Plenarsitzung
des Nationalrates
143. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich
Donnerstag, 24. Februar 2022
XXVII. Gesetzgebungsperiode
Großer Redoutensaal
Stenographisches Protokoll
143. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich
XXVII. Gesetzgebungsperiode Donnerstag, 24. Februar 2022
Dauer der Sitzung
Donnerstag, 24. Februar 2022: 9.05 – 18.04 Uhr
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Tagesordnung
1. Punkt: Erklärungen des Bundeskanzlers und des Vizekanzlers gemäß § 19 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Nationalrates anlässlich der aktuellen Krise zwischen Russland und der Ukraine
2. Punkt: Bericht über den Antrag 1971/A der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das COVID-19-Zweckzuschussgesetz geändert wird
3. Punkt: Bericht über den Antrag 2063/A der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 geändert wird
4. Punkt: Bericht über den Antrag 1933/A(E) der Abgeordneten Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen betreffend kein Verschenken von Medizinprodukten und Arzneimitteln im Rahmen der Corona-Maßnahmen an das Ausland
5. Punkt: Bericht über den Antrag 2215/A der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das COVID-19-Impfpflichtgesetz geändert wird
6. Punkt: Bericht über den Antrag 2235/A der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz zur Erhöhung der Inanspruchnahme von Impfungen gegen COVID-19
7. Punkt: Bericht über den Antrag 2172/A der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden
8. Punkt: Bericht und Antrag über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Gesundheitstelematikgesetz 2012 geändert wird
9. Punkt: Bericht über den Antrag 1838/A(E) der Abgeordneten Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmen für die Komplementärmedizin in Österreich
10. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Einrichtung eines Hospiz- und Palliativfonds und über die Gewährung von Zweckzuschüssen an die Länder zur finanziellen Unterstützung der Hospiz- und Palliativversorgung ab dem Jahr 2022 (Hospiz- und Palliativfondsgesetz – HosPalFG) erlassen sowie das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden, sowie Bericht über den
Antrag 1484/A(E) der Abgeordneten Mag. Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausbau der Hospiz- und Palliativversorgung in Österreich
11. Punkt: Bericht über den Antrag 2192/A der Abgeordneten Peter Haubner, Dipl.-Ing. Olga Voglauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird
12. Punkt: Bericht über den Antrag 2214/A der Abgeordneten August Wöginger, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden
13. Punkt: Bericht über den Antrag 2217/A der Abgeordneten Mag. Romana Deckenbacher, Mag. Eva Blimlinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Pensionsgesetz 1965 und das Bundesbahn-Pensionsgesetz geändert werden
14. Punkt: Bericht und Antrag über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz und das Bundesgesetz zur Bekämpfung pandemiebedingter Armutsfolgen (COVID-19-Gesetz-Armut) geändert werden
15. Punkt: Bericht über den Antrag 2216/A der Abgeordneten Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller, Barbara Neßler, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Mutterschutzgesetz 1979 geändert wird
16. Punkt: Bericht über den Antrag 1437/A(E) der Abgeordneten Mag. Christian Drobits, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Datensicherheit sowie Daten- und Geschäftsgeheimnisschutz im Homeoffice“
17. Punkt: Ersuchen der Zentralen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat August Wöginger
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Inhalt
Nationalrat
Ansprache des Präsidenten Mag. Wolfgang Sobotka anlässlich des Angriffs Russlands auf die Ukraine ........................................................................................ 13
Personalien
Verhinderungen ........................................................................................................ 13
Ordnungsrufe ............................................................................................. 126, 170
Geschäftsbehandlung
Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 8887/AB gemäß § 92 Abs. 1 GOG ................................................................... 37
Durchführung einer kurzen Debatte gemäß § 57a Abs. 1 GOG .............................. 128
Redner/Rednerinnen:
MMMag. Dr. Axel Kassegger ................................................................................. 129
Bundesminister Mag. Alexander Schallenberg, LL.M. ....................................... 131
Dr. Reinhold Lopatka .............................................................................................. 132
Dr. Christoph Matznetter ........................................................................................ 133
Mag. Dr. Martin Graf ............................................................................................... 135
Mag. Eva Blimlinger ................................................................................................ 136
Dr. Helmut Brandstätter ......................................................................................... 137
Antrag der Abgeordneten Mag. Dr. Martin Graf, Kolleginnen und Kollegen auf Nichtkenntnisnahme der Anfragebeantwortung 8887/AB – Ablehnung ... 136, 138
Absehen von der 24-stündigen Frist für das Aufliegen des schriftlichen Ausschussberichtes 1359 d.B. gemäß § 44 (2) GOG .................................................... 37
Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 5 GOG .............................................................................................................. 37
Unterbrechung der Sitzung ....................................................................... 38, 129
Wortmeldungen betreffend Abstimmung über Tagesordnungspunkt 6:
MMMag. Dr. Axel Kassegger .................................................................. 145, 146
August Wöginger .................................................................................................... 146
Fragestunde (11.)
Justiz ........................................................................................................................ 14
Mag. Michaela Steinacker (134/M); Barbara Neßler, Eva Maria Holzleitner, BSc
Mag. Selma Yildirim (131/M); Mag. Friedrich Ofenauer, Dr. Johannes Margreiter
Mag. Agnes Sirkka Prammer (142/M); Mag. Wolfgang Gerstl
Dr. Johannes Margreiter (140/M)
Mag. Corinna Scharzenberger (135/M)
Mag. Christian Drobits (132/M); Mag. Andreas Hanger
Mag. Meri Disoski (143/M); Sabine Schatz, Rosa Ecker, MBA, Henrike Brandstötter
Mag. Yannick Shetty (141/M); Dr. Ewa Ernst-Dziedzic, Katharina Kucharowits
Petra Bayr, MA MLS (133/M); Mag. Johanna Jachs
Bundesregierung
Vertretungsschreiben ................................................................................................ 14
Ausschüsse
Zuweisungen ............................................................................................................. 36
Verhandlungen
1. Punkt: Erklärungen des Bundeskanzlers und des Vizekanzlers gemäß § 19 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Nationalrates anlässlich der aktuellen Krise zwischen Russland und der Ukraine ........................................................................ 38
Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc ................................................................... 38
Vizekanzler Mag. Werner Kogler ........................................................................... 43
Verlangen auf Durchführung einer Debatte gemäß § 81 GOG ............................... 38
RednerInnen:
Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc ............................................................................ 47
Dr. Reinhold Lopatka .............................................................................................. 48
Herbert Kickl ............................................................................................................ 51
Dr. Ewa Ernst-Dziedzic ........................................................................................... 55
Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES ......................................................................... 56
Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc ................................................................... 59
Mag. Martin Engelberg ........................................................................................... 59
Robert Laimer .......................................................................................................... 61
Michel Reimon, MBA .............................................................................................. 62
MMMag. Dr. Axel Kassegger ................................................................................. 63
Karlheinz Kopf ......................................................................................................... 67
Dr. Helmut Brandstätter ......................................................................................... 68
Dr. Harald Troch ...................................................................................................... 70
Dr. Reinhard Eugen Bösch .................................................................................... 73
Dr. Nikolaus Scherak, MA ...................................................................................... 80
Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Reinhold Lopatka, Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc, Dr. Ewa Ernst-Dziedzic, Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Unterstützung der Ukraine in der aktuellen Krise“ – Annahme (237/E) ................................................................................. 50, 82
Entschließungsantrag der Abgeordneten MMMag. Dr. Axel Kassegger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Sicherung der österreichischen Neutralität und Wahrung des Friedens in Europa“ – Ablehnung .......................................... 65, 82
Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Energieversorgung“ – Ablehnung ........................................................................................ 71, 82
Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Reinhard Eugen Bösch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Sonderinvestitionspaket für das Österreichische Bundesheer zur Sicherung der österreichischen Neutralität“ – Ablehnung . 74, 83
Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Ganzheitliche Sanktionen gegen Russlands Angriffskrieg“ – Ablehnung ........................................................................................ 81, 83
Gemeinsame Beratung über
2. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 1971/A der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das COVID-19-Zweckzuschussgesetz geändert wird (1350 d.B.) ................................................................................................. 83
3. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 2063/A der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 geändert wird (1353 d.B.) ................................................................................................................ 83
4. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 1933/A(E) der Abgeordneten Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen betreffend kein Verschenken von Medizinprodukten und Arzneimitteln im Rahmen der Corona-Maßnahmen an das Ausland (1356 d.B.) ................................................................ 83
RednerInnen:
Philip Kucher ........................................................................................................... 83
Ralph Schallmeiner ................................................................................................ 85
Dr. Dagmar Belakowitsch ...................................................................................... 89
Dr. Werner Saxinger, MSc ...................................................................................... 90
Mag. Gerald Loacker .............................................................................................. 91
Bundesminister Dr. Wolfgang Mückstein ............................................................ 92
Alois Stöger, diplômé ............................................................................................. 94
Ing. Mag. (FH) Alexandra Tanda ............................................................................ 96
Rudolf Silvan ........................................................................................................... 97
Michel Reimon, MBA .............................................................................................. 98
Entschließungsantrag der Abgeordneten Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen betreffend „wirksame Teststrategie“ – Ablehnung ............................... 95, 143
Annahme der beiden Gesetzentwürfe in 1350 und 1353 d.B. ................................. 142
Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 1356 d.B. ................................................ 142
Gemeinsame Beratung über
5. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 2215/A der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das COVID-19-Impfpflichtgesetz geändert wird (1351 d.B.) ......................................................................................................... 99
6. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 2235/A der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz zur Erhöhung der Inanspruchnahme von Impfungen gegen COVID-19 (1352 d.B.) ................................................................. 99
7. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 2172/A der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden (1354 d.B.) ................................................................................................................ 99
8. Punkt: Bericht und Antrag des Gesundheitsausschusses über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Gesundheitstelematikgesetz 2012 geändert wird (1355 d.B.) ......................................................................................................... 99
9. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 1838/A(E) der Abgeordneten Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmen für die Komplementärmedizin in Österreich (1357 d.B.) ............................ 99
RednerInnen:
Gabriele Heinisch-Hosek ....................................................................................... 100
Ralph Schallmeiner ................................................................................................ 101
Peter Wurm .............................................................................................................. 112
Dr. Josef Smolle ...................................................................................................... 114
Mag. Gerald Loacker .............................................................................................. 116
Dr. Elisabeth Götze ................................................................................................. 117
Bundesminister Dr. Wolfgang Mückstein ............................................................ 118
Mag. Verena Nussbaum ......................................................................................... 119
Martina Diesner-Wais ............................................................................................. 122
Alois Stöger, diplômé (tatsächliche Berichtigung) ................................................. 124
Rosa Ecker, MBA .................................................................................................... 125
Mag. Eva Blimlinger ................................................................................................ 127
Ing. Mag. (FH) Alexandra Tanda ............................................................................ 127
Dr. Dagmar Belakowitsch ...................................................................................... 138
Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler ........................................................................ 140
Rosa Ecker, MBA (tatsächliche Berichtigung) ........................................................ 142
Entschließungsantrag der Abgeordneten Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen betreffend „individuelle Impfanreize für eine möglichst rasche Durchimpfung“ – Ablehnung ................................................................................................. 121, 144
Annahme der vier Gesetzentwürfe in 1351, 1352, 1354 und 1355 d.B. .................. 143
Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 1357 d.B. ................................................ 143
10. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (1290 d.B.): Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Einrichtung eines Hospiz- und Palliativfonds und über die Gewährung von Zweckzuschüssen an die Länder zur finanziellen Unterstützung der Hospiz- und Palliativversorgung ab dem Jahr 2022 (Hospiz- und Palliativfondsgesetz – HosPalFG) erlassen sowie das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden, sowie über den
Antrag 1484/A(E) der Abgeordneten Mag. Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausbau der Hospiz- und Palliativversorgung in Österreich (1332 d.B.) ................................................................................................................ 145
RednerInnen:
Mag. Gerald Loacker .............................................................................................. 146
Mag. Agnes Sirkka Prammer ................................................................................. 149
Mag. Verena Nussbaum ......................................................................................... 153
Mag. Christian Ragger ............................................................................................ 154
Dr. Gudrun Kugler .................................................................................................. 158
Bundesminister Dr. Wolfgang Mückstein ............................................................ 159
Rudolf Silvan ........................................................................................................... 160
Norbert Sieber ......................................................................................................... 161
Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler ........................................................................ 162
Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Finanzierung des Hospizausbaus“ – Ablehnung .... 148, 189
Entschließungsantrag der Abgeordneten Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Förderung der Übergangspflege“ – Ablehnung ...... 155, 189
Annahme des Gesetzentwurfes in 1332 d.B. ........................................................... 189
Gemeinsame Beratung über
11. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 2192/A der Abgeordneten Peter Haubner, Dipl.-Ing. Olga Voglauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (1333 d.B.) .............................................................. 164
12. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 2214/A der Abgeordneten August Wöginger, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden (1334 d.B.) .................................................................................... 164
13. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 2217/A der Abgeordneten Mag. Romana Deckenbacher, Mag. Eva Blimlinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Pensionsgesetz 1965 und das Bundesbahn-Pensionsgesetz geändert werden (1335 d.B.) .... 164
14. Punkt: Bericht und Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz und das Bundesgesetz zur Bekämpfung pandemiebedingter Armutsfolgen (COVID-19-Gesetz-Armut) geändert werden (1336 d.B.) ........................................................................................ 164
15. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 2216/A der Abgeordneten Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller, Barbara Neßler, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Mutterschutzgesetz 1979 geändert wird (1337 d.B.) ..................................................... 164
RednerInnen:
Gabriele Heinisch-Hosek ....................................................................................... 165
Clemens Stammler ................................................................................................. 168
Mag. Gerald Loacker .............................................................................................. 169
Peter Schmiedlechner ............................................................................................ 169
Dietmar Keck ........................................................................................................... 173
Bettina Zopf ............................................................................................................. 176
Bundesminister Dr. Wolfgang Mückstein ............................................................ 177
Mag. Eva Blimlinger ................................................................................................ 178
Mag. Ernst Gödl ...................................................................................................... 178
Mag. Markus Koza .................................................................................................. 179
Bundesminister Mag. Dr. Martin Kocher .............................................................. 183
Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller ................................................................. 184
Kira Grünberg .......................................................................................................... 184
Ing. Josef Hechenberger ........................................................................................ 185
Barbara Neßler ........................................................................................................ 186
Michael Schnedlitz .................................................................................................. 187
Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Inflationsausgleich um 4,0 Prozent für alle Pensionen bis zur ASVG-Höchstpension (Pensionsanpassung 2022)“ – Ablehnung 171, 191
Entschließungsantrag der Abgeordneten Dietmar Keck, Kolleginnen und Kollegen betreffend „vorgezogene Pensionsanpassung zur Abfederung der Teuerung“ – Ablehnung ..................................................................................... 175, 191
Annahme der fünf Gesetzentwürfe in 1333, 1334, 1335, 1336 und 1337 d.B. ....... 189
16. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 1437/A(E) der Abgeordneten Mag. Christian Drobits, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Datensicherheit sowie Daten- und Geschäftsgeheimnisschutz im Homeoffice“ (1338 d.B.) ............................................................................................ 188
Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 1338 d.B. ................................................ 192
17. Punkt: Bericht des Immunitätsausschusses über das Ersuchen der Zentralen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption (GZ. 17 St 5/19d) um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat August Wöginger (1359 d.B.) ......................................................... 192
Annahme des Ausschussantrages in 1359 d.B. ...................................................... 192
Eingebracht wurden
Anträge der Abgeordneten
Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen betreffend konsequentes Eintreten für Menschenrechte im Europarat (2307/A)(E)
Klaus Köchl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Lehrabschlussprüfungsoffensive für alle Lehrlinge in Pandemiezeiten (2308/A)(E)
Petra Vorderwinkler, Kolleginnen und Kollegen betreffend Corona-Bonus für Mitarbeiter*innen in Kinderbildungseinrichtungen (2309/A)(E)
Petra Vorderwinkler, Kolleginnen und Kollegen betreffend Neue 15a-Vereinbarung zur Elementarpädagogik (2310/A)(E)
Petra Wimmer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Neue 15a-Vereinbarung zur Elementarpädagogik (2311/A)(E)
Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erneutes Aussetzen der mündlichen Matura (2312/A)(E)
Karlheinz Kopf, Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Energieabgabenvergütungsgesetz geändert wird (2313/A)
Karlheinz Kopf, Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz zum Ausgleich der Energiekosten 2022 erlassen wird (Energiekostenausgleichsgesetz 2022) (2314/A)
Karlheinz Kopf, Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den regionalen Klimabonus (Klimabonusgesetz – KliBG) geändert wird (2315/A)
Peter Weidinger, Mag. Ulrike Fischer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Maßnahmen zur Förderung der Gesundheit von Kindern und Jugendlichen“ (2316/A)(E)
Peter Weidinger, Mag. Ulrike Fischer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Ausbau der Energieberatung und zusätzliche Maßnahmen gegen Energiearmut“ (2317/A)(E)
Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Förderung der Übergangspflege (2318/A)(E)
Dipl.-Ing. Gerhard Deimek, Kolleginnen und Kollegen betreffend Österreichische Wasserstoffstrategie (2319/A)(E)
Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Entschädigungszahlung an Personen, die durch gesetzwidrige Verordnungen und verfassungswidrige Gesetze psychisch, physisch sowie auch finanziell Schaden genommen haben (2320/A)(E)
Mag. Harald Stefan, Kolleginnen und Kollegen betreffend Entschädigungszahlung an Personen, die durch gesetzwidrige Verordnungen und verfassungswidrige Gesetze psychisch, physisch sowie auch finanziell Schaden genommen haben (2321/A)(E)
Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kinderbetreuungs-Zweckzuschussgesetz des Bundes zur Umsetzung eines Gratis-Angebots in der Elementarpädagogik (2322/A)(E)
Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Benachteiligungen bei Covid-Hilfen durch diskriminierende Berechnungsmethoden beenden (2323/A)(E)
MMMag. Dr. Axel Kassegger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schaffung strategischer Erdgasreserven in Österreich (2324/A)(E)
Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Aussagekräftige Statistik durch die FMA zum Basiskonto“ (2325/A)(E)
Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Asylstopp – Jetzt! (2326/A)(E)
Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen betreffend eine werteorientierte und interessengeleitete Außenpolitik (2327/A)(E)
Mag. Dr. Martin Graf, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über hochschulrechtliche Sondervorschriften an Universitäten, Pädagogischen Hochschulen und Fachhochschulen aufgrund von COVID-19 (2. COVID-19-Hochschulgesetz – 2. C-HG) geändert wird (2328/A)
Mag. Harald Stefan, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 23. Jänner 1974 über die mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlungen (Strafgesetzbuch – StGB), BGBl. Nr. 60/1974, geändert wird (2329/A)
Mag. Dr. Maria Theresia Niss, MBA, Mag. Eva Blimlinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Innovationsstiftung-Bildung-Gesetz geändert wird (2330/A)
Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden (2331/A)
Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das COVID-19-Impfpflichtgesetz geändert wird (2332/A)
August Wöginger, Dr. Elisabeth Götze, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz über eine kommunale Impfprämie (2333/A)
August Wöginger, Mag. Markus Koza, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsmarktservicegesetz geändert wird (2334/A)
Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kennzeichnungspflicht für Lobbyismus im ORF (2335/A)(E)
MMMag. Dr. Axel Kassegger, Kolleginnen und Kollegen betreffend 200-jähriges Jubiläum der Unabhängigkeit Brasiliens (2336/A)(E)
Hermann Brückl, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Streichung sämtlicher Verordnungsermächtigungen bezüglich Maßnahmen zur Bekämpfung von COVID-19 (2337/A)(E)
Hermann Brückl, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Demokratiebildung in der Lehrerausbildung (2338/A)(E)
Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Förderung der Übergangspflege (2339/A)(E)
Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen betreffend Änderung des Tabakmonopolgesetz 1996 und des Bundesvergabegesetz Konzessionen 2018 – BvergGKonz 2018 (2340/A)(E)
Dr. Christian Stocker, Mag. Georg Bürstmayr, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Fremdenpolizeigesetz 2005 geändert wird (2341/A)
Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend Long-Covid bei Frauen, Kindern und Jugendlichen ernstnehmen! (2342/A)(E)
Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend Long-Covid bei Frauen, Kindern und Jugendlichen ernstnehmen! (2343/A)(E)
Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gesundheitstelematikgesetz 2012 geändert wird (2344/A)
Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend Freilassung von türkischen Journalist*innen (2345/A)(E)
Katharina Kucharowits, Kolleginnen und Kollegen betreffend Müttersterblichkeit im Kontext Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe (2346/A)(E)
Hermann Brückl, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erste-Hilfe-Kurse im Schulunterricht (2347/A)(E)
Hermann Gahr, Hermann Weratschnig, MBA MSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Bewahrung und Entwicklung der Autonomie Südtirols (2348/A)(E)
Anfragen der Abgeordneten
Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Umsetzung der Entschließung „Entwicklung einer Strategie zur Thematik und Risiken von Deepfakes“ (104/E) (9889/J)
Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Verleihung des Ehrentitels „Professor“ an Gert Schmidt (9890/J)
Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Kosten für die Abschiebung von Qamar A. nach Pakistan (9891/J)
Mag. Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus betreffend Ausgestaltung des Europäischen Solidaritätskorps (9892/J)
Mag. Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landesverteidigung betreffend Aktuelle Zahlen zum Zivildienst (9893/J)
Mag. Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus betreffend Teiltauglichkeit im Zivildienst (9894/J)
Mag. Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus betreffend Aktuelle Zahlen zum Zivildienst (9895/J)
Mag. Christian Drobits, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Datenchaos in Corona-Systemen (9896/J)
Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend bestehendes Angebot der Kinderbeistände (9897/J)
Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend die gerichtliche Einforderung ausständiger Kirchenbeiträge (9898/J)
Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Unterhaltsvorschüsse und Unterhaltsklagen im Jahr 2021 (9899/J)
Dipl.-Ing. Gerhard Deimek, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien betreffend Inklusive Schülertransporte (9900/J)
Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend welchen Nutzen bringt der kostspielige Klimarat? (9901/J)
Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Klimarat als Test für eine Räterepublik (9902/J)
Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Versetzungen bzw. Mitteilungen über die beabsichtigte Durchführung von Versetzungen bei den Justizwachebeamten (9903/J)
Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Maßnahmen gegen Teuerungswelle (9904/J)
Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Maßnahmen gegen Teuerungswelle (9905/J)
Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Türkis-rote Beziehungsprobleme bei der Impflotterie (9906/J)
Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Entsendemeldungen von Arbeitnehmern nach Österreich 2020 und 2021 (9907/J)
Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit betreffend Entsendemeldungen von Arbeitnehmern nach Österreich 2020 und 2021 (9908/J)
Wolfgang Zanger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit betreffend Kocher-Ministerium immer noch ohne Innenrevision! (9909/J)
Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport betreffend Türkis-rote Beziehungsprobleme bei der Impflotterie (9910/J)
Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Hintergründe zu den Covid-19-Impfungen und Krebserkrankungen (9911/J)
Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Drogenkriminalität in Tirol im Jahr 2021 (9912/J)
Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Drogenkriminalität im Burgenland im Jahr 2021 (9913/J)
Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Drogenkriminalität in Salzburg im Jahr 2021 (9914/J)
Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Drogenkriminalität in der Steiermark im Jahr 2021 (9915/J)
Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Drogenkriminalität in Österreich im Jahr 2021 (9916/J)
Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Drogenkriminalität in Niederösterreich im Jahr 2021 (9917/J)
Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Drogenkriminalität in Kärnten im Jahr 2021 (9918/J)
Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Drogenkriminalität in Vorarlberg im Jahr 2021 (9919/J)
Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Drogenkriminalität in Oberösterreich im Jahr 2021 (9920/J)
Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Drogenkriminalität in Wien im Jahr 2021 (9921/J)
Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Umsetzung des Energiebonus (9922/J)
Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Umsetzung des Energiebonus (9923/J)
Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Umsetzung des Energiebonus (9924/J)
Mag. Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Studie zur Identifikation und Quantifizierung kontraproduktiver Subventionen (9925/J)
Mag. Christian Drobits, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus betreffend Blackout-Vorsorge – Resiliente Wasserversorgung (9926/J)
Cornelia Ecker, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Zentralisierung des Austro Control-Flugwetterdienstes in Wien (9927/J)
Anfragebeantwortungen
der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen (9022/AB zu 9195/J)
des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen (9023/AB zu 9193/J)
Beginn der Sitzung: 9.05 Uhr
Vorsitzende: Präsident Mag. Wolfgang Sobotka, Zweite Präsidentin Doris Bures.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Ich darf Sie herzlich zur 143. Sitzung des Nationalrates, die damit eröffnet ist, begrüßen.
Ich darf die Damen und Herren von der Presse auf der Galerie und die Damen und Herren zu Hause vor den Fernsehgeräten oder vor den Bildschirmen begrüßen.
Ansprache des Präsidenten anlässlich des Angriffs Russlands auf die Ukraine
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Heute ist sicherlich ein ganz besonderer Tag. Wenn man die Nachrichten ab 5 Uhr Früh mitbekommen hat, dann weiß man, dass das natürlich auch auf Österreich, auf das österreichische Parlament, auf die Bevölkerung gravierende Auswirkungen hat. Viele machen sich Sorgen und fragen, wie es weitergeht, was die nächsten Schritte sind.
Ich glaube, das, was wir in dieser besonderen Stunde tun können – ich darf daran erinnern, dass sich heute die Freundschaftsgruppe Österreich-Ukraine trifft, der Vorsitzende, Abgeordneter Brandstätter, hat für 14 Uhr in das Lokal V eingeladen –, ist, dass wir dort in dieser Frage des Rechtsbruches, eines Rechtsbruches, wie wir ihn uns eigentlich nicht vorstellen wollen und auch nicht vorstellen können, Solidarität zeigen, auch hier Haltung bewahren. Ich glaube, das ist das, was Parlamentarier machen können, auch den Kommunikationsfluss nach allen Seiten aufrechtzuerhalten, sodass auch Möglichkeiten gegeben sind, wieder zum Gespräch zurückzukommen.
Umso bewusster sollte uns sein, dass das, was wir haben und was wir leidenschaftlich verteidigen – unsere demokratische Verfasstheit –, das höchste Gut ist, das ein Staat haben kann. Für mich ist es trotz aller Divergenzen, die wir haben, immer eine Freude, hierher in das Parlament zu kommen und zu sehen, wie wir trotz aller Meinungsunterschiede an einem Strang ziehen in unserer demokratischen Republik Österreich und dass das für uns auch die Leitschnur unseres Handelns ist, in unserer Verfassung und unserer Gesetzmäßigkeit.
Mir ist es deshalb auch wichtig, dass unsere Zuseher wissen, dass wir hier gemeinsam zu einer Haltung stehen und das verurteilen, was dort passiert ist. Ein Einmarsch in ein fremdes Land und dort militärische Gewalt auszuüben kann nie ein Mittel sein, um Konflikte zu lösen. (Allgemeiner Beifall.)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Als verhindert gemeldet sind heute die Abgeordneten Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich, Eva-Maria Himmelbauer, BSc, Joachim Schnabel, Mag. Ruth Becher, Elisabeth Feichtinger, BEd BEd, Mag. Karin Greiner, Andreas Kollross, Mario Lindner, Josef Muchitsch, Michael Seemayer, Nurten Yılmaz, MMag. DDr. Hubert Fuchs, Mag. Gerald Hauser, Ing. Norbert Hofer, Alois Kainz, Mag. Gerhard Kaniak, Mag. Philipp Schrangl, Bedrana Ribo, MA, David Stögmüller und Fiona Fiedler, BEd.
Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Für den heutigen Sitzungstag hat das Bundeskanzleramt über Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung, welche sich in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union aufhalten, folgende Mitteilung gemacht:
Finanzminister Dr. Magnus Brunner, LL.M. wird durch Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Alexander Schallenberg, LL.M. vertreten.
*****
Ich darf bekannt geben, dass die Sitzung wie üblich von ORF 2 bis 13 Uhr, von ORF III bis 19.15 Uhr und anschließend in der TVthek kommentiert übertragen wird. Auch die privaten Fernsehanstalten übertragen Teile unserer Diskussionen.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen zur Fragestunde.
Ich darf die Frau Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić recht herzlich in unserer Runde begrüßen.
Es ist klar, wie die Fragestellung funktioniert: im Halbrund, Zusatzfragesteller immer in Vorbereitung. Ich darf noch einmal in Erinnerung rufen: Der Fragesteller hat immer 1 Minute Zeit; für die erste Antwort gibt es 2 Minuten, für die zweite Antwort jeweils 1 Minute. Ich werde mir dementsprechend die Stoppuhr einstellen, damit ich das zeitliche Korsett einigermaßen wahren kann.
Ich darf die Frau Minister zum Rednerpult bitten.
Justiz
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die erste Anfrage wird Abgeordnete Steinacker, die Zusatzfrage dann Abgeordnete Neßler stellen. – Frau Abgeordnete Steinacker, bitte sehr.
Abgeordnete Mag. Michaela Steinacker (ÖVP): Herr Präsident! Schönen guten Morgen, Frau Bundesministerin! Ich möchte die heutige Fragestunde mit dem so wichtigen Thema des Unterhaltsrechts beginnen. Immer mehr Beziehungen brechen auseinander und es gilt danach, viel zu regeln. Besonders schlimm ist es natürlich dann, wenn Kinder betroffen sind. Wenn Kinder betroffen sind, kommt neben der emotionalen Seite, dass ich mich doch bestmöglich um meine Kinder kümmern will, auch die Sorge dazu, wer die Kinder betreut, wer auch einen entsprechenden Unterhalt leistet.
Bei Uneinigkeit ist das Problem, dass wir als Staat mit unseren Gesetzen da entsprechend eingreifen und regeln müssen. Wir wollen auf der einen Seite Regeln, damit die Kinder weiter gut behütet sind, aber auch, dass ihre finanziellen Notwendigkeiten gut abgedeckt sind. Wir haben uns daher im Regierungsprogramm darauf verständigt, verschiedene Regelungen neu zu formulieren, zu modernisieren, das Unterhaltsverfahren schneller zu machen, die Bemessung des Unterhalts schneller und konkreter zu machen, aber auch darauf, dass geleistete Unterhaltsvorschüsse von denen, die da sozusagen ein Goodie bekommen haben, auch wieder zurückgefordert werden können.
Frau Bundesministerin, Sie haben uns erzählt, Sie haben eine Arbeitsgruppe dazu eingesetzt. Meine diesbezügliche Frage lautet:
Wie schauen denn die Vorschläge dieser Arbeitsgruppe aus? Gibt es da schon ganz konkrete Überlegungen?
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Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 134/M, hat folgenden Wortlaut:
„Können Sie uns bereits jetzt Eckpunkte der Reform im Unterhaltsrecht nennen?“
*****
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Ministerin.
Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Vielen Dank für diese sehr wichtige Frage. Sie haben ja schon ein paar wichtige Eckpunkte genannt. Das Justizministerium arbeitet sehr intensiv an der sogenannten Kindschaftsrechtsreform. Ein wichtiger Baustein dieser Reform – wie Sie es auch richtig gesagt haben – ist natürlich das Unterhaltsrecht. Wir haben uns im Regierungsprogramm darauf verständigt, dass wir das rascher machen, dass wir das Unterhaltsrecht beschleunigen können, also die Unterhaltsverfahren beschleunigen. Es trägt ja auch wesentlich zur Rechtssicherheit bei, wenn wir im Vorhinein wissen, wie lang das denn ungefähr dauern wird, denn wir haben jetzt zig Meldungen, dass Unterhaltsverfahren sehr lange dauern, dass die Leute im Vorhinein nicht wissen, welcher Unterhalt ihnen zusteht. Für diese Rechtssicherheit wird es notwendig sein, das Unterhaltsrecht zu reformieren und eben auch eine umfassende Kindschaftsrechtsreform durchzuführen.
Wir haben einen umfassenden partizipativen Prozess gestartet, denn wie Sie eingangs auch erwähnt haben, ist es ein sehr sensibles und auch sehr emotionales Thema. Es betrifft wirklich viele Paare, die sich trennen, und wenn Kinder da sind, ist es dann immer sehr schwierig und emotional sehr herausfordernd. Daher haben wir auch sehr viele Organisationen eingeladen, Kinderorganisationen, Kindeswohlorganisationen, Frauenorganisationen, Väterrechtler, aber auch Uniprofessoren, um gemeinsam diese umfassende Reform zu erarbeiten. In diesem Bereich gilt es umso mehr, dass man an verschiedenen Schrauben drehen muss, um das Ganze auch gut zu gestalten.
Weil Sie ein paar Eckpunkte genannt haben: Im Wesentlichen geht es auch darum, das endlich einmal auch gesetzlich zu verankern. Dadurch, dass wir fehlende Gesetze haben, haben wir in dem Zusammenhang eine Art Richterrecht. Deswegen geht es ja auch darum, dass wir vieles, was eigentlich schon gilt, einmal gesetzlich festschreiben, damit man im Vorhinein auch ins Gesetz schauen und sehen kann: Okay, was steht mir zu? Was sind die Regelungen, die da zur Anwendung kommen?
Dem Kind soll auch ein zivilrechtlicher Anspruch zustehen. Sie haben es vorhin auch genannt, eben diesen bevorschussbaren Mindestunterhalt. Also da sollte natürlich auch ein originärer Anspruch des Kindes gegeben sein, denn in erster Linie geht es ja ums Kindeswohl. Im Rahmen dieser Reform steht das Kindeswohl im Zentrum, und daran wollen wir uns auch orientieren.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Steinacker? – Bitte.
Abgeordnete Mag. Michaela Steinacker (ÖVP): Ja, Frau Bundesministerin, wir werden Austauschmöglichkeiten haben. Ich möchte in diesem Zusammenhang ein Thema ansprechen, das ganz speziell ist, nämlich die Situation, wenn in Familien verschiedene Nationalitäten betroffen sind oder staatenübergreifende Themen abgehandelt werden müssen. Da greift das internationale Privatrecht. Das sieht im Moment vor, dass eben
nach dem Personalstatut der Familienangehörigen entsprechend entschieden wird. Das heißt, dass in Österreich manchmal auch fremdes Familienrecht zur Anwendung kommt.
Wir haben uns im Regierungsprogramm vorgenommen, dass wir dieses Personalstatut durch den Anknüpfungspunkt gewöhnlicher Aufenthalt dadurch austauschen, dass wir sagen: Wer hier in Österreich lebt, für den sind auch diese Familiengesetze anzuwenden. Eine diesbezügliche Vorlage fehlt noch. Wann werden Sie uns diese ins Parlament schicken?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Ministerin, bitte.
Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Sie haben die Novellierung des internationalen Privatrechts angesprochen. Das erfolgt auch schrittweise, weil das internationale Privatrecht eben auch an anderen Materiengesetzen hängt.
Der erste Schritt wurde bereits mit der Einführung des gewöhnlichen Aufenthalts als Anknüpfungspunkt für die gesetzliche Erwachsenenvertretung gesetzt. Das ist eben die Novelle des § 15. Gemeinsam mit der Reform zum Unterbringungsgesetz ist es jetzt gerade in der politischen Abstimmung. In diesem Zusammenhang gibt es auch viele weitere Schritte zu setzen. Was das Familienrecht im Bereich des IPRG betrifft, so sind wir gerade dabei, dies einer weiteren Analyse zu unterziehen, denn es wird sich auch auf europäischer Ebene einiges verändern, und das wollen wir miteinfließen lassen. Aber wie gesagt, die Novellierung des IPRG erfolgt schrittweise, und wir werden das gemeinsam mit den anderen Materiengesetzen vorantreiben. Das steht bei uns im Regierungsprogramm und wir haben uns auch darauf geeinigt.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Weitere Zusatzfrage: Frau Abgeordnete Neßler. – Bitte sehr.
Abgeordnete Barbara Neßler (Grüne): Guten Morgen, Frau Ministerin! Sie haben es schon angesprochen, es wird aktuell in Form eines großen, partizipativen Prozesses, bei dem alle relevanten Organisationen dabei sind, an dem neuen Kindschaftsrecht gearbeitet. Meine Frage dazu: Wie berücksichtigen Sie die feministischen Ziele in der Reform und wie stärken Sie die Stellung der Frau?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Ministerin, bitte.
Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Das große Ziel dieser Reform, und deswegen ist so ein breiter, partizipativer Prozess auch sehr wichtig, ist, dass es natürlich eine fortschrittliche Reform ist und auch eine feministische Reform, bei der auch das Kindeswohl im Mittelpunkt steht und wir diese Punkte auch berücksichtigen. Ein wesentlicher Aspekt der Reform soll natürlich auch der Schutz der gewaltbetroffenen Frauen sein, denn wir wissen ja jetzt, dass es immer wieder Stellen gibt, wo Probleme auftauchen, immer wieder Schwierigkeiten, gerade in gewaltbetroffenen Beziehungen. Da haben wir ganz viele Rückmeldungen von Frauenorganisationen, aber auch von Kindeswohlorganisationen. Ich möchte in diesem Gesetz auch einen ordentlichen Gewaltschutz für Frauen haben.
Zusätzlich möchte ich aber auch, dass es eine feministische und eine fortschrittliche Reform wird. Was bedeutet das? – Das bedeutet, dass wir auch diese Carearbeit endlich ordentlich aufteilen müssen. Das ist natürlich ein Wunschgedanke und lässt sich nicht immer nur mit einem Gesetz machen, aber wir können endlich die Schritte setzen, um diese Carearbeit, die in Österreich überwiegend von Frauen getragen wird, besser aufzuteilen – wenn man sich die Statistiken anschaut, dann sind wir irgendwo auf dem letzten Platz. Wir müssen da auch gesetzlich nachhelfen, damit das Gesetz in diesem Bereich auch endlich progressiver wird.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Weitere Zusatzfrage: Frau Abgeordnete Holzleitner. – Bitte sehr.
Abgeordnete Eva Maria Holzleitner, BSc (SPÖ): Guten Morgen, Frau Ministerin! Meine Frage richtet sich auch in diese Richtung, zu diesem Paket: Wir wissen, die Aufteilung der Carearbeit muss eigentlich bei der Geburt des Kindes anfangen und nicht erst bei der Trennung. Also das, glaube ich, ist eher der Ansatz, wo man beginnen sollte. Feministische Punkte müssen auf jeden Fall in dieses Paket eingebunden werden. Wenn Sie sagen, Sie verhandeln mit Väterrechtlern, die absolut problematisch sind, dann schrillen da für uns auf jeden Fall Alarmglocken. Deswegen meine Frage:
Wenn Sie mit problematischen Väterrechtlern verhandeln, aber nicht mit den Parlamentsparteien hier in diesem Hohen Haus, wann binden Sie uns endlich in dieses Paket ein und wann wird dieses Paket, dieses umfassende Paket in Begutachtung geschickt? Denn so, wie gesagt, ist das für uns einfach keine Vorgehensweise, die wir unterstützen können. (Beifall bei der SPÖ.)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Ministerin, bitte.
Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Sie haben in einem Punkt vollkommen recht, die Aufteilung der Carearbeit fängt schon bei der Geburt und eigentlich auch schon viel früher an. Das ist auch eine gesamtgesellschaftliche Veränderung, die wir gemeinsam anstreben sollen und die wir gemeinsam anstreben müssen. Es lässt sich nicht, wie Sie richtig gesagt haben, mit einem Gesetz umsetzen. Die Aufteilung der Carearbeit, nämlich dass Frauen und Männer wirklich zu gleichen Teilen diese Carearbeit verrichten, das müssen wir alle gemeinsam machen.
Wenn Sie die Reform an sich ansprechen, da haben Sie auch vollkommen recht: Die Reform müssen wir selbstverständlich gemeinsam im Parlament verhandeln. Die Reform ist noch lange nicht fertig, weil es, wie gesagt, ein partizipativer Prozess ist, in den ganz viele Organisationen eingebunden sind. Mit den Organisationen wird nicht verhandelt, sondern die Organisationen bringen Aspekte aus der Praxis mit ein. Das sind ganz viele Organisationen. Verhandeln tun wir es natürlich auf politischer Ebene. Jetzt sollen einmal aus diesem partizipativen Prozess Vorschläge kommen, und wir werden das auf politischer Ebene gemeinsam abstimmen.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Abgeordnete Yildirim. – Bitte.
Abgeordnete Mag. Selma Yildirim (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Ich finde das erfreulich, dass Sie der Korruption den Kampf angesagt haben und für eine unabhängige Justiz sorgen möchten. Bei diesem Vorhaben kann man Sie nur unterstützen.
Sie haben Mitte August des vergangenen Jahres medial aufhorchen lassen, als Sie gesagt haben, dass ein Erlass überarbeitet werden soll, nämlich ein Immunitätserlass aus dem Jahre 2009, erlassen in Ihrem Ressort, der besagt, dass Tätergruppen, in denen eine immune Person – also ein Abgeordneter, der immun ist – involviert ist, ebenso Immunität genießen, mit dem Unterschied, dass bei den Mittätern die Verfolgungsverjährung nicht gehemmt ist, während der Abgeordnete durch die Immunität geschützt und eine Verjährungshemmung gegeben ist. Was ist jetzt aus diesem Immunitätserlass geworden?
*****
Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 131/M, hat folgenden Wortlaut:
„Wann werden Sie, wie im Sommer des Vorjahres angekündigt, den neuen Immunitätserlass in Kraft setzen, um die Korruptionsbekämpfung zu stärken?“
*****
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau
Bundesministerin.
Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Die Ergänzung zum Immunitätserlass habe ich im Sommer angesprochen, weil wir auch anhand von Rückmeldungen von den Staatsanwaltschaften gesehen haben, dass man, gerade wenn nicht immune Tatbeteiligte in dem ganzen Verfahren beteiligt sind, auch gegen diese ermitteln muss – also es kann nicht sein, dass es dann, weil eben immune Tatbeteiligte bei der Tat dabei sind und keine Ermittlungshandlungen gesetzt werden können, zu einer Verjährung kommt. Daher war und ist es auch wichtig, diesen Immunitätserlass zu reformieren, um eben die Ermittlungen gegen nicht immune Tatbeteiligte zu ermöglichen.
Wir haben das in meinem Haus, im Justizministerium, vorbereitet, und es haben auch bereits Gespräche mit der Parlamentsdirektion stattgefunden. Das ist auch deswegen wichtig, weil es ja natürlich die Parlamentarier und das Parlament betrifft; daher war es mir wichtig, diesbezüglich Gespräche mit der Parlamentsdirektion zu führen. Ich werde auch in den nächsten Tagen den Parlamentsfraktionen und auch der Parlamentsdirektion einen überarbeiteten Erlass übermitteln, sodass wir das endlich verabschieden können.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.
Abgeordnete Mag. Selma Yildirim (SPÖ): Ich würde sehr gerne eine Zusatzfrage stellen, Herr Präsident: In Sachen Korruptionsbekämpfung ist ja auch diese EU-Whistleblowerrichtlinie relevant. Österreich ist da säumig, die Kommission hat ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich eingeleitet. Wann gedenken Sie beziehungsweise Ihre Kolleginnen und Kollegen auf der Regierungsbank, dem Parlament eine Gesetzesvorlage zuzuleiten, dass auch auf dieser Ebene Korruptionsbekämpfung effektiv passieren kann?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.
Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Sie sprechen eine sehr wichtige Richtlinie an. Ich möchte nur erwähnen, dass diese Richtlinie im Zuständigkeitsbereich des Arbeitsministers liegt, wir aber diesbezüglich in einem intensiven Austausch sind und das Ganze jetzt auch auf politischer Ebene verhandelt wird. Ich gehe also davon aus, dass der Arbeitsminister das sehr bald dem Parlament zuführen wird beziehungsweise es in die Begutachtung schicken wird, sodass sich dann alle äußern können.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Eine Zusatzfrage stellt Abgeordneter Ofenauer. (Bundesministerin Zadić schenkt sich ein Glas Wasser ein und trinkt.) – Dafür muss Zeit sein. Bitte, Herr Abgeordneter Ofenauer, die Zusatzfrage.
Abgeordneter Mag. Friedrich Ofenauer (ÖVP): Herr Präsident! Guten Morgen, Frau Bundesministerin! Private Kommunikation genauso wie Kommunikation im Zusammenhang mit einer politischen Tätigkeit findet ja mittlerweile großteils über elektronische Kommunikationsmittel statt. Die angesprochene Immunität von Abgeordneten umfasst auch die Notwendigkeit, vor einer Hausdurchsuchung bei einem Abgeordneten um Zustimmung des Nationalrates zu ersuchen. Jetzt wissen wir, dass auf solchen elektronischen Kommunikationsmitteln, wie Smartphones und so weiter, mittlerweile mehr Informationen vorhanden sind als früher in einem Büro, wo Briefe oder schriftliche Unterlagen aufbewahrt wurden. Ich denke deshalb, dass der Begriff der Hausdurchsuchung auf die Durchsuchung beziehungsweise Abnahme von solchen Smartphones oder elektronischen Kommunikationsmöglichkeiten erweitert werden sollte.
Welche Maßnahmen werden Sie in diese Richtung setzen, und wie sehen Sie das?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.
Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Der Bereich, den Sie ansprechen, betrifft ja die außerparlamentarische Immunität, und der Begriff der Hausdurchsuchung im Sinne des B-VG – das steht in Artikel 57, den Sie auch angesprochen haben – ist nach der Bundesverfassung ein Eingriff in das Hausrecht. Die Sicherstellung von elektronischen Kommunikationsmitteln fällt nach der heutigen Ansicht nicht unter diesen
Begriff. Eine Auslieferung im Sinne des Art. 57 Abs. 2 B-VG bedürfte somit im Ergebnis, dass das Kommunikationsmittel im Zuge einer Hausdurchsuchung beim Abgeordneten sichergestellt werden soll. Das gilt für die Hausdurchsuchung selbst nicht, aber für die Sicherstellung, wie Sie das vorhin auch erwähnt haben.
Es hat schon zahlreiche Novellierungen dieser Bestimmung gegeben, und das Hausrecht wurde in dem Zusammenhang nicht erweitert. Für eine Ausdehnung des Anwendungsbereichs dieser Bestimmung bedürfte es natürlich dann einer Novellierung des B-VGs. Das ist dann eine Verfassungsbestimmung und, wie Sie wissen, auch nicht in meinem Wirkungsbereich.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Eine Zusatzfrage stellt Abgeordneter Margreiter. – Bitte sehr.
Abgeordneter Dr. Johannes Margreiter (NEOS): Guten Morgen, Frau Bundesministerin! Die Korruptionsbekämpfung zu stärken ist ein Thema im Regierungsprogramm. Sie haben vorhin auf die Frage der Kollegin Yildirim schon ausgeführt, dass einer der zentralen Tatbestände in der Korruption im Bereich Privatwirtschaftsverwaltung der Gebietskörperschaften der Untreuetatbestand, § 153 StGB, ist. Dieser findet auch eine eigene Erwähnung im Regierungsprogramm; es soll also der Untreuetatbestand evaluiert und geprüft werden.
Die Frage an Sie lautet: Inwieweit ist mit dieser Evaluierung schon begonnen worden? Wie weit ist sie fortgeschritten? In welche Richtung soll dieser Untreuetatbestand im Sinne der Stärkung der Korruptionsbekämpfung noch geschärft werden?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.
Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Wir evaluieren unsere Gesetze, aber auch unsere Erlässe im Bereich der Staatsanwaltschaft auch im Sinne der Korruptionsbekämpfung und wie wir die Korruptionsbekämpfung weiter stärken können, laufend und immer wieder. Insofern haben wir ja auch die Korruptionsbestimmungen nachgeschärft und diese auch in die politische Abstimmung geschickt – aus dem Justizministerium liegen ja Reformvorschläge zum Untreuetatbestand vor. Das ist der Schritt, den wir als Nächstes setzen werden.
Wir haben uns bis jetzt auf die tatsächlichen Korruptionsbestimmungen und auch auf die Entlastung der Staatsanwaltschaft fokussiert – Stichwort Berichtspflichtenerlass – und haben natürlich stärkere Möglichkeiten in dem Zusammenhang, daher werden wir als Nächstes quasi auch diesen Untreuetatbestand angehen.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Herr Abgeordneter Schnedlitz. – Bitte sehr.
Abgeordneter Michael Schnedlitz (FPÖ): Herr Präsident! Guten Morgen, Frau Minister! Sie selbst haben immer betont, wie wichtig ein vollumfängliches Vertrauen der Bevölkerung in die Justiz ist, ein Vertrauen, dass sich natürlich auch auf der Untadeligkeit der Minister gründet. Während ÖVP-Korruptionsskandale und auch der Plagiatsfall rund um ÖVP-Ministerin Aschbacher das Vertrauen in die Regierung bereits massiv beschädigt haben, rüttelt nun ein Plagiatsfall rund um Ihre Person an den Grundfesten und dem Vertrauen in die Justiz. Dazu lautet meine Frage:
„Welche Konsequenzen werden von Ihrer Seite aus gezogen, nachdem mit Martin Heidingsfelder ein zweiter Plagiatsjäger in seinem über 44-seitigen Gutachten über Ihre Dissertation mehr als 73 Plagiats-Teile nachgewiesen haben soll?“
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau
Bundesministerin.
Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Also ich kann mich nur wiederholen und kann die Vorwürfe als falsch zurückweisen. Im Übrigen handelt es sich um ein anonymes Gutachten, und die genannte Person ist nicht der Verfasser.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter.
Abgeordneter Michael Schnedlitz (FPÖ): Frau Minister! Die Gutachter sind sehr wohl bekannt. Gestern Abend ist der Vorwurf aufgetaucht, dass die Justiz versucht habe, Druck auf eine der Plagiatsgutachterinnen auszuüben. Ich darf hier aus dem betreffenden Artikel von Exxpress zitieren:
„Der Wienerin wurde dann von ,einem Staatsanwalt‘ und ,einem Mitarbeiter eines Bezirksgerichts‘ einen Tag nach dem 15. Jänner, als ihr Name in manchen Medien aufgetaucht ist, gesagt: ,Bei meinem Sorgerechtsfall um mein Kind käme es jetzt drauf an, wie ich mich ,benehme‘. Ich soll, so wurde mir wörtlich gesagt, ,den Ball flach halten und schweigen‘. Ich war wirklich entsetzt.‘ [...] ,Natürlich war da ein Zusammenhang mit meiner öffentlichen negativen Bewertung der Dissertation der Justizministerin, definitiv besteht da ein Zusammenhang.‘“ (Zwischenruf der Abg. Neßler, verneinend den Kopf schüttelnd.)
Die Plagiatsgutachterin im Interview mit Exxpress: „,Das war ein Versuch, um auf mich Druck auszuüben. Ich sollte mich nicht mehr öffentlich über die Doktorarbeit von Alma Zadic äußern.‘“
Wie äußern Sie sich zu diesem unglaublichen Vorwurf?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.
Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Ich gehe stark davon aus, dass, wenn das so passiert ist, die betroffene Person auch Anzeige erstatten wird. (Beifall bei den Grünen, bei Abgeordneten der SPÖ sowie der Abg. Tanda.)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Frau Abgeordnete Prammer.
