abg. Seidl: Niemand will Asylwerber anwerben! Niemand!)

Ich sage Ihnen ein paar Zahlen aus der BMI-Statistik vom Mai: Afghanistan: 5 464 ille­gale Einreisen, 15 Prozent Anerkennung; Tunesien: 2 173 Eingereiste im Mai, 0 Prozent Anerkennung; Pakistan: 1 634 Eingereiste, 2 Prozent Anerkennung; Marokko: 1 092 Eingereiste, 1 Prozent Anerkennung. Genau um diese Personen geht es. (Beifall bei der FPÖ.)

Da sagen wir, die hocken bei uns in der Grundversorgung und kosten den Steuerzahler und die Österreicherinnen und Österreicher Geld.

Wenn Frau Kollegin Jachs hier sagt, es sei wichtig, dass wir uns um die alle kümmern: Es ist aber auch wichtig, dass Sie einmal das einhalten, was Sie den Österreicherinnen und Österreichern versprochen haben, denn Sie machen nämlich genau das Gegenteil von dem, was Sie 2017 und 2019 im Wahlkampf versprochen haben. Aber das ist eh klar, weil Sie jetzt schön mit den Grünen koalieren.

Wenn Sie sagen, Sie machen einen Teuerungsausgleich: Laut Statistik Austria betrug die Inflation von 2016 bis Mai 2022 19,2 Prozent – und Sie heben um 20 Prozent an. Jetzt kann ich Ihnen sagen, woher die Teuerung kommt: von Ihrer Anhebung. (Beifall bei der FPÖ.)

Zum Schluss bringe ich noch folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Asylstopp – Jetzt!“

eingebracht im Zuge der Debatte über die Dringliche Anfrage „ÖVP-Asyl-Propaganda statt Maßnahmen gegen Zuwanderungswahnsinn und Migrationskostenexplosion"

Der Nationalrat wolle beschließen:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 212

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, auf Grund der eskalierenden Lage sofort einen ‚Asylstopp‘ umzusetzen, indem die Grenzen wirklich gesichert werden und keine Migran­ten mehr nach Österreich kommen oder geschleppt werden können, damit sich die Migrationskrise von 2015 nicht wiederholt.“

*****

Meine sehr verehrten Damen und Herren, vor allem an die Wählerinnen und Wähler da draußen gerichtet: Wenn Sie tatsächlich das wollen, wofür Sie die ÖVP bei den letzten zwei Wahlen gewählt haben: Bitte, nicht mehr ÖVP wählen, sondern FPÖ wählen, denn auf uns können Sie sich nämlich wirklich verlassen! Auch wir können schön über Themen sprechen, die unter den Nägeln brennen. (Beifall bei der FPÖ.)

17.14

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Amesbauer, Mag. Schrangl

und weiterer Abgeordneter

betreffend Asylstopp - Jetzt!

eingebracht im Zuge der Debatte über die Dringliche Anfrage „ÖVP-Asyl-Propaganda statt Maßnahmen gegen Zuwanderungswahnsinn und Migrationskostenexplosion“ in der 168. Sitzung des Nationalrates, XXVII. GP, am 07. Juli 2022  

Österreich ist unter der türkis-grünen Regierung zum Migrationsmagneten geworden. Bei einem Vergleich der Asylanträge der EU-Mitgliedstaaten 2021 steht Österreich auf Platz 4 nach Deutschland, Frankreich, Spanien und Italien. Bei der Pro-Kopf -Belastung im Vergleich der Asylanträge mit den EU -Mitgliedstaaten liegt Österreich auf Platz 2 nach Zypern. Die meisten kommen aus Afghanistan, Syrien, Tunesien, Türkei, Pakistan, etc. und reisen durch viele sichere Drittstaaten nach Österreich. An der Grenze Ungarns zu Serbien herrscht der Ausnahmezustand. Es kommen täglich Migranten illegal über unsere Grenze, trotz Assistenzeinsatz des Bundesheeres.

2021 stiegen die Asylantragszahlen um mehr als 160 Prozent. Einem Artikel der Zeitung „Heute“ vom 29.6.2022 waren die neuen Aufgriffszahlen zu entnehmen: "Stark zuneh­mende Aufgriffszahlen vornehmlich in burgenländischen Bezirken" werden derzeit vom Innenministerium registriert. Die wöchentlichen Höchstwerte aus dem Vorjahr wurden mit 2.685 Aufgriffen in der zweiten Juniwoche bereits übertroffen, heißt es in einem internen Bericht der Asylabteilung, der "Heute" vorliegt.“

Die Bundesregierung unternimmt nichts gegen zigtausende illegale Migranten, welche nach Österreich kommen und sich hier illegal aufhalten. Das Ziel muss sein, die illegale Einwanderung zu stoppen - statt über die Verteilung von illegalen Einwanderern in der EU zu reden. Solidarisch sollte die Bundesregierung zuallererst mit der eigenen Bevölkerung sein - und das bedeutet für Österreich einen Asylstopp und einen echten Grenzschutz - statt dieses bestehenden „Welcome-Service“ in unser Asylsystem, für das die Polizei und das Bundesheer von Bundesminister Karner missbraucht werden.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 213

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, auf Grund der eskalierenden Lage sofort einen „Asylstopp“ umzusetzen, indem die Grenzen wirklich gesichert werden und keine Migranten mehr nach Österreich kommen oder geschleppt werden können, damit sich die Migrationskrise von 2015 nicht wiederholt.“

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Nico Marchetti. – Bitte.


17.15.00

Abgeordneter Nico Marchetti (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Innenminis­ter! Frau Staatssekretärin! Der Themenkomplex Asyl, Migration, Zuwanderung bewegt und emotionalisiert sehr (Zwischenruf des Abg. Rauch), wir merken das bei jeder Debatte, und das auch zu Recht, weil Migration, Zuwanderung und Integration die Faktoren sind (Abg. Lausch: Das geht dir ans Herz!), die unser Zusammenleben und unsere Gesellschaft natürlich massiv beeinflussen. Ich stehe jetzt als jemand hier, der sicher innerhalb der ÖVP ein überdurchschnittlich liberales Gesellschaftsbild hat, und ich erkläre Ihnen, warum ich gerade deswegen ein besonders konsequenter Verfechter einer konsequenten Migrations- und Integrationspolitik bin. (Zwischenruf des Abg. Lausch.)

Um das ein bisschen zu verbildlichen, möchte ich aus einer Studie von Kenan Güngör zitieren, der junge Menschen mit Migrationshintergrund nach ihren Werten und Einstel­lungen befragt hat. Zum Beispiel sagen rund 80 Prozent von Flüchtlingen mit syrischem Migrationshintergrund – Zitat –: „Juden sind der Feind aller Muslime.“ 77 Prozent der afghanischen Flüchtlinge sagen zum Beispiel: Wenn die Religion beleidigt wird, darf man zuschlagen; 74 Prozent sagen überhaupt, dass Vorschriften von Religion über den Gesetzen in Österreich stehen, und bis zu 90 Prozent der Jugendlichen mit Migrations­hintergrund sagen, dass der Mann alle wesentlichen Entscheidungen treffen soll. Ich finde, dass eine verfehlte Integrationspolitik der Feind jeder liberalen und offenen Gesellschaft ist, und da dürfen wir einfach nicht naiv sein. (Beifall bei ÖVP und NEOS.)

Wie ist die Situation in Österreich? – Die Verteilung ist sehr ungleich. Die Gesetze und Rahmenbedingungen des Bundes sind überall gleich, aber die Probleme sind in Bad Gastein, in Eisenstadt und in Wien nun einmal ganz fundamental andere. Das hat einen Grund, denn Integrationspolitik ist unter anderem auch Jugendarbeit. Integrationspolitik ist die Gestaltung des öffentlichen Raumes, Stadtentwicklung, Förderwesen, und das sind alles kommunale Aufgaben. Jetzt kommen wir eben auch dorthin, wo die meisten Probleme in diesem Bereich sind, und das ist nun einmal Wien. In Wien sind 60 Prozent der Kinder, die Deutschprobleme haben, in Österreich geboren, 31 Prozent der Kinder, die massive Deutschprobleme haben, haben sogar schon die österreichische Staatsbür­gerschaft. Das ist doch alles bitte kein Zufall und es ist vor allem nichts, womit wir uns abfinden können!

In dem Zusammenhang hat es mich besonders schockiert, wie auch der Integrations­sprecher der NEOS Yannick Shetty in einem Kommentar zu diesen Problemen gemeint hat, na ja, wir müssen ja handeln – er meint damit die Bundesebene und leider nicht den Integrationsstadtrat in Wien Christoph Wiederkehr.

Ich sage Ja, wir müssen handeln, wir müssen Integrationspolitik endlich als das um­fassende Thema, das es ist, begreifen, als eine kommunale Aufgabe, eine Aufgabe der Länder und eine Aufgabe des Bundes. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.) Wenn wir


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alle unsere Hausaufgaben machen, dann wird in der Integrationspolitik auch endlich etwas besser. Sich aber immer nur auf irgendjemanden auszureden und die eigenen Aufgaben, die so fundamental sind, nicht zu erfüllen, ist wirklich ein Teil dieses Problems. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Belakowitsch: Na, gratuliere! Kann man unterschreiben! Bitte mit dem Kollegen Stocker reden!)

17.18


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Harald Troch. – Bitte.


17.18.36

Abgeordneter Dr. Harald Troch (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Sehr geschätzte Kollegen und Kolleginnen! Wenn wir hier eine Zuwanderungsdebatte führen und der Innenminister hier ist, dann geht es natürlich auch um Sicherheit. Wenn es um Sicherheit geht, geht es natürlich auch um den Personalstand bei der Exekutive. (Zwischenruf des Abg. Lausch.)

Da darf ich gleich den Finger darauf legen: Ich begrüße es, dass 50 Beamte zusätzlich an den Grenzen eingesetzt werden; das ist eine Entwicklung in die richtige Richtung. Wenn ich mir dann aber den Personalstand in meinem Heimatbundesland Wien an­schaue: Da schaut es nicht so gut aus. Das heißt, Herr Bundesminister, da besteht Handlungsbedarf. (Bundesminister Karner: Machen Sie Werbung bei der Polizei­schule ...! Wir suchen Polizeischüler derzeit!) Vielleicht können Sie mir zustimmen: Die Abwanderung von Beamten aus Wien in die umliegenden Bundesländer ist ein allge­meiner Trend. Natürlich geht es in einem Ballungsraum wie Wien, in einer Millionenstadt, ein bisschen anders zu. Die sozialen Probleme sind in einem städtischen Raum immer dichter als in einer kleinen Landgemeinde, also im Texingtal oder irgendwo. (Bundes­minister Karner: Natürlich! ... überall schön!) Daher fordere ich natürlich auch für mein Bundesland Wien – das trifft aber auch auf andere städtische Bereiche zu – mehr Polizei im inneren Bereich. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Das gilt auch für die Justizwache, Kollege Lausch, da bin ich ganz bei Ihnen, die darf man auch nicht vergessen (Abg. Lausch: ... richtigen ...!) – aber das müssen wir der Frau Bundesministerin umhängen und nicht Minister Karner. (Bundesminister Karner: „Umhängen“?!)

Zum Umgang damit, wenn Abgeordnete hier Kritik äußern, sage ich: Das gehört zur natürlichsten Aufgabe des Parlaments. Das Parlament hat ja in einem parlamen­ta­rischen System eine Kontrollfunktion. Wenn die Opposition sich wieder einmal erlaubt, die Regierung zu kritisieren, dann kommt Abgeordneter Stocker hier heraus und sagt: Das ist Majestätsbeleidigung! – Hier darf man also die Regierung nicht kritisieren. (Abg. Eßl: Tatsächliche Berichtigung!) Das heißt, diese Feinfühligkeit ist überhaupt nicht ange­bracht. (Abg. Lausch: Das war überhaupt eine sonderbare Rede vom Kollegen Stocker!) Das Parlament ist der legale Ort, an dem Kritik geäußert wird und an dem Verbes­serungsvorschläge eingebracht werden – dem muss sich die Regierung stellen und da darf man ganz einfach nicht überbeleidigt reagieren.

Herr Bundesminister, ich begrüße Ihre Arbeitsbesuche in der Türkei und in Ägypten. Ich glaube, die Koordination auf der Ebene der Sicherheitszusammenarbeit in Bezug auf Migration und die Bekämpfung des Schleppertums sind richtige Ansätze. Es fehlen mir noch die bilateralen Abkommen. (Bundesminister Karner: Da sind wir dabei!) Die Regierung schwächelt immer noch bei bilateralen Rückführungsabkommen – und da bin ich schon bei dem Thema Rechtsstaatlichkeit. Es geht in dem Bereich Zuwanderung, Migration, Asyl – und ich möchte es aber dann ein bisschen auseinanderhalten und auch trennen, weil das nicht das Gleiche ist – einerseits um die Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien. Es gibt in Österreich faire Asylverfahren; und wer dabei nicht besteht, wird


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nicht akzeptiert und muss in sein Heimatland oder anderswohin zurück. Auf der anderen Seite gibt es auch humanitäre Aspekte beim Umgang mit vertriebenen Menschen, die auf der Flucht sind. Das ist nicht das Gleiche.

Das ist mein Vorwurf an die FPÖ (Zwischenruf des Abg. Lausch), dass halt immer wieder Migration, Zuwanderung, Asyl, Arbeitsmigration, aber auch die Frage der Arbeits­kräfte, die Österreich braucht, in einen Topf geworfen und populistisch verwendet wer­den. (Beifall bei der SPÖ.) Für diesen Populismus der FPÖ sind die Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen nicht zu haben. (Abg. Lausch: Bis jetzt war die Rede gut! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Wir brauchen schließlich Arbeitskräfte, die unsere älteren Menschen und kranke Menschen pflegen und heilen – medizinisches Personal. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Nun rede ich noch gar nicht von Tourismus und Gastwirtschaft. Wir brauchen hierzu­lande Arbeitskräfte – und daher fordere ich eine ehrliche Diskussion beim Thema Zuwanderung. Wir brauchen die Pflegekräfte, wir brauchen Menschen in der Gastro­nomie, wir brauchen auch Menschen, die unser Land sauber halten und reinigen. Das ist ein Fakt und das kann man nicht durcheinanderwerfen.

Abschließend: Was ich auch nicht mag und wovor ich warne, ist ein Zweiklassensystem bei Flüchtlingen: jene, bei denen man ganz streng auf die Bestimmungen schaut, sie sogar behindert und sie nicht will; und jene Flüchtlinge, die kommen, und es gibt sofort alles. Ich sage auch zum Thema Ukraine (Abg. Belakowitsch: Ja, die dürfen alle gratis parken!): Es kann nur eine Kategorie von Flüchtlingen geben. (Beifall bei der SPÖ. – Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Jeder Flüchtling, der zu Recht hier­herkommt, der verfolgt wird, der durch den Krieg verfolgt wurde, ist gleich zu behandeln.

Dieses Zweiklassensystem wird nun offensichtlich auch ein bisschen auf den EU-Beitritt und den Westbalkan angewendet. Es kann nicht sein, dass Menschen aus dem West­balkan, woher viele Kräfte nach Wien gekommen sind, um da zu arbeiten, und enorm gute Arbeit leisten – egal ob Kroaten, Serben, Bosnier, Mazedonier oder Albaner –, als Menschen zweiter Klasse behandelt werden. Auch die Länder, aus denen sie kommen und die diese Arbeitskräfte mitunter selbst für ihre Weiterentwicklung brauchen würden, dürfen nicht als Länder zweiter Klasse behandelt werden. Das betrifft nicht im Speziellen Sie als Innenminister, ich darf es aber in die politische Debatte einbringen. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Es kann nur eine Kategorie von Flüchtlingen geben und es gibt nur eine Bestimmung für die Aufnahme von Ländern in die EU – und die muss für alle gelten, egal ob Ukraine, Nordmazedonien, Albanien, Serbien oder Montenegro. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

17.25


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Yannick Shetty. – Bitte.


17.25.19

Abgeordneter Mag. Yannick Shetty (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ, man muss sich eigentlich wirklich fragen, was mit Ihnen los ist! (Zwischenruf des Abg. Amesbauer.) Die Menschen in Österreich haben gerade wirklich eine harte Zeit. (Abg. Lausch: Kollege Shetty, besuch mal das Burgenland!) Die Preise steigen (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch), die Menschen haben Angst, dass das Versprechen von Frieden in Europa nicht mehr gehalten werden kann. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Viele Menschen spüren das erste Mal wirklich die realen Auswirkungen des Klimawandels.

Und was machen Sie? – Sie bringen hier eine Dringliche Anfrage ein. Man muss vielleicht erklären, was eine Dringliche Anfrage ist: ein Instrument im Parlament, um einem aktuellen Thema besonderes Gewicht zu geben. (Abg. Belakowitsch: Na ja, bei


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30 000 Asylberechtigten! – Zwischenruf des Abg. Amesbauer.) Sie machen das nicht, Sie machen keine Dringliche Anfrage zur Rekordinflation (Abg. Belakowitsch: Die haben wir schon gehabt!), Sie machen keine Dringliche Anfrage zur Gemeinsamen Europäischen Verteidigungs- und Sicherheitspolitik. Sie machen auch keine zur Pan­demie. (Abg. Belakowitsch: Weil wir im Gegensatz zu euch ...! – Abg. Lausch: Das nächste Mal fragen wir die NEOS!) Nein, Sie machen hier eine Dringliche Anfrage mit dem Titel Maßnahmen gegen Zuwanderungswahnsinn und Migrationskostenexplosion. Was ist denn das überhaupt für ein Wort – „Migrationskostenexplosion“? Sie reden ja immer über Deutschkenntnisse, vielleicht sollten Sie da einmal bei sich anfangen. (Beifall bei den NEOS.)

Wenn wir uns allerdings fragen, warum Sie das hier heute machen, ist die Antwort eine ganz einfache: weil es das Einzige ist, was Sie wirklich können (Zwischenrufe der Abge­ordneten Wurm und Krisper) – spalten, spalten, spalten. Das ist nämlich Ihre Ge­schäftsgrundlage: ohne Spaltung keine Angst, und ohne Angst keine Stimmen. (Zwi­schenruf des Abg. Deimek.) Ich möchte allerdings zu Ihrer Anfrage sprechen und vor allem zu Ihnen, Herr Amesbauer (Abg. Belakowitsch: ...für Sie, oder was?): Sie haben hier 20 Minuten unserer wertvollen Zeit in Anspruch genommen (Zwischenruf des Abg. Amesbauer), um zu erklären, was für eine Anfrage Sie heute hier stellen. Ich habe Ihnen genau zugehört und ich habe bei Ihrer Anfrage, bei Ihrer Rede keinen einzigen Vorschlag gehört, wie Sie die Integration in Österreich verbessern wollen. Sie sagen, es stimmt nicht. (Abg. Belakowitsch: O ja, o ja, sogar der Kollege Stocker hat es kritisiert!) – Dann nennen Sie mir drei Vorschläge, nennen Sie mir drei Vorschläge, wie Sie die Integration in Österreich verbessern wollen! (Abg. Belakowitsch: Na was jetzt, einen oder drei? ... zugehört hätten! Hätten S’ zugehört ...!) – Ja, ich habe sehr genau zugehört, aber da war leider nichts dabei. (Abg. Belakowitsch: Offenbar nicht, offenbar nicht!) Ihre einzige Lösung ist Stacheldraht rund um Österreich, und ich sage Ihnen: Das wird das Zusam­menleben in Österreich nicht verbessern. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Amesbauer: ... was hast du zugehorcht?)

Verstehen Sie mich nicht falsch! Wir gehören nicht zu denjenigen, die sagen, es gibt keine Probleme in der Integrationspolitik. (Abg. Belakowitsch: O ja, die Kollegin Krisper hat das gesagt!) Es gibt sie; es ist ein Problem, wenn in vielen Gemeinden und Städten – auch außerhalb von Wien, zum Beispiel in Wels, in Innsbruck oder in Telfs – Schulklas­sen existieren, in denen weit mehr als die Hälfte der Kinder Migrationshintergrund hat. Das ist ein Problem, weil das einfach die Chancen der jungen Menschen behindert. Wenn wir über die Probleme reden, müssen wir aber auch über die Lösungen reden. Lösungen wären zum Beispiel ein Chancenindex, der für mehr Durchmischung in den Schulen sorgt, oder mehr Schulsozialarbeiterinnen und mehr Schulsozialarbeiter. (Abg. Belakowitsch: Sollen alle Kinder ... lernen, oder was?!)

Ich sage Ihnen auch: Es ist ein Problem, wenn wir in bestimmten Milieus integrations­hem­mende Strömungen haben. Ich verstehe zum Beispiel nicht, warum zugelassen wird, dass man in Wien noch weiter Moscheen am Laufen hat, in denen eine Turbo­radika­lisierung stattfindet (Beifall und Bravoruf des Abg. Wurm), die Kultusministerin nichts dagegen tut, aber stattdessen alle Musliminnen und Muslime in Österreich unter Generalverdacht stellt, wie es mit der Islamlandkarte geschehen ist. (Beifall bei den NEOS. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Ich sage Ihnen auch: Es ist ein Problem, dass wir vorgeblich – und ich betone: vor­geblich – progressive Parteien in Österreich haben, die sich jahrzehntelang weggeduckt und die Probleme ignoriert haben. (Zwischenruf des Abg. Amesbauer.) Ich sage Ihnen schon auch ganz klar: Eine offene, liberale Gesellschaft darf gegenüber der Intoleranz niemals tolerant sein. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Belakowitsch: Das ist ein toller Stehsatz!)


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Also sage ich Ihnen: Es ist notwendig, über die Probleme zu reden; aber wenn wir das tun, dann müssen wir im zweiten Satz immer über die Lösungen reden. (Zwischenrufe der Abgeordneten Belakowitsch und Wurm.) Wir tun das, wir machen ganz konkrete Vorschläge, das kann man sich anschauen (ein Schriftstück in die Höhe haltend): Wir haben letztes Jahr einen 50-Punkte-Plan für eine gelungene Integration mit 50 ganz konkreten Einzelmaßnahmen in der Bildung, am Arbeitsmarkt und in anderen Bereichen vorgelegt. Schauen Sie sich das an! (Abg. Belakowitsch: Na, da wird was rauskom­men!)

Wir sollten Integration nicht links liegen lassen, weil wir dann die Probleme von rechts bekommen werden; aber wir sollten auch nicht jenen, die nur spalten, die Bühne über­lassen, weil sie gezeigt haben: Sie haben kein Interesse daran, die Probleme tatsächlich zu lösen. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Lausch: Doch nicht so schlechtes Thema, wenn du so ins G’schäft gehst, nicht?!)

17.29


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Christian Lausch, Sie gelangen zu Wort. – Bitte.


17.29.50

Abgeordneter Christian Lausch (FPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Ja, im Unterschied zum Sicherheitssprecher der ÖVP bedanke ich mich bei den Tausenden Polizistinnen und Polizisten sowie Soldatinnen und Soldaten, die an der österreichisch-ungarischen Grenze für die Sicherheit unseres Land sorgen und dort die Flüchtlinge in Empfang nehmen. Herzlichen Dank dafür! Das ist wirklich Arbeit, und das trotz dieser Bundesregierung, die in diesen Fragen eigentlich alles falsch macht.

Zum Falschmachen: Herr Bundesminister, ich spreche Ihnen nicht ab, dass Sie sehr bemüht sind, aber Sie machen alles gänzlich falsch! Nordafrika: Da liegen Sie schon richtig, wenn Sie Ägypten besuchen. Sie wissen aber ganz genau – Sie haben ja die Zahlen heruntergelesen und wahrscheinlich auch selbst ausgearbeitet –, dass Ägypten nicht unser Hauptproblem ist, sondern Marokko, Algerien und Tunesien. Das sind die nordafrikanischen Problemfelder (Zwischenbemerkung von Bundesminister Karner), von wo die Flüchtlinge kommen, dort wären sie besser aufgehoben gewesen.

Reden Sie mit Ihrem Parteifreund, dem Noch-Landeshauptmann Platter! Es gibt eine kriminelle Marokkanercommunity in Tirol, speziell in Innsbruck. Das ist ein Problem, da haben Sie extrem hohe Zahlen – über 1 000 – vorgelesen. Mit diesen Ländern schafft es diese Bundesregierung aber nicht, endlich bilaterale Abkommen zu schließen, da sind Sie schwer säumig, und nur dazusitzen und alles kleinzureden ist einfach zu wenig. Da sind Sie der falsche Mann an diesem Platz! (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Bundesminister Karner, in Ihrer Rede, in Ihrer Einleitung zur Anfragebeantwortung konnte man ja vernehmen, die Schlepper seien an allem schuld. – Die Schlepperprob­lematik ist in der EU beherbergt. Sprechen Sie das einmal bei EU-Innenministertreffen an! Das sind kriminelle, mafiöse Organisationen, sitzend in Bulgarien, Rumänien; viel spielt sich über Italien ab. Das muss man einfach wissen, da muss man entgegenwirken. Da hört man von Ihnen nichts, gar nichts hört man da von Ihnen! Da könnten Sie viel tun!

Darum verstehe ich jetzt ehrlich gesagt nicht, dass es hier Dankesworte vom Sicher­heitssprecher der ÖVP an Sie gibt. Da sind Sie schwer säumig, da könnten Sie viel tun. Da würde sich die Bevölkerung auch viel von Ihnen erwarten. Da kommt einfach nichts, das wird einfach übergangen. Die mediale Berichterstattung in Ihre Richtung ist verhee­rend. So schlimm war es noch nie.


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Ja, 2015 – wir sind mit den Zahlen bis Jahresende wahrscheinlich auf dem gleichen Niveau wie 2015. Da hört man von Ihnen nichts, so als hätte Österreich keinen Innenminister. Sie sind schwer säumig, und da müssten Sie sich, wenn Sie sich diese Anfragebeantwortung noch einmal anschauen und die Zahlen sehen, selbst vor diesen Zahlen schrecken. Diese sind eigentlich verheerend. Da kommt von Ihnen viel, viel zu wenig, und es ist auch wirklich zu wenig für das, was sich die Bürgerinnen und Bürger von Ihnen als Innenminister erwarten.

Da kann man nur sagen: Danke noch einmal an die Polizistinnen und Polizisten, an die Exekutive in Österreich, die, wie Kollege Troch richtig gesagt hat, viel zu wenige sind, dafür dass sie so gut arbeiten, so engagiert sind, trotz so einer Bundesregierung! – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

17.33


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Fiona Fiedler. – Bitte.


17.33.41

Abgeordnete Fiona Fiedler, BEd (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen, Zuseherinnen und Zuseher! (Die Begrüßung auch in Gebärdensprache ausführend:) Liebe gehörlose Menschen! Die FPÖ und die Androhung der Asylwelle kennen wir alle seit Jahren nur zu gut. Wenn wir uns aber die Fakten ansehen, stellen wir fest: Es fehlen uns Menschen. (Abg. Belakowitsch: Mir nicht!)

In einem Bereich sehen wir das besonders, nämlich in der Pflege. Dort haben wir in bestimmten Bereichen schon seit Jahren einen großen Bedarf, und wir haben deshalb auch schon seit Jahren eine Auslagerung der Arbeit an ausländische Arbeitskräfte. Nehmen wir die 24-Stunden-Betreuung als Beispiel: Dort waren 2018 nur 1 Prozent der BetreuerInnen mit Gewerbeschein aus Österreich, und ich verspreche Ihnen, das hat sich kaum geändert. Es ist nur der Wettbewerb mit den Nachbarländern um diese Arbeitskräfte stärker geworden. Wir haben auch in burgenländischen Altenheimen einen hohen Anteil an ungarischen und slowakischen sowie in Niederösterreich an tschechi­schen Pflegekräften.

So sehen Sie also das Schema. Und: Wir hätten mit den bösen Asylwerbern, von denen die FPÖ immer redet, ein zusätzliches Arbeitskräftepotenzial. Das sehen wir auch in den Nachrichten, allerdings sind diese immer mit einer drohenden Abschiebung gekoppelt.

Dass Sie sich als ÖVP als Hardliner darstellen und von der FPÖ da vor sich hertreiben lassen, verschärft eines unserer fundamentalen Probleme. Er ist zwar nicht mehr Bun­deskanzler, aber im Februar 2020 – Sie werden die Ironie dieses Zeitpunktes ver­stehen – hat dieser Altkanzler noch ganz dezidiert davon gesprochen, dass es keinen Abschiebestopp für Pflegekräfte geben wird. Genau zu diesem Zeitpunkt, als es für das Land am schlechtesten war, hat die ÖVP Wort gehalten, denn es wurden weiterhin Pflegekräfte abgeschoben, und das, obwohl wir uns in einer Pandemie befunden haben, obwohl wir endlich ein öffentliches Bewusstsein für den Pflegemangel bekommen haben, obwohl so viele Leute die Pflege verlassen haben und wir wirklich jede einzelne Person brauchen, die in der Pflege arbeiten will.

Hören Sie auf mit der populistischen Asylpanikmache und lassen wir die Menschen, die arbeiten wollen, bitte auch arbeiten! (Den Dank auch in Gebärdensprache ausfüh­rend:) Danke. (Beifall bei den NEOS.)

17.36 17.36.03


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 219

Wir kommen nun zu einer Abstimmung.

Ich komme zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Han­nes Amesbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Asylstopp – Jetzt!“

Wer sich für diesen Entschließungsantrag ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt. (Oh-Rufe bei der FPÖ.)

17.36.34Fortsetzung der Tagesordnung


Präsidentin Doris Bures: Ich nehme nun die Verhandlungen über die Tagesordnungs­punkte 12 bis 14 wieder auf.

Ich mache darauf aufmerksam, dass ich derzeit noch zwei Wortmeldungen zu diesen Tagesordnungspunkten vorliegen habe, dann folgt eine Reihe von Abstimmungen.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Susanne Fürst. Bitte, Frau Abgeordnete.


17.36.49

Abgeordnete Dr. Susanne Fürst (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ganz verschämt und inmitten einer Sondersitzung, die von der Bundesregierung selbst einberufen wurde, versteckt verkündeten Gesundheitsminister Rauch und Klub­obmann Wöginger in einer Pressekonferenz das Aus für die gesetzliche Impfpflicht. Zu Recht verschämt und versteckt, denn dieses Gesetz bildete den infamen und unglück­seligen Höhepunkt der Coronapolitik der Bundesregierung, leider aber nicht nur von ÖVP und Grünen, sondern mitgetragen auch von der SPÖ und großteils von den NEOS, auch wenn Gesundheitssprecher Kucher sich heute hier bemüht hat, sich nicht mehr an diese gesetzliche Impfpflicht zu erinnern, bei der er mitgestimmt hat, sondern über alles andere gesprochen hat – ich kann es gut verstehen.

Monatelang hat man zunächst durch verbale Entgleisungen den Boden aufbereitet. Man hat den Ungeimpften, diesem Teil der Bevölkerung, die Schuld gegeben: Nur weil sie so unsolidarisch seien, müsse es jetzt quasi zu dieser Impfpflicht kommen. Ein gewisser Herr Schallenberg hat schon einem Teil der Bevölkerung ungemütliche Weihnachten gewünscht, ihn in einen Dauerlockdown geschickt. Frau Edtstadler hat gemeint, Zugang zum öffentlichen Leben nur für Geimpfte werde der Alltag werden, Reisefreiheit gibt es nicht mehr, Kündigung für Ungeimpfte am Arbeitsplatz ist möglich, und das Wohnen ist ab Geltung der Impfpflicht für die Ungeimpften sowieso rechtswidrig.

Auch die Grünen sind diesen verbalen Entgleisungen und Exzessen in nichts nachge­standen, waren bei der Bevölkerungsbeschimpfung mit dabei. Hunderttausende Stel­lung­nah­men in den Gesetzesbegutachtungen, die Versammlungen, die Petitionen, die vielen, großen Ängste eines großen Teils der Bevölkerung wurden einfach übergangen, Kinder, Jugendliche, Arbeitnehmer bedrängt, dass sie die Impfung vornehmen, ob sie es wollten oder nicht, aus rationalen oder irrationalen Gründen – es war alles egal.

Es hat geheißen, man möge den Politikern der Bundesregierung und den Medien einfach glauben, zum Beispiel so einem Herrn (einen Ausdruck eines Medienberichts mit einem Foto des Abg. Wöginger in die Höhe haltend), der im Jänner dieses Jahres noch ein eifriger Befürworter der Impfpflicht war. Klubobmann Wöginger hat gemeint, trotz zahl­reicher Bedenken bleibe man beim Fahrplan. Alle, die sich dagegenstellen, wollten nur politisches Kleingeld machen. Die Stellungnahmen seien zwar ganz nett, man werde sie wenn notwendig auch einfließen lassen – hat man aber nicht getan. Die Impfpflicht sei auch bei Omikron notwendig.

Nicht einmal ein halbes Jahr später sieht es ganz anders aus. Es wurde ihm damals aber auch von Bundeskanzler Nehammer assistiert, auch von Klubobfrau Maurer, von Mückstein,


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 220

in zahlreichen Interviews: Ab Mitte März muss gestraft werden, die Polizei muss kon­trollieren, da gibt es keine Zweifel!

Nun im Juni die Pressekonferenz: Das Ganze ist wieder vorbei. Die Herren Rauch und auch wiederum Klubobmann Wöginger verkünden das Aus. Man entdeckt plötzlich, dass die Situation mit der Omikronvariante nicht mehr so gefährlich ist, es ist nicht mehr verhältnismäßig.

Nur, zu der Argumentation, die man immer zu hören bekommt, im Herbst bei Delta sei es noch verhältnismäßig und daher verfassungskonform gewesen, im Frühjahr dann nicht mehr verhältnismäßig: Tut mir leid, so kurzfristig sind unsere Grundrechte und unsere Verfassung nicht angelegt. Man weiß, dass ein Virus mutiert, das wissen auch Nichtmediziner, und bei so einer Unsicherheit, die auch heute von verschiedenen Ver­tretern der Regierungsparteien hier geäußert worden ist, und bei bloßen Annahmen und Berechnungen darf man eben keine so schweren Grundrechtseingriffe verhängen.

Wöginger und Rauch sind auch draufgekommen, dass jetzt selbst die impfwilligen Per­sonen plötzlich eine negative Einstellung zum Impfen haben. Es kommt zu gesellschaft­lichen Verwerfungen – nein, so was? –, zu tiefen Gräben, und das Impfpflichtgesetz hat das Klima so vergiftet. Man will jetzt Brücken bauen. Es sei einfach nur mehr um die Frage gegangen: Bist du schon geimpft oder nicht geimpft? – Das sagt Klubobmann Wöginger, nachdem er monatelang eigentlich nichts anderes thematisiert hat.

Gesundheitsminister Rauch meinte, man muss jetzt auf Freiwilligkeit setzen. Bitte blei­ben Sie auf diesem Pfad! Bieten Sie sachliche Information, Empfehlungen, Aufarbeitung der Coronamaßnahmen: Was hat etwas gebracht?, sofern das überhaupt bei einer Maßnahme der Fall war. Evaluieren Sie den Erfolg, arbeiten Sie die Nebenwirkungen auf, und fallen Sie aus dem Katastrophenmodus endgültig heraus!

Und noch zum Abschluss: Vielen Dank an die unzähligen Personen, die aus unter­schiedlichsten Gründen, aus unterschiedlichsten Lagern, ob geimpft oder nicht geimpft, sich nicht an der Spaltung, an der Beschimpfung eines Teils der Bevölkerung beteiligt haben, die sich nicht beirren ließen, auf ihren Grundrechten beharrt haben, unsere Ver­fassung beschützt haben! Das gilt für die Teilnehmer an den Versammlungen, für die, die unbeirrt Petitionen unterschrieben haben, Stellungnahmen abgegeben haben und auch Volksbegehren trotz des großen Aufwandes ins Leben gerufen haben, wie das zuletzt sehr erfolgreiche Volksbegehren der Rechtsanwälte Höllwarth und Scheer, die auch darauf hingewiesen haben, dass es nicht nur um das gesetzliche Aus für die Impf­pflicht geht, sondern auch darum, dass es zu keiner Diskriminierung von ungeimpften Personen mehr kommen darf. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

17.42


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Dagmar Belakowitsch. – Bitte.


17.42.27

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundes­minis­ter! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmgeräten! Zunächst einmal gilt mein ganz großer Dank den vielen Hunderttausenden Österreicherinnen und Öster­reichern, die über Monate tatsächlich auf die Straße gegangen sind, egal wie das Wetter war – bei Wind, bei Sturm, bei Regen –, um dagegen zu demonstrieren, dass wir alle verpflichtet werden, uns eine Impfung hineinjagen zu lassen, deren Langzeitwirkungen wir bis heute nicht kennen. Herzlichen Dank dafür an die Hunderttausenden Österreiche­rinnen und Österreicher! (Beifall bei der FPÖ.)

Dieses Impfpflichtgesetz wurde hier herinnen am 20. Jänner beschlossen, und es ist schon manchmal interessant, wenn man sich heute die Reden einzelner Proponenten


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 221

wie beispielsweise des Kollegen Saxinger hier angehört hat. Der hat heute gesagt: Ja wie war sie denn, die Situation im Jänner? Delta hat gewütet! – Wenn man sich hingegen seine Rede vom 20. Jänner anschaut, so sprach er damals von Omikron.

Meine Damen und Herren, auch Kollegin Schwarz sprach von Omikron, ebenso Kollege Smolle. Alle sagten, wir haben jetzt die Omikronwelle.

Ich möchte nur darauf hinweisen: Bereits im Oktober hatten wir hier herinnen einen Hauptausschuss mit dem damaligen Gesundheitsminister Mückstein, und dieser sagte: Eine Hiobsbotschaft hat uns erreicht, eine neue Variante!

Ich kann mich gut erinnern, ich habe gesagt: Warum reden Sie von einer Hiobs­bot­schaft? Sie wissen ja noch gar nicht, wie diese Variante werden wird!

Genau das ist diese Kindesweglegung, die hier jetzt betrieben wird, so nach dem Motto: Na ja, damals war eine andere Situation! – Nein, am 20. Jänner war in Österreich die Omikronvariante aktiv. Es gab nämlich schon seit Weihnachten keine Deltafälle mehr in Österreich, meine Damen und Herren. Das ist die Wahrheit.

Dann gibt es noch etwas Zweites: Der Herr Bundesminister für Gesundheit hat hier herinnen in seiner Rede im Mai erklärt, wie wichtig die Impfung ist und wie großartig sie wirkt. Er hat gesagt, Impfen wirkt, das Impfen schützt vor einem Aufenthalt im Kranken­haus und es schützt vor dem Aufenthalt auf der Intensivstation.

Sehr interessierte und aufmerksame Bürger haben sich natürlich maßlos über diese Aus­sage aufgeregt, und einer hat mir geschrieben, er ist Vorarlberger wie der Herr Bun­desminister selbst, und die Vorarlberger Landeskliniken sind übrigens die Einzigen in Österreich, die tatsächlich immer veröffentlicht haben, wie viele Personen mit Corona im Krankenhaus liegen. Jene mit Zufallsbefund werden nicht ausgewiesen, aber es wird sehr wohl aufgeschlüsselt, wie viele auf einer Normalstation und wie viele auf der Intensivstation sind. Er hat mir dann einen Screenshot vom 20. April des heurigen Jahres mitgeschickt: 6 Covid-19-Patienten müssen auf der Intensivstation behandelt werden. Alle sechs Patienten sind voll immunisiert.

Der Herr Bundesminister hat hier offensichtlich die Unwahrheit gesagt, und zwar im vollsten Wissen, weil davon auszugehen ist, dass ein Bundesminister zumindest weiß, was im eigenen Bundesland passiert.

Diese Impfung hat also weder vor Ansteckung noch vor Weitergabe geschützt. Sie hat auch nicht vor einem Aufenthalt auf der Intensivstation geschützt, wie aus den täglichen Berichten der Vorarlberger Landeskliniken hervorgeht, und sie hat leider auch nicht vor dem Tod geschützt, denn es gibt viele, viele Vollimmunisierte, die leider auch verstorben sind.

Was Sie hier herinnen aber immer verschweigen – und das haben Sie im Jänner abge­stritten, das streiten Sie bis heute ab –, das ist, wie es mit den Nebenwirkungen und den Folgewirkungen der Impfung ausschaut. Während nämlich die Todesfälle, die Personen, die mit oder an Corona verstorben sind, ein Durchschnittsalter von 80,3 Jahren haben, sind die Impfnebenwirkungen besonders drastisch bei jungen Menschen: Herzmuskel­entzündung bei jungen Männern – eine riesige Katastrophe für die Betroffenen! Übrigens sind auch junge Mädchen davon betroffen. Das wird alles mit den Worten: alles gut behandelbar!, unter den Teppich gekehrt.

Meine Damen und Herren! Diese Impfung, die so wenig Wirkung hat, war zu gar keinem Zeitpunkt – zu gar keinem Zeitpunkt! – berechtigt, und dieses Impfpflichtgesetz war ein Sündenfall und hätte nicht beschlossen werden dürfen. Dass es heute sozusagen endlich zu Grabe getragen wird, ist ein längst überfälliger Akt.

Nicht die Impfpflicht allein war es aber, meine Damen und Herren, die die Gesellschaft gespalten hat. Gespalten haben sie die Maßnahmen von Anbeginn an, begonnen vom


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damaligen Innenminister Karl Nehammer, der sich hierhergestellt hat und gesagt hat: Ich bedanke mich bei den Lebensrettern, die sich an alle Maßnahmen halten, im Gegen­satz zu den bösen Lebensgefährdern – und damit hat er die älteren Damen gemeint, die sich im ersten Lockdown auf ein Parkbankerl gesetzt haben. Das war damals nämlich verboten.

Da, meine Damen und Herren, hat die Spaltung begonnen, und Sie haben sie dann im letzten Herbst überhaupt zum Exzess geführt, als Sie mit Ihrem Lockdown für Unge­impfte ein Drittel der Bevölkerung vom sozialen Leben und vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen haben. Über Monate hinweg war es einem Drittel der Bevölkerung nicht erlaubt, einkaufen zu gehen – mit Ausnahme des notwendigen Lebensmittelhandels und von Apotheken, aber diese Menschen durften kein Kleidergeschäft, kein Schuhgeschäft und keine anderen Handelsbetriebe besuchen.

Und dann hat sich Herr Kollege Hörl mir gegenüber noch furchtbar echauffiert und mich gefragt, wie ich es mir denn erlauben kann, Weihnachtsgeschenke für meine Kinder bei Amazon zu bestellen. Da habe ich ihm gesagt: Ja, ihr lasst mich nicht in die Geschäfte, aber Weihnachten lasse ich nicht ausfallen! – Auch die Aussage des damaligen Bun­deskanzlers Schallenberg, Weihnachten wird für Ungeimpfte ungemütlich, die, muss ich Ihnen sagen, war ein Beitrag dazu, die Gesellschaft zu spalten.

Daher wird es sehr, sehr viel mehr brauchen als die Abschaffung der Impfpflicht, um die Gesellschaft wieder zusammenzuführen. Hören wir endlich auf mit dem Auseinander­dividieren in Gut und in Böse! Egal aus welcher Motivation sich jemand hat nicht impfen lassen oder hat impfen lassen, das ist eine individuelle Entscheidung und das bleibt auch in Zukunft eine individuelle Entscheidung. Jeder soll es machen und halten, wie er es für richtig hält, aber es sollen keine Nachteile daraus entstehen, im Arbeitsbereich nicht und in der Freizeit nicht.

Erst dann, wenn Sie sich dazu durchgerungen haben, meine Damen und Herren der Regierungsparteien und der vereinten Opposition, die da mit der Regierung zu einem Einheitsmansch verkommen ist, werden wir diese Spaltung der Gesellschaft nachhaltig überwinden können. (Beifall bei der FPÖ.)

17.48


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Peter Wurm. – Bitte.


17.48.59

Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Minister! Hohes Haus! Werte Zuseher! Ja, Game over für den Gamechanger!, würde ich einmal sagen. Ich habe mich bewusst jetzt am Ende dieser Debatte als Redner zu Wort gemeldet, weil ich eigentlich den ganzen Tag abgewartet habe, wie so die Reaktion dieser vier Fraktionen im Haus ist, nachdem sie ja vor einem halben Jahr hier unter großem Pomp und Trara, damals auch noch in Vollbesetzung der Regierungsbank, dieses Gesetz beschlossen haben. – Heute ist ja nur mehr der Innenminister da. Ich meine, wem es auffällt: Die zuständigen Minister oder der Bundeskanzler, von denen ist ja keiner mehr da. Die verstecken sich ja alle. (Rufe: Ja, vor dir! Vor dir! – Abg. Zarits: Und der Kickl? – Abg. Hofinger: Der Kickl? – Abg. Michael Hammer: Der sucht einen Kandidaten!) Das ist ein Sich-Ver­stecken (Zwischenrufe bei ÖVP und Grünen) – darf ich weiterreden? – der Proponenten dieser Geschichte.

Diese Entschuldigung habe ich aber eben jetzt nicht gehört – von niemandem! Niemand von diesen vier Parteien hat die Größe gehabt, sich herzustellen und sich bei Hun­dert­tausenden, wenn nicht Millionen Österreicherinnen und Österreichern für die Corona­politik und im Speziellen für die Einführung der Impfpflicht zu entschuldigen. (Zwischen­ruf des Abg. Lausch.) Keiner hatte diese Größe. (Beifall bei der FPÖ.)


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Wissen Sie, es geht mir – und ich glaube, meinen Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ auch – nicht darum, dass ihr euch bei uns persönlich entschuldigt, sondern es geht uns darum, dass ihr euch bei den Bürgern entschuldigt: für die Beschimpfungen, die ihr ausgeschüttet habt, für die Häme, für den Spott. Noch einmal: Für von „fetzendeppert“ über „lass Hirn regnen“ bis zur Aussage, wir seien „Lebensgefährder“ (Rufe bei der ÖVP: Ihr!), und allem anderen, was da gekommen ist, hat es keine Entschuldigung gegeben. (Beifall bei der FPÖ.) Diese Größe möchte ich schon einfordern. Jetzt kann sich noch einer von den vier Parteien einmelden. Von der Sozialdemokratie ist Frau Kollegin Rendi-Wagner ja noch da (Rufe bei den Grünen: Kickl!), oder es kann sich jemand von der ÖVP oder von den Grünen einmelden und sagen: Ich entschuldige mich für mein Fehlverhalten vor sechs Monaten!, denn es war damals schon ein Fehlverhalten. (Abg. Kucher: Wer entschuldigt sich für die Anfrage von Kollegen Hauser? – Abg. Loacker: Das ist ein Unterhaltungsbeitrag! – Abg. Leichtfried: Wer entschuldigt sich für das Wurmmittel?) Das kommt aber wahrscheinlich nicht. Darauf werde ich möglicherweise länger warten müssen. Ich nehme es zur Kenntnis, und die Bürger werden sich hof­fentlich selbst ein Bild davon machen.

Aber: Ja, es ist heute ein guter Tag und – ich sage es auch ganz deutlich –, ja, es ist auch ein Erfolg und ein Verdienst von uns Freiheitlichen, von der FPÖ (Beifall bei der FPÖ – Widerspruch bei der ÖVP) – das ist ganz deutlich festzuhalten –, aber natürlich nicht nur von uns, wir sind das Sprachrohr hier im Haus, sondern von den vielen Hunderttausenden Bürgern, die über Monate beziehungsweise über zweieinhalb Jahre bei Wind und Kälte und Regen auf die Straße gegangen sind und gegen diese Vor­gangsweise protestiert haben. (Zwischenruf des Abg. Kucher.) Sie alle draußen – von den ganzen Unterschriftenaktionen, Telegram-Gruppen und allem, was es da gegeben hat – haben es ermöglicht, dass der Druck so groß wurde, dass jetzt hoffentlich endlich auch wieder faktenorientierte Politik gemacht und dieses Gesetz gekübelt wird. Ich danke Ihnen vielmals. Sie haben Österreich, uns allen, vor allem auch den Kindern und Jugendlichen, einen Riesendienst erwiesen.

Jetzt komme ich noch einmal zu der Geschichte – und da hätte ich auch gern einmal irgendeine Reaktion gesehen, eine Entschuldigung – der Kollateralschäden, die ange­richtet wurden. (Abg. Obernosterer: Ihr!) Ich darf noch einmal daran erinnern – deshalb passt es ja ganz gut, dass der Innenminister da ist –, was hier wirklich, ich sage es jetzt fast überspitzt, an – verbrecherisch darf man nicht sagen – Maßnahmen gesetzt wurde, meine Damen und Herren, die, was man auch in Erinnerung rufen muss, auch der Innenminister exekutiert hat. Sie haben die Polizei auf die eigene Bevölkerung gehetzt. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Das ist die Realität, das verdrängt man gerne. Ihr habt die Leute eingesperrt und ihr habt mit dem Impfpflichtgesetz auch Maßnahmen vorgehabt, um wirklich alle zu dieser Spritze zu zwingen. Das ist genau so ein Thema, wozu ich einfach gerne einmal eine Entschuldigung haben würde. Mea culpa kann man ja sagen, und auch: Ich habe mich geirrt, ich habe mich da als Abgeordneter hineintreiben lassen!

Sie haben ja namentlich abgestimmt – die dazugehörige Liste gibt es ja –, da hat es abseits der Freiheitlichen vier Ausnahmen gegeben und sonst haben Sie alle, wie Sie hier sitzen, vor sechs Monaten dem zugestimmt und damit Verfassung, Bürgerrechte, Freiheit und die körperliche Unversehrtheit mit Füßen getreten – ich sage diese vier Dinge ganz deutlich –, und Sie haben auch die Demokratie und das Vertrauen der Bürger in diesen Staat ganz schwer erschüttert – ganz schwer! Es wird schwierig werden, es wird für uns alle schwierig werden, das Ganze wieder ins Lot zu bringen.

Diese ganzen 1G-, 2G-, 3G-Geschichten, der grüne Pass, diese ganzen Kontrollen, das alles hängt uns nach, und ich hoffe, wir sind jetzt alle so weit – auch die anderen vier Parteien –, die Bürger von diesem Irrsinn zu befreien und sie nicht wieder zu bedrohen. Das wäre das Ziel.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 224

Ich habe hier vor einigen Monaten einmal gesagt, wir als Coronaopfer – und ich sehe mich auch als Coronaopfer – werden für diese ganzen Dinge, die passiert sind, vergeben müssen, aber nicht vergessen. Das hat mir, muss ich sagen, ja auch sehr viele negative Rückmeldungen von Betroffenen, Coronaopfern, die unter diesen Maßnahmen gelitten haben, deren Kinder in der Psychiatrie sind, Essstörungen, Selbstmordgedanken haben, und von ganz, ganz vielen, die Impfschäden haben, eingebracht. Die haben mir das krummgenommen, dass ich das so gesagt habe. Daher möchte ich es zum Abschluss hier vielleicht noch einmal ein bisschen genauer ausführen: Ich vergebe (Abg. Michael Hammer: Dir ist alles vergeben, ja!) beziehungsweise müssen wir, glaube ich, innerhalb der Familien, der Betriebe, im persönlichen Umfeld und so weiter vergeben – aber ver­gessen tun wir es nicht. Was die politische Verantwortung, das, was die politisch Ver­antwortlichen da getan haben, betrifft: Ob wir da werden vergeben können, das ist eine gute Frage. Ganz, ganz viele Österreicherinnen und Österreicher sind zurzeit der festen Überzeugung, dass sie Ihnen allen das nicht vergeben wollen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

17.56


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet.

Wünscht seitens der Berichterstattung gemäß § 63 der Geschäftsordnung noch jemand ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Ich verlege die Abstimmungen über diese Tagesordnungspunkte nach die Abstimmung über den Tagesordnungspunkt 11.

17.56.43Abstimmung über die Tagesordnungspunkte 11 bis 14


Präsidentin Doris Bures: Ich würde jetzt zu den Abstimmungen über die Tagesord­nungspunkte 11 bis 14 überleiten. Ich glaube, wir können gleich zu den Abstimmungen kommen.

Zu Tagesordnungspunkt 11 liegt ein Rückverweisungsantrag der Abgeordneten Diet­mar Keck, Kolleginnen und Kollegen vor.

Ich lasse daher sogleich darüber abstimmen, den im Antrag 2586/A enthaltenen Ge­setzentwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Schutz der Tiere und das Bundesgesetz über den Transport von Tieren und damit zusam­men­hängenden Vorgängen geändert werden, nochmals an den Gesundheitsausschuss zu verweisen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die dem zustimmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir gelangen damit zur Abstimmung über den Tagesordnungspunkt 11, über den im Antrag 2586/A enthaltenen Gesetzentwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Schutz der Tiere und das Bundesgesetz über den Transport von Tieren und damit zusammenhängenden Vorgängen geändert wird.

Hiezu liegt ein gesamtändernder Abänderungsantrag der Abgeordneten Strasser, Voglauer, Kolleginnen und Kollegen vor.

Weiters liegt ein Verlangen auf getrennte Abstimmung des Abgeordneten Kaniak vor.

Ich werde daher zunächst über die vom erwähnten Verlangen auf getrennte Abstimmung betroffenen Teile in der Fassung des gesamtändernden Abänderungsantrages und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes ebenfalls in der Fassung des gesamtändernden Abänderungsantrages abstimmen lassen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 225

Wir kommen zur getrennten Abstimmung über die Ziffern 5 und 6, 8 bis 12 und die der Ziffer 15 entsprechende Ziffer 17 des Gesetzentwurfes in der Fassung des gesamt­än­dernden Abänderungsantrages der Abgeordneten Strasser, Voglauer, Kolleginnen und Kollegen.

Wer sich dafür ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit so angenommen.

Ich bitte nun jene Damen und Herren, die sich für die restlichen, noch nicht abge­stimmten Teile des in 2586/A enthaltenen Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des gesamtändernden Abänderungsantrages der Abgeordneten Strasser, Voglauer, Kolleginnen und Kollegen aussprechen, um ein Zeichen. – Das ist mit Mehr­heit so angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung. – Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Ka­tharina Werner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Hitzefrei für Fiakerpferde“.

Wer ist für diesen Entschließungsantrag? – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Somit kommen wir zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 12, über den im Antrag 2652/A enthaltenen Gesetzentwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epidemie­gesetz und das COVID-19-Maßnahmengesetz geändert werden.

Hierzu haben die Abgeordneten Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde daher zunächst über den Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag ab­stimmen lassen und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes.

Die Abgeordneten Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag betreffend Artikel 1 und 2 eingebracht.

Wer sich dafür ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit so ange­nommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des im Antrag 2652/A enthaltenen Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang.

Wer stimmt dem zu? – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung. – Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung mit Mehrheit angenommen.

Damit kommen wir zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 13, den im Antrag 2659/A enthaltenen Gesetzentwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gesundheitstele­matikgesetz 2012 geändert wird.

Dazu gibt es einen Zusatzantrag der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen, und über diesen werde ich zuerst abstimmen lassen.

Antrag der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen: Zusatzantrag betreffend Einfügung neuer Ziffern 2 und 3.

Wer spricht sich dafür aus? – Das ist mit Mehrheit so angenommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über den im Antrag 2659/A enthaltenen Ge­setzentwurf samt Titel und Eingang.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 226

Wer spricht sich für diesen aus? – Das ist mit Mehrheit so angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung. – Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung mit Mehrheit angenommen.

Abstimmung über Tagesordnungspunkt 14, Antrag 2676/A: Gesetzentwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das COVID-19-Impfpflichtgesetz, die Covid-19-Impfpflicht­verordnung und die Verordnung betreffend die vorübergehende Nichtanwendung des COVID-19-Impfpflichtgesetzes und der COVID-19-Impfpflichtverordnung aufgehoben werden und das Epidemiegesetz geändert wird, samt Titel und Eingang.

Wer spricht sich für diesen Gesetzentwurf aus? – Das ist einstimmig so angenommen. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung. – Noch sind wir nicht ganz fertig.

Wer gibt dem in dritter Lesung die Zustimmung? – Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung einstimmig angenommen. (Beifall und Bravorufe bei der FPÖ.)

18.02.4215. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 2487/A der Abgeordneten Andreas Ottenschläger, Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Finanzierung politischer Parteien (Parteiengesetz 2012 – PartG), das Mediengesetz und das Verfassungs­gerichtshofgesetz 1953 (VfGG) geändert werden, sowie über den

Antrag 34/A und Zu 34/A der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes­ge­setz über die Finanzierung politischer Parteien (Parteiengesetz 2012 – PartG) geändert wird, über den

Antrag 35/A und Zu 35/A der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes­gesetz über die Finanzierung politischer Parteien (Parteiengesetz 2012 – PartG) geändert wird, und über den

Antrag 454/A der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Finanzierung politischer Parteien (Parteiengesetz 2012 – PartG) geändert wird (1637 d.B.)

16. Punkt

Bericht und Antrag des Verfassungsausschusses über den Entwurf eines Bundes­gesetzes, mit dem das Klubfinanzierungsgesetz 1985 und das Publizistikförde­rungsgesetz 1984 geändert werden (1638 d.B.)

17. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 28/A und Zu 28/A der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Finanzierung politischer Parteien (Parteiengesetz 2012 – PartG) geändert wird (1639 d.B.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 227

18. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 31/A und Zu 31/A der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Finanzierung politischer Parteien (Parteiengesetz 2012 – PartG) geändert wird (1640 d.B.)

19. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 181/A der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesver­fas­sungsgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Finanzierung politischer Par­teien (Parteiengesetz 2012 – PartG) geändert wird (1641 d.B.)

20. Punkt

Zweite Lesung: Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 2509/A der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz und das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975) geändert werden (1642 d.B.)

21. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 1374/A der Abgeordneten Dr. Susanne Fürst, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz zum Verbot von Parteispenden (1643 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir nun zu den Punkten 15 bis 21. Über diese Punkte werden wir die Debatten unter einem durchführen. (Unruhe im Saal.) – Die Sitzung ist schon noch im Gange, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Herr Abgeordneter Christian Ragger, Sie sind der erste Redner, der zu Wort gelangt. – Bitte.


18.03.24

Abgeordneter Mag. Christian Ragger (FPÖ): Sehr geehrte Präsidentin! Geschätzter Herr Innenminister! Ich darf heute das Parteiengesetz einbegleiten, möchte aber vorweg klarstellen, dass ich mich heute gegen dieses Parteiengesetz aussprechen werde, und zwar mit einer ganz klaren Vorgabe, nämlich dass ich grundsätzlich überhaupt gegen Parteispenden bin. (Abg. Maurer: Dafür haben Sie aber ziemlich viele genommen!) – Ja, man kann mit zunehmendem Alter auch schlauer und auch weiser werden und man sollte das vielleicht auch heranziehen, denn wenn man weiß, dass heute, in Zeiten einer Energiekrise, in einer Zeit, in der eine Inflationswelle die nächste reitet und wir gleich­zeitig auch einen Pflegenotstand – wir haben ihn heute diskutiert – haben, mit diesem neuen Parteiengesetz den Parteien Parteigeschenke und Gelder in Millionenhöhe aus­bezahlt werden, dann sollte man sich das eigentlich schon überlegen.

Man sollte das nämlich insofern tun, als man heute hier zwar ein Parteiengesetz fest­gelegt hat, aber die größte Fraktion und noch dazu Regierungspartei hier unter dem Titel der Mentalreservation agiert und nicht wirklich ernsthaft beabsichtigt, eine echte Än­derung des Parteiengesetzes vorzunehmen. Man muss ja auch ganz klar sagen, dass


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 228

dieses Parteiengesetz zwar beschlossen werden kann, es aber so lückenhaft ist wie ein Fischernetz. Das ist halt letztendlich das, was die Grünen in dieser ganzen Struktur nicht verstanden haben, weil sie es ja auch nicht verstehen, wie man etwas macht, was die ÖVP seit 40 Jahren hier einfach vollzieht.

Ich gebe Ihnen ein kleines Beispiel: Die ÖVP hat 850 Vororganisationen, die in irgend­einer Vereinskonstruktion oder Personenkomiteekonstruktion existieren, und solange Sie das Vereinsgesetz und diese einzelne gesetzliche Regelung nicht ändern, wird die ÖVP Tür und Tor für 850 Organisationen offen haben, womit sie Spendengelder, Indus­triellenvereinigungsgelder, Gelder aus der Industrie, von Großspendern oder sons­tigen - - (Abg. Ottenschläger: Du bist doch Jurist, du bist doch Rechtsanwalt! Du hast das nicht gelesen!) – Ja, weil ich eben auch Rechtsanwalt bin (Abg. Ottenschläger: Ja, eben!), weiß ich, lieber Herr Ottenschläger, wie ihr das anstellt, und daher ist es relativ einfach nachzuvollziehen, was ihr hier macht.

Daher ist auch dieses Gesetz, das wir heute beschließen, nur eine Halbwahrheit, und daher darf man zwar sagen, dass es vereinzelt Verbesserungen gibt, wie die neue Be­stellung des Rechnungshofpräsidenten oder der Rechnungshofpräsidentin, aber muss auch da feststellen, dass nur halbherzig agiert wird: Man beschließt zwar mit einer Zweidrittelmehrheit, aber im Grunde genommen kann die Regierung diese Präsi­dentin/diesen Präsidenten mit einfacher Mehrheit wieder abberufen. Daher glaube ich, dass man da lange verhandelt hat, aber am Ende des Tages hat man der Bevölkerung letztendlich im Grunde genommen nur Sand in die Augen gestreut, indem man mit diesem Gesetz hier nur placebomäßig das regierungsprogrammmäßige Abarbeiten vollzieht.

Betreffend dieses Gesetz ist vielleicht auch noch zu erwähnen, dass es in weiterer Folge auch erstmalig möglich ist, dass immerhin auch Regierungsbüros – oh mein Gott, wieso auch nicht –, die bis jetzt quasi auf der Payroll der einzelnen Parteien gestanden sind, durch dieses Gesetz miteinbezogen werden. Man muss auch sagen: Danke, dass man da zum ersten Mal auch den Rechnungshof berücksichtigt, indem er einen Kontroll­automatismus hat – das ist ja positiv zu erwähnen. Das alles ist aber nur ein kleiner Beistrich, solange Sie – ich wiederhole es noch einmal – neben diesem Parteiengesetz nicht auch das Vereinsgesetz adaptieren.

Und, lieber Herr Kollege Ottenschläger, Sie können dieses Parteiengesetz schönreden, Faktum ist: Die ÖVP wird im Grunde genommen weiterhin ihre Parteispenden kassieren, wie sie will. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

18.07


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Andreas Ottenschläger, Sie gelangen als Nächster zu Wort. – Bitte.


18.07.17

Abgeordneter Andreas Ottenschläger (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bun­desminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zu­seher! Herr Kollege Ragger (Ruf bei der ÖVP: Der kennt sich nicht aus!), vielleicht nehmen Sie sich noch eine Minute Zeit, um vielleicht zumindest den ersten Teil meiner Rede zu hören – aber es interessiert ihn ja schon nicht mehr, und das zeigt ja auch (Abg. Rauch: Weil heute der Tag der Wahrheit ist! Heute ist der Tag der Wahrheit!), wie sich die FPÖ bei der Entstehung dieses Gesetzes verhalten hat, nämlich nicht konstruktiv. Eigentlich, und das muss man ja klipp und klar feststellen, wollte die FPÖ nie die direkte Kontrollmöglichkeit durch den Rechnungshof – das muss man einmal klar sagen. (Abg. Deimek: Es reicht schon, dass ...! – Zwischenruf des Abg. Rauch.) Die SPÖ war einmal


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skeptisch, sie hat jetzt einen neuen Weg eingeschlagen, aber ihr wolltet diese Kontrolle nicht haben, und das muss man einfach so feststellen. (Beifall bei der ÖVP.)

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen von den Freiheitlichen! Ihr habt ja gedacht, wir als ÖVP trauen uns das gar nicht. Da habt ihr aber falsch gedacht, denn wir sind in die Offensive gegangen: Wir schlagen mit diesem neuen Parteiengesetz ein neues Kapitel von Transparenz und Fairness in der österreichischen Parteienlandschaft auf, und das passt euch nicht. Warum? – Das sollen andere interpretieren. (Abg. Deimek: Das glaubt euch nicht einmal der ...!)

Bevor ich näher auf dieses Gesetz eingehe, möchte ich mich bedanken: zum einen bei meiner Kollegin Klubobfrau Sigi Maurer und ihrem Team, ich möchte mich auch bei meinem Team sehr herzlich bedanken (Beifall bei ÖVP und Grünen – Abg. Deimek: ... so viele mitklatschen!), weil wir gemeinsam eine wirklich solide Grundlage für dieses neue Gesetz erarbeitet und vorgelegt haben. Ich möchte mich an der Stelle aber auch bei den konstruktiven Teilen der Opposition, insbesondere bei den NEOS und da allen voran bei Klubobfrau-Stellvertreter Niki Scherak bedanken. Wir haben von euch gute Vorschläge erhalten, und eigentlich finden sich auch fast alle wieder. Ich weiß, es gibt einen letzten Kritikpunkt – Stichwort parteinahe Organisationen.

Wir haben, glaube ich, jetzt auch sehr eindeutig bewiesen – es wird heute ja noch ein entsprechender Antrag dazu eingebracht, der das beweisen und dokumentieren soll –, dass wir es auch in dieser Angelegenheit ernst meinen, eine praxistaugliche und rechts­sichere Lösung auf den Weg zu bringen. (Abg. Deimek: Wie ist das mit den Geldern von 2019?) Deswegen finde ich es ein bisschen schade und bedauere es, dass wir eure Zustimmung vermutlich nicht erhalten werden. Wir haben hier Kompromissfähigkeit gezeigt, wir haben gezeigt, dass wir offen sind für viele neue Vorschläge – und deswegen vermisse ich jetzt ein wenig die Kompromissfähigkeit auch der NEOS, wenn sie diesem Antrag hier nicht zustimmen können. (Abg. Deimek: Wir haben auch das von 2019 gesehen, dass ihr euch das Geld dann unter den Nagel reißt!)

Auch die SPÖ hat aber zugegebenermaßen nach einigem Hin und Her doch noch den richtigen Weg eingeschlagen. Danke auch dafür! Wir haben auch einige Vorschläge der SPÖ aufgenommen. Ich glaube, das dokumentiert und zeigt ja auch: Wo ein ge­meinsamer Wille, da gibt es auch einen gemeinsamen Weg. Das könnte vielleicht auch Vorbild für andere politische Themenbereiche hier in diesem Hohen Haus sein. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Sie wissen, wir haben uns gemeinsam mit den Grünen bereits im Regierungsprogramm zu einer weitreichenden Reform dieses Parteiengesetzes bekannt, und das nun vorliegende geht weit über dieses Regierungsprogramm hinaus.

Nun zu den Eckpunkten: Natürlich ist ein Kernbereich dieses Gesetzes, dieser Erneu­erung der Ausbau der Rechnungshofkontrolle. So soll bei Ungereimtheiten im Rechen­schaftsbericht und auch im Wahlwerbungsbericht und bei begründetem Verdacht auf Verstoß gegen Bestimmungen des Parteiengesetzes der Rechnungshof zukünftig ein direktes Kontroll- und Belegeinsichtsrecht sowie unmittelbares Einschaurecht erhalten. Wir schaffen einen eigenen Wahlwerbungsbericht und ein neues vernünftiges Spenden­meldesystem.

Eine grundlegende Überarbeitung der Rechnungslegung beziehungsweise Rechen­schaftsberichte ist vorgesehen, ebenso – ein entscheidender Punkt – die lückenlose Erfassung aller Zahlungsflüsse, liebe Kolleginnen und Kollegen der Freiheitlichen (Zwi­schenruf des Abg. Deimek) – also das, was Herr Kollege Ragger hier behauptet hat, das funktioniert gar nicht –, und darüber hinaus eine Verschärfung der Geldbußen und Straf­bestimmungen.


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Wesentliche Forderungen, die wir nach der Begutachtung in die Verhandlungen noch aufgenommen haben:

Gefordert: Ausbau der Minderheitsrechte im Nationalrat betreffend die Möglichkeit der Sonderprüfungen durch den Rechnungshof. – Umgesetzt.

Die Bestellung und auch die Abberufung einer Rechnungshofpräsidentin oder eines Rechnungshofpräsidenten geschieht in Zukunft mittels einer Zweidrittelmehrheit in die­sem Haus. Was wir nicht tun, ist, die amtierende Präsidentin abzusetzen. Ich hoffe, das steht mittlerweile außer Streit.

Darüber hinaus – auch das war eine Forderung – ist die Verpflichtung gegeben, Studien, Umfragen und Gutachten der Bundesministerien und deren Kosten durch den Rech­nungshof veröffentlichen zu lassen. – Das wird umgesetzt.

Was wir als ÖVP darüber hinaus auch eingebracht haben, ist, dass wir ein Spenden­annahmeverbot für parlamentarische Klubs und politische Bildungseinrichtungen um­setzen.

Darüber hinaus, und ich komme jetzt auch zu ein paar Punkten, die seitens der Oppo­sition eingebracht wurden: Die Namen der Mitglieder mit Mitgliedsbeiträgen über 5 000 Euro pro Jahr sind auch bei nahestehenden Organisationen auszuweisen. – Das war eine Forderung der Kollegen von den NEOS.

Eine Verpflichtung zu sofortiger Meldung von Spenden über 2 500 Euro während eines Wahlkampfes wird eingeführt. – Das war eine Forderung der NEOS und – und das war deren einzig konstruktive – der FPÖ.

Es wird klare Verfahrensvorschriften für das Prüfverfahren durch den Rechnungshof geben. – Da sind wir der Sozialdemokratie gefolgt.

Die Verwaltungsstrafdelikte im Parteiengesetz wurden von Wissentlichkeit auf Vorsätz­lichkeit verschärft. – Das ist eine Forderung der NEOS.

Es erfolgt eine Klarstellung, dass ein missbräuchliches Stückeln von Spenden in Baga­tell­beträge unter 150 Euro ebenfalls unter das Stückelungsverbot fällt – eine Klarstel­lung, die von den NEOS gefordert wurde. Auch da kommen wir gerne entgegen.

Gesetzlich klargestellt wurde, dass es bei Nichtabgabe eines Rechenschaftsberichts zukünftig zur Streichung der Parteienförderung kommt.

Darüber hinaus gilt ein Spendenverbot für juristische Personen, Unternehmen auch dann, wenn der wirtschaftliche Eigentümer ein Ausländer ist. – Das ist eine Forderung der NEOS.

Verschärfung der Strafen bei Überschreiten der Wahlkampfkostenobergrenze: Auch da haben wir mit den NEOS einen guten Kompromiss gefunden.

Mir war es jetzt ein Anliegen, ein paar Punkte herauszuarbeiten, damit Sie sehen, dass wir bemüht waren, einen möglichst breiten Konsens in dieser Angelegenheit in diesem Haus herzustellen.

Zusammenfassend: Namhafte Expertinnen und Experten bestätigen jetzt, dass dieses Gesetz und alle weiteren Punkte dieses Paketes eine völlige Neuaufstellung der Par­teienkontrolle darstellen. Mehr Transparenz und faire Rahmenbedingungen für einen fairen Wettbewerb zwischen allen politischen Parteien sollen so gewährleistet werden. Ich denke, wir zeigen hier als Parlament, dass wir, wenn wir wollen, gemeinsam gute Lösungen zustande bringen können. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

18.15



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 231

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Nikolaus Scherak. – Bitte. (Abg. Deimek: Der Applaus war bescheiden!)


18.15.53

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Frau Präsidentin! Herr Bundes­minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich kann an die positiven Worte des Kollegen Ottenschläger jetzt am Anfang jedenfalls anschließen und feststellen, dass das, was wir über die letzten Wochen und Monate im Zusammenhang mit den Verhandlungen zum Parteiengesetz gemacht haben, etwas ist, das man als gelebten Parlamentarismus sehen kann. Man kann sehen, dass, wenn man gemeinsam versucht – auch mit unter­schiedlichen Standpunkten –, die besseren Lösungen zu finden, das funktionieren kann und dass es auch funktionieren kann, dass man mit ganz unterschiedlichen Vorstel­lungen zusammenfindet und am Schluss jedenfalls ein besseres Gesetz findet als das, was davor vorgelegen ist.

Es haben nicht nur die unterschiedlichen Parteien unterschiedliche Änderungs­vor­schläge eingebracht, es haben auch viele Expertinnen und Experten im Begutachtungsver­fah­ren – auch das ist etwas, das viel zu selten so wahrgenommen wird – Ideen eingebracht. Viele von diesen Dingen wurden umgesetzt – sehr, sehr viele Dinge, die uns als NEOS, seit wir uns vor zehn Jahren gegründet haben, ein ganz wesentliches Anliegen waren und für die wir auch gekämpft haben.

Es sind schon einige angesprochen worden, ich darf exemplarisch noch ein paar herausholen. Die wesentlichste Änderung, und das ist ja das Wichtigste an der ganzen Novelle, ist, dass der Rechnungshof in Zukunft ein originäres Einsichtsrecht in die Par­teifinanzen haben wird und prüfen kann, was Parteien, was Teilorganisationen mit dem Geld der Bürgerinnen und Bürger eigentlich machen.

Es wird für die Überschreitung der Wahlkampfkostenobergrenze endlich ordentliche und wirklich abschreckende Sanktionen geben. Ich mag nur als Beispiel die Wahlkampf­kostenobergrenzenüberschreitung der ÖVP im Jahr 2017 nennen. Die ÖVP hat damals knapp 6 Millionen Euro zu viel ausgegeben. In Zukunft ist es möglich, dass dieses 6-Millionen-Euro-zu-viel-Ausgeben eine Strafe von 12 Millionen Euro nach sich zieht. Das halte ich für sinnvoll. (Beifall bei den NEOS.)

Es wird eigene Wahlwerbungsberichte geben, auch das hat Kollege Ottenschläger schon angesprochen, in denen dargelegt werden muss, wie viel Geld ausgegeben wurde. Es wird während der Wahlkämpfe auch klar sein, dass Spenden über 2 500 Euro sofort gemeldet und veröffentlicht werden müssen. In Nichtwahlkampfzeiten sind alle Spenden über 150 Euro vierteljährlich an den Rechnungshof zu melden, und Spenden über 500 Euro werden sogar namentlich ausgewiesen.

Es werden die Umgehungskonstruktionen zum Beispiel des Vorarlberger Wirtschafts­bundes, der versucht hat, irgendwie mit Inseraten, die er abgepresst hat, die Volkspartei zu sanieren, in Zukunft nicht mehr so einfach möglich sein, weil alle Erträge auch von Teilorganisationen in Rechenschaftsberichten angeführt werden müssen.

Es gibt noch viele andere Detailregeln, die das Parteiengesetz transparenter machen, die illegale Parteienfinanzierung schwieriger machen und die die Rechenschaftspflicht der Parteien gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern verschärfen.

Jetzt sagen Sie vielleicht: Das klingt alles großartig, wieso stimmen die NEOS, denen das so ein wichtiges Anliegen ist, nicht mit?

Der Auslöser dieser jetzigen Verhandlung ist in Wirklichkeit ein berühmter Som­mer­abend auf einer Baleareninsel, Sie erinnern sich vielleicht. Ein späterer Vizekanzler und ein späterer Klubobmann haben dort darüber diskutiert, wie man es denn schafft, Spenden


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für die FPÖ am Rechnungshof vorbei zu lukrieren, indem man sie an irgendwelche Vereine im Umfeld der FPÖ schicken lässt. Das ist in Wirklichkeit der Grund, wieso sich in diesem Haus etwas bewegt hat, wieso einzelne Parteien sich überlegt haben: Viel­leicht müssen wir doch wirklich endgültig etwas ändern!

Jetzt habe ich gesagt, es ist sehr viel Gutes in diesem Gesetz, aber genau diese Umge­hungskonstruktionen, über die H.-C. Strache und Johann Gudenus auf Ibiza geredet haben, sind weiterhin möglich. (Beifall bei den NEOS.)

Sie machen ein neues Parteiengesetz und lassen genau die Lücke offen, die der eigent­liche Grund war, wieso da überhaupt Bewegung hineingekommen ist. Das kann es ja wohl wirklich nicht sein.

Ich kann Ihnen das an ein paar Beispielen erläutern, was Sie hier im Gesetz machen. Sie normieren, dass in Zukunft Vereine, die in irgendeiner Art und Weise statutarisch mit einer Partei verbunden sind, als Vorfeldorganisationen gelten, als parteinahe Organi­sationen, und dass die rechenschaftspflichtig sind. Das ist sehr gut, das erkenne ich an. Das führt zum Beispiel dazu, dass die Umgehungskonstruktionen der SPÖ mit der Gewerkschaft nach der letzten Parteiengesetznovelle so nicht mehr möglich sind.

Was ist denn aber weiterhin kein parteinaher Verein? Wer ist denn weiterhin nicht rechenschaftspflichtig? Der Journalist Martin Thür hat versucht, eine Liste aller Vereine zu erstellen, die parteinah sind: Er hat allein 857 Vereine im Umfeld der ÖVP, 287 im Umfeld der SPÖ, 97 bei der FPÖ, einige bei den Grünen und selbstverständlich auch bei uns NEOS gefunden. Viele von diesen Vereinen sind eben nicht statutarisch mit der Partei verbunden. Ich weiß nicht, ob Sie sich erinnern: Es gab diesen Verein Austria in Motion, das war der Verein, über den H.-C. Strache Geld in die Nähe der FPÖ bringen wollte. Da waren FPÖ-Abgeordnete im Vorstand. Der Verein war aber nicht statutarisch mit der Partei verbunden. Es wäre alles weiterhin möglich, was H.-C. Strache auf Ibiza erzählt hat. (Beifall bei den NEOS.)

Schauen Sie sich die ganzen Vereine im Umfeld der SPÖ, insbesondere der SPÖ Wien, an, von denen viele nicht statutarisch mit der SPÖ Wien verbunden sind. Sie ermög­lichen es deswegen, dass die SPÖ ihre sehr intransparenten Finanzströme über Vor­feldorganisationen und über parteinahe Vereine weiterhin so hat und diese Finanz­ströme nicht öffentlich macht.

Sie erinnern sich vielleicht an den Oberösterreichischen Seniorenbund, von dem wir ja gelernt haben, dass es ihn zweimal gibt – das ist eine Erkenntnis der letzten Wochen –, und der es geschafft hat, in einer wirklich schamlosen Art und Weise in den Steuertopf hineinzugreifen, wie es eigentlich unvorstellbar war. Dieser zweite Seniorenbund, neben dem Seniorenbund, der ja parteinah ist, dieser zweite, der das gleiche Logo wie dieser parteinahe hat, der den gleichen Obmann wie dieser andere Seniorenbund hat, der den gleichen Sitz wie dieser andere Seniorenbund hat (Ruf bei der FPÖ: Das war sicher nur ein Irrtum!), der den gleichen Geschäftsführer wie dieser andere Seniorenbund hat, der ist nicht parteinah, weil er nicht statutarisch mit der ÖVP verankert ist. Das kann es ja wohl wirklich nicht sein. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Loacker: Der Pühringer hat auch nichts mit der ÖVP zu tun!)

Genau solche Umgehungskonstruktionen führen natürlich ihr gesamtes Parteiengesetz und die so viel gelobte Transparenz ad absurdum. Jetzt wird dann nachher Frau Kollegin Maurer rauskommen und sagen: Na ja, uns geht’s ja um die freiwillige Feuerwehr und irgendwelche Fußballvereine und so weiter und sofort. Das ist ja lächerlich! Es geht ja niemandem darum, dass wir einen Fußballverein rechenschaftspflichtig machen. Wir haben jetzt über Monate darauf hingewiesen, dass hier eine immense Lücke offen ist; nicht nur wir, sondern auch der Rechnungshof und das Forum Informationsfreiheit haben darauf hingewiesen. Wenn Sie mir nicht glauben, dann lesen Sie in der Stellungnahme


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 233

vom Forum Informationsfreiheit nach. Der Parteienfinanzierungsexperte Hubert Sickinger schreibt dort wörtlich Folgendes, ich zitiere: „Auf die seit Veröffentlichung des ‚Ibiza-Videos‘ im Mai 2017 viel diskutierte Problematik einer Parteienfinanzierung ‚am Rech­nungshof vorbei‘ durch ausgelagerte Vereine gibt diese weiterhin ausschließlich auf die Rechtsgrundlagen der Organisation bzw. die Satzung der Partei abstellende Definition einer ‚nahestehenden Organisation‘ aber keine Antwort [...]“. Es ist weiterhin möglich, was auf Ibiza passiert ist. Genau das Gleiche wollte der Rechnungshof auch abstellen. (Beifall bei den NEOS.)

Herr Kollege Ottenschläger, Sie haben jetzt angesprochen, dass Sie einen Entschließungs­antrag einbringen werden. Das zeigt ja nur, dass Sie offensichtlich ein schlechtes Ge­wissen haben, dass Ihnen auffällt, dass Sie hier ein Einfallstor für illegale Parteienfinan­zierung offengelassen haben. Für das Verschieben auf den Sankt-Nimmerleins-Tag in der Hoffnung, dass dann vielleicht irgendwann einmal eine Lösung daherkommt, bin ich – zugegebenermaßen – schon zu lange im Parlament, als dass ich auf so etwas warten will.

Sie versuchen, gläserne Parteikassen zu machen, und lassen, anstatt dass Sie die Hintertür für illegale Parteienfinanzierung endgültig schließen, das Tor mit offenen Augen meterweit offen. Das kann nicht das Ziel dieses Parteiengesetzes sein. (Beifall bei den NEOS.)

Es gibt einfache Lösungen dafür. Wir haben mehrere vorgeschlagen. Manche sind von Ihnen zurückgeschickt worden. Wir haben wiederum welche vorgeschlagen. Wir haben das Spiel sehr oft gespielt. Eine dieser Lösungen bringe ich heute als Abände­rungs­antrag ein, der meines Wissens an alle im Saal verteilt wurde. Frau Präsidentin, dementsprechend muss ich den Antrag nur in seinen Grundzügen erläutern.

Es geht darum, dass bei der Beurteilung, ob eine Organisation parteinah ist, eben nicht nur das Statut ausschlaggebend ist, sondern auch so Kriterien wie die Namens­gleichheit, ein gemeinsamer Sitz, die überwiegende Personenidentität in Leitungsor­ga­nen oder Geschäftsführung, sofern der Vereinszweck eben nicht ausschließlich politikferne Ziele entsprechend verfolgt. (Zwischenruf des Abg. Deimek.)

Das, was ich heute hier vorschlage, wäre eine einfache Lösung für dieses ganze Prob­lem. Ich sage Ihnen etwas: Ich bin überzeugt davon, dass es sich die Menschen in diesem Lande verdient haben, dass es endlich ein transparentes System der Parteien­finanzierung gibt, dass die Parteien ihnen zu 100 Prozent rechenschaftspflichtig sind. Ich bin überzeugt davon, dass es mehr denn je Zeit für wirklich gläserne Parteikassen ist.

Ich erkenne Ihre Bemühungen an, ich erkenne auch Ihre Erfolge an, das ist unzweifelhaft der Fall, aber am Ende bleibt mir leider nichts anderes, als festzustellen, dass Sie auf den letzten Metern der Mut verlassen hat, weil all das, worüber H.-C. Strache auf Ibiza gesprochen hat, weiterhin möglich ist, und Sie tragen dafür die Verantwortung. (Beifall bei den NEOS.)

18.25

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak‚ MA, Kolleginnen und Kollegen

zum Bericht des Verfassungsaussschusses über den Antrag 2487/A der Abgeordneten Andreas Ottenschläger, Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Finanzierung politischer Parteien


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(Parteiengesetz 2012 – PartG), das Mediengesetz und das Verfassungs­gerichtshof­gesetz 1953 (VfGG) geändert werdensowie über den Antrag 34/A und Zu 34/A der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Finanzierung politischer Parteien (Parteiengesetz 2012 – PartG) geändert wird, über den Antrag 35/A und Zu 35/A der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Finanzierung politischer Parteien (Parteiengesetz 2012 – PartG) geändert wird und über den Antrag 454/A der Abge­ordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Finanzierung politischer Parteien (Par­teiengesetz 2012 – PartG) geändert wird (1637 d.B.) - TOP 15

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der dem eingangs bezeichneten Ausschussbericht angeschlossene Gesetzesentwurf wird wie folgt geändert:

I. In Artikel 1 Z 5 lautet § 2 Z 3 wie folgt:„3. "nahestehende Organisation": eine von der politischen Partei getrennte Organisation mit eigener Rechtspersönlichkeit, die diese Partei oder eine andere nahestehende Organisation dieser Partei unterstützt oder an der Willensbildung dieser Partei oder der anderen nahestehenden Organisation dieser Partei, insbesondere durch Entsendungen in Organe, mitwirkt, oder an deren Willens­bildung diese Partei mitwirkt. Für die Beurteilung sind organisatorische Kriterien wie die Festlegung der Unterstützung oder Mitwirkung in den Rechtsgrundlagen oder Satzungen einer der Organisationen oder der Partei ausschlaggebend. Für die Beurteilung, ob eine Organisation als einer politischen Partei nahestehend gilt, sind ebenso Kriterien wie Namensgleichheit, ein gemeinsamer Sitz oder überwiegende Personenidentität in Leitungsorganen oder Geschäftsführung ausschlaggebend, sofern der Vereinszweck nicht ausschließlich auf politikferne Ziele ausgerichtet ist. Parlamentarische Klubs im Sinne des § 1 des Klubfinanzierungsgesetzes 1985, BGBl. Nr. 156, und Rechtsträger im Sinne des § 1 Abs. 2 des Publizistikförderungsgesetzes 1984, BGBl. Nr.369, sowie Land­tagsklubs und je Partei eine vom jeweiligen Bundesland geförderte Bildungs­einrichtung dieser Partei sind keine nahestehenden Organisationen im Sinne dieses Gesetzes,"

Begründung

Ad I.

Medial wird seit Wochen diskutiert, welche politiknahen Vereine auch gesetzlich als nahestehende Organisationen im Sinne des Parteiengesetzes einzustufen sind. Die Problematik ist jedoch schon viel älter und immer noch im bestehenden Entwurf zum Parteiengesetz ungelöst.

In zahlreichen Stellungnahmen zur Novellierung des Parteiengesetzes wurde Kritik daran geäußert, dass die Definition der "nahestehenden Organisation" in § 2 Ziffer 3 Parteiengesetz nicht auf inhaltliche Kriterien, sondern lediglich auf die Statuten der Partei oder der nahestehenden Organisation, abstellt. Das Vorliegen einer nahestehenden Organisation soll nicht an die Stauten, sondern an die faktische Prägung der Nähe der Organisation zur Partei anknüpfen - immerhin sind Statuten willkürlich veränderbar. Derart äußerten sich etwa der Rechnungshof, der Oberösterreichische Landesrech­nungshof, der Unabhängige Parteien-Transparenz-Senat, das Forum Informations­freiheit und weitere Expert_innen.

NEOS haben diesen Kritikpunkt bereits zu Beginn der Verhandlungen zum Parteien­gesetz aufgebracht. Auch in zahlreichen Stellungnahmen (Rechnungshof, OÖ LRH,


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 235

UPTS, Forum Informationsfreiheit, Prof. Dr. Beclin, „Meine Abgeordneten“) wird geäußert, auf das faktische Naheverhältnis (etwa durch Identität von Sitz, Personen in Organen, etc.) einer Organisation (und nicht deren Statuten) zu einer politischen Partei abzustellen.

Als mögliche Lösung wurde die Formulierung im Entwurf des Rechnungshofes zum Parteiengesetz vorgebracht, wonach in die Beurteilung der faktischen Ausprägung an organisatorische Kriterien, wie Sitz, Organe, Mitglieder (allfällige Übereinstimmung von Sitzung und - weitgehende - Identität von Organen und Mitgliedern) sowie an inhaltliche Kriterien, wie die Art und die Intensität der Unterstützung und der parteipolitischen Zusammenarbeit, gemessen werden solle. Die faktische Ausprägung zeige sich bei­spielsweise darin, dass eine Organisation regelmäßige parteipolitische Aktivitäten für eine bestimmte Partei setze.

Da an dieser Formulierung von Seiten anderer Fraktionen Bedenken hinsichtlich der Rechtssicherheit bestanden (so sei nicht von Vornherein erkennbar, welche Organi­sation als nahestehend im Sinne des Parteiengesetzes einzustufen sei), stellt der vor­liegende Entwurf einen Kompromiss dar, der mehrere Kriterien berücksichtigen soll. Zudem soll mit der vorliegenden Formulierung sichergestellt werden, dass offenkundig nicht parteipolitisch tätige Vereine (etwa Sportvereine etc.), nicht irrtümlich umfasst werden.

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Abänderungsantrag wurde in den Grundzügen erläutert, wird gerade verteilt und steht mit in Verhandlung. (Zwischenruf des Abg. Lindinger.)

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Jörg Leichtfried. – Bitte.


18.25.37

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe in einer schon lang vergangenen Rede einmal gemeint, dass es Gift für die Demokratie, Gift für den Parlamentarismus ist, wenn bei den Wählerinnen und Wählern der Eindruck entsteht, dass Geld für politische Entscheidungen eine größere Rolle als die Stimme in der Wahl­zelle spielt. Sie können sich noch daran erinnern, dass der Präsident dieses Hauses dann relativ unwirsch auf meine Anmerkung reagiert hat. Sie ist aber wahrer denn je.

Wenn man die Finanzierung von Parteien als Maßstab nimmt, so ist es in der Theorie so, dass eigentlich drei Dinge für die Parteienfinanzierung maßgeblich sind. Es sind die Mitgliedsbeiträge, es sind die Spenden und es sind die öffentlichen Förderungen. Aufgrund dieser öffentlichen Förderungen, die bei den meisten Parteien einen sehr massiven Bestandteil des gesamten Finanzvolumens ausmachen, denke ich, ist die Kernforderung von uns und von vielen anderen durchaus berechtigt, nämlich zu sagen, dass es bei Parteien Transparenz geben muss und die Kontrollrechte gestärkt werden müssen. Es geht um öffentliche Gelder, und da braucht es Transparenz.

Wir haben uns aus diesem Grund konstruktiv – Kollege Ottenschläger hat das in seinen Anmerkungen bestätigt – in die Verhandlungen eingebracht und versucht, einige Schwerpunkte zu setzen: Punkt 1: Stärkung des Rechnungshofes, Punkt 2: mehr Transparenz, Punkt 3: parlamentarische Kontrolle, und zwar mehr parlamentarische Kontrolle, Punkt 4: mehr Demokratie, denn es darf und kann einfach nicht sein, dass Missbrauch von Steuergeldern, Korruption, Überschreitung von Wahlkampfkosten dazu führen, dass bei Wahlen unfaire Verhältnisse herrschen. Das haben wir leider das eine oder andere Mal in den letzten Jahren erlebt.


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Geschätzte Damen und Herren! Folgende Punkte haben wir dann besonders einge­fordert, um diese Dinge auch abzustellen. Es war unsere Initiative, die gelautet hat, dass die Rechnungshofpräsidentin, der Rechnungshofpräsident in Zukunft mit Zweidrittel­mehrheit zu bestellen ist. Die Zweidrittelmehrheit bringt neben einem starken Rech­nungshof mit erweitertem Rechtsbestand auch eine gestärkte Präsidentin und einen gestärkten Präsidenten. Ich denke, dass das logisch ist und Sinn macht. Das wird jetzt auch in diesem Text drinnen und enthalten sein.

Was wir uns auch gewünscht haben – ich möchte einmal diesen ganzen Unfug, der da diskutiert wurde, klarstellen – und für sinnvoll erachtet haben, ist, dass gleichzeitig mit Inkrafttreten dieses Gesetzes Frau Kraker mit Zweidrittelmehrheit bestellt wird. Das wäre nur logisch, aber dafür hat es leider keine Mehrheit gegeben. (Abg. Meinl-Reisinger: Das ist ja auch ein Blödsinn! – Zwischenruf der Abg. Maurer.) Zu diesem Thema hat es eine ziemlich abstruse Diskussion gegeben. (Ruf bei der ÖVP: Ja, da seid ihr schon selber schuld!)

Der zweite Punkt war die Stärkung des Nationalrates bei Sonderprüfungen, die es jetzt der Opposition ermöglicht, mehr Sonderprüfungen in die Wege zu leiten. Ein weiterer Punkt war die Rechnungshofprüfung auch für wahlwerbende Parteien, die nicht Parteien im klassischen Sinne sind. Ich denke, dass das eine Frage der Fairness ist.

Der letzte Punkt, der auch wesentlich ist, zielt darauf ab, dass endlich Licht ins Dunkel der Ministerien kommt. Wir haben in den letzten Monaten vor allem durch die Tätigkeit des ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschusses erfahren müssen, dass Ministerien Steuergelder missbräuchlich dafür verwendet haben, um Parteiumfragen durchzuführen.

Was geht das die ehemalige Wirtschaftsministerin an – ich habe mir so eine Umfrage durchgelesen –, die gefragt hat: Wie bekannt und beliebt bin ich? – Was geht das das Wirtschaftsministerium an? (Abg. Stögmüller: Was ist herausgekommen?) – Es ist ein super Ergebnis gewesen (Heiterkeit bei Grünen und NEOS), aber trotzdem geht es das Wirtschaftsministerium, geschätzte Damen und Herren, nichts an! Und das gehört natürlich auch für die Zukunft abgestellt.

Diese Dinge sind Verfassungsbestimmungen, und dafür wird es die Zweidrittelmehrheit von uns geben, geschätzte Damen und Herren, für diese Verfassungsbestimmungen. Ich möchte aber auch sagen, dass wir mit dem materiell-rechtlichen Teil, mit dem Rest des Gesetzes absolut unzufrieden sind und gegen diesen Teil auch stimmen werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir sind nicht zufrieden damit, dass vieles von dem, was wir erlebt haben, was wir gesehen haben, was insbesondere die Österreichische Volkspartei betrifft, auch in Zukunft möglich sein wird. Das werden wir nicht hinnehmen, und auch wenn wir es jetzt mit diesem Gesetz nicht zur Gänze verhindern werden, ich kann Ihnen versprechen: Sobald wir die Gelegenheit haben, vielleicht in anderen Konstellationen, noch einmal über dieses Gesetz zu diskutieren, werden wir das auch noch abdrehen, denn das geht auch nicht in einer Demokratie, in einer demokratischen Gesellschaft. (Beifall bei der SPÖ.)

Um jetzt eben die Dinge in die Wege zu leiten und damit, wie ich auch angemerkt habe, manche Dinge nicht mehr möglich sind – ein Beispiel, das mich besonders entsetzt hat, war, dass es im ursprünglichen Entwurf des Gesetzes so war, dass man versucht hat, Dinge, die in der Vergangenheit illegal passiert sind, zu legalisieren; das geht natürlich gar nicht –, werden wir jetzt einen Antrag einbringen, um das auch abzudrehen, und nach meinen Informationen haben wir auch die Regierungsparteien überzeugt, dem zuzustimmen. (Abg. Maurer: Wir stehen auf dem Antrag drauf!)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 237

Ich bringe folgenden Abänderungsantrag ein – wenn Sie es nicht tun, tun Sie es nicht (Heiterkeit bei den Grünen); das weiß ich natürlich nicht –:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen

Der Nationalrat wolle in 2. Lesung beschließen:

In Art. 1 lautet die Z 1 wie folgt:

„1. Art. 20 wird folgender Abs. 5 angefügt:

‚(5) Alle mit Aufgaben der Bundes-, Landes- und Gemeindeverwaltung betrauten Organe haben Studien, Gutachten und Umfragen, die sie in Auftrag gegeben haben, samt deren Kosten in einer für jedermann zugänglichen Art und Weise zu veröffentlichen, solange und soweit deren Geheimhaltung nicht gemäß Abs. 3 geboten ist. Unter die Ver­öffentlichungspflicht fallen jedenfalls von Dritten erbrachte entgeltliche Werke, die die Erbringung von geistigen Leistungen zum Inhalt haben. Dazu zählen neben Studien, Gutachten und Umfragen auch Leitbilder, Konzepte, Publikationen, Werbebroschüren sonstigen Publikationen und Vergleichbares.‘“

*****

Das ist der Antrag, geschätzte Damen und Herren.

Um zum Schluss zu kommen: Wenn es Ihnen wirklich darum geht, gegen Korruption, gegen Missbrauch von Steuergeldern, gegen die Überschreitung von Wahlkampfkosten aufzustehen, dann stimmen Sie bei unseren Abänderungsanträgen mit und stimmen Sie mit uns gegen den materiell-rechtlichen Teil dieses Gesetzes. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

18.32

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abg. Mag. Leichtfried, Genossinnen und Genossen

zum Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 2509/A der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz und das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975) geändert werden (1642 d.B.)

Der Nationalrat wolle in 2. Lesung beschließen:

In Art. 1 lautet die Z 1 wie folgt:

„1. Art. 20 wird folgender Abs. 5 angefügt:

„(5) Alle mit Aufgaben der Bundes-, Landes- und Gemeindeverwaltung betrauten Or­gane haben Studien, Gutachten und Umfragen, die sie in Auftrag gegeben haben, samt deren Kosten in einer für jedermann zugänglichen Art und Weise zu veröffent­lichen, solange und soweit deren Geheimhaltung nicht gemäß Abs. 3 geboten ist. Unter die Veröffentlichungspflicht fallen jedenfalls von Dritten erbrachte entgeltliche Werke, die die Erbringung von geistigen Leistungen zum Inhalt haben. Dazu zählen neben Studien, Gutachten und Umfragen auch Leitbilder, Konzepte, Publikationen, Werbebroschüren sonstigen Publikationen und Vergleichbares.““


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 238

Begründung:

Die Regierungsfraktionen haben diese Passage in die Erläuterungen ihres Abände­rungs­antrages aufgenommen. Da diese allerdings für die vollziehenden Organe nicht zugänglich sind, soll diese Klarstellung und Begriffserweiterung in den Norminhalt aufge­nommen werden.

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Abänderungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher auch mit in Verhandlung.

Frau Abgeordnete Susanne Fürst, Sie gelangen als Nächste zu Wort. – Bitte.


18.33.09

Abgeordnete Dr. Susanne Fürst (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir sprechen hier über eine Änderung des Partei­engesetzes mit dem hehren Ziel, die Transparenz bei der Finanzierung politischer Parteien zu erhöhen – mehr Kontrolle, verschärfte Sanktionen, mehr Fairness, es ist von gläsernen Parteikassen die Rede.

Der Druck war jetzt doch zu groß, gerade nachdem der Rechnungshof die ÖVP-Bilanz für das Wahljahr 2019 veröffentlichte, hier eine Reihe von Verstößen feststellte bezie­hungsweise anführte, dass zum Beispiel die Abrechnung der Wahlkampfkosten nicht korrekt gewesen sei, dass man Gelder erhalten hätte oder der Verdacht bestehe, Gelder aus Coronahilfsmittelfonds erhalten zu haben, das betrifft den Finanzbericht 2020 und 2021, oder dass es auch Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit der Inseraten­affäre des Vorarlberger Wirtschaftsbunds gebe.

Nun haben wir hier diesen Entwurf vorliegen, und entscheidend ist eigentlich, ob mit all diesen Praktiken, die ich jetzt aufgezählt habe, endgültig Schluss ist, wenn dieser Ent­wurf beschlossen wird und Gesetz wird. Das ist mitnichten der Fall, auch wenn sich Kollege Ottenschläger bemüht hat, das so darzustellen.

Kollege Scherak hat es schon dargestellt: Es gibt ein ganz großes Schlupfloch, es ist schon fast vermessen, von einem Schlupfloch zu sprechen, weil es so groß ist. Es gibt nämlich eine Ausnahme für nahestehende Organisationen, Vereine, Personenkomitees, und daher kann man hier nicht von einer gläsernen Finanzierung, gläsernen Partei­kassen sprechen. Es ist das Gegenteil der Fall. Wir haben nach wie vor die Spenden­obergrenze, 750 000 Euro (Zwischenruf des Abg. Ottenschläger), auch 7 500 Euro pro Spender, aber mit der vorliegenden Novelle – wir besprechen jetzt diesen Entwurf hier, Herr Ottenschläger – dürfen nahestehende Organisationen, Vereine und Personen­komitees zukünftig wieder unbegrenzt an die jeweilige Partei zahlen, und woher diese nahestehenden Vereine, Personenkomitees ihr Geld beziehen, bleibt dann dem Rech­nungshof auch verborgen. Der Rechnungshof warnt daher, wenn es bei dieser Aus­nahme bleibt – und bei der bleibt es nach dem Entwurf, den wir hier besprochen haben –, dass das kreative Umwege zur Vermeidung der Anwendung der Spenden­regelungen fördert.

Nun, zu dieser Kreativität, denke ich, sind die Regierungsparteien, nicht nur die ÖVP, fähig, die ÖVP mit über 850 nahestehenden Vereinen, aber auch die Grünen behalten sich diese Möglichkeit offensichtlich gerne vor.

Ich darf noch einmal auf den wirklich besonders bedenklichen Vorfall zu sprechen kommen: die Auszahlung von Mitteln aus dem NPO-Fonds, der beim Vizekanzleramt angesiedelt ist, bei Werner Kogler. Es geht da um Gelder, die für ehrenamtliche Vereine


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 239

zur Verfügung gestellt worden sind, denen während der Coronazeit Einnahmen entgangen sind, und auch als Überlebenshilfe. Diese Mittel sollten nach den Statuten natürlich keine polit- und parteinahen Organisationen erhalten.