Abgeordnete Mag. Agnes Sirkka Prammer (Grüne): Guten Morgen, Frau Bundesministerin! Wir haben es jetzt gerade gesehen: Es gibt massive Anwürfe, massive Vorwürfe gegen die Justiz als solche, gegen die Vorgehensweisen, gegen die Unabhängigkeit. Immer wieder wird durch unhaltbare Vorwürfe die Unabhängigkeit der Justiz infrage gestellt, und wir hören immer wieder, dass man es sich leicht macht, indem man einfach pauschale Anschuldigungen erhebt, teilweise ohne Nennung von Namen irgendwelche pauschale Vorwürfe in den Raum stellt und damit die Justiz insgesamt, in ihrer Gesamtheit, auch in ihrer Unabhängigkeit und in ihrem Ansehen innerhalb der Republik, schädigt. Sie als Justizministerin stehen diesem gesamten Justizbereich vor, und es ist daher Ihre Aufgabe, diese Unabhängigkeit der Justiz abzusichern.
Daher meine Frage: Welche konkreten Maßnahmen zur strukturellen Absicherung der Unabhängigkeit der Justiz in Österreich haben Sie gesetzt und werden Sie setzen?
*****
Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 142/M, hat folgenden Wortlaut:
„Welche Maßnahmen zur strukturellen Absicherung der Unabhängigkeit der Justiz haben Sie als Justizministerin getroffen?“
*****
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte schön, Frau
Bundesministerin.
Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Die Unabhängigkeit der Justiz ist mir ein großes Anliegen. Ich habe von Beginn an immer gesagt, dass ich die Unabhängigkeit der Justiz auch strukturell absichern möchte. Daher war ein wesentlicher Schritt, den ich gesetzt habe, die große Strafrechtssektion im Justizministerium aufzuteilen, nämlich in eine Sektion für Straflegistik und in eine Sektion, die nur für Einzelstrafsachen zuständig ist.
Das bedeutet, dass die Sektion, die für die Straflegistik zuständig ist, selbstverständlich immer wieder Gespräche in Arbeitsgruppen, mit Abgeordneten, mit Stakeholdern, führen muss, um die Gesetze zu entwerfen und zu schreiben. Daneben gibt es eine eigene Sektion, die eben nur nach innen und nicht nach außen arbeitet, und das ist die Sektion, die für die Staatsanwaltschaften zuständig ist. Da ist es mir einfach besonders wichtig, dass da nach innen und nicht nach außen gearbeitet wird.
Der zweite wesentliche Aspekt, der zur Absicherung der Unabhängigkeit der Justiz beiträgt, ist natürlich ihre finanzielle Absicherung. Ressourcen im Justizbereich sind enorm wichtig, daher war es uns Grünen einfach von Vornherein ein Anliegen, das Budget zu erhöhen. Das haben wir in den letzten Jahren auch gemacht, wir haben das Justizbudget konsequent erhöht.
Nicht alle Themen, nicht alle Probleme lassen sich von heute auf morgen aufarbeiten und beheben, insbesondere wenn man sich anschaut, dass die Justiz in den letzten zehn Jahren – das muss man leider sagen – chronisch unterfinanziert war. Daher haben wir schrittweise einzelne Planstellen dazubekommen. Bei der Staatsanwaltschaft haben wir eine Aufstockung um 10 Prozent erreicht, was mich, insbesondere wenn es um die unabhängige Ermittlungsarbeit der Staatsanwaltschaft geht, besonders freut, dass uns das gelungen ist.
Es gibt aber viele, viele andere Bereiche, in denen wir aufgestockt haben und auch aufstocken werden.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Prammer?
Abgeordnete Mag. Agnes Sirkka Prammer (Grüne): Danke.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage: Abgeordneter Gerstl, bitte.
Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! In den vergangenen Monaten haben viele in der Öffentlichkeit den Eindruck gewonnen, dass in der Justiz nicht immer unabhängig vorgegangen wird. Ich habe mir jetzt die Strafprozeßordnung angesehen, und in der Strafprozeßordnung heißt es ganz konkret, dass die Staatsanwälte „die zur Belastung und die zur Verteidigung des Beschuldigten dienenden Umstände mit der gleichen Sorgfalt zu ermitteln“ haben. In § 21 der Strafprozeßordnung heißt es, dass die Oberstaatsanwaltschaften für die Aufsicht der Staatsanwaltschaften zuständig sind, damit dieser Rechtsgrundsatz eingehalten wird.
Frau Bundesminister, was haben Sie in den vergangenen zwei Jahren getan, damit diese Aufsicht auch in Zukunft sichergestellt werden kann, damit in der Justiz alle nach dem Gesetz vorgehen und alle entlastenden und belastenden Argumente gleichmäßig untersucht werden?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.
Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Sie sprechen einen sehr, sehr wichtigen Punkt an. Die Staatsanwaltschaft ist gesetzlich dazu verpflichtet und angehalten, quasi die Wahrheit zu erforschen. Das bedeutet, dass alle belastenden und entlastenden Beweise mitaufzunehmen sind. Das ist ein wichtiger Aspekt, den ich immer wieder betone, und daher bin ich dankbar, dass Sie das heute auch tun.
Die Fachaufsicht ist eine sehr wichtige Sache in der Ermittlungsarbeit der Staatsanwaltschaft, weil so auch sichergestellt werden kann, dass, wenn es einmal zur Anklage
kommt, die Wahrscheinlichkeit, dass es zu einer Verurteilung kommt, etwas höher ist. Deswegen gibt es de facto einen Drei- bis Vierinstanzenzug – wenn man das so plastisch sagen möchte – in der Staatsanwaltschaft, also im Justizministerium, im Justizbereich. All das, was die Staatsanwaltschaft macht, geht an die Oberstaatsanwaltschaft, daraufhin geht es ins Ministerium, in die dafür zuständige Sektion für Einzelstrafsachen, und dann an den Weisungsrat, und erst dann landet es auf meinem Tisch.
Das heißt, ich glaube, dass unser Rechtsstaat – und Sie sprechen auch die Strafprozeßordnung an – sehr wohl dafür gesorgt hat, dass jedes Handeln des Staates, insbesondere wenn es um den Eingriff in Persönlichkeitsrechte geht, überprüft wird.
Ich habe die Planstellen bei der Staatsanwaltschaft aufgestockt, ich habe auch mit der Oberstaatsanwaltschaft immer wieder klärende und gute Gespräche geführt, und mit der Sektionsteilung ist es uns auch gelungen, endlich Ruhe in die Fachaufsicht zu bringen. Und wie Sie an dem fehlenden medialen Aufschrei in den letzten Wochen, Monaten sehen können, funktioniert die Arbeit der Staatsanwaltschaft sehr gut und in Ruhe.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Abgeordneter Margreiter. – Bitte.
Abgeordneter Dr. Johannes Margreiter (NEOS): Frau Bundesministerin, ich muss die Baustelle Maßnahmenvollzug ansprechen. Derzeit, mit Stichtag 1. Februar, haben wir circa 1 400 Menschen in Österreich, die im Maßnahmenvollzug untergebracht sind. Das sind 16,5 Prozent aller in Justizanstalten angehaltenen Personen. Die Tendenz ist stark steigend. Wir wissen, dass es Probleme gibt. Es wird im Ministerium genauso wie bei den zuständigen Abgeordneten bekannt sein, wie viele Beschwerden es gibt. Dabei geht es vor allem um die Frage der Gutachten, die dem Maßnahmenvollzug zugrunde liegen. Damit man in den Maßnahmenvollzug kommt, braucht es einmal ein Gutachten, das die Zurechnungsfähigkeit bejaht oder verneint, und dann, wenn eine Anhaltung, eine Unterbringung erfolgt, muss immer wieder die Gefährlichkeitsprognose überprüft werden.
Ich denke, dass im Bereich dieser Gutachten Handlungsbedarf besteht, und daher die Frage an Sie: Was unternehmen Sie, um die Gutachten mit der erforderlichen Qualität auszustatten – immerhin geht es um freiheitsbeschränkende Maßnahmen –, damit gewährleistet ist, dass dieser Eingriff in die Grundrechte auch wirklich gerechtfertigt ist?
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Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 140/M, hat folgenden Wortlaut:
„Was unternimmt Ihr Ministerium für die Überprüfung und Qualitätssicherung von Gutachten, die einer Einweisung und Gefährlichkeitsprüfung dem Maßnahmenvollzug zugrunde gelegt werden?“
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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.
Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Sie sprechen damit ein wichtiges Thema an. Der Maßnahmenvollzug ist auch mir ein großes Anliegen. Ich habe von Anfang an erklärt, dass ich mich dem widmen möchte und den Maßnahmenvollzug, dieses Riesending, auch reformieren möchte, denn wir wissen – das muss ich an dieser Stelle leider so sagen –, dass da vieles im Argen liegt.
Wir haben eine große Maßnahmenvollzugsreform gestartet. Ein erster Teil war schon in Begutachtung; es werden gerade die umfassenden Stellungnahmen, die gekommen sind, eingearbeitet. Ein wichtiges Thema in diesem Zusammenhang ist natürlich die
Sicherstellung der Qualität der Gutachten. Um eine Hilfestellung zur Überprüfung der Qualität von Sachverständigengutachten zu erreichen, wird im Justizministerium aktuell auch überlegt, inwiefern man Qualitätsstandards für Sachverständigengutachten erstellen kann. Dafür sind natürlich Berufsgruppen mit entsprechender Berufsausbildung notwendig und wichtig. Im Fall der Gutachter, die Sie ansprechen, ist das auch die Ärztekammer. Ich halte es für sehr wichtig, dass es Qualitätskriterien gibt, gerade in diesem Zusammenhang.
Also zum einen gibt es diese Maßnahmenvollzugsreform, die auch dazu beitragen wird, dass die Qualität verbessert werden kann, und zum anderen müssen wir auch aufseiten der Gutachter, aufseiten der Sachverständigen einiges tun.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Nachfrage? – Bitte.
Abgeordneter Dr. Johannes Margreiter (NEOS): Könnten Sie sich auch einen legistischen Eingriff im Sinne des § 126 Strafprozeßordnung vorstellen, dass bei Gutachten, die der freiheitsbeschränkenden Maßnahme zugrunde liegen, noch gesondert eine Zweitbegutachtung ermöglicht wird? Dies wird ja jetzt von den Gerichten sehr oft abgelehnt – mit dem Stehsatz aus der Judikatur. Wenn man da nicht auf selber fachlicher Ebene argumentiert, dann sind diese Einwendungen sehr schnell vom Tisch gewischt.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.
Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Derzeit ist es so: Wenn ein abgegebenes Gutachten ungenügend ist, dann kann das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen anordnen, dass eine neuerliche Begutachtung durch denselben oder durch einen anderen Sachverständigen stattfindet. Aber das ist ein valider Einwand von Ihnen, ich werde mir das noch näher anschauen.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Frau Abgeordnete Scharzenberger. – Bitte sehr.
Abgeordnete Mag. Corinna Scharzenberger (ÖVP): Guten Morgen, Frau Bundesministerin! Im aktuellen Regierungsprogramm haben wir uns in einem eigenen Kapitel, „Haft in der Heimat weiter forcieren“, darauf geeinigt, ausländische Insassen im Strafvollzug zur Verbüßung ihrer Haftstrafe unter Einhaltung der rechtsstaatlichen Standards in deren Heimatstaaten zu überstellen.
Jetzt ist es dazu wohl auch notwendig, Überstellungsabkommen – sei es auf bilateraler oder auf multilateraler Ebene – zu forcieren, und außerdem sollten im Rahmen einer Initiative auf europäischer Ebene die rechtsstaatlichen Standards in Drittstaaten gefördert werden.
„Welche Schritte zur Umsetzung der gemeinsam im Regierungsprogramm beschlossenen Maßnahme ‚Haft in der Heimat forcieren‘ haben Sie bislang gesetzt?“
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.
Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Sie sprechen ein paar wichtige Punkte an. Wir haben uns das im Regierungsprogramm so ausgemacht. Das ist etwas, was – nach vielen Gesprächen mit dem Generaldirektor des Strafvollzugs – sehr wichtig ist. Die Maßnahmen, die gesetzt werden, sind natürlich auch die Forcierung bilateraler und multilateraler Übereinkommen, da wir Übereinkommen brauchen, um die Menschen, die ausländischen Insassen, quasi in ihre Heimatländer zu schicken, wenn es um die Verbüßung der Haftstrafe geht.
Probleme bringen insbesondere jene Länder mit Haftbedingungen, die nicht den EMRK-Standards entsprechen. Daher setze ich mich auch auf europäischer Ebene dafür ein, dass wir dafür sorgen, dass gerade in den Regionen rund um die Europäische Union die Haftbedingungen verbessert werden, denn wenn das der Fall ist und die EMRK-Standards eingehalten werden, kann man die Personen zur Verbüßung der Haftstrafen natürlich auch dorthin schicken.
Ich möchte Ihnen dazu aktuelle Zahlen nennen; Sie wissen es ja aus dem Justizausschuss, gerade im Jahr der Pandemie waren die Zahlen doch relativ niedrig. Wenn man sich diese im Vergleich anschaut, dann sieht man: Im Jahr 2019 wurden 190 internationale Überstellungen zur Übernahme der Strafvollstreckung durchgeführt, im Jahr 2020, dem Pandemiejahr, 123 und im Jahr 2021 wieder 191 internationale Überstellungen.
Aktuell findet auf europäischer Ebene die Evaluierung des Rahmenbeschlusses Freiheitsstrafen im Zuge der laufenden Evaluierungsrunde statt, also der neunten Evaluierungsrunde. Da geht es auch um die Stärkung des gegenseitigen Vertrauens als Grundvoraussetzung des Funktionierens der Instrumente der gegenseitigen Anerkennung. Ich denke, dass das auch eine wichtige Evaluierung ist, um in diesem Zusammenhang weiterzukommen.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.
Abgeordnete Mag. Corinna Scharzenberger (ÖVP): In den österreichischen Haftanstalten sehen wir auch vermehrt das Problem der Radikalisierung, vor allem von Häftlingen muslimischen Glaubens. Österreich steht mit diesem Problem in Europa nicht alleine da. Es hat sich bereits 2019 der Rat der Europäischen Union damit beschäftigt und Empfehlungen dazu erarbeitet.
Welche Maßnahmen werden Sie in Übereinstimmung mit den Schlussfolgerungen des Rates der Europäischen Union setzen, um diesem Problem der zunehmenden islamistischen Radikalisierung in Justizanstalten entgegenzuwirken?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.
Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Das war auch Thema bei den Verhandlungen zur Antiterrorgesetzgebung, die mit Anfang dieses Jahres in Kraft getreten ist, und ich habe mich sehr stark gemacht dafür, dass wir im Strafvollzug eine eigene Koordinationsstelle dafür schaffen. Wir beobachten diesen Trend ja auch in Österreich, und daher ist es wichtig, diesem rasch Schritte entgegenzusetzen. Daher haben wir eben diese Koordinationsstelle für Extremismusprävention und Deradikalisierung im Straf- und Maßnahmenvollzug etabliert, und das schafft eines: nämlich eine Zentralisierung und Beobachtung aller Justizanstalten in diesem Zusammenhang und ein rasches Eingreifen, wenn man sieht, dass sich da Dinge in eine andere Richtung entwickeln. Daher gibt es diese zentrale Anlaufstelle.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: 1 Minute!
Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Vielleicht noch ein Punkt, der mir ganz wichtig ist: Vor einer bedingten Entlassung wird es jetzt auch verstärkt Fallkonferenzen geben, bei denen verpflichtend der Strafvollzug mit den Nachrichtendiensten zusammenarbeitet. Das ist insofern wichtig, als man da auch den Informationsfluss verbessern muss.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Abgeordneter Drobits. – Bitte.
Abgeordneter Mag. Christian Drobits (SPÖ): Herr Präsident! Guten Morgen, Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:
Wann werden Sie gemeinsam mit der Verfassungsministerin eine Regierungsvorlage vorlegen, die die Abschaffung des Amtsgeheimnisses beinhaltet und ein Recht auf Informationsfreiheit schafft?
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Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 132/M, hat folgenden Wortlaut:
„Wann werden Sie gemeinsam mit der Verfassungsministerin die Abschaffung der Amtsverschwiegenheit samt Schaffung eines Rechts auf Informationsfreiheit in Form einer Regierungsvorlage vorlegen?“
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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.
Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Die Verfassungsministerin und ich sind uns einig, dass wir das rasch auf den Weg bringen wollen. Das Gesetz wurde begutachtet, es hat zahlreiche Stellungnahmen dazu gegeben, und das wird derzeit gerade eingearbeitet.
Ja, wir beide wollen das rasch vorantreiben. Es gibt einige, die das blockieren. Wir werden uns aber dafür einsetzen, dass wir diese Blockade – hoffentlich – auflösen, ansonsten müsste man die Frage auch den Blockierern stellen.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.
Abgeordneter Mag. Christian Drobits (SPÖ): Wird es nach dem derzeitigen Entwurf einen Informationsbeauftragten oder eine Informationsbeauftragte geben? Und wenn nicht: Welche Rolle hat die Datenschutzbehörde mit welcher personellen Ausstattung?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.
Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Ressourcen oder personelle Ausstattung sind natürlich immer ein Thema. Wie gesagt, derzeit befindet sich das begutachtete Gesetz im Stadium der Einarbeitung der Stellungnahmen. Es ist auch eine Verfassungsmaterie, das heißt, es wird natürlich auch mit dem Parlament und den Parlamentsfraktionen besprochen werden. Ich möchte diesem gesamten Prozess nicht vorgreifen. Das Gesetz ist de facto noch nicht fertig.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Hanger. – Bitte sehr.
Abgeordneter Mag. Andreas Hanger (ÖVP): Guten Morgen, Frau Bundesministerin! Die Amtsverschwiegenheit hat nicht nur einen Selbstzweck, sondern soll natürlich gerade in Strafverfahren auch die berechtigten Interessen der Beteiligten schützen. Gerade dies war in der Vergangenheit oftmals nicht der Fall. Sogar Originalzitate aus Akten wurden den Medien zugespielt. Das geht dann manchmal in einer atemberaubenden Geschwindigkeit: Um 9 Uhr zum Beispiel wird der Akt freigeschaltet, wenige Stunden später sind fixfertige Berichte in den Medien zu lesen. Da werden natürlich auch Beschuldigtenrechte verletzt. Das kann man aber nicht nur der Akteneinsicht anlasten, denn derartige Veröffentlichungen gab es in allen möglichen Verfahrensarten. Wir wissen, dass wir, wenn Akten an den Untersuchungsausschuss geliefert werden, eine ähnliche Situation haben.
Welche Maßnahmen zur Verhinderung dieser Situation haben Sie geplant?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau
Bundesministerin.
Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Zunächst muss ich die in der Fragestellung zum Ausdruck gekommene Unterstellung, dass es in der Justiz Datenleaks gäbe, zurückweisen. In dieser Pauschalität muss ich das zurückweisen.
In jedem in der Öffentlichkeit behaupteten Fall, kann ich Ihnen versichern, ist die Justiz dem nachgegangen, und zwar sowohl im Rahmen der Dienstaufsicht als auch im Zusammenhang mit der Prüfung der Verdachtslage nach § 310 StGB. In den allermeisten Fällen hat die Erhebung ergeben, dass es keinen Nachweis für die behauptete Verletzung des Amtsgeheimnisses gibt. In den Fällen, in den wenigen Fällen, in denen die Verletzung des Amtsgeheimnisses im Justizressort tatsächlich festgestellt werden konnte, hat das für die betroffene Person auch sofortige Konsequenzen gehabt.
Sie haben mich aber trotzdem gefragt, was ich gedenke in diesem Zusammenhang zu tun, und ich habe das auch schon mehrfach gesagt: Wir sind im Zusammenhang mit der Digitalisierung, die wir im staatsanwaltschaftlichen Bereich fast abgeschlossen haben, so weit, dass wir insbesondere alle Akten, die gesamte Aktenführung im staatsanwaltschaftlichen Bereich in diesem Jahr auf den digitalen Akt werden umstellen können. Das wird jedenfalls neue Akten betreffen, und die alten werden laufend digitalisiert. Das führt zu dem schönen Ergebnis, dass man natürlich auch immer nachverfolgen kann, welche Aktenteile ausgedruckt wurden, wer welche Aktenteile ausgedruckt hat, wem welche Aktenteile zur Verfügung gestellt wurden, mit sogenanntem Wasserzeichen. Insofern tun wir schon sehr viel in diesem Zusammenhang, damit auch das letzte Körnchen dieses Vorwurfs entkräftet werden kann.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Abgeordneter Lausch. – Bitte.
Abgeordneter Christian Lausch (FPÖ): Frau Bundesminister! Am 1. Jänner 2023 wird nun endlich eine Ungerechtigkeit beseitigt und auch bei der Justizwache – wie bei den anderen Exekutivkörpern – die Schwerarbeiterregelung eingeführt, in Kraft treten. Dazu muss man aber bemerken, dass die Personalsituation über die letzten Jahre, Jahrzehnte bei der Justizwache eine sehr angespannte ist und Ihre Vorgängerinnen und Vorgänger es auch nicht geschafft haben, da für ein Mehr an Justizwachebeamten zu sorgen. Die Schwerarbeiterregelung, die Möglichkeit, abschlagsfrei in Pension zu gehen, wird wahrscheinlich auch Pensionierungen nach sich ziehen, und daher ist meine Frage an Sie:
„Welche Vorsorgen wurden bis jetzt getroffen, um die Justizwachebeamten, die in den kommenden Monaten und Jahren in Ruhestand gehen werden, zu ersetzen, zumal das Aufnahmeverfahren bis zu 3 Monate und die Ausbildung 24 Monate dauert?“
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.
Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Ich freue mich auch, dass wir endlich diese Schwerarbeiterregelung in Kraft haben. Es geht dabei, wie Sie richtig gesagt haben, letztlich auch um Gerechtigkeit, um die Gerechtigkeit, dass auch Justizwachebeamte, die tagtäglich in den Justizanstalten stehen und tatsächlich auch gefährlichen Situationen ausgesetzt sein können, diese Schwerarbeiterregelung in Anspruch nehmen können, wie eben die Polizei auch.
Ich freue mich sehr, dass das Ganze auf breiter politischer Ebene getragen wurde und Sie immer wieder dafür plädiert haben, dass wir das endlich umsetzen. Das ist uns jetzt in dieser Regierungskonstellation gelungen, und da danke ich auch dem Koalitionspartner, der sich mit mir dafür eingesetzt hat, dass wir das schaffen.
Sie haben natürlich vollkommen recht: Wenn die Schwerarbeiterregelung in Kraft tritt, wird es viele Pensionsabgänge geben. Das haben wir jetzt schon. Natürlich beobachten wir diese Situation und schauen, dass wir über das, was bis jetzt schon läuft, hinaus
zusätzliche Maßnahmen setzen, um die Justizwachebeamten zu unterstützen, denn wir brauchen neue Leute. Da geht es in erster Linie darum, diesen Beruf auch nach außen zu präsentieren, zu zeigen, wie wichtig und verantwortungsvoll er ist, was für ein herausfordernder, aber gleichzeitig auch schöner Beruf das ist, weil man da wirklich etwas für die Sicherheit unserer Gesellschaft tun kann.
Neben der Vielzahl an Maßnahmen gibt es seit Kurzem auch einen Onlinerecruitingday, bei dem verstärkt versucht wird, über die digitale Welt an Personen zu kommen, die sich für diesen Beruf interessieren. Ich glaube, dass das auch einen gewissen Erfolg hat. Es gibt bisher schon sogenannte Onlineinformationsabende, und die scheinen auf ein großes Interesse gestoßen zu sein; bislang war die Zahl der Teilnehmenden sehr hoch. Ich bin auch zuversichtlich, dass die Grundausbildungslehrgänge mit Bewerberinnen und Bewerbern gefüllt werden können. Im heurigen Jahr, um es vielleicht konkreter zu machen, sind bei entsprechender Bewerberlage noch zumindest zehn Grundausbildungslehrgänge mit jeweils 22 Teilnehmerinnen und Teilnehmern in Aussicht genommen.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.
Abgeordneter Christian Lausch (FPÖ): Frau Bundesminister! Es ist bekannt, Sie haben da einiges ins Leben zu rufen versucht, was teilweise auch erfolgreich war, aber meine Frage wäre: Was haben Sie außer einem Recruitingday und einer Onlineplattform noch in Planung, um das Berufsbild der Justizwachebeamtin, des Justizwachebeamten attraktiver zu machen, motivierender zu machen und zu schauen, mehr Bewerbungen für diesen Job zu bekommen?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.
Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: In einigen Bereichen muss man in diesem Zusammenhang an mehreren Schrauben drehen und nicht nur an einer, um eben diesen Beruf attraktiver zu gestalten. Ich habe mich eigentlich seit Beginn an mit dem Generaldirektor des Strafvollzugs zusammengesetzt, und wir haben auch bei zahlreichen Pressekonferenzen immer wieder darauf hingewiesen, wie wichtig und wie wertvoll dieser Beruf für unsere Gesellschaft ist. Wir werden das auch in Zukunft tun. Ich bin aber gerne bereit, wenn Sie eigene Ideen haben, wie wir das Ganze verbessern können, das mit Ihnen zu besprechen.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Abgeordnete Disoski. – Bitte sehr.
Abgeordnete Mag. Meri Disoski (Grüne): Guten Morgen, Frau Bundesministerin! Ein Thema, das wir heute in der Fragestunde noch nicht hatten, möchte ich gerne aufs Tapet bringen, nämlich den Kampf gegen Gewalt an Frauen, der uns hier im Parlament regelmäßig beschäftigt, der mich als Frauensprecherin in meiner tagtäglichen politischen Arbeit genauso beschäftigt wie auch Sie als Justizministerin.
Wir wissen, dass wir diesbezüglich in Österreich ein großes Problem haben: In keinem anderen Land europaweit werden so viele Frauen getötet wie in Österreich. Wir wissen auch, dass vergangene Regierungen dieses Problem nicht ernst genommen haben, da weggeschaut haben. Das hat sich unter anderem artikuliert in Budgets für Gewaltschutz und für Gewaltprävention, die zehn Jahre hindurch stagnierend waren, zuletzt sogar gekürzt worden sind. Diese Bundesregierung geht da einen anderen Weg, sowohl was die budgetäre Ausstattung von Gewaltschutz und Gewaltprävention als auch andere konkrete Maßnahmen angeht, die gesetzt worden sind, die von dieser Bundesregierung ressortübergreifend gesetzt worden sind, insbesondere auch von Ihnen und Ihrem Haus.
Können Sie uns sagen, welche Maßnahmen das Justizministerium im Vorjahr getroffen hat, um tatsächlich diesen Schutz vor Gewalt gegen Frauen und Mädchen und auch die Gewaltprävention zu stärken?
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Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 143/M, hat folgenden Wortlaut:
„Welche Maßnahmen hat das Justizministerium 2021 getroffen, um die Gewalt gegen Frauen und Mädchen zu bekämpfen?“
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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.
Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: In allererster Linie ist es wichtig, dass wir diese Gewaltspirale durchbrechen. Da sind wir als Bundesregierung gefordert, weil das Gewaltthema ein ressortübergreifendes Thema ist. Wir müssen an unterschiedlichen Schrauben drehen, um endlich diese Gewaltspirale zu durchbrechen.
Wir haben letztes Jahr eines der größten Antigewaltbudgets für Gewaltschutzprojekte zur Verfügung gestellt – und auch heuer wieder. Wenn man sich den Justizbereich im Konkreten anschaut, so war es mir besonders wichtig, an zwei Schrauben zu drehen: zum einen beim Informationsfluss. Das, was ich in der Vergangenheit immer wieder gehört habe, ist, dass gerade die Informationen zwischen den Opferschutzeinrichtungen, den Staatsanwaltschaften und der Polizei nicht immer super fließen. Daher ist es wichtig, diesen Informationsfluss zu stärken, und wir haben die Staatsanwaltschaften in einem Erlass angehalten, die Fallkonferenzen stärker in Anspruch zu nehmen, weil man sehr wohl davon profitieren kann, wenn die Informationen zusammenlaufen.
Wir haben auch an einer zweiten Schraube zu drehen versucht, nämlich die Verurteilungsrate zu erhöhen. Gerade im Bereich der häuslichen Gewalt, wenn es um Körperverletzungen geht, müssen wir sicherstellen, dass die Verurteilungsrate nicht so niedrig ist, denn wir wurden ja zu Recht dafür kritisiert. Daher habe ich in einem Erlass an die Staatsanwaltschaft festgelegt, dass die Qualität der Beweissicherung gesteigert wird, sprich: Gerade wenn häusliche Gewalt passiert, wenn so eine Gewaltauseinandersetzung stattfindet, sollten sich die Staatsanwaltschaften überlegen, persönliche Einvernahmen zu machen, denn es ist ein anderer Eindruck, wenn man die Person selber vernimmt, als wenn man nur Protokolle liest.
In diesem Zusammenhang gibt es viele, viele kleine Maßnahmen, die man setzen muss. Ich habe auch einen strukturierten Dialog mit den Opferschutzeinrichtungen, den Staatsanwaltschaften und natürlich meinem Ressort ins Leben gerufen, damit wir immer wieder schauen, wie wir da Verbesserungen machen können.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Nachfrage? – Keine.
Dann stellt die nächste Zusatzfrage Frau Abgeordnete Schatz. – Bitte.
Abgeordnete Sabine Schatz (SPÖ): Guten Morgen, Frau Bundesministerin! Ich möchte zum Thema sexuelle Gewalt eine Frage stellen. Wir wissen, dass es in diesem Bereich eine sehr hohe Dunkelziffer gibt, das heißt, dass viele Frauen, die von sexuellen Gewaltdelikten betroffen sind, diese gar nicht anzeigen, gleichzeitig gibt es da auch eine sehr niedrige Verurteilungsrate.
Meine Frage ist jetzt: Welche Maßnahmen werden Sie als Justizministerin setzen, um dem entgegenzuwirken und von sexueller Gewalt betroffene Frauen zu schützen?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.
Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: In erster Linie ist es wichtig, auf Schulungen zu setzen, sowohl im Rahmen der Ausbildung als auch dann später bei der Weiterbildung, dass die Richterinnen und Richter, aber auch die Staatsanwälte und Staatsanwältinnen in diesem Bereich sensibilisiert werden.
Wir haben in der Ausbildung derzeit ein Konzept, wonach angehende RichterInnen, StaatsanwältInnen eine Art Praktikum bei einer Opferschutzeinrichtung machen können. Das hat sich als sehr gut erwiesen, weil man dadurch auf die speziellen und spezifischen Bedürfnisse eingehen kann und sich mit gewissen Traumen und Ähnlichem auseinandersetzen kann. Ich werde in diesem Bereich natürlich weiterhin auf Schulungen setzen, gerade wenn es um sexualisierte Gewalt geht, denn das darf nicht verharmlost werden, daher müssen wir auch stärker im Sensibilisierungsbereich arbeiten.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage: Abgeordnete Ecker. – Bitte.
Abgeordnete Rosa Ecker, MBA (FPÖ): Frau Bundesminister! Ich schließe an die Frage meiner Vorrednerin an. Es gibt einen parteiübergreifenden Antrag vom März 2021, gegen weibliche Genitalverstümmelung vorzugehen und eine Statistik darüber zu erstellen. In Österreich betrifft das geschätzt 8 000 Frauen, Tendenz eher steigend. Im Strafrecht ist weibliche Genitalverstümmelung eindeutig geregelt, dennoch werden offenbar keine derartigen Fälle vor Gericht verhandelt.
Welche Maßnahmen setzen Sie als Bundesministerin, damit die Gewalttäter, die diese schreckliche Form von Gewalt gegen Mädchen und junge Frauen ausüben, auch gerichtlich zur Verantwortung gezogen werden?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.
Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Vielen Dank für diese wichtige Frage. Die Frauenministerin hat eine ganz große Initiative gestartet, um auf dieses Phänomen aufmerksam zu machen und es zu verhindern, aber, wie Sie richtig gesagt haben, bei der Prävention endet es ja nicht. Wenn es tatsächlich passiert, muss man dem auch nachgehen.
Ich habe bei meiner letzten Pressekonferenz zum Thema Gewalt gegen Frauen angekündigt, dass ich Gewaltambulanzen in jedem Bundesland ins Leben rufen möchte, weil gerade die Gewaltambulanzen diese Verletzungen beweissicher und gerichtssicher feststellen können, und das ist entscheidend. Diese Beweise sind entscheidend, wenn wir die Verurteilungsrate in diesem Zusammenhang erhöhen wollen.
Sie haben zu Recht angesprochen, es gibt die entsprechenden Gesetze dazu, aber die Einrichtung von Gewaltambulanzen möchte ich in diesem Zusammenhang forcieren. Bis Ende des Jahres wird eine Studie veröffentlicht werden, die uns ein Konzept vorlegt, wie wir so etwas aufbauen können. Es gibt großartige Beispiele aus anderen Ländern, und das möchte ich für Österreich auch.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage: Abgeordnete Brandstötter. – Bitte sehr.
Abgeordnete Henrike Brandstötter (NEOS): Guten Morgen, Frau Bundesministerin! Sie haben vor Kurzem, am 8. Februar, bei einer Pressekonferenz gemeinsam mit Frauenministerin Raab und Innenminister Karner von 26 Femiziden in Österreich im Jahr 2021 gesprochen. Medien, Vereine und NGOs listen aber bis zu 31 Femizide im letzten Jahr auf. Das heißt, wir sprechen von einer Zahl zwischen 26 und 31 Frauenmorden, und fünf Frauenmorde mehr machen sehr wohl einen Unterschied.
Der Grund, warum diese Zahlen so unterschiedlich sind, ist, weil wir keine konkreten Daten haben, weil es von staatlicher Seite nicht systematisch erfasst wird. So eine Datengrundlage bildet aber natürlich dann auch die Basis für Handlungsableitungen. Daher lautet meine Frage: Was werden Sie tun und unternehmen, um hier in Zukunft auch Evidenz zu schaffen?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.
Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Sie sprechen eine Forderung der Istanbulkonvention an, dass man tatsächlich auch die Daten in diesem Zusammenhang
besser umfasst und erfasst. Deswegen haben wir jetzt erstmals einheitlich eine Definition von Gewalt im sozialen Nahraum, weil wir so die Fälle, die im sozialen Nahraum aufkommen, speziell kennzeichnen und dann später analysieren können.
Warum gerade Gewalt im sozialen Nahraum? – Weil wir wissen, dass, gerade wenn es um Femizide geht, Frauen sehr häufig von ihren Partnern ermordet wurden und von Personen, die ihnen nahegestanden sind; daher möchte ich da einen verbesserten Datensatz schaffen. Wir haben auch bereits 140 Fälle im staatsanwaltschaftlichen Bereich analysiert, um Erkenntnisse daraus zu ziehen, um für die Zukunft vorbereitet zu sein und einzelne Checklisten und einzelne Maßstäbe zu erarbeiten, die die Staatsanwaltschaft jetzt heranziehen kann. Wichtig ist aber, dass wir diese Forderung der Istanbulkonvention umsetzen können und umsetzen konnten, nämlich diese Gewalt im sozialen Nahraum auch zu definieren.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Abgeordneter Shetty. – Bitte sehr.
Abgeordneter Mag. Yannick Shetty (NEOS): Guten Morgen, Frau Bundesministerin! Im - - Geht es jetzt? Ja?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich muss die Stoppuhr und alles (erheitert) gleichzeitig drücken, darum geht es hintereinander.
So, wir fangen von vorne an: Herr Abgeordneter Shetty, bitte.
Abgeordneter Mag. Yannick Shetty (NEOS): Vielen Dank! – Guten Morgen, Frau Bundesministerin! Im Jahr 2022 ist es in Österreich immer noch legal, schwule und lesbische Jugendliche umzupolen, das heißt ihre sexuelle Orientierung zwanghaft, mit psychischer Gewalt zu verändern. Das ist grausam, das ist unmenschlich und auch unwürdig für Österreich. Die Länder Frankreich, Israel, Neuseeland, Deutschland und andere haben in jüngster Vergangenheit gemeinsam ein Verbot von Konversionstherapien umgesetzt. Das macht insofern auch wütend im Hinblick auf Österreich, weil es in Österreich auch möglich wäre, ein solches Verbot umzusetzen. Es wäre nicht nur möglich, der Nationalrat hat 2019 und 2021 zwei einstimmige Entschließungen gefasst, die unter anderem Sie und Kollegen Mückstein auffordern, ein Gesetz vorzulegen.
Deswegen meine Frage mit der Bitte – ich glaube, das hätten wir hier als Gesetzgeber auch verdient – um eine konkrete Antwort:
„Wann legen Sie endlich den seit bald drei Jahren überfälligen Gesetzesentwurf für ein umfassendes Verbot von Konversionstherapien vor, der in alleiniger Grüner Verantwortung liegt?“
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.
Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Danke für diese wichtige Frage. Es ist mir auch ein großes Anliegen, dass wir das rasch vorantreiben, das kann ich Ihnen versprechen. Ich möchte, dass wir endlich diese Konversionstherapien beenden. Ich bin da in enger Abstimmung mit dem Gesundheitsressort, denn es ist auch das Thema: Wie definiert man eine Konversionstherapie? Ich bin aber guter Dinge, dass wir vor dem Sommer eine Lösung haben.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.
Abgeordneter Mag. Yannick Shetty (NEOS): Vielen Dank, das ist schon einmal konkreter als alles, was wir bisher gehört haben.
Da wäre noch meine Frage zu einer Anfragebeantwortung vom 23. Dezember. Da haben Sie geantwortet, dass am 18.11.2021 ein Besprechungstermin zwischen dem BMJ und dem Gesundheitsministerium stattgefunden hat. Was wurde da im Zusammenhang mit der Konversionstherapie genau besprochen?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.
Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Die Gespräche finden auf der Fachebene statt und das Gesundheitsressort und das Justizministerium sind da in enger Abstimmung, gerade wenn es darum geht, wie wir Konversionstherapien definieren, denn nur dann können wir sie auch strafbar machen. Da hoffe ich wirklich, dass wir vor dem Sommer eine Lösung haben.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage: Frau Abgeordnete Ernst-Dziedzic. – Frau Abgeordnete, bitte.
Abgeordnete Dr. Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne): Herr Vorsitzender! Frau Ministerin! Ich weiß, Ihnen ist Gleichstellung und natürlich die Frage des Schutzes vor Diskriminierung als Justizministerin sehr, sehr wichtig. In diesem Zusammenhang würde mich interessieren, wie Sie jetzt auch die kürzlich sehr aktuelle Debatte rund um das sogenannte Levelling-up, also die Ausweitung des Diskriminierungsschutzes auf LGTBIQ-Personen, bewerten.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.
Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Ja, für mich ist selbstverständlich, dass jegliche Formen der Diskriminierung unterbunden werden müssen. Daher ist ein vollkommener Diskriminierungsschutz, ein vollständiger Diskriminierungsschutz meines Erachtens wichtig und notwendig, denn die Freiheit, nicht aufgrund sexueller Orientierung benachteiligt zu sein und zu werden, soll für alle Menschen, die in Österreich leben, gleichermaßen gelten. Wir Grüne und auch ich setzen uns stark dafür ein, dass wir das hoffentlich auch umsetzen können.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage: Frau Abgeordnete Kucharowits. – Bitte.
Abgeordnete Katharina Kucharowits (SPÖ): Guten Morgen! Ich knüpfe beim Verbot von Konversionstherapien an. Sie haben jetzt für vor den Sommer sozusagen einen Entwurf in Aussicht gestellt. Wir fragen uns nur, da es zum einen zwei Entschließungsanträge gibt, die einstimmig vom Hohen Haus verabschiedet wurden, und auch bereits einen Gesetzentwurf, den wir als Sozialdemokratie eingebracht haben, der immer wieder vertagt wird, auch von Ihrer Fraktion hier im Haus: Woran scheitert es konkret? Wer blockiert denn hier?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.
Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Also ich kann nur noch einmal wiederholen, dass die Konversionstherapie und die Umsetzung des Verbots der Konversionstherapie mir wirklich ein großes Anliegen sind. Die Schwierigkeit ist, die Konversionstherapie zu benennen und auch tatsächlich zu definieren. Es ist eine Definitionssache, da sind wir im engen Austausch mit dem Gesundheitsressort, und erst dann, wenn wir das definiert haben, können wir das auch strafrechtlich umsetzen. Ich kann Ihnen nur versichern, dass ich da wirklich dran bin und möchte, dass wir das vor dem Sommer fertig haben.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Abgeordneter Stocker. – Bitte.
Abgeordneter Dr. Christian Stocker (ÖVP): Herr Präsident! Frau Ministerin! Die jüngsten Entwicklungen haben gezeigt, dass immer wieder Informationen von Datenträgern, die rechtswidrig erlangt werden, oder Informationen aus Ermittlungsverfahren – und
zwar auch dann, wenn sie gar keine strafrechtliche Relevanz haben –, die von der Staatsanwaltschaft gespeichert werden, an die Öffentlichkeit kommen und damit verbunden die Betroffenen in ihrer wirtschaftlichen, persönlichen, privaten Existenz nicht nur gefährden, sondern teilweise diese Existenz sogar vernichten. Es ist auch eine Vorverurteilung damit einhergehend, die mit dem Recht auf ein faires Verfahren nicht im Einklang steht und, wie ich glaube, einem Rechtsstaat auch nicht würdig ist.
Diese Informationen kommen von Datenträgern, und es erhebt sich die Frage, welche Maßnahmen Sie diesbezüglich setzen wollen, da Sie Ihre Schutzfunktion in Ihrer Tätigkeit als Ministerin ja intensiv betonen und dieser Schutz auch für diese Betroffenen gelten muss. Welche Maßnahmen setzen Sie, damit derart Betroffene, von diesen Vorgängen betroffene Personen, einschließlich Verdächtigter oder Beschuldigter in Ermittlungsverfahren, vor allem bezogen auf den Zugriff der Staatsanwaltschaften auf Mobiltelefone und Datenträger, geschützt werden, damit diese Veröffentlichungen hintangehalten werden und diese Vorverurteilungen nicht stattfinden? Was werden Sie dem Gesetzgeber dazu vorschlagen?
*****
Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 136/M, hat folgenden Wortlaut:
„Welche Stärkung der Rechte von Beschuldigten im Strafverfahren werden Sie nicht zuletzt aufgrund der immer kräftiger werdenden Diskussion zum Beispiel um den Zugriff der Staatsanwaltschaften auf Mobiltelefone dem Gesetzgeber zur Beschlussfassung vorschlagen?“
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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.
Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Wenn Sie die Stärkung der Beschuldigtenrechte ansprechen, so ist mir das auch ein großes Anliegen. Daher haben wir sowohl im Regierungsprogramm als auch öffentlich immer wieder gesagt, dass, gerade wenn es um den Kostenersatz geht, den Ersatz der Kosten im Fall eines Freispruchs, wir diesen auch erhöhen wollen. Ich habe dazu auch mit der Verfassungsministerin und mit dem Finanzminister gesprochen, weil es eben wichtig ist, wenn wir die Beschuldigtenrechte stärken wollen, dass Personen, die freigesprochen werden, auch einen entsprechenden Kostenersatz erhalten.
Das zweite Thema ist natürlich die Beschleunigung der Verfahren. Es ist absolut notwendig und wichtig und richtig, dass die Verfahren schneller ablaufen und die Personen rechtzeitig wissen: Wie steht es denn um diesen Fall? Daher habe ich auch einen Kritikpunkt aufgenommen, nämlich dass durch die überbordenden Berichtspflichten die Staatsanwaltschaften, gerade wenn es um öffentlichkeitswirksame Verfahren geht, immer wieder damit beschäftigt sind, Berichte zu schreiben, und die Zeit dann für Ermittlungsarbeit fehlt. Ich habe daher die Berichtspflichten, die nicht notwendig sind, reduziert, damit die Staatsanwaltschaften effizient und rasch ermitteln können.
Die Strafprozessordnung erlaubt die Sicherstellung von Handys, das haben Sie auch angesprochen. Die anschließende Auswertung darauf gespeicherter Daten ist nur dann möglich, wenn dies aus Beweisgründen nötig erscheint. Dabei müssen sowohl belastende als auch entlastende Beweise gesammelt werden, und es kommt all das in den Akt, was strafrechtlich relevant ist. Das ist das, was die Staatsanwaltschaft und was die Justiz mit sichergestellten Handys macht.
Wir haben dieses Mal aber zusätzlich die Herausforderung, dass nebenbei der Untersuchungsausschuss läuft und dass wir vom Verfassungsgerichtshof als auch vom Untersuchungsausschuss den Auftrag haben, sichergestellte Daten für den Untersuchungsausschuss auch nach abstrakter Relevanz zu durchleuchten und dem Untersuchungsausschuss diese Daten zur Verfügung zu stellen.
Das Informationsordnungsgesetz regelt klar, wie und in welcher Einstufung diese Daten zu liefern sind, und da gibt es gewisse Verpflichtungen, wie mit diesen Daten umgegangen werden muss, auch im Untersuchungsausschuss.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.
Abgeordneter Dr. Christian Stocker (ÖVP): Meine Zusatzfrage bezieht sich auf sensible Ermittlungsschritte, die aufgrund schwerer Eingriffe in die Grundrechte einer richterlichen Genehmigung – wie beispielsweise die Anordnungen von Hausdurchsuchungen – bedürfen. Diese Anordnungen werden teilweise mit einem sogenannten Stampiglienbeschluss versehen, das heißt, es wird ein Stempel des Richters mit Unterschrift auf das Schriftstück gesetzt, ohne dass eine nähere Ausfertigung erfolgt. Gerade in sehr sensiblen Bereichen wäre es sinnvoll, dass eine schriftliche Beschlussausfertigung vorgenommen wird.
Meine Frage ist daher: Werden Sie Maßnahmen setzen, dass dem Rechnung getragen werden kann?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Ministerin, bitte.
Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Das ist eine Frage, die auch die richterliche Kontrolle über die Staatsanwaltschaften betrifft. Ich habe mich in den Regierungsverhandlungen sehr stark dafür eingesetzt, dass wir diese richterliche Kontrolle der Staatsanwaltschaften stärken. Sie ist auch Gegenstand der Arbeitsgruppe zur Einsetzung eines Bundesstaatsanwaltes. Da wird man sich genau anschauen, inwiefern und inwieweit man diese richterliche Kontrolle ausweiten kann. Ich halte das für richtig und wichtig, das wird auch in dieser Arbeitsgruppe besprochen, und ich bin auf die Ergebnisse sehr gespannt.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Frau Abgeordnete Bayr. – Bitte sehr, Frau Abgeordnete.
Abgeordnete Petra Bayr, MA MLS (SPÖ): Schönen guten Morgen, Frau Ministerin! Die Pandemie hat es notwendig gemacht, zur Aufrechterhaltung der medizinischen Versorgung in Österreich einige Grundrechtseingriffe zu machen. Mich würde interessieren:
„Wie hat sich die Pandemie in menschenrechtlicher Hinsicht auf die Justiz samt den Strafvollzug ausgewirkt?“
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Ministerin, bitte.
Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Sie sprechen mit dem Strafvollzug einen wichtigen Bereich an, in dem es aufgrund der Pandemie besonders schwierig war. Wir mussten die Insassen und Insassinnen noch weiter in ihrer Freiheit beschränken, sei es, wenn es um den Ausgang oder den Freigang gegangen ist, sei es, wenn es um die Besuche gegangen ist. Wir mussten das im Zusammenhang mit der Pandemie machen.
Wir haben geschaut, dass wir zusätzlich einen gewissen Ausgleich dazu haben, denn es ist natürlich schwierig, wenn Insassinnen und Insassen ihre Verwandten oder ihre Familienmitglieder nicht sehen können. Wir haben viele Maßnahmen gesetzt, um einen gewissen Ausgleich zu schaffen. Wir wurden auch von der Volksanwaltschaft explizit
dafür gelobt, dass da wirklich Bemühungen stattgefunden haben, dass man sich etwas überlegt hat, um einen gewissen Ausgleich für diese Einschränkungen zu schaffen.
Nichtsdestotrotz darf man nicht vergessen, dass diese Maßnahmen, die zum Schutz aller im Straf- und Maßnahmenvollzug Tätigen, aber auch der Insassen beitragen, nur so lange gültig sein dürfen, solange sie notwendig und verhältnismäßig sind. Ich kann Ihnen versichern, ich schaue besonders darauf, weil es mir wirklich ein Anliegen ist, dass wir in diesem menschenrechtssensiblen Bereich die Maßnahmen nicht länger als notwendig aufrechterhalten.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage, Frau Abgeordnete? – Bitte.
Abgeordnete Petra Bayr, MA MLS (SPÖ): Meine Zusatzfrage bezieht sich jetzt weniger auf den Strafvollzug, sie ist eher generell gehalten. Es hat ja aufgrund der Pandemie im Justizbereich einige gesetzliche Änderungen gegeben, die Erleichterungen im Vollzug der Gesetze gebracht haben. Können Sie mir vielleicht drei Beispiele sagen, welche davon Sie ins Regelwerk übernehmen wollen beziehungsweise welche zu übernehmen Sie vorschlagen wollen?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.
Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Das große Thema war ja die Frage der Videoverhandlungen: Viele wollen Videoverhandlungen, andere sagen, das widerspreche dem Unmittelbarkeitsgrundsatz gerade im Bereich des Strafrechts. Bei Vorführungen vor einen gesetzlichen Richter ist die Frage: Kann man das per Video machen oder muss man zu einem Gericht fahren? Da hätten wir sogar vorgeschlagen, dass wir die Videoverhandlungen ausdehnen. Es hat aber viel Kritik gegeben, daher habe ich das jetzt einmal zurückgenommen und eine Arbeitsgruppe mit Expertinnen und Experten einberufen, die sich dieses Thema – welche Maßnahmen wir zusätzlich übernehmen sollten, um schneller und effizienter zu werden, ohne damit die Menschenrechtsstandards, und da spreche ich den Unmittelbarkeitsgrundsatz an, runterzuschrauben – genau anschauen.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage: Frau Abgeordnete Jachs. – Bitte.
Abgeordnete Mag. Johanna Jachs (ÖVP): Guten Morgen, Frau Bundesministerin! Die Coronapandemie hatte auch Auswirkungen auf die Häftlingszahlen und hat uns gezeigt, dass die Raumverhältnisse in den österreichischen Justizanstalten, die ja naturgemäß ohnehin begrenzt sind, an ihre Kapazitätsgrenzen kommen. Das war natürlich in den Monaten der erhöhten Ansteckungsgefahr sehr problematisch. Sie haben uns schon erklärt, welche Auswirkungen die Pandemie auf die Unterbringung der Häftlinge gehabt hat. Mich würde das heurige Bauprogramm für die österreichischen Justizanstalten interessieren. Können Sie uns das noch kurz darlegen?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Ministerin, bitte.
Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Die Bauprojekte der Justizanstalten sind deswegen auch so wichtig, weil wir in den Justizanstalten de facto eine Überbelastung haben. Die Überbelastung ist in der Pandemie aufgrund der Strafaufschübe zurückgegangen, wie Sie richtig gesagt haben, aber wir sehen langsam, dass die Zahlen in den Justizanstalten wieder ansteigen.
Bauprojekte sind rechtlich und faktisch immer mit einer gewissen Vorlaufzeit verbunden, wir haben aber dieses Jahr und auch letztes Jahr im Budget Mittel zur Verfügung gestellt bekommen, um Bauprojekte voranzutreiben. Unter anderem wird die Justizanstalt Asten ausgebaut, weil wir gerade im Maßnahmenvollzug sehen, dass die Zahlen explodieren. Wir brauchen im eigenen Wirkungsbereich eine Justizanstalt, wo sich das ausgeht. Die Justizanstalt Asten wird ausgebaut und viele andere Justizanstalten werden renoviert
und entsprechend angepasst, sodass wir sie auch im Bereich des Maßnahmenvollzugs nutzen können.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Frau Abgeordnete Kugler. – Bitte sehr.
Abgeordnete Dr. Gudrun Kugler (ÖVP): Guten Morgen, Frau Minister! Ich würde gerne eine Frage zum Maßnahmenpaket gegen Zwangsehe, das ja auch im Regierungsprogramm steht, stellen. Wir haben ja für Österreich keine konkreten Zahlen, wir kennen aber Zahlen aus anderen Ländern, zum Beispiel aus Deutschland. Dort spricht man offiziell von 1 500 Kinderehen, man weiß aber, dass es viele, viele mehr gibt, die einfach nicht in diesem offiziellen Register aufscheinen.
Was Zwangsehen betrifft, haben wir in Österreich NGOs, die sich um davon betroffene Frauen kümmern, da sind Hunderte von Frauen in Betreuung, aber auch die sagen, es muss noch viel, viel mehr Betroffene geben, von denen man nichts weiß.
Wir haben im Regierungsprogramm ein Maßnahmenpaket gegen Zwangsehe vereinbart, aber auch die Prüfung der Anhebung des Ehealters auf 18 und das ausnahmslose Verbot von Cousinenheirat. Das sind Dinge, die da vielleicht helfen würden. Orientexpress, eine NGO, die sich um betroffene Frauen kümmert, sagt, dass ganz oft Minderjährige, hauptsächlich Mädchen, betroffen sind, die in zweiter oder dritter Generation in Österreich leben und im Heimatland ihrer Eltern dann minderjährig verheiratet werden, um die Familienehre zu schützen. Das heißt, das ist auch ein Thema, das Österreich stark betrifft.
„Welche konkreten Inhalte wird das von Ihnen zu erstellende Maßnahmenpaket gegen Zwangsehe, auf welches wir uns im Regierungsprogramm geeinigt haben, beinhalten?“
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Ministerin, bitte.
Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Sie haben es ja angesprochen, wir haben uns im Regierungsprogramm ausgemacht, dass wir prüfen, das Ehealter auf 18 anzuheben. Grundsätzlich ist es ja derzeit so, dass das Gericht auch schon 16-jährige Personen unter bestimmten Voraussetzungen für ehemündig erklären kann. Das ist also ein Thema, das wir uns im Zusammenhang mit der Familien- und Eherechtsreform gesetzlich sehr wohl anschauen müssen, und wir werden diese Prüfungen, wie im Regierungsprogramm vereinbart, auch entsprechend vornehmen. Im Zusammenhang mit der Familien- und Eherechtsreform werden wir auch dieses Thema behandeln. Es ist tatsächlich so, wie Sie sagen, da müssen wir einfach näher hinschauen und auch sensibilisieren, da geht es auch darum, Richterinnen und Richter in diesem Zusammenhang zu sensibilisieren.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.
Abgeordnete Dr. Gudrun Kugler (ÖVP): Wir sprechen einerseits von Kinderehen, aber auch von Zwangsehen, die Phänomene haben ja miteinander zu tun. Das heißt, es geht um das Kindeswohl, aber es geht auch um das Menschenrecht auf Eheschließung, das ja auch beinhaltet, keine Ehe zu schließen, wenn man nicht will, beziehungsweise auch darum, dass der freie Wille durch die Maßnahmen des Staates und die Gesetze gewahrt und geschützt ist.
Sie haben gesagt, es kommt dieses Paket. Wie sieht denn diesbezüglich der zeitliche Rahmen aus und welche Schritte braucht es bis dorthin?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Ministerin, bitte.
Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Nur um vielleicht meinen Punkt von vorhin zu verstärken: Grundsätzlich ist es ja schon jetzt so, dass Ehen in Österreich erst ab der Volljährigkeit geschlossen werden dürfen. Das Gericht kann das Alter aber unter bestimmten Voraussetzungen absenken, und das ist ja gerade das Thema. Grundsätzlich ist also die Ehemündigkeit an die Volljährigkeit gekoppelt, können Ehen in Österreich erst mit der Volljährigkeit geschlossen werden. Unter bestimmten Voraussetzungen kann man aber auch jüngere Personen für ehemündig erklären.
Sie haben auch Cousins und Cousinen angesprochen. Auch das ist ein Thema, das wir uns im Rahmen dieser Reform anschauen wollen. Derzeit arbeiten wir sehr intensiv an der Kindschaftsrechtsreform. Sobald die abgeschlossen ist, werden wir die Ehe- und Familienrechtsreform in Angriff nehmen, weil die mindestens genauso umfangreich, wenn nicht noch umfangreicher ist und die Debatte darüber noch emotionaler geführt wird als die Debatte zur Kindschaftsrechtsreform und zum Unterhaltsrecht.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Danke schön.
Da alle Anfragen zum Aufruf gelangt sind, darf ich die Fragestunde für beendet erklären, und ich darf mich bei der Frau Minister recht herzlich bedanken. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.
Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:
A. Eingelangte Verhandlungsgegenstände:
1. Schriftliche Anfragen: 9889/J bis 9927/J
2. Anfragebeantwortungen: 9022/AB und 9023/AB
B. Zuweisungen in dieser Sitzung:
zur Vorberatung:
Ausschuss für Arbeit und Soziales:
Bundesgesetz über die Regelung der Beziehungen im Bereich der sozialen Sicherheit im Verhältnis zur Provinz Québec (1360 d.B.)
Ausschuss für Familie und Jugend:
Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 geändert wird (1361 d.B.)
Finanzausschuss:
Bundesgesetz, mit dem das Bewertungsgesetz 1955, das Bodenschätzungsgesetz 1970 und das Grundsteuergesetz 1955 geändert werden (1363 d.B.)
Bundesgesetz, mit dem das Alternative Investmentfonds Manager-Gesetz, das Bankwesengesetz, das Börsegesetz 2018, das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz, das Investmentfondsgesetz 2011, das Pensionskassengesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz 2016, das Wertpapieraufsichtsgesetz 2018, das Zahlungsdienstegesetz 2018 und das Konsumentenschutzgesetz geändert werden (1364 d.B.)
Ausschuss für Forschung, Innovation und Digitalisierung:
GeoSphere Austria-Errichtungsgesetz (1365 d.B.)
Unterrichtsausschuss:
Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz zur Finanzierung der Digitalisierung des Schulunterrichts geändert wird (1362 d.B.)
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Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 8887/AB
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Vor Eingang in die Tagesordnung teile ich mit, dass das gemäß § 92 der Geschäftsordnung gestellte Verlangen vorliegt, eine kurze Debatte über die Beantwortung 8887/AB der Anfrage 8988/J der Abgeordneten Kassegger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „die Bestellung des ehemaligen Außenministers Dr. Michael Linhart zum Botschafter in Berlin“ durch den Herrn Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten abzuhalten.
Diese kurze Debatte findet gemäß § 57a Abs. 4 der Geschäftsordnung nach Erledigung der Tagesordnung, jedoch spätestens um 15 Uhr statt.
Absehen von der 24-stündigen Aufliegefrist
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Um Punkt 17 der Tagesordnung in Verhandlung nehmen zu können, ist es gemäß § 44 Abs. 2 der Geschäftsordnung erforderlich, von der 24-stündigen Frist für das Aufliegen des Ausschussberichtes abzusehen.
Dabei handelt es sich um den Bericht des Immunitätsausschusses über das Ersuchen der Zentralen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat August Wöginger (1359 der Beilagen).
Ich bitte die Damen und Herren, die der Abstandnahme von der Aufliegefrist für diesen Ausschussbericht ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig.
Behandlung der Tagesordnung
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Es ist vorgeschlagen, die Debatten über die Punkte 2 bis 4, 5 bis 9 sowie 11 bis 15 der Tagesordnung jeweils zusammenzufassen.
Wird dagegen ein Einwand erhoben? Ist das ein Einwand, Abgeordneter Lopatka? (Abg. Lopatka: Nein!) – Nein, kein Einwand. Das ist also nicht der Fall.
Redezeitbeschränkung
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zwischen den Mitgliedern der Präsidialkonferenz wurde ein Konsens über die Dauer der Debatten erzielt. Dementsprechend wurde eine Tagesblockzeit von 6 „Wiener Stunden“ vereinbart, sodass sich die Redezeiten wie folgt ergeben: 117 Minuten für die ÖVP, 81 Minuten für die SPÖ, 66 Minuten für die FPÖ, 60 Minuten für die Grünen sowie 48 Minuten für die NEOS.
Gemäß § 57 Abs. 7 der Geschäftsordnung beträgt die Redezeit für die gesamte Tagesordnung von jenen Abgeordneten, die keinem Klub angehören, je 24 Minuten. Darüber hinaus wird deren Redezeit auf 5 Minuten je Debatte beschränkt.
Ich darf gleich zur Abstimmung über die eben dargestellten Redezeiten kommen. Wer mit den Redezeiten wie vorgestellt einverstanden ist, den bitte ich um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist einstimmig.
Wir gehen in die Tagesordnung ein.
Ich unterbreche die Sitzung, bis der Bundeskanzler und das Krisenkabinett im Saal anwesend sind. Das wird etwa 5 bis 10 Minuten dauern.
(Die Sitzung wird um 10.24 Uhr unterbrochen und um 10.33 Uhr wieder aufgenommen.)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf die unterbrochene Sitzung wieder aufnehmen.
Erklärungen des Bundeskanzlers und des Vizekanzlers gemäß § 19 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Nationalrates anlässlich der aktuellen Krise zwischen Russland und der Ukraine
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen zum 1. Tagesordnungspunkt.
Im Anschluss an diese Erklärung wird im Sinne des § 81 der Geschäftsordnung entsprechend dem vorliegenden, ausreichend unterstützten Verlangen die Debatte stattfinden.
Ich darf dem Herrn Bundeskanzler das Wort erteilen. – Bitte.
Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Österreicherinnen und Österreicher und Menschen, die in unserem Land leben! Wir sind derzeit mit einer Situation konfrontiert, von der wir alle gemeinsam hier im Hohen Haus eigentlich gehofft haben, dass sie vor allem in Europa nie wieder eintritt. Gleichzeitig sind wir aber heute seit den Morgenstunden mit dem Faktum konfrontiert, dass in Europa wieder Krieg herrscht.
Lassen Sie mich einen besonderen Aspekt zu einer Nation erwähnen, die jetzt gerade in diesem Augenblick, während wir hier reden, mit Truppen und mit Gewalt versucht, ihre Position zu verändern! Russland, die Russische Föderation, ist ein Land von großer Geschichte. Es ist vor allem ein Land, das auch mit unserer Geschichte, wenn man in der Historie weit zurückgeht, eng verbunden ist; und es ist vor allem ein Land, dem wir auch zu verdanken haben, dass wir vom Naziterror befreit worden sind. Russische Soldaten sind für die österreichische Demokratie gefallen.
Gleichzeitig erleben wir jetzt, dass Russland einen Weg wählt, den wir zutiefst ablehnen. Für uns in Österreich gilt der Grundsatz: Es gilt die Stärke des Rechts und nicht das Recht des Stärkeren. Das ist für Österreich immens wichtig, denn es heißt für uns als kleines Land, und auch als Land, das sich Neutralität ins Stammbuch geschrieben hat, dass Völkerrecht für uns essenziell ist. Es ist die Grundlage unserer Zeitgeschichte. Völkerrecht ist das Fundament der Gründung der Zweiten Republik. Wir stehen vor einer Entwicklung, die wir so nicht für möglich gehalten haben. Wir haben tatsächlich wieder Krieg in Europa.
Das, was mich wirklich zutiefst beeindruckt – und zwar in diesem Fall leider im negativen Sinn –, ist: Wir sind offensichtlich nicht in der Lage, aus der Geschichte zu lernen, denn die europäische Geschichte ist mit Blut geschrieben. In den vergangenen Jahrzehnten herrschte auf dem europäischen Kontinent Frieden, das war wie ein Aufatmen. Warnzeichen hat es schon immer genug gegeben: Ich denke an die Neunzigerjahre und den Zerfall des ehemaligen Jugoslawiens. Schon damals waren wir überrascht, dass Auseinandersetzungen überhaupt noch mit solcher Brutalität geführt werden können.
Heute erleben wir wieder Politik verbunden mit Gewalt, obwohl wir uns in Europa in den verschiedensten internationalen Organisationen unisono dazu bekannt haben, dass wir uns aus dem Lernen der Geschichte heraus eigentlich dazu verpflichten, Konflikte eben nicht mehr mit Gewalt zu lösen, sondern miteinander zu sprechen, uns an einen Verhandlungstisch zu setzen – auch wenn es mühsam ist, auch wenn das heißt, man kriegt nicht immer zu 100 Prozent das, was man will – und um den Preis des Friedens willen den Verhandlungstisch nicht zu verlassen.
Eines nämlich zeigt die Geschichte, gerade auch die Europas: Im Krieg gibt es immer nur Verlierer, und die Ersten, die verlieren, sind die Schwachen in unserer Gesellschaft. Das Leid wird dann immer historisch aufgearbeitet, da gibt es ganz viel wissenschaftlichen Diskurs dazu, das Leid aber bleibt immer das Gleiche. Der Verlust von Menschen ist immer gleich schrecklich, und er lässt sich in Wahrheit nicht dadurch rechtfertigen, dass man versucht, seine politischen Interessen durchzusetzen.
Es ist tatsächlich eine ernste Situation, die wir jetzt gerade in der Ukraine erleben. Wir erleben eine umfassende Invasion vom Norden, vom Süden und im Osten. Die Großmacht Russische Föderation zeigt ihr gesamtes militärisches Potenzial, von amphibischen Anlandungen bis zu Luftlandedivisionen bis zur Panzerwaffe bis zur weitreichenden Artillerie. All das klingt in Worten und Sätzen noch gar nicht so dramatisch, aber jede Artilleriegranate, jeder Schuss kann ein Menschenleben auf Dauer zerstören oder tatsächlich auch auf Dauer beschädigen.
Es gibt, glaube ich, tatsächlich – auch das ist ein Lernen aus der Geschichte – nichts, was nur fatal und schlecht ist. Was meine ich damit? – Es ist das, was man der Europäischen Union bei all den Diskussionen und Problemen, die wir auf Regierungschefebene, auf Ministerebene ständig aufgrund der 27-fach verschiedenen Interessen, die aufeinanderprallen und die oft leidenschaftlich diskutiert werden – von wirtschaftlichen Interessen bis zur Energieversorgung –, zu klären haben, schon seit Langem nicht mehr zutraut. All das ist ein intensiv geführter Diskurs in der Europäischen Union, aber heute und in den Tagen davor ist es anders: Die Europäische Union spricht mit einer Stimme. Die Europäische Union bekennt sich zu einem gemeinschaftlichen Vorgehen, und dieses gemeinschaftliche Vorgehen ist in dieser Zeit der Not, in dieser unglaublichen Krise und Dramatik für die Menschen in der Ukraine so wichtig und gleichzeitig für uns in der Europäischen Union so einend.
Die Europäische Union hat klargemacht, dass sie klare Zeichen setzen wird – übersetzt: Sanktionen –, wenn es darum geht, demjenigen Einhalt zu gebieten, der jetzt glaubt, die Geschichte revidieren zu müssen, aus der Erkenntnis, dass Krieg das schlechteste aller Mittel ist, um tatsächlich Politik zu gestalten, denn sie ist dann mit Blut und Elend gestaltet. Die Union hat sich dazu bekannt, klar und geeint mit Sanktionen gegen die Russische Föderation aufzutreten.
Es gibt einen Aspekt, der im Vorfeld immer wieder diskutiert worden ist. Es ist ein kleines, aber nicht unwesentliches Detail. Erinnern Sie sich gemeinsam mit mir daran, die oft gestellte Frage war: Ist Nord Stream 2, die Erdgasleitung, denn gar kein Thema von Sanktionen? Kann es sein, dass der Zynismus so groß ist, dass man dieses Projekt einfach durchlaufen lässt, obwohl so viel Unrecht geschieht? Die Europäische Union hat
das Gegenteil bewiesen. In enger Abstimmung mit der Bundesrepublik Deutschland liegt Nord Stream 2 auf Eis.
Das ist nur eine von vielen Maßnahmen, die wir setzen werden, um der Russischen Föderation klarzumachen, dass es in Europa kein Verständnis mehr dafür geben wird – das sind wir unserer Geschichte, das sind wir unseren Kindern schuldig –, dass Politik und Gewalt miteinander kombiniert werden. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS.)
Gerade in einer so angespannten und hinsichtlich der Informationslage tatsächlich auch diffusen Zeit war die große Sorge: Wird denn Österreich seiner eigentlich verantworteten Rolle gerecht, als neutrales Land auch neutral aufzutreten? Auch dazu ein klares Wort: Die österreichische Neutralität war seit ihrer Inkraftsetzung immer eine klare militärische; aber die österreichische Neutralität haben wir – und vor allem auch die Generationen davor, hier in diesem Hohen Haus – niemals so verstanden, dass wir uns hinter ihr verstecken oder keine Meinung haben sollen, sondern ganz im Gegenteil: Wir haben uns immer dazu bekannt, solidarisch zu sein. Deswegen gab es auch immer schon unsere Beteiligung in internationalen Organisationen wie der Europäischen Union, der OSZE, aber auch unsere gelebte Solidarität innerhalb der Europäischen Union. Das ist mir deshalb wichtig, zu betonen, weil Österreich eine Rolle niemals aufgeben wird: die des Vermittlers, des Brückenbauers und desjenigen, der an Dialog interessiert ist.
Die OSZE hat den Sitz in Wien. Die OSZE wird wieder eine zentrale Bedeutung erlangen, wenn es darum geht, Menschen zusammenzuführen – zunächst einmal unverfänglich, denn in so einer Konfliktsituation, mit so viel Emotion und Leid, die jetzt gerade ausgelöst werden, sind die Emotionen riesig. Das ist bei den Betroffenen verständlich, und gleichzeitig ist die Notwendigkeit des Dialogs nicht weniger wichtig.
Die Russische Föderation hat die OSZE für tot erklärt, sie hat sie als Diskussionsklub und kostspieliges Instrument verurteilt, als die OSZE mit ihren Beobachterinnen und Beobachtern begonnen hat. Österreich stellt eine große Zahl daran und leistet einen wesentlichen Beitrag, damit wir wissen, was vor Ort geschieht. Warum ist das so wichtig? – Die OSZE-Beobachter sind die Zeugen des Schreckens, der gerade jetzt den Menschen in der Ukraine widerfährt. Deshalb ist es so wichtig, dass internationale Organisationen da sind, um Menschen zusammenzuführen. Wir können in Österreich stolz darauf sein, dass der Sitz der OSZE in Wien ist und der polnische Vorsitz alles unternimmt, um die OSZE tatsächlich wieder in die Bedeutungsrolle zu bringen, die sie verdient. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)
Wenn aber so ernste Zeiten wie jetzt gerade anbrechen, ist es auch geboten, den Menschen Antworten auf ihre Sorgen zu geben. Ich möchte mich ausdrücklich bei der Verteidigungsministerin, beim Innenminister, beim Außenminister, bei der Energieministerin, bei der Wirtschaftsministerin und beim Vizekanzler dafür bedanken, dass wir schon sehr frühzeitig damit begonnen haben, Vorsorge zu treffen, sollte dieser Fall, den wir jetzt erleben, eintreten. Wir haben ein Krisenkabinett mit dem Zweck gebildet, rasch, effizient und klar für die Österreicherinnen und Österreicher und Menschen, die in Österreich leben, reagieren zu können.
Das beginnt auch schon dort, wo sich Österreicherinnen und Österreicher in der Ukraine aufhalten. Wir haben ein Kriseninterventionsteam an die Botschaft in der Ukraine nach Kiew geschickt. Es wurde Kontakt mit den Österreicherinnen und Österreichern aufgenommen, es wurde ein Plan vereinbart, wie vorzugehen ist, wenn der Fall der Evakuierung eintritt, um denen, die das Land verlassen wollen, sofort das Angebot zu machen und sie dabei zu unterstützen. Jetzt ist es aufgrund der instabilen Sicherheitssituation in enger Absprache mit der Botschaft geboten, dass die noch in der Ukraine verbliebenen Österreicherinnen und Österreicher rasch mit der österreichischen Botschaft Verbindung
aufnehmen – das Krisenteam tut das auch von sich aus –, um eine geordnete und sichere Evakuierung in einer sehr unsicheren Umgebung vornehmen zu können.
Was die Menschen in Österreich aber auch bewegt, ist in Wahrheit lang gelebte Tradition: Wie schaut es mit der Energieversorgungssicherheit aus? Es ist keine große Neuigkeit: Österreich braucht russisches Gas. Ob das für die Zukunft so schlau ist, kann man jetzt tatsächlich hinterfragen. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP sowie bei Grünen und NEOS.) Es tut dies nicht nur Österreich, sondern die Europäische Union an sich, denn im gesamten Gasliefermarkt braucht Europa Russland zu 40 Prozent. Ich fürchte, dass auch dabei für die Russische Föderation ein Erwachen stattfinden wird, weil die Europäerinnen und Europäer jetzt erkennen, dass es wichtig ist, sich an Alternativen und anderen Möglichkeiten zu orientieren.
Diesbezüglich großes Danke an die Energieministerin, die gemeinsam mit der Kommission sehr sorgsam und umsichtig Gespräche führt, was denn passiert, wenn tatsächlich eine Nulllieferung eintritt. Und gleich gesagt: Das ist derzeit nicht der Fall.
Das erste Wichtige ist: Versorgungssicherheit ist gegeben. Das Zweite: Präsidentin von der Leyen hat zugesichert, Verhandlungen mit Alternativanbietern aufzunehmen – und hat das auch schon getan –, damit Lieferengpässe sofort kompensiert werden können. (Abg. Kassegger: USA! – Abg. Belakowitsch: Frackinggas!) Das Dritte und Allerwichtigste ist: Selbst bei einer Nulllieferung ist Versorgungssicherheit bis in den April hinein garantiert. Keine Wohnung in Österreich wird nach Einschätzungen und der Garantie des Energieministeriums kalt sein, wenn es darum geht, Versorgungssicherheit für die Österreicherinnen und Österreicher und Menschen, die in Österreich leben, zu leisten.
Die Europäische Union hat sowohl mit den USA, mit Nordafrika und dem arabischen Raum entsprechend intensive Verhandlungen aufgenommen, um da rasch reagieren zu können. Auch dazu noch ein Hinweis: Ich habe vorhin beschrieben, wie oft die Europäische Union durchaus zerstritten und uneinig ist, wenn es darum geht, sich in Diskussionen über ihre inneren Befindlichkeiten aufzuhalten. In dieser Frage der Sicherheit der Energieversorgung aber gibt es Einigkeit und Klarheit, gibt es engen Kontakt zu den Regierungschefs von Präsidentin von der Leyen bis zum Präsidenten des EU-Rates Michel, gibt es Austausch unter den Regierungschefs und intensive Kontakte zwischen den betroffenen Fachministerinnen und Fachministern.
Energie ist das eine, das andere aber ist, die Diplomatie nicht zu vernachlässigen. Das Außenministerium ist jetzt operativ in erster Linie der Ansprechpartner für die Österreicher in der Ukraine, wenn es darum geht, das Land sicher zu verlassen. Das Außenministerium und der Außenminister sind aber auch führend darin, die Gesprächskanäle weiter offen zu halten, die notwendig sind, um dann, wenn eine Abkühlphase erreicht ist, auch wieder Gespräche intensivieren zu können.
Der russische Botschafter wird aber heute ins Außenministerium zitiert, um auch der Russischen Föderation – die riesig im Vergleich zu Österreich ist, aber Österreich ist innerhalb der Europäischen Union gewichtiger und bedeutender mit seiner Stimme, als wenn es alleine dastehen würde – klarzumachen, dass das, was gerade passiert, und vor allem das völlig unnötige Leid der Menschen in der Ukraine, das gerade ausgelöst wird, für uns inakzeptabel ist. (Beifall bei ÖVP, Grünen und NEOS.)
Das Innenministerium ist jetzt besonders in der Frage gefordert, was das für die kritische Infrastruktur bedeutet, was das für die Resilienz, für die Widerstandsfähigkeit der Republik gegen Spionageangriffe bedeutet. Was bedeutet das auch für die Beobachtung der Szene, wenn es darum geht, dass Sabotageakte gesetzt werden oder die verfassungsmäßigen Einrichtungen des Landes bedroht sind? All das wird vom Innenministerium, vom Verfassungsschutz gerade jetzt intensiv bearbeitet und der Schutz wird erweitert.
Darüber hinaus gibt es eine Diskussion, die in Krisenzeiten leider auch immer zu einem Faktor geworden ist: Krieg bedeutet immer auch Vertreibung. Das Innenministerium hat Vorsorge getroffen, sollte tatsächlich eine Fluchtbewegung aus der Ukraine auf Österreich treffen. Es wurde einerseits dafür Vorsorge getroffen, andererseits vor allem aber auch dafür, dass Länder wie Polen, die Slowakei und Ungarn als angrenzende Nachbarstaaten auch von österreichischer Seite umfassend und solidarisch bei der Erstversorgung unterstützt werden.
Ich habe gesehen, dass sich aus meiner Aussage heraus gleich Schlagzeilen formieren, um vielleicht auch da ein Stück weit wieder Diskussionen anzuheizen: Nehammer ist für Aufnahme von Flüchtlingen. – Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Ukraine ist ein europäisches Land. Die Ukraine ist, würde ich den Zirkel in Wien einstechen und einen 500-Kilometer-Radius ziehen, von ihren Grenzen her näher als Vorarlberg. Und wenn die österreichische Geschichte eines bewiesen hat – beginnend bei der Ungarnkrise in den Fünfzigerjahren des letzten Jahrhunderts über die Krise in der Tschechoslowakei in den Sechzigerjahren bis zum dramatischen Zerfall des ehemaligen Jugoslawiens in den Neunzigerjahren –, dann ist es das, was immer Linie österreichischer Politik war: dass Nachbarschaftshilfe Selbstverständlichkeit ist und Menschlichkeit da in den Vordergrund zu treten hat. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS.)
Ich habe heute alle im Parlament vertretenen Fraktionen, alle Landeshauptleute und den Bundespräsidenten über das Geschehen informiert. Dabei hat mir Klubobmann Kickl, als ich ihn angerufen und erreicht habe, eine ganz wichtige Frage gestellt. Er hat mich gefragt: Woher beziehen Sie Ihre Informationen? Und da konnte ich ihm, und das ist ein gutes Gefühl als Bundeskanzler dieser Republik, die Antwort geben: Einerseits aus den Informationen, die uns der EU-Rat und die Europäische Kommission zur Verfügungstellen, vor allem aber lassen wir diese Informationen auch durch das Heeresnachrichtenamt, durch das Bundesministerium für Landesverteidigung überprüfen und gegenchecken.
Es ist von zentraler Bedeutung und es wird sichtbarer denn je, dass das Kapitel militärische Landesverteidigung – ob in der Pandemie oder jetzt in der Phase eines Krieges in Europa – eine zentrale Rolle für die Sicherheitsarchitektur der Republik Österreich spielen muss und spielen soll. Dafür meine höchste Anerkennung, Frau Verteidigungsministerin, auch gegenüber Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die in allen Lagebriefings präzise am Punkt waren, in der Lageeinschätzung nie übertrieben haben. Damit verhelfen sie uns in der Bundesregierung dazu, ein klares Bild von der Situation vor Ort zu haben, Entscheidungsgrundlagen zu schaffen und dass wir uns auf dem Fundament dieser Entscheidungsgrundlagen, auch solidarisch mit der europäischen Politik und der Europäischen Union, tatsächlich auf das Operative einlassen können.
Bei all dem, was ich sage, kommt immer das Wort Sanktionen zum Vorschein. Was bedeutet das? – Sanktionen sind ein wichtiges Instrumentarium, damit sie wirksam aber sind, müssen sie weitgehend sein. Das heißt auch für Österreich, dass es für die Wirtschaftsbetriebe, die jetzt gerade in der Russischen Föderation oder in der Ukraine investieren und dort Betriebe führen, nicht leicht sein wird, diese Sanktionen auch mitzutragen. Dessen sind wir uns bewusst.
Die Wirtschaftsministerin ist sich auch dessen bewusst, dass sie in Kombination mit der Energieministerin Vorsorge treffen muss, dass Wirtschaften in Österreich weiter möglich bleibt. Das Wichtige ist, dass Kommissionspräsidentin von der Leyen den Ländern, die von diesen Sanktionen besonders betroffen sein werden – dazu zählen Österreich, die Slowakei, Tschechien, Polen, die Bundesrepublik Deutschland –,vonseiten der Kommission mit entsprechenden Kompensationshilfen begegnen wird, um dem Rechnung zu tragen, was europäische Solidarität auch in Fragen der Sanktionen bedeutet. Die Verhandlungen dazu laufen, und es ist für mich ein sehr positives Zeichen vonseiten der
Kommission, dass sie bereit ist, auf die unterschiedlichen Betroffenheitslagen innerhalb der Europäischen Union auch tatsächlich einzugehen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete, ich werde als Bundeskanzler der Republik mit meiner Regierung die Politik der Transparenz auch im Fall dieser Krise weiter fortführen. Es wird auch heute am Nachmittag wieder ein Briefing durch das Heeresnachrichtenamt für die Klubobleute geben. Das ist aus meiner Sicht eine Selbstverständlichkeit.
Was aus meiner Sicht aber noch zusätzlich wichtig ist, ist, dass man vor allem jetzt eines sieht: Es gibt Krieg in unserer Nachbarschaft, und wir begegnen uns heute hier im Hohen Haus aus meiner Sicht nicht als Vertreter verschiedener Fraktionen mit verschiedenen politischen Interessen, sondern geeint als eine Stimme für das Sicherheitsinteresse der Republik Österreich. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Abgeordneten der NEOS.)
Was ich dem Hohen Haus auch verspreche, ist, dass Österreich alles unternehmen wird, um seiner Rolle gerecht zu werden, als Brückenbauer dem Frieden zu dienen und alles dazu beizutragen, damit der Dialog in den Vordergrund tritt und damit wieder die Diplomaten die Bühne der Weltpolitik betreten und die Soldaten verschwinden. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Abgeordneten der NEOS.)
10.59
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich danke dem Herrn Bundeskanzler für seine Ausführungen und seine Erklärung.
Ich darf nun dem Vizekanzler das Wort erteilen. – Bitte, Herr Vizekanzler.
Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler Mag. Werner Kogler: Herr Präsident! Hohes Haus! Kolleginnen und Kollegen auf der Regierungsbank! Liebe Österreicherinnen und Österreicher und alle, die hier leben! Geschätzte Abgeordnete! Der 24.2.2022 wird die Geschichte Europas – zumindest vorübergehend – wieder einmal verändern, er wird Europa verändern. Es ist kein guter Tag.
Der Angriff Russlands auf die Ukraine hat keine Rechtfertigung, deshalb verurteilen wir diesen auch aufs Schärfste, und unsere Solidarität gilt den Menschen in der Ukraine. Auf europäischer Ebene werden heute schon wieder gemeinsam mit anderen Partnern weitere Schritte gesetzt. Nun, wir haben im 20. Jahrhundert in Europa fürchterliche Gräuel durch Vernichtung und Kriegshandlungen erlebt. Eine der Lehren aus der Geschichte war doch die Gründung der Vereinten Nationen und die UN-Charta, die unter anderem die Rechtsgrundlagen für das Gewaltverbot zwischen Staaten bildet. Es wurde festgehalten, dass das Prinzip des Rechts an die Stelle des Prinzips der Gewalt gesetzt wird. Die Basis für diesen jahrzehntelangen Frieden in Europa war eben das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung der Staatsgrenzen.
Der russische Staatspräsident hat schon vorgestern – nach einer an seltsamer und geschichtsfälschender Theatralik kaum zu überbietenden Rede – und mit den Angriffen von heute Nacht und heute Morgen die Friedensordnung in Europa infrage gestellt. Natürlich ist es richtig, dass sich die Nachkriegsordnung Europas seit 1955 immer wieder massiv verändert hat, gerade auch dank des Bemühens der damaligen Sowjetunion. Es ist auch viel anzuerkennen. Ich möchte mich dem ausdrücklich anschließen, auch wenn ich es nicht wiederhole. Es hat sich viel verändert; das ist auch der Sowjetunion und dem letzten Generalsekretär der KPdSU und damaligem Staatspräsidenten der Sowjetunion zu verdanken. Es wurden begründete Hoffnungen auf ein gemeinsames Haus Europa gesetzt, es hieß auch so. Diese Vision Gorbatschows und anderer wurde – bislang jedenfalls – nicht verwirklicht.
Ist es nun die alleinige Schuld der nachfolgenden Russischen Föderation oder des Präsidenten Putin, dass das nicht gelungen ist? – Sicher nicht! Wir dürfen schon auch diese Seite der Geschichte sehen, dass möglicherweise der nordatlantische Pakt nicht immer ausreichend sensibel vorgegangen ist, in diesen vergangenen – mittlerweile – Jahrzehnten. Das sollte nicht unerwähnt bleiben. (Abg. Kassegger: Sehr gut ...! Vollkommen richtig!)
Insgesamt haben viele außenpolitische Bemühungen dann nicht mehr dazu geführt, dass es zu weiteren Abrüstungsverträgen oder Rüstungskontrollverträgen gekommen ist. Ja, sie wurden zum Teil sogar sistiert, das muss man einfach zur Kenntnis nehmen. Eines allerdings sei in Bezug auf diese Reden des russischen Präsidenten schon noch klargestellt: Wenn es nun heißt, dass die Russische Föderation unter anderem aus Eigenschutz die Ukraine einem Angriffskrieg aussetzt, weil sich dort entweder Atomwaffen – vielleicht noch aus Restbeständen – befinden würden oder aber jedenfalls die Behauptung vernehmbar war, dass die Ukraine Atomwaffen entwickeln könnte und so die Sicherheit der Russischen Föderation bedrohen würde, dann muss man das zurückweisen, und zwar als etwas, das wir kennen, als Rhetorik mit 180 Grad Verdrehung von Wahrheit und Wirklichkeit, in einem diktatorischen Regime, so wie wir das kennen.
Das ist die Wahrheit, und ich kann es Ihnen auch belegen: Es war doch die Ukraine, die mit den Vereinigten Staaten und mit den Folgestaaten der Sowjetunion einen trilateralen Vertrag geschlossen hat, mit dem Atomwaffen zurückgegeben wurden, gegen das Versprechen zur Sicherheit der Ukraine selbst! Was erleben wir jetzt? – Wir wissen, was passiert, während wir hier diskutieren. Aber jene um 180 Grad verdrehte Behauptung muss an dieser Stelle als solche zurückgewiesen werden. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)
Ja, die Spaltung zeichnet sich schon länger ab – das ist schon richtig. Es war eben so: auf der einen Seite die Europäische Union und die Nato, auf der anderen Seite Russland mit den beanspruchten Einflussgebieten. Das werden wir nun nicht alles klären können – auch nicht in der anschließenden Debatte, denke ich. Gibt einem das allerdings das Recht, auf diese Art und Weise einem Nachbarn die Pistole anzusetzen und auch abzudrücken? Ist das so? Sind wir wieder so weit? – Nein! Deshalb werden wir alle Mittel der Politik, der Diplomatie und auch der Sanktionen – darauf werde ich noch eingehen – ergreifen, um uns dem entgegenzustellen. Diese weitere Spaltung passiert doch mit einer schon lange nicht mehr für möglich gehaltenen und in dem Sinn ungeahnten, für lange Zeit unbekannten Kriegspolitik, einer militärischen Aggression ohne viel Zurückhaltung.
Deshalb sei noch einmal gesagt: Bereits heute wird die Europäische Union gemeinsam mit anderen Partnern weitere massive Maßnahmen entwickeln, beschließen und vorantreiben. Die Rolle Österreichs ist sicher die, diese mit zu entwickeln und auch mitzutragen. Es kann nämlich nicht Ziel der Neutralität sein, teilnahmslos zuzuschauen, wenn ein derartiger Aggressionskrieg geführt wird. Das kann es nicht sein. Neutralität heißt eben nicht, sich teilnahmslos zurückzulehnen und jeden Bruch des Völkerrechts hinzunehmen; es sind ja mehrere in einer Reihenfolge. Das heißt es eben nicht – falls hier jemand meint, Neutralität so interpretieren zu müssen. Sie hat viele Facetten, und eine aktive Neutralität muss gegenwärtig auch eine engagierte Neutralität sein.
Wenn man die Vorgänge in Weißrussland schon länger beobachtet, auch die dortigen Manöverübungen und dass man verkündet hat, dass man dort gleich gar nicht rausgeht, um auch von diesem Staatsgebiet aus den Angriff vorzutragen – das ist ja auch ein gesichertes Wissen, von dem der Bundeskanzler gesprochen hat –, und wenn wir uns den Blick auf den – ich weiß nicht wie großen – Kreis erlauben, zu dem jedenfalls Präsident Putin selbst und sicherlich nicht allzu wenige um ihn herum gehören, kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass sie sich vor etwas ganz anderem fürchten als vor einer
Bedrohung durch die Ukraine mit angeblichen Atomwaffenentwicklungen. Die allerjüngste Geschichte Weißrusslands ist doch ein Beweis dafür, dass wir es da nachgerade mit einem Export, zumindest aber mit einer Stärkung von diktatorischen Systemen als Mittel der Politik und in dem Fall des Präsidenten Putin und Russlands zu tun haben. Das ist doch klar erkennbar!
Warum kann das so sein? – Weil die wirkliche Furcht jene vor einem ganz anderen Lebensmodell, Demokratiemodell (Abg. Meinl-Reisinger: Wirtschaftsmodell!) – und Wirtschaftsmodell, richtig!, weil wir ja sehen, was wie erfolgreich ist, aber darauf gehe ich dann vielleicht bei den Sanktionen noch einmal ein –, Rechtsstaatlichkeitsmodell und so weiter und so fort ist. Es ist doch offenkundig – um meine rhetorische Frage zu beantworten –, dass da auch eine Sorge vorherrscht, dass nämlich in den Nachbarstaaten dieses Modell präferiert wird und dann auf Russland überschwappen könnte.
Deshalb scheint es jedenfalls so zu sein, dass für den russischen Präsidenten gilt, die Nachbarstaaten möglichst frei davon zu halten. – Das ist die verkehrte Freiheit! Das ist auch wieder genau um 180 Grad verkehrt herum. Diese Selbstbestimmtheit von Staaten – ich lasse mich gar nicht auf die historischen Herleitungen, die wir da vor zwei Tagen hinnehmen mussten, ein, denn das steht ja jedem zu, auch dem russischen Staatspräsidenten –, diese Grenzen hat die Nachkriegsordnung ganz genau festgelegt. Es gibt Verträge, und die sind gebrochen worden. Das ist auch – noch einmal – der Grund, warum unsere Neutralität an dieser Stelle eben genau keine teilnahmslose sein kann.
Das Gesetz des Handelns: Wer das hat, ist schwierig zu beantworten, wenn wir ehrlich sind, aber dass dieses aggressive Treiben nicht unbeantwortet bleiben kann, das ist hoffentlich hier herinnen den allermeisten klar. Wer auf diese Art und Weise, auf diese kriegerische Art und Weise, die europäische Ordnung zerstört, der stellt ja alles infrage, und deshalb muss es auch Antworten geben.
Damit bin ich jetzt tatsächlich bei den Sanktionen: Ja, das sind jetzt einmal vor allem auch Wirtschaftssanktionen, die massiv sein werden, und sie sind nicht nur glaubwürdig vorzutragen, sondern auch durchzuhalten. Wir haben mit den eingeleiteten Sanktionen noch nicht das Ende erreicht – noch lange nicht. Deshalb wird es heute eben ein neues, massives Paket geben, auch in dem Wissen, dass es europäische Staaten, gerade auch Österreich, ökonomisch – im Rückschlag – treffen kann. Das wird so sein, aber die Freiheit, die Souveränität und auch das Lebensrecht der Bürgerinnen und Bürger der Ukraine dürfen kein Preisschild haben. Das muss klar sein. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei Abgeordneten der NEOS.)
Dort, wo wir in der Ukraine noch souveräne Entscheidungsmöglichkeiten erkennen – diese Passage muss man ja offen gestanden über Nacht überdenken –, werden wir auch weiterhin Wirtschaftshilfen leisten. Wir werden aber sicher nicht Sanktionen verhängen und dann dort Wirtschaftshilfen leisten, wo sie in die falschen Hände gelangen. Wir haben leider diesen dramatischen Zustand erreicht, der sich ja auch stündlich verändert. Wirtschaftshilfe, die jene Gebiete der Ukraine betrifft, die noch souverän bleiben könnten, wäre aber angedacht, da gibt es auch Pakete; und das wird auch dazu führen, dass Österreich in seiner Rolle in Zukunft weiterhin gewisse Möglichkeiten hat, gerade mit unserer Tradition – auch da schließe ich mich dem Bundeskanzler an –, auch in dieser schwierigen, schier ausweglos erscheinenden Situation, bei aller Klarheit, dass da in jeder Hinsicht die Grenzen überschritten wurden, aber auch in dem Bewusstsein, dass Brücken weiter bestehen bleiben und nicht eingerissen werden sollen.
Da hat Österreich doch gewisse Möglichkeiten, aber immer im Rahmen und abgestimmt mit der Politik der Europäischen Union. Das ist auch unsere Bereitschaft, genauso wie wir in der Ukraine zunächst einmal auch humanitäre Hilfe zu leisten haben – da ist gestern erst wieder ein Millionenpaket im Ministerrat verabschiedet worden –, das wollen wir
natürlich aufrechterhalten und zielgerichtet reinbringen, aber das gelingt uns in Österreich meistens sehr gut, weil wir die humanitären Organisationen, die vor Ort sind, sehr gut kennen und einschätzen können. Das hat eine hervorragende Tradition – danke dafür auch dem Außenminister, dass wir da derart schnell und zielgerichtet unterwegs sein können.
Ja, die Ukraine ist ein Nachbarland. Das wird erst recht bedeuten, dass Vertriebene und Flüchtlinge entweder auf direktem Wege oder auf indirektem Wege nach Österreich kommen werden und wir uns als guter und solidarischer Nachbar erweisen werden.
Abschließend zur Energiesituation und zur Wirtschaftssituation: Ja, es ist nicht neu – ich werde der Versuchung nicht erliegen, besserwisserisch auf das hinzuweisen, was einige schon vor 15 Jahren gesagt haben, denn jetzt geht es um die nächsten 15 Jahre –, aber es ist evident, dass Energiepolitik – das ist im Übrigen auch nicht neu, aber das zu sagen erlaube ich mir – etwas mit Geopolitik zu tun hat und damit jedenfalls mit Sicherheitspolitik und Sicherheitsinteressen, auch jenen Österreichs. Deshalb ist zunächst einmal – weil nicht alles über Nacht auf die Versorgung mit heimischer Energie umgestellt werden kann, da dürfen wir nicht naiv sein – so rasch wie möglich die Diversifizierung zu steigern. Da geht Gott sei Dank mehr, als man glaubt – danke in dem Fall auch der Energieministerin –, das wird aber logischerweise umso mehr gelingen, je mehr Unabhängigkeit von den fossilen Rohstoffen wir erreichen.
Jetzt zur angekündigten Einschätzung der ökonomischen Fähigkeiten der Russischen Föderation: Diese sind in Wahrheit, gemessen an üblichen Indikatoren und Strukturen, nicht sehr hoch. Die Haupteinnahmen und die Hauptwertschöpfung sind doch dort gelegen – und das ist gleichzeitig die Krux –, wo Bodenschätze und vor allem auch fossile Energieträger herausgeholt und zum Beispiel nach Europa verkauft werden. Hochtechnologie aber, Forschung und Entwicklung, anderes, was weiter oben in der Wertschöpfungskette angesiedelt ist, wird man seltener finden.
Das heißt, es entsteht eine seltsame wechselseitige Abhängigkeit: Die Russische Föderation lebt vor allem davon, dass das, was man dort rausbuddelt, andere zahlen, nämlich wir. Darauf wurde immer hingewiesen. Darin liegt aber natürlich auch der Rückschlag, wenn die Sanktionen noch viel ernster werden. Das kann die Zahlungssysteme betreffen et cetera, et cetera. Wenn das aber die Wirtschaftsgüter sind, die dort gehandelt werden, können wir davon ausgehen, dass es am Schluss immer um die Energieträger gehen wird, das ist doch völlig logisch. Das heißt, wir haben uns hier auf einiges einzustellen, die Diversifizierung auch kurzfristig voranzutreiben; einiges geht, und langfristig ist da, glaube ich, die Perspektive klar, und zwar nicht nur aus Klimaschutzgründen, wie an dieser Stelle wohl vermerkt werden darf. Insofern wird es sich auch als gut erweisen, dass wir mit vielen Paketen viele Milliarden in diese, wenn Sie so wollen, Energiediversifizierung und in Richtung Erneuerbare investieren.
Abschließend noch ein letztes Mal zur Neutralität: Diese ist eben keine Teilnahmslos-Ideologie. Es ist diese Neutralität einem Werte- und Rechtsverständnis unterworfen, das wir hier vorgetragen haben, der Bundeskanzler und ich. Zuschauen, wie eine militärische Großmacht einen Nachbarn überfällt, gehört nicht zu den Neutralitätsverpflichtungen, mit Sicherheit nicht. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei Abgeordneten der NEOS.) Es freut mich, dass das sehr viele hier herinnen teilen. Es wird wichtig und zentral sein, auch für Österreich, wenn möglichst viele hier und jetzt – auch im Interesse Österreichs – an einem Strang ziehen. Die Entwicklungen sind dafür ernst genug.
Österreich bleibt den Prinzipien von Freiheit, Frieden, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie verpflichtet. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei Abgeordneten der NEOS.)
11.18
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gehen nun in die Debatte ein.
Zu Wort gemeldet ist Klubobfrau Pamela Rendi-Wagner. Bitte, das Wort steht bei ihr.
Abgeordnete Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Ministerinnen und Minister! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Was sich seit einigen Stunden in der Ukraine abspielt, betrifft uns alle. Es ist ein Konflikt auf europäischem Boden, ein Konflikt, der natürlich vor allem und jetzt in erster Linie die ukrainische Bevölkerung direkt trifft, aber er betrifft auch uns hier in Österreich, und er betrifft uns auch als Europäische Union. Warum? – Weil es nicht hinnehmbar und auf das Schärfste zu verurteilen ist, wenn ein Staat internationales Recht bricht, wenn ein Staat das Völkerrecht bricht und auf europäischem Boden mit Gewalt Grenzen verschiebt.
Sehr geehrte Damen und Herren, die Neutralität Österreichs ist unumstößlich. Unsere Neutralität ist ein sehr, sehr hohes Gut, aber Neutralität darf nicht Gleichgültigkeit heißen. Neutralität darf nicht Gleichgültigkeit gegenüber einem eklatanten Bruch des Völkerrechts heißen. Wir alle sind Europäerinnen und Europäer, und als solche müssen wir in dieser dunklen Stunde Europas natürlich zusammenstehen und weiterhin geeint und gemeinsam vorgehen. Auch Österreichs Bundesregierung muss gemeinsam mit den europäischen Partnerinnen und Partnern handeln.
Europa muss jetzt eine klare Antwort geben, ja, weitere Sanktionen gegen Putins Russland verhängen. All diese Maßnahmen, all diese Reaktionen müssen aber immer ein ganz klares und erklärtes Ziel haben, nämlich, so schnell wie möglich wieder zu Dialog und Diplomatie zurückzukehren, um diesen Krieg so schnell wie möglich zu stoppen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)
Auch wenn viele sagen – und das ist angesichts der Bilder, die wir alle in den letzten Stunden und Tagen sehen, klar –, Dialog und Diplomatie seien jetzt unmöglich, das gehe nicht mehr, dann müssen wir sagen – und ich sage das an dieser Stelle –: Es gibt immer eine Möglichkeit! Es ist unsere Pflicht, diese Möglichkeit, so klein sie auch ist, zu nützen. Es ist unsere Pflicht, alles Erdenkliche zu tun, um Waffengewalt so schnell wie möglich zu beenden und damit mehr menschliches Leid zu verhindern. Geben wir „dem Frieden eine Chance“, wie es UN-Generalsekretär Guterres heute sehr treffend formuliert hat! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.) Das muss immer unser oberstes Ziel sein.
Der UN-Generalsekretär hat vor wenigen Tagen auch unmissverständlich festgehalten, dass die Grundsätze der UN-Charta „kein Menü à la carte“ sein dürfen. Das ist klar. Alle UNO-Mitglieder haben sie akzeptiert und müssen sie daher auch anwenden und einhalten, auch Russland. Er hat an Putin eben heute diesen dringenden Appell, „dem Frieden eine Chance“ zu geben, gerichtet.
Eines ist klar, sehr geehrte Damen und Herren: In keinem der beteiligten Länder, weder in der Ukraine noch in irgendeinem anderen Land, wollen Menschen Krieg. Auch in Moskau gehen jetzt keine Massen auf die Straße und fordern Putin auf, in der Ukraine einzumarschieren. Das ist klar, weil Menschen immer nur eines wollen: Sie wollen in Frieden und Sicherheit leben – und sie haben ein Recht auf ein Leben in Frieden.
Weil ich vom Leid der Bevölkerung spreche: Ich sehe es jetzt auch als eine ganz dringende und notwendige Aufgabe der Europäischen Union und somit auch der österreichischen Bundesregierung an, sich auf sofortige, umfassende und vor allem wirksame humanitäre Hilfe zu verständigen, um die Zivilbevölkerung vor Ort, aber vor allem auch Kriegsflüchtlinge zu unterstützen, sehr geehrte Damen und Herren! Wenn wir die Europäische Union als Wertegemeinschaft verstehen, dann muss Europa eine starke Stimme für Frieden, Demokratie und Humanität sein.
Unsere volle Solidarität gilt der ukrainischen Bevölkerung. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP, Grünen und NEOS.)
11.24
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Lopatka. – Bitte.
Abgeordneter Dr. Reinhold Lopatka (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Werte Kolleginnen und Kollegen! Der heutige Tag ist ein trauriger, ein schrecklicher Tag, vor allem für die Ukraine, aber nicht nur für die Ukraine, sondern auch für Europa, für die gesamte Staatengemeinschaft. Da ist es gut, dass in solchen ernsten und herausfordernden Zeiten unsere Bundesregierung eine klare Position einnimmt und damit auch die Europäische Union stärkt. In Tagen wie diesen brauchen wir eine starke Europäische Union.