Es kam dann auf, dass aber doch verschiedene parteinahe Organisationen Mittel er­halten haben, und es gibt jetzt zum Beispiel diesen Verdacht, dass der Oberösterreichi­sche Seniorenbund 2 Millionen Euro daraus erhalten hätte. Nun macht natürlich auch der Seniorenbund wertvolle Arbeit, und ich wäre es niemandem neidig, wenn diese Gelder wirklich den Senioren und Bedürftigen zur Verfügung gestellt werden. Ich möchte nur sagen, unabhängig von der Argumentation, also sozusagen ob der Seniorenbund parteinah ist oder nicht – er ist es natürlich –, aber wenn man der Argumentation der ÖVP folgt, dass es nicht so sei, dann würde ich auf die Offenlegung warten, was eigentlich mit den 2 Millionen Euro geschehen ist, denn es geht darum: Ist das Geld den Senioren zugutegekommen oder wohl doch eher in die Verwaltung geflossen, Funk­tionäre, Immobilien oder in die Partei? Und das ist das, was unterbunden werden muss.

Es gibt ja jetzt auch den Verdacht, dass die Politische Akademie da auch Gelder erhalten hat.

Das betrifft aber nicht nur die ÖVP, sondern auch die Grünen. Vizekanzler Kogler hat ja den NPO-Fonds verwaltet, tut es noch, brüstet sich auch, dass da 750 Millionen Euro geflossen sind. Also wenn man schon groß von Transparenz redet, dann bitte auch Offenlegung, Transparenz: Was ist mit den Mitteln aus der Cofag geschehen? Da geht es um Milliarden. Was ist mit diesen Mitteln hier, den 750 Millionen Euro geschehen? Da wird vielleicht dann auch der eine oder andere grüne oder grünnahe Verein dabei sein.

Aus all diesen Gründen und vor allen Dingen auch, weil wir eine sehr, sehr hohe Parteienfinanzierung haben, eventuell sogar die höchste in der ganzen Welt, stimmen wir hier nicht mit.

Ich darf noch den Entschließungsantrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Nein zur Legalisierung verdeckter Parteienfinanzierung“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzu­leiten, welche insbesondere folgende Punkte zur Stärkung unserer Demokratie und gegen käufliche Politik umsetzt:

Ein Verbot aller Parteispenden, die unverzügliche Entpolitisierung der Institution Rech­nungshof, ein Rechnungshof-Kontrollautomatismus und eine Stärkung der parlamen­tarischen Kontrolle im Sinne der Antragsbegründung. Auf die Verunmöglichung von Umgehungskonstruktionen, insbesondere durch Vereinskonstruktionen, ist besonderer Wert zu legen.“

*****

Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

18.38

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 240

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Schnedlitz, Dr. Fürst

und weiterer Abgeordneter

betreffend Nein zur Legalisierung verdeckter Parteienfinanzierung

eingebracht im Zuge der Debatte über den Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 2487/A der Abgeordneten Andreas Ottenschläger, Sigrid Maurer, BA, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Finanzierung politischer Parteien (Parteiengesetz 2012 – PartG), das Mediengesetz und das Verfassungsgerichtshofgesetz 1953 (VfGG) geändert werden sowie über den Antrag 34/A und Zu 34/A der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Finanzierung politischer Parteien (Parteiengesetz 2012 – PartG) geändert wird, über den Antrag 35/A und Zu 35/A der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Finanzierung politischer Parteien (Parteiengesetz 2012 – PartG) geändert wird und über den Antrag 454/A der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Finan­zierung politischer Parteien (Parteiengesetz 2012 – PartG) geändert wird (1637 d.B.) (TOP 15) in der 168. Sitzung des Nationalrates, XXVII. GP, am 7. Juli 2022.

Durch den ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss kommen immer mehr Skandale an die Öffentlichkeit, die sich wie ein schwarzer Faden durch das ganze Land ziehen: Inseratenkorruption, Steuerhinterziehung, Wahlkampfmanipulation und das Lukrieren von Steuergeldern durch dubiose Umgehungskonstruktionen sind nur die jüngsten Vor­würfe, die im Raum stehen.

Der öffentliche Druck wurde inzwischen sogar so groß, dass auch der Rechnungshof anlässlich der Prüfung des jüngsten Rechenschaftsberichts der Volkspartei unter der Verantwortung des damaligen Generalsekretärs Karl Nehammer erstmals tätig wurde.

Nicht nur die ÖVP als juristische Person und politische Heimat der Rechnungs­hof­präsidentin, sondern auch der ÖVP-Nationalratspräsident, der Klubobmann der ÖVP und die ÖVP-Justizsprecherin tragen längst Aktenzahlen als Beschuldigte in diversen strafrechtlichen Verfahren. Vor diesem Hintergrund erscheint die Forderung der türkis-grünen Bundesregierung nach Einsichtsrechten in andere Parteien statt wie bisher durch äquidistante Wirtschaftsprüfer nunmehr durch der ÖVP-Rechnungshofpräsidentin wei­sungsgebunden Beamte, durchaus beachtenswert. Um sich dem zu entziehen, hat die ÖVP mit über 850 nahestehenden Vereinen1  den schwarzen Faden bereits zu einem sicheren Netz gesponnen.

Mit dem neuen Parteiengesetz verspricht die ÖVP Transparenz und einen Schlussstrich unter ihre bisherigen Praktiken. Wer genau hinsieht wird merken, dass genau das Gegenteil der Fall ist:

Neue Finanzierungsmöglichkeiten: Spendenobergrenze fällt

Der jüngst publik gewordene Rechenschaftsbericht der ÖVP zeigt, dass die selbst­ernannte Wirtschaftspartei auf Millionenschulden sitzt. Kein Wunder, haben FPÖ und SPÖ doch im Sommer 2019 eine Spendenobergrenze von € 750.000 pro Kalenderjahr und € 7.500 pro Spender eingeführt. Mit der Novelle des Parteiengesetzes dürfen nahestehende Organisationen und Personenkomitees zukünftig wieder unbegrenzt an die Partei zahlen. Spenden an Parlamentsklubs und Parteiakademien sollen ebenso verboten werden.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 241

Schwarze Netzwerke sind vorbereitet: Kontrolle wird weiter umgangen

Woher die nahestehenden Organisationen und Personenkomitees ihr Geld beziehen, bleibt dem Rechnungshof weitgehend verborgen. Der unabhängige Parteien-Trans­parenzsenat, der demnächst über Strafen gegen die ÖVP aufgrund des Rechen­schafts­berichts zu entscheiden haben wird, warnt daher ausdrücklich davor, „dass die be­absichtigte ausdrückliche Ausnahme von Zuwendungen nahestehender Organisationen oder Personenkomitees kreative Umwege zur Vermeidung der Anwendung der Spen­denregelungen fördern könnte.“

Postenschacher lohnt sich: Parteiarbeit wird staatlich gefördert

Wenn ein Wirt beim Sommerfest einer Ortspartei Biergarnituren zur Verfügung stellt, soll es schon eine illegale Spende sein. Ganz im Gegensatz dazu, darf jeder im öffentlichen Dienst während der Arbeit Parteiarbeit verrichten, ohne dass es verboten oder auch nur transparent zu machen wäre. Postenschacher wird nicht nur begünstigt, sondern nahezu befördert. „Margit Kraker wurde durch einen ÖVP-Postenschacher Präsidentin des Rech­nungshofes“,2 stellte die deutsche Wochenzeitung „Die Zeit“ in diesem Zusam­menhang passend im März 2022 fest.

Die lange Liste der ÖVP-Skandale zeigt eindrucksvoll, dass es überall dort, wo die ÖVP agiert, Scheintransparenz nicht genügen wird. Es braucht die Umsetzung folgender fünf Punkte zur Stärkung unserer Demokratie und gegen käufliche Politik:

1. Verbot aller Parteispenden

Der Gedanke, dass Politik ein Wettstreit der Ideen sein soll, droht durch neu ermöglichte Einflussnahme über Spenden wieder in den Hintergrund zu rücken. Ein generelles Verbot von Spenden an Parteien, Parteiakademien und Parlamentsklubs soll daher verhindern, dass sich Parteien durch Umgehungskonstruktionen in die Abhängigkeit von nahestehenden Organisationen und Personenkomitees begeben, obwohl das staatliche Parteienfinanzierungssystem bereits ausreichend dotiert ist.

2. Entpolitisierung der Institution Rechnungshof

Um die Unabhängigkeit und die demokratische Legitimation des Rechnungshofs zu stärken, sollen Wahl und auch Abwahl des Präsidenten künftig mit Zwei-Drittel-Mehrheit des Nationalrats erfolgen. Derzeit ist eine Abwahl der Präsidentin jederzeit mit der Regierungsmehrheit von ÖVP und Grünen möglich, was tendenziell Abhängigkeiten begünstigt.

3. Rechnungshof-Kontrollautomatismus

Der Rechnungshof soll dem Nationalrat verpflichtend jährlich einen Wahrneh­mungs­bericht über potentielle Personal- und Sachspenden von Ministerien und politischen Kabinetten an Parteien vorlegen. Somit sollen beispielsweise PR- oder Social-Media-Aktivitäten der Regierungsbüros für Parteien präventiv unterbunden werden und sicher­gestellt werden, dass sich die Ministerien ihren eigentlichen Aufgaben widmen und die Opposition im politischen Wettbewerb keinen Nachteil erleidet.

4. Stärkung der parlamentarischen Kontrolle

Die Möglichkeiten des Parlaments, dem Rechnungshof Prüfaufträge zu geben, müssen ausgeweitet werden: Nach geltendem Recht dürfen nicht mehr als drei

Sonderprüfungen gleichzeitig verlangt werden. Diese dauern bis zu 1,5 Jahren, weshalb die Aufarbeitung von Skandalen unnötig lange dauern kann. Zukünftig sollen 20 Abge­ordnete ein solches Verlangen pro Jahr stellen dürfen. Parlamentsklubs mit weniger Abgeordneten sollen ebenso jährlich ein Verlangen stellen dürfen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 242

5. Aus Fehlern lernen

Während wöchentlich neue Skandale bekannt werden, kann es manchen mit einem neuen Parteiengesetz nicht schnell genug gehen. Statt husch-pfusch einen faulen Kompromiss einzugehen, der bereits die Umgehungsmöglichkeiten einpreist, gilt es die den Entwurf von ÖVP und Grünen anhand der aktuellen Erkenntnisse des Rechnungs­hofes zu messen

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzu­leiten, welche insbesondere folgende Punkte zur Stärkung unserer Demokratie und gegen käufliche Politik umsetzt:

Ein Verbot aller Parteispenden, die unverzügliche Entpolitisierung der Institution Rech­nungshof, ein Rechnungshof-Kontrollautomatismus und eine Stärkung der parlamenta­rischen Kontrolle im Sinne der Antragsbegründung. Auf die Verunmöglichung von Umgehungskonstruktionen, insbesondere durch Vereinskonstruktionen, ist besonderer Wert zu legen.“

1https://twitter.com/MartinThuer/status/1535972874502168576?cxt=HHwWgICzlaDM79AqAAAA

2https://www.zeit.de/2022/10/parteiengesetz-oesterreich-tranzparenz-margit-kraker

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Frau Klubvorsitzende Sigrid Maurer, bitte, Sie haben das Wort.


18.38.53

Abgeordnete Sigrid Maurer, BA (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Am 17. Mai 2019 veröffentlichten die deutschen Onlinemedien sueddeutsche.de und „Spie­gel Online“ Ausschnitte einer Videoaufzeichnung, und ab diesem Moment war das politische Gefüge in unserer Republik nicht mehr das Gleiche wie vorher. Sie wissen, wovon ich spreche: Ich rede vom sogenannten Ibizavideo. Dieses Video hat uns nicht nur vor Augen geführt, wie der Chef der Freiheitlichen, der Chef der FPÖ, die sich jetzt gerne als Vertreter/Vertreterinnen des kleinen Mannes darstellen, die halbe Republik verscherbeln wollte. (Abg. Deimek: Was zu diesem Zeitpunkt die ÖVP schon ...!) Dieses Video hat auch gezeigt, wie unverfroren und frei jeglichen Schamgefühls der ehemalige Vizekanzler davon spricht, wie man sich in Österreich bei Parteien, in dem Fall bei der Freiheitlichen Partei, einkaufen kann.

Was danach folgte, hat eingeschlagen wie eine Bombe: Es gab eine breite und aufrechte Empörung im gesamten Land – Alexander Van der Bellen hat gesagt: „So sind wir nicht!“ (Zwischenruf des Abg. Lausch), und das ist ein Motto gewesen, das sich wirklich wie ein Flächenbrand ausgebreitet hat –, es gab eine Empörung über dieses Video, über die Unverschämtheit, die Unverfrorenheit, wie sich da die Freiheitlichen, wie sich da


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 243

insbesondere Heinz-Christian Strache und Herr Gudenus geäußert haben. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Deimek.)

Das, was wir heute hier beschließen, ist das Ergebnis vom jahrelangen Kampf der Grünen und auch dieser breiten, aufrechten, ehrlichen Empörung. Wir beschließen heute das schärfste und strengste Parteiengesetz, das diese Republik je hatte. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Saubere Umwelt, saubere Politik – das waren die grünen Versprechen oder zwei der grünen Versprechen, und wir lösen sie alle ein. Dieses Parteiengesetz, das es endlich ermöglicht, dass der Rechnungshof direkt Einschau hält, dass der Rechnungshof nicht auf irgendwelche Rechenschaftsberichte und auf Wirtschaftsprüfer, die er wohin schickt, angewiesen ist, sondern dass der Rechnungshof selber prüfen kann, Belege anschauen kann et cetera, das ist ein Meilenstein in der Kontrolle der österreichischen Parteien und ein riesiger Erfolg. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Die Finanzen der österreichischen Parteien waren lange Zeit ein gut gehütetes Ge­heimnis. Es ist nur zehn Jahre her – also ja, zehn Jahre sind vielleicht irgendwie eine lange Zeit, aber gleichzeitig auch wieder nicht –, dass Werner Kogler durchgesetzt hat, dass Parteispenden offengelegt werden müssen; das mussten sie bis dorthin nicht einmal. Dieser konsequente Einsatz für saubere Politik zeigt sich auch in unserer Regie­rungsarbeit: Wir haben die gläsernen Parteikassen ins Regierungsprogramm hinein­verhandelt und jetzt setzen wir sie um.

Mit unserem neuen Gesetz müssen alle Einnahmen und alle Ausgaben detailliert doku­mentiert und offengelegt werden, und das, was Kollegin Fürst und auch Kollege Ragger hier vorhin behauptet haben, ist himmelschreiender Blödsinn. Es gibt keine Zahlung, egal von wem, egal ob von einer Teilorganisation oder einer nahestehenden Organi­sation oder vom Kegelverein Hintertupfing, die nicht ausgewiesen werden muss! Jede einzelne Zahlung an eine Partei oder auch zwischen diesen Organisationen ist auszu­weisen und unterliegt selbstverständlich der Kontrolle des Rechnungshofes. Ich ver­stehe schon, dass die Freiheitlichen ein großes Problem mit diesem Gesetz haben (Abg. Deimek: Wie ist das mit dem zweiten Seniorenbund? Wie ist das mit dem ... Kulturverein? Da ist ja nur die Hälfte wahr!), sind sie es doch, die in der Vergangenheit mit ihrem Parteichef auch Mitauslöser für dieses Gesetz waren. Es wird aber leider trotzdem beschlossen werden, liebe Freiheitliche, und es wird auch die Transparenz in Ihren Parteikassen massiv erhöhen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Wir verschärfen mit diesem Gesetz nicht nur die Kontrollrechte des Rechnungshofes, wir weiten die Dokumentationspflichten massiv aus. (Abg. Deimek: Aber nicht weit genug, das wissen Sie! Kollege Scherak hat es Ihnen gesagt!) Wahlkampfkostenberichte müssen wesentlich schneller vorliegen, es muss viel genauer dokumentiert werden, es gibt die Spendenobergrenze – auch hier ein himmelschreiender Blödsinn seitens der Freiheitlichen. In der Vergangenheit war es so, dass - -


Präsidentin Doris Bures: Frau Abgeordnete, ich würde Sie ersuchen: Das Wort Blödsinn, vor allem, wenn man es jemandem zum Vorwurf macht und nicht nur einen Sachverhalt so bezeichnet, hat hier nichts verloren. Also ich würde bitten, im weiteren Verlauf Ihrer Rede darauf zu verzichten. (Abg. Deimek: Das entspricht nicht der Würde, genau! Das ist das Niveau der Grünen!)


Abgeordnete Sigrid Maurer, BA (fortsetzend): Frau Präsidentin, ich schätze Ihre Vor­sitzführung sehr und gehe eigentlich fast immer d’accord mit Ihren Bemerkungen, nur muss ich halt feststellen: Diese Art und Weise der Postpolitik (Abg. Deimek: Sie schwur­beln sich gerade noch tiefer hinein!), völlig faktenwidrige Dinge zu behaupten, das als


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Blödsinn bezeichnen zu dürfen, nehme ich mir tatsächlich heraus. (Beifall bei den Grü­nen.)

18.44.20*****


Präsidentin Doris Bures: Dann erteile ich Ihnen für den Ausdruck „Blödsinn“ einen Ordnungsruf. Es ist nicht das erste Mal in diesem Haus für dieses Wort.

*****

18.44.31


Abgeordnete Sigrid Maurer, BA (fortsetzend): Gut. (Zwischenruf des Abg. Deimek.)

Es geht in diesem Gesetz darum, wesentlich strengere Strafen zu schaffen – Kollege Scherak hat es bereits ausgeführt, Kollege Ottenschläger hat es ausgeführt. Wir ver­schärfen die Sanktionen massiv, zum ersten Mal gibt es auch einen Verwaltungs­straf­tatbestand, der auf Personen abzielt und nicht nur auf die Partei. Die Geldbußen werden massiv erhöht und die Offenlegungspflichten sind einfach wesentlich umfassender (Abg. Deimek: Und die Schlupflöcher werden noch größer!), als sie das in der Vergangenheit waren.

Dass das tatsächlich der Fall ist, das belegen die Stellungnahmen, die, seit dieser Antrag hier diskutiert wurde, eingegangen sind, sowohl beispielsweise vom Rechnungshof selbst, der da sagt: „Der gegenständliche Antrag zum Parteiengesetz stellt einen lang erwarteten Fortschritt dar“ (von der Galerie ist das Schreien eines Kleinkindes zu hören – Abg. Deimek: Selbst die Kinder protestieren gegen Ihre Rede!), als auch von den Experten Hubert Sickinger und Mathias Huter, zwei völlig unbestrittenen Experten in der Frage der Parteienfinanzierung, die sagen: „Die Umsetzung des vorliegenden Geset­zesentwurfs würde in zentralen Punkten eine lang erwartete Verbesserung der [...] gegenwärtigen Rechtslage bedeuten“. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Sie sehen also, meine sehr geehrten Damen und Herren, dieses Parteiengesetz sorgt endlich für die Transparenz, die unser Land, die Politik und die Demokratie dringend notwendig haben.

Ich muss auch an dieser Stelle betonen, dass der Prozess, wie wir bis hierhergekommen sind, tatsächlich beispielhaft war. Wir haben im Februar begonnen zu diskutieren – die Freiheitlichen haben im Ausschuss ja auch gemeint, das sei jetzt ein Schnellschuss –, wir haben seit Februar gemeinsam verhandelt, haben viele Anmerkungen und Anregun­gen, auch noch viele Verschärfungen aufgenommen. Ich möchte mich hier auch explizit bei den SozialdemokratInnen und ganz besonders bei den NEOS bedanken, die mit ihren MitarbeiterInnen ganz wesentlich mitgearbeitet und sich konstruktiv eingebracht haben. (Beifall bei Grünen, ÖVP und NEOS sowie des Abg. Leichtfried.) Ebenso bedanken möchte ich mich bei der Zivilgesellschaft, bei den NGOs, bei den Initiatoren des Antikorruptionsvolksbegehrens, bei kritischen Journalistinnen und Journalisten, die auch durch ihren Druck die Umsetzung dieses Gesetzes miterarbeitet haben. (Beifall bei Grünen, ÖVP und NEOS.)

Die einzelnen Punkte, die wir außerdem abseits des Parteiengesetzes ändern, wurden schon genannt: Ausbau der Minderheitsrechte hier im Parlament, beispielsweise was die Prüfungen des Rechnungshofes betrifft, wir haben einen Geschäftsordnungsantrag eingebracht. Ich glaube, es ist wirklich ein sehr gutes Gesetz.

Ich möchte jetzt an dieser Stelle auf die Kritik eingehen, die hier an diesem Pult von Niki Scherak geäußert wurde, und auch die konkreten Beispiele durchgehen: Wir regeln mit diesem Gesetz die parteinahen Vereine ganz neu und viel schärfer. In der Vergangenheit


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 245

war es so, dass man – und das war die Umgehungskonstruktion, die 2012, nachdem Werner Kogler dieses Gesetz erstritten hat, von manchen Parteien gewählt wurde –, um den Transparenzregeln zu entgehen, beispielsweise bei der Fraktion Sozialdemokra­tischer GewerkschafterInnen einfach einen zusätzlichen Verein gegründet hat, nämlich den Verein der FreundInnen et cetera, und sich damit quasi den Transparenzregeln und der Überprüfung und der Kontrolle entzogen hat.

Wir regeln das jetzt so, dass auch die den nahestehenden Vereinen nahestehenden Vereine darunterfallen, und damit ist dieser Form der Umgehungskonstruktion der Riegel vorgeschoben. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie des Abg. Scherak. – Zwischenruf des Abg. Deimek.)

Das hat massive Auswirkungen und das betrifft ganz, ganz viele der vorhin aufgezählten Vereine aus der Liste von Martin Thür. Ich bin sehr gespannt, wie sich das weiter­entwickeln wird, wir werden nämlich heute auch einen Entschließungsantrag einbringen, der die Offenlegung der Statuten oder die Abrufbarkeit der Statuten von Vereinen erleichtern soll, sodass man auch tatsächlich unbürokratisch und schnell im Internet nachschauen kann, welche Statuten denn ein Verein hat, damit man sich das auch auf die Umgehungskonstruktionen hin anschauen kann.

Ich nehme mir heute tatsächlich die Zeit – meine Fraktion wird mir winken, wenn ich unseren Puffer zu lange ausreize, aber es ist mir wichtig –: Die Beispiele, Niki Scherak, die du gebracht hast, muss ich zurückweisen. Ja, es gibt diese Lücke, und wir wissen seit Beginn der Diskussion, dass es diese Lücke gibt. Wir wissen seit Beginn der Diskussion auch, dass es legistisch extrem schwierig ist, das zu lösen. Warum? – Wir verschärfen die Rahmenbedingungen für die nahestehenden Vereine so arg, dass man als nahestehender Verein vorher wissen muss, ob man einer ist oder nicht, weil man dann quartalsweise die Spenden melden muss, die Namen der Mitglieder mit hohen Mitgliedsbeiträgen melden muss, die Inserate melden muss, wenn ein Medium herausgegeben wird, et cetera. Und eine Regelung zu schaffen, die unklar ist, sodass man nicht weiß, ob man jetzt darunterfällt oder nicht, verschärft die Rechtsunsicherheit.

Diese Diskussion, Niki, haben wir seit Beginn, und wir haben am Montag im Verfas­sungsausschuss einen Entschließungsantrag mit einer Formulierung vorgelegt, die genau auf den Sitz, auf die Namensgleichheit, auf Überschneidungen beim Personal und die politikfernen Zwecke abzielt. Genau diesen Passus habt ihr abgeschrieben und in euren legistischen Vorschlag aufgenommen. (Abg. Scherak: Noch absurder, dass ihr dagegenstimmt!) So zu tun, als wäre uns diese Problematik nicht bewusst gewesen, ist einfach falsch. (Abg. Künsberg Sarre: Das haben wir ja nicht gesagt!) Wir diskutieren das gemeinsam, sei ehrlich, seit Monaten.

Ich möchte aber jetzt ganz konkret auf die Beispiele eingehen. Du sagst, der Senio­ren­bund sei nicht umfasst. Der UPTS hat bereits Urteile gegen den Seniorenbund aus­ge­sprochen, der Seniorenbund gilt als parteinah, und ich bin 100 Prozent davon über­zeugt, dass auch die jetzige Anzeige des Rechnungshofes vom UPTS ebenso ent­schieden wird. Dein Parteikollege Karl Arlamovsky sieht das genauso – lies auf Twitter nach! (Beifall bei den Grünen.) Dasselbe gilt für die SPÖ-Vereine, da gelten die Kas­kaden.

Es wird hier der Eindruck vermittelt, als wäre das ein riesengroßes Problem. Ja, es ist eine Lücke, aber was heißt das? Wenn man kein parteinaher Verein ist, was darf man dann? – Dann darf man maximal 7 500 Euro an die Partei spenden. Diese Spende wird ausgewiesen und sie wird vom Rechnungshof kontrolliert. Wir wollen diese Lücke schließen, ja, aber wir brauchen dafür eine rechtssichere Formulierung. 24 Stunden vor Beschluss des Gesetzes groß herumzudoktern halte ich bei einer Frage, die potenziell so viele Vereine in Österreich betrifft, nicht für klug (Abg. Deimek: Monate verhandelt und ...!), deshalb bringen wir einen Entschließungsantrag ein, der den Verfassungsdienst


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beauftragt, das auszuarbeiten und ebenso einen Vorschlag der SPÖ zu prüfen, nämlich ob ein Vorabfeststellungsbescheid möglich ist, um die Frage zu klären.

Nichtsdestotrotz bedanke ich mich einmal mehr für die sehr, sehr gute Zusammenarbeit in diesen Verhandlungen. Ich freue mich extrem, dass dieses Gesetz heute beschlossen wird. Es schiebt der Intransparenz und dem Korruptionsverdacht – diese haben eine lange Geschichte –, was die österreichischen Parteifinanzen betrifft, einen Riegel vor, es ermöglicht dem Rechnungshof die lückenlose Kontrolle, und es wird dazu führen, dass nicht mehr der Eindruck entstehen kann – und schon gar nicht wirklich passieren kann –, dass in Österreich eine Partei gekauft wird, dass man sich in Österreich Gesetze kaufen kann, dass sich Parteien über illegale Spendenkonstruktionen einen völlig unlauteren Wettbewerb schaffen.

Es ist wichtig für die Demokratie, es ist wichtig für uns, die Politik, und ich bitte alle Anwesenden: Bitte stimmen Sie zu! – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Deimek.)

18.52


Präsidentin Doris Bures: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte noch Besucher auf der Galerie begrüßen: Ich habe gehört, es sind heute Waisenkinder aus der Ukraine auf der Galerie. Wir wollen Ihnen und euch sagen, dass euch unser Mit­gefühl und unsere Solidarität gilt und dass wir uns sehr wünschen, dass ihr alle auch bald wieder in Frieden und Demokratie leben könnt. (Allgemeiner Beifall.)

Herr Abgeordneter Hoyos-Trauttmansdorff, Sie gelangen jetzt zu Wort. – Bitte.


18.53.35

Abgeordneter Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS): Ich wollte eigentlich mit der SPÖ beginnen, aber, liebe Frau Klubobfrau Sigi Maurer, es ist schon ein bisschen verblüffend, wenn man sagt, man ist stolz darauf, dass man eine lückenlose Rech­nungshofüberprüfung hat, und drei Sätze davor darüber spricht, dass einem bewusst ist, dass da nach wie vor eine Lücke offen ist, sie nur kleiner redet, als sie aus unserer Sicht ist. Das finde ich durchaus ein bisschen absurd.

Aber nun zur SPÖ: Herr Kollege Leichtfried, es tut mir sehr leid, dass ich das nicht unkommentiert lassen kann, aber diesen Weg, den Sie gewählt haben, um die Autorität der Frau Rechnungshofpräsidentin zu untergraben – was auch immer dahinterliegt –, verstehe ich auch taktisch nicht ganz, weil ich glaube, dass Sie in Umfragen bei Weitem nicht dort stehen würden, wenn es hier eine andere Rechnungshofpräsidentin gäbe. Die Rechnungshofpräsidentin und ihr Team machen eine sensationelle Arbeit und haben über die letzten Wochen und Monate sehr viel aufgezeigt, auch warum es notwendig ist, dass wir heute hier dieses Gesetz beschließen. Diesen move, hier darüber zu diskutieren und dadurch natürlich auch die Autorität des Rechnungshofes zu untergraben, nämlich die aktuelle Autorität des Rechnungshofes, finde ich letztklassig und finde ich unan­gemessen. (Beifall bei NEOS, ÖVP und Grünen. – Zwischenruf des Abg. Matznetter.)

Kommen wir zur Lücke, zu dem Scheunentor, das ganz, ganz weit offen steht; das ist ja die Problematik an dem Gesetzentwurf, der vorliegt. Ja, es sind wahnsinnig viele Dinge sehr viel besser, das muss man auch offen und ehrlich sagen. Niki Scherak hat das lange ausgeführt. Wir können aber doch nicht hier stehen und uns dafür loben, dass wir Dinge besser machen, und das, was offensichtlich ist, einfach nicht schließen. Wir wissen, dass es immer wieder Wege geben wird, rund um Gesetze zu arbeiten, aber wir können es als Gesetzgeber schwer machen, diese Gesetze zu umgehen, oder wir können es einfach machen.

Im aktuellen Fall machen wir es so einfach, dass man sich nur ein Video auf Youtube anschauen muss und weiß, wie man es macht, weil das, was H.-C. Strache auf Ibiza


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vorgezeichnet hat, genau so weiterhin möglich ist, nämlich: Ich gründe einen Verein, der nichts mit der Partei zu tun hat! – Ganz genau das ist weiterhin möglich, und deswegen ist es auch so wichtig, den Antrag von Niki Scherak anzunehmen, um das zu verhindern. Der einzige Weg, wie wir das tun können, ist nämlich, wenn wir spezifizieren, welche Maßnahmen gesetzt werden müssen, damit das nicht passiert und man erkennt, wo die Parallelen sind. Wir haben in den letzten Wochen viele Beispiele erlebt, bei denen es notwendig war.

Ich möchte noch einmal auf das Thema Seniorenbund eingehen: gleicher Vereinssitz, gleicher Geschäftsführer, gleicher Vorsitzender. (Abg. Maurer: Und verurteilt vom UPTS als parteinahe Organisation!) All das wäre mit diesem Abänderungsantrag nicht möglich. Die Frage, ob das ein Verein ist, der nichts mit der ÖVP zu tun hat, ist ja auch immer eine Frage, die man ausdiskutieren muss, Sigi Maurer – und die ÖVP, nämlich ÖVP-Anwalt Werner Suppan, sagt ganz einfach, dass entsprechend den Statuten der Seni­orenbund ein selbstständiger Verein ist und nichts mit der Partei zu tun hat. Das kann man nachlesen, wie die Rechtsmeinung der ÖVP, des Koalitionspartners, mit dem ihr das gemeinsam beschließt, ist. Also dann zu sagen: Na ja, das ist dann nicht so!? – Die ÖVP sieht das, glaube ich, ein bisschen anders, als ihr das seht, und mit denen habt ihr dieses Gesetz entworfen. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Baumgartner: Nein, wir sehen es ...!)

Die Frage ist, ob unser Entwurf und der Vorschlag, den wir geliefert haben, der richtige ist beziehungsweise ob das überhaupt geht, weil das ja sehr komplex ist; da gebe ich euch recht, natürlich ist das keine einfache Angelegenheit, auch das ist aber relativ klar. Ich glaube, es gibt in diesem Bereich in Österreich kaum einen größeren Experten als Herrn Sickinger – ich glaube, darin sind wir uns einig, das sieht jeder hier im Haus so –, dieser sagt aber ganz klar gestern auf Twitter: Meiner Einschätzung nach „hätten der Vorschlag des Rechnungshofs aus dem Vorjahr und der aktuelle Entwurf von NEOS brauchbare Lösungen gebracht. Diese Neuregelung per [...] Entschließungsantrag [...] aufzuschieben ist natürlich alles andere als ideal“ – also der Weg, den die Regierung jetzt geht – „und setzt voraus, dass das Kommitment auch im Herbst“ vorhanden ist.

Genau das ist das Problem, das wir bei dieser Regierung haben. Ich kann mich an viele andere Dinge erinnern, die angekündigt wurden, das Informationsfreiheitsgesetz bei­spielsweise, wo seit Jahren nichts passiert ist und nichts weitergeht. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Meinl-Reisinger: Ja, stimmt!) Genau deswegen ist es wichtig, dass wir das heute hier in dieser Form beschließen, weil es dieses Scheunentor, das da ist, einfach schließt.

Niki Scherak hat auch angesprochen – die Liste von Martin Thür ist ja sehr bekannt –, wie viele dieser Vereine es gibt. Diese Liste ist ein ganzer Ziegel Papier (ein Schriftstück in die Höhe haltend), und da sind alle diese Vereine aufgelistet – zumindest die, die wir kennen. Da sind viele dabei, die durchaus absurd sind und bei denen ich mir ziemlich sicher bin, dass wir sie momentan nicht erwischen, weil sie in den Statuten wahr­scheinlich nicht drinnen sind: ein SPÖ-Verein, der Chorgemeinschaft MGV-ASB Köflach heißt – den werden wir in keinen Statuten finden, ich habe lange gesucht und ihn nicht gefunden –, ein SPÖ-Verein Gesellschaft für sozialdemokratische Medienpolitik (GSM) in 1110 Wien – ich glaube nicht, dass wir den finden –, Red Panther – ich habe heute mit vielen SPÖ-Abgeordneten gesprochen, keiner kennt den, den wird man nicht wirklich finden – oder ein Verein, der in der Löwelstraße sitzt: Die Frau und ihre Wohnung – Verein zur Wahrnehmung und Verbreitung der Interessen und Rechte der Frau in der modernen Gesellschaft. – Ich glaube nicht, dass das Vereine sind, die irgendwo in euren Statuten abgebildet sind.

So geht es weiter, auch bei anderen Parteien. FPÖ: Burgenländer in Not. Dieser Verein wird in keinen Statuten der FPÖ, auch nicht im Burgenland, zu finden sein. Dann gibt es


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natürlich den Verein Austria in Motion und so weiter – kennen wir aus Ibiza, genau deswegen brauchen wir ja hier eine Änderung. Es gibt noch viele, viele weitere Vereine.

Das zeigt einfach auf, dass wir mit der aktuellen Möglichkeit, die hier geschaffen wird, dieses Scheunentor nicht schließen und genau diese Vereine und vielleicht auch neue, die gegründet werden, nicht erfasst werden. Was kann man nämlich weiterhin machen? – Man kann einen Verein gründen und einfach eine Parallelorganisation aufbauen, ein Parallelnetzwerk; solange die nicht an die Partei spenden, bleibt einem das alles unbenommen und niemand sieht irgendetwas und bekommt irgendetwas mit.

Zum Abschluss ein Paradebeispiel dafür, wie einfach es geht oder gehen würde, und das betrifft uns selber, weil das von eurem Entwurf nicht umfasst ist: Es gibt einen Verein, unsere Wirtschaftskammerfraktion, die Unos; die Unos sind bei uns nicht im Statut enthalten, sind kein Teil des Statuts. Die können machen, was sie wollen, und sind von dem nicht betroffen. Sie sind nicht betroffen! (Präsident Hofer übernimmt den Vorsitz.)

Das Scheunentor ist weit, weit offen. Es ist ganz einfach für jeden, der dieses Gesetz umgehen will, er muss nur Youtube schauen. Das ist leider zu wenig, und deswegen werden wir dem heute nicht zustimmen. (Beifall bei den NEOS.)

19.00


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Mag. Friedrich Ofenauer. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


19.00.39

Abgeordneter Mag. Friedrich Ofenauer (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Zuseherinnen und Zuseher! Die Debatte, die wir heute führen, ist ein erfolgreicher Abschluss intensiver Verhandlungen, das muss man ganz klar feststellen. Es entsteht aber doch, denke ich, ein falscher Eindruck, was Parteien und Vereine betrifft, deswegen möchte ich einmal ganz klar festhalten, dass die Vielfalt der Parteien eine Säule unserer repräsentativen Demokratie ist und dass die Existenz und die Vielfalt dieser politischen Parteien wesent­liche Bestandteile unserer demokratischen Ordnung sind und sie deswegen auch im Verfassungsrang stehen. – Das ist das eine.

Das andere ist, dass die Vereine und die Organisation in Vereinen aber auch eine wesentliche Säule des zivilgesellschaftlichen Engagements darstellen. Die Mitglieder übernehmen Verantwortung und gestalten damit ihr Lebensumfeld und auch die Ge­meinschaft und die Gesellschaft, und das in den verschiedensten Vereinen, die es gibt, unter anderen wahrscheinlich auch in denjenigen, die hier angeführt worden sind. Aus diesem Grund möchte ich einmal all denen, die sich freiwillig engagieren, ein herzliches Dankeschön aussprechen (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen), egal ob Blasmusik, Sportvereine, Jugendvereine, Rettungs- und Hilfsorganisationen bis hin, ja, zum Seniorenbund, auch wenn er als Verein organisiert ist. Diese Menschen, die sich da freiwillig engagieren, leisten eine hervorragende Arbeit, und das gibt vielen Sinn und Halt in ihrem Leben.

Die Kombination Verein auf der einen Seite und Partei auf der anderen Seite hat möglicherweise dazu geführt, dass das Engagement in Parteien, aber auch das freiwillige Engagement in Vereinen in Verruf geraten ist, weil bewusst oder unbewusst der Eindruck erweckt wird, dass Vereine als Vehikel zur verdeckten Parteienfinanzierung gegründet werden. Das schadet dem freiwilligen Engagement und das schadet auch dem Ruf der Parteien. Ich denke, das kann nicht in unser aller Sinn sein. Deshalb wird mit diesem neuen Parteiengesetz, das wir heute beschließen werden, die Transparenz hinsichtlich Finanzierung politischer Parteien und vor allem auch die Kontrolle durch den Rechnungshof verbessert.


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Zum Begriff der nahestehenden Organisation: Eine Organisation oder ein Verein gilt nach der aktuellen Regelung dann als einer Partei nahestehend, wenn die Unterstützung der Partei oder die Mitwirkung an der Willensbildung in den Satzungen des Vereins oder der Organisation festgelegt ist. Bei den NEOS ist es eher so, dass sie nahestehend so definiert haben wollen, dass dafür Kriterien wie eine Namensgleichheit, ein gemein­samer Sitz, die überwiegende Identität der Personen in Leitungsfunktionen – also wenn eine gewisse Anzahl von Personen sowohl im Verein als auch in der Partei sind – ausschlaggebend sind, wenn sich der Verein nicht ausschließlich politikfernen Zielen widmet. Das ist ein spannender Punkt, denn die Frage ist schon, was ein politikfernes Ziel oder was überhaupt Politikferne ist. Im weitesten Sinne, so denke ich, ist jedes Handeln, auch in Vereinen, das auf die Gestaltung der Gemeinschaft, der Gesellschaft, auf die Gestaltung des Lebensumfeldes ausgerichtet ist, politisches Handeln. Damit gibt es nur sehr wenige Bereiche, die tatsächlich politikfern sind.

Wenn man aber auf die Personenidentität abstellt, dann wird es auch wieder schwierig. Sie werden vielleicht den Askö kennen, vor allem in der SPÖ müsste er bekannt sein, denn er war ja einmal eher SPÖ-nahe oder ist es noch immer. Wenn jetzt im Vorstand Personen mit eher bürgerlichem Hintergrund tätig sind, würde das dann bedeuten, dass der Askö ein der ÖVP nahestehender Verein ist? Oder wäre es dann bei der Sportunion umgekehrt? Im Allgemeinen geht man davon aus, dass das eher ein der ÖVP nahe­stehender – das ist jetzt der falsche Begriff –, ein eher ÖVP-naher Verein ist. Wenn dort jetzt Personen Leitungsfunktionen innehaben, die eher einen sozialdemokratischen Hintergrund haben, wäre das dann ein der SPÖ nahestehender Verein? (Abg. Loacker: Allein schon das Verständnis, dass Sportvereine Parteispenden ...!)

Ich denke, dass es da sehr große Unklarheiten gibt, die wir auch beseitigen wollen. (Abg. Meinl-Reisinger: Sportvereine von Parteien – in anderen Ländern ist das nicht so!) Das ist ganz klar, diese Unklarheiten wollen wir beseitigen, und deshalb bringe ich einen Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Andreas Ottenschläger, Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Evaluierung des Vollzugs betreffend den Begriff ‚nahestehende Organi­sationen‘“

Der Nationalrat möge beschließen:

„Die Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt wird ersucht, auf­bauend auf den Erfahrungen hinsichtlich des Begriffs der nahestehenden Organisatio­nen die Vollzugspraxis der Behörden und Gerichte zu evaluieren und dem Nationalrat darüber zu berichten,“

(Abg. Meinl-Reisinger: Das ist ja eine Verschiebung auf den Sankt-Nimmerleins-Tag!)

„ob die Einbeziehung parteinaher Vereine, Vorfeldorganisationen und ähnlicher juris­tischer Personen im Sinn von Rechtssicherheit als auch höchstmöglicher Transparenz von Parteifinanzen ausreichend sichergestellt ist, und gegebenfalls darzustellen, wie eine Ausweitung des Begriffs der nahestehenden Organisation aufgrund klar nachprüf­barer Kriterien wie etwa dem Sitz, der überwiegenden Personenidentität in Leitungs­organen, Namensgleichheit und der Vereinszwecke, die nicht ausschließlich auf politik­ferne Ziele ausgerichtet sind, formuliert werden sollte.“

(Abg. Meinl-Reisinger: Das ist ein peinlicher Antrag!)

„Aufbauend auf dem Ergebnis der Evaluierung wird die Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt darüber hinaus ersucht zu prüfen und dem Nationalrat


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zu berichten, welche besonderen verfahrensrechtlichen Mechanismen zweckdienlich erscheinen, um vorab rechtsverbindlich festzustellen zu können, ob eine Organisation als nahestehend im Sinn des Parteiengesetzes zu qualifizieren ist.“

*****

Wir haben das Problem erkannt und wollen es mit diesem Entschließungsantrag in wei­terer Folge dann auch lösen. (Abg. Meinl-Reisinger: Haha! Bitte, das ist ja wie eine Comedy!) Ich ersuche um breitestmögliche Zustimmung zu diesem Gesetz und dem Entschließungsantrag. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

19.06

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Unselbstständiger

Entschließungsantrag

gemäß § 53 Abs. 1 GOG-NR

der Abgeordneten Andreas Ottenschläger und Sigrid Maurer

Kollegen und Kolleginnen,

betreffend Evaluierung des Vollzugs betreffend den Begriff „nahestehende Organi­sationen“

eingebracht im Zuge der Debatte (TOP 15) über den Bericht des Verfassungs­aus­schusses über den Antrag 2487/A der Abgeordneten Andreas Ottenschläger, Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Finanzierung politischer Parteien (Parteiengesetz 2012 – PartG), das Mediengesetz und das Verfassungsgerichtshofgesetz 1953 (VfGG) geändert wer­den sowie über den Antrag 34/A und zu 34/A der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Finanzierung politischer Parteien (Parteiengesetz 2012 – PartG) geändert wird, über den Antrag 35/A und Zu 35/A der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Finanzierung politischer Parteien (Parteiengesetz 2012 – PartG) geändert wird und über den Antrag 454/A der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Finanzierung politischer Parteien (Parteiengesetz 2012 – PartG) geändert wird (1637 d.B.)

Begründung

Die Erfahrungen mit der Anwendung des Parteigesetzes der vergangenen Jahre haben gezeigt, dass es öfters zu Unklarheiten kommt, ob und welche parteinahen Vereine und ähnliche juristische Personen tatsächlich nahestehende Organisationen sind. Durch die mit dem in Verhandlung stehenden Antrag reglementierte Novelle erfolgt eine Aus­weitung der bisherigen Definition der nahestehenden Organisationen dahingehend, dass


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nunmehr auch „nahestehende Organisationen von nahestehenden Organisationen“ erfasst werden. Gleichzeitig werden auch Spendenobergrenzen und Transparenzbe­stimmungen zu nahestehenden Organisationen ausgeweitet.

Im Begutachtungsverfahren wurde in einigen Stellungnahmen bemängelt, dass partei­nahe Vereine, die nicht statutarisch im Sinne des ParteienG mit der Partei oder nahe­stehenden Organisationen verknüpft sind, weiterhin nicht erfasst werden. Das mitunter vorgeschlagene Abstellen auf eine „tatsächliche Unterstützung“ erscheint jedoch insofern problematisch, als nach der künftigen Rechtslage von Beginn eines Abrech­nungsjahres an Klarheit über die nahestehenden Organisationen herrschen muss, da diese in laufende Meldepflichten und Abrechnungen einbezogen werden müssen. Eine nachträgliche Klärung durch Ermessensübung von Rechnungshof und UPTS bzw. BVwG erst bei Prüfung der Rechenschaftsberichte käme daher zu spät.

Zu denken wäre daher an ein Abstellen auf alternative weitere objektive Kriterien, die eine Beurteilung im Vorhinein ermöglichen sollen. In Frage kommen dabei etwa über­einstimmende Geschäftsanschriften, Namensidentitäten und Personenidentitäten von mehr als der Hälfte der Mitglieder Leitungsorganen. Gleichzeitig soll sichergestellt werden, dass nicht auf Grund dieser Kriterien irrtümlich juristische Personen miterfasst werden, die nach ihrer Zweckbestimmung tatsächlich keine Parteinähe aufweisen (z.B. lokale Sportvereine, etc.).

Die Erarbeitung einer entsprechenden Definition bedürfte daher erst noch einer ein­gehenden Analyse auf sachlicher Ebene, insbesondere auch der bisherigen Spruch­praxis der zuständigen Behörden und der öffentlich bekannt gewordenen Fallkonstel­lationen. Da gleichzeitig jedoch eine rasche Beschlussfassung der vorliegenden Novelle erforderlich ist, um eine rechtzeitige Vorbereitung der politischen Parteien und Behörden auf die neue Rechtslage ab 1.1.2023 zu ermöglichen, kann diese Analyse derzeit nicht abgewartet werden.

Für die Durchführung einer solchen Analyse und die Erstellung eines darauf basierenden Gesetzesentwurfs wäre die Kompetenz des im Bundeskanzleramt angesiedelten Ver­fassungsdienstes und allfälliger weiterer zuständiger Fachabteilungen von größtem Nut­zen.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat möge beschließen:

„Die Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt wird ersucht, auf­bauend auf den Erfahrungen hinsichtlich des Begriffs der nahestehenden Organi­sationen die Vollzugspraxis der Behörden und Gerichte zu evaluieren und dem Natio­nalrat darüber zu berichten, ob die Einbeziehung ‚parteinaher‘ Vereine, Vorfeldorgani­sationen und ähnlicher juristischer Personen im Sinn von Rechtssicherheit als auch höchstmöglicher Transparenz von Parteifinanzen ausreichend sichergestellt ist, und gegebenfalls darzustellen, wie eine Ausweitung des Begriffs der nahestehenden Organi­sation aufgrund klar nachprüfbarer Kriterien wie etwa dem Sitz, der überwiegenden Personenidentität in Leitungsorganen, Namensgleichheit und der Vereinszwecke, die nicht ausschließlich auf politikferne Ziele ausgerichtet sind, formuliert werden sollte.

Aufbauend auf dem Ergebnis der Evaluierung wird die Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt darüber hinaus ersucht zu prüfen und dem Nationalrat zu berichten, welche besonderen verfahrensrechtlichen Mechanismen zweckdienlich


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erscheinen, um vorab rechtsverbindlich festzustellen zu können, ob eine Organisation als ‚nahestehend‘ im Sinn des Parteiengesetzes zu qualifizieren ist.“

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß einge­bracht und steht somit auch mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt Mag. Selma Yildirim. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


19.06.47

Abgeordnete Mag. Selma Yildirim (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Werter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Zum Glück dürfen wir in einer Demokratie leben, in einer starken Demokratie, in der die rechtsstaatlichen Mechanismen funktio­nieren und in der, wie wir in den letzten Monaten und Jahren gesehen haben, Verfeh­lungen aufgedeckt werden.

Die Demokratie lebt vom Wettbewerb der unterschiedlichen Parteien um die besten Ideen. Dazu braucht es neben klugen Köpfen auch eine entsprechende Finanzierung der Parteien, welche in verschiedenen Ländern ganz unterschiedlich erfolgt. Ich sage hier auch ganz offen: Ich bin kein Fan des amerikanischen Modells, bei dem überall um Spenden gekeilt wird. Dies schafft nämlich Abhängigkeiten, und so besteht dann die Gefahr, dass Politik für jene gemacht wird, die sich große Spenden und Spender leisten können. (Ruf bei der ÖVP: Das gilt für die Demokraten aber auch, oder?)

Politik für die Spenderinnen und Spender und nicht Politik für Menschen, das ist unseriös (Abg. Taschner: Auch Spender sind Menschen!), deshalb ist die öffentliche Finanzie­rung unserer Demokratie gut und richtig. Dennoch gibt es auch in Österreich große Defizite, und vor allem eine Partei setzte sich in der Vergangenheit über alle Regeln hinweg. Kein Wunder, dass dann zum Beispiel Wahlkampfkostenobergrenzen um fast das Doppelte überschritten werden! Kein Wunder, dass zum Beispiel in Tirol ein einziger Kandidat der ÖVP auf einem der hinteren Listenplätze persönlich mehr als 100 000 Euro für den Wahlkampf zur Verfügung hat! (Abg. Ottenschläger: Dass die Gewerkschaft die SPÖ gefördert hat?) Wenn dies mitunter durch Spenden von Vermögenden, von Unter­nehmerinnen und Unternehmern in Millionenhöhe an eine politische Partei, vornehmlich die ÖVP, finanziert wird, kann nicht ausgeschlossen werden, dass dafür eine Gegen­leistung erwartet und auch erbracht wird. 12-Stunden-Tag, 60-Stunden-Woche – daran möchte ich erinnern.

Wie bereits gestern Herr Abgeordneter Matznetter zu Recht ausführte, scheitern wirk­same Maßnahmen gegen die Teuerung gerade daran, dass manche im Umkreis der ÖVP lieber weiter zusätzliche Millionen Euro scheffeln, während die breite Bevölkerung immer mehr Probleme hat, das ganz normale Leben zu finanzieren. (Abg. Ottenschläger: Das ist ja unglaublich! Wovon redet denn die? Das ist ja eine Themenverfehlung!) Für mich ist klar, dass die Öffentlichkeit ein Recht darauf hat, zu wissen, wie die Finanzierung der Parteien erfolgt und wie viel Geld aufgewendet wird. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ottenschläger: Das wird vor allem in Wien interessant!)