Meine Damen und Herren! Ja, militärisch sind wir neutral, das kann aber kein neutrales Wegsehen bedeuten, wenn völkerrechtswidrig die Souveränität der Ukraine von Russland derartig brutal verletzt wird. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Abgeordneten der NEOS.) Österreich hat zehn Jahre lang um seine Souveränität ringen müssen, wir haben sie 1955 erreicht. Die Ukraine hat die Souveränität selbst bestimmen können. Am 1. Dezember 1991 ist in der Ukraine abgestimmt worden. 92,3 Prozent haben für die Souveränität gestimmt. In den besetzten Gebieten in Luhansk und in Donezk waren es mehr als 80 Prozent. Auch auf der Krim hat es eine absolute Mehrheit für die Souveränität gegeben.
Letztes Wochenende hat die Sicherheitskonferenz in München stattgefunden. Dort hat Putin übrigens schon 2007 angekündigt, was er jetzt gemacht hat. Für mich war aber an diesem Wochenende bemerkenswert, dass auch der chinesische Außenminister Wang Yi die Souveränität der Ukraine ausdrücklich anerkannt hat. Russland ist da wirklich isoliert. Nur Staaten wie Venezuela und Kuba vertreten dieselbe Sicht der Dinge, mehr als 190 Staaten der Welt sehen es anders.
Russland handelt eindeutig gegen alle völkerrechtlichen Prinzipien. Was heißt das für uns als neutraler Staat? – Ja, wir haben politisch für die Achtung der Souveränität der Ukraine, für die Menschen in der Ukraine und gegen den Aggressor Putin Partei zu ergreifen. (Beifall bei ÖVP und NEOS sowie bei Abgeordneten der Grünen.) Das muss man deutlich sagen: gegen den Aggressor Putin. Es ist nicht das russische Volk – das wird ja nicht gefragt –, sondern es ist vor allem eine Person, die das zu verantworten hat.
Russland hat die Schlussakte von Helsinki mitverhandelt, und in dieser Schlussakte ist eindeutig die Unverletzlichkeit der Grenzen festgesetzt.
Was wir tun müssen, ist – und da kann ich mich der Klubobfrau der Sozialdemokratischen Partei vollkommen anschließen –, alles zu tun, damit man wieder an den Verhandlungstisch zurückkommt, damit es zu einer Waffenruhe kommt. Das ist der entscheidende Punkt. Wir haben Partei zu ergreifen, dafür, dass die OSZE ihre wichtige Arbeit fortsetzen kann, um auch so das Blutvergießen von Zehntausenden Menschen – das dürfen wir ja nie vergessen – zu verhindern. Ja, wir haben auch für das Sanktionensystem der Europäischen Union Partei zu ergreifen. Ja, das wird auch uns weh tun, aber es ist notwendig, klar so vorzugehen, wie es die Europäische Union vorhat, in einem Stufenplan, und zu sehr drastischen Maßnahmen zu greifen.
Die Zeiten sind zweifelsohne herausfordernd. Wir als neutraler Staat haben da einen Kompass, der uns die Richtung weist. Diese Richtung kann nur Sicherheit und Zusammenarbeit heißen – und wir haben eine Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit. Das müssen wir als neutraler Staat ganz massiv unterstützen. Russland und die
Ukraine sind in der OSZE, in dieser Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit, vertreten. Während wir hier sitzen, tagt in der Hofburg die Parlamentarische Versammlung der OSZE. Das heißt, Österreich kommt da eine ganz wesentliche Aufgabe zu.
Wenn der Westen nach 1989 einen Fehler gemacht hat, dann den, dass wir geglaubt haben, dass die Ost-West-Konfrontation vorbei ist, dass das imperiale Denken von Putin vorbei ist. Das waren vielleicht große Irrtümer. Putin hat das nie aufgegeben! Ich nenne nur Transnistrien, Georgien, Belarus oder zuletzt Kasachstan. Ob gerufen oder nicht, Putin ist in diese Länder gegangen, hat sich massiv eingemengt.
Andererseits ist er im eigenen Land immer mehr unter Druck gekommen, gerade in der letzten Zeit. Die Reallöhne sind gesunken, die Coronamaßnahmen werden von der Bevölkerung in Russland nicht mitgetragen, Kritiker sind immer mehr drangsaliert worden, die Beliebtheitswerte sind gesunken, und was wir wenig bemerkt haben: Im letzten Jahr haben in Russland trotz dieser Repression in 120 Stadtgemeinden Demonstrationen stattgefunden. Zehntausende Jugendliche sind gegen Putin auf die Straße gegangen.
Ja, da hilft es dann immer, den Feind im Ausland zu suchen. Es war für mich nach der Annexion der Krim, nach dem Krieg seit 2014, nicht überraschend, dass Putin diesen Schritt gesetzt hat. Krieg und Gewalt können aber nie Mittel der Politik sein. Mit diesem einseitigen, völkerrechtswidrigen Vorgehen, meine Damen und Herren, mit der Anerkennung der selbsternannten Volksrepubliken und mit seinem Einmarsch hat Putin einen Weg beschritten, der bei uns massivst auf Widerstand stoßen muss. Es sind rote Linien überschritten worden, da können wir nicht zusehen. Da kann es bei uns keine politische Neutralität geben.
Klubobmann Kickl, weil Sie zwischengerufen haben und nach mir reden werden: Sie sollten sich schämen, als Obmann einer freiheitlichen Partei die Freiheit der UkrainerInnen, ihren Freiheitswillen so zu missachten – das sage ich Ihnen schon. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwischenruf des Abg. Kickl.) Ihr Verhalten, das Sie bisher in dieser Krise durch Ihre Wortmeldungen an den Tag gelegt haben – und das wird sicher heute auch kommen –, nenne ich nur feig. (Abg. Kickl: Ich weiß nicht, was Sie meinen! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Wir brauchen hier den Mut, die Dinge klar beim Namen zu nennen – den Mut brauchen wir, der fehlt Ihnen. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Neuerliche Zwischenrufe bei der FPÖ.)
Daher bin ich sehr froh, dass heute der Bundeskanzler und der Vizekanzler ganz klar gesagt haben, dass wir eine Herrschaft des Rechts wollen und nie das Recht des Stärkeren akzeptieren können. (Zwischenrufe der Abgeordneten Belakowitsch, Rauch und Stefan.)
Daher bringe ich auch folgenden Entschließungsantrag ein:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Dr. Reinhold Lopatka, Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc, Dr. Ewa Ernst-Dziedzic, Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Unterstützung der Ukraine in der aktuellen Krise“
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten, werden ersucht, sich gemeinsam mit den EU-Mitgliedsstaaten für eine Waffenruhe und weiterhin strikt für die Einhaltung des Völkerrechts, der VN-Satzung und der Prinzipien der Schlussakte von Helsinki sowie der Charta von Paris einzusetzen sowie in der gegenwärtigen Situation laufende Bemühungen für eine Rückkehr zu einer Verhandlungslösung weiterhin zu unterstützen.
Zudem wird die Bundesregierung ersucht, die Verhängung zusätzlicher Sanktionen auf EU-Ebene mitzutragen und sich weiterhin für eine geeinte entschlossene EU-Positionierung in dieser Frage einzusetzen.
Die österreichische Bundesregierung möge ihre Solidarität mit der Ukraine deutlich bekunden und wird ersucht, der Ukraine weiterhin humanitäre Hilfe bereitzustellen sowie bei Bedarf die OSZE Sonderbeobachtungsmission zu stärken.“
*****
Meine Damen und Herren, ja, es geht hier um die Ukraine, aber in Wirklichkeit geht es heute um mehr: Es geht um die Zukunft und Sicherheit unseres Kontinents. Es geht wie schon gesagt um unser europäisches Lebensmodell, um ein Leben in Frieden, Freiheit und Wohlstand, das von den Menschen selbstbestimmt ist. Das dürfen wir nicht nur innerhalb der Europäischen Union so sehen, sondern wir sind verpflichtet, uns dafür einzusetzen, dass auf unserem Kontinent – und es ist unser Kontinent Europa – Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in allen Staaten für alle Bürgerinnen und Bürger ohne Abstriche möglich werden. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie der Abgeordneten Künsberg Sarre und Scherak.)
11.33
Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Dr. Reinhold Lopatka, Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc, Dr. Ewa Ernst-Dziedzic, Dr. Helmut Brandstätter
Kolleginnen und Kollegen
betreffend Unterstützung der Ukraine in der aktuellen Krise
eingebracht im Zuge der Debatte zu Tagesordnungspunkt 1 Erklärung des Bundeskanzlers und des Vizekanzlers gemäß § 19 Abs. 2 GOG-NR anlässlich der aktuellen Krise zwischen Russland und der Ukraine
Am 21. Februar 2022 hat der Präsident der Russischen Föderation Wladimir Putin die Unabhängigkeit der völkerrechtlich zum ukrainischen Staatsgebiet gehörenden selbsternannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk mittels Dekret anerkannt und die Entsendung von russischen Truppen in die Gebiete im Osten der Ukraine angekündigt. Nach Unterzeichnung der zwei Dekrete durch den Präsidenten am 21. Februar ratifizierten die russische Staatsduma und der Föderationsrat am 22. Februar die Anerkennung der selbsternannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk als unabhängige Staaten und die Verträge über „Freundschaft und Beistand“ mit den Separatistengebieten.
Die am 24. Februar 2022 vom Präsidenten der Russischen Föderation Wladimir Putin angeordnete Militäroperation in der Ukraine ist aufs Äußerte zu verurteilen, eine gravierende Verletzung des Völkerrechts und ein komplett ungerechtfertigter Angriff auf die Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine. Diese aktuelle Krise macht zudem eine langfristige und strategische Reduktion der Abhängigkeit Europas von fossilen Energieträgern deutlich.
In seiner Rede am 20. Jänner 2022 im österreichischen Nationalrat stellte Außenminister Alexander Schallenberg bereits fest, dass Russland Verhandlungen über seine Forderung nach rechtlich verbindlichen Sicherheitsgarantien der USA und der NATO nicht mit Panzern und Raketen, sondern ausschließlich mittels Dialog führen könne. Gleichzeitig erinnerte der Außenminister an die klare EU-Linie, dass Verhandlungen niemals auf Kosten der europäischen Sicherheit oder der Souveränität und Unabhängigkeit seiner Partner
gehen könnten und dass jede weitere Aggression gegen die Ukraine massive wirtschaftliche und politische Konsequenzen für Russland haben werde. Der Außenminister erinnerte zudem an die Grundpfeiler der Schlussakte von Helsinki. Russland hat die Grundpfeiler der europäischen Sicherheitsordnung in der Helsinki Schlussakte mitverhandelt und müsse sich daher auch zu den Prinzipien der Nichtandrohung von Gewalt und der Unverletzbarkeit von Grenzen bekennen.
Die Linie der österreichischen Bundesregierung spiegelt sich auch in der Unterstützung für die am 23. Februar 2022 verhängten EU-Sanktionen wieder. Die Sanktionen wurden im Rat einstimmig und in einer beachtenswerten Schnelligkeit beschlossen. Für den 24. Februar wurde ein EU-Sondergipfel anberaumt.
Da diese militärische Eskalation beträchtliche Auswirkungen auf die österreichische Gesellschaft und Wirtschaft hätte, ist es notwendig, dass das Parlament der Bundesregierung die Unterstützung für eine entschlossene Politik im Einklang mit den EU-Partnern zur Einforderung der Einhaltung des Völkerrechts ausspricht.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden
Entschließungsantrag
Der Nationalrat wolle beschließen
"Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten, werden ersucht, sich gemeinsam mit den EU-Mitgliedsstaaten für eine Waffenruhe und weiterhin strikt für die Einhaltung des Völkerrechts, der VN-Satzung und der Prinzipien der Schlussakte von Helsinki sowie der Charta von Paris einzusetzen sowie in der gegenwärtigen Situation laufende Bemühungen für eine Rückkehr zu einer Verhandlungslösung weiterhin zu unterstützen.
Zudem wird die Bundesregierung ersucht, die Verhängung zusätzlicher Sanktionen auf EU-Ebene mitzutragen und sich weiterhin für eine geeinte entschlossene EU-Positionierung in dieser Frage einzusetzen.
Die österreichische Bundesregierung möge ihre Solidarität mit der Ukraine deutlich bekunden und wird ersucht, der Ukraine weiterhin humanitäre Hilfe bereitzustellen sowie bei Bedarf die OSZE Sonderbeobachtungsmission zu stärken“.
*****
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht somit mit in Verhandlung.
Zu Wort gelangt Klubobmann Kickl. – Bitte, Herr Klubobmann.
Abgeordneter Herbert Kickl (FPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Liebe Österreicherinnen und Österreicher! Ja, in den letzten Stunden hat die Krise rund um die Ukraine eine brandgefährliche Entwicklung genommen. Es ist so, dass eine Krise, die ja schon seit langer Zeit schwelt, durch den Angriff von russischen Truppen im Zusammenhang mit der Verletzung von ukrainischem Territorium eine neue Eskalationsstufe erreicht hat, und es ist ganz klar zu sagen, dass eine solche Vorgangsweise in keinster Art und Weise zu rechtfertigen ist, sondern dass es dafür nur Worte der Verurteilung geben kann.
Es ist das Gebot der Stunde, dazu aufzurufen, die Waffen niederzulegen und an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Das müsste eigentlich auch die Intention von Regierungsmitgliedern eines neutralen Staates sein, und zwar mindestens genauso laut, im
Idealfall lauter als das Schreien nach Sanktionen – aber darauf werde ich noch zurückkommen.
Meine Damen und Herren, im Zusammenhang mit diesen Entwicklungen stellt sich natürlich die Frage – die wir hier und heute nicht im vollständigen Umfang beantworten können –, welche Faktoren, welche Zusammenhänge, welches Spiel von Ursache und Wirkung, welche Zusammenhänge von Wirkung und Wechselwirkung et cetera denn dazu geführt haben, dass es dann am Ende so weit gekommen ist, wie wir es heute alle erleben müssen und wie es uns in gewisser Weise auch fassungslos macht.
Wir werden diese Frage hier und heute nicht vollständig beantworten können, eines aber ist auch klar, Kollege Lopatka – und da geht es dann um die Frage, die Sie in den Raum gestellt haben, und da frage ich Sie, ob dann auch immer der Mut vorhanden ist, die Dinge klar beim Namen zu nennen –: Ich denke jedenfalls – und Sie sind ein Kenner der außenpolitischen Situation, auch im Osten Europas –, dass es in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten aufseiten beider Hauptbeteiligter – der Russen auf der einen Seite und der Amerikaner/der Nato sowie in ihrem Windschatten der Europäischen Union auf der anderen Seite – zu fehlerhaftem Vorgehen, zu schuldhaftem Vorgehen, zu provokativem Vorgehen gekommen ist. Das Interessante bei Ihren Ausführungen hier und heute – bei Ihren (in Richtung Abg. Lopatka) und bei den Ausführungen der Regierungsvertreter – ist, dass ich von einer Seite gar nichts gehört habe und alle Ursachenforschung sich nur auf die andere konzentriert hat. Das ist nicht mutig, Herr Kollege Lopatka, und das ist auch nicht neutral. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf bei der ÖVP.)
Ich sehe es äußerst kritisch, dass ausgerechnet zu dem Zeitpunkt, zu dem dieser Konflikt, der, man kann sagen, seit Jahren, in Wahrheit aber ja schon seit Jahrzehnten, beginnend 1991 mit dem Zerfall der Sowjetunion, schwelt, dass jetzt, wenn sich dieser Konflikt in gewisser Weise militärisch entzündet und eine geopolitische Explosion stattfindet, die österreichische Bundesregierung eine Strategie der absoluten Eindimensionalität, Parteilichkeit und Einseitigkeit an den Tag legt.
Ich hätte vielleicht noch ein gewisses Verständnis dafür, wenn die Ereignisse so, wie sie jetzt in den letzten Stunden in der Ukraine stattgefunden haben, über Nacht gekommen wären. Dann könnte ich diese Vorgangsweise noch verstehen, weil man dann die Hintergründe nicht kennt, die Reaktion aber wäre trotzdem falsch. In Kenntnis all dessen aber, was sich da in einem Wechselspiel – ich habe es schon angedeutet – in Wahrheit in Jahrzehnten gegenseitig aufgeschaukelt hat, immer mit zwei maßgeblich beteiligten Parteien, in Kenntnis dieser Situation eine derartige Eindimensionalität an den Tag zu legen, wie Sie das tun, halte ich für unverantwortlich.
Herr Vizekanzler – Sie werden es dem Bundeskanzler dann ausrichten –, ich spreche Sie direkt an, weil Sie bei Amtsantritt einen Eid auf die österreichische Bundesverfassung geleistet haben, so wie wir als Abgeordnete dieses Hauses ein Gelöbnis auf die Einhaltung der Verfassung abgelegt haben. Es kann Ihnen gefallen oder nicht: In dieser Verfassung ist die immerwährende Neutralität Österreichs ein Dreh- und Angelpunkt und ein ganz zentrales Element und nicht etwas, was man als lästige Randbemerkung jetzt irgendwo zur Seite stellen könnte.
Ich denke, dass diese Verfassungstreue im Sinn eines rot-weiß-roten Patriotismus – was überhaupt nichts mit Feigheit zu tun hat, sondern mit einer gelebten Neutralität, die ja nichts anderes bedeutet, als einen dritten Weg aufzuzeigen, wenn zwei sich ineinander verrannt haben – keine Position der Feigheit ist, sondern dass das die Haltung sein sollte, die Österreich in einem solchen Konflikt an den Tag legt. Das ist Haltung, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ.)
Ich weiß nicht, ob Sie es vergessen haben, ob Sie es verdrängt haben, deswegen sage ich es Ihnen noch einmal – ich lese es Ihnen einfach vor, ich darf zitieren –: „Zum Zwecke
der dauernden Behauptung seiner Unabhängigkeit nach außen und zum Zwecke der Unverletzlichkeit seines Gebietes erklärt Österreich aus freien Stücken seine immerwährende Neutralität.“ – Immerwährend steht dort geschrieben. – „Österreich wird diese mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln aufrechterhalten und verteidigen“ – aufrechterhalten und verteidigen.
Jetzt lade ich Sie ein, die Politik, die Sie vor allem in den letzten Tagen und in den letzten Wochen gemacht haben, an diesen Maßstab der Vorgabe unserer Bundesverfassung zu legen, und Sie werden sehen, dass das eine mit dem anderen überhaupt nichts zu tun hat. Deshalb sagen wir Freiheitliche: Neutralität ja, aber Parteilichkeit und Eindimensionalität nein.
Und noch einmal: Neutralität ist keine Feigheit, sondern Neutralität ist in diesem Fall das Schaffen genau jenes Platzes und jener Manövriermöglichkeiten, die zwei, die sich ineinander verkeilt haben, für sich selbst längst verloren haben. Das wäre die Aufgabe: diesen Raum sicherzustellen, und nicht umgekehrt, sich auf eine Seite zu schlagen und sich damit dem Verdacht auszusetzen, parteilich zu sein, in einem Konflikt, der viel komplexer ist, als Sie es hier dargestellt haben.
Meine Damen und Herren, Lopatka hat in seiner Rede nicht so geklungen, als würde er wissen, dass Österreich kein Nato-Mitglied ist. (Ruf bei der ÖVP: Nein!) Ich teile vieles von dem, was Sie gesagt haben, was in Russland alles im Argen liegt. Das ist vollkommen richtig, aber all das, was Sie gesagt haben, können Sie auf die USA parallelverschieben. (Abg. Gerstl: Geh!) All das können Sie parallelverschieben, und Sie wissen, dass jedes der Argumente, die Sie gebracht haben, für militärische Aggressionen der Vereinigten Staaten genauso seine Gültigkeit hätte. (Beifall bei der FPÖ. – Rufe und Gegenrufe zwischen ÖVP und FPÖ. – Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.)
Diese Dinge zu sehen und diesen Zusammenhang herzustellen, meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist so mutig, das Sie sich nicht drübertrauen und deshalb die Position einschlagen, die Sie eben gewählt haben und für die Sie sich entschieden haben.
Meine Damen und Herren, ich halte es für unverantwortlich, jetzt den Weg einzuschlagen, dass man die Neutralität, die uns allen einen guten Dienst erwiesen hat, die ein essenzieller Bestandteil dieser Republik ist und von der wir schon vor vielen Jahren vonseiten der Volkspartei gehört haben, dass sie eigentlich den Wert von Lipizzanern oder Mozartkugeln hätte, gerade jetzt auf einen ganz kleinen militärischen Kern zusammenschrumpfen will.
Man will das, was jetzt eigentlich die Hauptsache der österreichischen Außenpolitik sein sollte, zu einer völlig unbedeutenden Nebensache degradieren. Man schrumpft die Neutralität auf einen militärischen Kern zusammen, und das machen ausgerechnet jene, die unser Bundesheer ramponiert haben; dann weiß man, dass das nicht ernst gemeint sein kann. Sie haben das, was Sie jetzt zum Kern Ihrer Neutralitätsüberlegungen gemacht haben, in Wahrheit in der Vergangenheit systematisch zerstört, indem Sie es kaputtgespart haben. Das ist wenig glaubwürdig, was Sie hier machen! Die Bevölkerung kauft Ihnen das nicht ab und ich tue das auch nicht. (Beifall bei der FPÖ.)
Noch etwas ist wichtig – weil heute auch sehr, sehr viel von Völkerrecht die Rede gewesen ist –: Sie können die Situation natürlich so darstellen, als ob es keine völkerrechtlichen Neutralitätsverpflichtungen Österreichs gäbe, das ist aber nicht seriös, denn diese gibt es sehr wohl. Diese völkerrechtliche Neutralität Österreichs hat überhaupt gar nichts mit der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik und all diesen Verflechtungen mit der Europäischen Union zu tun; wobei man dann darüber philosophieren kann, ob es tatsächlich so ist, dass das EU-Recht über der österreichischen Verfassung steht. Mir ist das ja ein Graus, für Sie ist es wahrscheinlich das Ziel Ihrer Träume.
Das ändert aber nichts an unserer völkerrechtlichen Verpflichtung, neutral zu sein. Sie haben heute selbst das Völkerrecht strapaziert, Herr Bundeskanzler. Es ist vollkommen richtig, aber wenn Sie solchen Wert auf völkerrechtliche Korrektheit legen, dann sagen Sie doch bitte auch dazu, dass auch die Teilnahme an Sanktionen eine Völkerrechtsverletzung ist! Auch das ist völkerrechtlich nicht in Ordnung. Dann sagen Sie dazu, dass die Überflüge von Militärmaschinen im Zusammenhang mit militärischen Operationen der Nato oder dass irgendwelche Transporte zu Truppenaufmärschen der Nato auch völkerrechtlich nicht in Ordnung sind! Dann haben wir die ganze Wahrheit beieinander, dann ist es auch seriös, dass man über das Völkerrecht diskutiert. (Beifall bei der FPÖ.) Sie haben das vermieden.
Man muss die Dinge zu Ende denken: Wenn wir dieser völkerrechtlichen Verpflichtung unsererseits nicht nachkommen, dann werden andere Staaten ihrerseits den Weg einschlagen, unsere Neutralität auch nicht mehr anzuerkennen. Das wird das Ergebnis sein. Vielleicht nehmen Sie das leichtfertig in Kauf, ich möchte die Neutralität Österreichs nicht aufs Spiel setzen, sondern ich möchte sie auch für die kommenden Generationen erhalten, weil ich sie für ein gutes Instrument halte und weil sie sich in der Vergangenheit bewährt hat. (Beifall bei der FPÖ.)
Meine Damen und Herren, ich sage es noch einmal: Das, was Sie in gewisser Weise als Solidarität – ich habe in der Vergangenheit auch das Wort Haltung gehört – jetzt neu ins Zentrum Ihrer politischen Überlegungen gestellt haben, das kann kein Ersatz für die österreichische Neutralität sein. Das kann es nicht sein! Es ist viel, viel mehr. Das ist ein unsolidarischer Akt mit unserer Verfassung, es ist ein unsolidarischer Akt mit unseren Sicherheitsinteressen, und es ist ein unsolidarischer Akt mit unseren Wirtschaftsinteressen.
Nun weiß ich schon – Kollege Kogler hat es anklingen lassen –: In Zeiten wie diesen darf man keine Rücksicht darauf nehmen. – Ja, aber Herr Vizekanzler, Sie wissen schon, dass neben geostrategischen auch wirtschaftliche Überlegungen, und zwar der großen Beteiligten in diesem Konflikt, eine ganz zentrale Rolle in diesen Auseinandersetzungen spielen! Also wird es wohl auch für uns eine Berechtigung haben, uns um die wirtschaftlichen Folgen für Österreich entsprechende Sorgen zu machen. Mich beruhigt es nicht, wenn Sie jetzt, Ende Februar, sagen: Österreicher, bitte macht euch keine Sorgen, bis April ist die Gasversorgung gesichert! – Das ist nicht allzu lange, würde ich sagen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist das, was ich Ihnen vorwerfe. Man muss die Dinge zu Ende denken. Ich habe das Gefühl, dass das, was Sie hier mitmachen, im großen Verbund, im Herdentrieb, etwas ist, das Österreich nur schaden kann, aber nicht wirklich nutzt.
Sie haben davon gesprochen, dass wir doch aus der Geschichte lernen sollen. Ja lernen wir aus der Geschichte! Seit 2014 gibt es Sanktionen gegen Russland im Zusammenhang mit der Ukraine. Was haben diese Sanktionen gebracht? – Die Ukraine ist nach wie vor dort, wo sie 2014 hingekommen ist, aber wir haben einen enormen Schaden erlitten. Und wenn Sie es mir nicht glauben, dann glauben Sie es vielleicht der Wirtschaftskammer. Die hat das ausgerechnet: Allein bis zum Jahr 2017 waren es 1 Milliarde Euro in Österreich, 30 Milliarden Euro hat das die Europäische Union gekostet, und das war nur bis zum Jahr 2017. Geändert in unserem Sinne hat das überhaupt nichts. Ja was lernen Sie da jetzt aus der Geschichte?
In Wahrheit ist es doch so gewesen, dass dieses Abrücken des Westens von Russland – durch Sanktionen – die Russen näher an China gebracht hat. Und wenn man etwas aus der Geschichte lernen sollte, dann, glaube ich, dass es notwendig sein sollte, die Kooperation mit Russland zu suchen. Jetzt, in dieser Phase wird es zwar nicht möglich sein, aber es wäre mir die liebere Variante, eine gedeihliche Zusammenarbeit Europas und
Russlands zu haben, als dass wir die Russen sozusagen auch noch in die Arme der Chinesen treiben. Ich glaube, dass das die vernünftigere mittel- und langfristige Strategie ist. (Beifall bei der FPÖ.)
Einen energiepolitischen Schnitt ins eigene Fleisch – und etwas anderes ist es ja in Wahrheit nicht, wenn Sie da jetzt über das Nicht-in-Betrieb-Nehmen von Nord Stream und anderen Dingen sprechen – auch noch als Heldentat zu verkaufen, halte ich ehrlich gesagt für unverantwortlich, gerade in einer Situation, in der sich die Energiepreise in Österreich ohnehin schon langsam so entwickeln, als hätten wir es mit einem Luxusartikel zu tun.
Wenn Sie es mir nicht glauben: Wirtschaftskammerpräsident Leitl – Sie werden gerne an ihn zurückdenken – hat es auf den Punkt gebracht. Sein Resümee war, dass Sanktionen „Unsinn sind und nichts bewegen“. Er war Ihrer Partei angehörig und nicht der unseren.
Es bräuchte etwas ganz anderes. Es bräuchte in einer größeren Lautstärke als Ihre Solidaritätsbekundungen, als Ihr Einpeitschen von Sanktionen et cetera, wie Sie das jetzt in den letzten Tagen und Stunden gemacht haben, ein Sichanbieten Österreichs als Ort der Vermittlung. Das wäre es gewesen, was wir gebraucht hätten, ganz offensiv und laut, und auch die Möglichkeit und das Angebot, einen Vorschlag in den Raum zu stellen, zu entwickeln.
Wenn Sie sagen: Lernen wir aus der Geschichte!, dann denke ich: Ja, lernen wir aus der eigenen Geschichte, aus der österreichischen! Lernen wir aus unser eigenen Neutralität, mit der wir sehr, sehr gut gefahren sind, und zwar auch an einer Grenze, wo nicht nur zwei Staaten mit unterschiedlichem Interesse einander gegenübergestanden sind, sondern zwei weltpolitische Blöcke, wie sie unterschiedlicher nicht hätten sein können.
Wir waren dieses Grenzland, und wir sind in dieser Situation aufgrund einer großen politischen Einigkeit im Inneren mit diesem Modell der immerwährenden Neutralität sehr, sehr gut über die Runden gekommen. Warum soll so etwas nicht auch ein Modell für die Ukraine sein? Warum ist nicht das die entsprechende Stoßrichtung, die man durchzuführen versucht? Dass man hier alle Hebel in Bewegung setzt - - (Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.) – Frau Meinl-Reisinger! Wenn Sie glauben, Sie werden Russland mit Sanktionen in die Knie zwingen, dann sind Sie naiv. Und wenn vielleicht irgendjemand glaubt, dass man da militärisch dagegenhalten könnte, dann ist er dafür verantwortlich, dass es einen weltweiten Flächenbrand gibt.
Also zurück an den Tisch und zu einem Modell, das für alle tragfähig ist! Die Neutralität könnte es sein. Ich verstehe, dass Sie sich so schwer damit tun: Die Verfassung ist Ihnen weitestgehend egal, mit der Neutralität können Sie im eigenen Land nichts anfangen, also ist es für Sie wahrscheinlich auch kein Exportschlager, über den man diskutieren sollte.
Ein abschließendes Wort: Vor 2 500 Jahren ist ein Strategiebuch entstanden, der Bundeskanzler wird es kennen, verfasst von einem gewissen Sunzi. Darin heißt es – und diesen Ratschlag lege ich Ihnen ans Herz –: Wenn du nicht stark bist, dann sei klug! – Zitatende.
Ich glaube, dass das die Devise der Stunde ist: Wenn du nicht stark bist, dann sei klug! – Noch ist es nicht zu spät. (Beifall bei der FPÖ.)
11.50
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Ernst-Dziedzic. – Bitte.
Abgeordnete Dr. Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne): Herr Präsident! Herr Kanzler! Herr Vizekanzler! Werte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Geschätzte Kollegen und
Kolleginnen! In einem Moment, in dem ein Blutbad begonnen wird, von beiden Seiten zu sprechen, die eine Verantwortung haben, ist zynisch, ist unverantwortlich, ja, es ist eine Schande für das österreichische Parlament, Kollege Kickl! (Beifall bei Grünen und ÖVP.)
Ich war ein Jahr alt, als in Polen das Kriegsrecht ausgerufen worden ist. Ich war drei, als dieses beendet wurde, weitgehend ohne Blutvergießen. Als Kind habe ich den Geschichten meiner Oma gelauscht, wie sie sich unter einem toten Pferd versteckt hat, weil nicht nur am 1. September die Nazis in Polen einmarschiert sind, sondern es 16 Tage später auch eine russische Invasion gab. 1988, als mein Vater verhaftet worden ist, sagte meine Mutter: Es ist für die Freiheit! 1989, als wir nach Wien kamen, war mir klar: Meine politische Laufbahn wird immer darauf basieren, für Demokratie, Freiheit und Frieden zu kämpfen. (Beifall bei Grünen, ÖVP und NEOS sowie des Abg. Rainer Wimmer.)
Ich dachte immer, diese Einigkeit gibt es hier in Österreich. Ich war dankbar, dass diese nicht infrage gestellt wird. Diese Sicherheitsinfrastruktur, die wir uns in Europa seit 1989 erkämpft haben, ist im Moment nicht nur gravierend infrage gestellt, sie wird mutwillig zerstört. Ja, es stimmt schon, es hat sich abgezeichnet: Die Eskalation war vorhersehbar, aber viele von uns haben das nicht ernst genommen. Viele von uns haben zugeschaut, viele von uns haben relativiert, nicht nur bei der FPÖ, auch bei der SPÖ (Zwischenruf des Abg. Martin Graf), auch bei den anderen Parteien habe ich immer wieder vernommen, dass es da keine Klarheit gibt, keine Klarheit, wenn es darum geht, Russland gegenüber Position zu beziehen. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Martin Graf.)
Jetzt stehen wir da mit einer Katastrophe im Angesicht, konfrontiert mit einem Angriff, der sicherlich nicht morgen wieder aufhört, und mit der Situation, dass Millionen Menschenleben akut bedroht sind. Wenn Sie sich Bilder von den Verkehrsstaus jetzt gerade rund um Kiew anschauen, kriegen Sie womöglich genauso wie ich Gänsehaut. Stellen Sie sich vor, Sie stehen dort in diesem Stau und jemand hier im österreichischen Parlament sagt: Na ja, vielleicht ist auch ein bisschen die andere Seite schuld! – Unglaublich eigentlich! (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei Abgeordneten der NEOS.)
Ja, nur stabile Demokratien können Despoten und Autokraten wie Putin begegnen. Nur dann können wir ihm die Stirn bieten: wenn wir als westliche Demokratien nicht nur klar sind, sondern wenn wir die Demokratie, den Rechtsstaat, den Frieden, die Freiheit, die Selbstbestimmung, das Völkerrecht hochhalten. Das ist jetzt im Moment wichtiger denn je. Noch eine Sache ist wichtig: die Zivilgesellschaft nicht zu vergessen, all die Menschen, die sich jetzt in ihrer Verzweiflung von uns allen alleingelassen fühlen, allen voran die Kinder, die Frauen.
Unser Appell darf hier heute nicht verhallen, sondern muss in die internationalen Gremien weitergetragen werden und muss lauter werden – so laut, wie es schon 1889 die österreichische Autorin und Friedensaktivistin Bertha von Suttner gesagt hat: „Die Waffen nieder!“ – Ihr seid nicht allein. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei Abgeordneten der NEOS.)
11.54
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Klubobfrau Beate Meinl-Reisinger. – Bitte.
Abgeordnete Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuschauerinnen und Zuschauer! Ja, ich bin auch alt genug, um den Fall des Eisernen Vorhangs und auch den Fall der Berliner Mauer durchaus hautnah und auch schon sehr emotional – vielleicht nicht in der Tragweite der historischen Dimension, aber durchaus – miterlebt zu haben.
Es ist völlig klar, dass – ich habe meine Rede gestern am Abend geschrieben, ich hätte auf die Rede Putins Bezug genommen – man natürlich sagen muss, mit dem aggressiven Akt des Angriffs auf die Ukraine – aber auch schon in dieser Rede war das klar – hat er mit einem Strich diese Sicherheitsordnung, die politische Ordnung, die wir in Europa nach dem Fall des Eisernen Vorhangs erlebt haben, vom Tisch gewischt. Er hat einen Schlussstrich gezogen, und es ist geradezu naiv zu glauben, dass es da wieder ein Zurück zu dieser alten Ordnung gibt.
Er hat der Ukraine nichts anderes als das Recht auf Selbstbestimmung abgesprochen, schon in seiner Rede und selbstverständlich mit dem Aggressionskrieg, den er heute begonnen hat. Genau diese Selbstbestimmung, dieser Weg zur Selbstbestimmung, den die Ukraine mit der Majdanbewegung, mit der Annäherung an die Europäische Union in Richtung Westen, in Richtung Freiheit, in Richtung Marktwirtschaft, in Richtung Demokratie, in Richtung EU gegangen ist, ist es, der jetzt am Spiel steht. Damit ist dieser Angriff Putins aber nichts anderes als ein Angriff auf die gesamte westliche Welt und gerade auf die Europäische Union und die Werteordnung, die wir hier in dieser Europäischen Union haben und in der wir auch verbunden sind. Es geht um nichts weniger – da hat der ukrainische Präsident recht – als um die Sicherheit Europas. Die Sicherheit Europas und damit die Sicherheit Österreichs wird jetzt in der Ukraine entschieden. (Beifall bei NEOS, ÖVP und Grünen.)
Deshalb sage ich ganz klar: In dieser Frage gibt es keine Neutralität. Österreich als Teil der Europäischen Union muss ganz klar Stellung beziehen, sonst haben Putins Totalitarismus und Aggressionskrieg schon gewonnen.
An dieser Stelle möchte ich ganz klare Worte gegenüber denjenigen finden, die seit Jahren und Jahrzehnten willfährige Erfüllungsgehilfen von Desinformationskampagnen und auch Destabilisierungskampagnen aus Russland sind. Es sind übrigens die, die jetzt gerade Neutralität einfordern und kein Problem damit haben, mit Putin Freundschaftsabkommen abzuschließen. Es sind vor allem die Rechten in Europa und hier im Haus die FPÖ. Sie tragen diese Desinformationskampagnen weiter. Sie lassen sich aus Russland finanzieren. (Rufe bei der FPÖ: Lüge! – Weitere lebhafte Zwischenrufe bei der FPÖ.) Es sind die Rechten in Europa (Abg. Deimek: Das ist ein Skandal! – Abg. Martin Graf: Wer ist Geschäftspartner von ...?), die von Freiheit reden und offensichtlich ein sehr kindisches Verständnis von Freiheit haben (weitere Zwischenrufe bei der FPÖ), wenn es Ihnen darum geht, im Parlament keine Maske zu tragen. (Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.) Dann aber, wenn die Freiheit wirklich am Spiel steht – Selbstbestimmung, Demokratie, Meinungsfreiheit, Pressefreiheit –, dann ducken Sie sich weg, dann vergessen Sie, dass Oppositionelle, dass Angehörige freier Medien vergiftet und ins Gefängnis gesteckt werden. Sie sind keine Vertreter der Freiheit, Sie sind Verräter der Freiheit! (Beifall bei NEOS, ÖVP und Grünen.)
Ihnen zur Seite stehen Teile der Linken, die aus einer modrigen Antikapitalismussehnsucht heraus stets parat stehen, gegenüber dem Totalitarismus blind zu sein (neuerliche Zwischenrufe bei der FPÖ), der an den Tag gelegt wird – ein wenig USA-Feindlichkeit hier, ein bisschen Putin-Relativieren (Zwischenruf des Abg. Amesbauer) auf der anderen Seite, und schon steht man Seite an Seite mit den rechten Recken, die man sonst so verachtet.
Kommen wir aber wieder zu Europa! Putin hat zwei Kalküle: Das erste Kalkül ist, dass es niemand auf eine militärische Eskalation ankommen lassen wird, und das zweite Kalkül ist – und ich hoffe, dass das nicht aufgehen wird –, dass Europa wieder einmal nicht entschlossen, geschlossen, geeint und tatkräftig reagiert. In der Tat haben die letzten Wochen meines Erachtens wieder einmal gezeigt, wie naiv Europa – man muss jetzt sagen – in diesen Krieg taumelt, ein Krieg, den man am Verhandlungstisch verhindern wollte und noch weiter will – und das muss immer das Mittel sein, aber mit einem
Kriegstreiber, der sich nicht an den Verhandlungstisch setzt, in einer Situation, in der wir kein Gewicht an diesem Verhandlungstisch haben. (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)
Die letzten Wochen haben doch eines gezeigt: Die EU mag besorgt sein, aber sie ist passiv gewesen, um nicht zu sagen: irrelevant.
Einzelne Staatschefs wie Emmanuel Macron versuchen, voranzugehen, eine Lösung zu finden und auch durchaus eine Vermittlerrolle einzunehmen – und ich bin sehr dankbar, dass es diese Initiativen gibt –, aber es fehlte die entschlossene und geschlossene Verhandlungsmasse, das Gewicht. Ja, wir können Sanktionen verhängen, und die müssen auch sehr scharf sein – sie müssen für den Kreml spürbar sein; und sie werden auch weiter gehen müssen, dazu gibt es heute ja schon klare Aussagen von Baerbock, und dafür bin ich auch sehr dankbar –, doch Putin weiß, dass es selbst über diese Sanktionen nicht immer Einigkeit gegeben hat. Putin weiß noch mehr, nämlich dass es in Bezug auf die Frage der Sicherheits- und Verteidigungspolitik in Europa keine Einigung gibt, und daher sage ich auch: Schluss mit dieser Naivität! Am Verhandlungstisch zählt das militärische Potenzial mindestens genauso viel wie alle wirtschaftlichen Hebel.
Ich bin überzeugt davon, dass Europa am Scheideweg steht. Es entscheidet sich jetzt und in den nächsten Monaten und Jahren die Zukunft Europas: Entweder wir schaffen es jetzt, gemeinsam zusammenzustehen, für unsere eigenen Interessen einzutreten, handlungsfähig, entscheidungsfähig zu sein und damit auch selbstbewusst eine neue Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur in Europa auf den Weg zu bringen, oder wir scheitern, wie die letzten Jahre auch gezeigt haben, an kleinlichen Egoismen, die über das große Ganze gestellt wurden.
Seit Jahren treten wir für ein gemeinsames EU-Heer und damit echte Wehrhaftigkeit ein. Wir haben dafür viel Kritik einstecken müssen, aber ich glaube, gerade heute ist der Zeitpunkt, genau das wieder zu besprechen. Es wird sich nicht von heute auf morgen verwirklichen lassen, aber wann, wenn nicht jetzt, muss Europa aufwachen? Und es muss doch gerade ein Anliegen derer sein, denen die Abhängigkeit sowohl von Russland, aber auch von den USA ein Dorn im Auge ist, selbstbewusst auch für militärische Interessen Europas einzutreten, für Handlungsfähigkeit, Verteidigungsfähigkeit und Wehrhaftigkeit.
Diesbezüglich hoffe ich, dass auch Österreich einen Schritt in diese Richtung unternehmen wird, aber ein Schritt dorthin bedeutet auch, einmal eines sicherzustellen, was unsere österreichische Bundesverfassung auch vorsieht und was nicht nur diese Bundesregierung, sondern auch die Bundesregierungen davor meines Erachtens in schändlicher Weise vernachlässigt haben. Dabei geht es um nichts weniger als eine der Kernaufgaben des Staates: Das ist die umfassende Landesverteidigung.
Die umfassende Landesverteidigung Österreichs bezieht sich nicht nur auf militärische Fragen, sondern auch auf wirtschaftliche Fragen und damit die Reduktion von Abhängigkeiten, auf zivile Fragen und auch auf geistige Fragen. So manche Relativierung und so mancher Geschichtsrevisionismus der letzten Tage zeigt mir schon auch, dass wir da viel Arbeit vor uns haben, diese umfassende Landesverteidigung auf den Weg zu bringen, aber ich bin auch dafür, dass wir als Österreich entschlossen gemeinsam an einer europäischen Verteidigungsfähigkeit arbeiten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist Zeit zu handeln! Wir stehen mit der Ukraine, aber wir tun das für die Freiheit, für Europa, für Österreich. – Danke. (Beifall bei NEOS, ÖVP und Grünen.)
12.03
Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich Herr Bundeskanzler Karl Nehammer zu Wort gemeldet. – Bitte.
12.03
Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich hätte selbstverständlich aus Respekt vor dem Hohen Haus und dem parlamentarischen Diskurs jetzt an und für sich nicht von vornherein den Anspruch gestellt, mich noch einmal zu Wort zu melden, ich denke aber, dass es einen guten Grund dafür gibt.
Ich habe mich nicht aus Respektlosigkeit gegenüber dem Abgeordneten, der gerade gesprochen hat, kurzfristig von diesem Platz entfernt, sondern weil ich die Gelegenheit hatte, mit dem Präsidenten der Ukraine zu telefonieren, und das war heute im Tagesablauf mehr als schwierig. Ich möchte Ihnen den Inhalt dieses Gesprächs nicht vorenthalten, weil ich glaube, dass er auch für Ihren weiteren Diskurs wichtig ist.
Er hat das Gespräch damit begonnen, dass er gesagt hat, er meldet sich aus der Ukraine, einem Land, von dem er nicht mehr weiß, wie lange es noch existiert, und er meldet sich als Präsident, und er weiß nicht, wie lange er noch lebt. – Die Situation in der Ukraine ist höchst dramatisch. Er hat davon berichtet, dass auch zivile Infrastruktur angegriffen wird, schon viele Menschenleben ausgelöscht worden sind, und er hat Europa und die Welt darum ersucht, der Ukraine in dieser Situation beizustehen. Er hat darum ersucht, dass militärische Unterstützung erfolgt, und er hat darum ersucht, dass humanitäre Unterstützung erfolgt.
Österreich, Herr Klubobmann Kickl, ist tatsächlich ein neutrales Land. Humanitäre Hilfe ist jetzt mehr als geboten, aber in Anbetracht dessen, dass wir gerade über das Schicksal eines Landes, aber noch vielmehr über das Schicksal Tausender Menschen mitdebattieren und -reden, scheint es geboten, diese Ernsthaftigkeit des Gespräches auch mit Ihnen, den Österreicherinnen und Österreichern und Menschen, die in Österreich leben, zu teilen.
Das beweist die Entschlossenheit der Europäischen Union, die Gemeinsamkeit, dass auch wir als neutrales Land nicht wegschauen, sondern hinschauen, dass gerade auch wir als neutrales Land uns das Völkerrecht als das zentrale Recht, als Fundament, um Freiheit und Demokratie zu verteidigen, in Erinnerung rufen und wir uns auch dessen bewusst sind, dass tatsächlich die Ukraine, die dortige Regierung, die Menschen um ihr Überleben kämpfen.
12.06
Präsidentin Doris Bures: Danke vielmals, Herr Bundeskanzler, für diese aktuellen Informationen an das Hohe Haus und damit an alle Österreicherinnen und Österreicher.
Wir fahren aber natürlich in der Debatte fort. Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Martin Engelbert zu Wort. – Bitte.
Abgeordneter Mag. Martin Engelberg (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Mitglieder der Regierung! Kolleginnen und Kollegen und natürlich auch alle, die vor den Fernsehschirmen sitzen! Man kann nicht anders, als von den Berichten des Herrn Bundeskanzlers gerade ergriffen zu sein, und auch, was hier gesagt wurde, gibt mir natürlich viel zu denken – unser Gelöbnis betreffend nie wieder Krieg und immerwährende Neutralität.
Was ist der Kontext dazu? Seien wir doch ehrlich: Worum geht es da? – Dieses Gelöbnis wurde in einem ganz bestimmten Kontext abgelegt, nämlich im Kontext, dass wir gelobt haben, dass wir in Österreich uns nie mehr wieder einer wahnsinnigen, verbrecherischen Ideologie verschreiben, des Bekenntnisses dazu, dass sich Österreich nie mehr wieder an einem Angriffskrieg, an Gewaltherrschaft, an Massenmord beteiligen soll. Das ist der Hintergrund unseres Gelöbnisses betreffend nie wieder Krieg und immerwährende Neutralität.
In Deutschland gab es ein ähnliches sozusagen Gelöbnis, das sich in einem Pazifismus äußert – in der pervertierten Form, möchte ich sagen, des Angebots, einem Land wie der Ukraine nicht Waffen zur Verteidigung anzubieten, sondern Stahlhelme. Und ich meine, dass sich dieses Gelöbnis betreffend die immerwährende Neutralität in Österreich ebenfalls pervertiert hat zu diesem: Wir stehen in der Mitte, wir wollen in Äquidistanz zu beiden Seiten stehen. – Kann es wirklich so sein, dass wir zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und Russland in der Mitte stehen? Kann es wirklich sein, dass wir der Ukraine jetzt sozusagen anbieten, ihr empfehlen, sich gleichfalls in die Mitte zu stellen? Ist das wirklich ernsthaft unsere Position? Ist es das, was wir unter Neutralität verstehen wollen?
Die Neutralität, das In-der-Mitte-Stehen, haben uns Wohlstand und Frieden gebracht: Meinen Sie das wirklich? – Gehen wir doch in der Geschichte ein bisschen zurück! Der Wohlstand in Europa und in Österreich wurde einmal durch die sehr, sehr großzügige finanzielle Unterstützung und Hilfe der Vereinigten Staaten von Amerika in den Jahren nach dem Krieg begründet, und diese Hilfen laufen sogar bis heute noch – das wissen gar nicht viele. Wohlstand und Frieden wurden in Europa und in Österreich durch den Schutzschirm der Vereinigten Staaten von Amerika und der Nato gesichert, und wir sind dabei, könnten wir sagen, Gratistrittbrettfahrer, um nicht zu sagen Schwarzfahrer gewesen. Über all die Jahrzehnte sind wir da gratis mitgefahren. Unter diesem Schutzschirm haben wir uns den heute so wohlverdienten Wohlstand und die Sicherheit erworben – das haben andere gesichert und bezahlt.
Beweisen wir jetzt und heute und hier, dass wir aus der Geschichte gelernt haben, indem wir uns auch zum zweiten Teil des: Nie wieder Krieg! und der immerwährenden Neutralität bekennen! Das heißt, nie wieder wollen wir Gewaltherrschaft, Angriffskrieg, Massenmord zulassen, und wir sind aber auch bereit, dafür zu kämpfen und dafür auch Opfer zu bringen.
Neutralität darf nicht Neutralismus heißen, Neutralität heißt nicht – und das ist ein guter moderner Begriff – Bothsidesism. Es ist nicht immer die Wahrheit in der Mitte. Wenn es darum geht, was denn unsere Erde sei, eine Kugel oder ein Rotationsellipsoid oder eine Scheibe, so gibt es unterschiedliche Ansichten, gab es historisch unterschiedliche Ansichten; das heißt aber nicht, dass die Wahrheit in der Mitte ist. (Abg. Kickl: Naturwissenschaften und Weltpolitik sind halt auch zwei verschiedene Fälle!)
Die Tatsache, dass wir sehr stark von Russland abhängig sind, dass wir von den Gaslieferungen abhängig sind, dass auch österreichische Unternehmen abhängig sind, darf uns nicht vom richtigen Kurs abbringen. Die strategischen Fehler der Vergangenheit dürfen wir nicht damit sanieren, dass wir uns weiter in diese falsche Richtung bewegen. Unter Kaufleuten sagt man, man wirft schlechtem Geld nicht gutes Geld nach.
Heute geht es um ein ganz klares Bekenntnis. Österreich ist ein integraler Bestandteil der westlichen Welt, der westlichen Wertegemeinschaft. Unsere Solidarität gebührt heute der Ukraine und den Menschen, die dort leben. Wir beteiligen uns am Kampf gegen Aggressoren, gegen Brecher des Völkerrechts, gegen Unterdrücker der Demokratie, der Menschenrechte und der Freiheit – im Rahmen unserer heutigen Möglichkeiten, mit der vollen Beteiligung an den Sanktionen gegen Russland, mit der Gewährung größtmöglicher Unterstützung der Ukraine und deren Bevölkerung.
Herr Bundeskanzler Nehammer an der Spitze unseres Landes hat – und das möchte ich hier ausdrücklich sagen – die Herausforderungen dieser Krise der letzten Tage und Wochen mit Bravour gemeistert, zuletzt hier im Hohen Haus, gestern Abend auch in der „ZIB 2“ – großer Dank und Anerkennung dafür, vielen Dank im Namen der Republik! (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Reimon.)
Mein Appell an Sie alle: Gehen wir als Österreich diesen Weg gemeinsam weiter, kämpfen wir gemeinsam aufrecht für Frieden, Freiheit, Demokratie und das internationale
Recht, Seite an Seite mit unseren Partnern der westlichen Welt! – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Hamann.)
12.13
Präsidentin Doris Bures: Nun ist Herr Abgeordneter Robert Laimer zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter.
Abgeordneter Robert Laimer (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundeskanzler! Regierungsmitglieder! Meine Damen und Herren! Krieg ist immer die größte Niederlage der Menschheit. Nun ist die europäische Tragödie eingetreten, deren Ausmaß weder vorstellbar noch absehbar ist. Wie viele Akte diese Tragödie schreiben wird, das wird die Zukunft Europas bestimmen. Krieg bedeutet immer eine hohe Anzahl an Toten und besonders Elend für die Zivilbevölkerung. Humanitäre Hilfe ist daher selbstverständlich; analog zu den Krisen ČSSR 1968 und Ungarn 1956.
Meine Damen und Herren, aktive diplomatische Handlungen zur Deeskalation müssen oberste Priorität bleiben! Die Situation ist dramatisch, aber das nunmehr leider auch denkbare Worst-Case-Szenario, ein massiver konventioneller Krieg in Europa, muss mit allen politischen, diplomatischen und wirtschaftlichen Mitteln verhindert werden. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Reimon.) Die OSZE mit ihrem Sitz in Wien ist mit all unseren Expertisen massiv zu unterstützen. Das fordern wir seit Wochen ein.
Meine Damen und Herren, das an Frieden gewöhnte Europa steht einer anderen, leider entschlossenen Mentalität gegenüber, aber die Bundesregierung muss alles Erdenkliche tun, um von unserer Bevölkerung, der kritischen Infrastruktur sowie der heimischen Wirtschaft Schaden abzuwenden. Wir brauchen schon längst dokumentierte Notfallpläne für Blackouts sowie für Engpässe in der Energieversorgung. Unsere Kommunen brauchen die von der SPÖ geforderten Resilienzmanager. Warum passiert da nichts?
Wir brauchen kein Krisenkabinett, sondern das von der SPÖ eingemahnte, seit mehr als einem Jahr geforderte gesamtstaatliche Krisen- und Lagezentrum (Beifall bei der SPÖ), um uns stets mit aktuellen Lagebildern versorgen zu können. Seit dem furchtbaren Terroranschlag ist das eigentlich eine logische Konsequenz. Was wir nicht brauchen, sind eilig herbeihastende Ad-hoc-Teams, vielmehr brauchen wir eine robuste institutionelle gesamtstaatliche Struktur. Unser Land muss gegen äußere Bedrohungen, aber auch gegen innere Gefahren widerständig werden, 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr.
Wir brauchen aber auch Maßnahmen gegen Desinformation. Wir müssen wissen, wer versucht, uns zu manipulieren. Die aktuelle Krise zeigt, wie wichtig Vorsorge in Fragen der Sicherheit ist. Wir müssen die Mittel für das Bundesheer erhöhen, um die Bevölkerung zu schützen und schützen zu können, um politische Entscheidungsträger mit den notwendigen Informationen objektiv zu versorgen, denn spätestens im Krieg hört die Wahrheit auf – und ich verhehle nicht: die Wahrheit auf beiden Seiten.
Unsere strategische Aufklärung, das Heeres-Nachrichtenamt, kämpft seit Jahren mit Personalmangel, und nun sollen auch Prämien für diese aufopfernde Tätigkeit gekürzt werden. Das ist unverantwortlich. Während die ÖVP den Nachrichtendienst im Innenministerium munter weiter schwärzt, wird bei der militärischen Aufklärung leider gespart. Österreich muss sich seine Unabhängigkeit im Informationskrieg behalten. Wir brauchen die besten IT-Experten; Datenwahrheit wird zu einer sehr harten Währung.
Aber was bedeutet dieser Konflikt für die einfachen Arbeiter und Angestellten? Die Menschen interessieren sich oft weniger für geopolitische Machtstrukturen, die Politik muss auf Fragen reagieren. Wird der Benzinpreis noch teurer? – Ja, wird er. Die Heizkosten werden astronomisch ansteigen. Wie können die Kostenexplosionen zumindest teilweise kompensiert werden? Diesbezüglich fehlen mir aufseiten der Regierung die Entschlossenheit und leider auch die nötige Empathie.
Viele fragen sich: Verliere ich womöglich meinen Job, wenn Sanktionen verhängt werden, weil das Unternehmen nach Russland exportiert? Wird die Gasversorgung unterbrochen? Wird auch die Industrie beschädigt? Sind unsere Wirtschaftsbetriebe ausreichend geschützt? Die Regierung soll aufklären, was der Konflikt für die Bevölkerung in unserem Land bedeutet. Die Regierung soll erklären, was sie bis dato geleistet hat, um weitere Eskalationen zu verhindern. – Es war die SPÖ, die Ende Jänner den Nationalen Sicherheitsrat einfordern musste.
Herr Bundeskanzler, etablieren Sie als Regierungschef endlich ein multifunktionales, ein gesamtstaatliches Krisen- und Lagezentrum, und zwar im Bundeskanzleramt und nicht in irgendeinem Bunker im Innenministerium!
Meine Damen und Herren, es lebe die demokratische Republik Österreich und ihre immerwährende Neutralität! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)
12.19
Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Michel Reimon. – Bitte.
Abgeordneter Michel Reimon, MBA (Grüne): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Teilweise ist mir die Diskussion zu abstrakt, wenn hier über Neutralität und Solidarität mit einem Land gesprochen wird – wir reden von Menschen. Während wir hier stehen, sitzen Kinder in Kellern, wird mit Artillerie auf sie geschossen; andere Menschen sind auf der Flucht, Helikopter fliegen über sie hinweg und schießen auf sie. Davon reden wir! Und wer Neutralität so versteht, dass man keine Position bezieht betreffend Kinder, auf die geschossen wird, und jene, die auf sie schießen, der ist nicht neutral, der ist feig. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei Abgeordneten der NEOS.)
Das ist keine Neutralität. Wir sind militärisch neutral, aber zwischen Kindern und Schützen beziehen wir Position! Wir werden humanitäre Hilfe leisten, so schnell wie möglich, so konkret wie möglich – danke der Bundesregierung, dass das schon klargestellt ist –, und das muss sofort passieren, das muss in diesen Stunden losgehen.
Wir müssen aber auch grundsätzlich darüber reden. In dieser Nacht, um 6 Uhr morgens, ist die Sicherheitsordnung Europas gekippt. Das ist nicht mit Verhandlungen und vielleicht einem Waffenstillstand in ein paar Tagen wieder weg. 77 Jahre lang hat hier kein Land versucht, ein anderes zu erobern, hat es keine große Offensive gegeben. Es hat Bürgerkriege und Streit gegeben, es hat Auseinandersetzungen gegeben, wenn Länder zerbrochen sind, aber einen Invasionskrieg und einen Eroberungskrieg hat es 77 Jahre lang nicht gegeben. Wir leben jetzt in einem Europa, wo es das wieder gibt – und das verschwindet nicht mit einem Waffenstillstand.
Diese Sicherheitsordnung werden wir in den nächsten Jahren neu diskutieren müssen, und wir müssen auch auf unsere Sicherheit achten. Wir müssen lernen, dass es dort, wo autoritäre Autokraten, Diktatoren versuchen, ihre Macht auszubreiten, kein politisches Vakuum gibt. Wenn wir uns da zurückhalten, wenn wir da politisch neutral sind, dann gehen die in dieses Vakuum hinein. Demokratie muss nicht nur wehrhaft sein, Demokratie muss auch offensiv sein. Wir müssen Demokratie verbreiten, wir müssen den Rechtsstaat verbreiten, wir müssen den Frieden verbreiten, wir müssen als Demokratien darum kämpfen, dass sich unser Gesellschaftssystem, unser Wertesystem ausbreitet. Da gibt es in diesem Sinne auch keine Neutralität.
Das gilt – um auch das zu sagen – zum Beispiel auch für China. Da schaut Europa viel zu sehr weg, wenn Tibet, die Uiguren, Hongkong unterdrückt werden. Da brauchen wir dann auch nicht in drei, vier Jahren vielleicht einmal aufzuwachen und zu sagen, dass
es dort ein Problem gibt. Das sollten wir auch viel öfter und deutlicher benennen. Wir werden eine andere, eine offensivere, demokratischere internationale Politik machen müssen. Es ist gut, dass sich Österreich da auf die Seite der europäischen Partnerländer stellt. (Beifall bei Grünen, ÖVP und NEOS.)
Wir werden dabei, wenn wir das machen, nicht feig sein, und wir werden auch nicht gekauft sein. Wir haben hier eine fünfte Kolonne Putins in unserem Parlament – seit Jahren –, eine Partei, die einen Freundschaftsvertrag mit ihm hat und hatte (Abg. Kassegger: Hatte! – Zwischenruf des Abg. Kickl), eine Partei, die hingefahren ist und sich hat bejubeln lassen, wo Selfies gepostet wurden und weiß Gott was alles. – Wir werden uns das anschauen müssen. In ganz Europa haben wir diese fünfte Kolonne in unseren Parlamenten. Wir werden das aufarbeiten müssen.
Ich würde einmal darüber nachdenken, wenn dann dieser Untersuchungsausschuss vorbei ist, ob wir uns nicht im Rahmen eines Untersuchungsausschusses einmal anschauen, was Putin in diesem Parlament macht. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Kickl: Da werden Sie sich dann Ihren Koalitionspartner anschauen müssen in Sachen Wirecard! – Zwischenruf des Abg. Amesbauer.)
12.23
Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Axel Kassegger. – Bitte.
Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Ja, bevor ich mit meiner Rede beginne, muss ich ganz kurz auf den Redebeitrag des Kollegen Reimon eingehen und einmal Folgendes klarstellen: Erstens einmal – er hat es dann ohnehin richtiggestellt –, wir haben das Freundschaftsabkommen mit Putin gehabt. Zu Kollegin Meinl-Reisinger, die behauptet hat, rechte Parteien und auch die FPÖ würden von Putin finanziert werden: Das ist falsch!!! – Drei Rufzeichen. Die Freiheitliche Partei wird nicht von irgendwem aus Russland finanziert. Das bringen Sie natürlich immer gerne vor, aber das ist schlichtweg falsch. (Zwischenruf des Abg. Deimek.)
Ebenso falsch beziehungsweise dramatisch bedauernswert und schockierende Gefühle hervorrufend ist das, was momentan passiert, was heute Nacht passiert ist, was heute während des Tages passiert und was, so fürchten wir, noch passieren wird, wenn wir jetzt nicht das Richtige machen. Was ist passiert? – Es ist der nächste Schritt in einer Spirale der Eskalation, der nächste Schritt, der – und unser Klubobmann Herbert Kickl hat es schon gesagt – selbstverständlich auch für uns Freiheitliche eine absolute rote Linie ist. Niemand von uns wird jemals und hat jemals einem militärischen Angriff, der letztlich dann auch zum Verlust von Menschenleben führt, etwas Positives abgewonnen. Das ist eine ganz klare Feststellung von uns: Niemand von uns findet daran etwas Positives!
Wir sind ernsthaft besorgt darüber, dass sich diese Eskalationsspirale offenbar weiter dreht, das ist ein nächster Schritt. Ich bin noch mehr besorgt, wenn Sie vom Gespräch mit Selenskyj, dem ukrainischen Präsidenten, berichten, weil die nächste Konsequenz wäre, dass er um Unterstützung ersucht, ja, und dann kommen die Nato-Truppen – wer soll es sonst sein, die EU hat keine Truppen –, und dann haben wir wirklich ein Problem. Das ist unsere ganz große – ich sage sogar – Bitte: Das mit aller Kraft zu verhindern.
Ich habe von Ihnen, Herr Bundeskanzler, leider keinen einzigen Vorschlag gehört, wie Sie das verhindern wollen, sondern das geht eher in die Richtung: Ja, selbstverständlich werden wir da auch unterstützen, und die Nato muss eingreifen. – Also wenn wir das Szenario haben, dann haben wir Irak 2.0, dann haben wir Afghanistan 2.0, dann haben
wir Syrien und Libyen, mit all den Konsequenzen, mit Hunderttausenden Zivilisten, die dann sterben – in diesem Fall Europäern, die dann sterben.
Ich bitte Sie also inständig: Vielleicht können Sie uns noch Vorschläge machen, wie man diesen nächsten Schritt der Eskalation, der mit großer Wahrscheinlichkeit kommen wird, verhindern kann. Warum? – Weil das natürlich diametral gegen die Interessen Europas und seiner Völker ist. Die Europäer haben dann die Toten, die Europäer haben ein Land, das vermutlich im vollkommenen Chaos versinken wird.
Wenn wir uns Afghanistan und den Irak anschauen, so sind das ja faktisch alles Folgen amerikanischer Außenpolitik: jener der Vereinigten Staaten von Amerika und der – je nachdem – Koalition der Willigen, der Nato et cetera und überall. Es muss doch legitim sein, ohne dass man gleich als Feind Amerikas oder so angefeindet wird – das meine ich auch mit Ausgewogenheit, mit Neutralität im Sinne einer Äquidistanz –, es muss doch auch möglich und erlaubt sein, das, was Amerika macht, vorhat et cetera, zu kritisieren und zu sagen: Seid doch auch ihr bereit, an den Verhandlungstisch zu gehen! Seid auch ihr bereit und seid euch bewusst, dass an diesem Verhandlungstisch ein Kompromiss erzielt werden muss!
Ein Kompromiss ist immer ein Nachgeben von verschiedenen Positionen. Ich sehe keine einzige Position, bei der die USA beziehungsweise die Nato nachgegeben haben. Das ist alternativlos, alles wird abgelehnt, auch die Gespräche werden verweigert – selbstverständlich dann auch von Putin. Das ist schon ein beidseitiges Sich-Hochschaukeln, ein beidseitiges Nicht-miteinander-Reden, das letztlich zu den Konsequenzen führt, die ich vorhin beschrieben habe und die für Europa furchtbar sind.
Wenn Sie ein glühender Europäer sind, dann versuchen Sie, das mit aller Kraft zu verhindern! Wenn Sie ein glühender Europäer sind, dann stellen Sie sich die Frage: Was ist das Beste für Europa in dieser Situation? Wenn Sie ein glühender Österreicher sind, dann stellen Sie sich die Frage: Was ist das Beste für die Republik Österreich? Was ist das Beste für seine Bürger? Stellen Sie sich die Frage: Ist vielleicht das Modell der Neutralität ein geeignetes Instrument, das Beste für die Bürger und die Republik Österreich herauszuholen? – Wir sind der Meinung, ich bin der Meinung, die Freiheitliche Partei ist der Meinung: Ja, das ist das richtige Instrument, man muss es nur klug machen.
Die zweite Frage, die man sich stellen muss, ist: Ist die Europäische Union in ihrer derzeitigen Gestalt das richtige Instrument, das richtige Instrumentarium, um die Interessen der europäischen Bürger zu vertreten? – Diese Frage muss ich leider mit Nein beantworten, weil die Europäische Union in der derzeitigen Gestalt mehr oder weniger keine Rolle in diesem geopolitischen Konflikt spielt und sich, so wie es ausschaut, natürlich auch unter dem Druck – denn viele Länder der Europäischen Union sind Nato-Länder – der Nato in diesem Konflikt USA/Nato-Russland vollkommen auf die Seite von USA/Nato schlägt. Das kann nicht gutgehen.
Noch einmal: Wir sind kein Mitglied der Nato. Wir hätten da die wunderbare Möglichkeit, uns eben nicht vollkommen auf die Seite der USA und der Nato zu schlagen, sondern gemeinsam etwa mit anderen neutralen Staaten, wie es die Schweiz ist, wie es Schweden ist, wie es Irland ist, eine Plattform zu bilden und aus dieser Äquidistanz heraus eine gute Lösung zu finden, die diesen Wahnsinn, der da jetzt am Horizont steht, verhindert. (Beifall bei der FPÖ.) Sich aber einseitig auf eine Seite zu schlagen, das ist nicht der richtige Weg.
Wir wollen das Beste für Europa und für die Republik Österreich. Selbstverständlich hat jeder Krieg auch eine wirtschaftspolitische Komponente. Sie können mir bitte nicht erklären, dass Europa wirtschaftspolitisch von dieser Situation und von diesem Krieg profitiert. Genau das Gegenteil ist der Fall! Es ist doch evident, dass Sanktionen überhaupt nichts bringen. Im Gegenteil: Putin orientiert sich ja schon nach China und verkauft sein Gas dann halt an China.
Europa bringt das gar nichts – den Vereinigten Staaten und ihren Verbündeten sehr wohl. Sie haben es heute ja schon angedeutet: Da gibt es Alternativpläne. Ich nehme einmal an, die Alternativpläne für die Gasbesorgung sind Frackinggas aus Amerika und saudi-arabisches Gas, möglicherweise um einen etwas teureren Preis als jenen, zu dem wir es jetzt beziehen. Aber ich lasse mich von einer anderen Lösung positiv überraschen. Das ist meine Hypothese, das wird mit hoher Wahrscheinlichkeit eintreten.
Die Sanktionen bewirken ja auch in Russland genau das Gegenteil: Sie schaffen diesem Autokraten – das sage ich jetzt bewusst; Sie werden sich wundern, dass ich diese Diktion verwende – eine Bühne des äußeren Feindes. Ja glauben Sie, das schadet Putin? Das nützt Putin! Diese Sanktionen sind also nicht zu Ende gedacht.
Das betrifft auch die Maßnahme, das Projekt Nord Stream 2, in das Österreich über die OMV mehrere Hundert Millionen Euro investiert hat, auf Eis zu legen. Nur zur Erinnerung – Sie wissen das, aber die Leute wissen es nicht –: Die Republik Österreich, also der Steuerzahler, ist mit 30, 32 Prozent an der OMV beteiligt. Das heißt: Sie versenken jetzt mit einem Federstrich ein paar Hundert Millionen Euro, indem Sie sagen, das kommt einfach nicht, weil das geopolitisch notwendig ist.
Das sind viele, viele Dinge, die Sie nicht zu Ende gedacht haben. Ich bitte Sie also wirklich, diese Möglichkeiten, die es da gibt, um eine Lösung zu finden und die totale Katastrophe zu vermeiden, zu ergreifen. Wir sehen die Möglichkeiten eben nicht in einem vollkommen einseitigen Parteiergreifen für USA/Nato.
Ich möchte mit dem Einbringen eines Entschließungsantrages betreffend „Sicherung der österreichischen Neutralität und Wahrung des Friedens in Europa“ schließen, der sich auch mit den Sanktionen, die wir als vollkommen ungeeignet erachten, beschäftigt:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten MMMag. Dr. Axel Kassegger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Sicherung der österreichischen Neutralität und Wahrung des Friedens in Europa“
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung wird aufgefordert, eine gegenüber den USA und Russland äquidistante und neutrale Außenpolitik zu forcieren, um eine vermittelnde Position einnehmen und den Frieden in Europa wahren zu können. Die Verhängung von Sanktionen, welche in Zeiten einer rasant steigenden Inflation und von Kostenexplosionen, gerade im Energiesektor, die ohnehin schon hohen Lebenserhaltungskosten der Bürger in Österreich weiter verschärfen würden, sind abzulehnen.“
*****
Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)
12.32
Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:
Entschließungsantrag
des Abgeordneten MMMag. Dr. Axel Kassegger
und weiterer Abgeordneter
betreffend Sicherung der österreichischen Neutralität und Wahrung des Friedens in Europa
eingebracht in der 143. Sitzung des Nationalrates, XXVII. GP, am 24. Februar 2022 im Zuge der Debatte zu TOP 1, Erklärungen des Bundeskanzlers und des Vizekanzlers gemäß § 19 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Nationalrates anlässlich der aktuellen Krise zwischen Russland und der Ukraine
Österreich hat eine erfolgreiche und jahrzehntelange Tradition, in schwierigen außenpolitischen Lagen zu vermitteln und einen Beitrag zur Konfliktlösung zu leisten. Für die Sicherheitsbedenken osteuropäischer Staaten, welche jahrzehntelang dem kommunistischen Joch unterworfen waren, müssen wir ebenso Verständnis aufbringen, wie für die Sicherheitsinteressen der heutigen Russischen Föderation. Nur mit der Bereitschaft internationale Auseinandersetzungen in all ihren Facetten zu betrachten und auf einseitiges Säbelrasseln zu verzichten, kann eine die Konfliktparteien überzeugende, vermittelnde Position eingenommen werden. Die aktuelle schwarz-grüne Bundesregierung ist von solch einer Position ausgesprochen weit entfernt.
Der aufflammende Ukraine-Konflikt, sowie die Machtdemonstrationen Moskaus und Washingtons, dürfen für unser neutrales Österreich nicht zum Anlass werden, voreingenommen Partei zu ergreifen. Wir sollten uns diesbezüglich als Vermittler anbieten, um sicherzustellen, dass wir einen gleichwertigen Abstand zwischen Washington und Moskau leben. Es muss uns, als Österreicher aber auch als Europäer, klar sein, dass wir für eine Friedenslösung sowohl Moskau als auch Washington brauchen. Von den jeweiligen geostrategischen Interessen der Vereinigten Staaten von Amerika und Russlands dürfen wir uns nicht einschüchtern lassen, sondern müssen uns bemühen, eine Äquidistanz zu leben. Eine derart ausgestaltete Neutralitätspolitik ist zwingend notwendig, um einer friedlichen Konfliktlösung und der Schaffung von Stabilität den Weg zu bahnen.
Die Androhung und Durchführung von Wirtschaftssanktionen gegen Russland wird nicht nur den momentanen Konflikt keineswegs lösen, sondern vielmehr mit einem Boomerang-Effekt unsere eigene Wirtschaft und Versorgungslage treffen. Insbesondere die Unterbindung von Erdöl- und Erdgaslieferungen aus Russland nach Europa wird für den Energiesektor und die Energieversorgung der österreichischen Bevölkerung unkalkulierbare Folgen haben. Die Bemühungen der USA, diese für Europa verzwickte Situation auszunutzen, indem man sich als Retter mit teurem, durch Fracking gewonnenes Erdgas inszeniert, sind mit Argusaugen zu beobachten. Darüber hinaus sind die Initiativen der USA, nun Saudi-Arabien zur vermehrten Förderung von Erdöl zu drängen, um die antizipierten Ausfälle aufgrund des Ukraine-Konfliktes auszugleichen, voller Doppelmoral. Wo war denn der Aufschrei der internationalen Gemeinschaft, als Saudi-Arabien 2011 mit Panzern in Bahrain einmarschierte und gegen Demonstranten vorging? Als Konsequenz des ukrainisch-russischen Konfliktes darf nicht Europa als großer Verlierer zum Wohle US-amerikanischer Wirtschaftsinteressen dastehen.
In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden
Entschließungsantrag
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung wird aufgefordert, eine gegenüber den USA und Russland äquidistante und neutrale Außenpolitik zu forcieren, um eine vermittelnde Position einnehmen und den Frieden in Europa wahren zu können. Die Verhängung von Sanktionen, welche in Zeiten einer rasant steigenden Inflation und von Kostenexplosionen, gerade im Energiesektor, die ohnehin schon hohen Lebenserhaltungskosten der Bürger in Österreich weiter verschärfen würden, sind abzulehnen.“
*****
Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht daher auch mit in Verhandlung.
Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Karlheinz Kopf. – Bitte.
Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen hier im Hohen Haus! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher zu Hause vor den Bildschirmen! Wir alle stehen in diesen Stunden fassungslos, mit dem Gefühl der Ohnmacht, zutiefst betroffen vor einer Situation, die zumindest ich persönlich vor wenigen Tagen in dieser Dimension noch nicht für möglich gehalten habe. In der Vorbereitung auf heute war ich bis gestern auch noch geneigt, Putins Handeln, nämlich die Anerkennung von Luhansk und Donezk, nicht entschuldigend, aber in der Einordnung, durchaus auch schon vor dem Hintergrund der drohenden Beschickung mit russischem Militär, mit der Annexion der Krim oder mit der militärischen Präsenz Russlands in Südossetien, Abchasien oder in Transnistrien zu vergleichen und natürlich dementsprechend auch zu kritisieren. Die Situation, vor der wir heute stehen, ist natürlich noch um vieles dramatischer und schlimmer.
Ich war gestern sogar noch geneigt – der Herr Bundeskanzler hat es auch kurz angedeutet –, im Sinne einer ausgewogenen Betrachtung der Entwicklungen der letzten Jahrzehnte darauf hinzuweisen, dass es der Westen und Russland nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion gemeinsam verabsäumt haben, eine neue Sicherheitsordnung für Europa zu entwickeln und auch ernsthaft, offensiv und aktiv zu gestalten. Nur, diese Betrachtungsweise, Herr Kickl – auch wenn er nicht da ist –, ist spätestens seit heute obsolet. Sie wirkt geradezu zynisch, weil sie eine Relativierung in sich birgt, die am heutigen Tage einfach nicht angebracht ist. (Beifall bei ÖVP und NEOS sowie bei Abgeordneten der Grünen.)
Im Hinblick auf die geplanten Sanktionen wollte ich als Wirtschaftsvertreter natürlich auch auf die wirtschaftliche Dimension unserer Beziehungen zu Russland hinweisen. Das kann man nach wie vor nicht wegwischen, immerhin sind in Russland 650 österreichische Unternehmen mit Investitionen von über 4,5 Milliarden Euro aktiv, sind russische Firmen mit Investitionen in Österreich mit über 20 Milliarden Euro nach Deutschland zweitgrößter Investor. (Zwischenruf des Abg. Deimek.) Österreich exportiert, wenn auch stark rückläufig, immer noch Waren in einem Volumen von über 2 Milliarden Euro nach Russland. Am heutigen Tag ist das immer noch wichtig, auch für unsere Bevölkerung, aber es kann nicht im Vordergrund stehen.
Ich mache mir bei einer wirtschaftlichen Betrachtung am heutigen Tag selbstverständlich auch Sorgen um unser Handelsvolumen von 1,5 Milliarden Euro, um jene 200 österreichischen Unternehmen mit Niederlassungen in der Ukraine, um deren Investitionen in Höhe von 1,7 Milliarden Euro und vor allem auch um deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, aber seit heute hat diese Angelegenheit eine andere Dimension bekommen und ist anders zu bewerten, sind doch unsere schlimmsten Befürchtungen wahr geworden.
Wir sind heute mit einem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine konfrontiert, und das ist natürlich auf das Schärfste zu verurteilen. Es kann diese Aktivität Putins natürlich nicht vom Westen unbeantwortet bleiben. Politik mithilfe von Gewalt ist auf das Schärfste abzulehnen. Krieg kennt nur Verlierer, schafft menschliches Leid, erzeugt wirtschaftlichen Schaden und existenzielle Not. Wir müssen daher gemeinsam alles unternehmen, das geeignet ist, Putins Aggressionskrieg so rasch wie möglich zu beenden.
Gefordert ist daher gemeinsames Handeln des Westens, aber im Hinblick auf die geplanten Sanktionen sage ich schon dazu: Wir müssen uns, weil Sanktionen auch immer schmerzliche Rückwirkungen auf die Sanktionierer haben, in der Gestaltung dieser
Sanktionen schon auch um eine Ausgewogenheit dieser Rückwirkungen zwischen Europa und den USA bemühen.
Die österreichische und die europäische Politik ist jetzt mehrfach gefordert: in der Solidarität mit der ukrainischen Bevölkerung, in der Sicherstellung unserer eigenen Energieversorgung, in der Sicherung unserer kritischen Infrastruktur, in der Unterstützung der betroffenen Unternehmen und deren Mitarbeiter und auch in der Vermittlerrolle, die gerade einem neutralen Staat wie Österreich gut ansteht. Denn, meine Damen und Herren, geschätzte Kolleginnen und Kollegen: Über allem muss das Bemühen von uns allen stehen, Präsident Putin unverzüglich zum Niederlegen der Waffen zu bewegen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)
12.38
Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Herr Abgeordneter Helmut Brandstätter zu Wort. – Bitte, Herr Abgeordneter.
Abgeordneter Dr. Helmut Brandstätter (NEOS): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Bundesregierung! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen, liebe Zuseher! Liebe Ukrainerinnen und Ukrainer in Österreich! Ich würde Ihnen jetzt gerne etwas vorspielen – ich glaube, das ist sehr schwierig. (Der Redner nimmt sein Handy zur Hand und spielt ganz kurz eine Tonaufnahme ab.) Nur damit Sie wissen, worum es hier geht: Das ist eine Kollegin aus dem ukrainischen Parlament, Inna Sovsun – ich habe sie vor Kurzem kennengelernt –, eine junge, eine sehr starke Frau. Würden Sie ihre Stimme hören, würden Sie sehen, wie bewegend das ist: Ich bin um 4.30 Uhr in der Früh aufgewacht, weil ich Explosionen gehört habe. Dann haben wir zwei Stunden lang alle 10 Minuten Explosionen gehört. Weiter erzählt sie dann, wie schlimm das für sie ist, für ihre Familie, ihren neunjährigen Sohn.
Reden wir über die Menschen in der Ukraine und reden wir nicht nur über den Kriegsangriff, den es jetzt gibt! Seit 2014 sind 14 000 Menschen durch kriegerische Handlungen in der Ukraine gestorben.
Und weil hier von Neutralität die Rede ist: Vergessen wir nicht, diese Ukraine, die im Jahr 2014 überfallen wurde, war ein neutrales Land! Ein neutrales Land ist überfallen worden, wobei Menschen ermordet, getötet worden sind. – So viel zum Schutz durch die Neutralität.
Reden wir über den Kriegsdiktator Putin! Sie haben hoffentlich seine Reden gehört und Sie haben ihn hoffentlich auch gehört, als er heute gesagt hat: Wenn sich jemand gegen ihn stellt, wird es Konsequenzen geben, wie es die Geschichte noch nicht erlebt hat. – Das ist, meine Damen und Herren, eine unfassbare Drohung gegen uns alle, und gegen die werden wir uns alle wehren müssen.
In seiner letzten Rede hat er eine Lüge nach der anderen über die ukrainische Geschichte erzählt, nämlich dass es die Ukraine gar nicht gebe. Da muss ich Ihnen sagen, das ist das Schöne an Büchern: Dieses eine Buch widerlegt diese Lüge, dieses eine Buch. Das ist eine Autorin, die übrigens in Wien lebt, Tanja Maljartschuk, „Blauwal der Erinnerung“ (das genannte Buch in die Höhe haltend), und da geht es um einen ukrainischen Schriftsteller, es geht auch um andere Menschen aus der Ukraine, die in Wien gelebt haben. Selbstverständlich gibt es die ukrainische Nation mit allen Schwierigkeiten, die sie in ihrer Geschichte hatte.
Der Bundeskanzler hat völlig richtig darauf hingewiesen, dass wir von den vier Alliierten vom Nazifaschismus befreit wurden; es war aber nicht die russische Armee, es war die sowjetische Armee. Wenn Sie in die Geschichtsbücher schauen, werden Sie draufkommen, dass es ukrainische Soldaten waren, die an vorderster Front gekämpft haben und
die in dieser sowjetischen Armee besonders hohen Blutzoll gezahlt haben, und das nach einer Vernichtungskampagne in der Ukraine, dem sogenannten Holodomor, einer Vernichtungskampagne Stalins. Das heißt, das war Krieg durch Hunger, den Stalin dort ausgeführt hat. Das ist eine geschundene Nation, und ich glaube, wir müssen uns in jeder Weise sehr klar für diese Freunde in der Ukraine aussprechen. (Beifall bei NEOS, ÖVP und Grünen.)
Noch ein Wort zur Neutralität: Da haben manche offensichtlich nicht mitbekommen oder auch nicht mitbekommen wollen, dass sich durch den Beitritt zur Europäischen Union und durch die Verträge, die danach abgeschlossen wurden – Nizza et cetera –, natürlich Wesentliches geändert hat. Und natürlich gibt es den Artikel 23f der österreichischen Bundesverfassung, in dem ganz klar geregelt ist, dass wir uns an einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik beteiligen.
Wenn man die Drohungen des Herrn Putin hört, dann ist klar: Wir werden uns wehren müssen, wir gemeinsam und wir Europäer. Da möchte ich auch etwas ernsthaft sagen: Ich glaube nicht, dass die Nato die Lösung ist. Wenn Sie sich anschauen, was manche republikanischen Politiker im Moment sagen: Sie fühlen sich mit Putin eins, sie fühlen sich dort sehr wohl.
Ich weiß nicht, wer in zwei, vier, sechs, acht, zehn Jahren in Amerika in den Senat gewählt wird beziehungsweise wer dort Präsidentin oder Präsident sein wird. Ich möchte mich auf unsere europäischen Freundinnen und Freunde verlassen, auf unsere gemeinsame Geschichte, auf das, was nach 1945 hier in Europa aufgebaut wurde, und deswegen brauchen wir diese gemeinsame europäische Verteidigung, eine gemeinsame europäische Armee. Wenn es die Zusammenarbeit mit den Amerikanern gibt, soll mir das recht sein, aber selbstverständlich brauchen wir das Gemeinsame hier in Europa, und deswegen: Ja zu einer gemeinsamen europäischen Armee und zu einem noch stärker zusammenwachsenden Europa. (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Jakob Schwarz.)
Es sind ja nicht nur militärische Angriffe. Wir wissen, dass gerade massive Cyberangriffe auch gegen die Ukraine laufen und natürlich auch gegen andere europäische Staaten – wir in Österreich waren ja auch schon betroffen.
Das Nächste, wenn Herr Putin so massiv droht, ist: Ja, er weiß auch, wie man Terroristen einsetzt, das wissen wir aus anderen Ländern. Das heißt, wir werden uns möglicherweise auch gegen Terroranschläge wehren müssen, und auch das werden wir nur gemeinsam tun können und auch da brauchen wir die Zusammenarbeit in Europa.
Ich habe heute auch schon mit dem ukrainischen Botschafter telefoniert, der dann um 14 Uhr zu uns ins Parlament kommt, und ich hoffe, dass viele mit ihm sprechen werden. Er hat mir geschrieben und mir auch gesagt: Die freie Welt soll diesen Tag nicht vergessen und die freie Welt wird sich massiv wehren müssen, auch mit Sanktionen.
Das möchte ich auch sehr deutlich sagen: Es gibt den sogenannten Magnitsky Act, Sie kennen das. Wir müssen ganz massiv all diejenigen bestrafen, die entweder Herrn Putin unterstützen oder auch von Herrn Putin profitieren – und das sind auch Menschen in Österreich. Ich freue mich über jede Russin, jeden Russen, die in Österreich leben, hier ehrlich und anständig leben; aber die, die gemeinsam mit Putin Geld in Milliarden- und Milliarden- und Milliardenhöhe gestohlen haben – da gibt es auch ein großartiges Buch, „Putins Netz“ von Catherine Belton, lesen Sie das! –, all die, die das Geld gestohlen haben und jetzt dieses Regime, dieses Kriegsregime von Putin unterstützen, müssen wir massiv sanktionieren. Und das gilt für alle: für Herrn Wolf, auch für Herrn Schüssel übrigens, der hat bei Lukoil nichts mehr verloren, Herrn Wolfs Sberbank schließen wir bitte in Österreich, das brauchen wir nicht! (Abg. Hörl: Lass den Schüssel in Ruhe da!) Herr Kern hat sich heute aus dem Aufsichtsrat zurückgezogen, ich habe das mit großem Wohlwollen gesehen. Das alles sind Kriegsaktionen, gegen die müssen wir uns wehren,
und bitte: massive Sanktionen, denn alles andere wird er nicht verstehen! (Beifall bei den NEOS.)
In diesem Sinne: Ukraïncì našì druzì – die Ukrainer sind unsere Freunde. – Herzlichen Dank. (Beifall bei NEOS und Grünen. – Abg. Martin Graf: Haselsteiner hat auch einen antieuropäischen ...!)
12.45
Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Harald Troch. – Bitte.
Abgeordneter Dr. Harald Troch (SPÖ): Frau Präsidentin! Werte Regierungsmitglieder! Sehr geehrte Damen und Herren! Krieg ist Zerstörung, Krieg ist Töten und Morden, Krieg ist die schlimmste Form der Barbarei in unserer Zivilisation – von daher findet die SPÖ selbstverständlich klare Worte. Hier ist Russland der Aggressor, das Völkerrecht wird verletzt, die Schlussakte der KSZE, der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, wird gebrochen und die UN-Charta ist mit diesem Vorgehen der russischen Regierung verletzt und gebrochen worden.
Wenn jetzt eine weitere Eskalation eintritt, wenn der russische Präsident Putin – wie gerade – mit dem Einsatz von Atomwaffen droht, wenn sich jemand in der Ukraine einmischt, dann ist das eine weitere Form der Eskalation, die nicht hingenommen werden kann. Jetzt geht es darum, diese Eskalation in der Ukraine möglichst einzudämmen und alles daranzusetzen, dass die Völkergemeinschaft zusammensteht. Ich begrüße auch die mäßigenden Worte aus China. Nicht nur die westliche Welt, alle Länder, alle Stimmen der Vernunft haben auf den russischen Präsidenten einzuwirken, klare Zeichen zu setzen.
Ich halte Sanktionen meistens für nicht sehr effizient, aber ich stehe dazu: In dieser Situation – und das betrifft auch die Stilllegung von Nord Stream –, im Moment muss die Europäische Union eine klare Sprache finden. Frieden, Stabilität, Sicherheit: Das ist nicht nur die große Vision für Europa, das ist auch die außenpolitische Linie der SPÖ, aber Verhandlungen und Zureden ist im Moment zu wenig, man muss klare Zeichen setzen.
In dieser Situation geht es natürlich auch darum, Verantwortung für unser Land, für die Österreicher und Österreicherinnen zu zeigen. Was bedeutet die Ukrainekrise für die Österreicher und Österreicherinnen? – Da geht es natürlich um Sicherheit, viele Menschen haben Angst, sind beunruhigt. Wenn Putin mit Atomwaffen droht, ist das natürlich eine ernste, eine todernste Bedrohung, die wir nicht hinnehmen können. Es geht aber auch um die Sicherheit der Energieversorgung. In diesem Sinne darf ich einen Entschließungsantrag der SPÖ einbringen und darf das auch begründen.
Nach der ersten und der zweiten Ukrainekrise, was die Energieversorgung betrifft, die russisch-ukrainische Energiekrise und die Versorgung auch von Österreich, nach diesen Gaskonflikten hat die österreichische Regierung – die österreichische Regierung unter Bundeskanzler Werner Faymann – gehandelt und die Kapazitäten der Erdgasreservelagerung massiv ausgebaut. Allerdings: Die Speicherkapazitäten sind auf einem historischen Tiefstand. Ich habe hier eine Statistik (ein Blatt Papier mit Säulendiagrammen in die Höhe haltend) von 2019 bis 2022: Die Erdgasreserven belaufen sich auf 18 Prozent.
Die Energieministerin wäre hier drastisch aufgefordert, zu handeln. Dass die Grünen ein Problem mit fossilen Brennstoffen haben, ist klar, aber, Frau Gewessler, Sie sollten sich tatsächlich auch – und in der momentanen Situation brauchen wir noch fossile Brennstoffe – darum kümmern, dass diese Lager voll sind. Und wenn der Wirtschaftsministerin erst jetzt einfällt, dass wir uns um die Reserven kümmern und die Reserven aufstocken sollten, dann sage ich: Frau Wirtschaftsministerin von der ÖVP, wachen Sie aus Ihrem Tiefschlaf auf! (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)
Wachen Sie aus Ihrem Tiefschlaf auf! Jetzt die Erdgaslager zu füllen ist zu spät. Wir stehen in diesem Land vor einer Energiekrise. Ich darf daher einen Entschließungsantrag seitens der SPÖ einbringen:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Energieversorgung“
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie wird aufgefordert,
- rasch wirksame Maßnahmen zur Absicherung der Energieversorgung im Allgemeinen und der Erdgasversorgung im Besonderen zu ergreifen,
- auf europäischer Ebene gemeinsame Lösungen zur Absicherung der Erdgasversorgung nicht zu verhindern, sondern zu unterstützen,
- innerhalb von zwei Wochen eine Sitzung des Energielenkungsbeirats einzuberufen“.
*****
Ich ersuche um Zustimmung.
Abschließend noch Worte zur Neutralität: Jeder Schritt, der vonseiten Österreichs und der österreichischen Bundesregierung in dieser Situation gesetzt wird, muss mit der Verfassungsbestimmung betreffend die österreichische Neutralität abgestimmt sein. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der FPÖ.)
Die österreichische Neutralität ist nicht nur historische Erfahrung, Kollege Engelberg, die österreichische Neutralität hat nicht nur mit dem Zweiten Weltkrieg zu tun. Österreich hat im Jahr 1914 keine rühmliche Rolle gespielt. Der Nachkriegsgeneration an Politikern, die diese Neutralität gemeinsam mit den vier Alliierten sozusagen verhandelt und damit – im Unterschied zu Deutschland – die nationale Einheit Österreichs gerettet hat, war das Jahr 1914 sehr, sehr bewusst. Das darf es nie wieder geben. Nie wieder Krieg! Nie wieder Faschismus! Um mit einer großen, großartigen Österreicherin zu sprechen, mit Bertha von Suttner: „Die Waffen nieder!“ (Beifall bei der SPÖ.)
12.51
Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:
Unselbständiger Entschließungsantrag
der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried
Genossinnen und Genossen
betreffend Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Energieversorgung
eingebracht im Rahmen der Debatte über die Erklärungen des Bundeskanzlers und des Vizekanzlers gemäß § 19 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Nationalrates anlässlich der aktuellen Krise zwischen Russland und der Ukraine (TOP 1)
Stetiger Begleiter der Debatte um die Russland-Ukraine-Krise war und ist die Erdgasversorgung der Europäischen Union sowie auch Österreichs mit russischem Erdgas. Zwar sind die Erdölimporte der EU aus Russland in etwa gleich hoch wie die Gasimporte, aber in der öffentlichen Debatte steht vor allem die Erdgasversorgung und im Speziellen das Pipelineprojekt Nord Stream 2 im Vordergrund.
Österreich hat vor über 60 Jahre als erstes westeuropäisches Land langfristige Gaslieferverträge mit Russland abgeschlossen, die über alle politischen Krisen hinweg eingehalten wurden und im Jahr 2018 zuletzt erneuert wurden und bezieht derzeit rund 80 bis 85 Prozent der Erdgasimporte aus Russland.
Als Reaktion auf die russisch-ukrainischen Gaskonflikte der Jahre 2009 und 2014 wurden die österreichischen Erdgasspeicherkapazitäten massiv ausgebaut und auch das EU-Regelwerk stärker auf solidarische Unterstützung im Krisenfall ausgerichtet. Österreich könnte mit den derzeitigen Speicherkapazitäten in etwa den Inlandsjahresbedarf abdecken. Das allerdings unter der Voraussetzung, dass die Gasspeicher auch wirklich gefüllt sind, was aktuell nur in einem historisch niedrigen Ausmaß der Fall ist. Die österreichischen Gasspeicher sind derzeit nur zu 18 Prozent gefüllt, ein Wert der sonst nur nach einem langen kalten Winter erreicht wird.
Seitens der Bundesregierung wurde zwar wiederholt betont, dass unter normalen Bedingungen mit den derzeitigen Erdgasreserven bis zum Ende der Heizsaison das Auslangen zu finden sein sollte. So richtig glaubhaft waren diese Beteuerungen aber nicht. Konkrete Maßnahmen oder Pläne, wie eine solche Situation im nächsten Winter vermieden werden kann, sind bislang ausgeblieben. Europäische Initiativen für eine gemeinsame Erdgasbeschaffung hat die Bundesregierung bislang nicht unterstützt, sondern darauf vertraut, dass das der Markt schon irgendwie regeln wird. Die auf Grund der Klimakrise notwendige Ausrichtung hin zu einer dekarbonisierten Energieversorgung ohne fossile Energieträger ist unbestritten, dennoch sind gegenwärtig und mittelfristig Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Versorgung notwendig.
Zur Abwendung drohender Störungen der Energieversorgung sind gemäß Energielenkungsgesetz von der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Maßnahmen der Energielenkung zu ergreifen. Dabei wird sie vom Energielenkungsbeirat unterstützt, der aber über die derzeitige Situation noch nicht beraten hat. Bei Gefahr im Verzug kann der Beirat im Nachhinein informiert werden. In der aktuellen Situation wäre es aber notwendig, den Beirat rechtzeitig zu befassen.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden
Entschließungsantrag
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie wird aufgefordert,
• rasch wirksame Maßnahmen zur Absicherung der Energieversorgung im Allgemeinen und der Erdgasversorgung im Besonderen zu ergreifen,
• auf europäischer Ebene gemeinsame Lösungen zur Absicherung der Erdgasversorgung nicht zu verhindern, sondern zu unterstützen,
• innerhalb von zwei Wochen eine Sitzung des Energielenkungsbeirats einzuberufen“
*****
Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und auch ordnungsgemäß eingebracht.
Nächster Redner: Herr Abgeordneter Reinhard Eugen Bösch. – Bitte.
12.52
Abgeordneter Dr. Reinhard Eugen Bösch (FPÖ): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Dieser Krieg in der Ukraine, der seit mehreren Stunden tobt, ist von freiheitlicher Seite vollkommen abzulehnen. Unser Klubobmann und alle anderen Redner haben das schon betont, und ich tue das auch.
Wir müssen uns aber im Klaren darüber sein, dass das kein Konflikt zwischen Russland und der Ukraine ist, sondern ein Konflikt zwischen Russland und dem Westen. Der Westen wird im Wesentlichen durch die Nato repräsentiert. Es ist ganz klar, dass wir diesem Spielball Ukraine, der jetzt unter die Räder kommt, solidarisch gegenüberstehen. Das tun auch wir Freiheitlichen. Wir sind uns auch darüber im Klaren, dass wir europäische Solidarität brauchen. Wir haben schon während unserer Regierungszeit immer bedauert, dass die Europäische Union eine schwache Union ist – beginnend bei der Sicherung der EU-Außengrenze, hingehend zur Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik, die vollkommen unzureichend ist.
Wir haben dieses Sanktionsregime auf europäischer Ebene begonnen, aber wir rufen die österreichische Bundesregierung dazu auf, ihre Stärke auszuspielen, auch im Rahmen der Weiterentwicklung dieser Sanktionen. Die Stärke der österreichischen Bundesregierung, der Republik Österreich ist nicht nur die Neutralität – darauf wurde schon eingegangen –, sondern vor allem das Faktum, dass wir nicht Nato-Mitglied sind. Dieses Faktum, dass wir nicht Nato-Mitglied sind, gibt uns die Möglichkeit, weiterhin in diesem Konflikt vermittelnd tätig zu sein.
Wir sind ein Nicht-Nato-Land und ein EU-Mitgliedsland im Herzen Europas, das auf politischer Ebene wirksam tätig werden sollte. Wir sollten diese Sanktionen, die in Kraft gesetzt wurden, mit dem notwendigen wirtschaftlichen Hausverstand verfolgen, weil uns klar sein muss, dass diese Sanktionen nicht nur Russland schaden, sondern in weiterer Folge auch Europa. Dabei geht es nicht nur um die Energieversorgung, die natürlich wesentlich ist, es geht dabei auch um weitere Bereiche wie die Teuerung, die Inflation und die Situation im Bankenbereich überhaupt, die wir alle im Auge haben müssen. Deshalb halten wir Freiheitliche es auch für wichtig, dass wir die weitere Entwicklung mit dem notwendigen Fingerspitzengefühl beobachten. (Beifall bei der FPÖ.)
Wir sollten jetzt einmal davon ausgehen, dass es zu keinem totalen Krieg in Europa kommt. Ein totaler Krieg würde durch den Einsatz der Nato, durch einen Gegenangriff der Nato entstehen. Wir hoffen, dass es dazu nicht kommen wird. Dieser totale Krieg würde auch die Gefahr einer atomaren Bedrohung in sich tragen, und das kann Europa nicht dulden. Wir müssen alle Schritte setzen, um diese Bedrohung von Europa fernzuhalten. Auch in diesem Bereich, glaube ich, ist die Republik Österreich im Rahmen der Europäischen Union weiterhin gefordert. Sie kann die Guten Dienste anbieten: Sollten die Waffen schweigen, sollte die Republik eine Gesprächsebene anbieten, sie sollte anbieten, diese Kompromissebene wieder zu begehen, und klarmachen, dass man diese Konflikte in Verhandlungen wird lösen müssen. Das, glaube ich, sollte die politische Linie der Republik Österreich auf europäischer Ebene sein. Wir sollten das Ziel, die Erhaltung des Friedens in Europa, immer im Auge haben. (Beifall bei der FPÖ.)
Dieser Konflikt macht uns aber auch deutlich, dass wir große nationale Defizite im Bereich der umfassenden Landesverteidigung haben. Die umfassende Landesverteidigung besteht aus der zivilen, der geistigen, der wirtschaftlichen und der militärischen Landesverteidigung. In all diesen Bereichen hat die Republik Österreich in den letzten Jahrzehnten dramatische Defizite angehäuft. Es gibt jetzt Bemühungen vonseiten der Bundesregierung, Sicherheitsinseln einzurichten – etwas, das wir schon in unserer gemeinsamen Regierungszeit begonnen haben – und eine Miliz aufzubauen.
Wir von der FPÖ möchten das unterstützen, indem ich folgenden Entschließungsantrag einbringe:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Dr. Reinhard Eugen Bösch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Sonderinvestitionspaket für das Österreichische Bundesheer zur Sicherung der österreichischen Neutralität“
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung wird aufgefordert, zum Schutz des Landes und seiner Bürger und für den Erhalt eines neutralen Österreichs sofort ein Sonderinvestitionspaket von einer Milliarde Euro noch im Jahr 2022 für das Österreichische Bundesheer zur Finanzierung
- der notwendigen und angemessenen Modernisierung des bestehenden Panzerbataillons 14,
- der Restrukturierung des ehemaligen Panzerbataillons 33 mit Kampfpanzern,
- der notwendigen und angemessenen Modernisierung des bestehenden Schützenpanzers Ulan und
- der notwendigen und angemessenen Modernisierung und Ergänzung der Panzerabwehrlenkwaffen für eine zeitgemäße Panzerabwehr unterschiedlicher Reichweiten sowie
- von ausreichend Munition und logistischer Grundabsicherung für alle Waffensysteme des Österreichischen Bundesheeres
zur Verfügung zu stellen. Ab dem Jahr 2023 ist das jährliche Regelbudget ‚UG-14 Militärische Angelegenheiten‘ um eine Milliarde Euro zu erhöhen, um einen verfassungskonformen Zustand des Österreichischen Bundesheeres wieder herzustellen.“
*****
Danke sehr. (Beifall bei der FPÖ.)