Mehr Transparenz der Parteikassen und mehr Prüfrechte für den Rechnungshof, dafür setzen wir uns ein und da haben wir uns durchgesetzt. (Abg. Zarits: Wie viele Beteili­gungen hat denn die SPÖ Wien?) Es ist uns ein großes Anliegen, dass die Prüfrechte des Rechnungshofes ausgeweitet werden und dieser nicht mehr auf den Koopera­tionswillen der Parteien angewiesen ist. Verstöße gegen die Regeln müssen zudem strenger geahndet werden, und das ist auch gut so.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 253

Diese Reform des Parteienfinanzierungsgesetzes ist ein erster Schritt zu mehr Trans­parenz und Gerechtigkeit. Es braucht klare Spielregeln für einen fairen Wettbewerb in einer Demokratie. Wir begrüßen die aktuelle Nachschärfung. Einige unserer Vorschläge wurden, wie bereits erwähnt, auch übernommen und das sehen wir wirklich als positiv. Dennoch gibt es noch weiteres Verbesserungspotenzial und nach wie vor bestehende Schlupflöcher. Daher bringe ich folgenden Abänderungsantrag zum Bericht des Verfas­sungsausschusses über den Antrag 2487/A ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen

Der Nationalrat wolle in 2. Lesung beschließen:

Der dem Ausschussbericht angeschlossene Gesetzentwurf wird wie folgt geändert:

1. In Z 5 lautet § 2 Z 3:

„3. ,nahestehende Organisation‘: eine von der politischen Partei getrennte Organisation mit eigener Rechtspersönlichkeit, die diese Partei oder eine andere nahestehende Orga­nisation dieser Partei unterstützt oder an der Willensbildung dieser Partei oder der ande­ren nahestehenden Organisation dieser Partei, insbesondere durch Entsendungen in Organe, mitwirkt, oder an der Willensbildung der Partei mitwirkt, sofern diese Unter­stützung oder Mitwirkung in den Rechtsgrundlagen oder Satzungen einer der Organisa­tionen oder der Partei festgelegt ist und der Partei durch die Organisation angezeigt wurde. Parlamentarische Klubs im Sinne des § 1 des Klubfinanzierungsgesetzes 1985, BGBl. Nr. 156, und Rechtsträger im Sinne des § 1 Abs. 2 des Publizistikförde­rungs­gesetzes 1984, BGBl. Nr. 369, sowie Landtagsklubs und je Partei eine vom jeweiligen Bundesland geförderte Bildungseinrichtung dieser Partei sind keine nahestehenden Organisationen im Sinne dieses Gesetzes,“

2. In Z 14 lautet § 5 Abs. 6a:

„(6a) Dem Rechenschaftsbericht ist in einer Anlage eine Liste aller der politischen Partei nahestehenden Organisationen anzuschließen. Organisationen, welche die Unterstüt­zung einer politischen Partei oder einer nahestehenden Organisation einer politischen Partei (§ 2 Z 3) in ihren Statuten festgelegt haben, haben dies der politischen Partei anzuzeigen. Über die Frage, ob eine Organisation als nahestehend zu qualifizieren ist, kann diese Organisation, die Partei oder der Rechnungshof beim UPTS einen diesbe­züg­lichen Feststellungsantrag stellen.“

3. Z 30 lautet:

„30. In § 11a lautet Abs. 5a:

,(5a) Der Senat entscheidet auf Antrag einer Organisation gemäß § 2 Z 3, einer Partei oder des Rechnungshofs darüber, ob eine Organisation als nahestehend zu qualifizieren ist.‘“

*****

In diesem Sinne: Uns freut es. Es geht um ein Stück mehr Transparenz und hoffentlich ein Stück mehr Gerechtigkeit. – Ich danke. (Beifall bei der SPÖ.)

19.12

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 254

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Leichtfried, GenossInnen

zum Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 2487/A der Abgeordneten Andreas Ottenschläger, Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Finanzierung politischer Parteien (Parteiengesetz 2012 – PartG), das Mediengesetz und das Verfassungsgerichts­hof­gesetz 1953 (VfGG) geändert werden sowie über den Antrag 34/A und Zu 34/A der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Finanzierung politischer Parteien (Parteiengesetz 2012 – PartG) geändert wird, über den Antrag 35/A und Zu 35/A der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Finanzierung politischer Parteien (Parteiengesetz 2012 – PartG) geändert wird und über den Antrag 454/A der Abge­ordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Finanzierung politischer Parteien (Parteiengesetz 2012 – PartG) geändert wird (1637 d.B.)

Der Nationalrat wolle in 2. Lesung beschließen:

Der dem Ausschussbericht angeschlossene Gesetzentwurf wird wie folgt geändert:

1. In Z 5 lautet § 2 Z 3:

„3. „nahestehende Organisation“: eine von der politischen Partei getrennte Organisation mit eigener Rechtspersönlichkeit, die diese Partei oder eine andere nahestehende Organisation dieser Partei unterstützt oder an der Willensbildung dieser Partei oder der anderen nahestehenden Organisation dieser Partei, insbesondere durch Entsendungen in Organe, mitwirkt, oder an der Willensbildung der Partei mitwirkt, sofern diese Unter­stützung oder Mitwirkung in den Rechtsgrundlagen oder Satzungen einer der Organi­sationen oder der Partei festgelegt ist und der Partei durch die Organisation angezeigt wurde. Parlamentarische Klubs im Sinne des § 1 des Klubfinanzierungsgesetzes 1985, BGBl. Nr. 156, und Rechtsträger im Sinne des § 1 Abs. 2 des Publizistikförde­rungs­gesetzes 1984, BGBl. Nr. 369, sowie Landtagsklubs und je Partei eine vom jeweiligen Bundesland geförderte Bildungseinrichtung dieser Partei sind keine nahestehenden Organisationen im Sinne dieses Gesetzes,“

2. In Z 14 lautet § 5 Abs. 6a:

„(6a) Dem Rechenschaftsbericht ist in einer Anlage eine Liste aller der politischen Partei nahestehenden Organisationen anzuschließen. Organisationen, welche die Unterstüt­zung einer politischen Partei oder einer nahestehenden Organisation einer politischen Partei (§ 2 Z 3) in ihren Statuten festgelegt haben, haben dies der politischen Partei anzuzeigen. Über die Frage, ob eine Organisation als nahestehend zu qualifizieren ist, kann diese Organisation, die Partei oder der Rechnungshof beim UPTS einen dies­bezüglichen Feststellungsantrag stellen.“

3. Z 30 lautet:

„30. In § 11a lautet Abs. 5a:

„(5a) Der Senat entscheidet auf Antrag einer Organisation gemäß § 2 Z 3, einer Partei oder des Rechnungshofs darüber, ob eine Organisation als nahestehend zu qualifizieren ist.““


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 255

Begründung

Auf Grund der weiten Begrifflichkeit, die § 2 Z 3 des Entwurfs in der Fassung des Ausschussberichts enthält, ist weitgehend unklar, welche Organisationen in Zukunft als nahestehende Organisationen anzusehen sind. Dies wird insbesondere dadurch ver­schärft, dass auch Organisationen, die nahestehende Organisationen unterstützen (wo­bei dieser Begriff nicht näher definiert ist) erfasst sein sollen. Dadurch entsteht jedoch die Möglichkeit von „Kettenorganisationen“, was erhebliche Rechtsunsicherheit und schlussendlich allenfalls auch Strafen mit sich bringt. Um dieses Spannungsverhältnis – auch vor dem Hintergrund des Art. 6 EMRK – aufzulösen, wird durch den vorliegenden Antrag eine Meldepflicht dieser nahestehenden Organisationen sowie gleichzeitig ein Verfahren zur Statusprüfung beim UPTS vorgesehen.

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Abänderungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht somit in Verhandlung.

Zur Wort gelangt nun David Stögmüller. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


19.12.43

Abgeordneter David Stögmüller (Grüne): Werter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Finanzminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Keine Demokratie ist perfekt. Wie jedes politische System hat sie ihre Eigen­heiten, gewisse Sachen, die gut sind, und andere, die, gelinge gesagt, ausbaufähig sind. Was die Demokratie als System jedoch einzigartig macht, ist, dass sie sich selber von innen heraus verändern und verbessern kann.

Die meisten Veränderungen sind klein, gar minimal, und sie sind obendrein leider auch sehr selten. Hin und wieder jedoch kommt eine Reform daher, die nicht nur in der Bevölkerung auf breite Zustimmung trifft, sondern auch von ExpertInnen gelobt wird und auch innerhalb des Hauses einen breiten Konsens findet.

Ich möchte mich hier explizit bei der SPÖ und den NEOS für die sehr gute Zusam­menarbeit im Zusammenhang mit diesem Gesetz bedanken, denn, werte Damen und Herren, das Parteiengesetz, das wir heute hier in diesem Haus beschließen werden, ist einer dieser seltenen Fälle.

Natürlich ist so etwas nicht einfach. Da wurde viel verhandelt in den letzten Monaten, innerhalb und außerhalb der Koalition. Mit den vorliegenden Verbesserungen gegenüber dem existierenden Parteiengesetz aus dem Jahr 2012 – in diesen zehn Jahren hat sich in unserer Politik nicht wenig verändert und es ist nicht wenig passiert – beginnt eine neue Ära der Transparenz und der demokratischen Kontrolle in der Parteien­finanzie­rung.

Dafür haben wir Grüne in Österreich seit Jahrzehnten gekämpft. Wir haben gerade in den letzten Jahren immer wieder gesehen, dass eine gesunde Demokratie nur mit einem starken, tüchtigen und vor allem unabhängigen obersten Finanzkontrollorgan gesund bleiben kann.

Das Parteiengesetz in seiner jetzigen Form hat unserem Rechnungshof das Leben leider nicht immer einfach gemacht. So bekam der Rechnungshof bisher nur rudimentäre Informationen zu den Parteienfinanzen und den Wahlkampfkosten, keine detaillierten Aufschlüsselungen der Wahlkampfkosten, keine direkte Einsicht in die Buchhaltung und null Einsicht in Inseratengeschäfte. Es galten eine viel zu hoch gesetzte Meldegrenze für Parteienspenden und verkraftbare Geldbußen bei Verstößen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 256

Kurz gesagt war es ein Gesetz, das das Verschleiern und Verschönern der Parteikassen nicht sonderlich erschwert hat und mithilfe dessen solche Vergehen auch nur unzu­reichend bestraft werden konnten. Trotz dieser Hindernisse haben die letzten Jahre gezeigt, was ein tüchtiger Rechnungshof, und das ist er auch erfreulicherweise weiterhin, unter der resoluten Führung von Präsidentin Margit Kraker bewirken kann. Ich bin sehr froh, dass Margit Kraker diese Aufgabe auch weiterhin ausüben wird, denn sie macht das wirklich großartig, wie der gesamte Rechnungshof. Unser herzlicher Dank gilt also dem gesamten Team. (Beifall bei Grünen und NEOS sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es ist heute klarer denn je, dass es gesunde Demokratiepolitik nur mit einer unab­hängigen Einsicht und Prüfung durch Kontrollorgane geben kann. In Zukunft wird der Rechnungshof noch viel mehr für das Vertrauen in der Politik in unserem Land leisten können. Künftig wird der Rechnungshof eine viel umfassendere Kontrollfunktion aus­üben können, in Parteibücher Einsicht nehmen können, bei Ungereimtheiten den Verfas­sungsgerichtshof entsprechend informieren können und bereits sechs Monate nach einer Wahl die Wahlkampfausgaben aller Parteien überprüfen können.

Zudem werden nicht nur Einnahmen und Ausgaben, sondern auch Vermögen, Schul­den, Darlehen und auch Kredite künftig offengelegt werden müssen, und eine weit­reichende Impressumpflicht für Medieninserate wird in Wahlkampfzeiten für die dringend notwendige Transparenz sorgen.

Dazu kommt noch eine ganzjährige Spendentransparenz – Kollege Scherak hat es schon angesprochen –: Parteispenden sind schon ab 500 Euro meldepflichtig und müssen mit einem Namen versehen werden, sodass die Stückelung größerer Spenden, was ja immer wieder Thema war, deutlich erschwert wird. Das ist ein weiterer wichtiger Punkt, um Transparenz hineinzubekommen.

Wir werden auch in Zukunft unser Hohes Haus und unsere Kontrollrechte als Parlament stärken, denn künftig werden Parlamentsklubs von alleine eine Sonderprüfung des Rechnungshofes in Auftrag geben können, was ein großer Schritt für die demokratische Legitimität des österreichischen Parlaments ist.

Auch bei den Vereinen und den Statuten müssen wir Transparenz einziehen lassen. Das ist ein ganz wichtiger Punkt, ohne den wird es nicht gehen. Daher bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Andreas Ottenschläger, Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Transparenz von Statuten von Vereinen in Österreich“

Der Nationalrat möge beschließen:

„Die Bundesregierung, im Besonderen der Bundesminister für Inneres, wird ersucht, dem Nationalrat zeitnah eine Regierungsvorlage zuzuleiten, die darauf abzielt, das Vereinsgesetz dahingehend zu novellieren, dass eine unkomplizierte Abfrage der jeweils geltenden Vereinsstatuten eines bestimmten Vereins für die Öffentlichkeit möglich ist.“

*****

Ich finde, das ist ein wichtiger Schritt, denn diese Statuten sind für uns einfach öffentlich nicht einsichtig, und das schiebt uns auch im Untersuchungsausschuss immer wieder einen Riegel vor.

Sehr geehrte Damen und Herren, dieses Gesetz ist kein Parteienfinanzierungsgesetz, es ist ein Transparenz- und Kontrollpaket. Noch nie hat unser Rechnungshof derartige


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 257

Kompetenzen gehabt, um sicherzustellen, dass unsere Demokratie offen, fair und auch sauber bleibt. Die größten Gewinner dieses Gesetzes sind die österreichische Demo­kratie und damit auch die österreichische Bevölkerung.

Es ist unbestritten, dass die Finanz- und Korruptionsfälle der letzten Jahre, von Ibiza über ehemalige Vizekanzler – da war man sehr großzügig, wie wir wissen, und hat mit Spenden und Spesen herumgeworfen – bis hin zu aktuellen Ereignissen rund um das Beinschab-Tool, der Legitimität unserer politischen Parteien, unseres politischen Sys­tems nachhaltig geschadet haben.

Tun wir etwas dagegen! Dieses Gesetz ist ein riesiger Schritt in die richtige Richtung. Wir alle sind es unserer Demokratie schuldig. Vielen Dank für eure Zustimmung! – Danke. (Beifall bei Grünen und NEOS sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.18

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Unselbständiger Entschließungsantrag

gemäß § 53 Abs. 1 GOG-NR

der Abgeordneten Andreas Ottenschläger und Sigrid Maurer, Wolfgang Gerstl, David Stögmüller

Kollegen und Kolleginnen,

betreffend Transparenz von Statuten von Vereinen in Österreich

eingebracht im Zuge der Debatte (TOP 15) über den Bericht des Verfassungs­aus­schusses über den Antrag 2487/A der Abgeordneten Andreas Ottenschläger, Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Finanzierung politischer Parteien (Parteiengesetz 2012 – PartG), das Mediengesetz und das Verfassungsgerichtshofgesetz 1953 (VfGG) geändert werden sowie über den Antrag 34/A und zu 34/A der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Finanzierung politischer Parteien (Parteiengesetz 2012 – PartG) geändert wird, über den Antrag 35/A und Zu 35/A der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Finanzierung politischer Parteien (Parteiengesetz 2012 – PartG) geändert wird und über den Antrag 454/A der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Finanzierung politischer Parteien (Parteiengesetz 2012 – PartG) geändert wird (1637 d.B.)

Begründung

Mit 1. Jänner 2023 soll das neue Parteiengesetz in Kraft treten, das erstens die Definition von sogenannten „nahestehenden Organisationen" ausdehnt und das andererseits an das Bestehen einer nahestehenden Organisation umfassende Rechtsfolgen knüpft.

Für die politischen Parteien selbst aber auch für die Öffentlichkeit wird es also uner­lässlich sein zu wissen, welcher Verein eine nahestehende Organisation ist. Für das Bestehen einer nahestehenden Organisation kommt es auf die Statuten der politischen Partei an; es kann aber auch darauf ankommen, ob im Statut einer Organisation bzw. eines Vereins auf eine politische Partei Bezug genommen wird und daher möglicher­weise eine nahestehende Organisation gegeben ist.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 258

Derzeit ist nach dem Vereinsgesetz aber nur die lokale Einschau in Statuten möglich, nicht jedoch der Abruf über das zentrale Vereinsregister.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat möge beschließen:

„Die Bundesregierung, im Besonderen der Bundesminister für Inneres, wird ersucht, dem Nationalrat zeitnah eine Regierungsvorlage zuzuleiten, die darauf abzielt, das Ver­einsgesetz dahingehend zu novellieren, dass eine unkomplizierte Abfrage der jeweils geltenden Vereinsstatuten eines bestimmten Vereins für die Öffentlichkeit möglich ist.“

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß einge­bracht und steht somit auch in Verhandlung.

Zu Wort gelangt nun Andreas Minnich. – Bitte, Herr Abgeordneter.


19.18.50

Abgeordneter Andreas Minnich (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Werte Kollegen Abgeordnete! Liebe Zuseher auf der Galerie und zu Hause vor den Fernsehbildschirmen! Der heutige Beschluss des Parteiengesetzes ist nichts Geringeres als das Regelbuch für unseren demokratischen Wettbewerb.

Transparenz und Kontrolle sind wahrscheinlich die passenden Begriffe zu diesem Paket. Mit verschärften Sanktionen bis hin zur Streichung der Parteienförderung, wenn nicht transparent berichtet wird, wurde hier ein hartes und gutes Gesetz geschaffen.

Vielen Dank für die konstruktive Zusammenarbeit, die heute zu diesem Beschluss mit breiter Mehrheit führt!

Ich vertrete die Auffassung, dass es eine Ehre ist, für die Menschen in unserem Land tätig zu sein und sie vertreten zu dürfen. Es ist vollkommen egal, für welche demo­kratische Partei man sich engagiert; sobald eine Person in unserem Land den Ent­schluss trifft, sich an der Politik zu beteiligen, leistet sie einen unschätzbaren Beitrag für unsere Demokratie und unser Land.

Leider ist es aber so, dass mir Dinge zu Ohren kommen wie: Politik möchte ich mir ganz sicher nicht antun. – Persönlich kann ich diese Ansicht durchaus verstehen, es läuft mir nur jedes Mal kalt über den Rücken, wenn ich so etwas höre und mich frage, was das längerfristig für unser Land bedeutet. Wo wird die Reise hingehen?

Diese Ablehnung gegenüber politischem Engagement kommt aber nicht daher, dass die Menschen nicht für die Gesellschaft arbeiten wollen, nein, diese Ablehnung kommt auch nicht daher, dass sich Menschen nicht für Politik begeistern können, nein, sondern die Ablehnung kommt daher, dass seit zig Jahren nur noch das Beschädigen anderer Politiker oder Parteien im Vordergrund steht. Dass man sich damit selbst und unsere Demokratie beschädigt, scheint egal zu sein.

Geschätzte Damen und Herren! Eines ist mir wichtig zu sagen: Ich kann mich nicht erinnern, dass der Begriff Parteipolitik in den letzten Jahren auch nur einmal positiv verwendet wurde. Wir alle, wie wir hier sitzen, sind Teil einer Partei; wir alle, wie wir hier sitzen, machen auch Parteipolitik. Es ist unsere Aufgabe, die Menschen in unserem Land nicht nur zu vertreten, sondern auch zu motivieren, sich an der Politik zu beteiligen.


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Unser politisches System ist nun einmal auf Parteien aufgebaut. Oder wollen wir ein anderes System? Welches politische System schlagen Sie vor? Wenn ich mir so manche Aussage oder Unterstellung hier im Hohen Haus anhöre oder die dazugehörigen Aus­sendungen lese, denke ich, dass einige daran arbeiten, sich selbst abzuschaffen. Hören wir damit auf! Geben wir das innere Feuer der Demokratie weiter, sich für Staat und Gesellschaft einzusetzen! – Vielen Dank. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.22


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Mag. Karin Greiner. – Bitte, Frau Abgeordnete.


19.22.28

Abgeordnete Mag. Karin Greiner (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Der SPÖ-Fraktion war wichtig, dass einige grundlegende Punkte in dieses neue Gesetz einfließen. Ich darf die wesentlichsten davon benennen.

Uns ist besonders wichtig, dass die Spitze des Rechnungshofes eine breite demo­kratische Legitimation erhält – daher die Zweidrittelmehrheit bei der Bestellung der Präsidentin oder des Präsidenten. Es ist wichtig, dass diese breite Legitimation gegeben ist, ist es doch unser wichtigstes Hilfsorgan in der Kontrolle.

Weiters bemerkenswert sind die ausgeweiteten Kontrollrechte für das Parlament bei Sonderprüfungen. Bis dato waren nur drei Sonderprüfungen parallel möglich, in Zukunft werden das mehr sein, und das ist natürlich wichtig für die Kontrollarbeit in unserer Funktion.

Ein wesentlicher Punkt war uns, dass Vergaben über Ministerien der Kontrolle unter­liegen. Was meine ich damit? – Ich meine damit Umfragen, ich meine damit Studien, die über die Ministerien vergeben werden. Sie erinnern sich an die negativen Schlagzeilen, die sich im Zuge der Umfragen ergeben haben: Welches Tier ist der Bundeskanzler? Es geht ja wirklich nicht, dass die Beantwortung derartiger Fragen mit Steuergeld bezahlt werden soll! (Beifall bei der SPÖ.) Steuergeld ist wahrlich nicht dazu da, Fragen zu beantworten wie: Wer ist der böse Onkel?, oder: Wer ist der schlaue Delfin? Das gehört abgestellt.

Für die SPÖ ist aber auch besonders wichtig, dass im Parteiengesetz weitere Ver­besserungen erfolgen, zumal es noch Umgehungsmöglichkeiten gibt. Wohin diese Um­ge­hungsmöglichkeiten geführt haben, erfahren wir zurzeit leidvoll im Korruptions-Unter­suchungsausschuss und haben wir davor schon leidvoll im Ibiza-Untersuchungsaus­schuss erfahren. Die Justiz ist mit all diesen Fragen auch sehr stark beschäftigt.

Conclusio: In der Transparenz ist noch Feinschliff erforderlich – wir sind jederzeit verhandlungsbereit. Ich darf in diesem Zusammenhang auch einen Abänderungsantrag einbringen, da geht es darum, dass Studien unmittelbar nach dem 1.1. des Jahres veröffentlicht werden müssen und nicht irgendwann im Lauf des Jahres. (Beifall bei der SPÖ.)

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen

Der Nationalrat wolle in 2. Lesung beschließen:

In Art. 1 lautet die Z 4 wie folgt:

„4. Art. 151 wird folgender Abs. 67 angefügt:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 260

,(67) Art. 20 Abs. 5, Art. 122 Abs. 4 und Art. 123 Abs. 2 in der Fassung des Art. 1 des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XXX/2022 treten mit 1. Jänner 2023 in Kraft.‘“

*****

Abschließend erlauben Sie mir noch festzuhalten: Ich möchte der jetzigen Spitze des Rechnungshofes, Frau Präsidentin Kraker, unsere Wertschätzung ausdrücken (Abg. Ottenschläger: Na jetzt auf einmal!), nicht nur ihr als Präsidentin, sondern auch ihrem gesamten Team. Wir arbeiten laufend eine Vielzahl von Berichten ab, in den letzten beiden Jahren (Abg. Ottenschläger: Aber absetzen wolltet ihr sie schon!) war es zu­sätzlich erforderlich, sich besonders brennenden Themen, die sich aus der Krise erge­ben haben, zu widmen, und da waren auch wirklich zeitnah vorgelegte Berichte eine große Hilfe für unsere Kontrollarbeit.

Sehr geehrte Damen und Herren, stimmen Sie unseren Abänderungsanträgen zu (Abg. Steinacker: Na, never ever!), um Umgehungsmöglichkeiten in Zukunft auszuschließen! Ich glaube, es wäre hoch an der Zeit. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

19.26

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abg. Mag. Leichtfried, Genossinnen und Genossen

zum Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 2509/A der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz und das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975) geändert werden (1642 d.B.)

Der Nationalrat wolle in 2. Lesung beschließen:

In Art. 1 lautet die Z 4 wie folgt:

„4. Art. 151 wird folgender Abs. 67 angefügt:

„(67) Art. 20 Abs. 5, Art. 122 Abs. 4 und Art. 123 Abs. 2 in der Fassung des Art. 1 des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XXX/2022 treten mit 1. Jänner 2023 in Kraft.““

Begründung

Nach dem Abänderungsantrag der Regierungsfraktionen würde Art. 20 Abs. 5 B-VG in der Fassung des Art. 1 betreffend die Veröffentlichungspflicht ausschließlich auf Studien, Gutachten und Umfragen sowie sonstige Werke anzuwenden, die ab diesem Zeitpunkt, also ab 1. Jänner 2023, in Auftrag gegeben werden.

Dies ist völlig unverständlich und begründet nur den Verdacht, dass laufende Studien ua zur Finanzierung anderer Interessen dienen und deshalb eine Veröffentlichung ver­hindert werden müsse.

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Abänderungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht somit auch in Verhandlung.

Zu Wort gelangt Mag. Agnes Sirkka Prammer. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 261

19.26.21

Abgeordnete Mag. Agnes Sirkka Prammer (Grüne): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Transparenz verhindert Korruption, und genau aus diesem Grund ist dieses Gesetz so wichtig. Es schafft Klarheit darüber, wer wie viel an welche Partei spendet, und es macht nachvollziehbar, welche Organisationen welchen Parteien zuzurechnen sind und wie die Finanzen miteinander verwoben sind.

Es ist jetzt hier auch viel über Umgehungen gesprochen worden, und dazu gibt es schon noch einiges zu sagen. Denken wir diese Einwände doch einmal fertig: Grundsätzlich ist es so, dass alle Organisationen, die als nahestehend definiert sind, auch der Rechen­schaftspflicht unterliegen. Das bedeutet, sie sind in die Prüfung einzubeziehen, und die Zahlungsflüsse zwischen diesen nahestehenden Organisationen und den Parteien sind lückenlos nachvollziehbar.

Alle anderen Organisationen, also alle diese genannten Vereine, die hier beanstandet wurden, werden, wenn sie etwas an die Partei zahlen, als Spender geführt. Das heißt, das sind alles Parteispenden. Wenn sie aber nicht der Partei zuzurechnen sind und spenden, dann unterliegen sie der Obergrenze, der individuellen Obergrenze von 7 500 Euro, und diese Spenden sind in die Gesamtobergrenze einzurechnen.

Das bedeutet, dass auch da diese Umgehungskonstruktionen weitestgehend verun­möglicht werden, weil Spenden eben nur bis zu diesen geringen Beträgen möglich sind. Das heißt, es geht nicht, Millionen an irgendeinen Verein zu geben, damit dieser das dann an die Partei ungeschaut, ungeprüft weiterleiten kann, weil da eben diese Spendengrenzen gelten. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Ottenschläger.)

Die Grenzen gelten im Übrigen sehr wohl auch für Sachspenden. Auch Sachspenden sind zu bewerten, und wenn dann Feste gegeben werden, wenn Leistungen gratis zur Verfügung gestellt werden, dann ist auch all das in diese Spendenobergrenzen ein­zurechnen. Das bedeutet, dass da in einem sehr großen Umfang wirklich Sicherheit gewährleistet ist. Zum Beispiel sind auch Inserate zu Wahlkampfzeiten durch die An­führungspflicht im Impressum zu kennzeichnen, jeder weiß, wer für welche Partei wirbt.

Um das auch bestmöglich kontrollieren zu können, möchte ich hier noch den Abän­de­rungsantrag der Abgeordneten Andreas Ottenschläger, Mag. Jörg Leichtfried, Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kollegen zum Antrag 2487/A in der Fassung des Aus­schussberichtes einbringen.

In Ziffer 3 und Ziffer 4 sind es formale Berichtigungen und in Artikel 1 und Artikel 2 wird noch ein wesentliches Sicherheitsinstrument eingeführt, nämlich: Die Verjährung all dieser Vergehen gegen das Parteienfinanzierungsgesetz beginnt immer erst dann zu laufen, wenn der Rechenschaftsbericht auch tatsächlich vorgelegt wird. Das heißt, man kann nicht durch Verzögern der Rechnungslegung für die Vergehen, die dann aus der Prüfung des Berichtes hervortreten, Verjährung eintreten lassen.

Es wird auch sichergestellt, dass Sanktionen, die nach dem alten Gesetz gelten, weiter­hin für Verstöße, die nach den alten Regelungen sanktioniert werden, gelten und danach die neuen Regelungen eintreten.

Das bedeutet, wir haben da wirklich sehr weitgehende Sicherheit geschaffen. Trans­parenz verhindert Korruption. Daher ist dieses Gesetz so wichtig für die politische Kultur in Österreich, und ich ersuche jetzt um breite Zustimmung. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.30

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 262

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Andreas Ottenschläger, Jörg Leichtfried, Sigrid Maurer

Kolleginnen und Kollegen

zum Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 2487/A der Abgeordneten Andreas Ottenschläger, Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Finanzierung politischer Parteien (Parteiengesetz 2012 – PartG), das Mediengesetz und das Verfassungs­gerichts­hof­gesetz 1953 (VfGG) geändert werden,

den Antrag 34/A und Zu 34/A der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Finanzierung politischer Parteien (Parteiengesetz 2012 – PartG) geändert wird,

den Antrag 35/A und Zu 35/A der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Finanzierung politischer Parteien (Parteiengesetz 2012 – PartG) geändert wird und

den Antrag 454/A der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Finan­zierung politischer Parteien (Parteiengesetz 2012 – PartG) geändert wird (1637 der Bei­lagen XXVII. GP)

Der Nationalrat wolle in 2. Lesung beschließen:

Der dem Ausschussbericht angeschlossene Gesetzentwurf wird wie folgt geändert:

1. In Artikel 1 lautet in Z 34 § 12b Abs. 1 wie folgt:

„§ 12b. (1) Für die Verwaltungsstrafen nach § 12a Abs. 2, Abs. 2a, Abs. 3 und Abs. 4 Z 2 dieses Bundesgesetz gilt § 31 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, mit der Maßgabe, dass die Fristen mit jenem Tag beginnen, an dem der Rechenschaftsbericht über den Zeitraum, in dem das verbotene Verhalten beendet oder die Unterlassung des gebotenen Verhaltens begonnen wurde, gemäß § 5 Abs. 7 letzter Satz erster Fall an den Rechnungshof zu übermitteln ist. Für die Verwaltungsstrafen nach § 12a Abs. 4 Z 1 und Abs. 5 gilt § 31 VStG mit der Maßgabe, dass die Fristen mit jenem Tag beginnen, an dem der Rechenschaftsbericht, auf den sich das verbotene Verhalten bezieht, abgegeben wurde.“

2. In Artikel 1 lautet Ziffer 39:

„39. In § 15a wird dem bisherigen Text die Absatzbezeichnung „(1)“ vorangestellt und es werden folgende Absätze 2 und 3 angefügt:

              „(2) Für die Erstellung und Kontrolle der Wahlwerbungsberichte und Rechen­schaftsberichte für die Kalenderjahre 2019, 2020, 2021 und 2022 ist das Parteiengesetz in der Fassung BGBl. I Nr. 247/2021 anzuwenden.

              (3) Hinsichtlich Verwaltungsstrafen und Geldbußen sind auf Sachverhalte, die vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes in der Fassung BGBl. I Nr. XXX/2022 verwirklicht wurden, die §§ 10 Abs 6 bis 8 und § 12 in der Fassung BGBl. I Nr. 247/2021 anzuwenden. Die §§ 12, 12a und 12b in der Fassung BGBl. I Nr. XXX/2022 sind auf Sachverhalte anzuwenden, die nach 1.1. 2023 verwirklicht wurden.““

3. In Artikel 2 Änderung des Mediengesetzes lautet der Einleitungssatz:

„Das Bundesgesetz vom 12. Juni 1981 über die Presse und andere publizistische Medien (Mediengesetz - MedienG), BGBl. Nr. 314/1981, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 148/2020, wird wie folgt geändert:“


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4. In Artikel 3 lauten dieZiffern 1und 2:

„1. Die Überschrift zu Abschnitt A des 2. Hauptstückes lautet:

„A. Bei Meinungsverschiedenheiten über die Auslegung der gesetzlichen Bestim­mun­gen, die die Zuständigkeit des Rechnungshofes oder eines Landesrechnungshofes regeln (Art. 126a und Art. 127c Z 1 B-VG und § 10 Abs. 10 des Parteiengesetzes 2012)“

 2. Nach § 36f wird folgender § 36g eingefügt:

„§ 36g. Bei Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Rechnungshof und einer politi­schen Partei über die Zulässigkeit einer Überprüfung kann der Rechnungshof oder die politische Partei den Antrag auf Entscheidung durch den Verfassungsgerichtshof stellen (§ 10 Abs. 10 des Parteiengesetzes 2012, BGBl. I Nr. 56/2012). Die vorstehenden Be­stimmungen dieses Abschnittes sind sinngemäß anzuwenden.““

Begründung

Zu Z 1:

Das neue Parteiengesetz in der Fassung des Ausschussberichts sieht einen einheit­lichen Beginn der Verjährungsfristen gemäß § 31 VStG mit dem Tag vor, an dem der Rechenschaftsbericht erstmals abzugeben ist. Bislang war dafür der Tag maßgeblich, an dem die strafbare Handlung abgeschlossen wurde. Dieser einheitliche Beginn der Verjährung führt in den meisten Fällen der Verwaltungsstrafen zu einer Verlängerung der Verjährungsfrist, die dem Umstand geschuldet ist, dass viele mögliche verwirklichte Sachverhalte erst mit Abgabe des Rechenschaftsberichts der zuständigen Behörde zur Kenntnis gelangen können.

Hinsichtlich jener Delikte, die durch Handlungen im Zusammenhang mit der Abgabe des Rechenschaftsberichts begangen werden, erscheint es jedoch sinnvoll, die Verjährungsfrist erst mit der tatsächlichen Abgabe des Rechenschaftsberichts beginnen zu lassen, da das Gesetz ausdrücklich die Möglichkeit einer Fristerstreckung für die Abgabe des Rechenschaftsberichts vorsieht. Diesem Gedanken wird nun Rechnung getragen, indem die Delikte im Zusammenhang mit der Abgabe des Rechen­schafts­berichts erst ab diesem Zeitpunkt zu verjähren beginnen.

Zudem wird das legistische Versehen des Doppelverweises beseitigt.

Zu Z 2:

Die Neuregelung durch die weitestgehende Einbeziehung nahestehender Organi­satio­nen in die Rechenschaftspflicht der Parteien stellt eine umfassende Änderung der Sach­lage dar. Dies deshalb, da durch die lückenlose Erfassung sämtlicher Spenden an nahe­stehende Organisationen, die Einbeziehung dieser in die Ausweispflichten für Insera­teneinnahmen und in die Einrechnung in die Wahlkampfkostenobergrenze und durch die strengen Transparenzvorschriften zur Nachvollziehbarkeit der Geldflüsse von naheste­henden Organisationen an ihre jeweilige politische Partei die Bewertung der Zuwen­dungen von nahestehenden Organisationen hin zu ihrer politischen Partei ein insgesamt  geändertes Rechenschaftssystem geschaffen wird. Durch diese umfassende Erfassung der Finanzlage auch bei nahestehenden Organisationen im Zusammenhang mit ihrem Mitteleinsatz im politischen Diskurs liegt eine geänderte Sachlage vor, die nicht mit jener Sachlage  nach der alten Rechtslage zu vergleichen ist, in der all das nicht erfasst wurde.

Aus diesem Grund sollten Vergehen (zB die Überschreitung der Spendenobergrenze durch Spenden von nahestehenden Organisationen an politische Parteien zu einer Zeit, alse diese umfassenden Bestimmungen zur Erfassung des Mitteleinsatzes der  naheste­henden Organisationen nicht gegolten haben), die vor Inkrafttreten dieses Gesetzes


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verwirklicht wurden, weiterhin sanktioniert werden können. Es liegt daher hier für Sachverhalte, die zum Zeitpunkt ihrer Verwirklichung mit einer Verwaltungsstrafe sank­tioniert waren, kein Anwendungsfall des § 1 Abs. 2 VStG vor. Durch die geänderte Formulierung erfolgt die Klarstellung der Geltung der Sanktionsnormen zum Zeitpunkt der Verwirklichung etwaiger solcher Verstöße. Dies steht auch in Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung des EGMR, der die Anwendbarkeit des Günstigkeitsprinzips als nicht geboten ansieht, wenn sich die Sachlage verändert hat, sondern nur, wenn sich das strafrechtliche Unwerturteil geändert hat. Letzteres ist hier nicht der Fall: die Ver­letzung der Vorschriften des Parteiengesetzes wird weiterhin mit Verwaltungsstrafen bzw. Geldbußen sanktioniert.

Hinsichtlich aller Sachverhalte, die nach Inkrafttreten dieser Novelle verwirklicht werden und nach den neu geschaffenen Sanktionsnormen (§ 12 Geldbußen und § 12a Verwal­tungsstrafen) auch eine Sanktion nach sich ziehen sollten, greifen bereits die neuen Sanktionsnormen der §§ 12 und 12a. Die Verjährung hinsichtlich dieser neuen Sank­tionsnormen ist in § 12b geregelt.

Zu Z 3:

Im Einleitungssatz zu Artikel 2 wird die zuletzt geänderte Fassung des Mediengesetzes korrigiert.

Zu Z 4:

In der Überschrift zu Abschnitt A des 2. Hauptstücks wird der Verweis auf § 10 Abs. 10 PartG korrigiert. Zusätzlich wird dieser Verweis auch im zukünftigen § 36g Verfassungs­gerichtshofgesetz korrigiert.

***** 19.30.19


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Abänderungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht somit auch in Verhandlung.

Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ist seitens der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Wünschen die Klubs eine Sitzungsunterbrechung? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 15: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Finanzierung politischer Par­teien, das Mediengesetz und das Verfassungsgerichtshofgesetz geändert werden, in 1637 der Beilagen.

Hierzu liegen ein Abänderungsantrag der Abgeordneten Andreas Ottenschläger, Mag. Jörg Leichtfried, Sigrid Maurer, Kolleginnen und Kollegen, ein Abänderungsantrag der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, Kolleginnen und Kollegen sowie ein Abän­derungsantrag der Abgeordneten Mag.  Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen vor.

Weiters liegt ein Verlangen auf getrennte Abstimmung der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen vor.

Ich werde daher zunächst über die von den erwähnten Abänderungsanträgen sowie dem Verlangen auf getrennte Abstimmung betroffenen Teile – der Systematik des Gesetz­entwurfes folgend – und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Da der vorliegende Gesetzentwurf Verfassungsbestimmungen enthält, stelle ich zu­nächst im Sinne des § 82 Abs. 2 Z 1 der Geschäftsordnung die für die Abstimmung


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erforderliche Anwesenheit der verfassungsmäßig vorgesehenen Anzahl der Abgeord­neten fest.

Wir gelangen zur getrennten Abstimmung über Art. 1 Z 2 bis 4 in der Fassung des Aus­schussberichtes.

Wer hierfür ist, den ersuche ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Die Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abän­de­rungsantrag betreffend Art. 1 Z 5 eingebracht.

Wer dafür ist, den ersuche ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Dieser Antrag ist abgelehnt.

Ebenso haben die Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen einen Abänderungsantrag betreffend Art. 1 Z 5 eingebracht.

Wer dafür ist, den ersuche ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Auch dieser Antrag ist abgelehnt.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich ersuche jene Mitglieder des Hohen Hauses, die hiefür sind, um ein zustimmendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir gelangen zur getrennten Abstimmung über Art. 1 Z 7 bis 9 in der Fassung des Ausschussberichtes.

Wer hierfür ist, den ersuche ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Die Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungsantrag betreffend Art. 1 Z 14 eingebracht.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich ersuche jene Mitglieder des Hohen Hauses, die dafür sind, um ein zustimmendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir gelangen zur getrennten Abstimmung über Art. 1 Z 19 § 6 Abs. 10, Z 20 § 7 Abs. 4 sowie Ziffer 28 in der Fassung des Ausschussberichtes.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mehrheitlich angenommen. Ausdrücklich stelle ich wiederum die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Die Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungsantrag betreffend Art. 1 Z 30 eingebracht.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Dieser Antrag ist abgelehnt.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschussberichtes.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 266

Ich ersuche jene Mitglieder des Hohen Hauses, die dafür sind, um ein zustimmendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Die Abgeordneten Andreas Ottenschläger, Mag. Jörg Leichtfried, Sigrid Maurer, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungsantrag betreffend Art. 1 Z 34 und 39 eingebracht.

Wer dafür ist, den ersuche ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir gelangen zur getrennten Abstimmung über Art. 1 Z 40 § 16 Abs. 10 in der Fassung des Ausschussberichtes.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mehrheitlich ange­nommen. Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Die Abgeordneten Andreas Ottenschläger, Mag. Jörg Leichtfried, Sigrid Maurer, Kolle­ginnen und Kollegen haben einen Abänderungsantrag betreffend Artikel 2 und 3 einge­bracht.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig ange­nommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschuss­berichtes.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mehrheitlich ange­nommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist mehr­heitlich angenommen.

Ausdrücklich stelle ich wiederum die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittel­mehr­heit fest. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Nein zur Legalisie­rung verdeckter Parteienfinanzierung“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Andreas Ottenschläger, Sigrid Maurer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Evalu­ierung des Vollzugs betreffend den Begriff ‚nahestehende Organisationen‘“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mehrheitlich angenommen. (261/E)

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten And­reas Ottenschläger, Sigrid Maurer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Transparenz von Statuten von Vereinen in Österreich“.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 267

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mehrheitlich angenommen. (262/E)

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 16: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Klubfinanzierungsgesetz und das Publizistikförderungsgesetz geändert werden, samt Titel und Eingang in 1638 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist einstim­mig.

Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 17: Antrag des Verfassungs­ausschusses, seinen Bericht 1639 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hierzu ihre Zustimmung geben, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 18: Antrag des Verfas­sungs­ausschusses, seinen Bericht 1640 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben, um ein ent­sprechen­des Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 19: Antrag des Verfassungs­ausschusses, seinen Bericht 1641 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechen­des Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 20: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz und das Geschäftsordnungs­gesetz geändert werden, in 1642 der Beilagen.

Hierzu haben die Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen zwei Abänderungsanträge eingebracht.

Ich werde daher zunächst über die von den erwähnten Abänderungsanträgen betrof­fenen Teile – der Systematik des Gesetzentwurfes folgend – und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Da es sich bei dem vorliegenden Gesetzentwurf um eine Änderung des Bundes-Ver­fassungsgesetzes und eine Änderung des Geschäftsordnungsgesetzes handelt, stelle ich zunächst im Sinne des § 82 Abs. 2 Z 1 und 2 der Geschäftsordnung die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der verfassungsmäßig vorgesehenen Zahl der Abgeordneten fest.

Die Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abän­derungsantrag betreffend Art. 1 Z 1 eingebracht.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit, der Antrag ist abge­lehnt. Die erforderliche Zweidrittelmehrheit wurde nicht erreicht. Die Änderungen sind natürlich damit abgelehnt.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschussberichtes.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 268

Ich ersuche jene Mitglieder des Hohen Hauses, die hierfür sind, um ein zustimmendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Die Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abän­derungsantrag betreffend Art. 1 Z 4 eingebracht.

Wer hierfür ist, den bitte ich um ein Zeichen? – Das ist die Minderheit. Die erforderliche Zweidrittelmehrheit wurde nicht erreicht. Die Änderungen sind somit abgelehnt.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich ersuche jene Mitglieder des Hohen Hauses, die hierfür sind, um ein zustimmendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen. Ich stelle ausdrücklich die verfassungs­mäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschuss­berichtes.

Wer hierfür ist, den ersuche ich um ein Zeichen der Zustimmung? – Das ist mehrheitlich angenommen. Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zwei­drittel­mehrheit fest.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 21: Antrag des Verfassungs­ausschusses, seinen Bericht 1643 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechen­des Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

19.40.5922. Punkt

Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (1572 d.B.): Bundes­gesetz, mit dem das Bundesfinanzrahmengesetz 2022 bis 2025 und das Bun­des­finanzgesetz 2022 geändert werden (2. Budget-Novelle 2022) (1592 d.B.) (Wieder­aufnahme der am 6. Juli 2022 vertagten Verhandlungen)

23. Punkt

Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (1570 d.B.): Bundes­gesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Errichtung des COVID-19-Krisen­bewältigungsfonds (COVID-19-FondsG) geändert wird (1593 d.B.) (Wiederauf­nahme der am 6. Juli 2022 vertagten Verhandlungen)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen nun zu den Punkten 22 und 23 der Tagesordnung, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Zu Wort gemeldet ist nun Kai Jan Krainer. – Bitte, Herr Abgeordneter.


19.41.42

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Bundesfinanzrahmengesetz, das erst im November beschlossen wurde, wird heute bereits zum zweiten Mal geändert. Wir werden es aus mehreren Gründen, die wir im Ausschuss dargelegt haben, ablehnen, weil wir die Budgetpolitik dieser Bundesregierung für falsch halten.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 269

In diesem Bundesfinanzrahmengesetz sieht man auch sehr schön, wer de facto diese Teuerungshilfen, auf die die Regierungsparteien so stolz sind, bezahlen wird. Man sieht also: 85 Prozent davon zahlen die ArbeitnehmerInnen und die Pensionisten und nur 15 Prozent zahlen die, die über Kapital und über Vermögen und Einkünfte daraus verfügen. Das ist eine Riesenungerechtigkeit – eine Riesenungerechtigkeit! – und über die, glaube ich, können wir uns ganz gut unterhalten, Herr Finanzminister. (Beifall bei der SPÖ.)

Und zwar Folgendes, um auch plastisch darzustellen, worum es geht: Man kann ja Einkommen unterschiedlich erzielen. Die meisten gehen arbeiten und bekommen dafür ein Gehalt oder einen Lohn, bezahlen davon Steuern und Abgaben, also vom Brutto, und bekommen netto halt etwas heraus. Man kann aber natürlich auch anders sein Einkommen erzielen. Es gibt Leute, die kaufen Aktien und verkaufen diese wieder, und daraus haben sie einen Gewinn, nämlich die Differenz daraus. Jetzt gibt es ein paar, die sagen, das ist Spekulation, andere sagen, das ist Investition. Darum geht es mir gar nicht. Man kann ein Einkommen erzielen, indem man Aktien kauft und verkauft, und aus der Differenz hat man ein Einkommen, das ist der Gewinn.

Jetzt schauen wir uns an, wie das besteuert wird: Wenn Sie arbeiten gehen, dann zahlen Sie in etwa 40 Prozent Steuern und Abgaben, ziemlich egal, wie viel Sie verdienen, Sie müssen mit 40 Prozent Steuern und Abgaben rechnen. Wenn Sie mehr verdienen, zahlen Sie dann von 50 bis zu 55 Prozent Steuern und Abgaben; aber 40 Prozent zahlen Sie sehr schnell. Wenn Sie aber quasi durch Aktienkauf und ‑verkauf Ihr Einkommen erzielen – wie viel zahlen Sie dann? 40 Prozent, Herr Minister? – Nein, Sie zahlen 25 Prozent. (Zwischenrufe der Abgeordneten Fürlinger und Gerstl.) Sie zahlen weni­ger, also es ist ein begünstigter Steuertarif für all jene, die ihr Einkommen aus dem Kauf und Verkauf von Aktien erzielen. (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Gut, jetzt stellt sich die Frage: Wem will der Herr Finanzminister jetzt die Steuern senken? Ist er der Meinung: Die, die arbeiten gehen, zahlen 40 Prozent, das ist ein bisschen hart, und die, die Aktien kaufen und verkaufen, zahlen nur 25 Prozent, da will ich doch die von jenen senken, die 40 Prozent zahlen!? – Das würde man annehmen, und da hätten Sie unsere Unterstützung. Was aber will der Finanzminister? Er will die, die 25 Prozent zahlen, also die, die jetzt schon steuerbegünstigt sind, auf null senken (Ruf: Wow!), da will er, dass die gar keine Steuern mehr zahlen. (Bundesminister Brunner: Behaltefrist!) – Er sagt jetzt Behaltefrist, das heißt, wenn zwischen Kauf und Verkauf der Aktie ein Jahr oder zwei Jahre oder drei Jahre liegen, sagt er null – null! (Abg. Loacker: Dann ist es ja auch keine Spekulation!) – Nein, es ist keine Spekulation, es ist ein Einkommen! Die einen gehen arbeiten, zahlen 40 Prozent, die anderen kaufen und verkaufen Aktien und zahlen 25 Prozent! (Abg. Lercher: Sauerei!  Zwischenruf bei der ÖVP.)

Sie wollen für die, die jetzt schon steuerbegünstigt sind, die Steuer senken! Das versteht niemand – niemand versteht das, niemand! (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ. – Zwischenruf bei der ÖVP.) Entschuldige, natürlich versteht das nicht niemand, denn derjenige, der Aktien kauft und verkauft und so sein Einkommen erzielt, der versteht das schon, der freut sich. Aber die, die für ihr Einkommen arbeiten gehen, die verstehen das nicht. Sie zahlen jetzt schon zu viel und die anderen zahlen jetzt schon zu wenig, und die ÖVP denkt nur darüber nach, wie diejenigen, die jetzt schon zu wenig zahlen, noch weniger zahlen, weil sie Politik für die Reichen in diesem Land machen, und für diese Politik werden Sie uns niemals als Partner haben. Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Gerstl.)

19.46


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner: Gabriel Obernosterer. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Zwischenrufe der Abgeordneten Angerer und Matznetter.)



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 270

19.46.14

Abgeordneter Gabriel Obernosterer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Finanzminister! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren auf der Galerie und zu Hause vor den Fernsehschirmen! Eigentlich habe ich mir nichts anderes erwartet, Herr Kollege Krainer. (Ruf bei der SPÖ: Er sagt die Wahrheit! – Zwischenrufe der Abgeordneten Matznetter und Krainer.) Man kann bei diesen Argu­menten, die Sie jetzt hier gebracht haben, eigentlich nur mehr den Kopf schütteln, wirklich nur mehr den Kopf schütteln (neuerlicher Zwischenruf des Abg. Matznetter), wenn jemand nur ein bisschen Ahnung von einem Finanzsystem in einem Land und von der Börse hat. – Seien Sie mir bitte schön nicht böse, aber das hätte ich mir nie erträu­men lassen, dass diese verantwortungsbewusste Partei SPÖ aus der Vergangenheit (Abg. Michael Hammer: Die haben ja keine Ahnung!) auf dieses Niveau herunterkommt. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Er hat mit dem Hauptargument angefangen, warum die SPÖ beim Bundesfinanzgesetz und Bundesfinanzrahmengesetz von 2022 bis 2025 nicht zustimmt. Es ist das ja eine technische Abwicklung, das machen wir aufgrund des Teuerungsausgleichspakets, damit soll der Beschluss zur Umsetzung erfolgen, auch hinsichtlich der Zuständigkeiten aufgrund der Umbildungen in der Regierung. Ich meine, jetzt hört einmal wirklich zu! Kollege Krainer, den ich eigentlich für einen gescheiten Menschen (Abg. Michael Hammer: Das glaube ich nicht!) halte – aber ich weiß es nicht, ist wurscht, erspart mir das! –, fragt: Wisst ihr, warum wir nicht zustimmen?, und sagt dann: Weil wir das seit November zweimal geändert haben. Natürlich, der Herr Krainer hat schon im Novem­ber gewusst, dass in der Ukraine ein Krieg beginnt. Er hat im November natürlich schon gewusst, dass es eine Inflation geben wird. (Ruf bei der SPÖ: Das hat er ja wirklich gewusst! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Frau Kollegin, Frau Klubobfrau der SPÖ! Ich habe das mitverfolgt, als Sie in Deutschland beim Bundeskanzler waren. Die Deutschen haben das gleiche Problem. Ich weiß, dass ihr damals eine Pressekonferenz miteinander gemacht habt und was Sie damals gesagt haben (Abg. Krainer: Aber wir haben es ...!): dass wir diesen Vorschlag, den der deutsche Bundeskanzler damals zum Teuerungsausgleich gemacht hat, in Österreich auch machen werden. Sie wissen aber, was wir bei uns gemacht haben und wo Sie nicht mitgestimmt haben. Wenn man in den letzten Tagen auch ein bisschen das deutsche Fernsehen mitverfolgt hat und jetzt von den Journalisten und dem deutschen Bundes­kanzler und dem Wirtschaftsminister die Analyse zu diesen Paketen hört, die die Deut­schen gemacht haben, dann weiß man, dass es erstens einmal viel geringer – viel gerin­ger! – ist als bei uns in Österreich.