12.58
Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:
Entschließungsantrag
des Abgeordneten Dr. Bösch
und weiterer Abgeordneter
betreffend Sonderinvestitionspaket für das Österreichische Bundesheer zur Sicherung der österreichischen Neutralität
eingebracht im Zuge der Debatte über den Tagesordnungspunkt 1, Erklärungen des Bundeskanzlers und des Vizekanzlers gemäß § 19 Absatz 2 der
Geschäftsordnung des Nationalrates anlässlich der aktuellen Krise zwischen Russland und der Ukraine in der 143. Sitzung des Nationalrates, XXVII. GP, am 24. Februar 2022
Krieg vor der Haustür
Der Standard berichtete am 21. Februar 2022 über den aktuellen Ukraine-Konflikt, dass am selben Tag der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine massiv eskaliert ist: „Der russische Präsident Wladimir Putin ordnete die Entsendung von Truppen in die Ostukraine an. Die Einheiten sollen in den von Moskau nun als unabhängige Staaten anerkannten "Volksrepubliken Luhansk und Donezk" für Frieden sorgen, wie aus einem Dekret vom Montag hervorgeht. Demnach darf Russland dort auch Militärbasen eröffnen.“
Heute, 24.02.2022, berichtet „Die Presse“ auf ihrer Homepage:
„Russland greift Ukraine an, Bodentruppen dringen vor
Russland führt Raketenangriffe auf Ziele im ganzen Land durch. Bodentruppen haben die ukrainische Grenze passiert. Die Ukraine vermeldet erste Tote. Die internationalen Reaktionen sind scharf. Die EU will neue Sanktionen beschließen.“
Wie auch die Österreichische Sicherheitsstrategie klar festhält, ist die sicherheits-politische Situation in Europa durch neue Herausforderungen, Risiken und Bedrohungen bestimmt. Zur Erinnerung: Die Entfernung von Wien zur ukrainischen Grenze ist geringer als von Wien nach Bregenz.
Der aufflammende Ukraine-Konflikt muss für die Bundesregierung ein eindringliches Warnsignal für die schnelle Wiederherstellung der Einsatzfähigkeit des Österreichischen Bundesheeres und den Fähigkeitserhalt des Kampfes der verbundenen Waffen sein.
Notwendige Fähigkeiten des Bundesheeres
Das Bundesheer ist durch die jahrzehntelange dramatische Unterfinanzierung zurzeit leider weit davon entfernt seine von der Bundes-Verfassung vorgegebene Aufgabe, die militärische Landesverteidigung, erfüllen zu können.
Dem Bericht des Bundesministers für Landesverteidigung „Unser Heer 2030“ von 2019 beinhaltet zum Zustand unseres Heeres unter anderem folgendes:
„Das ÖBH braucht eine ausreichende Anzahl an geschützten und gepanzerten Fahrzeugen, um den Auftrag zu erfüllen und das Leben der eingesetzten Soldatinnen und Soldaten nicht unnötig zu gefährden.
(…)
Damit das Bundesheer alle Aufgaben erfüllen kann, muss es folgende Fähigkeiten besitzen:
(…)
• Räume und Verkehrswege werden durch Infanterie in unterschiedlichen Ausprägungen, die Panzer- und Aufklärungstruppe, sowie Luftunterstützung, EloKa- und Cyberkräfte aufgeklärt und überwacht.
• Gegnerische Handlungsfreiheit wird durch Aufklärung, Infanterie, Artillerie-, Pionier- und Panzerkräfte, Jagdkommandokräfte, Luftunterstützung und Kampfflieger, elektronische Kampfführung (EloKa), Cyber und Militärpolizei eingeschränkt und neutralisiert.
• Alle Kräfte des ÖBH, die in engen Kontakt mit feindlichen Gruppierungen kommen, müssen über die nötige geschützte Mobilität verfügen.
• Der Angriff zur Neutralisierung des Gegners und Wiederherstellung der Souveränität wird durch Infanterie, Panzer, Luftunterstützungs- und Kampffliegerkräfte geführt und durch EloKa, PSYOPS und Artillerie unterstützt.
• Den Schutz von wichtigen Objekten gegen Bedrohungen am Boden gewährleistet die Infanterie-, die Panzer- und Aufklärungstruppe sowie die bodengebundene Luftabwehr.
• Schutz der Grenzen ist eine der Hauptaufgaben der Aufklärer, Infanterie, Panzer und der Militärpolizei.
• Präzise weitreichende Flach- und Steilfeuerunterstützung wird durch Artillerie, Flach- und Steilfeuer der Infanterie und die Kanonen der Kampfpanzer erzielt.
(…)
Dringender Investitionsbedarf
„In Anbetracht der derzeitigen Budgetentwicklung wird in den nächsten Jahren eine rote Linie überschritten werden, nämlich die der Einsatzbereitschaft. Fehlende Ressourcen gefährden nicht nur die Aufgabenerfüllung, sondern auch das Leben der
Soldatinnen und Soldaten bei ihren Einsätzen.“
(Bundespräsident Alexander Van der Bellen, 26. Oktober 2018)
Der Bericht „Unser Heer 2030“ stellt dazu fest:
Die Systeme der Fliegerabwehr erreichen ebenso ihr Lebensende wie die
Panzerabwehrlenkwaffen.
(…)
Ohne Kampfwertsteigerung der Kampfpanzer und Schützenpanzer gehen diese Fähigkeiten verloren. Die Wiederinbesitznahme eines verlorenen Staatsgebiets oder eine Neutralisierung von Gegnern mit erbeutetem Kriegsgerat wäre nur unter größtem Risiko für die eigenen Soldaten möglich.
Zusätzlich erhöht sich das Risiko für eingesetzte Kräfte durch fehlende weitrechende Feuerunterstützung sowie Panzerschutz im urbanen Kampf.
Die territoriale Integrität kann nicht wiederhergestellt werden. Die Souveränität
und die glaubwürdige Neutralität wären verloren.
(…)
Ohne Panzerabwehr mittlerer und großer Reichweite können gepanzerte oder behelfsmäßig gepanzerte Fahrzeuge nicht effektiv bekämpft werden.
Es ist kein ausreichender Schutz für Objekte sicherstellbar. Feindliche gepanzerte
Fahrzeuge werden zur erhöhten Gefährdung für die eingesetzten Kräfte.
(…)
Ohne Kampfwertsteigerung der Kampfpanzer ist keine weitreichende stoßkräftige Angriffsführung im offenen oder teilbedeckten Gelände möglich.
Verlorenes Gelände kann nicht wieder in Besitz genommen werden und das Risiko für dort eingesetzte Kräfte erhöht sich durch fehlende Feuerunterstützung. Gegnerische
gepanzerte Fahrzeuge sind nicht aktiv bekämpfbar. Die Fähigkeit geht verloren. Im Falle einer Abwehroperation ist kein Aufwuchs mehr möglich.
(…)
Ohne Kampfwertsteigerung der Schützenpanzer verliert das ÖBH die offensive Fähigkeit im offenen und teilverbauten Gelände. Das bedeutet keine infanteristische, stoßkräftige Fähigkeit unter Panzerschutz gegen feindliche Kräfte im offenen und teilverbauten Gebiet. Dies erhöht das Risiko unnötiger Verluste, es müssen weniger qualifizierte Elemente – wie beispielsweise ungepanzerte Fahrzeuge eingesetzt werden. Eine Wiederinbesitznahme verlorener Raume ist eingeschränkt. Gegnerische leicht gepanzerte Fahrzeuge sind nicht aktiv bekämpfbar. Die Fähigkeit geht verloren. Im Falle einer Abwehroperation ist ein Aufwuchs nicht mehr möglich.
INFANTERIETRUPPE / GRENADIERE
Status Quo
Derzeit gibt es im ÖBH zwei Panzergrenadierbataillone. Die Panzergrenadiere sind die infanteristischen Kampfelemente der 4. Panzergrenadierbrigade. Das Hauptgerat ist der Schützenpanzer Ulan mit einer 30mm Maschinenkanone. Der Grenadier ist mit Sturmgewehr oder Maschinengewehr ausgestattet. Zusätzlich verfügen die Grenadiere über Panzerabwehrrohre, Panzerabwehrlenkwaffen und schwere Granatwerfer.
Investitionsbedarf
Der Individualschutz inkl. Ballistischem Schutz / Stichschutz und auch ABCSchutz aller Soldaten muss auf ein zeitgemäßes Niveau gehoben werden. Eine Kampfwertsteigerung und Grundüberholung des Schützenpanzers ULAN ist zwingend erforderlich. Die Panzerabwehrkapazität (fahrzeuggebunden und tragbar) muss erhalten und erhöht werden.
PANZERTRUPPE
Status Quo
Die Panzertruppe im OBH ist durch ein Panzerbataillon abgebildet. Es stellt in der 4. Panzergrenadierbrigade die weitreichende, stoßkräftige Unterstützung sicher. Das Hauptwaffensystem ist der Kampfpanzer Leopard 2 A4 mit einer 120 mm Glattrohrkanone, welches jedoch dringend eine Kampfwertsteigerung benötigt.
Investitionsbedarf
Der Individualschutz inkl. ABC-Schutz aller Soldaten muss auf ein zeitgemäßes Niveau gehoben werden. Berge- und Transportsysteme sind zu beschaffen. Der Kampfpanzer Leopard 2A4 ist unter anderem durch Einführung optronischer Systeme und Beschaffung der Zusatzausstattung für den Kampf im urbanen Raum zu modernisieren.
Risiko
Der Verlust von Fähigkeiten im Bereich der Panzertruppe bedeutet den Wegfall der stoßkräftigen und geschützten Feuerkraft in allen Einsatzarten. Die fehlende Unterstützung beim Angriff zur Wiederinbesitznahme von urbanen Geländeteilen führt zu hohen eigenen Verlusten der Infanterie. Die Bekämpfung von geharteten oder gepanzerten Zielen ist nur eingeschränkt möglich. Die Fähigkeit, den mechanisierten Kampf zu fuhren, geht verloren. Sollte sich die Bedrohungslage verschlechtern, besteht keine Möglichkeit des Aufwuchses zur Abwehroperation gegen konventionelle Gegner.“
Zum Vergleich mit anderen Nachbarstaaten:
• Die ebenfalls neutrale Schweiz besitzt 134 Kampfpanzer Leopard, ca. 500 Schützenpanzer und über 900 Radpanzer.
https://www.vbs.admin.ch/de/vbs/zahlen-fakten/armee.html
• Das ungarische Verteidigungsministerium hat den Rüstungskonzern Rheinmetall mit der Lieferung von 218 Lynx Schützenpanzern beauftragt.“
https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/unternehmen/milliardenauftrag-ungarn-bestellt-218-panzer-von-rheinmetall-16946639.html
• Polen hat den Kauf von 250 US-Kampfpanzern vom Typ „Abrams“ angekündigt.2021
https://orf.at/stories/3221038/
• „Auf der Suche nach einem Ersatz für den Schützenpanzer BVP-2 und den Kampfpanzer T72 hat jetzt in Tschechien die nächste Stufe begonnen. Der Beschaffungsumfang wird auf bis zu 210 Schützenpanzer geschätzt. Dafür sollen 1,9 Milliarden Euro bereitgestellt werden.“
https://esut.de/2021/04/meldungen/26971/schuetzenpanzer-trio-im-wettbewerb-in-tschechien/
Warum unser Heer auch in Zukunft Panzer braucht
Franz-Stefan Gady, Senior Advisor des Austria Institut für Europa- und Sicherheitspolitik (AIES), dessen Präsident Bundesminister für Landesverteidigung außer Dienst Dr. Werner Fasslabend ist, schrieb im Februar 2020 unter dem Titel „Warum unser Heer auch in Zukunft Panzer braucht“ in der Zeitung „Die Presse“:
„(…)
Paradoxerweise aber macht gerade die Abrüstung schwerer Waffensysteme deren Einsatz und einen „konventionellen“ Schlagabtausch in den 2020er-Jahren wahrscheinlicher.
Drohnenangriffe, Cyberattacken, Desinformationskampagnen und der Einsatz von irregulären Truppen sind nämlich eine asymmetrische Antwort der „Schwachen“ – Ländern wie Russland und Iran – auf die militärische Übermacht der „Starken“. Gegner des Westens setzen auf die Entwicklung solcher Kapazitäten, um einen offenen, symmetrischen Krieg – Panzer gegen Panzer, Flugzeug gegen Flugzeug – zu vermeiden.
Sollte der Westen aber in diesen Kernkompetenzen Schwäche zeigen und sich hauptsächlich auf neue asymmetrische Bedrohungen konzentrieren, würde ein offener Konflikt wieder interessant für etwaige Gegenspieler, weil die dann denken könnten, dass sie eine symmetrische Auseinandersetzung gewinnen könnten. Denn mit Cyber- und Drohnenabwehr ist ein Panzerangriff schwer zurückzuschlagen. Gegen Panzer werden daher auch in zehn Jahren noch eigene Panzer und Panzerabwehrraketen das beste Mittel sein. Gleichzeitig werden Drohnen auch künftig enorm verwundbar bleiben.
Der Grundbaustein jeder militärischen Planung in den 2020er-Jahren muss deshalb weiter der Erhalt regulärer Streitkräfte sein. Nur wenn die militärischen Kernfähigkeiten abgesichert sind, macht es überhaupt Sinn, andere Kapazitäten aufzubauen. Schwere Waffensysteme haben also keineswegs ausgedient. So gesehen bauen Länder wie Österreich, die sich auf die Abwehr asymmetrischer Bedrohungen konzentrieren und schwere Waffensysteme vernachlässigen, ein Fass ohne Boden.
Um militärisch wirksam zu sein, benötigt man beides: reguläre Streitkräfte und Einheiten mit neuen technologischen Fähigkeiten. Nur durch ihr Zusammenwirken kann man effektiv einen potenziellen Aggressor abschrecken.
Viele Österreicher mögen das als plumpe Kriegsspielerei abtun; eine Geldverschwendung, weil die neuen Waffen wahrscheinlich nie zum Einsatz kommen. Das Ziel jeder nachhaltigen Verteidigungspolitik und Streitkräftereform ist jedoch genau das: nicht Kriegsspielen, sondern eine militärische Konfrontation durch „Abschreckung“ vermeiden. So abwegig es klingt: Investitionen in schwere Waffen erhöhen die Chance, dass diese nicht eingesetzt werden, weil sie ein größeres Abschreckungspotenzial gegenüber Aggressoren haben als andere Waffensysteme. Deshalb ist ihre Reduktion oder Abschaffung nicht ratsam und verteidigungspolitisch langfristig sogar gefährlich.“
https://www.diepresse.com/5763698/warum-unser-heer-auch-in-zukunft-panzer-braucht
Zu geringes Budget für das Bundesheer
Dem Bundesfinanzrahmengesetz 2022 ist das Budget für das Bundesheer bis 2025 zu entnehmen. Die Obergrenzen für Auszahlungen „Militärische Angelegenheiten“ sind festgelegt mit 2,7 Milliarden Euro für 2022, 2.6 Milliarden Euro für 2023, 2.6 Milliarden Euro für 2024 und 2.7 Milliarden Euro für 2025. Mit diesen Budgets sind aber die bestehenden Mängel und Fehlstände in der Ausrüstung und Bewaffnung des Bundesheeres nicht behebbar.
Dem Bericht „Unser Heer 2030“ ist dazu zu entnehmen:
„Ohne dringend notwendige Investitionen kann das BH die österreichische Bevölkerung nicht mehr schützen. Dies erfordert eine deutliche Erhöhung des Verteidigungsbudgets mit einer Balance zwischen Personal, Betrieb und Invest.
Unser ÖBH benötigt, zur Erfüllung der Schutzoperation mindestens 1% des BIPs, Für die Abwehr konventioneller Gegner würden 2% des BIPs erforderlich sein, dort liegt auch der internationale Standard.“
In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden
Entschließungsantrag
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung wird aufgefordert, zum Schutz des Landes und seiner Bürger und für den Erhalt eines neutralen Österreichs sofort ein Sonderinvestitionspaket von einer Milliarde Euro noch im Jahr 2022 für das Österreichische Bundesheer zur Finanzierung
• der notwendigen und angemessenen Modernisierung des bestehenden Panzerbataillons 14,
• der Restrukturierung des ehemaligen Panzerbataillons 33 mit Kampfpanzern,
• der notwendigen und angemessenen Modernisierung des bestehenden Schützenpanzers Ulan und
• der notwendigen und angemessenen Modernisierung und Ergänzung der Panzerabwehrlenkwaffen für eine zeitgemäße Panzerabwehr unterschiedlicher Reichweiten sowie
• von ausreichend Munition und logistischer Grundabsicherung für alle Waffensysteme des Österreichischen Bundesheeres
zur Verfügung zu stellen. Ab dem Jahr 2023 ist das jährliche Regelbudget „UG-14 Militärische Angelegenheiten“ um eine Milliarde Euro zu erhöhen, um einen verfassungskonformen Zustand des Österreichischen Bundesheeres wieder herzustellen.“
*****
Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.
Herr Abgeordneter Nikolaus Scherak, Sie gelangen zu Wort. Bitte.
Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Frau Präsidentin! Herr Vizekanzler! Frau Bundesministerin! Frau Staatssekretärin! Ich fand, was Kollege Lopatka angesprochen hat – die Rede von Putin 2007 bei der Münchner Sicherheitskonferenz – insofern sehr relevant, als es uns zeigt, dass Putin damals, vor 15 Jahren, in Wirklichkeit schon seinen Plan offengelegt hat. Wir als westliche Welt, als Europa, haben – aus meiner Sicht und jetzt ja offenkundig – nicht darauf reagiert.
Es ist ja nicht so, dass das, was heute in der Ukraine passiert ist, überraschend kommt. Wir kennen die Vorzeichen. Wir wissen, was Putin auf der Krim gemacht hat, im Donbass, in Transnistrien, Abchasien und Südossetien. Wir kennen alle diese Probleme und wir wissen, dass die Ankündigungen von drastischen Maßnahmen in einem Stufenplan, so wie es auch angesprochen wurde, offensichtlich nicht ausreichen.
Diese meiner Meinung nach oft sehr klaren, aber am Schluss doch salbungsvollen Worte werden wohl Wladimir Putin genauso wenig beeindrucken wie die Sanktionen, die es bisher gegen Russland gab, die teilweise angekündigt wurden und die jetzt noch diskutiert werden. Sie werden höchstwahrscheinlich nicht ausreichen. Ich bin überzeugt davon, dass wir noch viel schärfere Sanktionen setzen müssen.
Es ist uns in dem Zusammenhang natürlich auch bewusst – das ist auch schon angesprochen worden –, dass sich diese Sanktionen grundsätzlich nicht gegen das russische Volk richten dürfen, sondern gegen den Aggressor Putin. Es wird aber wahrscheinlich auch die Notwendigkeit geben, Sanktionen zu implementieren, die wahrscheinlich und leider Gottes dann auch das russische Volk treffen, weil uns keine anderen Möglichkeiten mehr zur Verfügung stehen.
Ich glaube, wir können heute hier als Parlament Klarheit schaffen und ein klares Zeichen setzen, um zu zeigen, was unsere Vorstellung ist und wie weit Sanktionen unserer Meinung nach gehen sollten. Frau Kollegin Ernst-Dziedzic hat angesprochen, sie würde gerne hier, aus dem Parlament heraus, Klarheit haben. Ich glaube, wir können diese Klarheit schaffen und über die salbungsvollen Worte hinaus heute hier als Parlament etwas beschließen.
Deswegen bringe ich folgenden Entschließungsantrag ein:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Ganzheitliche Sanktionen gegen Russlands Angriffskrieg“
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die österreichische Bundesregierung wird aufgefordert, die Vermögen von sanktionierten Personen in Österreich unverzüglich einzufrieren und sich für eine Überarbeitung und Erweiterung der Sanktionsliste mit Hinblick auf die jüngsten Ereignisse einzusetzen.
Auf europäischer Ebene möge die Bundesregierung sich für die sofortige Verhängung aller diskutierten Sanktionen, wie die Abtrennung Russlands vom internationalen Zahlungsverkehr und einen vollständigen Exportstopp für technologische Güter, einsetzen.
Weiters sollen bis zum vollständigen Abzug russischer Truppen aus dem gesamten ukrainischen Staatsgebiet keine internationalen wirtschaftlichen, wissenschaftlichen,
kulturellen und sportlichen Großveranstaltungen in Russland abgehalten werden, sowie der Ausschluss russischer Teilnehmer bei derartigen Veranstaltungen im Ausland geprüft werden.
Alle derartigen Sanktionen mögen auf andere Staaten ausgedehnt werden, die Russland in diesem Angriffskrieg aktiv unterstützen.“
*****
Mir ist bewusst, dass das sehr weitreichende Forderungen sind, aber ich glaube, wir haben als westliche Welt und auch als Österreich keine andere Chance mehr.
Herr Klubobmann Kickl, Sie haben hier in Ihrer Rede davon gesprochen, dass es eine Einseitigkeit in den Handlungen der österreichischen Bundesregierung gibt, und auch immer wieder die Neutralität strapaziert. Ich glaube, Kollege Engelberg hat sowohl Ihnen als auch Kollegen Troch sehr eindrucksvoll gezeigt, wie falsch Neutralität verstanden werden kann.
Die Neutralität war nach dem Zweiten Weltkrieg ein notwendiges Mittel, aber es ist doch absurd, im 21. Jahrhundert zu glauben, dass man mit Ideen, die ewig alt sind, in einer vollkommen veränderten Welt weiterhin die Möglichkeit hat, das Auslangen zu finden.
Herr Klubobmann, ich sage Ihnen noch etwas. Sie haben wörtlich gesagt – und das hat mich einigermaßen entsetzt –: Alles, was in Russland im Argen liegt, kann man parallel auf die USA verschieben. Herr Klubobmann Kickl, wenn man die USA im gleichen Atemzug nennt wie Russland und sagt, man kann alles parallel verschieben, dann sage ich Ihnen eines: Russland ist ein autokratisch geführtes Land, die USA sind eine Demokratie. In Russland werden Journalistinnen und Journalisten weggesperrt, in den USA nicht. In Russland werden politische Gegner ins Gefängnis geworfen – Alexei Nawalny sitzt seit mehr als einem Jahr im Gefängnis (Zwischenruf des Abg. Deimek) –, in den USA nicht. (Zwischenruf des Abg. Kassegger.) Die USA in dem Zusammenhang mit Russland im gleichen Atemzug zu nennen (Abg. Martin Graf: Guantánamo! – Zwischenruf des Abg. Kickl), ist absurd und entbehrt jeglicher Grundlage. (Beifall bei NEOS, ÖVP und Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Deimek.)
Man kann in der Frage, die wir heute diskutieren, nur auf einer Seite stehen, und das ist die Seite der Freiheit, das ist die Seite des Rechtsstaats, das ist die Seite der Demokratie (Abg. Deimek: Also Guantánamo ist Demokratie?!), und das ist in diesem Fall auf der Seite der Ukraine. (Beifall bei NEOS, ÖVP und Grünen.)
13.03
Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Dr. Helmut Brandstätter, Dr. Nikolaus Scherak, Kolleginnen und Kollegen
betreffend Ganzheitliche Sanktionen gegen Russlands Angriffskrieg
eingebracht im Zuge der Debatte in der 143. Sitzung des Nationalrats über die Erklärung des Bundeskanzlers und des Vizekanzlers gem. § 19 Abs. 2 GOG-NR anlässlich der aktuellen Krise zwischen Russland und der Ukraine samt Debatte - Top 1
In der Nacht vom 23. zum 24 Februar hat Russland die Ukraine auf breiter Front mit massiver militärischer Gewalt angegriffen. Obgleich dieser Überfall nur eine weitere Etappe in einer Serie von unprovozierten Völkerrechtsverletzungen beginnend mit der
Invasion der Halbinsel Krim 2014 darstellt, so repräsentiert sie doch eine neue Dimension in diesem Konflikt. Russland führt nun einen unverschleierten Krieg gegen ein völkerrechtlich – und bis vor kurzem auch von Russland – anerkanntes Nachbarland.
Um eine endlose Kriegssituation sowie die Möglichkeit, jederzeit weitere Aggressionen anderswo setzen zu können, zu verhindern, verlangt die neue Situation dringlichst eine neue Positionierung der internationalen Gemeinschaft.
Bis zur heutigen Eskalation waren stufenweise Sanktionen sinnvoll. Seit heute gilt es, die härtestmöglichen Sanktionen vollinhaltlich zu verhängen und in zukünftiger Diplomatie russisches Verhalten mit schrittweiser Erleichterung abzutauschen.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden
Entschließungsantrag
Der Nationalrat wolle beschließen:
"Die österreichische Bundesregierung wird aufgefordert, die Vermögen von sanktionierten Personen in Österreich unverzüglich einzufrieren und sich für eine Überarbeitung und Erweiterung der Sanktionsliste mit Hinblick auf die jüngsten Ereignisse einzusetzen.
Auf europäischer Ebene möge die Bundesregierung sich für die sofortige Verhängung aller diskutierten Sanktionen, wie die Abtrennung Russlands vom internationalen Zahlungsverkehr und einen vollständigen Exportstopp für technologische Güter, einsetzen.
Weiters sollen bis zum vollständigen Abzug russischer Truppen aus dem gesamten ukrainischen Staatsgebiet keine internationalen wirtschaftlichen, wissenschaftlichen, kulturellen und sportlichen Großveranstaltungen in Russland abgehalten werden, sowie der Ausschluss russischer Teilnehmer bei derartigen Veranstaltungen im Ausland geprüft werden.
Alle derartigen Sanktionen mögen auf andere Staaten ausgedehnt werden, die Russland in diesem Angriffskrieg aktiv unterstützen."
*****
Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und wird daher auch jetzt im Anschluss zur Abstimmung gebracht werden.
Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.
Bevor ich zu den Abstimmungen komme, frage ich die Fraktionen, ob wir gleich mit der Abstimmung fortfahren können. – Gut, dann gehe ich auch so vor.
Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Lopatka, Pamela Rendi-Wagner, Ewa Ernst-Dziedzic, Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Unterstützung der Ukraine in der aktuellen Krise“.
Wer sich für diesen Entschließungsantrag ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen. – Der Entschließungsantrag ist mit Mehrheit angenommen. (237/E)
Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Axel Kassegger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Sicherung der österreichischen Neutralität und Wahrung des Friedens in Europa“.
Wer für diesen Entschließungsantrag ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.
Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Energieversorgung“.
Wer sich für diesen Entschließungsantrag ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.
Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Reinhard Eugen Bösch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Sonderinvestitionspaket für das Österreichische Bundesheer zur Sicherung der österreichischen Neutralität“.
Wer spricht sich dafür aus? – Das ist die Minderheit, abgelehnt.
Schließlich gelangen wir zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Ganzheitliche Sanktionen gegen Russlands Angriffskrieg“.
Wer spricht sich für diesen Entschließungsantrag aus? – Das ist die Minderheit, abgelehnt.
Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 1971/A der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das COVID-19-Zweckzuschussgesetz geändert wird (1350 d.B.)
3. Punkt
Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 2063/A der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 geändert wird (1353 d.B.)
4. Punkt
Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 1933/A(E) der Abgeordneten Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen betreffend kein Verschenken von Medizinprodukten und Arzneimitteln im Rahmen der Corona-Maßnahmen an das Ausland (1356 d.B.)
Präsidentin Doris Bures: Damit fahren wir nun in der Tagesordnung fort und kommen zu den Punkten 2 bis 4, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.
Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.
Ich begrüße Herrn Bundesminister Wolfgang Mückstein im Hohen Haus und erteile dem ersten Redner, Herrn Abgeordneten Philipp Kucher, gleich das Wort. – Bitte, Herr Abgeordneter.
Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute in der vorherigen Debatte sehr viel über Respekt und den Umgang miteinander diskutiert.
Umso bemerkenswerter war eine Aussendung des ÖVP-Klubobmanns Wöginger, der dann in einem Rundumschlag auf einmal alle Oppositionsparteien hier im Haus dafür verantwortlich gemacht hat, dass im Bereich der Durchimpfungsrate und der Anreize für Gemeinden nichts weitergeht. Er hat behauptet, damit man in Österreich Anreize über die Gemeinden setzen könne, brauche es eine Änderung der Verfassung. Davon war er wirklich überzeugt: Es sei in Österreich unmöglich, Gesetze ordentlich auf den Weg zu bringen, ohne dass die Verfassung geändert wird.
Wir haben diesen Punkt im Gesundheitsausschuss diskutiert. Es sind in Wahrheit, glaube ich, ohnehin alle einer Meinung, dass sich August Wöginger da irrt. Die Frage ist jedoch: Ist das ein Umgang miteinander, dass auf der einen Seite alles, was die Regierung angreift, irgendwo zwischen Chaos, Scheitern und Stümperhaftigkeit endet und dass sie sich auf der anderen Seite nicht überlegt, wie man die Sachen ordentlich auf Schiene bringen kann, wie man endlich ein gutes Krisenmanagement machen kann?
Das Einzige, was man zustande bringt, ist, dass man mitten in einer politischen Debatte in Presseaussendungen Märchen erzählt und behauptet, wir brauchen Verfassungsänderungen, weil es sonst nicht geht, dass man positive Impfanreize setzt. Wir haben doch in den letzten Tagen auch erlebt, dass es eben nicht möglich war, die Menschen mitzunehmen!
Im Rahmen der Impfpflicht hat der Gesundheitsminister sich bereit erklärt und gesagt: Der wichtigste erste Schritt wird sein, dass man Menschen informiert. – Ihr alle werdet in den letzten Tagen dieses zweiseitige Schreiben des Gesundheitsministers – der Bundesregierung, ich muss mich korrigieren – bekommen haben. Das hat den Charme eines Amtsdeutsch der Sechzigerjahre versprüht. Ich bin überzeugt davon, dass ein Herbert Kickl, wenn er diese zwei Seiten durchgelesen hat, überhaupt keine Angst mehr vor der Coronaimpfung hat und davon überzeugt ist, dass Ivermectin vielleicht doch nicht so hilfreich ist. – Genau diese Fragen sind natürlich weiterhin offengeblieben.
Herr Bundesminister, ich mache Sie nicht persönlich dafür verantwortlich, aber es muss doch wohl irgendwann einmal nach zwei Jahren möglich sein – Sie haben doch auch im Gesundheitsministerium so tolle Leute –, dass man zumindest ein Informationsschreiben so aufsetzt, dass man auch Ängste nimmt und die Leute mitnimmt.
Auf der anderen Seite funktionieren auch die Gemeindepakete nicht, die Förderungen funktionieren nicht – aber nicht einmal ein Informationsschreiben schafft man in der heutigen Zeit, in dem man eine Grafik einfügt und die wildesten Verschwörungstheorien irgendwie aufgreift. Wir diskutieren ja seit zwei Jahren darüber. Ich erwarte ja nicht, Herr Bundesminister, dass Sie sich selber zum Computer setzen und das Ganze layouten, aber ihr gebt Millionen aus, für jeden Käse habt ihr Geld, aber nicht einmal ein einfaches Schreiben wird dann zustande gebracht und funktioniert. (Beifall bei der SPÖ.)
Weil wir gerade bei Dingen sind, die nicht funktionieren: Es ist schon wirklich erstaunlich – wir wissen in Österreich alle, dass wir ein ordentliches Problem mit der Teststrategie haben, und natürlich wissen wir auch, dass bei einem Abflachen der Infektionskurve auch das Testen - - (Abg. Loacker: Es gibt keine Teststrategie, das ist blindes Herumtesten!) – Danke, lieber Kollege Loacker. Blindes Herumtesten – auch etwas, das der Herr Bundesminister österreichweit vorgeben könnte: eine zentral koordinierte österreichweite Teststrategie.
Der Punkt ist nur: In Wien rücken deutsche Fernsehsender mit Kamerateams an und machen Reportagen und sind auf einmal ganz fasziniert, wie es möglich ist, dass man in Wien ein flächendeckendes Testsystem auf die Beine stellt. Sie berichten darüber und fragen sich, wie denn das sein kann, dass so ein Test in Wien weniger als 6 Euro kostet und man in Deutschland dafür 90 Euro zahlt. Sie sind begeistert, was in Österreich möglich war, was in Wien Wirtschaftskammer und Stadt Wien gemeinsam auf die Beine gestellt haben. Und die einzige Antwort der Bundesregierung ist dann: Das brauchen wir nicht mehr, das schlagen wir kurz und klein. Also auf der einen Seite endet alles, was die Regierung angreift, im Chaos, und auf der anderen Seite ist man bei den Sachen, die gut funktionieren, rasch mit dabei und möchte das auch noch kurz und klein schlagen. Das ist kein Krisenmanagement.
Ich darf das noch einmal kurz darstellen: Beim Impfen geht nichts weiter, dabei, den Menschen die Angst zu nehmen, geht nichts weiter, bei der Information geht nichts
weiter, und den einzigen Bereich, der wirklich gut funktioniert, den macht man kaputt; und im nächsten Herbst wird man sich wundern, dass man wieder völlig verzweifelt dasteht, wieder einmal von der nächsten Welle überrascht worden ist, nicht vorbereitet war. Das ist keine ordentliche Politik. Vielleicht kann jemand in der ÖVP so nett sein und das dem geschätzten Herrn Klubobmann Wöginger ausrichten; vielleicht schaffe ich es sonst auch noch mit ihm bilateral. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)
13.11
Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Ralph Schallmeiner. – Bitte.
Abgeordneter Ralph Schallmeiner (Grüne): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren zu Hause vor den Bildschirmen! Ich möchte vorneweg, weil es mir einfach ein persönliches Anliegen ist, die Gelegenheit nutzen, um das ein für alle Mal für all die österreichischen Putin-Versteherinnen und -Versteher da draußen klarzustellen: Wer ein anderes Land angreift, ist ein Aggressor – Punkt. Das klarzustellen ist mir persönlich ein Anliegen.
Kommen wir zum eigentlichen Tagesordnungspunkt, zu dem Kollege Kucher ja die Debatte begonnen hat, dann aber schon über den nächsten Tagesordnungspunkt gesprochen hat und nicht über das, worum es geht. (Zwischenruf des Abg. Kucher.) Ich möchte aber trotzdem kurz Stellung zu dem nehmen, was Kollege Kucher gerade gesagt hat. Ich weiß nicht, mir kommt es immer ein bisschen schizophren vor, wenn sich Kollege Kucher hier herausstellt und uns erklärt, dass in Wien alles funktioniert, aber über Kärnten, über sein eigenes Heimatbundesland, redet er nicht, oder eben über das Burgenland, wo man es sich offensichtlich nicht abgeschaut hat. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Kollege Kucher redet immer alles schlecht und tut immer so, als ob in diesem Land nichts funktionieren würde (Abg. Belakowitsch: Da hat er aber eh recht!), als ob wir alle miteinander sozusagen in Mordor leben würden, alle darben würden und angeblich auch nichts funktionieren würde. – Also ganz so ist es auch nicht.
Was stimmt? – Da bin ich hundertprozentig dabei, ein Funkerl Wahrheit ist ja immer drinnen: Wien hat das Testsystem sehr, sehr gut aufgesetzt. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Die anderen Bundesländer hätten sich da durchaus eine Scheibe abschneiden können, auch die anderen von der SPÖ regierten Bundesländer, auch die Bundesländer, in denen man das Ganze in Koalition mit anderen Parteien verantwortet. (Zwischenruf des Abg. Kucher.) Es ist ja nicht so, dass die SPÖ nur in Wien etwas zu sagen hätte, sondern in anderen Bundesländern ja auch. Wir sind das aber gewohnt. (Beifall bei den Grünen.)
Kommen wir zum eigentlichen Thema dieses Tagesordnungspunkts. Das eine ist eine Reihe von Fristverlängerungen, bei denen es eben um die Kostenersätze für Teststraßen, für die Mehraufwände im Rettungswesen geht, bei denen es eben zum Beispiel um 1450 geht, bei denen es darum geht, dass wir weiterhin Impfstraßen und Impfstellen durchfinanzieren. Genauso verlängern wir aber auch das Test- und Screeningprogramm, weil es eben keine Vorwegnahme gibt. Ich finde es ja spannend, wenn sich Kollege Kucher hier herausstellt und uns jetzt schon erklärt, wie das Test- und Screeningprogramm in Zukunft funktionieren wird, denn, ganz offen und ehrlich gesagt: Das ist noch nicht entschieden. Dass es weiterhin ein Test- und Screeningprogramm geben wird, ist vom Herrn Bundesminister schon das eine oder andere Mal erklärt worden, dass es an die jeweilige epidemiologische Situation angepasst wird, haben wir auch oft genug gehört. Also hier etwas zu behaupten, ist ein Schauen in die Kristallkugel, und das ist aus meiner Sicht unseriös.
Was ich schon auch noch machen möchte, ist, einen Abänderungsantrag zu Tagesordnungspunkt 3 einzubringen, in dem es eben um die Klarstellung bei den Einreisebestimmungen im Zusammenhang mit der Pandemie geht, und das andere ist eine
Abänderung zur Frage von Vergütungen und zu Verdienstentgängen bei Absonderungen, wozu es ein VwGH-Urteil gegeben hat, das in den Gesetzen noch entsprechend Niederschlag finden muss. Dieser Antrag der Abgeordneten Schallmeiner und Gabriela Schwarz ist, so zumindest mein Wissensstand, in der Zwischenzeit verteilt worden oder wird schon verteilt; ich möchte ihn hiemit einbringen.
In diesem Sinn: Es ist nicht immer alles ganz so negativ, wie es Kollege Kucher darstellt. Ich weiß schon, das ist das Geschäft der Opposition, das gehört halt dazu, aber ab und zu auch vor der eigenen Haustür zu kehren – das habe ich dir schon öfters gesagt (Zwischenruf des Abg. Kucher – weitere Zwischenrufe bei der SPÖ) – würde auch dir gut zu Gesicht stehen und würde auch der Sozialdemokratie gut zu Gesicht stehen. Ich glaube, dann kommen wir gemeinsam viel besser durch diese Pandemie. In diesem Sinn: Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)
13.15
Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:
Abänderungsantrag
der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen,
zum Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 2063/A der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 geändert wird (1353 d.B.) (TOP 3)
Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:
Der eingangs genannte Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:
a) Die Novellierungsanordnungen 2 bis 4 erhalten die Bezeichnungen „3.“ bis „5.“; folgende Z 2 wird vorangestellt:
„2. Nach § 25a wird folgender § 25b eingefügt:
‚§ 25b. (1) In einer Anordnung nach § 25 kann geregelt werden, dass die für die Grenzübertrittsstelle und die für den Wohnsitz oder Aufenthalt örtlich zuständige Bezirksverwaltungsbehörde als Gesundheitsbehörde sowie Beförderungsunternehmen, die Personen aus Staaten oder Gebieten mit Vorkommen von COVID-19 in das Bundesgebiet befördern, berechtigt sind, die in Abs. 2 genannten Daten zu kontrollieren.
(2) Daten gemäß Abs. 1 sind:
1. Daten gemäß § 25a Abs. 2,
2. Nachweis über eine lediglich geringe epidemiologische Gefahr gemäß § 25 Abs. 3 Z 1 lit. b,
3. Staatsbürgerschaft,
4. Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt,
5. Lichtbildausweis gemäß § 5 des Amtssitzgesetzes, BGBl. I Nr. 54/2021, in der jeweils geltenden Fassung,
6. Aufenthaltsberechtigung, Aufenthaltstitel oder Dokumentation des Aufenthaltsrechts nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, BGBl. I Nr. 100/2005, in der jeweils geltenden Fassung, oder dem Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, in der jeweils geltenden Fassung, die zum Aufenthalt in Österreich berechtigen,
7. Bestätigung über die Antragstellung gemäß Art. 18 Abs. 1 des Abkommens über den Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft, ABl. L Nr. 29 vom 31.01.2020 S 7 (Austrittsabkommen),
8. Nachweis über die Eigenschaft als Personal diplomatischer Missionen oder konsularischer Vertretungen,
9. Nachweis über ein Anstellungsverhältnis bei einer internationalen Organisation,
10. Nachweis über ein Dienstverhältnis zu einer inländischen Gebietskörperschaft oder einer inländischen Körperschaft öffentlichen Rechts, wobei der Dienstort im Ausland liegt oder die Dienstverrichtung im Ausland erfolgt, soweit die Tätigkeit dieser Körperschaft im Ausland im Interesse der Republik Österreich liegt,
11. Nachweis über die Inanspruchnahme medizinischer Behandlungen,
12. Nachweis über das Vorliegen von Ausnahmen von Verkehrsbeschränkungen gemäß § 25, sofern sie nicht von den Z 3 bis 11 erfasst sind.
(3) Das jeweilige Beförderungsunternehmen kann verpflichtet werden, sicherzustellen, dass die ihm gemäß Abs. 2 Z 1 bis 11 bekannt gegebenen personenbezogenen Daten an die für die Grenzübertrittsstelle örtlich zuständige Bezirksverwaltungsbehörde übermittelt werden. Diese hat die Daten unverzüglich an die für den Wohnsitz oder Aufenthalt zuständige Bezirksverwaltungsbehörde zu übermitteln. Die Übermittlung hat jeweils unter Einhaltung geeigneter Datensicherheitsmaßnahmen gemäß Art. 32 DSGVO, insbesondere in Form von Verschwiegenheitspflichten, Informationsverpflichtungen sowie Weiterverarbeitungsverboten, zu erfolgen. Bei elektronischer Übermittlung ist das Originalformular nach derselben zu vernichten.
(4) Das Beförderungsunternehmen bzw. die für die Grenzübertrittsstelle örtlich zuständige Bezirksverwaltungsbehörde hat die bekannt gegebenen Daten spätestens nach Ablauf von 28 Tagen nach Übermittlung an die zuständige Bezirksverwaltungsbehörde zu löschen.
(5) Hinsichtlich des Zwecks, der Verarbeitung, Speicherung und Löschung der Daten sowie der datenschutzrechtlichen Verantwortlichkeit gilt § 25a Abs. 5 bis 7 sinngemäß, wobei datenschutzrechtlich Verantwortlicher gemäß Art. 4 Z 7 DSGVO das Beförderungsunternehmen in Bezug auf die von diesem erhobenen Daten ist.‘“
b) Die Novellierungsanordnung Z 4 lautet:
„4. Dem § 49 werden folgende Abs. 4 bis 6 angefügt:
‚(4) Ein bei der örtlich unzuständigen Behörde fristgerecht eingebrachter Antrag auf Vergütung des Verdienstentganges gemäß § 32, der aus einem in der Sphäre der Behörde liegenden Umstand nicht innerhalb der Frist gemäß Abs. 1 und 2 bei der örtlich zuständigen Behörde eingelangt ist (§ 6 Abs. 1 AVG), gilt als rechtzeitig eingebracht.
(5) Fristgerecht eingebrachte Anträge auf Vergütung des Verdienstentganges gemäß § 32 dürfen während eines anhängigen Verfahrens auch nach Ablauf der Frist gemäß Abs. 1 und 2 zur Geltendmachung von Ansprüchen auf Grundlage einer nach § 32 Abs. 6 erlassenen Verordnung der Höhe nach ausgedehnt werden.
(6) Der Anspruch auf Vergütung von Sonderzahlungen (13. und 14. Monatsbezug) gemäß § 32 Abs. 3, der sich auf bis 30.09.2021 aufgehobene behördliche Maßnahmen bezieht, kann unbeschadet bereits eingetretener Rechtskraft bis 30.09.2022 geltend gemacht werden.‘“
c) Die Novellierungsanordnung Z 5 lautet:
„5. Dem § 50 wird folgender Abs. 29 angefügt:
‚(29) § 5a Abs. 1a, § 25b, § 36 Abs. 1 lit. a sowie § 49 Abs. 4 bis 6 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xx/2022 treten mit dem der Kundmachung folgenden Tag in Kraft. § 49 Abs. 4 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xx/2022 ist nur auf
Fälle anzuwenden, in denen die Antragstellung vor dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xx/2022 erfolgt ist.‘“
Begründung
Zu a) (§ 25b):
Zu § 25b:
Ziel dieser Bestimmung ist die Schaffung einer gesetzlichen Grundlage iSd Art. 6 Abs. 1 lit. e iVm Abs. 2 und 3 DSGVO für die Verarbeitung personenbezogener Daten durch Beförderungsunternehmen und Behörden. Dies im Hinblick auf die geplante Implementierung von Vorabkontrollen durch Beförderungsunternehmen, welche die Daten anschließend an die zuständigen Bezirksverwaltungsbehörden übermitteln sollen. Fachlich wird die Vorabkontrolle als effektives Mittel zur Eindämmung bzw. Verhinderung der Weiterverbreitung von SARS-CoV-2 eingestuft. Darüber hinaus soll durch die Möglichkeit der Vorverlagerung der Kontrollen eine Erleichterung für den Vollzug an der jeweiligen Grenzübertrittsstelle geschaffen werden.
Ist in einer Verordnung nach den §§ 16, 25 und 25a des Epidemiegesetzes 1950 („Besondere Meldevorschriften“, „Verkehrsbeschränkungen gegenüber dem Ausland“) vorgesehen, dass bei der Einreise in das Bundesgebiet die in Abs. 2 dieser Bestimmung genannten Daten zu kontrollieren sind, stellt Abs. 1 die Rechtsgrundlage für die Kontrolle durch die Beförderungsunternehmen und die zuständigen Bezirksverwaltungsbehörden dar. Abs. 3 bildet die Rechtsgrundlage für die Übermittlung der Daten an die für die Grenzübertrittsstelle und die für den Wohnsitz oder Aufenthalt örtlich zuständige Bezirksverwaltungsbehörde als Gesundheitsbehörde.
Die in Abs. 2 abschließend genannten Datenkategorien umfassen einerseits die an die Bezirksverwaltungsbehörden zu übermittelnden Daten (Z 1 bis 11) und andererseits die in Z 12 glaubhaft zu machenden Ausnahmegründe von Verkehrsbeschränkungen gemäß § 25. Bei diesen handelt es sich etwa um die Gründe der Aufrechterhaltung des Güter- und Personenverkehrs, einer Einreise im zwingenden Interesse der Republik Österreich oder die Durchreise durch Österreich ohne Zwischenstopp.
Die Daten dienen ausschließlich der Information der Bezirksverwaltungsbehörden zur Kenntnis der in ihrem Gebiet aufhältigen Personen, um die in einer Verordnung nach § 25 vorgesehenen Maßnahmen (insbesondere eine allfällige Quarantäne) überprüfen zu können, sowie dem Zweck der Kontaktpersonennachverfolgung (§ 5) im Zusammenhang mit SARS-CoV-2.
Die Zeit der Speicherung wird mit 28 Tagen limitiert. Eine längere Speicherung ist aus fachlicher Sicht nicht erforderlich. Nach diesem Zeitraum sind diese Daten – unabhängig davon, ob sie auf digitalem oder analogem Weg übermittelt wurden – zu löschen. Klargestellt wird auch, dass diese Daten von den Bezirksverwaltungsbehörden nur zu den genannten Zwecken verwendet werden dürfen.
Zu b) (§ 49 Abs. 4 bis 6):
Zu § 49 Abs. 4:
Mit dieser Bestimmung wird vorgesehen, dass für den Fall, dass Anträge auf Vergütung von Verdienstentgang im Zusammenhang mit SARS-CoV-2, die zwar fristgerecht, aber bei der örtlichen unzuständigen Behörde eingebracht wurden und auf Grund eines in der Sphäre der Behörde liegenden Umstandes nicht innerhalb der Fristen nach § 49 Abs. 1 und 2 EpiG gemäß § 6 Abs. 1 AVG weitergeleitet wurden, nicht abzuweisen sind, sondern als fristgerecht eingebracht gelten.
Zu § 49 Abs. 6:
Bezirksverwaltungsbehörden haben in der Vergangenheit bei der Vergütung des Verdienstentganges (aliquote) Sonderzahlungen nur dann erstattet, wenn diese während der Quarantäne des Arbeitnehmers tatsächlich ausbezahlt wurden. Antragsteller wurden von den Bezirksverwaltungsbehörden oftmals schon bei der Antragstellung zur Ausklammerung von (aliquoten) Sonderzahlungen angeleitet oder unter Hinweis auf die dargestellte Praxis zur Einschränkung eines bereits eingebrachten Antrages bewegt.
Mit Erkenntnis vom 24.6.2021, Ra 2021/09/0094, hat der VwGH klargestellt, dass die Vergütung des Verdienstentganges grundsätzlich auch (aliquote) Sonderzahlungen unabhängig davon einschließt, ob die Sonderzahlungen während des Zeitraums der Quarantäne ausbezahlt werden.
Zur Vermeidung von unsachlichen Differenzierungen unter den Betroffenen wird hinsichtlich von bis 30.09.2021 aufgehobenen behördlichen Maßnahmen eine Geltendmachung von zum Verdienstentgang gehörenden (aliquoten) Sonderzahlungen noch bis 30.09.2022 ermöglicht. Dies soll auch für jene Fälle gelten, in denen bereits eine rechtskräftige Entscheidung ergangen ist, die (aliquote) Sonderzahlungen nicht berücksichtigt hat.
Zu c) (§ 50 Abs. 29):
Hiermit wird die Inkrafttretensbestimmung um die § 25b und § 49 Abs. 5 ergänzt. Zudem wird angeordnet, dass § 49 Abs. 4 nur auf jene Fälle anzuwenden ist, in denen die Antragstellung vor dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xx/2022 erfolgt ist.
*****
Präsidentin Doris Bures: Der Abänderungsantrag wurde bereits an die Abgeordneten verteilt und ein wenig in den Grundzügen erläutert. Er steht mit in Verhandlung.
Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Dagmar Belakowitsch. – Bitte.
Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Werte Damen und Herren vor den Bildschirmgeräten! Es wird heute wieder über weitere Zuschüsse für Impfungen, für Teststraßen debattiert. Man hat es jetzt gerade gesehen: Die einen wollen es unbedingt noch weiter aufrechterhalten, die anderen sind sich nicht sicher: Sollen wir jetzt endlich aufhören mit dem Testen, diesem sinnentleerten Testen? Zur Stadt Wien muss man schon auch sagen: Die Stadt Wien macht an einem Tag mehr Tests als die gesamte Bundesrepublik Deutschland. Das mag zu einem bestimmten Zeitpunkt vielleicht Sinn gehabt haben, jetzt hat es keinen Sinn mehr. Wir testen uns hier irgendwelche Zahlen herbei, damit wir dann wieder Horrormeldungen schieben können. Ich glaube, die Zeit ist einfach reif dafür, zu sagen: Wir fahren das alles zurück.
Es gibt ja den angeblichen Freiheitstag – der mit Freiheit zwar nichts zu tun hat –, leider Gottes müssen wir bis zum 5. März noch warten, und dann braucht es das alles nicht mehr, denn wenn es kein 3G mehr gibt, braucht man auch keine unnötigen Tests mehr für alle, sondern dann kann das wieder auf jene Personen, die symptomatisch sind, reduziert werden – das ist durchaus sinnvoll, das ist überhaupt nicht die Frage – oder auf jene Bereiche, die so sensibel sind, dass man es eben weiterhin braucht: Das sind die Krankenanstalten, das sind die Pflegeheime. Und dafür braucht es diese Weiterführung der Zuschusskredite bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag eigentlich nicht, weil es einfach nicht mehr notwendig ist.
Das Zweite sind die Impfungen. Auch das Impfkartenhaus steht ja kurz vor dem Zusammenfall und vor dem Zusammenbruch. Ihre eigene Gecko-Kommission, Herr Minister,
schreibt Ihnen ja schon, dass die Impfung sinnlos und unwirksam ist. Egal ob Sie einmal, zweimal, dreimal oder nicht geimpft sind – es kommt aufs Gleiche heraus. Das sage nicht ich, das sagt die Gecko. Auch das, glaube ich, bricht in sich zusammen. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis Sie so weit und in der Lage sind, das auch zuzugeben. Es ist wahrscheinlich nicht ganz einfach für Sie, meine Damen und Herren, und es ist auch wenig überraschend: Wir werden dem nicht unsere Zustimmung erteilen. (Beifall bei der FPÖ.)
13.17
Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Werner Saxinger. – Bitte.
Abgeordneter Dr. Werner Saxinger, MSc (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren! Angesichts der Situation in der Ukraine fällt es mir persönlich heute sehr schwer, Emotionen für Alltagsdiskussionen zu entfachen. Meine Gedanken sind derzeit bei den Menschen in der Ukraine. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Abgeordneten der NEOS. – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)
Kommen wir zum Thema. Wir sind wieder einmal Weltmeister – das sind wir in Österreich ja so gerne –, aber nicht nur im Skisport, sondern auch in einer anderen Disziplin, beim Coronatesten. Ja, Österreich ist Weltmeister beim Coronatesten. Kein anderes Land der Welt gibt pro Kopf mehr Geld für Tests aus als wir. Wissen Sie, was das Testen bisher gekostet hat? – Eine Summe, die unfassbar ist: 2,6 Milliarden Euro flossen 2020 und 2021 aus dem Budget in Tests. 2,6 Milliarden Euro, diese Summe muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen. Für das Impfen haben wir einen Bruchteil ausgegeben: 350 Millionen Euro – ein krasses Missverhältnis, finde ich, das steht in keiner Relation.
Ein paar weitere Zahlen, die ganz interessant sind: Seit Pandemiebeginn haben wir in Österreich 97 Millionen PCR-Tests und 189 Millionen Antigentests bezahlt, also insgesamt 286 Millionen Tests, das sind 32 Tests pro Einwohner.
Für mich stellt sich nach zwei Jahren Pandemie nun schon die Frage, ob es nicht übertrieben ist, dass die Gratistests an jeder Ecke zu haben sind, und ob sie nicht auch etwas zur niedrigen Impfquote beigetragen haben. Ein Patient hat zum Beispiel vorige Woche zu mir gesagt: Herr Doktor, wozu denn impfen? Ich teste mich eh alle zwei bis drei Tage. – Dann habe ich gesagt: Junger Mann, das ist ein Irrtum, da sind Sie auf dem Holzweg. Ein negativer Test ist nur eine Momentaufnahme, kein Freifahrtschein, schützt Sie natürlich nicht, schützt auch die anderen nicht, und in einigen Stunden kann der Test schon wieder positiv ausfallen. Dieser falschen Annahme – Test ist gleich Ersatz für Impfung – sitzen manche auf, wie auch mein Patient. Ich habe dann lange mit ihm diskutiert.
Das wesentliche Mittel zur Pandemiebekämpfung, sehr geehrte Damen und Herren, ist und bleibt die Impfung, und die Impfung wird immer kostenlos sein. Das ist ganz wichtig, vernünftig, und dazu stehen auch die Bundesregierung und die Koalition. (Abg. Belakowitsch: Aber nicht mehr ...!)
Eines ist klar: Coronatests sind nach wie vor ein wichtiger Bestandteil in der Pandemiebekämpfung, und die Tests haben ihre Berechtigung und Bedeutung, ersetzen aber natürlich keine Impfung, keine Händehygiene, keinen Mund-Nasen-Schutz. Meine Frage ist aber: Müssen wir wirklich Testweltmeister sein, wenn es eine wirksame, kostenlose Impfung gibt? Bringt uns das so viel? (Abg. Belakowitsch: Wo ist denn die wirksam? – Abg. Wurm: Vor einem Jahr hat es geheißen: testen, testen, testen!) Der Slogan vom
Herrn Minister ist: Gezieltes Testen macht Sinn, ungezieltes Testen ist nach zwei Jahren Pandemie im Moment zu hinterfragen.
Es braucht keine Massentests, um das Infektionsgeschehen im Auge zu behalten. Es gibt mittlerweile andere Instrumente wie Abwasseranalysen oder Sequenzierungen. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Und es ist durchaus legitim und auch vernünftig und nötig, die Teststrategie jetzt, nach zwei Jahren, zu überdenken, und mit diesem Antrag, den wir heute einbringen, und einem positiven Beschluss wird eine Änderung ermöglicht. Das ist gut so.
Ganz interessant – vielleicht wissen das viele Zuseher und Zuseherinnen nicht –: Wie viel kostet denn so ein Einzeltest? – Da gibt es große Unterschiede, es hängt auch davon ab, ob man bei der Probenabnahme Personal benötigt. Ein Test bei Alles gurgelt kostet zum Beispiel 6 bis 7 Euro, in der Apotheke 25 Euro. Es gibt auch PCR-Tests, die bis zu 50 Euro kosten. In Wien – das haben wir heute schon gehört – werden zum Beispiel 345 000 Tests pro Tag ausgewertet, das sind 70 Prozent aller Tests in Österreich.
Um eines gleich klar zu sagen und um die Bevölkerung nicht zu beunruhigen: Es gibt Gruppen, für die Tests mit Sicherheit weiterhin kostenlos bleiben müssen. Das sind medizinische Institutionen wie Krankenhäuser, das sind Alters- und Pflegeheime, das sind Gemeinschaftseinrichtungen wie Schulen und Kindergärten (Abg. Belakowitsch: Bitte lassts die Kinder in Frieden!), und das sind auch Tests von symptomatischen Patienten und behördliche Tests.
Ich sage es noch einmal: Massentests haben meiner Meinung nach jetzt nach zwei Jahren ausgesorgt. Gezieltes Testen macht Sinn, ungezieltes Testen ist zu hinterfragen. In diesem Sinne bitte ich um Unterstützung dieses Antrages, die Teststrategie überarbeiten zu können. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)
13.22
Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Gerald Loacker. – Bitte.
Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich muss dann noch mit unserer Klubvorsitzenden sprechen, aber ich würde Kollegen Saxinger gerne anbieten, bei uns mitzuarbeiten. Er hat jetzt nicht nur aus meiner Anfragebeantwortung zitiert, wie viel diese Testerei kostet, sondern sich endlich auch dahin entwickelt, dass wir nicht mehr planlos durch die Gegend testen. Das ist erfreulich.
Zu Recht und sehr konkret hat Kollege Saxinger ausgeführt, dieser Gesetzesvorschlag ermöglicht nur, das Testregime zu ändern. Er schreibt aber nicht fest, dass es geändert wird, das liegt nämlich beim Herrn Bundesminister. Und, Herr Minister, mit großer Entschlossenheit sind Sie in den letzten Wochen nicht aufgefallen, sondern man hat eher das Gefühl, dass Sie der Passagier des Geschehens und nicht der Pilot sind. So kann es passieren, dass Sie am Mittag nicht dasselbe wie am Nachmittag sagen. Mit großer Spannung warten wir darauf, was Sie zum Testen noch alles sagen werden.
Wenn über 2 Milliarden Euro vertestet worden sind, allein in Wien eine halbe Milliarde Euro vergurgelt worden ist, muss man sich im internationalen Vergleich fragen: Was hat das Österreich gebracht? Wenn wir in die Nachbarländer schauen, wo die Tests etwas kosten, dann stellen wir fest, dass wir mit diesem vielen Testen keinen Vorsprung herausarbeiten konnten.
Was übrig bleibt, ist, dass natürlich einige Leute super verdient haben. Ich meine, um 25 Euro für einen Antigentest in der Apotheke hat sich manch einer ein neues Auto oder einen schönen Urlaub finanzieren können. Ich glaube, auf der Baumgartner Höhe blickt man auch mit einiger Begeisterung auf die Zahlen, die dort hereingespielt werden.
Jetzt fehlt aber einmal eine Ansage des Herrn Ministers, wie es weitergeht. Die Bürger haben schon verdient, dass man ihnen frühzeitig und konkret sagt, ab wann und für wen die Tests wie viel kosten werden, und nicht sagt: Ja, wir schauen jetzt einmal bis Ende März!, und dann machen Sie vielleicht am 31. März eine Pressekonferenz und erklären dann, was gilt. Das funktioniert nicht.
Falls Sie den Nachdenkprozess beginnen, würde ich Ihnen gerne noch ein Anliegen mitgeben, worüber man auch nachdenken muss: Das sind die Quarantäneregeln, weil wir ganz viele Leute über Wochen in Quarantäne halten, und das hält diese Menschen vom Arbeitsmarkt fern. Kinder werden in Quarantäne geschickt, das hält deren Eltern vom Arbeitsmarkt fern, und zwar viel zu lange. Wir haben symptomfreie Leute zu Hause sitzen (Abg. Belakowitsch: Wir haben K1 zu Hause sitzen!), die weder gefährdend noch gefährdet sind und am Arbeitsprozess teilnehmen könnten. Weil die Regeln zu streng sind, nehmen sie nicht teil, und das bewirkt einen volkswirtschaftlichen Schaden, der auf Ihre Kappe geht. Die Schulden, die Sie mit dem sinnlosen Massentesten und mit der überzogenen Quarantäne aufhäufen, sind Schulden, die die nächsten Generationen bezahlen müssen. Und Sie machen sich dafür verantwortlich. (Beifall bei den NEOS.)
13.25
Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich der Herr Bundesminister zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Minister Mückstein.
Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Dr. Wolfgang Mückstein: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Zuerst möchte ich mein tiefes Bedauern über die Entwicklungen in der Ukraine ausdrücken. Das sind dramatische Entwicklungen, und das ist zweifellos ein Tiefpunkt in der jüngsten europäischen Geschichte. Meine Gedanken sind bei den Menschen in der Ukraine, die jetzt in tiefes Leid gestürzt werden.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich die Gelegenheit nutzen, um Ihnen ein kurzes Pandemieupdate zu geben: Wir haben mit Omikron einen Paradigmenwechsel, sowohl was das Pandemiegeschehen als auch was das Pandemiemanagement betrifft. Was sich in vielen europäischen Ländern gezeigt hat – diese haben ja zwei bis drei Wochen Vorsprung –, zeigt sich auch bei uns: Die Omikronvariante ist wesentlich ansteckender als alle anderen Varianten davor, aber die Auswirkungen auf die Krankenhäuser sind milder.
Lassen Sie mich das auch mit Zahlen untermauern: Wir wissen, dass die Omikronvariante im Vergleich zu Delta zu um 90 Prozent weniger Aufnahmen auf Intensivstationen führt. (Abg. Belakowitsch: Erst jetzt?) Wir wissen auch, dass die Omikronvariante im Vergleich zu Delta um 70 Prozent weniger Aufnahmen auf Normalstationen verursacht. Wir haben seit Anfang Jänner gute Prognosen, die sich zwei, drei Wochen später sehr exakt bewahrheitet haben. Wir haben seit Mitte Jänner stabile Zahlen auf österreichischen Intensivstationen. Wir haben eine Auslastung von 9, 10, 11 Prozent vom ICU-Belag mit Covid-19-Patienten – im Vergleich zur Deltavariante, bei der im Dezember die Auslastung bei 33 Prozent lag. Es sind also jetzt 10 Prozent versus 33 Prozent Anfang Dezember – und das vor dem Hintergrund, dass wir in den letzten Wochen Positivtestungen von 30 000 Menschen pro Tag verzeichnet haben. (Abg. Belakowitsch: Mit welchem Ct-Wert? Das ist auch ...!)
Wir sehen aber auch, dass diese Zahlen im Wochenvergleich sinken. Wir haben in der Prognose, die am Dienstag berechnet worden ist, eine stabile Prognose für die Intensivstationen in den nächsten Wochen, und wir haben für die Normalstationen leicht sinkende Zahlen prognostiziert. Das heißt, wir wissen, wir haben jetzt noch ein Plateau, was
die Positivtestungen betrifft – das hat damit zu tun, dass zwar die BA.1-Variante zurückgeht, gleichzeitig aber die BA.2-Variante ansteigt –, aber die Prognosen für die Krankenhäuser sind Gott sei Dank stabil.
Ein weiterer wesentlicher Marker im Pandemiemanagement – Sie werden ihn alle kennen –, das R effektiv ist seit 12. Februar bei oder unter eins. Das bedeutet, dass ein mit Corona, jetzt mit Omikron angesteckter Mensch weniger als einen anderen ansteckt. Das sieht man auch an den Kurven.
Sie sehen, wir sind im Pandemiemanagement auf einem guten Weg. Die Prognosen, die wir vor drei Wochen, vor vier Wochen gehabt haben, bewahrheiten sich. Wir sehen, sie stimmen, und jede Woche bestätigt sich, dass wir einen guten Vorausblick für die kommenden Wochen haben. Die Öffnungsschritte am 5.3. sind daher vertretbar.
Der zweite Punkt, über den ich informieren will, sind die Medikamente. Wir haben als österreichische Bundesregierung frühzeitig dafür Sorge getragen, dass wir ausreichend Medikamente nach Österreich bekommen, zum einen die oralen Therapieformen, aber auch IV-Therapieformen. Schon Ende letzten Jahres sind die ersten gekommen. Wir haben in dieser Woche eine Onlineveranstaltung – gemeinsam veranstaltet von der Klinik Favoriten mit dem Obersten Sanitätsrat – mit der Zielgruppe niedergelassene Ärztinnen und Ärzte gehabt, wo wir darüber informiert haben. Es war eine gut besuchte, gute Veranstaltung.
Ich kann hier berichten, dass die ersten 3 000 Therapiezyklen in Österreich verabreicht worden sind, mit einem sehr guten Ergebnis, vielleicht sogar eine Spur besser, als wir das erwartet haben. Ganz wichtig ist, anzumerken, wofür diese Medikamente sind. Es gibt welche für die Prophylaxe, die sind vor allem für Menschen, die nicht impfbar sind. Die anderen sind für Menschen, die Risikofaktoren haben, um sie vor einem schweren Verlauf zu schützen.
Noch ein Wort zu den Risikofaktoren: Das sind nicht irgendwelche seltene, schwere Erkrankungen von Hochrisikopatienten, sondern das betrifft zum Beispiel Menschen, die Übergewicht haben und zuckerkrank sind. Das reicht schon für die Prognose eines schweren Verlaufes. Diese Menschen müssen wir erreichen und informieren und im Falle einer Positivtestung möglichst rasch – innerhalb von drei bis fünf Tagen – mit diesen Medikamenten versorgen. Das Zweite, was bei den Medikamenten wichtig ist: Medikamente gegen Covid‑19, die Covid‑19-Therapeutika sind keine Alternative zum Impfen.
Den nächsten Punkt möchte ich auch nicht unerwähnt lassen: Wir haben lange darauf gewartet, aber diese Woche kommen die ersten Lieferungen von Novavax nach Österreich. 1,1 Millionen Dosen werden diese Woche noch in Österreich ankommen, insgesamt sind es im ersten Quartal 3,1 Millionen Dosen, die wir erwarten. Viele Menschen haben auf diesen sogenannten Totimpfstoff gewartet. Ich freue mich darüber, dass wir das jetzt auch anbieten können, und ich möchte dazu motivieren, dass man sich diesen neuen Impfstoff jetzt holt. Wir brauchen dringend eine hohe Immunität in Österreich.
Zurück zu den Tagesordnungspunkten: Viele Expertinnen und Experten raten zu einer Neuausrichtung der Teststrategie in Österreich. Wir haben Ende August die Teststrategie für den Herbst/Winter gemacht. Ziel war damals, vor allem die PCR-Testkapazitäten auszubauen. Das ist gut gelungen, unterschiedlich gut in den einzelnen Bundesländern. Wien ist da führend, 70 Prozent der PCR-Tests werden in Wien gemacht.
Auch da hat Omikron einen Paradigmenwechsel eingeleitet, zunehmend raten Expertinnen und Experten, diese Teststrategie zu hinterfragen. Wir müssen hin zu einem zielgerichteten Testen: dort, wo es notwendig ist, dort, wo wir es brauchen. Die Kosten von 2,6 Milliarden Euro sind heute auch schon genannt worden; das muss man vertreten. Das heißt, dort, wo sie gebraucht werden, werden Tests selbstverständlich weiterhin gratis sein. Das aktuelle Testregime wird so bis 31.3. gratis bleiben.
Heute soll der Rechtsrahmen geschaffen werden, um das Testprogramm künftig auch flexibler an die aktuelle epidemiologische Situation anpassen zu können, und ich darf Sie um Ihre Zustimmung ersuchen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
13.33
Präsidentin Doris Bures: Nun ist Herr Abgeordneter Michel Reimon zu Wort gemeldet. Der Herr Abgeordnete ist nicht im Saal? (Abg. Deimek: Er ist zu Tisch, bei einem Getränk!) – Dann fahre ich in der Rednerliste fort.
Nächster Redner: Herr Abgeordneter Alois Stöger. – Bitte.
Abgeordneter Alois Stöger, diplômé (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Gesundheitsminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte insbesondere zum Thema des Tagesordnungspunktes 3 sprechen und Herrn Abgeordneten Schallmeiner sagen: Er kann schon oberlehrerhaft sagen, was die Sozialdemokratie denken darf oder soll, er sollte sich aber mehr darum kümmern, was die Aufgaben der Grünen in diesem Parlament sind; oberlehrerhaft braucht er die Sozialdemokratie nicht zu informieren.
Wenn man sich anschaut, was sich da zwischen den Regierungsparteien gerade abgespielt hat: Herr Dr. Saxinger gegen Herrn Dr. Mückstein, völlig unterschiedliche Positionen; und all das, was hier herinnen diskutiert wird, steht eigentlich nicht auf der Tagesordnung, denn wir haben heute nur ein Gesetz, das sagt, dass das, was der Gesundheitsminister anordnet – oder was, weil er es nicht anordnet, die Landeshauptleute daraus machen –, vom Bund bezahlt wird. Wir reden über ein Zweckzuschussgesetz.
Wir haben in dieser Pandemie das Riesenproblem, dass wir einen Gesundheitsminister haben, der die Verantwortung weit von sich schiebt. Er gibt die Verantwortung an die Landeshauptleute ab. Wenn ich die Frage stelle, was denn die Position des Gesundheitsministers ist, dann brauche ich eine Factfindingmission (Abg. Obernosterer: Na, na!), damit ich draufkomme, wie diese ist. Das weiß niemand in Österreich, daher tut jeder Landeshauptmann, was er will, und das ist natürlich problematisch.
Über die Frage, ob die 3G-Regel noch gilt, informiert uns der Arbeitsminister, aber nicht der zuständige Gesundheitsminister, und da werden die Leute in Österreich, eigentlich zu Recht, narrisch. Bei der Frage der Teststrategie ist es dasselbe. Da weiß die eine Seite der Regierung nicht, was die andere tut, und dann kommt natürlich irgendetwas heraus. Noch einmal: Ein Gesundheitsminister dieser Republik muss anordnen, wie die richtige Teststrategie medizinisch korrekt umzusetzen ist, und die Landeshauptleute haben sich schlicht und einfach daran zu halten. Wir brauchen klare Zuständigkeiten.
Bei Tagesordnungspunkt 3 – Herr Bundesminister, da kommt jetzt meine Kritik, und ich sage diese bewusst auch vor dem Hintergrund, dass ich mich im Gesundheitssystem ein bisschen auskenne – geben Sie wieder die Verantwortung ab, nämlich an den Finanzminister. Das ist lebensgefährlich. Der Bundesminister für Gesundheit muss entscheiden können, ob er jetzt eine Maßnahme setzt oder nicht, und er darf nicht zu einem Finanzminister bitten und betteln gehen, ob er das denn tun darf. In diesem Gesetz ändern Sie das. Mit diesem Gesetz zerstören Sie die Funktion eines funktionierenden Gesundheitsministeriums, und daher wird die Sozialdemokratie da nie mitgehen.
Ich möchte es Ihnen als Beispiel sagen: Sie sind Allgemeinmediziner, Herr Bundesminister, Sie sind Allgemeinmediziner. (Rufe bei den Grünen: Oberlehrerhaft!) Ich frage Sie: Wenn Sie ein Medikament verschreiben, wenn Sie eine Injektion verabreichen, fragen Sie dann zuerst den Finanzdirektor der ÖGK? (Heiterkeit bei den Grünen.) Was Sie da tun, folgt demselben Modell, und daher sage ich: Ein Gesundheitsminister darf nicht bitten und betteln gehen, daher darf diese Änderung so nicht kommen. Sie zerschlagen ein funktionierendes System.
Ich bringe daher folgenden Antrag ein, damit wir eine vernünftige Teststrategie haben:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen betreffend „wirksame Teststrategie“
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wird aufgefordert, umgehend eine wirksame Teststrategie vorzulegen, mit der sichergestellt wird, dass erforderliche Tests der Bevölkerung weiterhin gratis zur Verfügung gestellt werden und das Testangebot niederschwellig vorhanden bleibt. Insbesondere muss sichergestellt werden, dass das epidemiologische Geschehen weiter kontrolliert werden kann, dass vulnerable Gruppen und Einrichtungen geschützt werden und, dass bei epidemiologischer Notwendigkeit das volle Gratistestsystem wieder hochgefahren werden kann.“
*****
Liebe Bevölkerung, ich sage es Ihnen: Dort, drei Zimmer weiter (in Richtung Ausgang weisend), gibt es eine Teststation. Die Abgeordneten zum Nationalrat stellen sich dort an, auch die der Regierungsparteien, und alle lassen sich alle zwei Tage testen. Das muss für die Bevölkerung auch gelten. – Guten Tag! (Beifall bei der SPÖ.)
13.39
Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Kucher,
Genossinnen und Genossen
betreffend wirksame Teststrategie
eingebracht im Zuge der Debatte zum Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 2063/A der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 geändert wird (1353 d.B.)
Die Regierung hat am 16. Februar in einer Pressekonferenz verkündet, dass die bisherige Teststrategie und die kostenlosen Corona-Tests bis zum 31. März aufrecht bleiben. Was danach im Bereich des Testens kommen wird, bleibt, wie so oft bei Ankündigungen dieser türkis-grünen Regierung, offen und unklar.
Weiters wurde angekündigt, dass ab 5. März die 3G-Regelung fällt und der Grüne Pass innerhalb Österreichs nicht mehr erforderlich sein wird. Das bedeutet natürlich auch, dass es einer neuen Teststrategie bedarf.
Eine Teststrategie, die vor allem darauf Rücksicht nimmt, dass das epidemiologische Geschehen weiter kontrolliert werden kann, dass vulnerable Gruppen und Einrichtungen geschützt werden müssen und dass die soziale Komponente der finanziellen Leistbarkeit berücksichtigt wird.
Es muss daher sichergestellt werden, dass erforderliche Tests der Bevölkerung weiterhin gratis zur Verfügung gestellt werden und das Testangebot niederschwellig vorhanden bleibt. Außerdem muss ein Vorhaltesystem entwickelt werden, damit bei epidemiologischer Notwendigkeit das volle Gratistestsystem wieder hochgefahren werden kann.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachfolgenden
Entschließungsantrag
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wird aufgefordert, umgehend eine wirksame Teststrategie vorzulegen, mit der sichergestellt wird, dass erforderliche Tests der Bevölkerung weiterhin gratis zur Verfügung gestellt werden und das Testangebot niederschwellig vorhanden bleibt. Insbesondere muss sichergestellt werden, dass das epidemiologische Geschehen weiter kontrolliert werden kann, dass vulnerable Gruppen und Einrichtungen geschützt werden und, dass bei epidemiologischer Notwendigkeit das volle Gratistestsystem wieder hochgefahren werden kann.“
*****
Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher mit in Verhandlung.
Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Alexandra Tanda. – Bitte.
Abgeordnete Ing. Mag. (FH) Alexandra Tanda (ÖVP): „Kein Verschenken von Medizinprodukten und Arzneimitteln [...] an das Ausland“ – das ist die Überschrift eines Antrages der FPÖ zu Tagesordnungspunkt 4. (Abg. Belakowitsch: Ihr habts eine Vertagung!)
Nach dem, was wir am Vormittag gehört haben, bitte ich Sie, geschätzte ZuhörerInnen und ZuseherInnen zu Hause und hier im Plenum, sich diesen Satz einmal auf der Zunge zergehen zu lassen und, wenn es geht, auch ins Herz fallen zu lassen. (Abg. Belakowitsch: Vor allem!)
Die Forderung der FPÖ bedeutet, dass wir als wohlhabender Staat nicht mehr benötigte Arzneimittel nicht im Rahmen des Covax-Programms an vulnerable Staaten verschenken, sondern verkaufen sollen (Zwischenruf des Abg. Deimek) – und das, obwohl die Weitergabe von Medikamenten im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit sehr wohl geboten ist und unentgeltlich erfolgen kann, wenn es entwicklungs-, nachbarschafts- oder gesundheitspolitische Gründe erfordern. Ich denke, die weltweite Pandemie liefert wohl ausreichend gesundheitspolitische Gründe.
Was soll eigentlich das Ziel des Antrages sein? Mir erschließt es sich nicht zur Gänze, denn inzwischen kennen wir alle die Transfer- und Reisefreudigkeit und auch die Wandelbarkeit dieses Virus. Die Pandemie ist global und erfordert daher eine globale Solidarität. (Abg. Deimek: Haben Sie zum Thema auch was zu sagen oder geht es da nur um ...?) Solidarität bedeutet, Impfstoffe und andere Arzneimittel an die Länder zu spenden, die sie dringend benötigen. Diese Zusammenarbeit im Rahmen der Entwicklungshilfe ist unabdingbar, um die Pandemie zum Ende zu führen und sie in den Griff zu bekommen. Solidarität bedeutet nicht, aus sozial Schwachen und der Notlage anderer Länder Gewinn zu schlagen. (Abg. Belakowitsch: Die eigenen, ah so!)
Der erwünschte Zustand für uns alle muss doch ein Erreichen der Grundimmunisierung der Bevölkerung sein – und das weltweit. Bevölkerung, meine lieben Damen und Herren von der FPÖ, ist ein allumfassender Begriff, um das einmal zu sagen. (Abg. Deimek: Da dürfen wir da ..., teilweise an die Grünen!) Er bezieht alle Menschen mit ein, nicht nur ÖsterreicherInnen und Menschen, die hier leben. Ich frage daher noch einmal: Was ist
der Sinn dahinter, nicht am Covax-Programm teilzunehmen, außer Gewinnmaximierung? Produkte, die wir nicht mehr benötigen, können wir sehr wohl im Rahmen der Entwicklungshilfe zur Verfügung stellen. (Abg. Deimek: Verwenden Sie 2 Minuten Ihrer wertvollen Lebenszeit dafür, ... Antrag auch zuzuhören! Das bildet! Das wär gut für die ...!) Das Wort Solidarität kommt in Ihrem Antrag, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ, nicht ein Mal vor.
Zudem muss ich sagen: Seit Monaten kämpft ihr immer wieder gegen die Maßnahmen der Regierung (Abg. Belakowitsch: Ja, zu Recht!), gegen den Erhalt unseres Gesundheitssystems und vor allem gegen die Impfung – mit lautem Gebrüll von den Bänken heraus, was man vor dem Fernseher eh nicht hört. (Abg. Deimek: Es reicht eh, wenn es im Protokoll steht! Ihre Rede ist noch peinlicher ...!) Ihr wollt die Impfung nicht in Österreich, nein – aber nun sollen wir den Impfstoff auch nicht mehr verschenken, sondern verkaufen, obwohl Ersteres im Rahmen der Entwicklungshilfe vorgesehen ist.
Sie bringen das Argument, es entspräche nicht den „innerösterreichisch geltenden Prinzipien der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit“! (Abg. Deimek: Und der Solidarität!) – Was ist das wieder für ein Satz? Ich bin Betriebswirtin und ich erwirtschafte wahnsinnig gerne Erträge, da können Sie sich sicher sein – aber so, dass es menschlich verträglich ist, und nicht auf dem Rücken von vulnerablen armen Staaten und Bevölkerungen. Der Ansatz der Wirtschaftlichkeit und des Sparens ist da fehl am Platz.
Die persönliche Freiheit – auch die eines Staates – endet da, wo unsere Entscheidungen und Handlungen die Gemeinschaft beeinträchtigen. Die FPÖ zeigt mit diesem Antrag, dass ihr Freiheitsbegriff nicht über den Tellerrand oder die Staatsgrenze hinausragt, wie wir auch schon heute Vormittag in einigen Beiträgen von Ihnen gehört haben. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)
13.43
Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Rudolf Silvan. – Bitte.
Abgeordneter Rudolf Silvan (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren zu Hause! Ich möchte zur Neuregelung der Teststrategie sprechen.
Herr Bundesminister, es wird da von einer Verordnungsermächtigung für den Gesundheitsminister im Einvernehmen mit dem Finanzminister, mit dem er nach dem 31. März festlegen wird, welche Tests auf Kosten des Bundes durchgeführt werden können und welche sinnvoll sind, gesprochen. Konkret heißt das, dass der Gesundheitsminister nicht mehr allein entscheiden kann, ob Tests in Zukunft sinnvoll und gratis sein sollen. Der Gesundheitsminister muss in Zukunft den Finanzminister fragen, ob es, wenn er es für nötig hält, bezahlte Tests geben darf oder nicht.
Der Gesundheitsminister muss dem Finanzminister erstens bekannt geben, zu welchem konkreten Zweck er die Gratistests durchführen will, zweitens, mit welchen Testmethoden und drittens, mit welcher Testhäufigkeit. Damit wird die gesundheitspolitische Kompetenz des Ministers im Bereich der Pandemiebekämpfung massiv eingeschränkt. Nachdem die ÖVP-Landeshauptleute Mikl-Leitner, Stelzer und Haslauer in der Pandemie eh gemacht haben, was sie wollten, und Sie nicht einmal ignoriert haben, Herr Gesundheitsminister, müssen Sie nun auch noch dem Finanzminister Rede und Antwort stehen. In der größten Gesundheitskrise der Zweiten Republik werden die Kompetenzen des Gesundheitsministers massiv eingeschränkt, obwohl er eigentlich derzeit rasch handeln können sollte. Wir brauchen eine Teststrategie, wie mein Kollege Stöger schon gesagt hat, sodass das epidemiologische Geschehen weiter kontrolliert wird, vulnerable
Gruppen geschützt werden und die soziale Komponente der finanziellen Leistbarkeit von Tests berücksichtigt wird. Es muss sichergestellt werden, dass erforderliche Tests der Bevölkerung – so wie hier im Haus – weiterhin gratis und niederschwellig zur Verfügung gestellt werden.
Sehr geehrter Herr Gesundheitsminister, aus unserer Sicht werden Sie stückchenweise entmachtet. Ich würde diese Verordnungsermächtigung als Misstrauen seitens der ÖVP gegen Ihre Person werten.
Was kommt als Nächstes? Es gibt zurzeit 200 000 Menschen, die an Long Covid leiden. Tausende davon sind arbeitsunfähig, bekommen kein Krankengeld mehr, leben vom Rehageld oder von der Mindestsicherung. Diese Menschen warten auf eine echte Strategie von Ihnen, damit ihnen geholfen wird und sie wieder gesund in den Job zurückkehren können. Müssen Sie in Zukunft da auch den Finanzminister fragen, welche Strategien Sie gegen die Long-Covid-Krankheit fahren?
Es ist im Endeffekt wirklich eine sehr skurrile und fatale Situation. Aus unserer Sicht führen diese Verordnungen sicher nicht zum Erfolg, Herr Gesundheitsminister. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)
13.46
Präsidentin Doris Bures: Nun ist Herr Abgeordneter Michel Reimon zu Wort gemeldet. – Bitte.
Abgeordneter Michel Reimon, MBA (Grüne): Frau Präsidentin! Werte KollegInnen! Ich muss mich kurz entschuldigen, dass ich vor ein paar Minuten nicht hier war. Es geht ein bisschen drunter und drüber, auch in Bezug auf die Ukraine und die humanitäre Hilfe. Da kommen wir gleich zu diesem Thema. Ich habe vorhin, als wir noch die Lage in der Ukraine diskutiert haben, gesagt, es ist feig, sich in einem Konflikt nicht auf die Seite von Kindern und Familien zu stellen; aber das kann man noch toppen, indem man einen Antrag einbringt, dass übrig gebliebene Impfstoffe nicht gespendet werden sollen. Impfstoffe, die ablaufen und weggeworfen werden würden, sollen nicht Menschen im globalen Süden zur Verfügung gestellt werden, um sie zu retten, sondern in die Mülltonne wandern. Wie kann man überhaupt etwas derart Unmenschliches schreiben? (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Mir fällt keine Steigerung mehr zu: Helfen wir nicht!, ein – das ist ja schon schlimm genug. Aber: Schmeißen wir die Hilfe in die Mülltonne, bevor sie jemand im Ausland bekommt!, das ist das Allerunmenschlichste, was ich jemals gelesen habe. Das ist nicht nur feig, sondern verachtenswert. Wir werden das selbstverständlich nicht machen, wir werden spenden. (Abg. Deimek: ... was er oben übrig hat!) – Ja, genau, übrig bleiben: Die Regierung hat natürlich mehr Impfstoffe gekauft als notwendig. Das ist sorgfältig und dient dem Schutz der Bevölkerung, und ihr führt noch eine Kampagne mit dem Ziel, dass möglichst wenige geimpft werden.
Gibt es eigentlich einen Ordnungsruf, wenn er (auf die Reihen der FPÖ weisend) einem den Vogel zeigt, weil er ja sonst nichts mehr kann?
Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter, ich würde überhaupt auch Sie ersuchen, sich in der Ausdrucksweise zu mäßigen. (Abg. Wurm: Danke, Frau Präsidentin!) Sie wissen, in Bezug auf „feig“ und „verachtenswert“ ersuche ich Sie um Mäßigung.
Sie haben recht, es gelten aber nicht nur Worte, sondern auch Mimik und Gestik. Ich habe es nicht gesehen, aber auch das hat natürlich im Hohen Haus keinen Platz, wenn man herabwürdigende Handbewegungen macht. (Abg. Wurm: Unterirdisches Benehmen! Kein Charakter! Charakterlos! Fehlende ...!) – Bitte, Sie sind am Wort.
Abgeordneter Michel Reimon, MBA (fortsetzend): Jedenfalls werden wir spenden. Wir werden so viel wie möglich machen, um Covid weltweit zu bekämpfen, und wir werden uns auch dafür einsetzen, dass über die Patente der Impfstoffe gesprochen wird. Die müssen in absehbarer Zeit so verfügbar gemacht werden, dass die ganze Welt Zugang zu diesen Impfstoffen bekommt. Afrika, Asien, Südamerika (Abg. Belakowitsch: Die wollen es ja gar nicht!), alle armen Regionen dieser Welt müssen die Möglichkeit haben, billig, am besten kostenlos, Zugang zu Impfstoffen zu bekommen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
13.49
Präsidentin Doris Bures: Danke vielmals.
Mir liegt nun keine Wortmeldung mehr dazu vor. Damit ist diese Debatte geschlossen.
Wird seitens der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.
Wie vereinbart verlege ich die Abstimmungen zu diesen Tagesordnungspunkten an den Schluss der Verhandlungen über die Vorlagen des Gesundheitsausschusses.
Ich fahre in der Tagesordnung fort.
Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 2215/A der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das COVID-19-Impfpflichtgesetz geändert wird (1351 d.B.)
6. Punkt
Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 2235/A der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz zur Erhöhung der Inanspruchnahme von Impfungen gegen COVID-19 (1352 d.B.)
7. Punkt
Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 2172/A der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden (1354 d.B.)
8. Punkt
Bericht und Antrag des Gesundheitsausschusses über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Gesundheitstelematikgesetz 2012 geändert wird (1355 d.B.)
9. Punkt
Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 1838/A(E) der Abgeordneten Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmen für die Komplementärmedizin in Österreich (1357 d.B.)
Präsidentin Doris Bures: Wir kommen zu den Punkten 5 bis 9, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.
Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.
Erste Rednerin ist Frau Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek. – Bitte.
Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister Mückstein! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir alle hier – und wahrscheinlich auch alle, die hier zusehen, weil sie es verfolgt haben – kennen den langen und beschwerlichen Weg zum COVID-19-Impfpflichtgesetz, das dann im Jänner verabschiedet wurde. Heute sind wir nun hier und müssen dieses Gesetz auch schon wieder ändern. (Zwischenruf des Abg. Wurm.)
Wer zusieht, kennt sich vielleicht nicht aus, denn irgendwie hat der Herr Bundeskanzler dazwischen ja auch schon angedeutet, dass die Impfpflicht vielleicht gar nicht so in Kraft treten wird. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)
Wir haben immer gefordert, eine Kommission einzusetzen, die sich mit diesem Thema beschäftigen soll, die die Lage einschätzt und uns beraten kann, wie wir weiter vorgehen sollen. Diese Kommission tagt jetzt aber zum ersten Mal ausgerechnet am internationalen Frauentag, und das sehe ich als gestandene Frauenpolitikerin sehr, sehr kritisch, denn das wäre doch genauso gut am 7. oder am 9. März gegangen, Herr Bundesminister! Immerhin jedoch gibt es die Kommission, weil wir sie angeregt haben, und diese Kommission ist wichtig.
Nichtsdestotrotz haben wir hier heute schon wieder Ergänzungen zu diesem COVID-19-Impfpflichtgesetz zu beschließen, weil einige Dinge verabsäumt wurden. Vielleicht wissen Sie es, die Sie auch in den Bundesländern Diskussionen führen und Verbündete beziehungsweise Kolleginnen und Kollegen haben, dass die Bundesländer ihre Onlineplattformen quasi ohne bundesgesetzliche Grundlage aufbauen mussten. Diese Plattformen sind notwendig, weil dort die Ausnahmeatteste zur Befreiung von der Impfpflicht hochgeladen werden können; mit der heutigen Bestimmung ziehen wir jetzt nach.
Weiters wurde erkannt – auch das hatten wir mehrmals moniert –, dass Opfer beziehungsweise Zeugen und Zeuginnen von Gewalt von den Coronakontrollen im Rahmen der Amtshandlung ausgenommen werden sollten. Das wird mit der zu beschließenden Änderung repariert.
Neu geschaffen wird auch eine Regelung der Impfpflicht für Personen, die erstmals einen Wohnsitz in Österreich begründen.
Nichtsdestotrotz, Herr Bundesminister – wir alle wissen es und können es auch in den Statistiken sehen –, brechen die Zahlen bei den Erstimpfungen ein. Es gibt zwar ein Impfpflichtgesetz, aber es gehen kaum Leute zur Erstimpfung, und ich meine, dass das dramatisch ist.
Das COVID-19-Impfpflichtgesetz ist ja überhaupt erst notwendig geworden und hat auch unsere Zustimmung gefunden, um uns – was jetzt zwei, fast drei Jahre lang nicht passiert ist – vorzubereiten und für den Herbst zu rüsten. Ich kann es nicht anders sagen, ohne polemisch zu sein, aber es ist schon ein bisschen verwirrend und chaotisch für die Leute, die sich zum Teil gar nicht mehr auskennen. Wir vermissen die Motivation der Bürgerinnen und Bürger; zu den Impfanreizen wird meine Kollegin dann noch sprechen.
Das erhöhte Quorum ist jetzt anscheinend wieder obsolet, es gibt also keine Bestimmung, die eine Zweidrittelmehrheit braucht; wir hätten einer solchen sowieso nicht zugestimmt.
Was vorhin schon angesprochen wurde: Sie, Herr Bundesminister, lassen es sich auch gefallen, dass der Finanzminister Ihnen den Sanktus für kostenlose – oder nicht kostenlose – Tests geben muss.
Es gibt aber auch wichtige Themen, über die wir gar nicht gesprochen haben, weil Sie wieder die Schubladisierung vorgezogen haben. Was bedeutet Schubladisierung? – Sie haben wichtige Anträge zu Long Covid und einer diesbezüglichen Strategie, die wir uns wünschen, die die Betroffenen dringend bräuchten und die wir von Ihnen einfordern, auf die lange Bank geschoben. Eva Maria Holzleitner hat über dieses Thema mehrmals sehr engagiert mit einem Verein, der sich für dieses Anliegen gegründet hat, diskutiert.
Wir sind nicht in der Lage gewesen, Sie – oder besser gesagt: die Regierungsparteien – dazu zu bewegen, dass allen Menschen, die im Gesundheitsbereich tätig sind – etwa Sanitätern und Sanitäterinnen, aber auch anderen –, der Coronabonus zugesprochen wird.
Bezüglich der psychosozialen Versorgung von Kindern und Jugendlichen, die jetzt auch schon drei Mal von Ihnen diskutiert wurde, liegt nichts Konkretes auf dem Tisch, und den Antrag von Mario Lindner zu diesem Thema haben Sie durch Vertagung quasi ignoriert.
Darüber hinaus gäbe es noch viele weitere Themen zu behandeln, etwa die Pflegereform und so weiter.
Die Situation in der Ukraine ist für die Frauen, die Kinder und die Männer dort dramatisch, und auch wir sind gefordert, diplomatisch mitzuhelfen, diesen Krieg schleunigst wieder zu beenden. Ich glaube, nichtsdestotrotz ist es unbedingt notwendig, hier auch über ganz wichtige Zukunftsthemen zu sprechen, die jetzt schon aktuell sind: Es gibt Schulkinder, die aus dem ersten Stock eines Schulgebäudes springen, andere nehmen Schlaftabletten – das sind keine Jugendlichen, das sind elf- bis zwölfjährige Kinder! Ich meine, da sollten alle Alarmglocken schrillen, wenn man diesbezügliche Vorhaben und Anträge wieder auf die lange Bank schiebt, nur weil wir sie einbringen. Kümmern wir uns bitte schnellstens um Kinder und Jugendliche!
Kümmern wir uns aber auch um Impfanreize für die Bevölkerung, denn sonst wird im Herbst die nächste Welle wie eine Wand vor uns stehen! (Beifall bei der SPÖ.)
13.56
Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Ralph Schallmeiner. – Bitte.
Abgeordneter Ralph Schallmeiner (Grüne): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren zu Hause vor den Bildschirmen! Wir diskutieren hier diverse Berichte des Gesundheitsausschusses. Dabei geht es unter anderem, Kollegin Heinisch-Hosek hat es schon in ihrer Rede gesagt, um technische Anpassungen und Adaptierungen bei der Impfpflicht. Ein Beispiel dafür, das ja schon genannt wurde – und bei dem wir gleiche Ansichten haben –, ist eben die Konkretisierung, dass es keine Kontrollpflicht gibt, wenn sich Menschen hilfesuchend an die Exekutive wenden.
Wo wir nicht einer Meinung sind, ist in der Frage der digitalen Plattformen, denn es war eigentlich von vornherein immer klar, dass die Bundesländer da selber eine gewisse Verantwortung zu tragen haben. Das war auch während der Verhandlungen immer wieder ein Punkt und ist immer wieder zur Sprache gekommen. Spannenderweise haben sich halt auch da die Bundesländer, zumindest ist das mein Wissensstand, in der Begutachtung et cetera nie entsprechend geäußert. Wir werden aber auch das hier und heute entsprechend anpassen und diese Frage der Ausnahmezertifikate so weit regeln, dass das eindeutig und geklärt ist. Dafür schaffen wir eine entsprechende rechtliche Grundlage.
Ich möchte daher zum Tagesordnungspunkt 5 auch gleich einen entsprechenden Abänderungsantrag einbringen, bei dem es um eben diese digitalen Ausnahmezertifikate, um das Ausnahmemanagement geht, insbesondere auch bei der Überschneidung zwischen einzelnen Bundesländern. Damit wird auf die entsprechende Kritik reagiert, und dadurch ist dieses Thema damit hoffentlich endlich vom Tisch. Bei jenen, die eine glaubhafte Bestätigung für eine Ausnahme von der Impfpflicht vorweisen können, soll diese in den Systemen eingetragen sein, sodass sie im Falle des Falles nicht gestraft werden.
Ich glaube, das ist wichtig und – da brauchen wir uns nichts vorzumachen – das muss einfach sauber geregelt sein, aber – jetzt noch einmal und wie schon gesagt – dieser Vorwurf in Richtung der Bundesregierung – so zu tun, als hätte man die Bundesländer einfach im Regen stehen gelassen – stimmt einfach nicht, und das muss man auch dementsprechend zurückweisen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)
Bei diesem Tagesordnungspunkt geht es weiters auch um die Frage der kommunalen Impfkampagnen. Leider Gottes haben wir da jetzt keine Vereinbarung finden können, um eine kommunale Impfprämie an die Kommunen ausschütten zu können – aber zumindest können wir die Gemeinden und Städte bei der Bewerbung der Impfung und beim Aufklären über die Impfung unterstützen.
Das ist insofern wichtig, als es immer noch Gemeinden gibt – gerade bei mir in Oberösterreich kenne ich die eine oder andere Gemeinde –, in denen die Impfbereitschaft weit unter 50 Prozent liegt, wo auch die Bürgermeister manchmal meinen: Dazu möchte ich eigentlich nichts sagen. Andere Bürgermeister sagen, sie hätten auch einfach die Möglichkeiten nicht, und da wollen wir unterstützend eingreifen. Auf sehr niederschwellige Art und Weise wollen wir dort, wo es notwendig ist, noch einmal an die Menschen herantreten und sie davon überzeugen, impfen zu gehen. Wir wissen nämlich: Die Impfung ist unser bester Schutz in dieser Pandemie und hilft uns, als Werkzeug gesehen, auch am besten aus dieser Pandemie heraus.
Zudem verlängern wir mit den heutigen Tagesordnungspunkten auch noch das Fernrezept, ab Juni soll es eine entsprechende technische Lösung über Elga geben. Da war Elga bis dato leider Gottes säumig, hat nicht die Leistung gebracht, die bereits zugesagt wurde – aber okay, dann müssen wir halt noch einmal das Fernrezept in der jetzigen Form verlängern, und ab Juni soll es dann auch eine entsprechende Elga-Lösung geben.
Was ich noch einbringen möchte, ist ein zweiter Abänderungsantrag – auch der wurde bereits verteilt, soweit ich das mitbekommen habe –, nämlich zum Tagesordnungspunkt 7. Dabei geht es darum, dass wir eine letztmalige Verlängerung des sogenannten Erstattungskodex vornehmen, und zwar mit entsprechenden Abschlägen. Neu ist dabei, dass wir auch einen Abschlag auf die sogenannten No-Box-Präparate vornehmen, das ist mir persönlich sehr wichtig, weil das sehr, sehr teure Präparate sind. Da geht es auch darum, dass wir versuchen, unsere Sozialversicherungen für die Zukunft zu entlasten.
*****
Der Bereich bei den Sozialversicherungen, in dem momentan die meisten Kostensteigerungen zu verzeichnen sind – zumindest ist es das, was Peter Lehner, Bernhard Wurzer und auch Dr. Vogel mir in den letzten Wochen immer und immer wieder mitgeteilt haben –, sind einfach die Medikamentenkosten, und da müssen wir entsprechend eingreifen. Auf der anderen Seite brauchen wir natürlich Versorgungssicherheit im Land, wir brauchen natürlich auch Planungssicherheit. Wir machen angesichts der aktuellen Situation eine letztmalige Verlängerung, aber definitiv auch zugunsten der Versicherten.
Zum Thema Komplementärmedizin wird dann meine Kollegin Eva Blimlinger noch sprechen.
Was ich zum Schluss noch anführen möchte: Ich möchte noch zwei Dinge geraderücken, weil es vorhin geheißen hat, es passiere nichts, und wir haben das auch gestern schon öfter gehört. Ich muss das hier noch einmal zurechtrücken: Sowohl was Long Covid anbelangt, als auch was psychosoziale Versorgung von Kindern und Jugendlichen anbelangt, ist in der Zwischenzeit sehr viel passiert.
Wenn wir über Long Covid reden, dann reden wir darüber, dass Österreich als eines der ersten Länder einen entsprechenden Diagnosepfad hat, dass wir mit den Allgemeinmedizinerinnen und Allgemeinmedizinern eine erste Anlaufstelle für Long-Covid-Patientinnen und -Patienten haben. Dass die Geschichte natürlich schon durchaus komplexer und komplizierter ist als ein einfacher Schnupfen oder eine einfache Grippe, das wissen wir glaube ich in der Zwischenzeit. Wir haben aber auch dafür gesorgt, dass die Betroffenen selbst nicht nur bei der SPÖ, sondern auch im Ministerium, im Obersten Sanitätsrat, andocken können, um sich dort bei der entsprechenden Arbeitsgruppe einzubringen. – Ich habe es gestern schon erwähnt, es sollte aber heute nochmals erwähnt werden, weil ja immer so getan wird, als ob das alles nichts wäre.
Zum anderen Thema, die psychosoziale Versorgung von Kindern und Jugendlichen: Ich glaube, Kollegin Heinisch-Hosek hat die Pressekonferenz des Ministers gemeinsam mit Staatssekretärin Plakolm und Minister Polaschek letzte Woche versäumt, denn da ist es ganz genau darum gegangen, nämlich um ein eigenes Paket (Zwischenruf des Abg. Stöger) – Kollege Stöger, man hört dich hier heraußen leider eh nicht – für die psychosoziale Versorgung von Kindern und Jugendlichen durch Psychotherapeutinnen und -therapeuten und Psychologinnen und Psychologen. Also wir tun da schon einiges. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)
In diesem Sinne bitte ich um Zustimmung zu den beiden Abänderungsanträgen. Kollegin Heinisch-Hosek, ansonsten können wir uns auch nachher noch einmal darüber unterhalten, was wir in den letzten Wochen so alles auf den Weg gebracht haben. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
14.03
Die Anträge haben folgenden Gesamtwortlaut:
Abänderungsantrag
der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen,
zum Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 2215/A der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das COVID-19-Impfpflichtgesetz geändert wird (1351 d.B.) (TOP 5)
Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:
Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag in der Fassung des Ausschussberichtes 1351 d. B. wird wie folgt geändert:
a) In der Z 1 wird im Inhaltsverzeichnis nach dem Eintrag zu § 3a folgender Eintrag eingefügt:
„3b. Ausnahmezertifikat“
b) In der Z 2 wird in der Novellierungsanordnung nach der Wortfolge „nach Abs. 1“ das Wort „wird“ eingefügt und entfällt in Abs. 2 die Wortfolge „das 18. Lebensjahr vollendet haben und“.
c) Die Z 4 und 5 erhalten die Ziffernbezeichnungen „5.“ und „9.“; die Z 6 bis 9 erhalten die Ziffernbezeichnungen „11.“ bis „14.“.
d) Nach Z 3 wird folgende Z 4 eingefügt:
„4. Dem § 2 wird folgende Z 11 angefügt:
,11. „Ausnahmezertifikat“ ist ein elektronischer Nachweis über eine Ausnahme gemäß § 3 Abs. 1 Z 1 und 2.‘“
e) Nach der Z 5 werden folgende Z 6 bis 8 eingefügt:
„6. In § 3 Abs. 3 wird nach der Wort- und Zeichenfolge ,nachzuweisen.‘ der Satz ,Die ärztliche Bestätigung hat in Form eines Ausnahmezertifikats (§ 3b) zu erfolgen.‘ eingefügt und das Wort ,Diese‘ durch das Wort ,Die‘ ersetzt.