Ich bin im regelmäßigen Austausch mit Budgetvorsitzendem Braun. Wissen Sie, was die Deutschen noch sagen, und zwar nicht nur der Budgetvorsitzende, sondern auch der Bundeskanzler und der Wirtschaftsminister? – Dass der größte Fehler, den sie gemacht haben, die Aussetzung der Mineralölsteuer war, denn das hat sie 8 Milliarden Euro gekostet! Die Deutschen sagen, sie würden das nicht mehr machen. (Abg. Matznetter: Da ist die Inflation viel niedriger ...!) Ihr seid hier herinnen heute noch wie Vorgestrige (Ruf bei der ÖVP: Ewig gestrig!) und fordert das nur, weil ihr nicht akzeptieren könnt (Abg. Matznetter: Das gibt’s ja wohl nicht! ...!), dass diese Regierung von ÖVP und Grünen ein Paket geschnürt hat, das mit euch wahrscheinlich überhaupt nicht möglich gewesen wäre. (Beifall bei der ÖVP. Abg. Matznetter: Schau rein, lies nach! Die haben eine niedrigere Inflation, bei uns ist die Inflation höher!)

Ihr habt bei den 300 Euro für die Ärmsten der Armen dagegengestimmt. Ihr habt bei den Familien, dass man diese unterstützt, dagegengestimmt. Ihr habt dagegengestimmt, dass die Pensionisten einen Ausgleich bekommen. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Matznetter.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 271

Wisst ihr, was ihr haben wollt, nur damit ihr etwas anderes sagen könnt (Abg. Matznetter: Das ist unerhört, ja ...! Unerhört!) – Sie können später noch hier herauskommen –, obwohl es zehnmal schlechter ist? – Dass wir die Mehrwertsteuer auf die Lebensmittel aussetzen, dass wir die Mineralölsteuer aussetzen – obwohl die Deutschen heute ganz klar sagen, das sei ihr größter Fehler gewesen. (Abg. Matznetter: Die Inflation ...!)

Mit diesen 8 Milliarden Euro, die die Aussetzung der Mineralölsteuer in Deutschland ausgemacht hat, hätten sie zehnmal besser, treffsicherer das Geld dorthingeben kön­nen, wo es notwendig ist. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ. – Abg. Loacker: Simmering gegen Kapfenberg ist ein Lercherlschas im Vergleich dazu!)

Ich habe es schon oft genug gesagt und ich höre mit meiner Rede jetzt auch auf: Es ist nicht würdig für eine Partei, die in der Zweiten Republik so lange den Bundeskanzler gestellt hat, dass ihr in dieser schwierigen Zeit alles dazu beitragt, dass die Menschen nur unzufrieden sind, noch mehr unzufrieden sind. Es ist für die Menschen alle schwer, aber dass eine Partei so weit runtersinken kann, dass sie so viel Verantwortung ablegen kann, nur um vielleicht ein paar Proteststimmen zu bekommen, darauf braucht ihr euch überhaupt nichts einzubilden! Merkt euch das! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeord­neten der Grünen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

19.50


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun MMag. DDr. Hubert Fuchs. – Bitte, Herr Abgeordneter.


19.51.02

Abgeordneter MMag. DDr. Hubert Fuchs (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Finanzminister! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Ich finde es sehr po­sitiv, dass Sie beide hier vertreten sind, ich glaube, das ist ein gutes Zeichen des Finanzministeriums.

Die Bundesregierung hat am 14. Juni 2022 das dritte Maßnahmenpaket gegen die Teuerung präsentiert, Teile davon wurden am 23. Juni im Nationalrat auch beschlossen. Das Gesamtvolumen des dritten Maßnahmenpakets beträgt für den Zeitraum 2022 bis 2026 28,8 Milliarden Euro. Wer nun aber glaubt, dass diese 28,8 Milliarden Euro in der 2. Budget-Novelle Berücksichtigung gefunden haben, der irrt. Im Abänderungsantrag zur 2. Budget-Novelle sind lediglich Maßnahmen im Ausmaß von 3,66 Milliarden Euro berücksichtigt.

Entlastungen von angeblich 28,8 Milliarden Euro haben die Regierungsfraktionen prä­sentiert, und im Budget findet man lediglich einen Bruchteil davon, nämlich nur 12,7 Pro­zent des versprochenen Entlastungsvolumens. Aber das ist nicht neu, auch bei der 1. Budget-Novelle wurden die meisten in Ministerratsvorträgen und Pressekonfe­ren­zen angekündigten Maßnahmen nicht ins Budget aufgenommen.

Ich darf hier exemplarisch nur die Erhöhung des Verteidigungsbudgets ansprechen. Die Verteidigungsministerin hat im April 2022 angekündigt, dass das Budget des Bundes­heeres bis 2027 auf 1,5 Prozent des BIPs angehoben werden soll. Wenn man sich allerdings die 1. Budget-Novelle, aber auch die heutige 2. Budget-Novelle ansieht, dann ist klar: Das Bundesheer bekommt bis 2025 keinen einzigen Euro mehr. – So sieht die Ankündigungspolitik dieser Bundesregierung aus. (Beifall bei der FPÖ.)

Diese 2. Budget-Novelle hat aber eine neue negative Dimension erreicht. Nunmehr werden nicht einmal mehr bereits beschlossene Gesetze im Budget berücksichtigt. Wir wissen aber, dass wir bei der Haushaltsführung den verfassungsrechtlichen Grundsatz der möglichst getreuen Darstellung der finanziellen Lage zu beachten haben, und dieser Grundsatz beinhaltet auch das Prinzip der Budgetwahrheit, wonach die Budgetmittel


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 272

möglichst genau zu veranschlagen sind. Auch die Grundsätze der Budgettransparenz und der Budgetvollständigkeit wurden nicht im vollen Umfang umgesetzt, dies hat auch der Budgetdienst in seiner Analyse vom 4. Juli 2022 bestätigt.

In der Privatwirtschaft ist eine ordentliche und auch rollierende Budgetierung der Standard, nicht aber bei dieser Bundesregierung. Diese 2. Budget-Novelle widerspricht essenziellen Grundsätzen des Budgetrechts und ist somit verfassungswidrig. Hier wird – und wir waren ja das von Finanzminister Blümel schon gewohnt – wieder einmal ein Budget präsentiert, welches von vorne bis hinten nicht stimmt. Wir werden dieser 2. Budget-Novelle selbstverständlich nicht zustimmen. (Beifall bei der FPÖ.)

Weil heute auch der Staatssekretär für Digitalisierung und Breitband im Finanzministe­rium anwesend ist, noch ein paar Anmerkungen dazu:

Den Medien ist zu entnehmen, dass sich der Digitalisierungsstaatssekretär für die ver­bleibende Legislaturperiode zwei große Ziele gesetzt hat: zum einen den Breitband­ausbau und zum anderen den Ausbau der Möglichkeiten, Behördenwege per PC bezie­hungsweise Handy zu erledigen – zweifelsohne wichtige Ziele. Ein wichtiges Ziel hat der Digitalisierungsstaatssekretär aber nicht auf seiner Agenda, und zwar die IT der Steuer- und Zollverwaltung, aber auch die IT des Bundesfinanzgerichtes.

In diesem Zusammenhang darf ich insbesondere auf zwei Rechnungshofberichte ver­weisen: den Rechnungshofbericht betreffend „Internationaler Informationsaustausch in Steuerangelegenheiten“ und den Rechnungshofbericht betreffend „Bundesfinanzge­richt“. Der Befund des Rechnungshofes über die IT ist katastrophal; dafür können weder der aktuelle Finanzminister noch der Staatssekretär etwas. Von den 19 Schluss­empfeh­lungen des Rechnungshofes zum Bundesfinanzgericht betreffen sieben, also 37 Pro­zent, die IT, für welche das BMF verantwortlich zeichnet.

Da ist der Digitalisierungsstaatssekretär wirklich gefordert, seine Hausaufgaben zu machen und endlich für eine neue IT-Architektur im eigenen Haus zu sorgen. Viel Glück dafür! – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

19.56


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Mag. Dr. Jakob Schwarz. – Bitte, Herr Abgeordneter.


19.57.00

Abgeordneter Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Normalerweise, wenn man als vierter Redner bei einer Debatte ans Rednerpult tritt, haben schon drei vor einem erklärt, worum es in einem Gesetzentwurf geht, der vor uns liegt. In dem Fall hat das noch niemand gemacht.

Herr Krainer hat vom Steuersystem insgesamt gesprochen, Herr Fuchs hat jetzt über die Rechnungshofberichte gesprochen, und ich möchte kurz darauf eingehen, was wir da in dieser 2. Budget-Novelle beschließen. (Abg. Kopf: Wir auch!) – Bitte gern! Für die Zuseher in erster Linie, aber vielleicht auch fürs Haus selbst.

In erster Linie geht es in dieser Novelle darum, dass wir im Rahmen des Entlastungs­pakets sehr viele Auszahlungen tätigen müssen, und das Budget muss sicherstellen, dass diese Auszahlungen auch möglich sind, dementsprechend werden die Auszah­lungsgrenzen angepasst. Das erlaubt uns, wenn dieser Beschluss heute gefasst wird – und auch ein weiterer, der heute noch ansteht, zu den Selbstständigen, die auch 500 Euro Sozialversicherungsbonus bekommen –, dass dann Schritt für Schritt die Auszahlungen erfolgen können: im August die Sonderfamilienbeihilfe, im September die Einmalzahlung, diese 300 Euro als Unterstützung für Menschen, die ganz stark von der


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 273

Teuerung betroffen sind und sehr geringe Einkommen haben, also Menschen, die auf Arbeitslosengeld angewiesen sind, auf Studienbeihilfe, die Mindestpensionistin­nen, ‑pensionisten sind.

Gleichzeitig wird für alle Pensionistinnen und Pensionisten mit geringen und mittleren Pensionen ein 500-Euro-Absetzbetrag realisiert; dieser wird auch im September aus­bezahlt. Und ab Oktober geht es los, da bekommen dann wirklich alle in Österreich gemeldeten Menschen den erhöhten Klimabonus. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Das heißt für alle Erwachsenen, die in Österreich gemeldet sind und weniger als 90 000 Euro im Jahr verdienen, dass sie 500 Euro Klimabonus bekommen, die Kinder bekommen die Hälfte. Im neuen Jahr kriegen dann die Arbeitnehmerinnen und Arbeit­nehmer auch noch die 500 Euro Absetzbetrag, die bei den Pensionistinnen und Pen­sionisten und über die Sozialversicherung auch bei den Selbstständigen schon früher ausgezahlt werden können. Bis dorthin gibt es dann tatsächlich eine große Entlastung, das Budget macht es jetzt möglich.

Das sorgt dafür – ich sage das, weil das möglicherweise von anderen gleich anders dargestellt wird –, dass die Menschen im untersten Einkommensbereich 800 Euro Entlastung bekommen, die Menschen im unteren, aber nicht ganz unteren Einkommens­bereich 1 000 Euro Entlastung bekommen. Nach oben hin wird es dann weniger, da sind es 500 Euro, und ganz oben sind es nur mehr 370 Euro. Das heißt in Summe ein sehr ausgeglichenes, sozial treffsicheres Paket. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeord­neten der ÖVP.)

Falls noch Kritik daran kommt, dass wir das Budget jetzt quasi noch einmal schnell ändern und nicht alles daran ändern: Das ist auch dem geschuldet, dass wir diese Unterstützungen für die Menschen wirklich dringend brauchen, das muss jetzt raus­gehen, und im August geht es schon los mit den Auszahlungen.

Ich möchte nur ganz kurz auf die Kritik von Abgeordneten Krainer eingehen: Ich teile den grundsätzlichen Befund, wie das Steuersystem in Österreich aufgestellt ist und woher die Einnahmen des Staates kommen, allerdings machen wir mit dem dritten Entlas­tungspaket, dem Sie nicht zustimmen, genau das Gegenteil: Wir erhöhen die Absetz­beträge, senken damit die Steuerbelastung für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh­mer. Wir schaffen die kalte Progression ab, das macht das Gleiche, das senkt die Belastung für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Da ändert sich jetzt nichts bei der KöSt, es ändert sich nichts bei der KESt, das heißt, eigentlich haben Sie eine Prorede für das dritte Entlastungspaket gehalten. Ich würde mir deshalb auch erwarten, dass Sie dem zustimmen. Und wenn Sie das schon machen, können Sie dem Budget jetzt auch zustimmen. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Obernosterer: Bravo!)

20.00


Präsident Ing. Norbert Hofer: Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer gelangt als Nächste zu Wort. – Bitte, Frau Abgeordnete. (Abg. Lercher: Nice try! ... schwarzer Minister!)


20.00.40

Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Herr Präsident! Herr Bun­des­minister! Herr Staatssekretär! Wie meine Vorredner schon ausgeführt haben, sind die 2. Budget-Novelle und die Änderungen vor allem dem geschuldet, dass es eben ein Antiteuerungspaket gegeben hat und deswegen eben das Budget jetzt angepasst wer­den muss.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 274

Ich möchte aber, bevor ich über die Budgetanpassung an sich spreche, an dieser Stelle auch noch ganz, ganz herzlich dem Budgetdienst danken. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten von SPÖ, FPÖ und Grünen.)

Der Budgetdienst hat wirklich auch in dieser sehr herausfordernden Phase wieder einen großartigen Dienst geleistet, hat den ParlamentarierInnen wirklich geholfen, auch in der kurzen Zeit, die es dafür gab, diese Analysen durchzugehen.

Zur Budget-Novelle selbst: Wir haben schon gesagt, es hat die Budget-Novelle jetzt gebraucht, weil es eben dieses Antiteuerungspaket gegeben hat. Und ja, ich sage auch immer wieder, da waren Maßnahmen dabei, die auch wir NEOS sinnvoll gefunden haben und die wir auch durchaus positiv beurteilt haben. Eine Entlastung der Haushalte mit wirklich kleinen Einkommen, der sozial Schwächeren war und ist natürlich hoch not­wendig.

Aber unsere Kritik bleibt bestehen: Es wurde auch sehr viel Geld mit der Gießkanne aus­gegeben. Auch wenn Kollege Schwarz immer wieder versucht, das vom Tisch zu wischen, ist es halt so, dass wir alleine heuer 4,1 Milliarden Euro ausgeben, die nicht treffsicher sind, und das ist der Klimabonus zusammen mit dem Teuerungsbonus. Das ist einfach Geld, das wir im Augenblick nicht haben. Es ist einfach so weit, dass wir auf 81 Prozent Staatsverschuldung sind, 23,1 Milliarden Schulden machen wir alleine heuer. Und dieses Geld, meine Damen und Herren, muss irgendwann einmal zurückbezahlt werden. Es ist mir schon klar, das werden wahrscheinlich nicht wir hier sein – es ist die nächste Generation, es sind die Kinder und die Kindeskinder, die sich dann mit diesem Schuldenrucksack herumplagen müssen, und das ist einfach nicht verantwortungsvoll. (Beifall bei den NEOS.)

Das war es leider noch nicht ganz, ich muss neben der inhaltlichen Kritik auch noch zu ein paar technischen Dingen Stellung nehmen; auch Kollege Fuchs hat es schon ange­sprochen: Sehr, sehr viele Maßnahmen, die angekündigt sind beziehungsweise durch­aus schon beschlossen wurden, fehlen eben in dieser 2. Budget-Novelle. Ich nenne hier nur die Pflegereform, den Ausbau der Kinderbetreuung, das Verteidigungsbudget. Wir haben schon gehört, das alles findet sich in dieser Novelle nicht, und das ist, ehrlich gesagt, nicht lege artis und wird von uns deswegen auch nicht positiv abgestimmt wer­den.

Es ist auch der Finanzrahmen, der in einigen Bereichen einfach vollkommen ignoriert wird. Der Bundesfinanzrahmen 2022 bis 2025 ist nicht angepasst worden. Wenn man eine Budget-Novelle macht, meine Damen und Herren, dann muss man die Grundsätze der Transparenz und der Vollständigkeit unseres Bundeshaushaltsgesetzes schon ernst nehmen, und das ist halt in diesem Fall auch nicht passiert.

Ich möchte jetzt noch einen letzten Satz zu einem dritten Punkt sagen, der mich natürlich besonders interessiert hat. Wir haben uns natürlich auch die Landwirtschaftsbudgets sehr genau angeschaut, und ich habe schon im Ausschuss gesagt: Ups, ich glaube, da fehlt eine Milliarde. Da hat es keinen Aufschrei gegeben – nicht einmal vom Bauernbund, wir waren schon sehr verwundert –, weil da eine Milliarde im Budget einfach ver­schwunden ist. Wir sehen, dass das jetzt im Abänderungsantrag wieder dazugekommen ist, dafür fehlt bei der Finanzverwaltung circa eine Milliarde, also vielleicht hat man sich da auch ein wenig verbucht. (Abg. Ottenschläger: Das war ein Test! Das war ein Test für die Opposition!) Es dürfte ja zuallerletzt gelungen sein, die Budgets wieder richtig zuzuordnen.

In diesem Sinne möchte ich sagen: Ich habe, glaube ich, ausgeführt, warum wir dieser Novelle nicht zustimmen können. Vielleicht schaffen wir es im Herbst, das ein wenig besser zu erledigen. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

20.04



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 275

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer Stellungnahme gelangt nun Herr Bundes­minister Dr. Magnus Brunner zu Wort. – Bitte schön, Herr Bundesminister.


20.04.45

Bundesminister für Finanzen Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Sehr geehrte Damen und Herren! Ja, die neuerliche Novellierung des Budgets – Abgeordneter Schwarz, danke, dass du auf die Inhalte eingegangen bist, denn die Redner vor dir haben das leider nicht gemacht – ist vor allem aus zwei Gründen notwendig. (Abg. Matznetter: Der Kollege Obernosterer aber auch nicht! – Abg. Lercher: Kollege Obernosterer ...!) Erstens hat die Neu­ver­teilung der Kompetenzen zwischen den Ministerien natürlich auch Auswirkungen auf die Budgetstruktur. Das ist der eine Punkt, warum diese Novelle notwendig ist. Und der zweite ist, dass eben dieses dritte Maßnahmenpaket der Bundesregierung gegen die Teuerung natürlich auch Auswirkungen auf das Budget hat, no na. Diese so wichtigen Entlastungsmaßnahmen für die Menschen bedeuten natürlich auf der anderen Seite auch eine sehr große Belastung für das Budget.

Hätten die handelnden Personen das damals bei der Budgeterstellung im vergangenen Herbst wissen können? – Nein, wohl nicht. Niemand konnte damals vorhersagen, wie sich die Coronasituation entwickelt, und wohl niemand hätte vorhersagen können, dass es wieder Krieg in Europa gibt. Also so ehrlich und seriös, glaube ich, sollte man auch bleiben.

Auf diese Herausforderungen braucht es natürlich politische Antworten, und die geben wir, beispielsweise im Gesundheitsbereich etwa durch die Beschaffung von Impfstoffen, von Arzneimitteln; für Unternehmen in Form von Wirtschaftshilfen; für die Energie­versorgungssicherheit auch durch die Einstellung von Gasreserven und als direkte Hilfen für alle Österreicherinnen und Österreicher mit den drei Antiteuerungspaketen. Das kostet Geld, das kostet sehr viel Geld, das wir in die Hand nehmen müssen, und das muss man natürlich auch im Budget einstellen.

Bei all diesen notwendigen Kriseninterventionen – Frau Kollegin Doppelbauer, da haben Sie natürlich vollkommen recht – dürfen wir die langfristige Perspektive nicht aus den Augen verlieren und müssen auch die Staatsschulden im Auge behalten. Deswegen müssen wir mittel- und langfristig diesen Schuldenberg natürlich wieder abtragen. Das wird dann auch nach der Krise sicher die große Herausforderung sein. Das gilt aber nicht nur für Österreich, sondern das gilt für die gesamte Europäische Union, für ganz Europa.

Jetzt liegen zwei sehr herausfordernde Jahre hinter uns, gesundheitspolitisch auf der einen Seite, aber natürlich auch wirtschaftspolitisch. Das war sehr herausfordernd, und es ist Gott sei Dank mit dieser breiten Palette an Maßnahmen, auch mit der breiten Palette an Hilfsinstrumenten, gelungen, auf der einen Seite die befürchtete Insolvenz­welle zu verhindern und auf der anderen Seite auch Arbeitsplätze zu retten. Genau aus diesem Grund ist es ja wichtig, dass wir uns Spielräume für die Zukunft schaffen, dass wir nach den Krisenzeiten auch wieder nachhaltige Budgetpfade einschlagen.

Spielräume nicht als Selbstzweck zu schaffen, sondern eben, um für solche Krisenzeiten vorbereitet zu sein, das ist wichtig, weil es auch entscheidend für die finanzielle Situation eines Landes ist, dass wir eine Kreditfähigkeit haben. Deswegen müssen wir uns ja auch Spielräume schaffen. Es bewerten uns bisher die Ratingagenturen mit sehr, sehr guten Noten. Das ist auch gut für die Refinanzierung des Staates, und wir müssen alles daransetzen, dass wir diese guten Noten auch behalten können.

Deswegen werden wir diese verantwortungsvolle Budgetpolitik natürlich auch fortsetzen, damit wir für zukünftige Krisen vorbereitet sind. Auch wenn wir uns derzeit in äußerst


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 276

unruhigen Zeiten befinden, so sind wir, budgetär zumindest, sehr, sehr gut vorbereitet und aufgestellt. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

20.08


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Angela Baumgartner. – Bitte, Frau Abgeordnete.


20.08.45

Abgeordnete Angela Baumgartner (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staats­sekretär! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor zwei Wochen haben wir in einer Sondersitzung das dritte Entlastungspaket beschlossen. Deshalb, der Herr Finanzminister hat es gerade gesagt, ist diese Novelle zum Bundesfinanz­rahmen­gesetz und Bundesfinanzgesetz notwendig, um die technischen Voraussetzungen zu schaffen, um die Auszahlungen sicherzustellen. Das ist der Grund für diese Novelle – nicht mehr und nicht weniger.

Weil es wirklich treffsichere Maßnahmen sind, möchte ich noch einmal einige davon erwähnen. Folgende Maßnahmen sind in dieser Novelle abgebildet: einmalig 300 Euro für Bezieher der Studienbeihilfe, des Krankengeldes und der Sozialhilfe; 180 Euro Fami­lienbonus für jedes Kind; 250 Euro Klimabonus und 250 Euro Antiteuerungsbonus.

Natürlich haben wir auch noch weitere Maßnahmen beschlossen, welche nicht in dieser Novelle abgebildet sind, nämlich Einmalzahlungen an Bezieherinnen und Bezieher der Ausgleichszulage und einer Leistung aus der Arbeitslosenversicherung, 500 Euro Teue­rungsabsetzbetrag, Einmalzahlungen für Pensionistinnen und Pensionisten, die Erhö­hung des Familienbonus von 1 500 auf 2 000 Euro und die Erhöhung des Kindermehr­betrages auf 550 Euro.

Die strukturellen Maßnahmen, die eine dauerhafte Entlastung der Bevölkerung bewir­ken, nämlich die Abschaffung der kalten Progression, die Valorisierung der Sozialleis­tungen und die Senkung der Lohnnebenkosten, sind in dieser Novelle natürlich noch nicht drin, weil sie noch nicht beschlossen wurden.

Da die SPÖ und die FPÖ diesen wirklich fairen und treffsicheren Maßnahmen allerdings nicht zugestimmt haben, was wirklich ein Wahnsinn ist, verstehe ich natürlich auch, dass Sie der Veranlassung der Auszahlung nicht zustimmen, was ebenfalls ein Wahnsinn ist. Anstatt uns bei dieser Umsetzung zu unterstützen und dadurch den Menschen in Öster­reich zu helfen, skandalisieren Sie nur, machen alles schlecht und beschäftigen sich wirklich nur damit, die ÖVP zu verunglimpfen.

Auch als Opposition haben Sie Verantwortung – und ich würde Sie ersuchen, diese Verantwortung ernst zu nehmen und im Sinne unserer Menschen in Österreich auch da mitzustimmen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenruf bei der SPÖ.)

Ich möchte noch folgenden Antrag einbringen:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Gabriel Obernosterer, Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA, Kolleginnen und Kollegen zum Gesetzentwurf im Bericht des Budgetausschusses (1592 der Beilagen) über die Regierungsvorlage (1572 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Bun­desfinanzrahmengesetz 2022 bis 2025 und das Bundesfinanzgesetz 2022 geändert werden (2. Budget-Novelle 2022) (TOP 22)

Ich erläutere den Antrag in den Kernpunkten:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 277

Mit diesem Abänderungsantrag erfolgt eine saldenneutrale Korrektur des Bundesfinanz­rahmengesetzes 2022 bis 2025, der UG 15: Finanzverwaltung, und der UG 42: Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft. Die ursprünglichen Budgetüber­tragungen im BFRG für den Bereich Breitband waren zu hoch, da geplante RRF-Mittel und Rücklagenentnahme nicht korrekt im BFRG berücksichtigt wurden.

Das BFG 2022 bleibt durch den zweiten Abänderungsantrag grundsätzlich unverändert. Es wird lediglich der redaktionelle Verweis auf das BFRG korrigiert.

*****

Danke schön. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Weratschnig.)

20.12

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Gabriel Obernosterer, Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA, Kolleginnen und Kollegen

zum Gesetzentwurf im Bericht des Budgetausschusses (1592 d.B.) über die Regie­rungsvorlage (1572 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzrah­men­gesetz 2022 bis 2025 und das Bundesfinanzgesetz 2022 geändert werden (2. Budget-Novelle 2022) (TOP 22)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzentwurf in der Fassung des Ausschussberichts 1592 d.B. wird wie folgt geändert:

Artikel 1 (Änderung des Bundesfinanzrahmengesetzes 2022 bis 2025) wird wie folgt geändert:

1. Die Tabelle in Z 1 (§ 1) erhält hinsichtlich der Obergrenzen der Auszahlungen der Rubriken 0,1 und 4 für die Jahre 2022 bis 2025 folgende Fassung:

„Rubrik

Bezeichnung

Art der Auszahlungsbeträge

Jahr (Beträge in Millionen Euro)

2022

2023

2024

2025

 

 

 

 

 

 

 

0,1

Recht und Sicherheit

fix

12.572,372

11.794,820

11.275,398

11.470,653

 

 

 

 

 

 

 

4

Wirtschaft, Infrastruktur und Umwelt

fix

30.298,493

13.027,053

11.393,145

11.389,319

 

 

variabel

3.494,962

2.514,161

2.310,891

2.464,122

 

Summe 4

  

33.793,455

15.541,214

13.704,036

13.853,441“

 

 

 

 

 

 

 

 


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 278

2. Die Tabelle in Z 2 (§ 2) erhält hinsichtlich der Obergrenzen der Auszahlungen der Untergliederungen 15 und 42 für die Jahre 2022 bis 2025 folgende Fassung:

„Unter-

Bezeichnung

Jahr (Beträge in Millionen Euro)

gliederung

2022

2023

2024

2025

15

Finanzverwaltung

1.422,245

1.474,664

1.583,415

1.657,169

42

Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft

2.941,625

2.789,551

2.507,443

2.573,872

 

hievon fix

1.461,446

1.304,735

1.259,325

1.216,422

 

hievon variabel

1.480,179

1.484,816

1.248,118

1.357,450“

Artikel 2 (Änderung des Bundesfinanzgesetzes 2022) wird wie folgt geändert:

1. Die Tabelle in Z 10 (Tabelle zur Untergliederung 15 für Seite 172 des Bundesvoranschlags) erhält folgende Fassung:

„Finanzierungsvoranschlag-

Obergrenze

BVA

BVA

Erfolg

Allgemeine Gebarung

BFRG

2022

2021

2020

Einzahlungen

 

131,787

108,598

165,643

Auszahlungen fix

1.422,245

1.518,585

1.131,380

1.177,286

Summe Auszahlungen

1.422,245

1.518,585

1.131,380

1.177,286

Nettofinanzierungsbedarf (Bundesfin.)

 

-1.386,798

-1.022,782

-1.011,643

 

Ergebnisvoranschlag

BVA

BVA

Erfolg

 

2022

2021

2020

Erträge

173,754

113,654

174,752

Aufwendungen

1.540,466

1.149,061

1.215,539

Nettoergebnis

-1.366,712

-1.035,407

-1.040,787“

2. Die Tabelle in Z 30 (Tabelle zur Untergliederung 42 für Seite 497 des Bundesvoranschlags) erhält folgende Fassung:

„Finanzierungsvoranschlag-

Obergrenze

BVA

BVA

Erfolg

Allgemeine Gebarung

BFRG

2022

2021

2020

Einzahlungen

 

612,967

634,209

926,293

Auszahlungen fix

1.461,446

1.547,606

1.891,098

1.611,490

Auszahlungen variabel

1.480,179

1.480,179

1.377,550

1.290,884

Summe Auszahlungen

2.941,625

3.027,785

3.268,648

2.902,374

Nettofinanzierungsbedarf (Bundesfin.)

 

-2.414,818

-2.634,439

-1.976,081

 

Ergebnisvoranschlag

BVA

BVA

Erfolg

 

2022

2021

2020

Erträge

585,817

642,689

987,712

Aufwendungen

3.031,673

3.278,789

2.886,877

Nettoergebnis

-2.445,856

-2.636,100

-1.899,164“

Begründung

Aufgrund der Novelle zum Bundesministeriengesetz 1986 werden die Agenden Tele­kommunikation, Breitband und Sicherheitsforschung vom Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft an das Bundesministerium für


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 279

Finanzen, die Agenden des Tourismus an das Bundesministerium für Arbeit und Wirt­schaft und der Zivildienst an das Bundeskanzleramt übertragen. Die Auszahlungsober­grenzen des Bundesfinanzrahmengesetzes 2022 bis 2025 (BFRG 2022-2025) der UG 15 und UG 42 müssen entsprechend bereinigt werden. In die UG 15 werden im Jahr 2022 125,938 Mio. € im BFRG 2022-2025 übertragen. Der Unterschied zur Übertragung im Bundesfinanzgesetz 2022 ist auf eine übertragene Rücklage zurückzuführen. Auch im Bundesvoranschlag sind die Verweise auf die Obergrenze des BFRG entsprechend zu korrigieren.

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht somit auch in Verhandlung.

Zu Wort gelangt nun Mag. Karin Greiner. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


20.12.49

Abgeordnete Mag. Karin Greiner (SPÖ): Lieber Kollege Obernosterer, wir verstehen nicht ganz, warum Sie sich so aufregen, wenn Kollege Krainer vorschlägt, die Steuern auf Aktiengewinne zu erhöhen. Blicken wir zehn Jahre zurück! Erinnern Sie sich an die Zeit? – Sie persönlich haben dafürgestimmt, dass das überhaupt eingeführt wird, und nun regen Sie sich über so einen Vorschlag auf? Das sei nur dahingestellt. Es war ein bisschen gekünstelt. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Obernosterer.)

Zu den debattierten Punkten: Wir sehen es als SPÖ äußerst kritisch, dass das Arbeits- und das Wirtschaftsministerium in einem geführt werden. Aus den bisherigen Priori­täten­set­zungen hat man ja deutlich gesehen, dass der Wirtschaftsminister die Wirt­schafts­trei­ben­den sehr stark unterstützt – und für uns als SPÖ wäre es aber unbedingt wichtig, dass es den gleichen Fokus für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gibt. Warum? – Die Arbeit­nehmerInnen bezahlen gemeinsam mit den KonsumentInnen immerhin 85 Prozent aller Steuern, und ich glaube, da ist es wirklich nur redlich, wenn man dieser Gruppe, die ein derartiges Steuervolumen bewältigt, auch wirklich den entsprechenden Fokus beimisst und Bedeutung gibt. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.) Wir möchten ein entsprechend dotiertes Arbeitsministerium, geht es doch um zahlreiche arbeitsrechtliche Aspekte und damit verbunden um viele gesellschafts­politische Facetten. Die sollen ja alle ent­sprechend gewürdigt und behandelt werden können, insbesondere in einer Zeit, in der die Teuerung diese Erfordernisse wohl mehr als deutlich macht.

Zum Coronahilfsfonds: Die Dotierung des Coronahilfsfonds ergibt sich nun nicht mehr aus dem COVID-19-Gesetz, sondern aus den laufenden Budgets und deren Unter­gliederungen. Ja, es ist eine kleine Verbesserung. Sie erinnern sich, wir haben ja immer kritisiert, wie die Zahlungen von Coronaunterstützungen weitergebracht werden. Es ist wichtig, dass es sie gibt – keine Frage! – und dass sie auch ausbezahlt werden; aber dass das Finanzministerium immerhin 19 Milliarden Euro an die Cofag überwiesen hat, wir als Parlament nicht kontrollieren dürfen, wer diese 19 Milliarden Euro in welchem Ausmaß erhält, ist untragbar; und es kann nicht sein, dass die Auszahlung von 19 Milliar­den Euro, Frau Klubobfrau, nicht vom Steuerzahler kontrolliert werden darf, deren Re­präsentantInnen wir ja sind, wie Sie wissen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Maurer: ... in der ZIB! Ich glaube, Sie sind nicht ganz auf dem letzten Stand, Frau Kollegin!)

Uns ist es wichtig, dass wir als ParlamentarierInnen den SteuerzahlerInnen auch Antwort geben können: Dorthin ist euer Geld geflossen, dieses Unternehmen hat soundso viel


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 280

erhalten. Das ist unsere Pflicht, das ist unsere Aufgabe. Steuergelder müssen gezielt und transparent fließen. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPÖ.)

20.16


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Maximilian Lercher. – Bitte, Herr Abgeordneter.


20.16.09

Abgeordneter Maximilian Lercher (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident, Finanz­minis­ter, Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Damen und Herren! Mir hat es grundsätzlich sehr gut gefallen, wie sich Kollege Obernosterer aufgeregt hat, weil er für kurze Zeit ein Roter war. – Das hat dir gar nicht schlecht gepasst, und Kollege Krainer hat etwas angesprochen, worüber du dich ja auch zu Recht aufregen kannst. (Abg. Maurer: Ich finde ...!) Er hat nämlich darauf gezeigt, wo es in dem System schon so lange krankt, und da ist die ÖVP überhaupt nicht bereit, auch nur irgendetwas zu ändern. Ihr seid nicht bereit, darüber zu diskutieren, wer diese Krise bezahlt. (Abg. Obernosterer: ... SPÖ ...!) Steht ihr aufseiten der ehrlichen Arbeit oder aufseiten der Spekulation? So einfach ist die Frage. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Frage hat Kollege Krainer gestellt. Wenn dann die Aufregung groß wird, verstehe ich das natürlich (Abg. Ofenauer: Klassenkämpfer!), denn in Wirklichkeit ist es nun Zeit, um die Wahrheit zu sagen, dass es so nicht mehr funktioniert, und zuzugeben, dass diese Krise ja auch bezahlt werden muss. Der Finanzminister hat von Spielräumen ge­sprochen, die er wird schaffen müssen. Ich habe Sorge, was Sie damit meinen, denn das wird höchstwahrscheinlich wieder zulasten der 85 Prozent in diesem Land gehen. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir wollen eine wirkliche Vermögensbesteuerung. Wir wollen, dass endlich die bezahlen, die so lange nur genommen haben. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Wir wollen, dass diejenigen, die Rendite über Rendite gemacht haben, nun einen gerechten Beitrag leisten – und gegen einen gerechten Beitrag können Sie doch nichts haben. Da verstehe ich die Aufregung nicht. (Beifall bei der SPÖ.) Dann kommen Sie hier heraus und reden von Niveau und von der Verantwortung der Opposition. Ja, wir haben eine Verant­wortung für die Bürger und für dieses Land, und genau deswegen stimmen wir dagegen, meine sehr verehrten Damen und Herren, denn alles andere wäre fahrlässig! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf bei der ÖVP.)

Der Finanzminister hat betont, Sie geben politische Antworten. Leider sind die schlecht. Jetzt würde es darum gehen, Perspektiven aufzuzeigen, neue Wege zu skizzieren und in den Markt einzugreifen, wo der Staat die Möglichkeit gibt. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Angesichts dessen, dass wir höchstwahrscheinlich in kurzer Zeit keinen Diesel mehr haben werden, geht die Frau Ministerin mit Vorschlägen hinaus wie, den Deckel auf den Kochtopf zu geben. Das ist vielleicht nett, aber reicht nicht für die alltäglichen Sorgen in diesem Land. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der ÖVP: ... Deckel!)

Sehr geehrte Bundesregierung, reißen Sie sich zusammen! Die Bevölkerung hat sich mehr verdient. (Beifall und Bravoruf bei der SPÖ. – Abg. Lindner: Sehr gute Rede!)

20.18 20.18.59


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ist seitens der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Die Klubs wünschen, glaube ich, auch keine Unterbrechung. – Das ist korrekt.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 281

Wir kommen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 22: Entwurf betreffend 2. Budget-Novelle 2022 in 1592 der Beilagen.

Hierzu haben die Abgeordneten Gabriel Obernosterer, Mag. Dr. Jakob Schwarz, Kolle­ginnen und Kollegen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde daher zunächst über die vom erwähnten Abänderungsantrag betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Gabriel Obernosterer, Mag. Dr. Jakob Schwarz, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungsantrag betreffend Artikel 1 und 2 eingebracht.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mehrheitlich ange­nommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschuss­berichtes.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Auch das ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 23: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Errichtung des COVID-19-Krisen­bewältigungsfonds geändert wird, samt Titel und Eingang in 1593 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Mehr­heit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

20.20.5824. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (1534 d.B.): Bundes­gesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Körperschaftsteuergesetz 1988, das Umgründungssteuergesetz, das Stiftungseingangssteuergesetz, das Umsatzsteuergesetz 1994, das Gebührengesetz 1957, das Allgemeine Sozialver­sicherungsgesetz, das Kraftfahrzeugsteuergesetz 1992, das Versicherungssteuer­gesetz 1953, das Normverbrauchsabgabegesetz, die Gewerbeordnung 1994, das Elektrizitätsabgabegesetz, das Mineralölsteuergesetz 2022, die Bundesabgaben­ordnung, die Abgabenexekutionsordnung, das Bundesfinanzgerichtsgesetz, das Bundesgesetz über die Schaffung eines Amtes für Betrugsbekämpfung, das Bun-


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 282

desgesetz über die Prüfung lohnabhängiger Abgaben und Beiträge, das Finanz­strafgesetz, das Kontenregister- und Konteneinschaugesetz, das Zollrechts-Durch­führungsgesetz, das EU-Besteuerungsstreitbeilegungsgesetz, das EU-Meldepflicht-Gesetz und das EU-Amtshilfegesetz geändert werden sowie das Bundesgesetz über den verpflichtenden automatischen Informationsaustausch betreffend mel­dende Plattformbetreiber im Bereich der Besteuerung erlassen wird (Abga­benänderungsgesetz 2022 – AbgÄG 2022) (1585 d.B.)

25. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 2669/A der Abgeordneten And­reas Ottenschläger, Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA, Kolleginnen und Kollegen be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz und das Bauern-Sozialversicherungs­ge­setz geändert werden (1591 d.B.)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen nun zu den Punkten 24 und 25 der Tagesordnung, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Dr. Christoph Matznetter. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


20.21.47

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! (In Richtung des den Saal verlassenden Bundesministers Brunner:) Der Herr Finanz­minister ist gegangen. (Abg. Michael Hammer: Der horcht sich nicht alles an!) Das ist schade, denn dieses von den Regierungsparteien unwidersprochene Argument des Kollegen Krainer verlangt ja weitere Diskussion.

Wir haben hier das Abgabenänderungsgesetz, in dem ein paar Kleinigkeiten sind, denen man zustimmen kann, weswegen wir eine getrennte Abstimmung verlangen, aber die Struktur, die falsche Struktur, bleibt im vollen Umfang bestehen!

Keiner hat ein Gegenargument gefunden: Wieso sollen Einkünfte aus der Wertdifferenz bei Aktien steuerfrei bleiben? Wirklich absurd wird es aber im Krisenjahr 2022! Gestern lehnen die Regierungsparteien die Abschöpfung der Übergewinne ab, heute berichtet die Bundeswettbewerbsbehörde, dass weit über den Rohölpreis hinaus bis zum Geht­nichtmehr abgezockt wird – aus den Taschen der Menschen! Und wer kriegt es? An wen geht denn der Mehrwert, der da durch die Akkumulation der Milliarden ent­steht? – In die Taschen der Aktionäre, die Sie steuerfrei stellen wollen! Keine Änderung in diesem Gesetz? Ja geht’s noch? (Beifall bei der SPÖ.)

Das tun Sie, anstatt dass Sie hergehen und sagen, Sie reduzieren die Körper­schaft­steuer, statt dass Sie sagen, Sie wollen KMUs fördern! Das wäre ganz einfach, Sie könnten sagen: Bis 200 000 Euro Gewinn sinkt die Körperschaftsteuer, aber dafür erhö­hen wir sie für die Millionen- und Milliardengewinne! – Nein, es wird ein Abgabenände­rungsgesetz gemacht, in dem nichts davon vorkommt. Sie lassen diese Milliarden in die Taschen der Aktionäre wandern und wollen sie am Ende auch noch steuerfrei stellen. Sie sollten sich für so eine Vorgangsweise schämen! Das machen Sie im Krisenjahr: Das Geld aus der Tasche der Leute, die nicht wissen, wie sie die Energierechnung, wie sie die Tankrechnung zahlen sollen, soll am Ende bei jenen, die profitieren, auch noch steuerfrei ankommen!

Wie kommen Sie zu so einer Politik? Wieso gibt es da nicht einen Abänderungsantrag, um das abzuschaffen? (In Richtung des auf den Bildschirm seines Laptops blickenden


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 283

Abg. Zarits:) Na da schauen wir in den Computer rein, nur nicht hinschauen! Vielleicht hat Thomas Schmid bei seiner Chatmitteilung an den Kollegen darüber, für wen Sie tätig sind, recht gehabt, liebe Kollegen von der ÖVP? (Abg. Zarits: Katzian!) Ich sage das, ohne einen Ordnungsruf zu bekommen, denn ich zitiere wortwörtlich: Und denk daran, wir sind die Hure der Reichen!, hat er geschrieben, und ich befürchte, er hat es genau erkannt. (Ruf bei der ÖVP: Ja, ja, ja!)

Sie sollten das ändern, Kolleginnen und Kollegen, und zwar rasch, schnell und bei diesen Gesetzen! – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Obernosterer: Da klatschen nicht einmal die Eigenen!)

20.24


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Karlheinz Kopf. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.

20.24.50


Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Lercher, lieber Kollege Matznetter, ich habe gar nicht gewusst, aber Ihren klassenkämpferischen Reden jetzt gerade doch entnom­men, dass Sie eigentlich sehr arbeitsplatzfeindlich und arbeitskräfteschädigend unter­wegs sind! Sie kennen die Produktionsfaktoren, die notwendig sind, um Wertschöpfung und Arbeit schaffen zu können. Da gehört Kapital schon auch dazu, denn ohne Kapital wird es auch keine Arbeit geben.

Abgesehen davon ist Kapital, das man in Unternehmen einbringt, mit Risiko behaftet, und da ist es vielleicht schon lohnenswert, darüber nachzudenken – nämlich auch im Sinne von Begünstigung von Wertschöpfung und Beschäftigung –, ob man das Einbrin­gen von Kapital in Unternehmen, durchaus auch mit Risiko, nicht vielleicht steuerlich anders als andere Faktoren behandeln sollte.

Aber gut, es sei Ihnen unbenommen, führen Sie Ihren Klassenkampf weiter! Sachge­recht ist er allemal nicht. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Rössler und Doppelbauer.)

Nun aber zu den Tagesordnungspunkten 24 und 25. Ich beginne zunächst mit Punkt 25.

Es ist durchaus nicht ungewöhnlich, dass man hier im Hohen Haus zu einem frühen Zeitpunkt eine Trägerrakete für etwas einbringt, das man politisch umsetzen will. Etwas ungewöhnlicher ist es – das gebe ich schon zu und entschuldige mich sogar dafür –, dass man dann im Ausschuss nicht jenen Abänderungsantrag vorlegen kann, mit dem man eigentlich diese Trägerrakete anreichern und mit Inhalt füllen will. Noch einmal: Ich entschuldige mich im Namen der Regierungsparteien dafür. Es ist passiert, das heißt, ich bringe jetzt einen Abänderungsantrag ein, und zwar:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Andreas Ottenschläger, Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA, Kolleginnen und Kollegen zum Bericht des Finanzausschusses 1591 der Beilagen über den An­trag 2669/A betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz und das Bauern-Sozialversiche­rungsge­setz geändert werden (TOP 25)

Es geht darin um nichts anderes als darum – Kollege Schwarz hat es vorhin in seinem Redebeitrag zum anderen Tagesordnungspunkt schon erwähnt –, dass natürlich auch Selbstständige in den Genuss des Teuerungsabsetzbetrages kommen sollen. Es musste aber in diesem Antrag – und damit bin ich auch schon bei der Erläuterung – ein anderer Weg gewählt werden, nämlich über die Sozialversicherungen für Selbstständige


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und auch für Bauern, um eine vergleichbare Entlastung herbeizuführen. Das geschieht jetzt über Änderungen im GSVG und im BSVG, um diesen Teuerungsabsetzbetrag sinngemäß auch für die geringverdienenden Selbstständigen umsetzen zu können.

*****

Bitte noch einmal um Verständnis für dieses späte Einbringen und bitte natürlich auch um Zustimmung.

Detto bringe ich noch einen Abänderungsantrag zum Tagesordnungspunkt 24 ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Karlheinz Kopf, Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA, Kolleginnen und Kolle­gen zum Bericht des Finanzausschusses 1585 der Beilagen über die Regierungsvorlage 1534 der Beilagen betreffend ein Abgabenänderungsgesetz 2022 (TOP 24)

Es geht um zwei Dinge, zum einen um im Zusammenhang mit der Abschaffung der Impfpflicht notwendige Anpassungen in Sozialversicherungsgesetzen und zum anderen um eine Pauschale im Einkommensteuergesetz, nämlich um die pauschale Abzugs­möglichkeit von aufgewendeten Kosten für eine nicht übertragbare Wochen-, Monats- oder Jahreskarte für Einzelpersonen bei betrieblich veranlassten Fahrten.

*****

Herr Präsident, ich bitte, beide Abänderungsanträge mit in die Verhandlung aufzu­neh­men, und ich bitte natürlich um breitestmögliche Zustimmung zu diesen Anträgen. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

20.29

Die Anträge haben folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Andreas Ottenschläger, Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA

und Kolleginnen und Kollegen

zum Bericht des Finanzausschusses 1591 der Beilagen über den Antrag 2669/A betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz und das Bauern-Sozialversicherungsgesetz geändert werden (TOP 25)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag in der Fassung des Ausschussberichts 1591 d.B. wird wie folgt geändert:

Art. 1 (Änderung des Einkommensteuergesetzes 1988) wird wie folgt geändert:

Die bisherige Anordnung erhält die Bezeichnung „1.“ und es werden folgende Z 2 und 3 angefügt:

»2. § 124b Z 407 lit. a und b lauten:

              „a)         Bei Anspruch auf den Verkehrsabsetzbetrag steht der Teuerungsabsetz­betrag bis zu einem Einkommen von 18 200 Euro im Kalenderjahr zu und vermindert


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 285

sich zwischen Einkommen von 18 200 Euro und 24 500 Euro gleichmäßig einschleifend auf null. Der Teuerungsabsetzbetrag vermindert sich um außerordentliche Gutschriften gemäß § 398a GSVG und § 392a BSVG. Abweichend von § 33 Abs. 8 Z 2 sind für das Kalenderjahr 2022 70% der Werbungskosten im Sinne des § 16 Abs. 1 Z 3 lit. a (ausgenommen Betriebsratsumlagen) und des § 16 Abs. 1 Z 4 und 5, höchstens aber 1 550 Euro, rückzuerstatten.

              b)          Bei Anspruch auf einen der Absetzbeträge gemäß § 33 Abs. 6 steht der Teuerungsabsetzbetrag bis zu laufenden Pensionseinkünften von 20 500 Euro im Kalenderjahr zu und vermindert sich zwischen laufenden Pensionseinkünften von 20 500 Euro und 25 500 Euro gleichmäßig einschleifend auf null. Der Teuerungsabsetzbetrag vermindert sich um außerordentliche Gutschriften gemäß § 398a GSVG und gemäß § 392a BSVG. Abweichend von § 33 Abs. 8 Z 3 sind für das Kalenderjahr 2022 100% der Werbungskosten im Sinne des § 16 Abs. 1 Z 4, höchstens aber 1 050 Euro, rückzu­erstatten. Bei Anspruch auf einen Pensionistenabsetzbetrag ist der Teuerungsab­setzbetrag zusätzlich zu den Absetzbeträgen gemäß § 66 Abs. 1 bei der Berechnung der Lohnsteuer zu berücksichtigen. Die pensionsauszahlende Stelle hat für die Pen­sionsbezieher eine Aufrollung gemäß § 77 Abs. 3 so bald wie möglich, jedoch spätestens bis 30. September 2022 durchzuführen.“

3. In § 124b wird folgende Z 411 angefügt:

              „411. a)             Die außerordentliche Gutschrift gemäß § 398a GSVG und § 392a BSVG ist von der Einkommensteuer befreit, wenn das Einkommen (§ 2 Abs. 2 Ein­kommensteuergesetz 1988 – EStG 1988, BGBl 1988/400) des Empfängers im Zufluss­jahr vor Berücksichtigung der außerordentlichen Gutschrift nicht mehr als 24 500 Euro beträgt; andernfalls ist sie – ohne Erhöhung der betrieblichen Einkünfte – der Einkom­mensteuerbemessungsgrundlage hinzuzurechnen.

              b)          Liegen die Voraussetzungen für die Einkommensteuerbefreiung nicht vor, ist eine Veranlagung von lohnsteuerpflichtigen Einkünften gemäß § 41 Abs. 1 EStG 1988 vorzunehmen.

              c)          Für Personen, denen eine außerordentliche Gutschrift gemäß § 398a Abs. 2 GSVG und § 392a Abs. 2 BSVG gewährt wurde, sind folgende Daten vom jeweiligen Sozialversicherungsträger, bis spätestens Ende Februar des der Auszahlung folgenden Kalenderjahres elektronisch an den Bundesminister für Finanzen zu über­mitteln: Der (die) Familienname(n), der (die) Vorname(n), das Geburtsdatum, das ver­schlüsselte bereichsspezifische Personenkennzeichen (vbPK SA), das Jahr der Aus­zahlung, sowie die Höhe der Gutschrift.“«

Art. 2 (Änderung des Gewerblichen Sozialversicherungsgesetzes) wird wie folgt geändert:

Die bisherige Anordnung erhält die Bezeichnung „1.“ und folgende Z 2 wird angefügt:

»2. Nach § 398 wird folgender § 398a samt Überschrift angefügt:

„Außerordentliche Gutschrift

§ 398a. (1) Personen, die am 31. August 2022 nach den §§ 2 Abs. 1 Z 1 bis 4, 3 Abs. 1 Z 2, 14a oder 14b in der Krankenversicherung pflicht- oder selbstversichert sind, haben Anspruch auf eine Gutschrift, sofern deren monatliche Beitragsgrundlage in der Kran­kenversicherung zu diesem Zeitpunkt 2 900,00 € nicht übersteigt. Maßgeblich ist die letzte endgültig festgestellte Beitragsgrundlage. Liegt zum Stichtag noch keine end­gültige Beitragsgrundlage vor, so ist die vorläufige Beitragsgrundlage nach § 25a heranzuziehen. Die §§ 25a Abs. 5 und 35b sind nicht anzuwenden.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 286

(2) Die außerordentliche Gutschrift beläuft sich bei Vorliegen einer Beitragsgrundlage in einer in der linken Spalte genannten monatlichen Höhe auf den in der rechten Spalte genannten Betrag:

von 566,00 € bis 600 €

160 €

von 600,01 € bis 700 €

190 €

von 700,01 € bis 800 €

220 €

von 800,01 € bis 900 €

250 €

von 900,01 € bis 1 000 €

280 €

von 1 000,01 € bis 1 100 €

280 €

von 1 100,01 € bis 1 200 €

420 €

von 1 200,01 € bis 1 300 €

500 €

von 1 300,01 € bis 1 400 €

500 €

von 1 400,01 € bis 1 500 €

500 €

von 1 500,01 € bis 1 600 €

500 €

von 1 600,01 € bis 1 700 €

500 €

von 1 700,01 € bis 1 800 €

500 €

von 1 800,01 € bis 1 900 €

500 €

von 1 900,01 € bis 2 000 €

500 €

von 2 000,01 € bis 2 100 €

500 €

von 2 100,01 € bis 2 200 €

440 €

von 2 200,01 € bis 2 300 €

380 €

von 2 300,01 € bis 2 400 €

380 €

von 2 400,01 € bis 2 500 €

300 €

von 2 500,01 € bis 2 600 €

240 €

von 2 600,01 € bis 2 700 €

160 €

von 2 700,01 € bis 2 800 €

100 €

von 2 800,01 € bis 2 900 €

100 €

(3) Der Bund hat der Sozialversicherungsanstalt im Jahr 2023 nach Vorlage des Rechnungsabschlusses für das Jahr 2022 die Aufwendungen für die Gutschriften zu ersetzen.

(4) Die Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen erfolgt zum 1. September 2022. Nachträgliche Sachverhaltsänderungen sowie Änderungen der Beitragsgrundlage haben keinen Einfluss auf den Anspruch bzw. die Höhe der Beitragsgutschrift.

(5) Die Gutschrift ist im Rahmen der Beitragsvorschreibung für das vierte Quartal 2022 auf den Beitragskonten der Versicherten flüssig zu machen.

(6) Die außerordentliche Gutschrift ist unpfändbar.“«

Art. 3 (Änderung des Bauern-Sozialversicherungsgesetzes) wird wie folgt geändert:

Die bisherige Anordnung erhält die Bezeichnung „1.“ und folgende Z 2 wird angefügt:

»2. Nach § 392 wird folgender § 392a samt Überschrift angefügt:

„Außerordentliche Gutschrift

§ 392a. (1) Die Betriebsführerinnen und Betriebsführer nach § 2 Abs. 1 Z 1 haben Anspruch auf eine Gutschrift für die nach § 2 Abs. 1 Z 1 und 2 bis 4 pflichtversicherten Personen, sofern


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              1.          diese am 31. Mai 2022 in der Krankenversicherung nach diesem Bundesgesetz pflichtversichert waren und

              2.          deren Beitragsgrundlage in der Krankenversicherung am 31. Mai 2022 2 900,00 € nicht übersteigt. Maßgeblich ist die Beitragsgrundlage aus der/den Erwerbs­tätigkeit/en, die die Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz begründet/n; bei land(forst)wirtschaftlichen Betrieben, für die ein Einheitswert des land(forst)wirt­schaft­lichen Vermögens nach den §§ 29 bis 50 BewG nicht festgestellt wird, ist die zuletzt endgültig festgestellte Beitragsgrundlage nach § 23 Abs. 4 maßgebend. Liegt zum Stichtag keine endgültige Beitragsgrundlage vor, ist die vorläufige Beitragsgrundlage gemäß §§ 23 Abs. 4a und 4d heranzuziehen. § 33b ist nicht anzuwenden.

(2) Der Anspruch gilt auch für die persönlich haftenden Gesellschafterinnen und Gesellschafter nach § 2 Abs. 1 Z 1a sowie für jene in Abs. 1 genannten Personen, die nach §§ 262 Abs. 3, 277 Abs. 5 und 294 Abs. 4 von der Krankenversicherung ausge­nommen sind; für Letztere ist die Beitragsgrundlage in der Pensionsversicherung maßgeblich.

(3) Die außerordentliche Gutschrift beläuft sich bei Vorliegen einer Beitragsgrundlage in einer in der linken Spalte genannten monatlichen Höhe auf den in der rechten Spalte genannten Betrag:

von 566,00 € bis 600 €

160 €

von 600,01 € bis 700 €

190 €

von 700,01 € bis 800 €

220 €

von 800,01 € bis 900 €

250 €

von 900,01 € bis 1 000 €

280 €

von 1 000,01 € bis 1 100 €

280 €

von 1 100,01 € bis 1 200 €

420 €

von 1 200,01 € bis 1 300 €

500 €

von 1 300,01 € bis 1 400 €

500 €

von 1 400,01 € bis 1 500 €

500 €

von 1 500,01 € bis 1 600 €

500 €

von 1 600,01 € bis 1 700 €

500 €

von 1 700,01 € bis 1 800 €

500 €

von 1 800,01 € bis 1 900 €

500 €

von 1 900,01 € bis 2 000 €

500 €

von 2 000,01 € bis 2 100 €

500 €

von 2 100,01 € bis 2 200 €

440 €

von 2 200,01 € bis 2 300 €

380 €

von 2 300,01 € bis 2 400 €

380 €

von 2 400,01 € bis 2 500 €

300 €

von 2 500,01 € bis 2 600 €

240 €

von 2 600,01 € bis 2 700 €

160 €

von 2 700,01 € bis 2 800 €

100 €

von 2 800,01 € bis 2 900 €

100 €

(4) Der Bund hat der Sozialversicherungsanstalt im Jahr 2023 nach Vorlage des Rechnungsabschlusses für das Jahr 2022 die Aufwendungen für die Gutschriften zu ersetzen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 288

(5) Die Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen erfolgt zum 1. September 2022. Nachträgliche Sachverhaltsänderungen sowie Änderungen der Beitragsgrundlage ha­ben keinen Einfluss auf den Anspruch bzw. die Höhe der Beitragsgutschrift.

(6) Die Gutschrift ist im Rahmen der Beitragsvorschreibung für das dritte Quartal 2022 auf den Beitragskonten der Betriebsführerinnen und Betriebsführer flüssig zu machen.

(7) Die außerordentliche Gutschrift ist unpfändbar.“«

Begründung

Zu Art. 1:

Zu Z 2:

Steuerpflichtige, die sowohl die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Teue­rungsabsetzbetrages nach den Bestimmungen des EStG 1988 erfüllen, als auch jene für eine außerordentliche Gutschrift nach § 398a GSVG oder § 392a BSVG, sollen nicht doppelt begünstigt werden. Allerdings sollen Steuerpflichtige, die nur geringe Einkünfte, welche einer Beitragspflicht nach GSVG oder BSVG unterliegen, und geringe Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielen nicht gänzlich von der Inanspruchnahme des Teuerungsabsetzbetrages ausgeschlossen werden. Dies soll dadurch erreicht werden, dass eine allfällige außerordentliche Gutschrift den Teuerungsabsetzbetrag vermindern soll.

Zu Z 3:

Die außerordentliche Gutschrift soll von der Einkommensteuer befreit sein. Das soll allerdings nur für Empfänger gelten, die ein Einkommen gemäß § 2 Abs. 2 EStG 1988 (vor Berücksichtigung der außerordentlichen Gutschrift) von nicht mehr als 24 500 Euro erzielen.

Übersteigt das Einkommen gemäß § 2 Abs. 2 EStG 1988 des Jahres, in dem die außer­ordentliche Gutschrift gewährt wurde, den Betrag von 24 500 Euro, ist die Gutschrift im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung der Einkommensteuer­bemes­sungsgrund­lage (Einkommen i.S.d. § 2 Abs. 2 EStG 1988) hinzuzurechnen. Die Grenze entspricht der Grenze, nach der kein Teuerungsabsetzbetrag gemäß § 124b Z 407 EStG 1988 zusteht.

Die Hinzurechnung zum Einkommen auf Grund dieser Sonderbestimmung hat auf die Ermittlung der Einkünfte und das Einkommen selbst daher keine Auswirkung; sie wird lediglich nach der Ermittlung des Einkommens der Bemessungsgrundlage hinzuge­rechnet, wenn das nach den Maßstäben des EStG  1988 ermittelte Einkommen mehr als 24 500 Euro beträgt.

Um für Fälle des Bezuges von nichtselbständigen Einkünften sicherzustellen, dass auch ohne Bestehen einer Steuererklärungspflicht die Versteuerung erfolgen kann, soll für diese Fälle ein Pflichtveranlagungstatbestand verankert werden.

Um die korrekte steuerliche Bearbeitung durchführen zu können, soll eine Verpflichtung zur Datenübermittlung durch den jeweiligen Sozialversicherungsträger vorgesehen wer­den. Auf Grundlage der übermittelten Daten kann bei Zutreffen der Voraussetzung (Einkommen übersteigt 24 500 Euro) die außerordentliche Gutschrift automatisch im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung des Empfängers berücksichtigt werden.

Zu Art. 2 und 3:

Durch den gegenständlichen Abänderungsantrag in zweiter Lesung soll sowohl im Ge­werblichen Sozialversicherungsgesetz als auch im Bauern-Sozialversicherungsgesetz


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 289

zur Entlastung der selbständig Erwerbstätigen eine (gestaffelte) außerordentliche Gut­schrift erfolgen. Anspruchsberechtigt sind die nach diesen Bundesgesetzen kranken­versicherten Personen mit einer Beitragsgrundlage in einer Höhe von 566 Euro (ent­spricht der Geringfügigkeitsgrenze für unselbständig Erwerbstätige) bis 2 900 Euro. Anspruchsberechtigt sind auch jene Personen, die nach bestimmten Übergangs­regelungen (§§ 262 Abs. 3, 277 Abs. 5 und 294 Abs. 4 BSVG) von der Kranken­ver­sicherung im BSVG ausgenommen sind, aber der Pensionsversicherung unterliegen. Für diese Personengruppe ist die Beitragsgrundlage in der Pensionsversicherung maß­geblich.

Das Abstellen auf die Beitragsgrundlage und die entsprechende Staffelung der Höhe der Gutschrift gewährleistet für selbstständig Erwerbstätige eine mit der Entlastung unselbst­ständig Erwerbstätiger durch den Teuerungsabsetzbetrag vergleichbare Entlastungs­wirkung. Ein unselbständiges Einkommen in Höhe der Geringfügigkeitsgrenze nach dem ASVG (485,85 Euro) ist erforderlich für den Erhalt des Teuerungsabsetzbetrages, sodass die vorgesehene Beitragsgrundlage in Höhe von 566 Euro (umgerechnet auf GSVG/BSVG) auch als Untergrenze für den Erhalt einer Gutschrift herangezogen werden soll.

Die einmalige Gutschrift hat für das dritte (BSVG) bzw. vierte (GSVG) Quartal 2022 auf die Beitragskonten der Versicherten zu erfolgen. Der Kostenersatz des Bundes erfolgt im Jahr 2023 nach Vorlage des Rechnungsabschlusses durch die Sozialversiche­rungs­anstalt der Selbständigen.

*****

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Karlheinz Kopf, Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA,

und Kolleginnen und Kollegen

zum Bericht des Finanzausschusses 1585 der Beilagen über die Regierungsvorlage 1534 der Beilagen betreffend ein Abgabenänderungsgesetz 2022 (TOP 24)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag in der Fassung des Ausschussberichts 1585 d.B. wird wie folgt geändert:

„Artikel 1 (Änderung des Einkommensteuergesetzes 1988) wird wie folgt geändert:

1. Nach Z 4 wird folgende Z 4a eingefügt:

„4a. In § 17 Abs. 1 und Abs. 3a wird jeweils nach der Wortfolge „das Arbeits­platz­pauschale gemäß § 4 Abs. 4 Z 8“ ein Beistrich sowie die Wortfolge „Kosten gemäß § 4 Abs. 4 Z 5 zweiter Satz“ eingefügt.“

2. In Z 21 lit. e) (§ 124b) lautet Z 397 wie folgt:

              „397.    § 3 Abs. 1 Z 39, § 4 Abs. 4 Z 5 und § 17 Abs. 1 und 3a, jeweils in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xx/2022, sind erstmalig bei der Veranlagung für das Kalenderjahr 2022 anzuwenden.“

Art. 7 (Änderung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes) wird wie folgt geändert:

Die Z 2 wird durch folgende Z 2 bis 7 ersetzt:

»2. Im § 735 Abs. 2 Z 1 wird der Ausdruck „SARS-CoV-2“ durch den Ausdruck „COVID-19“ ersetzt.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 290

3. § 735 Abs. 2 Z 2 lautet:

              „2.         die betroffene Person aus medizinischen Gründen nicht gegen COVID-19 geimpft und mittels Antikörperpräparaten nicht ausreichend geschützt werden kann.“

4. Im § 735 Abs. 2a letzter Satz wird der Ausdruck „30. Juni 2022“ durch den Ausdruck „31. Dezember 2022“ ersetzt.

5. § 735 Abs. 3e entfällt.

6. Die §§ 764 und 765 samt Überschriften entfallen.

7. Nach § 772 wird folgender § 773 samt Überschrift angefügt:

„Schlussbestimmungen zu Art. 7 des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xx/2022

§ 773. (1) § 735 Abs. 2 Z 1, 2 und Abs. 2a letzter Satz in der Fassung des Bun­desgesetzes BGBl. I Nr. xx/2022 tritt mit dem auf die Kundmachung folgenden Tag in Kraft.

(2) § 49 Abs. 3 Z 31 und 32 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xx/2022 tritt mit 1. Juli 2022 in Kraft.

(3) Die §§ 735 Abs. 3e, 764 und 765 samt Überschriften treten mit dem Ablauf des Tages der Kundmachung dieses Bundesgesetzes außer Kraft. Die Bezahlung des Honorars für die Ausnahmebestätigungen sowie der Kostenersatz des Bundes an die Kranken­versicherungsträger nach § 764 Abs. 1 haben für die bis zu diesem Zeitpunkt aus­gestellten Ausnahmebestätigungen zu erfolgen.“«“

Begründung

Zu Art. 1 (Änderung des Einkommensteuergesetzes 1988)

Die in § 4 Abs. 4 Z 5 zweiter Satz neu eingeführte pauschale Abzugsmöglichkeit von 50 % der aufgewendeten Kosten für eine nicht übertragbare Wochen-, Monats- oder Jahres­karte für Einzelpersonen, wenn glaubhaft gemacht wird, dass diese Karte auch für betrieblich veranlasste Fahrten verwendet wird, soll auch im Rahmen der Basis­pauschalierung gemäß § 17 Abs. 1 und der Kleinunternehmerpauschalierung gemäß § 17 Abs. 3a als zusätzliche Betriebsausgabe geltend gemacht werden können. Die Auf­zählung der zusätzlich zu berücksichtigenden Betriebsausgaben soll daher entsprechend erweitert werden.

Zu Art. 7 (Änderung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes)

Das Bundesgesetz über die Pflicht zur Impfung gegen COVID-19 (COVID-19-Impf­pflichtgesetz –COVID-19-IG) wird aufgehoben. Dadurch bedarf es auch entsprechender Anpassungen in den Sozialversicherungsgesetzen.

Zu Z 2 bis 5 (§ 735 Abs. 2 Z 1, 2, Abs. 2a letzter Satz und Abs. 3e ASVG):

Die Regelungen über die COVID-19-Risiko-Atteste sind aufgrund der Aufhebung des COVID-19-Impfpflichtgesetzes zu überarbeiten.

Nach § 735 Abs. 2 Z 2 ASVG ist die Ausstellung eines COVID-19-Risiko-Attests zulässig, sofern die betroffene Person nach § 3 Abs. 1 Z 2 lit. a oder b COVID-19-Impfpflichtgesetz (COVID-19-IG), BGBl. I Nr. 32/2022, von der COVID-19-Impfpflicht ausgenommen ist und eine entsprechende Bestätigung nach § 3 Abs. 3 COVID-19-IG samt den dieser zugrundeliegenden Befunden vorlegt. Diese Ausnahmen umfassen bisher Personen,

              a)          die nicht ohne konkrete und ernstliche Gefahr für Leben oder Gesundheit mit einem Impfstoff gemäß § 2 Z 3 geimpft werden können, oder


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 291

              b)          bei denen aus medizinischen Gründen eine Immunantwort auf eine Impfung gegen COVID-19 nicht zu erwarten ist.

Hinsichtlich der Ausstellung eines positiven COVID-19-Risiko-Attests soll nunmehr (mit gewissen Anpassungen) wieder die Rechtslage vor Einführung des COVID-19-Impfpflichtgesetzes eingeführt werden.

Erhalten bleibt (mit einer Anpassung in Bezug auf die korrekte Bezeichnung) Z 1 des § 735 Abs. 2 ASVG: Dies betrifft Personen, bei denen trotz drei Impfungen gemäß Impfschema für immunsupprimierte Personen mit einem zentral zugelassenen Impfstoff gegen COVID-19 medizinische Gründe vorliegen, die einen schweren Krankheitsverlauf von COVID-19 annehmen lassen) bestehen.

Z 2 soll dahingehend umgestaltet werden, dass jene Personen ein COVID-19-Risiko-Attest erhalten, die bei Zugehörigkeit zur Risikogruppe aus medizinischen Gründen nicht gegen COVID-19 geimpft werden können. Als weitere Voraussetzung wird hinzugefügt, dass die betroffene Person auch nicht (prophylaktisch) mittels Antikörperpräparaten (Evusheld [Tixagevimab/Cilgavimab]) ausreichend geschützt werden kann.

§ 735 Abs. 3e ASVG sieht vor, dass COVID-19-Risiko-Atteste, die vor dem 1. April 2022 ausgestellt werden, innerhalb von zwei Wochen bestätigen zu lassen sind. Diese Bestimmung kann wegen des Zeitablaufs als obsolet entfallen.

Der vom Bund an die Krankenversicherungsträger zu leistende Kostenersatz für die aufgrund der Ausstellung eines COVID-19-Risiko-Attests zu leistenden Honorare ist überdies von 30. Juni 2022 bis 31. Dezember 2022 zu verlängern.

Abschließend bleibt festzuhalten, dass der Zeitraum, in dem Freistellungen nach § 735 Abs. 3 ASVG möglich sind, durch Verordnung des Bundesministers für Arbeit, BGBl. II Nr. 200/2022, vorerst bis zum Ablauf des 30. Juni 2022 verlängert wurde.

Der Bundesminister für Arbeit kann im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz durch Verordnung Zeiträume bis längstens 31. Dezember 2022 festlegen, in denen eine Freistellung möglich ist, wenn dies aufgrund der epidemiologischen Gesamtsituation erforderlich ist (§ 735 Abs. 3b ASVG).

Zu Art. 7 Z 6 und 7 (§§ 764 und 774 Abs. 2 ASVG):

Im Zusammenhang mit der Aufhebung des COVID-19-Impfpflichtgesetzes haben die Regelungen über das Honorar für Ausnahmebestätigungen von der Impfpflicht für Schwangere in Höhe von zwölf Euro zu entfallen. Festzuhalten ist, dass das Honorar für die Ausnahmebestätigungen sowie der Kostenersatz des Bundes an die Kranken­ver­sicherungsträger für die bis zum Zeitpunkt des Außer-Kraft-Tretens ausgestellten Ausnahmebestätigungen zu erfolgen hat.

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Beide Abänderungsanträge sind ordnungsgemäß eingebracht und stehen somit auch mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer. – Bitte schön.


20.29.41

Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Ja, wir haben schon gehört, das Abgaben­änderungs­gesetz 2022 ist ein großes Paket, das hier noch vor dem Sommer eingebracht worden ist, und wie meistens sind auch da ein paar Maßnahmen enthalten, die wir natürlich


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 292

vollkommen unterstützen können, so zum Beispiel die Forschungsprämie: ein wirklich sinnvolles Paket, mit dem man es möglich macht, dass in Zukunft ein fiktiver Unter­nehmerlohn gezahlt werden kann, wenn der Firmeneigentümer nachweislich in der For­schung unterwegs ist. Das ist nicht nur gut für Start-ups, das ist vor allem auch für innovationsgetriebene Unternehmen ein wirklich gutes Zeichen.

Was wir auch gut finden, ist, dass es bei privaten Fotovoltaikanlagen, wenn man ins Netz einspeist, für bis zu 12 500 Kilowattstunden pro Jahr Steuerbefreiungen gibt. Das finden wir wirklich sinnvoll. Wichtig wäre jetzt auch, dass man in den Bundesländern noch dafür sorgt, dass auch eingespeist wird und dass die Energieversorger hier auch die nötigen Schritte setzen, damit dieser Strom auch ins Netz kommt.

Was wir aber nicht gut finden und wogegen wir uns wirklich aussprechen, ist dieses Zusammenwirken von Pendlerpauschale und Öffiticket für die Arbeitnehmer. Was passiert da? – Ich erkläre es anhand eines Beispiels: Ein Niederösterreicher hat einen Weg von, ich weiß nicht, 65 Kilometern, ungefähr die Distanz Sankt Pölten–Wien, und kriegt die kleine Pendlerpauschale. Das sind ein bisschen mehr als 2 000 Euro, genau 2 016 Euro pro Jahr.

Jetzt überlegt sich der Arbeitgeber eine sehr sinnvolle Maßnahme, nämlich dass er die­sem Pendler ein Klimaticket kauft, um knapp 1 000 Euro im Jahr. Dann überlegt man sich natürlich: Wenn der Arbeitgeber sagt: Okay, ich zahle dir, lieber Arbeitnehmer, das Klima­ticket!, dann bräuchte man eigentlich keine Pendlerpauschale mehr auszuzahlen. Die Bundesregierung sieht das durchaus anders und sagt hier: Nö, nö, das Geld muss schon bleiben, denn man kann diesem Arbeitnehmer ja dann die Pendlerpauschale nicht weg­nehmen! – De facto kriegt er dann also noch 1 000 Euro fürs Autofahren ausgezahlt, ob­wohl er das Auto nicht braucht, um in die Arbeit zu kommen, und ohnedies das Klimaticket hat.

Damit sind wir wieder bei der berühmten Gießkanne, und es ist diesmal nicht nur die Gießkanne, es ist vor allem auch ökologisch wirklich sinnlos. Ich verstehe auch nicht, dass die Grünen dem Ganzen hier zustimmen. Das ist einfach nicht durchdacht, und es ist wieder Geld, das man einfach nicht ausgeben müsste. Es sei noch einmal gesagt: Wir sind hier viel zu viel mit der Gießkanne unterwegs. Dort, wo man sparen kann, sollte man das auch tun.

Die zweite Kritik – und das ist eigentlich der entscheidende Punkt, warum wir dem Gesamtpaket nicht zustimmen können – richtet sich gegen die Regelungen zur Kurzarbeit.

Jetzt hat man offenbar diese Kurzarbeit – die am Anfang der Pandemie natürlich auch sinnvoll war – in das Repertoire dieser Bundesregierung übernommen, und, Herr Staats­sekretär, das ist im Augenblick einfach vollkommen absurd, denn wir haben ganz viele Firmen, die hoch qualifizierte Facharbeiter suchen. Sie alle wissen, dass es im Augen­blick das größte Problem in der Wirtschaft ist, geeignete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu kriegen – und dann zahlt man dafür, dass andere dort, wo es eben gerade keine Arbeit gibt, zu Hause bleiben?! – Das ist volkswirtschaftlich, ökonomisch, wirtschaftlich wirklich Unsinn, da so heranzugehen. Das kostet wahnsinnig viel Geld, und es schadet der Wirtschaft. Es schadet ihr wirklich, weil Sie damit Wachstum bremsen. Sie greifen in den Markt ein und erzielen damit wirklich nur negative Effekte, und ich ver­stehe ehrlich gesagt nicht, warum Arbeitsminister Kocher das durchgehen lässt. Ich verstehe auch nicht, warum Finanzminister Brunner dafür Geld ausgeben will. Ich verstehe auch nicht, dass man als Staatssekretär so eine Aktion und so eine Maßnahme unterstützt.

Deswegen: Das gehört sofort abgedreht, bitte. Schauen Sie sich das noch einmal gut an! Das ist für uns wirklich ein No-Go, und deswegen gibt es von uns auch keine Zu­stimmung zu diesem Paket. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

20.33



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 293

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Mag. Dr. Jakob Schwarz. – Bitte, Herr Abgeordneter.


20.33.43

Abgeordneter Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA (Grüne): Herr Präsident! Geschätzter Herr Staatssekretär! Vielleicht die wichtigsten Punkte aus meiner Sicht zum Abgabenände­rungsgesetz: Ich glaube, im Abgabenänderungsgesetz sind im Gegensatz zu dem, was Sie gerade behauptet haben, Frau Abgeordnete Doppelbauer, viele Ökologisierungs­schritte drinnen. Ein paar haben Sie auch erwähnt und positiv erwähnt, wie zum Beispiel die Befreiung von der Einkommensteuer bei Einkünften aus dem Betrieb von Foto­voltaikanlagen. Das ist beschränkt auf 12 500 Kilowattstunden Strom und entsprechend auch, was die Engpassleistung betrifft, auf kleine Anlagen beschränkt.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass wir versucht haben, den Wettbewerbsvorteil, den der internationale Flugverkehr aktuell hat, weil internationale Flugreisen umsatz­steuer­befreit sind, etwas zu reduzieren, indem wir auch bei internationalen Bahnfahrten die Umsatzsteuer innerhalb des österreichischen Streckenteils auf null reduzieren. Damit gibt es da quasi mehr ausgeglichenen Wettbewerb, und das ist gut für das Bahnfahren und für all jene, die versuchen, diese Strecken ökologischer zurückzulegen.

Ein weiterer positiver Aspekt ist, dass Selbstständige, wenn sie sich ein Wochen-, Monats- oder Jahresticket kaufen, 50 Prozent der Ausgaben dafür jetzt als pauschale Betriebsausgabe absetzen können, und auch das schafft einen Anreiz für Selbst­stän­dige, mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren.

Letzter Punkt ist der, an dem meine Vorrednerin Kritik geübt hat. Sie meint, es ist sozusagen eine unökologische Maßnahme. Ich behaupte das Gegenteil. Und zwar geht es da darum, wie Jobticket und das Pendlerpauschale zusammenwirken.

De facto ist es aktuell so – ich erlebe das immer wieder, wenn ich bei Unternehmen auf Besuch bin und die mir das berichten –: Unternehmen würden gerne ihren Mitar­beiterinnen und Mitarbeitern ein Jobticket anbieten – ein Klimaticket, ob es jetzt für das Bundesland oder für ganz Österreich ist –, und die wollen das nicht, weil sie dann das Pendlerpauschale verlieren. Das ist tatsächlich teilweise ungerecht, und es passiert momentan auch: Wenn eine ArbeitgeberIn der MitarbeiterIn anbieten möchte, einen Teil der Strecke zu ersetzen, zum Beispiel den Teil, den man mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurücklegen kann, dann verliert die Mitarbeiterin auch das Pendlerpauschale für den restlichen Teil, der eben mit dem Zug nicht bewältigt werden kann.

Jetzt gibt es in diesem Abgabenänderungsgesetz eine Regelung, die sicherstellt, dass das eine geleistet werden kann und dann ein Teil, nämlich der Teil, der nicht abgedeckt ist, erhalten bleibt. Das schafft Anreize, dass mehr Leute das Jobticket annehmen und dann tatsächlich öffentliche Verkehrsmittel benutzen. Das ist real so, ich habe das wirklich sehr oft erlebt. Das ist eine Maßnahme, die dazu führen wird, dass das Jobticket öfter in Anspruch genommen werden kann (Abg. Doppelbauer: Ja, aber entweder oder!), und ich bitte daher um Unterstützung. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.36


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer Stellungnahme gelangt nun Herr Staatssekretär Tursky zu Wort. – Bitte, Herr Staatssekretär.


20.36.42

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Florian Tursky, MBA MSc: Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Abgeordnete! Die Steuergesetzgebung hat die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie die Selbstständigen und die Unternehmen


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 294

zu entlasten, sie soll möglichst einfach anwendbar sein, Stichwort Verwaltungs­verein­fachung – dazu werde ich auch als Digitalisierungsstaatssekretär noch einiges beizu­tragen haben –, und, zunehmend wichtiger, sie soll auch klimafreundliches Verhalten unterstützen, wie wir heute ganz besonders sehen.

Im vorliegenden Abgabenänderungsgesetz haben wir all das berücksichtigt, und ich möchte davon ein paar Punkte besonders herausstreichen.

Für Unternehmen gibt es wie bereits erwähnt etwa steuerliche Erleichterungen in der Forschungsförderung. Grundsätzlich können Unternehmen für Aufwendungen im Bereich der Forschung eine Forschungsprämie beanspruchen. Die eigene Forschungs­leistung von Unternehmen durfte bisher nicht in die Bemessungsgrundlage für diese Prämie miteingerechnet werden. Das soll sich jetzt ändern, und das ist auch ganz besonders bedeutend für die Start-up-Szene in unserem Land, denn gerade in Start-ups und kleinen Unternehmen ist meist auch die Geschäftsführung maßgeblich in die Forschungs- und Entwicklungsarbeit involviert.

Eine weitere wesentliche Verbesserung: Ein Antrag umfasst in der Regel ja mehrere Forschungsprojekte. Bisher wurde über einen Antrag einheitlich entschieden. In strittigen Fällen hat sich die Auszahlung der Prämie für den unstrittigen Teil daher massiv ver­zögert. Nunmehr wird es so sein, dass es in Bezug auf den unstrittigen Teil des Antrages sofort zur Auszahlung kommt.

Wichtige Steuererleichterungen gibt es wie bereits erwähnt auch für Leistungen aus der Sozialversicherung. Dabei soll verhindert werden, dass es aufgrund von Zusammen­fallen der Auszahlungen zu ungewollt erhöhten Steuerbelastungen für die Leistungs­bezieher kommt.

Weiters werden Zahlungen aus kollektivvertraglich geregelten Sozial- und Weiter­bildungsfonds bis zu einer bestimmten Höhe steuer- und sozialversicherungsfrei gestellt.

Nach Ausbruch der Coronapandemie haben wir eine Reihe steuerlicher Begünstigungen und Gebührenbefreiungen eingeführt, die wir nun verlängern müssen – Corona ist ja leider, wie wir auch in diesen Tagen wieder sehen, nicht Geschichte und wird uns noch weiter begleiten. Das betrifft etwa die Steuerbefreiung auf Schutzmasken oder die Befreiung von Gebühren im Zusammenhang mit der Covid-Pandemie.

Änderungen – darauf wurde auch bereits eingegangen, und ich darf das ganz besonders positiv hervorheben, weil wir eben genau einen Anreiz schaffen wollen – gibt es auch im Zusammenwirken zwischen Öffiticket und Pendlerpauschale. Wer vom Arbeitgeber das Klimaticket für das gesamte Bundesgebiet erhalten hat, kann nicht auch noch die Pendlerpauschale in voller Höhe erhalten – ich glaube, das muss jedem einleuchten. Um hier nicht falsche Anreize zu setzen, werden daher Klimaticket und Pendlerpauschale gegengerechnet.

Eine weitere Erleichterung betrifft die Selbstständigen: Um ihnen einen Anreiz zur Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel zu geben, können sie künftig 50 Prozent ihrer Aus­gaben für Tickets pauschal als Betriebsausgaben absetzen.

Um erneuerbare Energien weiter zu fördern, sollten Einkünfte von Privaten aus der Einspeisung von Fotovoltaikstrom bis zu einer bestimmten Energiemenge auch steuer­frei sein, wie bereits erwähnt. Ich bitte Sie daher auch um entsprechende Zustimmung. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

20.40


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Alois Stöger. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 295

20.40.17

Abgeordneter Alois Stöger, diplômé (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein paar Worte zur Demokratie: Als wir dieses Gesetz, das wir heute beschließen, im Ausschuss gehabt haben, hat es dort geheißen – Artikel 1 „Änderung des Einkommensteuergesetzes“ –: „In § 7a Z 4 wird das Wort ‚Wirtschaftgüter‘ durch das Wort ‚Wirtschaftsgüter‘ ersetzt.“ – Das war die einzige Änderung, die wir im Ausschuss über lange Zeit haben diskutieren müssen. (Abg. Kopf: Ich habe mich sogar schon entschuldigt dafür! Was willst denn noch?!) – Ich weiß schon, ich habe es schon gehört. Man muss nur wissen, was man tut. (Zwischenruf der Abg. Steinacker.)

Heute haben wir in laufender Sitzung einen Abänderungsantrag bekommen (Abg. Kopf: Den habt ihr gestern gekriegt! – Zwischenruf des Abg. Jakob Schwarz), der ist so lange (einen Ausdruck des Antrages in die Höhe haltend), das muss man sich anschauen, und dann sollte man demokratiepolitisch richtig arbeiten. (Abg. Zarits: Wirst ja lesen können, sind ja nur fünf Seiten!)

Der Herr Staatssekretär hat gesagt – hat mir gut gefallen –: Wir wollen entlasten und wir wollen eine einfache Gesetzgebung haben! – Meine sehr verehrten Damen und Herren! Immer dann, wenn Regierungen es so machen wie da, wenn man nicht demokratisch im Ausschuss darüber diskutieren will, dann will man etwas vertuschen. (Rufe bei der ÖVP: Ah geh!) Und was will man vertuschen? – Man will vertuschen, dass man eine massive Umverteilungspolitik macht, nämlich zulasten genau jener 85 Prozent der Menschen, die die Steuern zahlen. (Abg. Kopf: Hast du den gelesen, den Antrag?)

Ich kann noch einmal ansetzen: Sie wollen auf der einen Seite die Aktionäre entlasten (Abg. Michael Hammer: Einfach nur daneben!), und es geht im Wesentlichen auf der anderen Seite darum, dass die arbeitenden Menschen, die die Leistungsträger in diesem Land sind, den Preis dafür zahlen. (Abg. Kopf: Ah, das steht da drinnen?) Und dann reden Sie von der kalten Progression? Das ist das Allerbeste, von dem steht im ganzen Gesetz nichts drinnen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Zarits: Das kommt erst mit 1.1.2023!)

Das ist eine Ansage, ein Schmäh, denn hinsichtlich der Umsetzung dieser Gesetze ist von der kalten Progression und von deren Abschaffung nichts zu lesen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Diese Regierung erzählt lauter Schmäh und am Ende zahlt es die Bevöl­kerung. – Das geht mit uns nicht! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Michael Hammer: So daneben heute, das ist ja irre! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

20.42


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Dr.in Elisabeth Götze. – Bitte, Frau Abgeordnete.


20.42.43

Abgeordnete Dr. Elisabeth Götze (Grüne): Herr Vorsitzender! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ich möchte gleich auf das von Herrn Kollegen Stöger Gesagte eingehen und erstens sagen: Ich bin sehr froh, dass wir heute diesen Abänderungsantrag beschließen können, weil das aus meiner Sicht wirklich etwas ganz Wichtiges ist, nämlich nicht für die Oberen oder so ähnlich – das habe ich gehört, aber so genau habe ich es nicht verstanden (Zwischenruf des Abg. Kollross) –, sondern es ist wirklich für die Unternehmerinnen und Unternehmer, die ebenso wie die PensionistInnen und die Unselbstständigen in die Gruppe mit niedrigen Einkommen fallen. Es ist also in Bezug auf die Höhen eins zu eins abgebildet: Was die Unselbstständigen an Teuerungsabsetzbetrag bekommen, bekom­men damit auch die Selbstständigen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Kopf: Danke, Elisabeth, für die Klarstellung!)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 296

Konkret sprechen wir von Menschen, die eine Beitragsgrundlage von maximal 2 900 Euro haben, der höchste Betrag, nämlich 500 Euro ausgestaltet als Sozialversicherungs­bonus, liegt im Bereich von 1 100 bis 1 500 Euro – das sind also nicht die Topver­dienerinnen und Topverdiener. Insgesamt sind 450 000 Menschen in Österreich be­troffen, es sind Selbstständige, es sind Freiberufler und es sind auch Forstwirte und Landwirte darunter. Ich glaube, das ist wirklich eine ganz wichtige Maßnahme, um diese Menschen zu entlasten. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es geht auch rasch: Es wird bereits im Oktober über die Sozialversicherung als Sozial­versicherungsbonus ausgezahlt – im Sinne von: dem Beitragskonto gutgeschrieben –, es wirkt also ganz unmittelbar. Ich glaube, es ist wirklich schön, dass das gelungen ist. Ich danke auch dem Ministerium, das da wirklich intensiv gearbeitet hat.

Übrigens stimmt es nicht, dass Sie das erst heute bekommen haben: Meine Information ist, dass es gestern Mittag an die Opposition gegangen ist. (Abg. Michael Hammer: Aber dem Stöger hat es keiner gegeben im Klub!) Ich erinnere mich auch, dass ich mich im Ausschuss explizit dafür entschuldigt habe, dass es nicht früher gekommen ist, aber es hat einfach gedauert, bis es technisch darstellbar war. Es war uns jedenfalls sehr wichtig, dass es kommt – also ich bin wirklich heilfroh. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Den zweiten Punkt haben Sie schon angesprochen, Herr Staatssekretär. Er ist ebenso wichtig, aber etwas ganz anderes: Es geht um eine langfristige Maßnahme, die sozu­sagen strukturell Forscherinnen und Forscher entlastet, und zwar auch wieder die kleinen Gründerinnen, Gründer von Start-ups, die selbst in der Forschung tätig sind. Bisher war es nicht möglich, dass sie ihre Forschungsleistung für die Forschungsprämie anrechnen konnten. Da waren Gehälter, diverse Kosten, auch Finanzierungskosten anrechenbar, aber wenn der Unternehmer, die Unternehmerin selbst mitgearbeitet hat, dann war das nicht anrechenbar.

Forschungsprämie heißt: 14 Prozent der Kosten werden als Prämie sozusagen bezu­schusst. Ich glaube, es ist ein wichtiges Signal, dass wir anerkennen, dass die Kleinen auch ganz viel forschen, und dass wir sie in dem Sinn besonders unterstützen können. Ich bitte um Ihre Zustimmung. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.46


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ist seitens der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist so wie meistens nicht der Fall.

Wie vereinbart verlege ich die Abstimmungen an den Schluss der Verhandlungen über die Vorlagen des Finanzausschusses und fahre in der Erledigung der Tagesordnung fort.

20.46.4626. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (1492 d.B.): Bundes­gesetz, mit dem das Wertpapieraufsichtsgesetz 2018 geändert wird (1586 d.B.)

27. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (1569 d.B.): Bundes­gesetz, mit dem das Investmentfondsgesetz 2011, das Alternative Investmentfonds Manager-Gesetz und das Immobilien-Investmentfondsgesetz geändert werden (1587 d.B.)



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 297

Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen nun zu den Punkten 26 und 27 der Tagesordnung, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt nun Dr. Christoph Matznetter. – Bitte, Herr Abgeordneter.


20.47.27

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Einen Teil kann ich ganz kurz machen: In Bezug auf TOP 26 sehe ich kein Problem in der Umsetzung der Richtlinie. Wir haben ja auch schon ursprünglich Mifid II zugestimmt. Dem Wertpapieraufsichtsgesetz werden wir zustimmen.

Etwas anders ist es bei TOP 27. Da ist der erste Kritikpunkt der, dass nur das Invest­mentfondsgesetz in der Begutachtung war, aber das Alternative Investmentfonds Manager-Gesetz und das Immobilien-Investmentfondsgesetz nicht und dass Sie vor allem verabsäumt haben, da die Rechte der Anleger entsprechend zu stärken. Die kriegen nicht einmal einen kompletten Emissionsprospekt, die werden mit irgendwelchen Factsheets und ein paar rudimentären Angaben bedient. Ehrlich gesagt müsste man da nacharbeiten. Man hätte diese Novelle nützen können – der stimmen wir daher nicht zu –, muss aber bis zur nächsten nacharbeiten, sodass Anleger den vollständigen Emissionsprospekt bekommen. Das ist ja nicht so schwer. – Danke. (Abg. Michael Hammer: Hallo, SPÖ! – Abg. Matznetter – auf dem Weg zu seinem Sitzplatz –: Habe ich etwas vergessen?)

20.48


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nur den Applaus. (Allgemeine Heiterkeit. – Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Lercher.)

Zu Wort gelangt nun Ing. Klaus Lindinger. – Bitte, Herr Ingenieur.


20.48.51

Abgeordneter Ing. Klaus Lindinger, BSc (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Das hat sich diese Rede anscheinend verdient. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP.)

Nun zu diesen zwei Themen, Wertpapieraufsichtsgesetz und Investmentfondsgesetz, ganz kurz zwei Punkte: Der eine ist, es werden wertvolle Nachhaltigkeitskriterien er­gänzt, und der zweite ist, wir erreichen eine Vermeidung von unnötigem Verwaltungs­aufwand. Es gibt entweder das Kundeninformationsblatt oder das Basisinformations­blatt. Das schafft Sicherheit für die Kunden.

Und weil ich beim Thema Sicherheit bin und der letzte Tagesordnungspunkt auch bald aufgerufen wird: Sicherheit in den Gemeinden (Abg. Michael Hammer: Wir sorgen für die Sicherheit!) – für diese Sicherheit sorgen unter anderem unsere Feuerwehren. Gerade jetzt im Katastrophenfall in Kärnten sind wir froh, dass wir die freiwilligen Feuer­wehren im Dienst haben. Ich sage Danke schön. Die 20 Millionen Euro, die zur Verfügung gestellt werden, sind gut angelegtes Geld. (Beifall bei der ÖVP.)

20.49


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Dr.in Elisabeth Götze. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


20.50.02

Abgeordnete Dr. Elisabeth Götze (Grüne): Herr Vorsitzender! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ja,


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 298

wir sprechen über Nachhaltigkeit im Finanzbereich, sage ich einmal. Wir setzen hier Richtlinien um, die uns von der EU vorgegeben werden, und zwar relativ nahe an den Vorgaben der EU. Es ist nämlich so, dass die EU gerade in Bezug auf Nachhaltigkeit immer wieder sehr gute – wie wir meinen, sehr gute – Vorgaben macht und es außerdem Sinn macht, europaweit einheitliche Kriterien zu haben, damit Finanzprodukte auch europaweit vergleichbar sind und der europäische Markt einheitlich, transparent und grüner wird.

Das passiert beim Wertpapieraufsichtsgesetz, gemäß dem im Rahmen der Produkt­über­wachungspflichten nun auch zusätzlich Nachhaltigkeitsfaktoren und nachhaltigkeitsbe­zogene Ziele zu berücksichtigen sind; das heißt, jene Firmen, die Wertpapiere heraus­geben, müssen das in Zukunft berücksichtigen und sie müssen auch transparent darüber kommunizieren. Das ist einerseits gut für die Banken beziehungsweise die Berater, die wissen, wie sie berichten müssen, und andererseits natürlich auch gut für die Kunden und für den Markt. (Beifall bei den Grünen.)

Nun noch zum zweiten Tagesordnungspunkt, dem Investmentfondsgesetz, dem Alter­native Investmentfonds Manager-Gesetz und dem Immobilien-Investmentfondsgesetz: Auch da hat es eine Begutachtung gegeben. Die FMA hatte Anmerkungen, und diese wurden in Bezug auf das Kundeninformationsblatt, das auch ein behördlich – nämlich zum Beispiel von der FMA – geprüftes Basisinformationsblatt und damit wieder ein­heitlich sein kann, auch zum Großteil umgesetzt. Das ist aus unserer Sicht auch sehr sinnvoll, also diese Anregung wurde aufgenommen.

Die einzige Anregung, die aufzunehmen möglicherweise sinnvoll gewesen wäre, war, Nachhaltigkeit zu definieren. Das war eine Anregung der AK, und sie wurde nicht auf­genommen. Allerdings passierte das auch wieder aus verständlichen Motiven, nämlich: Wenn man keine europaweit vergleichbaren Kriterien hat, sondern für Österreich eigene definiert, dann sind wir wieder weg von dieser Vergleichbarkeit. Insofern hoffen wir, dass es da noch mehr Vorgaben aus der EU gibt. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.52


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wie vereinbart verlege ich die Abstimmungen an den Schluss der Verhandlungen über die Vorlagen des Finanzausschusses und fahre in der Erledigung der Tagesordnung fort.

20.52.5428. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (1511 d.B.): Bundes­gesetz über österreichische Beiträge an internationale Finanzinstitutionen (IFI-Beitragsgesetz 2022) (1588 d.B.)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen nun zum 28. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt Mag. Martin Engelberg. – Bitte, Herr Abgeordneter.


20.53.13

Abgeordneter Mag. Martin Engelberg (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Kolleginnen, Kollegen! Hohes Haus! Die multilaterale Entwicklungszusammenarbeit im Bereich internationaler Finanzinstitutionen stellt nicht nur einen Kernbereich der


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 299

internationalen Entwicklungszusammenarbeit, sondern auch einen Kernbereich der internationalen Anstrengungen zur Umsetzung der Agenda 2030 für nachhaltige Ent­wicklung dar.

Mit dem vorliegenden IFI-Beitragsgesetz 2022 sollen Menschen in den Entwicklungs­ländern weiter unterstützt werden. Das Ziel ist die Verbesserung der Lebensumstände der Bevölkerung in den Empfängerländern. Gleichzeitig leistet Österreich dadurch einen wichtigen Beitrag zur internationalen Solidarität und zur Finanzierung auch von Klima­schutzprojekten. Die Institutionen sollen die Empfängerländer auch bei der Bekämpfung der von Covid-19 ausgelösten Gesundheits- und Nahrungsmittelkrise sowie bei der mittelfristigen Linderung der sozialen und wirtschaftlichen Folgen der Krise unterstützen.

Die Zusammenziehung dieser Vorhaben in einem Gesetzesvorschlag bezweckt die Re­duzierung der Anzahl sonst erforderlicher Gesetzgebungsverfahren und eine Verein­fachung des Verwaltungsaufwandes.

Die Bündelung der Ressourcen vieler Geber soll multilateralen Entwicklungsbanken eine effiziente und effektive Möglichkeit bieten, um in koordinierter und kohärenter Weise Ent­wicklungsländer zu unterstützen und die Erreichung der nachhaltigen Entwicklungsziele, der SDGs, im Rahmen der Agenda 2030 zu fördern.

Insgesamt sind durch die Anpassungen in den Jahren 2022 bis 2033 über 500 Millionen Euro für die österreichischen Beiträge vorgesehen. Der IDA, der Internationalen Entwick­lungsorganisation, wird von Österreich ein Beitrag von über 435 Millionen Euro zuge­sprochen, und der Wiederauffüllung des globalen Umweltfazilität-Treuhandfonds kommt ein österreichischer Beitrag von fast 60 Millionen Euro zu.

Die Beitragsleistungen sind zur Gänze auf die österreichische ODA-Quote – Sie wissen, diesbezüglich haben wir ja das Ziel, 0,7 Prozent des BIPs zu erreichen – anrechenbar und teilweise auch für die internationale Klimafinanzierung. Insgesamt stellt das alles also einen wichtigen Beitrag sowohl zur Umsetzung des Pariser Klimaschutz­abkom­mens wie auch zur Erreichung der 0,7 Prozent ODA-Quote dar. Das sind bedeutende Summen für die Entwicklungszusammenarbeit.

Neben bilateraler Entwicklungszusammenarbeit ist wie gesagt gerade auch in Bezug auf die aktuellen Fluchtbewegungen und Fluchtursachen die Unterstützung multilateraler EZA-Instrumente von großer Bedeutung, deswegen sind wir sehr für diesen Antrag. – Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

20.56


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Petra Bayr. – Bitte, Frau Abgeordnete.


20.56.33

Abgeordnete Petra Bayr, MA MLS (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Ja, in der Tat sind auch unsere Beiträge zu den inter­nationalen Finanzinstitutionen sehr wichtig für die Dotierung der multilateralen Entwick­lungszusammenarbeit. Ich habe es heute schon einmal gesagt: Auch bei der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit sollten wir ein bisschen mehr anzah’n.

Lassen Sie mich auf die zwei in Diskussion stehenden Instrumente eingehen: Einerseits ist das die GEF, ein Fonds, der Finanzierungen vor allem im Bereich Nachhaltigkeit, Umwelt, Klima macht, unter anderem auch im Bereich des Schutzes der Meere. Das ist unter anderem auch im Einklang mit dem SDG 14, und da dem Ziel, die Schutzgebiete der Meere auszuweiten.

Diesbezüglich kann ich Ihnen jetzt schon Folgendes ankündigen – die meisten von Ih­nen werden es vielleicht wissen –: Wir haben ja zu den SDGs, zu den Sustainable


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 300

Development Goals, der Vereinten Nationen 17 Gruppen von Parlamentarierinnen und Parlamentariern – auch des Bundesrates – gebildet, die diese Ziele im Parlament weiter voranbringen wollen. Ich kann Ihnen verraten, dass wir in Bezug auf das SDG 14, die Ausweitung der Meeresschutzgebiete, das Leben unter Wasser, beim September­plenum damit beginnen werden und versuchen werden, Ihnen das Ziel 14 dann draußen im Kleinen Redoutensaal näherzubringen. Kommen Sie und lassen Sie sich von Tinten­fischen, Plastikmüll und anderen Dingen überraschen!

Zum zweiten Punkt, zu IDA: Das ist ein Instrument, das vor allem dazu da ist, Inves­titionen in größeren Infrastrukturprojekten zu finanzieren, aber auch bei Krediten, die nicht mehr bedient werden können, zu helfen, und ist quasi ein Nachfolger des HIPC-Trust-Funds. Beide Instrumente sind ODA-fähig, das hat Kollege Engelberg ohnehin gesagt; Kredite werden erst dann ODA-fähig, wenn der Ausfall wirklich eintritt. Da haben wir wirklich Handlungsbedarf, und zwar sowohl auf Ebene der OECD, wo es nach wie vor so ist, dass große Kredite, die abgeschrieben werden, gleichfalls ODA-fähig sind, als auch in Österreich.

Ein Beispiel: Österreich hat dem Sudan in den 1970er-Jahren einen Kredit von damals ungefähr – das weiß man gar nicht mehr so genau – 50 bis 70 Millionen Euro in heutiger Währung gewährt. Mittlerweile schlägt dieser Kredit im österreichischen Budget buch­halterisch mit über 3,8 Milliarden Euro zu Buche, und zwar insofern, als wir ihn abschreiben könnten. Wenn wir ihn abschreiben, also wenn wir den Sudan im Einver­nehmen mit dem Pariser Club entschulden, könnten wir damit unsere ODA, also unsere budgetären Entwicklungsleistungen, um über 3,8 Milliarden Euro auffetten. Wenn wir das auf drei Jahre aufteilen, hieße das, dass wir – Wunderwerk der Magie und der Bilanz; ich will nicht sagen Fälschung, weil es keine Fälschung ist, denn es ist legal und es ist vollkommen im Einklang mit der OECD, es ist aber politisch gesehen nicht okay – unsere ODA über drei Jahre auf einmal auf 0,8 Prozent auffrisieren könnten, ohne dass irgendein Cent in entwicklungspolitisch relevante Projekte fließen würde.

Ich denke, da sollten wir wirklich auf OECD-Ebene in Paris, aber auch in Österreich daran arbeiten und überlegen, wie wir die ODA so darstellen können, dass das gerecht­fertigt ist. Es ist nicht gerechtfertigt, dass wir uns das heute, 50 Jahre – fünf Jahr­zehnte! – nachdem ein Kredit an den Sudan vergeben worden ist, von dem kein Mensch mehr weiß, wofür er eigentlich war – angeblich ein in den Sand gesetztes Industrie­projekt –, mit 3,8 Milliarden Euro gutschreiben.

Da stimmt die Relation überhaupt nicht, das ist wirklich nur Budgettrickserei. Ich plädiere sehr dafür, dass wir da auch in Paris an unseren gemeinsamen OECD-Kriterien, was denn ODA ist und was nicht, sinnvoll arbeiten, dass das Geld wirklich in effektive Entwicklungspolitik fließt und nicht in irgendwelche Fantasiezahlen. – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ.)

21.00


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Abgeordneter Michel Reimon. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


21.00.28

Abgeordneter Michel Reimon, MBA (Grüne): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Der Beschluss, den wir jetzt hier fassen werden, ist aus grüner Sicht vielleicht einer der ökologisch wichtigsten der heutigen Sitzung, weil er auf globaler Ebene ansetzt und arbeitet. Wir hören bei Umweltthemen so oft: Das können wir als kleines Land nicht machen, da müssen wir uns global darum kümmern, das muss auf globaler Ebene pas­sieren!, aber das ist ein Beschluss, der etwas bewirken kann, bewirken wird und immens dazu beitragen wird. Die SDGs, die globalen Entwicklungsziele, sind nur mit solchen


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Maßnahmen auf globaler Ebene umzusetzen, deswegen setzen wir uns da jetzt beson­ders ein und erhöhen da auch die Mittel. (Präsident Sobotka übernimmt den Vorsitz.)

Es sind zwei Fonds, die mit diesem Beschluss aufgefüllt werden. Das eine ist die Globale Umweltfazilität, die weltweit eingesetzt wird; die Weltbank setzt Mittel für den Klima­schutz, für die Artenvielfalt, für den Erhalt von Arten, für den Erhalt der Meere, für die Bekämpfung von Müll und Chemikalien in der Umwelt ein. Da erhöhen wir die Mittel des österreichischen Beitrages von 50 Millionen auf fast 60 Millionen Euro. 40 Geberländer zahlen da ein, setzen weltweit diese Mittel ein und setzen sich weltweit dafür ein, diese Probleme anzugehen. Der größte Teil davon fließt in die Erhaltung der Artenvielfalt. Es gibt, ausgelöst durch den Menschen, ein Artensterben wie seit Millionen Jahren nicht mehr; dagegen war der Komet, der die Dinosaurier umgebracht hat, ein Lercherl, so schlimm ist die Situation. Das ist der Fonds, der global dagegen angeht. (Beifall bei den Grünen.)

Die zweite Zahlung fließt an die Internationale Entwicklungsagentur, die sich auch weltweit für Themen des Klimawandels und des Umweltschutzes einsetzt, die in diesem Bereich weltweit agiert, Dutzende Länder versorgt. Da zahlen wir 435 Millionen Euro ein, 50 Millionen Euro mehr als bei der letzten Einzahlung der letzten Regierung. Wir versuchen, das wirklich so groß wie möglich zu machen, so viel wie möglich beizutragen. Das ist ein toller Fonds, der das österreichische Geld in diese Gesamtzahlung einbringt. Damit wird ein Kredit aufgenommen, das wird dreifach gehebelt; das wird an Entwick­lungsländer weitergegeben und die können damit wieder Kredite aufnehmen und können das teilweise auch noch dreifach, vierfach hebeln. Es entsteht mehr als das Zehnfache des Betrages, den wir hier einzahlen, an Hilfe in Entwicklungsländern, an Hilfe für die Klimaanpassung, für die Geschlechtergerechtigkeit, für Arbeitsplätze und solche The­men. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es gibt nur einen Wermutstropfen dabei und auf diesen möchte ich eingehen: Ein wich­tiger Teil, ein großer Teil dieses Geldes wird für Klimawandel-, Klimakatastro­phen­an­passung ausgegeben, und zwar in den ärmsten Ländern dieser Welt. Wir sind in der Situation, dass wir nicht mehr nur über das Verhindern der Klimakatastrophe in diesen Ländern reden können, sondern die ist dort mit der jetzigen Erhöhung schon real. Die Landwirtschaft leidet, dadurch leidet die Lebensmittelversorgung, Tiere können nicht mehr gehalten werden wie früher, und die gesundheitlichen Probleme nehmen durch die Überhitzung zu, dadurch sterben Menschen früher.

Wir im Norden, im Westen produzieren diese Probleme in den ärmsten Ländern der Welt, vervielfachen sie, und das, was wir in Österreich jetzt als Hilfe beitragen können, sind 435 Millionen Euro, um diese Schäden abzudecken. Wir sollten vielleicht ein bisschen mehr dazu beitragen, diese Schäden gar nicht anzurichten. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

21.04


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Abgeordnete Brandstötter ist zu Wort gemel­det. – Bitte.


21.04.22

Abgeordnete Henrike Brandstötter (NEOS): Herr Präsident! Kolleginnen und Kol­legen! Herr Staatssekretär! Internationale Finanzinstitutionen sind essenziell für die Erreichung der SDGs, und gerade ein kleines Land wie Österreich kann da auch seine durchaus beschränkten Mittel bündeln und dann viel mehr erreichen, als uns allein möglich wäre.

Die IFI-Mittel werden in Zyklen von drei bis vier Jahren aufgestockt. Wir geben heute dazu unsere Zustimmung, und das gerade in einer Zeit, in der mehrere Krisen über die


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Welt hereinbrechen beziehungsweise schon hereingebrochen sind. Es ist extrem wich­tig, dass wir nicht nur kurzfristig denken, dass wir nicht nur auf uns und auf heute schauen und den Rest der Welt links liegen lassen, sondern wir müssen bedenken, dass Staaten, die wegen Corona und jetzt auch aufgrund der Auswirkungen eines Ukraine­kriegs Jahre an Fortschritt verlieren, auch für uns von Bedeutung sind. Diese Staaten sind jetzt schon Handelspartner, aber sie werden es vor allem in Zukunft sein, wenn sich eine gute Wirtschaft entwickelt.

Genau das ist aber in Gefahr. Wir müssen schon auch verinnerlichen, dass ein Thema, das in vielen ärmeren Ländern an der Tagesordnung steht, wenn Hungerkrisen aus­brechen, wenn Staaten destabilisiert werden, sehr bald auch uns betrifft, nämlich wenn Menschen sich auf den Weg machen, weil sie in ihrem Zuhause einfach keine Chance mehr sehen.

Gestern hat die UNO einen wirklich erschütternden Bericht über den Hunger in der Welt veröffentlicht. 2,3 Milliarden Menschen sind auf die eine oder andere Art von Hunger betroffen; akut sind es 276 Millionen Menschen, viele davon in der unmittelbaren Um­gebung von Europa. Mit den Mitteln, über die wir heute bestimmen, bezahlen wir keine Lebensmittel, aber sie helfen den ärmsten Staaten dabei, ihre Staatsschulden unter Kontrolle zu halten und ihre Haushalte zu verwalten.

Wir haben ja gerade in der Coronazeit gesehen, wie wichtig es ist, als Staat Resilienz aufzubauen. Das heißt, es ist auch unsere Verpflichtung, dass wir an die IFIs einzahlen, aber auch, dass wir diesen Staaten zusätzlich unter die Arme greifen – Stichwort Klima­wandel; mein Kollege hat es schon erwähnt. Das sind keine Akte von Nächstenliebe, das sind Investitionen in unsere eigene Sicherheit und in unsere eigene Zukunft, und das sollten wir immer im Blick haben, wenn wir wieder einmal Mittel kürzen. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

21.06


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Yildirim. – Bitte sehr, das Wort steht bei Ihnen, Frau Abgeordnete.


21.06.52

Abgeordnete Mag. Selma Yildirim (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich finde es sehr gut, dass sich Österreich an der internationalen Entwicklungshilfe durch Beitragszahlungen beteiligt. Ich finde es auch immer spannend, wenn wir das alle paar Monate, muss ich sagen – in den vergangenen zweieinhalb, drei Jahren war das alle paar Monate –, auf der Agenda haben.

Es ist sehr wichtig, sich finanziell auch an diesen internationalen Entwicklungsprojekten zu beteiligen und das Schlimmste zu verhindern – damit meine ich hungernde Men­schen; wir haben im Moment wirklich die Problematik, dass Millionen von Menschen akut an Hunger leiden, und das, was wir hier mitunterstützen, verhindert das Schlimmste. Was mir – und das betone ich auch hier in diesem Rahmen noch einmal – aber wirklich abgeht, ist, dass sich die Republik Österreich in alter Tradition viel stärker außenpolitisch engagiert und auch finanzpolitisch insofern engagiert, als sie faire Handelsbeziehungen in die Wege leitet (Beifall bei der SPÖ); auch wenn wir nicht unmittelbarer Partner sind, innerhalb der Europäischen Union haben wir sehr wohl eine sehr starke Stimme. Das würde ich mir wünschen.

Was neben fairen Handelsabkommen noch sehr wichtig wäre: Wir debattieren im Finanz­ausschuss ja auch das Lieferkettengesetz – nicht nur im Finanzausschuss, auch im Justizausschuss; es betrifft so viele Bereiche –, und da geht es um nicht mehr und nicht weniger als darum, darauf zu schauen, dass Menschen vor Ort faire Arbeitsbedingungen


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haben. Wir beziehen ja sehr vieles aus diesen Ländern, die wir jetzt mittels Finanzhilfe ein bisschen zu unterstützen versuchen.

Ich glaube, nachhaltig und wichtig wäre es, zu schauen, dass es dort keine Ausbeutung gibt, dass Kinder nicht ausgebeutet werden, dass Frauen nicht ausgebeutet werden, dass Männer nicht ausgebeutet werden, dass es einen Zugang zu Gesundheits­leistun­gen gibt, dass es einen besseren Zugang zu Bildungsmöglichkeiten gibt, sodass sich diese Länder auch wirklich auf Augenhöhe mit uns an den Verhandlungstisch setzen können. Ich glaube, das wäre für uns auch die sicherste Investition in die Zukunft. Das würde ich mir wünschen.

Wir unterstützen selbstverständlich jede Form der Hilfe, aber ich appelliere, in den unterschiedlichsten Fachausschüssen dahin gehend zu wirken, dass Österreich die Rolle hinsichtlich der außenpolitischen Aufgaben stärker wahrnimmt und den Menschen aus diesen Ländern auf Augenhöhe begegnet.

In diesem Sinne danke ich für diese Möglichkeit und hoffe, dass wir in Zukunft diese inhaltlichen Themen auch stärker propagieren können. (Beifall bei der SPÖ.)

21.09


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Danke schön.

Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist damit geschlossen.

Wünscht die Berichterstatterin ein Schlusswort? – Sie ist nicht da.

Ich verlege die Abstimmungen an den Schluss der Verhandlungen über die Vorlagen des Finanzausschusses.

21.10.1529. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 2647/A der Abgeordneten August Wöginger, David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Katastrophenfondsgesetz 1996 und das Finanzausgleichs­gesetz 2017 geändert werden (1590 d.B.)

30. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (1532 d.B.): Bundes­gesetz zur Gewährung eines Zweckzuschusses an die Länder zur Unterstützung von Investitionen (1589 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zu den Tagesordnungspunkten 29 und 30, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Klubobmann Wöginger. – Bitte sehr, Herr Klubobmann.


21.10.54

Abgeordneter August Wöginger (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist heute schon ein guter Tag für die Pflege ge­wesen, es ist auch ein guter Tag für die Feuerwehren und für unsere Einsatzkräfte und vor allem für die freiwilligen Mitglieder im Bereich der Feuerwehren. Es sind fast 350 000 Menschen in Österreich, die Tag und Nacht und rund um die Uhr für uns zum Einsatz bereit sind, wenn es notwendig ist – sei es zur Brandbekämpfung, sei es bei technischen Einsätzen, sei es bei Verkehrsunfällen, sei es dann, wenn es wie in den


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letzten Tagen im Bundesland Kärnten oder auch in anderen Gegenden darum geht, die Menschen vor Hochwasser, vor Muren, vor Verschlammungen zu schützen.

Die Feuerwehren leisten einen unverzichtbaren Beitrag in Österreich, und es ist allen zu danken, die sich da ehrenamtlich engagieren. Deshalb freut es mich ganz besonders, dass wir den Katastrophenfonds um 20 Millionen Euro aufstocken können und so auch die Wertschätzung, den Respekt und die Anerkennung gegenüber dieser ehrenamt­lichen Tätigkeit zum Ausdruck bringen können. Das gebührt den ehrenamtlichen Mitar­beiterinnen und Mitarbeitern. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Die Diskussion gibt es ja schon länger: Wie kann man denn den Feuerwehren etwas zugutekommen lassen? Wie können wir ihnen gerade beim Ankauf von Einsatz­fahr­zeugen, von technischen Geräten, die notwendig sind, die die Einsatzpläne auch vor­schreiben, zusätzlich unter die Arme greifen? Es gibt jetzt eine Regelung durch die Aufstockung des Katastrophenfonds – ursprünglich haben wir gesagt, 15 Millionen Euro, es sind dann 20 geworden, nachdem man nach der Begutachtung gesehen hat, dass das eigentlich eher die ausreichende Summe ist –, nämlich in die Richtung gehend, wie das Land Niederösterreich es schon vorgelebt hat: Wenn ein Einsatzfahrzeug einen Anschaffungswert von ungefähr 400 000 Euro hat, die Mehrwertsteuer bekanntlich 20 Prozent, also 80 000 Euro ausmacht, dann kann den Feuerwehren in etwa dieser Betrag zurückgegeben werden.

Das ist wahnsinnig viel Geld, und jeder, der in der Kommunalpolitik tätig ist oder war – und ich war das 24 Jahre lang, sieben Jahre als Vizebürgermeister –, weiß, wie viel Kraft und Mühe es einen Bürgermeister, die Kommune, den Gemeinderat kostet, dass man diese notwendigen Anschaffungen auch bewerkstelligen kann. Das Land unterstützt, die Feuerwehren selber helfen mit, mit Festen, mit Veranstaltungen, was in den letzten zweieinhalb Jahren auch nur eingeschränkt möglich war, um diese Gerätschaften und auch die Feuerwehrhäuser zu finanzieren, sozusagen alles, was dazugehört, dass man auch den Ehrenamtlichen im Bereich der Feuerwehr eine gute Infrastruktur zur Ver­fügung stellen kann. Das ist ja das Einzige, was sie bekommen – dafür, dass sie ihre Freizeit opfern, dafür, dass sie ihre Qualifikation in den Dienst der Menschen stellen, und auch dafür, dass sie rund um die Uhr einsatzbereit sind. Daher sind diese 20 Millionen Euro, mit denen wir den Katastrophenfonds aufstocken, zur Verfügung stellen, gut investiert. Das ist gut investiertes Geld für die ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unserer freiwilligen Feuerwehren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ich bringe diesbezüglich noch einen Abänderungsantrag der Abgeordneten Hofinger, Stögmüller ein und möchte kurz erläutern, warum. Es sind ja sozusagen die Mittel, die auch an der Feuerschutzsteuer hängen. Wir haben ungefähr 47 Millionen Euro, die aus dem Katastrophenfonds zur Verfügung gestellt werden, 71 Millionen Euro aus dem Bereich der Feuerschutzsteuer, insgesamt ein Betrag von 117 Millionen Euro, und wir stocken das um 20 Millionen Euro auf. Wir wollen aber, dass das Geld auch abgeholt werden kann. Es gibt einige Bundesländer, die diese Feuerschutzsteuer zwar insge­samt, kann man sagen, für das Feuerwehrwesen verwenden, aber unterschiedliche Zugänge dazu haben, und deshalb ändern wir ein Wort ab. Ich verlese jetzt den Antrag, Herr Präsident:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Ing. Manfred Hofinger, David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen zum Antrag 2647/A der Abgeordneten August Wöginger, David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Katastrophenfondsgesetz 1996 und das Finanzausgleichsgesetz 2017 geändert wird (TOP 29)


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Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der oben zitierte Gesetzesantrag in der Fassung des Ausschussberichts 1590 d.B. wird wie folgt geändert:

1. Im Gesetzestitel wird die Wortfolge „geändert wird“ durch „geändert werden“ ersetzt

2. Nach der Promulgationsklausel lautet die Überschrift:

„Artikel 1

Änderung des Katastrophenfondsgesetzes 1996“

3. In Z 2 lautet § 5b Abs. 3 wie folgt:

„(3) Voraussetzung für die Gewährung des Zuschusses ist ein Nachweis des Landes, dass die Erträge aus der Feuerschutzsteuer vorwiegend“ – und das ist die Änderung – „für Zwecke der Feuerwehren verwendet werden.“

Begründung

Redaktionelle Änderungen

*****

Was ist die Begründung dafür? – Dass die Mittel auch wirklich zu 100 Prozent abgeholt werden können. Es ist eine rechtliche Klarstellung in diesem Bereich. (Zwischenruf des Abg. Krainer.) – Ja, Kollege Krainer, es ist wirklich nur die rechtliche Klarstellung, dass die Mittel auch wirklich abgeholt werden können. Wir wollen, dass die Feuerwehren diese Mittel auch bekommen. Die Gerätschaften werden teurer, das ist eine Heraus­forderung für die Feuerwehren, aber auch für die Gemeinden, letzten Endes auch für die Bundesländer. Wir wollen aber, dass das Geld wirklich auch zu den freiwilligen Feuer­wehren kommt. Mir geht es darum, dass wir nicht zusätzlich 20 Millionen Euro aus dem Katastrophenfonds zur Verfügung stellen und dann womöglich nicht gewährleistet ist, dass dieses Geld auch zu 100 Prozent abgeholt werden kann. – Daher dieser Abände­rungsantrag.

Ich bin froh und ich bedanke mich noch einmal bei all jenen, die mitwirken, dass das möglich wird. Es ist sicherlich ein kleines Signal oder ein kleines Zeichen, aber ein wichtiges Zeichen für das Ehrenamt, für die Feuerwehren in unserem Lande, gerade wenn man jetzt in letzter Zeit immer wieder sieht, dass die Herausforderungen für den Katastrophenschutz enorm anwachsen, gerade auch durch die Hochwässer, durch die Klimaveränderung – nennen wir es beim Namen. Es ist heute so, dass überall im Bundesgebiet von Mitte Mai bis in den August hinein ständig Schäden durch Hoch­wasser, Überflutungen, Murenabgänge entstehen – und die Feuerwehren sind dieje­nigen, die, egal zu welcher Tages- und Nachtzeit, den Menschen dann beistehen. Daher ist es wichtig, dass wir sie bei der Anschaffung ihrer Gerätschaften, die nicht billiger, sondern teurer werden, unterstützen. Diese 20 Millionen Euro sind gut investiertes Geld für die Feuerwehren in Österreich. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Einen Satz möchte ich auch zum zweiten Punkt, den wir hier mitdiskutieren, zum Zweck­zuschussgesetz für die Bundesländer, sagen: 500 Millionen Euro kommen aus dem Recoveryfund für die Bundesländer aufgrund der Coronasituation, die wir hatten, um hier auch unterstützen zu können. Wir holen das Geld ab und verteilen es nach dem Bevölkerungsschlüssel. Für mein Bundesland Oberösterreich bedeutet das 82 Millionen Euro, die für gewisse Zwecke verwendet werden können. Neben den Gemeindepaketen von rund 2,5 Milliarden Euro insgesamt, die wir verabschiedet haben, ist es - - (Abg.


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Seidl: Die Lampe leuchtet!) – Ja, sie leuchtet, aber wir haben ein bissel Zeit, und jetzt verrede ich auch einmal etwas davon, wenn es recht ist, Frau Kollegin, weil es mir wichtig ist. Die Feuerwehren sind mir wichtig, und da rede ich auch, solange ich will. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Da ich ja als Innviertler auch ein Föderalist bin, ist es mir auch wichtig, dass das Zweck­zuschussgesetz für die Länder auch umgesetzt wird. Für mein Heimatbundesland sind das 82 Millionen Euro. Das sind Gelder, die ankommen. Das ist wichtig, dass wir auch gerade dort ansetzen können, wo wir Mehrausgaben gehabt haben.

Also alles in allem, würde ich meinen, gibt es keinen Grund, diesen beiden Gesetzen nicht zuzustimmen. Es ist wichtig für die Republik und vor allem für die Menschen und vor allem für die Ehrenamtlichen in der Feuerwehr, dass wir diesen Gesetzen auch die Zustimmung geben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

21.19


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Abänderungsantrag ist ordnungsgemäß ein­gebracht, ausreichend unterstützt und steht somit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Lercher. – Bitte.


21.19.21

Abgeordneter Maximilian Lercher (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staats­sekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Ja, ich muss jetzt etwas tun, das mich eigentlich sehr viel Kraft kostet: Ich muss Herrn Klub­obmann Wöginger bei allem, was er gesagt hat, in weiten Teilen recht geben. (Beifall bei Abgeordneten von SPÖ und Grünen sowie Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP.)

Da sehen Sie die Sozialdemokratie: Wenn einmal etwas Gutes kommt, dann schätzen wir das auch so ein und erkennen das auch an. Das ist heute wirklich ein guter Schritt für die österreichischen Feuerwehren. Als jemand, der dort über viele Jahre tätig war und seine Jugend verbracht hat, weiß ich, was diese Körperschaft öffentlichen Rechts für das Land leistet.

In Wahrheit ist die Feuerwehr viel mehr als nur eine Einsatzorganisation, sie ist Fun­dament und Träger vieler gesellschaftlicher Entwicklungen im ländlichen Bereich und in vielen Gemeinden und Städten in diesem Land. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abge­ordneten von ÖVP und Grünen.)

Ja, ich glaube wirklich, vor allem in Zeiten wie diesen, wenn wir vermehrt Katastrophen erleben – ich komme aus einer Region, wo wir das leider zu oft erlebt haben –, kann man es nicht hoch genug schätzen, was die Kameradinnen und Kameraden Tag für Tag tun. Die gehen dort hinein, wo alle anderen nicht hineingehen, und wir hoffen und wünschen ihnen auch von dieser Stelle aus, dass sie alle jeden Tag gut und gesund nach Hause kommen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

Aber – ein bisschen ein Aber muss sein –: Wir hätten uns natürlich im Sinne einer wirklichen Mehrwertsteuerabfederung ein bisschen mehr gewünscht, nämlich einen Automatismus, der auch greift, wenn man über Gebäude redet, wenn man sich an­schaut, was darüber hinaus von den Feuerwehren angeschafft wird, wenn man sieht, was die Gemeinden für die Erhaltung aufwenden. Da hätten wir uns noch mehr Mut gewünscht. Das ist ein richtiger Schritt, aber wir kämpfen da ähnlich wie die Frei­heit­lichen für eine wirkliche Abgeltung der Mehrwertsteuer, und zwar in allen Bereichen, denn die Feuerwehren müssen uns das für unsere Gesellschaft letztlich wert sein, auch im ehrenamtlichen Bereich.


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Herr Klubobmann, eines gebe ich Ihnen auch in Richtung des Finanzministers mit: Es ist nicht in Ordnung, wenn wir eine halbe Stunde vor Beschlussfassung hier den Abänderungsantrag bekommen. (Abg. Wöginger: Das war unsere Schuld, nicht die des Finanzministers, das war unsere Schuld!) Wir wissen aus den Stellungnahmen, dass das schon wochenlang aufliegt, und ich finde, wenn man ein Gesetz für eine solch wichtige Körperschaft beschließt, dann muss man auch vorher liefern, denn das ist nicht vertrauenerweckend und das haben sich die Feuerwehren auch nicht verdient. Wir stimmen zu, aber nehmen Sie das bitte mit, damit so etwas das nächste Mal, vor allem in so wichtigen und auch überparteilich wichtigen Bereichen, nicht mehr passiert. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

21.22


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Angerer. – Bitte.


21.22.35

Abgeordneter Erwin Angerer (FPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren! Ja, es ist wirklich so: Was die Feuerwehren betrifft, kann ich meinen beiden Vorrednern nur zustimmen und auch Herrn Wöginger grundsätzlich einmal recht geben, dass das ein sehr positives Gesetz ist, das in die richtige Richtung geht. Man muss aber schon ein bisschen relativieren und man muss noch mehr tun. Ich fordere jetzt nicht einfach etwas, weil ich sage, dass die Opposition immer etwas fordern muss und es immer zu wenig ist, sondern ich glaube, wir müssen wirklich ernsthaft darüber nachdenken, wie wir da in Zukunft weitermachen.

Grundsätzlich einmal zum Katastrophenfondsgesetz: Diese 20 Millionen Euro sind im Grunde dafür gedacht, dass die Gemeinden, die ja die Fahrzeuge ankaufen – und das ist eine langjährige Diskussion und Forderung –, über einen Umweg zumindest eine gewisse Abgeltung für die Mehrwertsteuer bekommen, die sie für die Autos bezahlen. Das ist wichtig und richtig, die Katastrophenfondsmittel der Feuerwehren werden damit um diese 20 Millionen jährlich erhöht. Es hat aber in den letzten Jahren aufgrund der Entwicklung unseres BIPs – und davon ist das abhängig – leider einen Einbruch bei diesen Mitteln gegeben, und das wurde noch nicht ausgeglichen, also da fehlt ein bisschen etwas. – Das ist jetzt der erste Schritt in die richtige Richtung.

Und wir haben jetzt natürlich eine massive Teuerung: Ich habe gerade ein Angebot für ein neues Feuerwehrauto bei mir auf dem Schreibtisch liegen, das vor ein paar Monaten noch 330 000 Euro gekostet hat und jetzt 400 000 Euro kostet – wir haben also bei dem Ganzen eine Preissteigerung um 30 Prozent!

Der Abänderung des Antrages betreffend die Verwendung der Feuerschutzsteuer wer­den wir auch zustimmen, weil es um die Feuerwehren geht. Ich möchte dir, Kollege Wöginger, und deinen beiden Landeshauptleuten in Oberösterreich und in Salzburg aber mit auf den Weg geben, dass man den Feuerwehren die Feuerschutzsteuer, die ihnen auch zustehen würde, in Zukunft auch zukommen lässt und das Geld nicht für Quer­finanzierungen irgendwo anders hinschiebt. Die anderen Bundesländer geben es nämlich den Feuerwehren, aber die Oberösterreicher und die Salzburger offensichtlich nicht. Wir werden dem aber zustimmen, weil es eben für die Feuerwehren und für die Freiwilligen ist.

Das Zweite ist der Zweckzuschuss an die Länder aus Geldern der Aufbau- und Re­silienzfazilität der Europäischen Union. Jetzt sage ich einmal: circa 700 Milliarden Euro hat die EU aufgenommen – Schulden –, und wir kriegen jetzt einen Teil davon zurück. Wir haben das zwar kritisiert, weil damit im Grunde auch eine Schuldenunion entstanden ist und wir für viel mehr haften, als wir kriegen – Österreich haftet nämlich für 12 bis


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14 Milliarden Euro, bekommt aber circa 3,5 Milliarden Euro. 500 Millionen gehen jetzt an die Länder, das ist auch in Ordnung, das ist gut und wichtig, aber es muss uns schon bewusst sein, dass wir Österreicher für diese Schulden, die die EU aufgenommen hat, auch haften und dass das nichts Geschenktes ist, sondern etwas, das jeder wieder verdienen muss.

Von den 500 Millionen Euro bekommen 32 Millionen Euro die Kärntner – darauf komme ich dann vielleicht später noch zurück –, das soll für den Wiederaufbau verwendet werden. In Kärnten – du hast es auch angesprochen, lieber Gust Wöginger – hat es eine Unwetterkatastrophe gegeben, und ich weiß, dass der Herr Bundeskanzler in den letzten Tagen auch dort war und sich das angeschaut hat. Ich habe leider in den letzten Jahren mehrere solche Katastrophen miterleben müssen, direkt betroffen ist auch unsere Gemeinde, auch viele Nachbargemeinden, vor allem im Oberkärntner Raum – auch Obernosterer oben im Gailtal –, sind betroffen. Quer durchs Land passieren leider immer öfter solche Katastrophenereignisse.

Ich muss ehrlich sagen, es ist erschreckend, was bei diesem Katastrophenereignis passiert ist, vor allem in den beiden Gemeinden Arriach und Treffen. Da stehen Häuser bis zum Dach im Schlamm, es hat einen Toten gegeben und Leute mussten in der Nacht auf dem Dach oben sitzen und um ihr Leben bangen. Es ist Gott sei Dank nicht mehr passiert, aber sie stehen vor dem Nichts. Es sind viele Häuser, die einen sogenannten Totalschaden haben.

Du hast auch die Feuerwehren genannt, die dort jetzt im Einsatz sind: Diese leisten wirklich Unvorstellbares, und vor allem sind es freiwillige Leistungen. In Kärnten hat man auch schon – ich weiß nicht, wie es in den anderen Bundesländern ist – einen soge­nannten KAT-Zug eingerichtet, also eine spezielle Mannschaft mit Personen – das ist auch von der freiwilligen Feuerwehr –, die dann speziell bei diesen Katastrophen­einsätzen zum Einsatz kommen. Diese Leute stehen am nächsten Tag mit eigenem Gerät da, und nicht nur, dass die sich Urlaub nehmen und freiwillig dort mitarbeiten, stellen die Unternehmen die Mitarbeiter auch frei. Jeden Tag stehen aus jedem Bezirk 100 Leute mit Gerätschaft dort und wickeln das professionell ab und helfen freiwillig mit. Das kann man, neben dem Bundesheer und neben Privaten und Leuten, die spenden – die Spendenbereitschaft ist wirklich groß und die Solidarität in der Bevölkerung ist riesig – nicht hoch genug schätzen. Gott sei Dank wird geholfen.

Ich sage es noch einmal: Die Feuerwehr ist uns Politikern einen Schritt voraus, und deshalb müssen wir jetzt meines Erachtens einen Schritt nach machen. Wir werden umdenken müssen, was die Abgeltung aus dem Katastrophenfonds betrifft.

Ich rede zuerst einmal von den Gemeinden: Bei den Gemeinden ist es so, dass man vom Bund 50 Prozent des Schadens aus dem Katastrophenfonds refundiert bekommt. Die beiden Gemeinden werden es unmöglich schaffen – unmöglich schaffen! –, dass sie die 50 Prozent stemmen, weil es dort um Millionen geht. Das heißt, sie brauchen eine Sonderunterstützung. Wir werden ihnen eine Sonderunterstützung geben müssen, sonst schaffen sie das nicht.

Die Landesregierung, Landesrat Fellner, hat zwar Bedarfszuweisungsmittel außerhalb des Rahmens zugesagt, aber das sind auch Gemeindemittel. Also nicht falsch ver­stehen – auch vielleicht von dieser Stelle aus an Herrn Landesrat Fellner –, aber wir erwarten uns auch, dass das Land da eigene Mittel zur Verfügung stellt und nicht nur die Gemeindemittel umwidmet und dann den Gemeinden gibt; da muss schon auch das Land in die Tasche greifen. Der Bund muss da aber auch zusätzlich in die Tasche greifen.

Ich werde auch einen entsprechenden Antrag auf Unterstützung der Gemeinden stellen, damit man den Gemeinden über das Land eine Soforthilfe zur Verfügung stellt. Es gibt


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also einen Entschließungsantrag, den ich hiermit einbringe – und es freut mich, dass die SPÖ da mitgegangen ist –:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Erwin Angerer, Mag. Dr. Petra Oberrauner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Soforthilfe für Kärnten – Unwetterkatastrophe im Gegendtal“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Land Kärnten umgehend eine Sonder­unterstützung in Höhe von zumindest 25 Millionen Euro zur raschen Wiederherstellung der Infrastruktur sowie für Sofortmaßnahmen im Bereich des Katastrophenschutzes nach den Unwettern im Gegendtal zur Verfügung zu stellen.“

*****

Wir haben gesehen, dass es in den letzten Jahren ähnliche Unterstützungen für die Steiermark gegeben hat. Ich sage einmal, mit grober, vorsichtiger Kostenschätzung geht man in Kärnten davon aus, dass ein Schaden von rund 100 Millionen Euro entstanden ist, ich glaube also, eine solche Sonderunterstützung wäre unbedingt erforderlich und wichtig. Ich hoffe, dass wir da auch im Parlament zusammenstehen und den Betroffenen wirklich helfen. Es soll auch kein Politikum sein. Ich freue mich über jeden, der den Antrag mit unterstützt, und ich freue mich, wenn der Finanzminister diese Mittel frei­macht; die brauchen es dort. (Beifall bei FPÖ und SPÖ.)

Das Zweite ist das Thema der Privaten: Bei den Privaten haben wir einfach das Problem, über das wir auch schon oft diskutiert haben, dass die Versicherungen aussteigen. Das heißt, zum Großteil bekommen sie von den Versicherungen nichts – circa 15 000 bis 20 000 Euro, eine Pauschalabgeltung –, haben aber Hunderttausende Euro Schaden, teilweise einen Millionenschaden.

Über den Katastrophenfonds, wie er derzeit aufgestellt ist, bekommen sie dann noch 20 bis 30 Prozent. Das heißt, sie bleiben auf 70 bis 80 Prozent der Kosten sitzen. Das geht nicht, das schaffen die Leute nicht. Wir müssen ihnen helfen, und deshalb müssen wir diesen Katastrophenfonds neu aufstellen und diesen Betroffenen eine hundert­pro­zentige Abgeltung aus dem Katastrophenfonds zur Verfügung stellen. Es kann morgen jeden treffen – auch hier in Wien jemanden; es hat letztes Jahr auch in Wien Unwetter gegeben, auch in Wien sind Keller unter Wasser gestanden, in den ländlichen Regionen draußen sowieso. Es kann passieren, dass morgen mit einem Gewitter innerhalb von Minuten eine Existenz vernichtet ist. Ich glaube, das müssen uns unsere Leute wert sein, dass wir mit ihrem eigenen Steuergeld sicherstellen, dass sie da geschützt sind, wenn schon die Versicherungen aussteigen.

Man könnte einen Teil dieses Geldes, dieses Wiederaufbaufonds, im Katastrophenfonds zweckwidmen – das heißt, der Bund bekommt ja jetzt noch 3 bis 4 Milliarden Euro und dann auch noch eine entsprechende Speisung zusätzlich –, sodass der auch erhalten bleibt, ähnlich wie es der ERP-Fond nach dem Krieg war, ein Wiederaufbaufonds, und dann könnte man in Zukunft die Katastrophenschäden den Leuten wirklich zu 100 Pro­zent abgelten. Das wäre auch eine nachhaltige Investition in die Infrastruktur.

Deshalb bringe ich auch einen zusätzlichen Antrag ein, auch wieder gemeinsam mit der SPÖ:


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Entschließungsantrag

der Abgeordneten Erwin Angerer, Mag. Dr. Petra Oberrauner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „vollständige Abgeltung finanzieller Schäden für Betroffene von Unwetterkatastrophen“

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, dass künftig die finan­ziellen Schäden aufgrund von Unwettern und sonstigen Naturkatastrophen nach Abzug von Versicherungsleistungen und sonstigen finanziellen Hilfen vollständig aus dem Katastrophenfonds abgegolten werden.“

*****

Ich glaube, das sind wir unserer Bevölkerung schuldig. Das wäre ein ganz wichtiger Schritt. Ich sage es noch einmal: Es kann morgen jeden treffen.

Ich ersuche euch, wirklich ernsthaft darüber nachzudenken, ob ihr hier nicht mitgeht. – Danke schön. (Beifall bei FPÖ und SPÖ.)

21.32

Die Anträge haben folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Erwin Angerer

und weiterer Abgeordneter

betreffend Soforthilfe für Kärnten - Unwetterkatastrophe im Gegendtal

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 29, Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 2647/A der Abgeordneten August Wöginger, David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Katastrophenfondsgesetz 1996 und das Finanzausgleichsgesetz 2017 geändert wird (1590 d.B.)

in der 168. Sitzung des Nationalrates am 7. Juli 2022

Schwere Unwetter haben in der Nacht von 28. auf 29. Juni 2022 ganze Ortschaften im Bezirk Villach-Land (K) – speziell im Gegendtal – verwüstet. Besonders betroffen waren die Orte Treffen, Arriach, Afritz am See und Töbring. In Afritz am See wurde beispiels­weise ein Kraftwerk der KELAG komplett weggerissen, in Treffen sorgte der Pöllinger Bach für Überschwemmungen und Arriach wurde von der Außenwelt abgeschnitten.

Unentwegt versuchten freiwillige Helfer, Rotes Kreuz, Feuerwehr, Bundesheer, Was­serrettung und weitere Einsatzkräfte die Versorgung für die betroffene Bevölkerung wei­testgehend sicherzustellen. Aufgrund anhaltender Gefahren mussten einige Personen sogar per Hubschrauber evakuiert werden, nachdem ein Teil der Straßeninfrastruktur komplett zerstört wurde. Für viele Unwetteropfer bedeutet die aktuelle Situation nicht nur eine große psychische Belastung, sondern vor allem auch eine finanzielle Herausfor­derung, die die meisten nicht ohne Hilfe stemmen werden können.

Laut dem zuletzt vorgelegten 13. Bericht des Bundesministers für Finanzen gemäß dem Katastrophenfondsgesetz 1996 betreffend die Fondsgebarung in den Jahren 2018 und 2019 (III-120 d.B.) wurde der Katastrophenfonds in den Berichtsjahren 2018 und 2019 mit Abgabenanteilen i.H.v. 1,07% des Aufkommens an Einkommenssteuer und Kör­perschaftssteuer dotiert. Zudem verfügt der Fonds über Rücklagen von rund 30,0 Mio. Euro. Sollten diese erschöpft sein, „können die Abgabenteile durch Beschluss der Bun­desregierung für Zwecke der Abgeltung von Schäden durch Naturkatastrophen erhöht


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 311

werden“1. Das heißt, für die Bereitstellung zusätzlicher Bundesmittel genügt ein Be­schluss der Bundesregierung, wenn die Rücklagen des Katastrophenfonds erschöpft sind.

Die Unwetter im Gegendtal haben für das Land Kärnten durch die immensen Schäden an der Infrastruktur wie Straßen oder der Stromversorgung eine enorme finanzielle Belastung verursacht. Da der Wiederaufbau der Infrastruktur zur Unterstützung der Bevölkerung rasch erfolgen muss, stellen die unterfertigen Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Land Kärnten umgehend eine Sonder­unterstützung in Höhe von zumindest 25 Millionen Euro zur raschen Wiederherstellung der Infrastruktur sowie für Sofortmaßnahmen im Bereich des Katastrophenschutzes nach den Unwettern im Gegendtal zur Verfügung zu stellen.“

1 BMF (2020): Katastrophenfondsgesetz 1996. 13. Bericht des Bundesministers fürs Finanzen, S. 4.

*****

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Erwin Angerer, MMag. DDr. Hubert Fuchs

und weiterer Abgeordneter

betreffend vollständige Abgeltung finanzieller Schäden für Betroffene von Unwetter­katastrophen

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 29, Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 2647/A der Abgeordneten August Wöginger, David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Katastrophenfondsgesetz 1996 und das Finanzausgleichsgesetz 2017 geändert wird (1590 d.B.)

in der 168. Sitzung des Nationalrates am 7. Juli 2022

Schwere Unwetter haben in der Nacht von 28. auf 29. Juni 2022 ganze Ortschaften im Bezirk Villach-Land (K) – speziell im Gegendtal – verwüstet. Besonders betroffen waren die Orte Treffen, Arriach, Afritz am See und Töbring. In Afritz am See wurde unter ande­rem ein Kraftwerk der KELAG komplett weggerissen, in Treffen sorgte der Pöllinger Bach für Überschwemmungen und Arriach wurde von der Außenwelt abgeschnitten.

Unentwegt versuchten freiwillige Helfer, Rotes Kreuz, Feuerwehr, Bundesheer, Wasser­rettung und weitere Einsatzkräfte die Versorgung für die betroffene Bevölkerung weitest­gehend sicherzustellen. Aufgrund anhaltender Gefahren mussten einige Personen sogar per Hubschrauber evakuiert werden, nachdem ein Teil der Straßeninfrastruktur komplett zerstört wurde. Für viele Unwetteropfer bedeutet die aktuelle Situation nicht nur eine große psychische Belastung, sondern vor allem auch eine finanzielle Herausforderung, die die meisten nicht ohne Hilfe stemmen werden können. Zwischen 10.000 und 15.000 Euro bekommen private Unwetteropfer erfahrungsgemäß von ihren Versicherungen bei Elementarereignissen erstattet. Zusätzlich können über das Kärntner Nothilfswerk zur finanziellen Notfallüberbrückung bis zu 10.000 Euro pro Person beantragt werden. Aus dem Katastrophenfonds des Bundes können Private „in der Regel mit einer Hilfe von rund 20 bis 30%, in Härtefällen bis zu 80%, seines erlittenen Schadens rechnen“1.


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Bedenkt man, dass ein klassisches Einfamilienhaus in Österreich mit rund 350.000 Euro zu Buche schlägt, so würde dies für die betroffenen Menschen, deren Häuser komplett zerstört wurden, bedeuten, dass sie auf ca. 70% (außer bei Härtefällen) der Kosten sitzen bleiben werden, was rund 245.000 Euro ausmachen würde. Dass die Situation aufgrund der massiv angestiegenen Baukostenpreise, der schwer verfügbaren Zeit- und Personalressourcen am Bau, der hohen Zinssätze und der zusätzlichen Hürden bei Kreditvergaben aktuell mehr als schwierig ist, ist jedem Häuslbauer bewusst, trifft die Gegendtaler nun jedoch mit voller Wucht. Für die Betroffenen im Gegendtal schließt ein Katastrophenereignis an das andere: Nach dem Verlust von vielen Wertgegenständen oder sogar dem Eigenheim droht der finanzielle Kollaps.

Angesichts der Tatsache, dass es bereits ein Katastrophenfondsgesetz in Österreich gibt und viele Menschen unverschuldet in einer Zeit, die ohnehin größtmögliche wirt­schaftliche Anstrengungen abverlangt, um den Lebensalltag finanzieren zu können, ihr Hab und Gut in Geröll- und Wassermassen verloren haben, ist es Gebot der Stunde, eine Sonderunterstützung durch den Katastrophenfonds für eine bis zu 100%-ige Über­nahme der Schadenssummen für die Betroffenen aus den Gemeinden im Gegendtal einzuführen.

Laut dem zuletzt vorgelegten 13. Bericht des Bundesministers für Finanzen gemäß dem Katastrophenfondsgesetz 1996 betreffend die Fondsgebarung in den Jahren 2018 und 2019 (III-120 d.B.) wurde der Katastrophenfonds in den Berichtsjahren 2018 und 2019 mit Abgabenanteilen i.H.v. 1,07% des Aufkommens an Einkommenssteuer und Kör­perschaftssteuer dotiert. Zudem verfügt der Fonds über Rücklagen von rund 30,0 Mio. Euro, sollten diese erschöpft sein, „können die Abgabenteile durch Beschluss der Bun­desregierung für Zwecke der Abgeltung von Schäden durch Naturkatastrophen erhöht werden“ 2. Das heißt, für die Bereitstellung zusätzlicher Bundesmittel genügt ein Be­schluss der Bundesregierung, wenn die Rücklagen des Katastrophenfonds erschöpft sind.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, dass künftig die finan­ziellen Schäden aufgrund von Unwettern und sonstigen Naturkatastrophen nach Abzug von Versicherungsleistungen und sonstigen finanziellen Hilfen vollständig aus dem Katastrophenfonds abgegolten werden.“

1 BMF (2012): Katastrophenfonds in Österreich, S. 3.

2 BMF (2020): Katastrophenfondsgesetz 1996. 13. Bericht des Bundesministers fürs Finanzen, S. 4.

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Beide Anträge sind ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und stehen somit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Stögmüller. – Bitte.


21.33.01

Abgeordneter David Stögmüller (Grüne): Werter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolle­ginnen und Kollegen! Herr Staatssekretär! Es ist zwar der letzte Tagesordnungspunkt,


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aber es ist ein sehr wichtiger Tagesordnungspunkt: Es geht um unser Ehrenamt am Land, um unsere Feuerwehren. Werte Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, hier sehen wir einen sehr großen und breiten Konsens und man fühlt auch hier herinnen, dass die Kameradinnen und Kameraden, die tagtäglich im Einsatz sind, die sich tagtäglich für unsere Sicherheit einsetzen, auch wirklich unsere breite Unterstützung haben.

Ich möchte auch von hier aus vielen herzlichen Dank, werte Kameradinnen und Ka­meraden da draußen, für eure Arbeit sagen. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abge­ordneten von ÖVP und SPÖ.)

Auch wenn es der letzte Tagesordnungspunkt ist: Wir stocken diesen Katastrophenfonds um 20 Millionen Euro auf, und das ist unglaublich wichtig, weil die Feuerwehrlerinnen und Feuerwehrler, die Frauen und Männer, die täglich da draußen kämpfen, in der Zukunft unglaubliche Herausforderungen haben.

Wir haben eine Klimakatastrophe vor der Haustüre, deren Auswirkungen schon sichtbar sind. Kollege Wöginger hat es bereits gesagt: Nicht nur Hochwässer, Murenabgänge, auch Brände, die unglaublichen Ausmaßes sind – wir haben es in der Steiermark und in Niederösterreich erlebt –, auch in Oberösterreich die Dürre: Das sind alles Heraus­forderungen, für die wir eine top ausgerüstete, top ausgebildete Feuerwehr vor Ort haben, vor Ort brauchen, die einsatzbereit ist.

Die Männer und Frauen, die bei der Feuerwehr sind, sind nicht nur ein wichtiges Binde­glied im sozialen Gefüge in einem Ort, in einer Gesellschaft, sondern ermöglichen uns auch die Sicherheit, und dafür braucht es eben auch eine gute Ausstattung.

Ich bin sehr froh über diesen Antrag heute und ich sage auch wirklich allen Parteien, die diesen heute hier unterstützen, ein herzliches Dankeschön. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ein wichtiger Punkt ist – den Abänderungsantrag haben wir noch eingebracht –: Es gibt mehrere Bundesländer, unter anderem Oberösterreich und auch Salzburg, wo das Geld ebenso für die Feuerwehr eingesetzt werden soll. Dort gibt es verschiedene Aufspal­tungen zwischen Landesfeuerwehrverband und Brandverhütungsstellen. Das Geld ist im Katastrophenschutzgesetz zweckgebunden, wir werden aber mit einem Abänderungs­antrag ermöglichen, dass diese Gelder auch wirklich zu den Feuerwehren kommen, damit diese die Unterstützung auch gewährt bekommen. Ich glaube, das ist auch not­wendig, und ich hoffe, dass wir auch in diesem Punkt breite Unterstützung bekommen. Ich glaube, niemand hat Interesse, dass das Geld woanders hinfließt, sondern wir brauchen es dort, wo es benötigt wird, nämlich bei den Kameradinnen und Kameraden.

Ich sage noch einmal: Herzlichen Dank, und ich hoffe auf breite Unterstützung! Vielen Dank, und ich hoffe auch, dass die Einsätze für die KameradInnen auch in diesem Jahr noch ohne Unfall und ohne Katastrophen im eigenen Verband erfolgen werden. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

21.36


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Abgeordnete Doppelbauer ist zu Wort ge­meldet. – Bitte.


21.36.07

Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Herr Präsident! Herr Staats­sekretär! Hohes Haus! Ja, wir haben es jetzt schon mehrmals gehört: Es geht hier um Mittelaufstockungen des Katastrophenfonds um 20 Millionen Euro pro Jahr, um eben damit mehr Geld zu den österreichischen Feuerwehren zu bringen.

Ich sage es auch ganz ehrlich: Ich glaube, jeder, der uns kennt, weiß, dass wir Zweck­zuschüssen immer sehr, sehr kritisch gegenüberstehen. Wir sind prinzipiell immer der


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Meinung, dass die Kernaufgaben von den Ländern erledigt werden sollen, die Finan­zierung über die Länder erfolgen sollte – über die Ertragsanteile und über die Landes­budgets –, und sind deswegen, noch einmal, wirklich sehr, sehr kritisch, wenn es um Zweckzuschüsse geht, die vom Bund weitergegeben werden.

Warum sehen wir es hier aber anders? – Weil die Feuerwehren – und ich möchte hier in das einstimmen, was vorhin auch schon gesagt worden ist – wirklich eine ganz, ganz wichtige Aufgabe haben – am Land und natürlich auch in den Städten.

Vor allem am Land – ich komme auch aus einer sehr kleinen Gemeinde – ist es natürlich schon so, dass da Aufgaben übernommen werden, die weit von dem entfernt sind, was man sich oft vorstellen kann. Ich erinnere mich an einen Feuerwehrmann, der einen 50-Kilo-Hund aufgefangen hat, weil der von einem Dach gestürzt ist, natürlich bis hin zu den Aufgaben im Zusammenhang mit dem Löschen von Bränden, die hoch gefährlich sind; da wird auch sehr viel trainiert, in die Ausbildung investiert, und da geht auch sehr viel Zeit der Feuerwehrfrauen und Feuerwehrmänner drauf, die sich ausbilden lassen. Meine Feuerwehr liegt zum Beispiel nahe an einer Bundesstraße und sie sind halt wirklich ganz oft die Ersten bei Unfällen. Das ist ehrlich gesagt auch eine sehr herausfordernde Auf­gabe, die da wahrgenommen wird. Ich gehe dabei noch gar nicht auf den Klimawandel ein; das hat der Kollege auch schon sehr gut ausgeführt.

Noch einmal: Aufgrund dieser Wichtigkeit der Übernahme dieser Aufgaben, die so vielfältig sind, erfolgt da unsere Meinungsänderung, deswegen auch von unserer Seite ein Pro für diese Zuschüsse, diese 20 Millionen Euro, die da ausgegeben werden.

Was uns aber auch wichtig ist – auch das möchte ich sagen –: Es geht immer noch ums Budget, und was uns hier insgesamt fehlt, ist, dass man einfach einmal eine Analyse macht, nämlich wirklich eine Analyse, ob diese zusätzlichen Steuermittel auch so zielge­richtet eingesetzt werden können, wie sie sollten.

Was meinen wir da? – Es gibt sehr viele Möglichkeiten, da als Feuerwehren zusam­men­zuarbeiten. Es gibt zum Beispiel im Bezirk Grieskirchen ein Projekt, im Rahmen dessen sich jetzt mehrere Feuerwehren ein Logistikfahrzeug teilen. Das sind natürlich Modelle, die sehr viel Sinn machen, weil man da natürlich die Kosten aufteilt und dann diese durchaus teuren Gefährte letztendlich auch sehr effizient einsetzt. Das wäre also unser Wunsch, dass das noch zusätzlich passiert. Ansonsten: Wir werden diesem Antrag hier zustimmen. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

21.39


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet hat sich der Herr Staats­sekretär. – Bitte sehr.


21.39.22

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Florian Tursky, MBA MSc: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Wir beschließen heute hier zwei wichtige Gesetzespakete für die österreichischen Regionen: einerseits 500 Mil­lionen Euro Investitionspaket als Zweckzuschuss für die Bundesländer und andererseits zusätzliche Mittel für die Feuerwehren aus dem Katastrophenfonds.

Zuerst zu den Feuerwehren: Uns allen ist bewusst, und es wurde gerade auch von allen Fraktionen hier im Nationalrat bekräftigt: Die Feuerwehren leisten eine unendlich tolle Aufgabe, nicht nur bei der Brandbekämpfung, auch bei Naturkatastrophen müssen sie leider zunehmend ausrücken. Ich möchte auch allen Feuerwehrfrauen und ‑männern in unserem Land für die wirklich unglaubliche Unterstützung und Arbeit, die sie hier leisten, recht herzlich danken. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.) Daher sind auch diese 20 Millionen Euro für Investitionen, insbesondere bei der Anschaffung von Einsatzfahrzeugen, sehr wichtig.


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Es freut mich ganz besonders, dass ich heute dazu sprechen darf, weil ich davor bei den Verhandlungen auf der anderen Seite involviert war: Es geht um die 500 Millionen Euro für die österreichischen Bundesländer im Rahmen des Zweckzuschussgesetzes, aufgeteilt nach dem Bevölkerungsschlüssel, wie bereits mehrfach erwähnt. Hintergrund dessen ist der EU-Aufbau- und Resilienzfonds. Da leisten auch die Bundesländer einen Anteil, was die Beiträge Österreichs betrifft. Die Bundesländer bekommen dann auch wieder etwas zurück – 500 Millionen Euro aufgeteilt nach dem Bevölkerungsschlüssel.

Das ist ein weiterer wichtiger Baustein zur Unterstützung der Länder und Gemeinden. Wie Sie alle wissen und hier im Hohen Haus auch beschlossen haben, haben wir bereits in den letzten beiden sehr herausfordernden Jahren milliardenschwere Hilfszahlungen für die Gemeinden und die Länder in Österreich geleistet. Deshalb bitte ich Sie alle um Unterstützung für diese beiden Gesetzespakete im Interesse der Gemeinden und Regionen. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

21.41


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Hofinger. – Bitte.


21.41.39

Abgeordneter Ing. Manfred Hofinger (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist ein schöner Tag für mich als Bürgermeister, als Gemeindesprecher, weil wir heute für die Gemeinden Investitionen in die Sicherheit der Bürger beschließen können.

Grundsätzlich war ich im Finanzausschuss sehr positiv gestimmt, weil es eigentlich eine große parteiübergreifende Zustimmung dafür gab. Es sind Investitionen in die Sicherheit, einerseits in die Feuerwehren mit 20 Millionen Euro und andererseits über den Recoveryfund, den Wiederaufbaufonds, von 500 Millionen Euro für die Länder – davon erhält Oberösterreich 82,3 Millionen Euro. Die 20 Millionen Euro für die Feuerwehren sind ganz, ganz wichtig, und insgesamt werden durch diese zwei Punkte Akzente in den ländlichen Gemeinden, in den ländlichen Regionen gesetzt. Es werden auch Projekte wieder aufgenommen, die man aufgrund von Corona nicht durchführen konnte.

Gerade in den vergangenen Wochen haben wir wieder gesehen, wie es in Kärnten, in Oberösterreich aufgrund der Unwetter zugegangen ist. Wer waren die Ersten, die bei diesen Unwettern waren? – Das waren unsere Feuerwehren, unsere freiwilligen Feuer­wehren, das waren Tausende Ehrenamtliche, die sich für die Mitmenschen eingesetzt haben, und sie leisten wirklich Hervorragendes. Ich möchte mich auch noch einmal recht herzlich dafür bedanken, dass sie sich für unsere Mitmenschen, unsere Gesellschaft so eingesetzt haben und auch in Zukunft einsetzen werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Unsere Feuerwehren sind sehr gut organisiert. Sie leisten Großartiges. Aufgrund ihrer doch eher kleineren Strukturen sind sie auch sehr schlagkräftig. Bei diesen Einsätzen brauchen sie natürlich modernes Gerät, genau das unterstützen wir damit. Sie leisten in der Gesellschaft, in den Gemeinden und auch in der Jugendarbeit sehr viel.

Eines möchte ich vielleicht vom Finanzausschuss noch mitnehmen und hier einbringen. Herr Lercher von der SPÖ hat das ein bisschen richtiggestellt, aber ich habe nicht verstanden, dass im Finanzausschuss seitens der SPÖ und den NEOS folgende Aus­sagen getroffen worden sind: Die Feuerwehren kosten zu viel Geld, das Geld wird falsch eingesetzt und die Feuerwehren sind zu klein strukturiert und gehören umgebaut. (Zwi­schenrufe der Abgeordneten Doppelbauer und Lercher. – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)


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Also das ist etwas, was ich überhaupt nicht verstehen kann. Ich habe das auch im Finanzausschuss schon gesagt und darauf hingewiesen. Ich verstehe das als Ge­meindesprecher überhaupt nicht, noch dazu, wo die Feuerwehren so großartige Arbeit für uns leisten. Ich habe es auch nicht verstanden, dass Sie vonseiten der SPÖ in Social Media eine Aussendung gemacht haben, in der Sie geschrieben haben, die ÖVP und die Grünen würden sich gegen diese Investitionen für die Feuerwehren stellen.

Geschätzte Damen und Herren! Der zweite wesentliche Punkt, die Investitionen des Re­silienzfonds in unsere Länder, wird auch bei unseren Gemeinden ankommen. Die Inves­titionen werden in den Bereichen digitaler Wandel, Bildung, Soziales und Wirtschaft getätigt und können dort eingesetzt werden. Ich glaube, sie werden auch sehr, sehr gut verwendet. (Zwischenruf des Abg. Matznetter.)

In diesem Sinne möchte ich mich beim Finanzministerium nochmals recht, recht herzlich für die gute Zusammenarbeit auch zwischen dem Bund und den Ländern bedanken. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

21.45


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Kollross. – Bitte.


21.45.25

Abgeordneter Andreas Kollross (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Wie alle Parteien und alle Vorrednerinnen und Vorredner kann auch ich dieser Gesetzesvorlage und dieser Auf­stockung etwas abgewinnen und werde natürlich auch zustimmen. Ich finde, das ist eine positive Weiterentwicklung für das Feuerwehrwesen.

Wenn ich mir aber eines erlauben darf anzumerken: Wenn man beim Einbringen des Abänderungsantrages durch den Kollegen Wöginger zugehört hat, muss man hinsicht­lich des Gesetzes schon festhalten: Warum einfach, wenn es kompliziert auch geht? Weil: Einfach wäre, dass man eine Mehrwertsteuerbefreiung (Abg. Wöginger: Und rechtswidrig!) für die Anschaffung von Feuerwehrgerätschaften macht, anstatt hier so ein kompliziertes Konstrukt zu schaffen, das auch noch dazu beiträgt, dass es keine einheitliche Regelung in dieser Republik gibt, sondern dass letztendlich Gelder an die Bundesländer ausgeschüttet werden und jedes Bundesland für sich entscheiden kann, in welcher Form und in welcher Höhe es die Feuerwehren unterstützt.

Über die Mehrwertsteuerbefreiung, die auch vom Bundesfeuerwehrverband positiv be­wertet und begrüßt wird, wollte man aber nicht einmal im Petitionsausschuss sprechen. Da hat es ja eine Petition gegeben, aber wie so oft im Petitionsausschuss ist es so, wenn die Stellungnahmen alle eingelangt sind und wenn es darum geht, in einem Fach­ausschuss weiter darüber zu diskutieren, wird es enderledigt und zur Kenntnis genommen, und man ist nicht bereit, diese Petition weiter in einem Fachausschuss zu behandeln.

Deshalb gibt es jetzt dieses Gesetz, das natürlich eine positive Geschichte ist, aber einfacher wäre wie gesagt eine Mehrwertsteuerbefreiung und eine Regelung quer über die gesamte Republik gewesen und nicht von Bundesland zu Bundesland unter­schied­lich. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn wir aber schon bei den Feuerwehren und bei den Blaulichtorganisationen sind, dann möchte ich zumindest auch noch anmerken, dass wir noch immer nicht von der Regierung gehört haben, wie sie die Frage der Teuerung im Bereich der Blaulicht­organisationen, im Bereich der Pflegedienste, im Bereich der Rettungsorganisationen lösen will. Wir wissen ja mittlerweile, wie sie die Frage der Teuerung bei den Menschen


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nicht löst, aber wir wissen jetzt gleichzeitig auch, dass es für die Blaulichtorganisationen, für die Pflegedienste, für die Rettungsorganisationen noch überhaupt keine Antwort gibt.

Sie leiden auch massiv unter dieser Teuerung, wenn ich mir nur die Rettungsorga­nisa­tionen anschaue, wenn ich mir die mobilen Pflegedienste anschaue, die alle jetzt alleine an der Tankstelle um 50 Prozent höhere Kosten, aber um keinen Cent mehr Einnahmen haben. Irgendwann muss man doch auch vonseiten der Regierungsparteien erkennen, dass sich das bald nicht mehr ausgehen wird und dass es da eine Antwort und eine Lösung braucht. (Beifall bei der SPÖ.)

Vielleicht kann unser Antrag eine Lösung sein, nämlich indem die Regierung endlich beginnt, darüber nachzudenken. Deshalb bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Andreas Kollross, Kolleginnen und Kollegen betreffend „dringend finanzielle Maßnahmen für gemeinwohlorientierte Organisationen“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Finanzminister wird aufgefordert, dem Natio­nalrat umgehend ein Gesetzespaket vorzulegen, mit welchem den Rettungs-, Gesund­heits- und Sozialorganisationen die durch die dramatischen Preiserhöhungen gestiegenen Kosten nachhaltig zur vollständigen Aufrechterhalten ihrer gemeinwohlorientierten Leis­tungen abgegolten werden.“

*****

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es wäre an der Zeit, endlich über dieses Thema nachzudenken und unsere Blaulichtorganisationen, die mobilen Pflegedienste dementsprechend finanziell zu unterstützen, wenn wir wollen, dass unsere Sicherheit auch weiterhin gewährleistet ist. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

21.49

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Andreas Kollross,

Genossinnen und Genossen

betreffend dringend finanzielle Maßnahmen für gemeinwohlorientierte Organisationen

eingebracht im Zuge der Debatte zu Top 29 Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 2647/A der Abgeordneten August Wöginger, David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Katastrophenfondsgesetz 1996 und das Finanzausgleichsgesetz 2017 geändert werden (1590 d.B.)

Begründung

In den vergangenen zwei Jahren hat die größte Gesundheitskrise unserer Zeit gra­vierende Auswirkungen auf das Leben der Menschen in Österreich. Im heurigen, nunmehr dritten, Krisenjahr sind die finanziellen Konsequenzen durch die abrupten Preissteigerungen für die Budgets der Rettungs-, Gesundheits- und Sozialorgani­satio­nen dramatisch.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 318

Die außerordentlichen Preissteigerungen der vergangenen Monate verschärfen die Situation für NGOs nicht nur bei den Treibstoffen, sondern in jedem Bereich. Im Juni 2022 liegt die Inflation bei 8,7%, das ist der höchste Wert seit 19751. Sogar die Sozialmärkte, die um 30% mehr Kund*innen haben, da zunehmend mehr Menschen durch die Inflation armutsgefährdet sind, kämpfen selbst mit immer höheren Kosten.

Die gemeinwohlorientierten NGOs sind für das örtliche Zusammenleben besonders wichtig. Wenn aber die laufenden Kosten für die Rettungsorganisationen oder mobile Pflege so stark ansteigen, dass auch Gemeinden diese zusätzlichen finanziellen Be­lastungen der Vereine nicht mehr abdecken können, dann sind z.B. die mobile Pflege und andere soziale Leistungen, wie Essen auf Rädern, oder das Rettungswesen selbst gefährdet. Es sind daher akut finanzielle Maßnahmen zur Teuerungsbekämpfung und Aufrechterhaltung des kommunalen Lebens erforderlich.

Aus diesen Gründen stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag

„Die Bundesregierung, insbesondere der Finanzminister wird aufgefordert, dem Natio­nalrat umgehend ein Gesetzespaket vorzulegen, mit welchem den Rettungs-, Ge­sundheits- und Sozialorganisationen die durch die dramatischen Preiserhöhungen gestiegenen Kosten nachhaltig zur vollständigen Aufrechterhalten ihrer gemeinwohl­orien­tierten Leistungen abgegolten werden.“

1https://www.statistik.at/fileadmin/announcement/2022/06/20220701VPISchnellschaetzerJuni2022.pdf

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ausreichend unterstützt, ord­nungs­gemäß eingebracht und steht in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Kainz. – Bitte sehr.


21.49.37

Abgeordneter Alois Kainz (FPÖ): Herr Vorsitzender! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kollegen! Werte Zuseher! Die heutige Debatte über die Feuerwehren, über die Budget­erhöhung aus dem Katastrophenfonds ab 2022 mit 20 Millionen Euro ist aus meiner Sicht längst überfällig.

Die Feuerwehren – das muss man einmal sagen beziehungsweise haben es eh schon alle gesagt – leisten Großartiges und sollen nicht immer nur als Bittsteller dastehen müs­sen, wenn sie für uns tätig sind, ihre Freizeit opfern, in ihrer Freizeit ihre Ausbildungen machen, in den Betrieben, in den Familien fehlen, wenn sie für unsere Sicherheit unterwegs sind und sich weiterbilden und fortbilden, nur dafür, dass sie uns eine gewisse Sicherheit bieten können. (Beifall bei der FPÖ.)

Erst letztes Jahr wurde meine Heimatgemeinde Allentsteig von einem massiven Hagel­unwetter heimgesucht, bei dem wirklich 5 Zentimeter große Hagelkörner Hunderte Hausdächer zerstört haben, Autos zerstört haben, alles war kaputt. Wer war da zur Stelle, rund um die Uhr, wochenlag im Einsatz? – Die freiwilligen Feuerwehren, auf die ist immer Verlass. Eines muss man dazusagen: Wären die Feuerwehren nicht da ge­wesen und so prompt rund um die Uhr verlässlich im Einsatz gewesen, es wäre das absolute Chaos in der Gemeinde ausgebrochen. Da möchte ich noch einmal bei dieser


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Gelegenheit allen Feuerwehren aus der Gemeinde, aus den Anrainerbezirken ein herzliches Danke sagen. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir sind ja in Allentsteig nicht verschont geblieben. Vor zwei Monaten war ein riesiger Großbrand am Truppenübungsplatz Allentsteig. Wer war zur Stelle? – Die Truppen­übungsplatzfeuerwehr war eigentlich nur ein Hilfesteller, während die freiwilligen Feuer­wehren diese Unterstützung souverän geleistet haben. Wir waren wieder auf die Feuer­wehren angewiesen, und da möchte ich auch noch einmal sagen: ein herzliches Dankeschön an die freiwilligen Feuerwehren. (Beifall bei der FPÖ.)

In Österreich gehören 99 Prozent der Mitglieder der Feuerwehren zu freiwilligen Feuer­wehren, 1 Prozent gehört zur Berufsfeuerwehr. Auch möchte ich an dieser Stelle noch einmal unseren Kameraden aus dem Abschnitt Allentsteig, den Feuerwehren Groß­haselbach, Merkenbrechts und Scheideldorf, die sich durch ihre Übungen jetzt für den Bundesleistungsbewerb hervorragend qualifiziert haben, sagen: eine souveräne Leis­tung, dass man da überhaupt hineinkommt, dass man beim Bundesfeuer­wehrver­bandleistungsbewerb antreten darf. Da möchte ich auch noch einmal Danke sagen.

Im Sinne unserer Bevölkerung bin ich wirklich froh, dass wir diese Novelle über alle Fraktionen hinweg einstimmig beschließen können, im Sinne der Gemeinden, der Feuer­wehren und für die Sicherheit unserer Bevölkerung. (Beifall bei der FPÖ.)

Meine Bedenken gehen aber dahin: Ich habe ein bisschen Zweifel, ob wir im Zuge all dieser Teuerungen, der Krise mit den 20 Millionen Euro wirklich ein Auslangen finden – nicht dass dann wieder einige Feuerwehren als Bittsteller dastehen müssen, weil die Budgetaufstockung doch zu wenig war, und man auf der Strecke bleibt, das sollte nicht eintreten. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

21.53


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Götze. – Bitte.


21.53.06

Abgeordnete Dr. Elisabeth Götze (Grüne): Herr Vorsitzender! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ja, auch ich spreche über die Feuer­weh­ren. (Beifall bei den Grünen sowie der Abgeordneten Gabriela Schwarz und Wöginger.)

Als begeisterte Kommunalpolitikerin weiß ich, wie wichtig die Feuerwehren für die Orte sind, einerseits natürlich weil sie Brände löschen, aber auch weil sie wirklich zunehmend für den Katastrophenschutz verantwortlich sind, bei Hochwasser, Vermurungen, Un­fällen werden Feuerwehren gerufen. Und man muss wirklich sagen, von den insgesamt 4 800 Feuerwehren in Österreich sind 4 500 freiwillige Feuerwehren, also das ist eine unglaubliche Zahl. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

4 500 freiwillige Feuerwehren, dann gibt es noch einmal rund 300 Betriebsfeuerwehren und nur sechs Feuerwehren in den großen Städten sind Berufsfeuerwehren. Es ist also ein Großteil Freiwilligenarbeit, daher sind die Feuerwehren auch so ein integrativer Faktor im Ort, und jetzt möchte ich doch die Gelegenheit nutzen und auch die einzige Feuerwehr in meinem Heimatort Eichgraben erwähnen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich wurde schon bedauert, weil wir nur eine Feuerwehr haben, viele Orte haben ja zwei oder mehrere, aber Österreich - - (Unruhe im Saal. – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen. – Abg. Fischer – in Richtung der sich zum Präsidium wendenden Rednerin –: Damit du reden kannst!) – Ach so. Eichgraben hat aber nur eine, dafür gibt es inzwischen auch wirklich viele Frauen – also Mädels, Nachwuchs –, und das finde ich ganz toll, das ist nicht selbstverständlich. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)


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Wenn wir die Feuerwehren unterstützen, dann unterstützen wir damit auch die Ge­meinden, weil die Gemeinden für die Erhaltung der Feuerwehren verantwortlich sind. Insofern ist das eine Gemeindeunterstützung.

Erwähnen möchte ich aber doch noch die Länderunterstützung, die wir in noch viel größerem Ausmaß unter diesem Tagesordnungspunkt beschließen: Das sind 500 Mil­lionen Euro Zweckzuschuss für die Länder. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeord­neten der ÖVP.)

Das zeigt, dass wir trotz Pandemie und trotz der schwierigen Situation für die Ge­meinden, für die Länder wirklich viel tun. Ein Zweckzuschuss ist es deswegen, weil die Gelder aus dem ARF, also aus dem EU-Fonds, kommen und daher auch zweck­gewidmet sind, unter anderem für Kinderbetreuungsangebote, für Maßnahmen zur Stärkung des öffentlichen und klimaschonenden Verkehrs, aber auch für Soziales und für Gesundheit. Das sind also lauter wichtige Dinge, die in den Ländern passieren werden – ich sage einmal nur zum Beispiel Communitynurses –, und dafür brauchen die Länder Geld, dafür bekommen sie Geld. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

21.56


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Eßl. – Bitte.


21.56.37

Abgeordneter Franz Leonhard Eßl (ÖVP): Herr Präsident! Meine geschätzten Damen und Herren! Je später der Abend, desto mehr Überraschungen erlebt man. Erstens einmal geht Kollege Angerer heraus und sagt, dass laut Angebot ein Feuerwehrfahrzeug 330 000 Euro gekostet hat, jetzt kostet es 400 000, und das ergäbe eine Steigerung von 30 Prozent. Man muss nicht Prof. Taschner heißen, um zu wissen, dass das knapp über 20 Prozent, genau 21,21 Prozent, sind. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP. Heiterkeit des Abg. Angerer.)

In einem anderen Punkt, Herr Kollege Angerer, muss ich dir auch Aufklärung geben. Wenn du in deinem Antrag 25 Millionen Euro zur Wiederherstellung der Infrastruktur forderst: Das kommt automatisch, sobald das Land Kärnten einen Antrag an den Bund stellt, und der ist nicht da. (Zwischenruf des Abg. Angerer.) An und für sich wird es dann mit der bestehenden gesetzlichen Regelung und mit der finanziellen Abdeckung aus dem Budget sofort erledigt. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Prammer.)

Zu Kollegen Kollross, der die Petition betreffend Mehrwertsteuerbefreiung (Zwischenruf des Abg. Matznetter) angesprochen hat, muss ich sagen: Herr Kollross, du weißt selbst, dass eine Mehrwertsteuerbefreiung EU-rechtswidrig ist (Abg. Kollross: Rückerstattung! Der Wöginger hat eh gesagt, dass es Niederösterreich macht! Redet miteinander!) und wir alles, was derzeit zur Finanzierung der Feuerwehren möglich ist, mit diesem Gesetz machen. (Abg. Kollross: Rückerstattung! Warum kann’s Niederösterreich machen?)

Insgesamt gibt es noch eine Überraschung: der plötzliche Sinneswandel der SPÖ. Im Ausschuss hat es noch anders geklungen. Damals hat Kollege Krainer geredet, und ich erspare Ihnen, vorzulesen, was er da gesagt hat. Umso mehr überrascht es mich, dass Kollege Lercher heute eine Brandrede für die Feuerwehr gehalten hat, und es freut mich, dass er dem zustimmt, was wir jetzt beschließen wollen (Zwischenruf des Abg. Lercher Rufe bei der ÖVP: Bravo, Lercher!), nämlich die Änderung des Katastrophen­fondsgesetzes, wodurch wir 20 Millionen Euro pro Jahr für die Feuerwehren zur Ver­fügung stellen.

Warum machen wir das? – Weil die Teuerung auch vor den Einsatzorganisationen nicht Halt macht und es wichtig ist, dass wir vornehmlich die Freiwilligeneinsatzorganisationen unterstützen, weil sie eine wesentliche Stütze für das Land sind. Es geht darum, Geld


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für die Einsatzfahrzeuge zur Verfügung zu stellen, denn das ist die Ausrüstung, das ist die Sicherheit für die betreffenden Einsatzkräfte (Abg. Lausch – in Richtung ÖVP –: Was schickts ihn raus?!), und der Dank gebührt diesen Feuerwehrleuten. Wir machen es heute im Bund mit 20 Millionen Euro pro Jahr. Ich persönlich mache das öfter und zahle der Feuerwehr Tamsweg ein Fass Bier, das ist notwendig. (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP sowie Beifall der Abgeordneten Voglauer und Weratschnig.)

Wenn man zehn Tage zurückschaut, sieht man, dass es nicht nur in Kärnten, nicht nur in der Steiermark, sondern auch in meinem Heimatbezirk Schäden gab. Dank der Feuerwehr konnten nicht nur Schäden behoben werden, sondern gerade in meinem Heimatort auch Schäden vermieden werden. – Und dafür recht, recht herzlichen Dank! (Abg. Lausch: Das ist eine einstimmige Materie! – Zwischenruf des Abg. Loacker.)

Insgesamt und abschließend darf ich feststellen, dass dieser Vorschlag eine Milderung der Teuerung bedeutet, und diese Regierung setzt Maßnahmen, um die Teuerung abzu­mildern. Das ist ein guter Vorschlag, und darum stimmen wir alle diesem Vorschlag zu. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. Abg. Michael Hammer: Jawohl!)

22.00


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Abgeordneter Angerer zu Wort gemeldet. – Bitte.


22.00.27

Abgeordneter Erwin Angerer (FPÖ): Herr Präsident! Kollege Eßl hat gerade gemeint, dass ich nicht rechnen kann und Prof. Taschner ausgerechnet hat, dass es nur 21 Pro­zent sind. – Ich berichtige tatsächlich, ich tue das ungern bei einem Professor: Aber es macht einen Unterschied, ob man die Prozente von unten rauf oder von oben runter rechnet (Beifall bei der FPÖ Heiterkeit und Ah-Rufe bei der ÖVP), und deswegen habe ich circa 330 000 Euro gesagt. Ich habe es nicht mehr ganz genau im Kopf, aber über 400 000 Euro sind es, also es sind 30 Prozent. (Beifall bei der FPÖ. – Bravoruf bei der ÖVP. – Heiterkeit und Zwischenrufe der Abgeordneten Eßl und Wöginger.)

22.00


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Köchl. – Bitte.


22.01.01

Abgeordneter Klaus Köchl (SPÖ): Geschätzter Herr Präsident! Geschätzte Kolle­ginnen und liebe Kollegen! Wenn ich jetzt Herrn Abgeordneten Eßl zugehört habe und es den meisten Applaus von der ÖVP gegeben hat, weil man der Feuerwehr ein Fass Bier spendiert, dann möchte ich den Feuerwehrmännern und Feuerwehrfrauen den Applaus dafür geben, dass sie täglich für uns da sind, und zwar freiwillig. Ich glaube, dafür gebührt ihnen ein Applaus. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP, FPÖ, Grünen und NEOS.)

Ich möchte heute allen Kolleginnen und Kollegen eine Weltuntergangsstimmung im Gegendtal in Kärnten etwas näherbringen. Um zwei Uhr in der Früh sind der Pöllinger Bach und der Treffner Bach innerhalb weniger Sekunden zu reißenden Flüssen gewor­den, sind angestiegen und haben eine Schlammlawine ausgelöst und alles mitgerissen, was im Weg war. Ich kann euch sagen, das hat so ähnlich ausgeschaut wie die Bilder vom Krieg in der Ukraine. Deshalb bitte ich, dass dieser Antrag, den die Freiheitliche Partei und die SPÖ heute hier einbringen, von allen hier in diesem Haus unterstützt wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Unser Landeshauptmann Dr. Peter Kaiser (Zwischenruf des Abg. Loacker – Heiterkeit des Abg. Wöginger) war im Ausschuss der Regionen in Brüssel. Er ist sofort umgekehrt


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und nach Kärnten zurückgeflogen. Der Katastrophenschutzbeauftragte Daniel Fellner war sofort vor Ort. Sie haben dort alles ausgezeichnet gemanagt, gemeinsam mit der Zivilbevölkerung, mit den Feuerwehren, mit den 100 Soldaten, denen wir als Nationalrat wahrscheinlich in Vertretung der Ministerin den Auftrag gegeben haben, damit da geholfen werden kann, und das hat alles ausgezeichnet funktioniert. Ich kann hier dem Nationalrat berichten, dass das Krisenmanagement in Kärnten funktioniert hat. Und das, glaube ich, ist etwas ganz, ganz Wesentliches. (Beifall bei der SPÖ.)

Für uns wird das jetzt wichtig sein, denn so etwas hat es in der Geschichte Kärntens hinsichtlich einer Umweltkatastrophe noch nie gegeben, deshalb ersuche ich euch wirklich: diese Anträge ernst zu nehmen, dieses Geld in die Hand zu nehmen und Kärnten zu unterstützen. Es war auch der Bundeskanzler selbst dort und hat sich ein Bild davon gemacht und hat Unterstützung zugesagt. Gerade in so einer Phase bitte ich um Unterstützung – und das nicht nur mit einem Fass Bier, sondern mit den nötigen Geldmitteln. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Angerer.)

22.03


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu der nächsten tatsächlichen Berichtigung hat sich Abgeordneter Lercher zu Wort gemeldet. – Bitte sehr.


22.03.59

Abgeordneter Maximilian Lercher (SPÖ): Abgeordneter Eßl hat behauptet, dass die Sozialdemokratie im Ausschuss gegen diese Vorlage war. (Abg. Zarits: Das hat er nicht gesagt! Das hat er nicht gesagt!)

Ich berichtige tatsächlich: Im Ausschuss wurde der Gesetzentwurf einstimmig be­schlossen. Das kommt raus (Abg. Zarits: Das hat er nicht gesagt!): Sie reden immer von Zusammenarbeit und dann machen Sie so eine Aktion. Schämen Sie sich! (Beifall bei der SPÖ. Abg. Zarits: Das hat er nicht gesagt! Abg. Eßl: Das habe ich nicht gesagt! Ruf bei der ÖVP: Und außerdem heißt er Eßl und nicht ...! – Heiterkeit und weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

22.04


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Baumgartner. – Bitte.


22.04.37

Abgeordnete Angela Baumgartner (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staats­sekretär! (Rufe und Gegenrufe zwischen den Abgeordneten Wöginger und Lercher.) Wenn vielleicht Ruhe einkehrt (Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen), dann könnte ich mit meinen Ausführungen beginnen. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ. – Abg. Wöginger: ... Bürgermeisterin!) – Genau, das ist bei uns bei den Gemeinderatssitzungen auch so. Da ist Ruhe, wenn die Bürger­meisterin redet! (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP sowie Heiterkeit bei Abgeordneten von SPÖ, FPÖ und Grünen.)

Ich glaube, dass wir uns alle hier einig darüber sind, dass die freiwilligen Feuerwehren eine wichtige Einrichtung sind. Mit über 350 000 Mitgliedern leisten die heimischen freiwilligen Feuerwehren einen wertvollen Beitrag für die Gesellschaft und sind ein Garant für rasche Hilfeleistung im Notfall. Mit der Novelle des Katastrophen­fonds­ge­setzes werden den Ländern jährlich 20 Millionen Euro zur Verfügung gestellt.

Ich muss ehrlich sagen, dass ich mich über manche Äußerungen im Finanzausschuss gewundert habe. Kollege Krainer von der SPÖ hat gemeint, dass die Feuerwehren überstrukturiert sind und dass das alles überhaupt nicht notwendig ist, auch nicht so viel Geld. Auch die NEOS sind der Meinung, dass ein Benchmark gesetzt werden müsste


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und dass es unverständlich ist, dass Gemeinden mit 2 000 Einwohnern drei Feuer­wehren haben (Abg. Doppelbauer: Oder vier!) – oder vier Feuerwehren, ja.

Ich kann nur von meiner Gemeinde reden: Wir haben 1 200 Einwohner, wir haben vier Katastralgemeinden und drei Feuerwehren, und ich muss Ihnen ehrlich sagen: Jeder einzelne Cent ist es wert, ihn in die Feuerwehr zu investieren. (Beifall und Bravoruf bei der ÖVP, Beifall bei Abgeordneten der Grünen sowie des Abg. Amesbauer.)

Wie Sie wissen, gibt es eine Mindestausrüstungsverordnung, und diese legt fest, wie viel wann welche Feuerwehr Anschaffungen zu tätigen hat, wann und welches Feuer­wehrauto anzuschaffen ist. Die Gemeinden können sich darauf einstellen, sie sparen darauf hin, sie richten sich nach den Bedarfszuweisungen, und auch die Feuerwehren wissen aufgrund der Mindestausrüstungsverordnung, wann sie ein Feuerwehrauto anschaffen können.

Ich erzähle Ihnen eine Geschichte von Markus Unger, meinem Bezirksfeuer­wehrkom­mandant-Stellvertreter. Er war bei einer internationalen Übung in Kroatien, bei der sehr viele Feuerwehren waren, und auf einmal ist die Sirene losgegangen. Sie sind alle in den Ort gelaufen und haben geschaut, was los ist. Dort sind die Einheimischen ge­standen und haben geschaut, und unsere Feuerwehrmänner haben gesagt: Was passiert da? Warum kommt die Feuerwehr nicht? Dann haben die Einheimischen gesagt: Die nächste Feuerwehr ist 50 Kilometer weit weg. – So viel also zum Thema Überstrukturiertheit. Ich meine, wir können wirklich froh sein, dass wir bei uns so ein dichtes Netz an Feuerwehren haben. (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP sowie Beifall bei Abgeordneten der Grünen.)

In den Gemeinden geht das Engagement der Feuerwehr weit über ihre ureigenste Aufgabe hinaus. Die Kameraden und Kameradinnen sind da, wenn es brennt, wenn ein Unfall passiert, wenn Unwetterkatastrophen passieren, und sie unterstützen den Ret­tungsdienst. Und, meine Damen und Herren, sie organisieren Feste und helfen mit bei anderen Vereinen, Feste zu organisieren (Zwischenruf des Abg. Lausch) – und das ist ein großer Beitrag für unser gesellschaftliches Leben am Land. Das können Sie sich vielleicht nicht vorstellen, aber wir sind froh, dass wir die Feuerwehren haben.

Sie sehen also: Ohne die Feuerwehren geht gar nichts. Deshalb ist es richtig und wichtig, die Strukturen der Feuerwehren so lange wie möglich aufrechtzuerhalten.

Heute möchte ich mit einem großen Dank an alle Feuerwehrkameradinnen und -kame­raden schließen. – Danke schön. (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP sowie Beifall bei Abgeordneten der Grünen.)

22.08


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Zanger. – Bitte.


22.08.49

Abgeordneter Wolfgang Zanger (FPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Während wir hier zweifellos vernünftige Unterstützungsleistungen für Einsatz­kräfte, insbesondere für die Feuerwehren, beschließen, sind in meiner Region Hun­dertschaften an Einsatzkräften von Feuerwehr, Polizei, Rettung, Bundesheer im Einsatz. Aber keine Sorge, es ist kein Katastrophenfall, sondern eigentlich etwas sehr Schönes: Sie sorgen nämlich für die Sicherheit der Hunderttausenden Besucher bei der Formel 1 in Spielberg.

Ich muss sagen: Für diese Professionalität, die diese Einsatzkräfte bei der Erstellung von Verkehrsleitkonzepten, von Sicherheitskonzepten et cetera an den Tag legen, ge­meinsam mit dem Veranstalter und der Bezirksverwaltungsbehörde, gehört einmal


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 324

Respekt und Wertschätzung ausgedrückt. Die machen das schon seit Jahren und sind echte Profis. (Beifall bei FPÖ und ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ und Grünen.)

Es kommt ja dann in wenigen Wochen noch einmal dasselbe auf sie zu, nämlich der Einsatz rund um die Moto-GP. Da gibt es ebenfalls wieder Hunderttausende Besucher in der wunderschönen Region Murtal – ein Besuch dort lohnt sich übrigens einmal, es ist echt eine lässige Veranstaltung, und wer das nicht gesehen hat, soll das bitte einmal nachholen. Wir haben auch wunderbare Unterkünfte und ein hervorragendes, liebes steirisches Personal dort. Kommt einmal in die Region, schaut euch das an!

Eine Veranstaltung haben wir dann auch noch im September, und da war die Frei­heitliche Partei die einzige, die von Anfang an dafür eingetreten ist, dass sie stattfindet, nämlich die wunderbare Airpower am Militärflughafen in Zeltweg. Und da muss ich sagen, Max Lercher, ich bin von dir enttäuscht, dass du deine Bürgermeister da drinnen versammelst, unter dem Vorwand eines Krieges in der Ukraine hergehst und sagst: Wir brauchen keine Airpower, denn da wird Kriegsgerät und weiß der Teufel was gezeigt! – Das ist kommunistische Agitation! Das hast du ja nicht notwendig! Das hast du nicht notwendig! (Beifall und Bravorufe bei der FPÖ sowie Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Leider Gottes, das muss ich auch sagen, hat man dazu von der ÖVP überhaupt kein Wort gehört. Da hat sich keiner, wurscht, von welcher Ebene, von Gemeindeebene, Landesebene oder auch Bundesebene, positiv dazu geäußert und gesagt, dass diese wunderbare Flugveranstaltung, die eine Wertschätzung gegenüber unseren Bundes­heerlern ist, stattfinden soll. Einzig die Freiheitliche Partei hat das gemacht, und ich bin stolz darauf, dass diese Airpower bei uns stattfindet. (Beifall bei der FPÖ.)

22.11


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist der vorläufig letzte Redner: Abgeordneter Weidinger. – Bitte.


22.11.28

Abgeordneter Peter Weidinger (ÖVP): Werter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren! Die Zeit ist schon fortgeschritten, ich ersuche aber trotzdem in Würdigung unserer Zusammenkunft, dass Sie mir dement­sprechend noch ein paar Minuten Ihrer Aufmerksamkeit schenken.

Es gibt nämlich einen Anlassfall, der sehr, sehr dramatisch ist, der sich in Kärnten, in meiner Heimat, an meiner Stadtgrenze – ich bin Villacher, die Gemeinde Treffen ist die Nachbargemeinde – stattgefunden hat. Es hat ein Mensch dort sein Leben verloren, und es haben viele, viele Menschen eine Gefährdung ihrer Existenzen in einem großen Aus­maß, wie wir es alle zu Hause für nicht möglich gehalten haben, erlebt und erleben das noch immer.

Ich bin sehr, sehr froh und dankbar, dass die Einsatzkräfte, die Feuerwehr, das Bundes­heer, die Privaten und die Ehrenamtlichen vorbildlich, professionell zusammengearbeitet und ganz schnell eine Hilfe organisiert haben, die den Menschen vor Ort eine Per­spektive und Hoffnung gibt.

Es war – das möchte ich auch hier erwähnen – ein besonderer Ausdruck der Wert­schätzung und der politischen Geschlossenheit, dass am vergangenen Freitag der Herr Bundeskanzler, der Herr Landeshauptmann, die zuständigen Referenten der Landes­regierung bei der Einsatzbesprechung nebeneinander gestanden sind, wo ich auch mit dabei sein durfte, auch beim Gespräch vor den Medien, Geschlossenheit gezeigt und ganz klar gesagt haben: Wir stehen auf der Seite der Menschen.

Deswegen erschüttert es mich, wenn man jetzt hier versucht, parteipolitisches Kleingeld daraus zu schlagen. Sachlich wurde bisher vom Land Kärnten kein Antrag in Bezug auf


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 325

den Schadensfall und auch die Schadenshöhe gestellt. Wir leben in einem Rechtsstaat, in dem das alles abgearbeitet wird. Das wird schnell abgearbeitet, die Gelder werden selbstverständlich auch nach Kärnten fließen, und wir werden die Bevölkerung unter­stützen.

Der Herr Bundeskanzler war am Freitag in Treffen, er war am Montag in Arriach und hat vor Ort Gespräche gesucht. Und ich bedanke mich noch einmal wirklich herzlich bei allen Einsatzkräften, dass sie auch zu dieser Stunde im Einsatz sind und die Menschen vor Ort unterstützen. (Beifall bei der ÖVP, bei Abgeordneten der Grünen sowie des Abg. Scherak.)

Ich habe vor wenigen Minuten während der Debatte zu diesem Tagesordnungspunkt am Gang zufällig erfahren, dass Herr Nationalrat Angerer einen Antrag vorbereitet und die SPÖ diesen unterstützt. Ich bin über diese Vorgangsweise schon sehr verwundert, denn die SPÖ ist eigentlich eine stolze Landeshauptmannpartei mit fast 50 Prozent in Kärnten, und ich bin mir nicht sicher, ob da die Abgeordneten im Interesse des Landes gehandelt haben, wenn sie nicht den Schulterschluss, wie es der Herr Landeshauptmann mit dem Herrn Bundeskanzler vor Ort besprochen hat, über die geregelten Bahnen halten.

Deswegen ersuche ich wirklich darum, auch hier im Hohen Haus, dass alle in sich gehen und von diesen Aktionen Abstand nehmen, denn hier geht es ja um viel mehr als nur um ein parteipolitisches Schauspiel. (Beifall bei der ÖVP.)

Es wird Unterstützung geben, so wie es in solchen Fällen in der Republik alle Unter­stützungen gibt, und ich ersuche darum, dass wir in Anbetracht der Ernsthaftigkeit dieses Falles, aber auch in Anbetracht der Situation, in der wir uns als Republik befinden, uns dieser Würde und der Verantwortung auch bewusst werden. – Danke vielmals. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

22.15


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Köllner. – Bitte.


22.15.26

Abgeordneter Maximilian Köllner, MA (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte es nicht spannend machen, aber mir ist es ein Bedürfnis, auch zu dieser späten Stunde noch einmal ein großes Danke auszusprechen.

Die Feuerwehren sind mehr als nur eine Sicherheitseinrichtung. Viele von euch Kollegen haben es bereits angesprochen, und, Kollege Weidinger, ich gebe dir recht: Da geht es nicht um parteipolitisches Kalkül. Bei den Feuerwehren geht es um Gemeinschaft, um Zusammenhalt und um Kameradschaft. (Beifall und Bravoruf bei der SPÖ sowie Beifall bei Abgeordneten der Grünen.)

Bei den Feuerwehren wird soziales Miteinander wirklich gelebt, und ich möchte an dieser Stelle ein großes Danke sagen. Als Bürgermeister meiner Heimatgemeinde Illmitz sehe ich tagtäglich, wie viel Zeit da investiert wird. Ich sehe, was es bedeutet, Feuerwehrmann oder Feuerwehrfrau zu sein. Bei den Feuerwehren wird auch großer Wert und hoher Stellenwert auf den Nachwuchs gelegt, dass wieder junge Menschen nachkommen, dass auch in Zukunft für Sicherheit gesorgt wird, und da kann man nicht oft genug Danke sagen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Danke auch deshalb – ich bin gleich fertig –, weil die Feuerwehrleute in ihrer Freizeit unentgeltlich für uns da sind, dass sie, wie Kollege Lercher es treffend gesagt hat, dort hingehen, wo wir nicht hingehen. (Beifall bei der SPÖ.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 326

Daher ist es ganz klar: Dieser gemeinsame Beschluss ist für euch da draußen, es gibt mehr Geld für euch. Wir sind stolz auf euch! – Herzlichen Dank. (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ sowie Beifall bei Abgeordneten der Grünen.)

22.17


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wünscht noch jemand das Wort für einen essen­ziellen Beitrag? – Die Wortfreudigkeit des Nationalrates möchte ich in keinster Weise unterbinden. (Ruf bei der SPÖ: Ein Bürgermeister geht noch!)

Da aber nun niemand mehr zu Wort gemeldet ist, ist die Debatte geschlossen.

Wünscht der Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist auch nicht der Fall.

22.18.11Abstimmung über die Tagesordnungspunkte 24 bis 30


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zu den verlegten Abstimmungen.

Ich nehme an, wir können in den Abstimmungsvorgang eintreten. – Gut.

Tagesordnungspunkt 24: Entwurf betreffend Abgabenänderungsgesetz 2022 in 1585 der Beilagen.

Dazu haben die Abgeordneten Kopf, Schwarz, Kolleginnen und Kollegen einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag eingebracht.

Weiters liegt ein Verlangen auf getrennte Abstimmung des Abgeordneten Krainer vor.

Ich werde daher zunächst über die vom erwähnten Zusatz- beziehungsweise Abän­derungsantrag sowie vom Verlangen auf getrennte Abstimmung betroffenen Teile – der Systematik des Gesetzentwurfes folgend – und dann über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Wir gelangen zur getrennten Abstimmung über Art. 1 Z 1 lit. c Z 38 in der Fassung des Ausschussberichtes.

Wer dafür ist, den bitte ich um Zustimmung. – Das ist die Mehrheit.

Die Abgeordneten Kopf, Schwarz haben einen Zusatzantrag betreffend Einfügung einer neuen Ziffer 4a in Artikel 1 eingebracht.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist ebenfalls die Mehrheit.

Nun kommen wir zur getrennten Abstimmung über Art. 1 Z 5 und Z 21 lit. c in der Fas­sung des Ausschussberichtes.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein dementsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit.

Die Abgeordneten Kopf, Schwarz haben einen Abänderungsantrag betreffend Art. 1 Z 21 lit. e Z 397 eingebracht.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen – Das ist die Mehrheit.

Wir kommen zur getrennten Abstimmung über Art. 1 Z 21 lit. e Z 399 in der Fassung des Ausschussberichtes.

Wer dafür ist, den ersuche ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit, somit angenommen.

Die Abgeordneten Kopf, Schwarz haben einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungs­antrag betreffend Artikel 7 eingebracht.

Wer dafür ist, wird ebenfalls um Zustimmung gebeten. – Das ist die Mehrheit.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 327

Wir kommen zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes.

Wer dafür ist, wird um ein Zeichen gebeten. – Das ist die Mehrheit.

Wir kommen zur dritten Lesung. – Auch in dritter Lesung das gleiche Stimmverhalten. Der Gesetzentwurf ist auch in dritter Lesung angenommen.

Tagesordnungspunkt 25: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkom­mensteuergesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz und das Bauern-Sozial­versicherungsgesetz geändert werden, in 1591 der Beilagen.

Dazu haben die Abgeordneten Ottenschläger, Schwarz einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag eingebracht. Ich lasse daher zuerst über den Zusatzantrag und dann über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile abstimmen.

Zusatzantrag der Abgeordneten Ottenschläger, Schwarz betreffend Artikel 1 bis 3:

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit, an­ge­nommen.

Wir kommen zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes.

Wer dafür ist, wird ebenfalls um Zustimmung gebeten. – Das ist die Mehrheit.

Wir kommen zur dritten Lesung. – Auch in dritter Lesung das gleiche Stimmverhalten. (Rufe bei den NEOS: Nein!) – Entschuldigung, danke! Das ist mit noch größerer Mehr­heit angenommen worden. – Danke schön. (Abg. Krisper: Gerne!)

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 26: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wertpapieraufsichtsgesetz geändert wird, samt Titel und Eingang in 1492 der Beilagen.

Wer dafür ist, den darf ich um ein Zeichen der Zustimmung ersuchen. – Das ist einstimmig.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Wer ist auch in dritter Lesung dafür? – Jetzt gleiches Stimmverhalten: einstimmig ange­nommen auch in dritter Lesung.

Tagesordnungspunkt 27: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Invest­mentfondsgesetz, das Alternative Investmentfonds Manager-Gesetz und das Immo­bi­lien-Investmentfondsgesetz geändert werden, samt Titel und Eingang in 1569 der Bei­lagen.

Wer dafür ist, den darf ich um ein Zeichen der Zustimmung bitten. – Das ist die Mehrheit.

In der dritten Lesung das gleiche Stimmverhalten. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung mehrheitlich angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 28: Entwurf betreffend IFI-Beitragsgesetz 2022 samt Titel und Eingang in 1511 der Beilagen.

Wer dafür ist, wird um ein dementsprechendes Zeichen gebeten. – Das ist die Mehrheit.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Wer auch in dritter Lesung dafür ist, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist das gleiche Stimmverhalten. Somit ist der Gesetzentwurf auch in dritter Lesung mehr­heitlich angenommen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 328

Tagesordnungspunkt 29: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Katastro­phenfondsgesetz und das Finanzausgleichsgesetz geändert werden, in 1590 der Beilagen.

Dazu gibt es einen Abänderungsantrag der Abgeordneten Hofinger und Stögmüller. Zuerst stimmen wir über den Abänderungsantrag und dann über die noch nicht abge­stimmten, restlichen Teile des Gesetzentwurfes ab.

Abänderungsantrag der Abgeordneten Hofinger, Stögmüller betreffend Änderungen im Titel und in Artikel 1:

Wer dafür ist, den bitte ich um ein dementsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig.

Wir kommen nun zu den restlichen, noch nicht abgestimmten Teilen des Gesetz­ent­wurfes. – Ebenfalls einstimmig angenommen.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Wer ist auch in dritter Lesung dafür? – Das ist das gleiche Stimmverhalten. Der Gesetz­entwurf ist auch in dritter Lesung einstimmig angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Angerer, Oberrauner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Soforthilfe für Kärnten – Unwetter­katastrophe im Gegendtal“.

Wer dafür ist, den darf ich um ein Zeichen bitten. – Das ist die Minderheit, daher abge­lehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Angerer, Oberrauner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „vollständige Abgeltung finanzieller Schäden für Betroffene von Unwetterkatastrophen“.

Wer dafür ist, wird um ein dementsprechendes Zeichen gebeten. – Auch das ist die Min­derheit, abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Kollross, Kolleginnen und Kollegen betreffend „dringend finanzielle Maßnahmen für gemeinwohl­orientierte Organisationen“.

Wer dafür ist, wird um ein Zeichen der Zustimmung gebeten. – Das ist die Minderheit, daher abgelehnt.

Tagesordnungspunkt 30: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz zur Gewährung eines Zweckzuschusses an die Länder zur Unterstützung von Investitionen samt Titel und Eingang in 1532 der Beilagen.

Wer dafür ist, wird um ein dementsprechendes Zeichen gebeten. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Wer ist auch in dritter Lesung dafür? – Das ist das gleiche Stimmverhalten. Auch in dritter Lesung ist der Gesetzentwurf mehrheitlich angenommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll168. Sitzung, 7. Juli 2022 / Seite 329

22.25.01Einlauf


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf bekannt geben, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 2710/A bis 2714/A(E) eingebracht worden sind.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates berufe ich für Freitag, den 8. Juli – das ist mor­gen –, um 9 Uhr ein.

Die Tagesordnung ergeht auf schriftlichem Wege.

Ich darf weiters darauf hinweisen, dass im Anschluss an diese Sitzung der Verfas­sungsausschuss im Camineum zusammentritt. Ich bitte die Verfassungsaus­schuss­mitglieder, sich dort einzufinden.

Die Sitzung ist geschlossen.

22.25.34Schluss der Sitzung: 22.25 Uhr

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1017 Wien