7. In § 3 Abs. 5 wird die Wort- und Zeichenfolge ,Sofern der Ausnahmegrund gemäß Abs. 1 Z 3 nicht durch einen im Register anzeigepflichtiger Krankheiten gemäß § 4 EpiG verarbeiteten molekularbiologisch bestätigten Test auf SARS-CoV-2 nachgewiesen werden kann, ist dieser Ausnahmegrund‘ durch die Wortfolge ,Der Ausnahmegrund gemäß Abs. 1 Z 3 ist‘ ersetzt.
8. § 3 Abs. 6 lautet:
,(6) Der für das Gesundheitswesen zuständige Bundesminister kann durch Verordnung nähere Anforderungen an
1. die Mindestvoraussetzungen und die Gültigkeitsdauer von ärztlichen Bestätigungen gemäß Abs. 3 und 9 und
2. die Form, die Mindestvoraussetzungen, die Gültigkeitsdauer und die Mindestinhalte von ärztlichen Bestätigungen gemäß Abs. 5
festlegen.‘“
f) Z 9 lautet:
„9. Nach § 3 werden folgende § 3a und § 3b samt Überschrift eingefügt:
‚Digitales Ausnahmenmanagement
§ 3a. (1) Zum Zweck der Bearbeitung von Ausnahmen und gegebenenfalls deren Eintragung in das zentrale Impfregister durch Amts- und Epidemieärzte (§ 3 Abs. 3 und 9) sind die Landeshauptleute ermächtigt, elektronische Anwendungen zur Verfügung zu stellen, mit denen
1. es impfpflichtigen Personen ermöglicht wird,
a) die Angaben gemäß § 6 Abs. 1 Z 1 lit. a bis c und e,
b) den Nachweis ihrer Identität, insbesondere durch die Kopie eines amtlichen Lichtbildausweises und
b) die Unterlagen gemäß § 3 Abs. 4, 5 und 9
den Bezirksverwaltungsbehörden in digitaler Form zu übermitteln sowie
2. die Daten gemäß Z 1 automationsunterstützt in das Aktenverwaltungssystem des jeweiligen Landes übernommen und weiterverarbeitet werden können.
(2) Die Landeshauptleute haben bei der Zurverfügungstellung der elektronischen Anwendung gemäß Abs. 1 die Vertraulichkeit der Daten gemäß § 6 GTelG 2012 einzuhalten und die übermittelten Daten unmittelbar nach Zweckerreichung aus der Anwendung gemäß Abs. 1 zu löschen. Bei der Verarbeitung der Daten gemäß Abs. 1 Z 2 ist § 6 Abs. 5 Z 3 anzuwenden.
(3) Die Landeshauptleute haben sicherzustellen, dass die Übermittlung der Daten gemäß Abs. 1 Z 1 auch in postalischer Form erfolgen kann.
(4) Für die Bearbeitung der Daten gemäß Abs. 1 Z 1 im Zusammenhang mit der Beurteilung des Vorliegens eines Ausnahmegrundes von der Impfpflicht sind die jeweiligen Amtsärzte und Epidemieärzte die datenschutzrechtlich Verantwortlichen (Art. 4 Z 7 DSGVO).
Ausnahmezertifikat
§ 3b. (1) Für die Ausstellung und Verifizierung des Ausnahmezertifikats sind § 4b Abs. 3 bis 9 und § 4f Abs. 1 bis 5 und Abs. 7 EpiG, jeweils der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 100/2021, nach Maßgabe der folgenden Absätze anzuwenden.
(2) Das Ausnahmezertifikat hat folgende Daten zu enthalten:
1. Nachname(n) und Vorname(n) der von der Impfpflicht ausgenommenen Person in dieser Reihenfolge,
2. Geburtsdatum der von der Impfpflicht ausgenommenen Person,
3. das Vorliegen eines Ausnahmegrundes gegen eine COVID-19-Impfung gemäß § 3 Abs. 1 Z 1 und 2, ausschließlich lautend auf „Ausnahme COVID-19-Impfung“,
4. Datum des Wegfalls des Ausnahmegrundes,
5. Bezeichnung des Ausstellers des Ausnahmezertifikats,
6. eindeutige Kennung des Ausnahmezertifikats.
(3) Die ELGA GmbH hat als datenschutzrechtlich Verantwortliche (Art. 4 Z 7 DSGVO) die für die Ausstellung des Ausnahmezertifikats erforderlichen Daten gemäß Abs. 2 Z 1 bis 4 sowie das bereichsspezifische Personenkennzeichen Gesundheit (bPK-GH) aus dem zentralen Impfregister (§ 24c GTelG 2012) zu ermitteln und dem für das Gesundheitswesen zuständigen Bundesminister unter Einhaltung des § 6 GTelG 2012 sowie der technisch-organisatorischen Vorgaben (Schnittstellendefinition) zu übermitteln.
(4) Das Ausnahmezertifikat in den in § 4b Abs. 5 EpiG festgelegten Formaten sowie das bereichsspezifische Personenkennzeichen Gesundheit (bPK-GH) werden im EPI-Service gespeichert und ist den von der Impfpflicht ausgenommenen Personen oder deren Vertretung
1. im Fall, dass der Ausnahmegrund von den Amtsärzten und Epidemieärzten in das zentrale Impfregister eingetragen wird, von den Bezirksverwaltungsbehörden oder den Gemeinden und
2. im Fall, dass der Ausnahmegrund von den fachlich geeigneten Ambulanzen einer Krankenanstalt in das zentrale Impfregister eingetragen wird, auf Anforderung der von der Impfpflicht ausgenommenen Personen von den Bezirksverwaltungsbehörden oder den Gemeinden
in gedruckter Form zur Verfügung zu stellen. Zu diesem Zweck dürfen die Bezirksverwaltungsbehörden und Gemeinden das Ausnahmezertifikat in personenbezogener Form verarbeiten. Die von der Impfpflicht ausgenommenen Personen können auf das Ausnahmezertifikat auch im Wege des Zugangsportals (§ 23 GTelG 2012) zugreifen.
(5) Das Ausnahmezertifikat ist nach Ablauf des Folgemonats nach Wegfall des Ausnahmegrundes (§ 3 Abs. 10) aus dem EPI-Service zu löschen. Fehlerhafte Ausnahmezertifikate sind auf Grund einer Information der sie betreffenden Person von dem für das Gesundheitswesen zuständigen Bundesminister vor Ablauf seiner Gültigkeitsdauer zu widerrufen und unverzüglich zu löschen.
(6) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind berechtigt, die Ausnahmezertifikate zum Zweck ihrer Verifizierung zu verarbeiten. Die Authentifizierung der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes hat zu unterbleiben. Jede über das für die Verifizierung
von Zertifikaten unbedingt erforderliche Ausmaß hinausgehende Verarbeitung von Daten durch die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ist unzulässig.‘“
g) Die Z 10 erhält die Ziffernbezeichnung „16.“; die Z 11 und 12 erhalten die Ziffernbezeichnungen „20.“ und „21.“ und die Z 13 erhält die Ziffernbezeichnung „23.“.
h) Nach der Z 9 wird folgende Z 10 eingefügt:
„10. In § 7 Abs. 1 wird die Wortfolge ,ist die Entgegennahme‘ durch die Wortfolge ,sind die Entgegennahme von Informationen über fehlerhafte Ausnahmezertifikate gemäß § 3b Abs. 5 sowie‘ ersetzt.“
i) Die Z 11 lautet:
„11. In § 7 werden nach Abs. 2 folgende Abs. 2a und 2b eingefügt:
,(2a) Betreffen die Anfragen und Beschwerden gemäß Abs. 1 die Meldedaten (§ 1 Abs. 5 MeldeG), so hat die benannte Stelle den Sachverhalt zu erheben und die zuständige Meldebehörde (§ 13 MeldeG) zu verständigen.
(2b) Betreffen die Informationen gemäß Abs. 1 ein fehlerhaftes Ausnahmezertifikat, so hat die benannte Stelle das Vorliegen, gegebenenfalls die Art des Fehlers sowie die jeweilige Krankenanstalt oder die jeweiligen Amtsärzte oder Epidemieärzte, die den Ausnahmegrund im zentralen Impfregister (§ 3 Abs. 3 und 9) gespeichert haben, zu erheben und die Berichtigung der im zentralen Impfregister gespeicherten Daten bei diesen zu veranlassen und die Durchführung zu überwachen. Wurde ein fehlerhaftes Ausnahmezertifikat widerrufen, so hat die benannte Stelle gegebenenfalls die Neuausstellung unverzüglich zu veranlassen. Die Zugriffe der benannten Stelle auf das zentrale Impfregister sind gemäß § 24f Abs. 5 GTelG 2012 zu protokollieren.‘“
j) Die Z 12 lautet:
„12. In § 7 Abs. 5 wird die Zeichenfolge ,Abs. 3 und 4‘ durch die Zeichenfolge ,Abs. 2a, 2b, 3 und 4‘ ersetzt.“
k) Nach der Z 14 wird folgende Z 15 eingefügt:
„15. In § 11 Abs. 1 wird die Wort- und Zeichenfolge ,. Die Zugriffe der Bezirksverwaltungsbehörde sind unter Anwendung des § 24f Abs. 5 GTelG 2012‘ durch die Wort- und Zeichenfolge ,und berechtigt, auf das Register anzeigepflichtiger Krankheiten gemäß § 4 EpiG zuzugreifen, um sich über deren Genesungsstatus zu informieren. Die Zugriffe der Bezirksverwaltungsbehörde auf das zentrale Impfregister sind unter Anwendung des § 24f Abs. 5 GTelG 2012 und die Zugriffe auf das Register anzeigepflichtiger Krankheiten unter Anwendung des § 4 Abs. 9 EpiG‘ ersetzt.
l) Die Z 16 lautet:
„16. In § 15 Abs. 1 wird nach dem Wort ,mitzuwirken‘ die Wort- und Zeichenfolge ,, soweit es sich bei den Betroffenen nicht um Zeugen oder Opfer handelt‘ eingefügt.“
m) Nach der Z 16 werden folgende Z 17 bis 19 eingefügt:
„17. In § 16 Abs. 2 Z 2 wird nach dem Wort ,Impfungen‘ die Wortfolge ,im Rahmen von Impfstraßen gemäß § 1b des COVID-19-Zweckzuschussgesetzes, BGBl. I Nr. 63/2020, oder Impfungen im niedergelassenen Bereich gemäß § 747 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955‘ eingefügt.
18. In § 16 Abs. 2 Z 3 wird nach dem Wort ,amtsärztlichen‘ die Wortfolge ,und epidemieärztlichen‘ eingefügt.
19. In § 16 Abs. 2 Z 6 wird nach der Wort- und Zeichenfolge ,gemäß § 17‘ die Wort- und Zeichenfolge ,nach den Bestimmungen des § 36 Abs. 1 lit. g EpiG‘ eingefügt.
n) Nach der Z 21 wird folgende Z 22 eingefügt:
„22. In § 20 Abs. 6 wird nach dem Wort ,Bestimmungen‘ die Wort- und Zeichenfolge ,, sofern durch dieses Bundesgesetz nicht anderes vorgesehen ist,‘ eingefügt.
o) Die Z 23 lautet:
„23. Dem § 20 wird folgender Abs. 7 angefügt:
,(7) Das Inhaltsverzeichnis zu § 3a, § 1 Abs. 2 und 3, § 2 Z 5, § 3 Abs. 2, 3, 5 und 6, § 3a samt Überschrift, § 10 Abs. 2 und 3, § 11 Abs. 1, § 15 Abs. 1, § 16 Abs. 2 Z 2, 3 und 6 sowie § 20 Abs. 2, 5 und 6 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xx/2022 treten mit dem der Kundmachung folgenden Tag in Kraft. Das Inhaltsverzeichnis zu § 3b, § 2 Z 11, § 3b samt Überschrift sowie § 7 Abs. 1, 2a, 2b und Abs. 5 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xx/2022 treten am 11. April 2022 in Kraft. Bis dahin ausgestellte ärztliche Bestätigungen gemäß § 3 Abs. 1 der COVID-19-Impfpflichtverordnung (COVID-19-IV), BGBl. II Nr. 52/2022, bleiben gültig.‘“
Begründung
Zu a), d) und f) (Inhaltsverzeichnis, § 2 Z 11 sowie § 3b):
Da ärztliche Bestätigungen gemäß § 3 Abs. 1 der COVID-19-Impfpflichtverordnung (COVID-19-IV) zum einen nicht fälschungssicher sind und zum anderen die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes keine Möglichkeit haben, eine allfällige Amtssignatur (und somit die Integrität) zu überprüfen, soll mit der vorgeschlagenen Bestimmung auf Grundlage des Art. 9 Abs. 2 lit. g und i DSGVO in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 lit. e DSGVO die Rechtsgrundlage für ein sogenanntes Ausnahmezertifikat geschaffen werden. Die Anpassung der COVID-19-IV ist avisiert.
Für die Aus- und Bereitstellung dieses Ausnahmezertifikats sollen die bereits etablierte Anwendung „EPI-Service“ sowie die ebenfalls bereits etablierten Prozesse im Rahmen des Grünen Passes herangezogen werden. Die aufgrund des Art. 35 DSGVO vorzunehmende Datenschutz-Folgenabschätzung wird durchgeführt. In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass keine Verpflichtung besteht, eine Datenschutz-Folgenabschätzung gemäß Art. 35 Abs. 10 DSGVO vorwegzunehmen.
Bei einem Ausnahmezertifikat handelt es sich sohin um ein Zertifikat, das über den Umstand Auskunft gibt, von der Impfpflicht gemäß § 3 Abs. 1 Z 1 und 2 ausgenommen zu sein. Für den Ausnahmegrund der Genesung (§ 3 Abs. 1 Z 3) ist die Ausstellung eines Ausnahmezertifikats nicht notwendig, da die Genesung mittels Genesungszertifikat nachgewiesen werden kann (vgl. dazu auch § 3 Abs. 5).
Für die Aus- und Bereitstellung sowie die Überprüfung von Ausnahmezertifikaten sollen die §§ 4b und 4f EpiG mit folgender Maßgabe zur Anwendung gelangen.
Die Daten, die das Ausnahmezertifikat zu enthalten hat, orientieren sich einerseits an § 3 Abs. 3 COVID-19-IG und andererseits an den §§ 4c bis 4e EpiG, wonach ein Zertifikat auch die Bezeichnung des Ausstellers des Ausnahmezertifikats sowie die eindeutige Kennung des Ausnahmezertifikats zu enthalten hat. Diese Konformität der zu enthaltenen Daten ist notwendig, um die Überprüfbarkeit des Zertifikats anhand bestehender Mechanismen zu gewährleisten.
Für die Ausstellung des Ausnahmezertifikats ist es erforderlich, dass die ELGA GmbH die im zentralen Impfregister gespeicherten erforderlichen Daten an den für das Gesundheitswesen zuständigen Bundesminister übermittelt. Diese Bestimmung orientiert sich an § 4e Abs. 2 EpiG, wonach die ELGA GmbH die für die Ausstellung von Impfzertifikaten erforderlichen Daten an den für das Gesundheitswesen zuständigen Bundesminister
zu übermitteln hat. Der Unterschied der Datenübermittlung zu § 6 Abs. 1 Z 2 und Abs. 3 besteht – abgesehen vom Zweck der Übermittlung – darin, dass die Datenübermittlung im Rahmen des § 6 nur stichtagsbezogen erfolgt, wohingegen die Datenübermittlung im Rahmen der vorgeschlagenen Bestimmung anlassbezogen zu erfolgen hat. Anlass ist die jeweilige Notwendigkeit, ein Ausnahmezertifikat auszustellen.
Abs. 4 regelt die Zurverfügungstellung der Ausnahmezertifikate und orientiert sich an § 4b Abs. 7 EpiG: Gemäß dessen Z 2 lit. a steht den Bezirksverwaltungsbehörden und Gemeinden eine Portalverbundanwendung zur Verfügung, die es ermöglicht, den betroffenen Personen ihre Zertifikate auszudrucken; ferner sieht dessen Z 3 vor, dass die betroffenen Personen ihre Zertifikate über das Zugangsportal (§ 23 GTelG 2012) erlangen können.
Sowohl die fachlich geeigneten Ambulanzen einer Krankenanstalt, als auch die Amts- und Epidemieärzte haben die betroffenen Personen darüber zu informieren, ob ein Ausnahmegrund in das zentrale Impfregister eingetragen wurde und Amts- und Epidemieärzte haben den betroffenen Personen das Ausnahmezertifikat im Falle der Eintragung in das zentrale Impfregister auch in geeigneter Weise zur Verfügung zu stellen. Die Krankenanstalten haben jedoch keine technische Möglichkeit, auf das Ausnahmezertifikat zuzugreifen, weshalb sie die betroffenen Personen darüber zu informieren haben, wie sie ihr Ausnahmezertifikat erlangen können:
Die von der Impfpflicht ausgenommene Person kann auf das Ausnahmezertifikat entweder im Wege des Zugangsportals (www.gesundheit.gv.at) zugreifen. Da für den Zugriff über das Gesundheitsportal jedoch eine Handysignatur erforderlich ist und nicht alle Personen eine solche besitzen, sind die Bezirksverwaltungsbehörden und Gemeinden verpflichtet, der von der Impfpflicht ausgenommenen Person auf deren Aufforderung hin ihr Ausnahmezertifikat auszudrucken, sofern der Ausnahmegrund von einer fachlich geeigneten Ambulanz einer Krankenanstalt in das zentrale Impfregister eingetragen wurde.
Die vorgeschlagene Löschfrist der Ausnahmezertifikate orientiert sich an § 3 Abs. 10, der die Löschung aus dem zentralen Impfregister regelt. Zum Widerruf des Ausnahmezertifikats siehe die Erläuterungen zu lit. d und e.
Abs. 6 orientiert sich an § 4f Abs. 1 und 7 EpiG und gewährleistet die Überprüfbarkeit der Ausnahmezertifikate durch die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes, sieht aber gleichzeitig ein strenges Weiterverarbeitungsverbot vor.
Da § 4b und § 4f EpiG im Rahmen eines Unionsrechtsaktes geschaffen wurden und aufgrund der derzeit nicht bekannten Entwicklungen auf Unionsebene nicht mit Sicherheit davon ausgegangen werden kann, dass die Bestimmungen zum Grünen Pass ebenso lange in Kraft sind wie das gegenständliche Bundesgesetz, soll durch einen Verweis auf das Bundesgesetz, mit dem § 4b und § 4f eingeführt wurden, die Rechtsgrundlage in jedem Fall erhalten werden.
Zu b) (§ 1 Abs. 2):
Es werden sprachliche Anpassungen in der Novellierungsanordnung vorgenommen.
Zu e) (§ 3 Abs. 3 und 6):
Da ein Ausnahmezertifikat ein Nachweis über den Umstand, von der Impfpflicht gemäß § 3 Abs. 1 Z 1 und 2 ausgenommen zu sein, ist, soll in § 3 Abs. 3 festgelegt werden, dass die ärztliche Bestätigung ausschließlich in Form eines Ausnahmezertifikats zu erfolgen hat.
Da die Form und der Inhalt für die Ausnahmezertifikate bereits direkt im Gesetz festgelegt sind, ist die Verordnungsermächtigung in § 3 Abs. 6 anzupassen.
Zu e) (§ 3 Abs. 5):
Der Ausnahmegrund der Genesung wird bei der Ermittlung der impfpflichtigen Personen gemäß § 6 – ohne Zutun der betroffenen Person – aus dem Register anzeigepflichtiger Krankheiten (§ 4 EpiG) erhoben.
Durch die Änderung soll die Klarstellung erfolgen, dass der Nachweis über das Bestehen dieses Ausnahmegrundes bei Kontrollen durch die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes bzw. – sofern notwendig (vgl. § 11 Abs. 1) – im Verfahren vor der Bezirksverwaltungsbehörde durch die betroffene Person zu erbringen ist.
Zu f) (§ 3a Abs. 1 und 4):
Die Qualifikation als datenschutzrechtlich Verantwortlicher gemäß Art. 4 Z 7 DSGVO knüpft daran an, wer über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten entscheidet, zudem kennt Art. 4 Z 7 DSGVO eine Öffnungsklausel, wonach der datenschutzrechtlich Verantwortliche im Gesetz festgelegt werden kann, wenn dort auch Zweck und Mittel festgelegt sind.
Nachdem mit der Zurverfügungstellung einer elektronischen Anwendung zu den Zwecken gemäß Abs. 1 keine Entscheidung über Zweck und Mittel der Verarbeitung einhergeht (zumal der Zweck im Gesetz vorgegeben ist), sind nicht die jeweiligen Landeshauptleute, sondern die jeweiligen Amts- und Epidemieärzte die datenschutzrechtlich Verantwortlichen (siehe dazu etwa auch https://e-formulare.noel.gv.at/extern/dsgvo/SO-L3BH-COVIMPA.html).
Zu h) bis j) (§ 7 Abs. 1, 2b und 5):
Zertifikate können fehlerhaft ausgestellt oder – durch welche Umstände auch immer – während ihrer Gültigkeitsdauer fehlerhaft werden. In diesem Fall müssen die betroffenen Ausnahmezertifikate rasch und transparent widerrufen werden. Eine Berichtigung von fehlerhaften Zertifikaten (QR-Codes) ist ausgeschlossen (Signaturbruch), sie können nur widerrufen und gegebenenfalls neu ausgestellt werden. Nachdem insbesondere aus Gründen der Datenaufbringung für die Ausstellung der Zertifikate nicht gewährleistet ist, dass der Verantwortliche für das EPI-Service die Ausstellung fehlerhafter Zertifikate verhindern kann, ist der Widerruf eines Zertifikats nur auf Grund einer diesbezüglichen Information der betroffenen Person möglich.
Die gemäß § 7 einzurichtende benannte Stelle für die Entgegennahme von Anfragen und Beschwerden im Zusammenhang mit den Erinnerungsschreiben gemäß § 8 soll auch Informationen über fehlerhafte Ausnahmezertifikate entgegennehmen, diesen Fehlern nachgehen und gegebenenfalls die Neuausstellung eines Ausnahmezertifikats veranlassen. Die Änderungen orientieren sich an § 4b Abs. 8 EpiG, wonach für die Entgegennahme von Informationen über fehlerhafte Zertifikate eine benannte Stelle einzurichten ist. Im Gegensatz zu § 4b Abs. 8 EpiG soll die benannte Stelle jedoch nicht verpflichtet werden, die Ausstellung eines neuen Zertifikats binnen fünf Werktagen zu veranlassen, da Bezirksverwaltungsbehörden vor Versendung einer Aufforderung gemäß § 11 Abs. 1 ohnehin berechtigt sind, auf das zentrale Impfregister zuzugreifen, um sich über den Impfstatus der betroffenen Person zu informieren. Die Veranlassung der Neuausstellung hat nichtsdestotrotz ehestmöglich und ohne unnötigen Zeitverzug zu erfolgen.
Zu k) (§ 11 Abs. 1):
Die Bezirksverwaltungsbehörden sind im Fall einer Anzeige vor Aufforderung und Erlassung einer Impfstrafverfügung berechtigt, auf die Daten im zentralen Impfregister zuzugreifen, um sich über den Impfstatus der angezeigten Person zu informieren. Sollte die angezeigte Person geimpft sein oder im zentralen Impfregister eine Ausnahme (§ 3 Abs. 3) eingetragen sein, so hat die Anzeige nicht weiter zu verfolgen. Da der Ausnahmetatbestand der Genesung jedoch nicht im zentralen Impfregister, sondern im Register
anzeigepflichtiger Krankheiten (§ 4 EpiG) gespeichert ist, würde eine genesene Person eine entsprechende Aufforderung erhalten, obwohl sie von der Impfpflicht ausgenommen ist.
Aus diesem Grund sollen die Bezirksverwaltungsbehörden auch Zugriff auf das Register anzeigepflichtiger Krankheiten erhalten, um sich über den Genesungsstatus einer Person informieren und gegebenenfalls von der Weiterverfolgung einer Anzeige absehen können.
Wie die Zugriffe auf das zentrale Impfregister sollen die Zugriffe auf das Register anzeigepflichtiger Krankheiten durch die Bezirksverwaltungsbehörde protokolliert werden. Da Bezirksverwaltungsbehörden bereits einen Zugriff auf das Register haben, soll durch die vorgeschlagene Änderung keine neue Zugriffsberechtigung geschaffen, sondern eine bestehende ausgeweitet werden.
Ein Zugriff der Bezirksverwaltungsbehörden auf das Register anzeigepflichtiger Krankheiten im Rahmen des § 10 Abs. 3 ist hingegen nicht notwendig, da diese Bestimmung nicht auf das Bestehen eines Ausnahmegrundes abstellt, sondern den Strafaufhebungsgrund der „tätigen Reue“ vorsieht, sofern die Impfpflicht nachgeholt wird.
Zu l) (§ 15 Abs. 1):
Die bisherige Formulierung könnte so verstanden werden, dass es sich bei den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes um Zeugen oder Opfer handeln muss. Mit der Änderung wird klargestellt, dass die Formulierung auf die betroffenen Personen abzielt.
Zu m) (§ 16 Abs. 2 Z 2, 3 und 6):
Mit der Änderung in § 16 Abs. 2 Z 2 wird im Hinblick auf die Verpflichtung der Landeshauptleute gemäß § 16 Abs. 1 klargestellt, dass keine eigenen nach dem COVID-19-IG zu verrechnenden Impfprogramme vorgesehen sind.
Mit der Änderung in § 16 Abs. 2 Z 3 wird klargestellt, dass selbstverständlich auch die Kosten der epidemieärztlichen Bestätigungen gemäß § 3 Abs. 3 und 9 getragen werden.
Mit der Änderung in § 16 Abs. 2 Z 6 wird klargestellt, dass für Epidemieärzte die Kostentragungsregel des § 36 Abs. 1 lit. g EpiG zur Anwendung kommt, auch wenn diese Aufgaben nach dem COVID-19-IG erfüllen.
Zu n) (§ 20 Abs. 6):
Es handelt sich bei dieser Änderung um eine notwendige Anpassung an § 3b Abs. 1 (siehe dazu die Erläuterungen oben).
Zu o) (§ 20 Abs. 7):
Die Ausstellung der Ausnahmezertifikate ist erst möglich, wenn die technischen Voraussetzungen für die Eintragung der Ausnahmegründe in das zentrale Impfregister bestehen. Aus diesem Grund sollen § 3b sowie die darauf bezugnehmenden Änderungen in § 2 Z 11 sowie § 7 erst am 11. April 2022 in Kraft treten.
Klargestellt wird, dass ärztliche Bestätigungen, die vor dem Inkrafttreten dieser Bestimmung ausgestellt wurden, weiterhin gültig bleiben.
*****
Abänderungsantrag
der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner
und Kolleginnen und Kollegen
zum Gesetzentwurf im Bericht des Gesundheitsausschusses 1354 der Beilagen über den Antrag 2172/A betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden (TOP 7)
Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:
Der eingangs bezeichnete Gesetzentwurf wird wie folgt geändert:
Art. 1 (Änderung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes) wird wie folgt geändert:
a) Nach der Z 1 werden folgende Z 1a bis 1c eingefügt:
»1a. In § 351c Abs. 9a Z 2 wird nach dem Ausdruck „Differenzbetrag“ der Ausdruck „und zusätzlich einen Abschlag von 6,5% zum ermittelten EU-Durchschnittspreis“ eingefügt.
1b. Im § 351c Abs. 11 wird nach der Wortfolge „351c Abs. 10 Z 1 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 145/2003“ die Wortfolge „und/oder § 351c Abs. 10 Z 1 bis 3 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 49/2017“ eingefügt.
1c. Im § 351c werden nach dem Abs. 14 folgende Abs. 15 und 16 eingefügt:
„(15) Im Jahr 2023 ist das in Abs. 11 und 12 vorgesehene Verfahren zu den Stichtagen 1. Februar 2023, 30. Juni 2023 und 1. Oktober 2023 letztmalig durchzuführen, wobei abweichend von Abs. 11 der Höchstpreis der wirkstoffgleichen Arzneispezialitäten 20% über dem Preis der günstigsten Arzneispezialität desselben Wirkstoffs liegen darf. Außerdem gilt zusätzlich, dass bei der Feststellung des Höchstpreises auf die günstigste, wirkstoffgleiche Arzneispezialität in der gleichen oder praktisch gleichen Darreichungsform in der Schlüsselstärke abzustellen ist. Liegt aber der Preis der günstigsten Arzneispezialität in der betroffenen Wirkstoffstärke unter dem Preis der günstigsten Arzneispezialität in der Schlüsselstärke, so darf der Höchstpreis 20% über dem Preis der günstigsten Arzneispezialität der betroffenen Wirkstoffstärke liegen. Als Schlüsselstärke gilt die Wirkstoffstärke, die bei Betrachtung über alle vertriebsberechtigten Unternehmen hinweg in Summe die meisten auf Rechnung der Krankenversicherungsträger abgegebenen Verordnungen aller Wirkstoffstärken gemäß maschineller Heilmittelabrechnung aufweist und somit auf Grund der Erfahrungen in der Praxis für eine Behandlung mit der betreffenden Arzneispezialität hauptsächlich angewendet wird.
(16) Bei einer aufgrund von Abs. 15 durchzuführenden Preissenkung muss der Preis nur soweit abgesenkt werden bis der mit den Sozialversicherungsträgern verrechnete Preis (inklusive Umsatzsteuer) der Rezeptgebühr (§ 136 Abs. 3) zum 1. Februar entspricht. Arzneispezialitäten, deren mit den Sozialversicherungsträgern verrechneter Preis (inklusive Umsatzsteuer) die am 1. Februar 2023 geltende Rezeptgebühr nicht überschreitet, sind zur Feststellung des Höchstpreises heranzuziehen, jedoch von der Verpflichtung zur Preissenkung nach Abs. 15 ausgenommen.“«
b) Die Z 4 lautet:
»4. Nach § 765 wird folgender § 766 samt Überschrift angefügt:
„Schlussbestimmungen zu Art. 1 des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xx/2022
§ 766. (1) Die §§ 351c Abs. 9a Z 2, 11, 15 und 16 sowie 735 Abs. 2 Z 2 und Abs. 3e in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xx/2022 treten mit 1. April 2022 in Kraft.
(2) Sofern die Preise für die vom § 351c Abs. 15 erfassten Arzneispezialitäten bis 1. Oktober 2023 innerhalb des Preisbandes gesenkt werden, sind Streichungen für diese Arzneispezialitäten nach § 351f Abs. 1 aus gesundheitsökonomischen Gründen bis 31. Dezember 2023 ausgeschlossen.“«
Begründung
Allgemeiner Teil
Allgemein ist festzuhalten, dass pandemiebedingt eine umfassende Überarbeitung der Preisbildungsregelungen im Bereich des Erstattungskodex nicht möglich ist. Im Hinblick auf die bereits erfolgte Verlängerung der Generika- bzw. Biosimilar-Preisregelung bis Ende des Jahres 2023 soll nunmehr auch die Geltungsdauer der Preisbandregelung letztmalig für den gleichen Zeitraum verlängert werden.
Besonderer Teil
Zu Z 1a (§ 351c Abs. 9a Z 2 ASVG):
Mit der Erhöhung des zurückzuzahlenden Differenzbetrages um einen 6,5% Abschlag zum EU-Durchschnittspreis soll der intendierte Lenkungseffekt verstärkt werden, um für die Krankenbehandlung notwendige Arzneispezialitäten in das Erstattungssystem einzugliedern.
Für Arzneispezialitäten, bei denen die Umsatzschwelle vor dem 1. April 2022 überschritten wurde, gilt Folgendes:
Für Umsätze, die bis zum Inkrafttreten dieser Regelung (1. April 2022) erzielt wurden, darf die Differenz zum EU-Durchschnittspreis rückgefordert werden. Für Umsätze ab dem 1. April 2022 darf dieser zusätzliche Abschlag gefordert werden.
Zu Z 1b, 1c und 4 (§§ 351c Abs. 11, 15 und 16 und 766 Abs. 2 ASVG):
Wie in den Jahren 2017, 2019 und 2021 soll auch im Jahr 2023 – letztmalig – ein Preisband für wirkstoffgleiche Arzneispezialitäten festgelegt werden, um nach wie vor bestehende Preisunterschiede zwischen wirkstoffgleichen Arzneispezialitäten zu reduzieren. Die Differenz zwischen dem Höchstpreis der wirkstoffgleichen Arzneispezialität und dem Preis der günstigsten Arzneispezialität soll von derzeit 30% im Jahr 2023 auf 20% verringert werden und überdies ist nunmehr bei der Feststellung des Höchstpreises auch auf die günstigste wirkstoffgleiche Arzneispezialität in der gleichen oder praktisch gleichen Darreichungsform in der Schlüsselstärke abzustellen, falls nicht der Höchstpreis der betroffenen Wirkstoffstärke unter dem Höchstpreis der Schlüsselstärke liegt.
Weiters wird nunmehr festgelegt, dass zur Feststellung des Höchstpreises zwar auch jene Arzneispezialitäten heranzuziehen sind, deren mit den Sozialversicherungsträgern verrechneter Preis (inkl. Ust.) die am 1. Februar 2023 geltende Rezeptgebühr nicht überschreitet, dass eine Absenkung aber nicht unter diesen Betrag erfolgen muss.
*****
Präsidentin Doris Bures: Die beiden Abänderungsanträge wurden in den Grundzügen erläutert, werden gerade verteilt oder wurden bereits verteilt und stehen mit in Verhandlung.
Nächster Redner: Herr Abgeordneter Peter Wurm. – Bitte.
Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Herr Minister! Zum Start: Ich bin heute auch wieder schockiert: Es hat sich offensichtlich seit einiger Zeit eingebürgert, dass KollegInnen der anderen Parteien sich bemüßigt fühlen, freiheitliche Abgeordnete zu beleidigen oder zu beschimpfen, vor allem faktenfrei. Es ist Ihnen natürlich unbenommen, das hier im Haus zu tun, aber Sie diskreditieren damit auch die Bevölkerung, denn es ist nicht so, dass es nur mehr eine Einheitsmeinung gibt oder geben darf, und das, Kollegin Tanda oder Kollege Reimon, möchte ich einmal kurz aufklären.
Das, was Sie mit der Weitergabe von Impfstoffen, die kurz vor dem Verfall stehen, gemeint haben, haben wir im Ausschuss ausführlich erklärt, Sie sollten es verstanden haben. Der Herr Minister hat es ja selber zugegeben: Wir mussten einen Großteil des Impfstoffes dann entsorgen. Vor allem geht es ja darum – und das ist, glaube ich, die Aufgabe, und gerade die ÖVP sollte das wissen –, mit Steuergeld grundsätzlich sparsam und zweckorientiert umzugehen. Das ist bis jetzt immer ÖVP-Meinung gewesen. Wenn Sie das anders sehen, sollten Sie es klar sagen.
Kollege Reimon sollte vielleicht wissen, dass der Impfstoff in jenen Ländern, in die wir ihn geschickt haben, aus technischen Gründen gar nicht verimpft werden konnte – aber wie gesagt, Sie finden es ja nicht der Mühe wert, sich zumindest im Nachhinein zu entschuldigen, wenn Sie falsche Behauptungen aufstellen oder jemanden beleidigen.
Beim Impfpflichtgesetz, beim Thema Impfen ist es ein Klassiker, wenn sich die ÖVP so wie heute plötzlich herstellt und sagt: Das Testen bringt nichts, das sollte man eigentlich einstellen. – Ich kann mich noch erinnern, die Bevölkerung wird es wissen, dass Sie mantramäßig gesagt haben: Testen, testen, testen!; und das zweite Mantra war: Impfen, impfen, impfen! – Also das erste Mantra lassen Sie jetzt offensichtlich fallen. Zu testen, das haben Sie erkannt, ist nicht der Weisheit letzter Schluss – das sagt die ÖVP jetzt plötzlich selber –, und auch beim Thema Impfen wird es so kommen, wie wir es Ihnen gesagt haben.
Was Ihre Expertenkommission, die Gecko, zur Wirksamkeit der Impfung meint, habe ich gestern schon gesagt; ich habe es auch vorgelesen – ich bitte jeden, auf der Homepage des Bundeskanzleramts nachzuschauen (einen mit Leuchtstift markierten Ausdruck in die Höhe haltend), was die Expertenkommission der Regierung sagt. Also ich werde es noch erleben, dass auch Sie vonseiten der ÖVP das Mantra: Impfen, impfen, impfen!, irgendwann einmal begraben werden. – So.
Wir stehen heute auch hier, um eben dieses ominöse Impfpflichtgesetz, das vier Parteien – die SPÖ, die Grünen, die NEOS und die ÖVP – hier im Parlament durchgepeitscht haben, jetzt schon zu adaptieren, weil eben inhaltlich sehr viele Fehler drinnen sind, die Sie jetzt reparieren wollen.
Das ist vielleicht ganz interessant – einige Dinge möchte ich der Bevölkerung hier kurz erklären –: Der erste Teil war der Bereich Impfbefreiungen. Es gibt sehr, sehr viele Menschen, die aus guten Gründen, medizinischen Gründen, eine Impfbefreiung haben, und das haben Sie in diesem Impfpflichtgesetz jetzt neu geregelt. Dank unseres Widerstands letzte Woche im Gesundheitsausschuss haben Sie jetzt einen Abänderungsantrag eingebracht, denn noch im Gesundheitsausschuss wollte der Minister, dass die alten Impfbefreiungen nicht mehr gelten. Jetzt schreiben Sie hinein: Die alten Impfbefreiungen bleiben – Gott sei Dank – aufrecht.
Jetzt kommen wir zum nächsten Punkt: Wie bekommt man eine neue Impfbefreiung, wenn man keine alte, keine bestehende hat? – Da sind Sie auf die glorreiche Idee gekommen: Jedes Bundesland darf jetzt eine EDV-Stelle einrichten, wo man dann quasi, wenn man Betroffener ist, elektronisch seine Gesundheitsbefunde hinaufladen soll, an eine anonyme Stelle einschicken soll, und dann bekommt man eine Antwort, man bekommt eine Impfbefreiung. Das haben jetzt einige schon versucht, mit dem Echo, dass dann einfach ein E-Mail ohne Absendernamen zurückgekommen ist: abgelehnt.
So gehen Sie mit der Bevölkerung in Österreich um, mit Menschen, die aus guten Gründen diese Impfbefreiung wollen: Man hat nicht einmal mehr Anspruch auf einen persönlichen Termin bei einem Arzt, und man muss das elektronisch hinaufladen, damit man so quasi gnädigerweise vielleicht eine Impfbefreiung bekommt. – Das ist das System ÖVP und Grüne, und das unterstützen leider die anderen Parteien. Wie Sie das der Bevölkerung erklären wollen, auch im Nachhinein, darauf bin ich gespannt.
Was auch interessant ist, wenn es stimmt – Herr Minister, vielleicht können Sie das heute klarstellen –: Wenn ich Ihre Abänderungsanträge richtig interpretiere, dann wollen Sie Antikörpertests jetzt wieder als Impfbefreiungsgrund gelten lassen. – Ich bitte um Aufklärung, Herr Minister, ob ich das richtig interpretiere. In Absatz 3, Punkt 5 steht das so drinnen – vielleicht können Sie das heute klarstellen. Ich würde es so interpretieren.
Es ist natürlich auch so, dass in diesem Impfpflichtgesetz weiters steht, dass man bei tätiger Reue keine Strafe zu zahlen braucht. Allein der Begriff ist schon ein Wahnsinn, aber gut, Sie wollen es ja unbedingt so durchziehen.
Der zweite Teil, das ist auch interessant: Sie wollten dann quasi diese Propagandamaschinerie noch einmal verstärken, am Leben erhalten – die berühmte Impflotterie ist gestorben, wenn wir uns alle noch erinnern; das war ja auch eine glorreiche Idee, die ist begraben –, und jetzt machen Sie quasi noch über die Gemeinden eine Gemeindepropagandageschichte, wo also Gemeinden, wenn sie eine hohe Impfquote haben, mehr oder weniger Sondergeld bekommen. Für die Zuseher noch einmal: Für die Propaganda, sprich für Inserate in den Medien, stehen 75 Millionen Euro zur Verfügung, und dann können die Gemeinden noch über eine halbe Milliarde Euro an Zuschüssen lukrieren, wenn sie sich quasi brav verhalten und eine hohe Impfquote haben.
Nun kommen wir zur Impfquote: Diese definieren Sie in Ihren Gesetzesanträgen bereits „ab 5 Jahren“. Das heißt, da ist für jeden klar, Sie wollen offensichtlich diese Impfquote auch für das Kleinkindalter durchziehen, weil sonst nicht „ab 5 Jahren“ drinstehen würde. Auch das, Herr Minister, könnten Sie klarstellen, aber es ist relativ eindeutig geschrieben: Die Impfquote zählt ab fünf Jahren. – Wir lehnen diesen Zwang zur Kinderimpfung kategorisch ab, und da sind wir leider Gottes momentan noch die Einzigen hier im Parlament.
Was bei der Definition auch nicht klar ist: Wie definieren Sie die Impfquote? Ab dem zweiten Stich, dem dritten, dem vierten, dem fünften? – Das steht hier nicht drin. Das heißt, darauf können sich alle Österreicher einstellen: Offensichtlich wollen Sie die ganze Geschichte noch ins Unendliche weiterführen.
Herr Minister, Sie haben mir versprochen, Sie werden mir die Zahlen mitteilen – ich habe den Herrn Minister nämlich im Gesundheitsausschuss danach gefragt, da man doch einiges daraus herauslesen könnte –, wie viele Impfdosen für das Jahr 2022 für Österreich bestellt wurden. Der Herr Minister hat mir am Donnerstag gesagt, das kann er mir nicht sagen, er wird es mir schriftlich nachreichen. – Ich warte bis heute, Herr Minister, vielleicht haben Sie die Zahlen, damit die Bevölkerung weiß, wie viele Impfdosen nun eingekauft wurden, weil man dann auch abschätzen kann, wie stark Sie diesen Impfdruck mit diesem Impfpflichtgesetz noch fortsetzen wollen.
Ich bin auf diese Antworten sehr gespannt, Herr Minister, und ich sage es noch einmal: Wir wollen nicht nur, dass dieses Impfpflichtgesetz ausgesetzt wird, sondern wir wollen es zu Fall bringen, wir wollen es abschaffen.
Ich kann Sie nur noch einmal ersuchen, diese Spaltung, die Sie in der österreichischen Gesellschaft leider Gottes mit Gewalt durchgeführt haben und die für viele in diesem Land sehr, sehr belastend ist, endlich zu beenden und alle Österreicher wieder ohne Diskriminierung als Bürger zu akzeptieren. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)
14.12
Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Josef Smolle. – Bitte.
Abgeordneter Dr. Josef Smolle (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrte Damen und Herren! Bitte gestatten Sie mir zu Anfang, dass auch ich Bezug auf die Ukraine nehme.
Ich gehöre der Nachkriegsgeneration an und bin mein ganzes Leben im scheinbar selbstverständlichen Frieden aufgewachsen. Zugleich gehöre ich aber auch jener Generation an, für die der Zweite Weltkrieg und auch der Erste Weltkrieg nicht bloß Kapitel im Geschichtsbuch sind, sondern noch lebendige Erzählungen meiner Eltern- und Großelterngeneration darüber, was diese Gräuel und dieses Grauen bedeutet haben. Ich bin in Gedanken bei den Menschen in der Ukraine, und sie verdienen unsere ganze Solidarität. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Abgeordneten der NEOS.)
Ich möchte nun auf den Antrag betreffend Komplementärmedizin eingehen, der sehr weitgreifend ist. Er fordert die Einrichtung von Professuren für Komplementärmedizin, er verlangt auch, dass diese verpflichtend im Regelunterricht vermittelt wird, dass sie in den Regelbetrieb der Krankenhäuser und niedergelassenen Ärzte integriert wird und auch finanziert wird. – Nun, Komplementärmedizin ist ein ganz breites Spektrum ganz verschiedener Methoden, die sehr wenig gemeinsam haben. Wenn man sich fragt: Warum laufen sie unter Komplementärmedizin, warum sind sie nicht einfach Bestandteil unserer Medizin, die wir immer anwenden und lehren?, dann ist eigentlich das verbindende Element, dass es für diese Methoden bislang keinen Nachweis ihrer Wirkung gibt. Das ist natürlich ein Punkt, mit dem man sich konkret auseinandersetzen muss.
Es ist nun einmal so, dass allein die Tatsache, dass eine medizinische Methode breit angewendet wird und auch viel Zustimmung findet, kein Ersatz für einen Wirkungsnachweis ist. Das hat die Medizingeschichte schon oft gezeigt – und es hat im Wesentlichen zwei Gründe, warum diese Einschätzung der Wirksamkeit so schwierig ist. Den einen kennen wir alle, er ist in aller Munde: der Placeboeffekt. Es gibt aber etwas Zweites, das eigentlich noch viel wichtiger ist: Das ist die Selbstheilungskraft der Natur. Sehr vieles kommt von selbst wieder in Ordnung oder bessert sich von selbst. Da sind wir Ärztinnen und Ärzte alle zu mehr Bescheidenheit aufgerufen. Nicht immer, wenn etwas besser wird, lag es unbedingt an der Handlung, die wir gesetzt haben.
Ich nenne ein plakatives Beispiel, das wir alle im Kopf haben: Bei gut 80 Prozent verläuft eine Covid-Infektion einigermaßen glimpflich. Nehmen wir an, wir behandeln alle Infizierten mit etwas völlig Unwirksamen: 80 Prozent werden über eine gute Erfahrung berichten. Wir stehen auf dem Standpunkt: Das, was wirklich wirksam ist, gehört in den Regelbetrieb und in den Regelunterricht. Das, was unwirksam ist, gehört dort nicht hinein. Da möchte ich besonders auf das Thema Unterricht und Ausbildung hinweisen: Wenn eine Methode wirksam ist, dann kann sie durch schlechte Ausbildung und schlechte Ausübung tatsächlich auch unwirksam werden – aber wenn etwas unwirksam ist, dann wird es auch durch die beste Ausbildung nicht wirksam.
In dem Antrag wird etliche Male der Begriff ganzheitlich erwähnt. Ganzheitlichkeit ist etwas, was die Medizin wirklich braucht. Das hat aber nichts mit Komplementärmedizin zu tun, sondern Ganzheitlichkeit entspricht dem sogenannten biopsychosozialen Verständnis. Das heißt, dass die Medizin nur zu einem Teil Bio/Naturwissenschaft ist, aber zu einem ebenso wesentlichen Teil die psychosoziale Dimension zu berücksichtigen hat.
Meine Ärztegeneration hat diese zweite Erfahrung oft erst sehr schmerzhaft nach dem Studium erwerben müssen. Die österreichischen Universitäten bemühen sich spätestens seit den Studienreformen am Beginn der 2000er-Jahre intensiv, das unserem Nachwuchs schon im Studium zu vermitteln; und meine Heimatuniversität, die Med-Uni Graz, die nicht zufällig zu den top 20 Junguniversitäten weltweit zählt, hat dieses psychosoziale Verständnis zu ihrem Leitbild gemacht.
Ich möchte explizit allen Kolleginnen und Kollegen danken, die ihren Patientinnen und Patienten diese wirklich umfassende Medizin – wirksame Maßnahmen verbunden mit der psychosozialen Dimension – zukommen lassen, und allen Lehrenden an den Universitäten, die das unserem Nachwuchs vermitteln. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)
14.17
Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Gerald Loacker, Sie gelangen nun zu Wort. – Bitte.
Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Nun werden zu diesen Tagesordnungspunkten die Abänderungsanträge verteilt, und es ist mehr Substanz in den Abänderungsanträgen als in den eigentlichen Anträgen. Das ist eine Arbeitsweise (Abg. Belakowitsch: Die wir gewohnt sind!), die des Hohen Hauses nicht würdig ist. Wir sollten uns nicht daran gewöhnen, so weiterzuschludern, wie sich das in der Pandemie eingeschlichen hat. Wenn zum Beispiel nun im Impfpflichtgesetz eine neue Datenbank aufgenommen wird, dann muss das gesetzlich dem Datenschutzrat zur Stellungnahme vorgelegt werden – und das haben Sie nicht getan. Sie haben das Gesetz nicht eingehalten. Wir können einer solchen Vorgangsweise dann auch nicht zustimmen.
Es ist schon bemerkenswert, dass die mit Pomp und Gloria angekündigte Impflotterie nicht stattfindet und auch das Geld für die Gemeinden mit diesem Prozentsatz, wie es eigentlich versprochen war, nicht fließt – weil Sie es nicht hinbekommen. Wir haben also eine Regierung, die nicht einmal imstande ist, Geld zu verteilen, so neben der Spur ist sie inzwischen.
Das Gefährliche für die Bürgerinnen und Bürger, für die Patientinnen und Patienten in Österreich findet sich aber im Abänderungsantrag zum TOP 7; und zwar werden da die gesetzlichen Grenzen für die Preise eingezogen, die für Medikamente bezahlt werden. Für No-Box-Medikamente – also für solche, die nicht im Erstattungskodex gelistet sind – wird nun ein Abschlag von 6,5 Prozent vom EU-Durchschnittspreis eingeführt. Nun bitte, geschätzte Zuschauerinnen und Zuschauer, denken Sie einmal nach: EU-Durchschnittspreis! Das, was die Bulgaren, Rumänen und Litauer und so weiter zahlen, haut man mit Frankreich, Deutschland und Österreich in einen Topf, und von diesem EU-Durchschnittspreis wird dann noch einmal etwas abgezogen. Österreich ist ein kleines Land, ein kleiner Nachfrager, und bietet nun auch noch schlechte Preise. Wenn Sie ein Unternehmen mit einem innovativen Medikament haben, in welche Länder werden Sie es zuerst liefern? – In die Länder, die gut zahlen, und nicht in die, die schlecht zahlen. Wir haben da einen Gesetzentwurf vorgelegt bekommen, der Österreich zu einem schlechten Zahler macht.
Also wie sehr ideologisch verblendet kann man eigentlich sein, dass man nach zwei Jahren Coronapandemie immer noch so eine Pharmafeindlichkeit an den Tag legt, dass man glaubt, diese bösen Pharmafirmen würden da ein ihnen nicht zustehendes Geschäft machen?
Sie sparen auf dem Rücken der Patientinnen und Patienten. Das ist unverantwortlich. Es werden die modernsten Therapien in Österreich nicht mehr zur Verfügung stehen, weil Sie nicht bereit sind, für gute, moderne Produkte einen anständigen Preis zu bezahlen, sondern unter dem Durchschnitt zahlen wollen. Ich halte es für skandalös, so etwas in einem Abänderungsantrag en passant hineinzuschmieren.
Dann muss man sich auch noch Folgendes anschauen: Ihre Regierungskollegin, Frau Ministerin Schramböck, posaunt ja immer laut irgendetwas von Pharmastandort stärken. Wird ein Pharmaunternehmen seine Betriebsstätten in einem Land stärken, das besonders schlechte Preise zahlt? Glauben Sie, Sie tun dem österreichischen Pharmastandort einen Gefallen, wenn Sie die Preise unter das europäische Durchschnittsniveau drücken? Also da arbeitet ja der Gesundheitsminister gezielt gegen die Wirtschaftsministerin – an der es auch viel zu kritisieren gibt.
Wenn es darum geht, dass die Patientinnen und Patienten in Österreich, die verdammt hohe Krankenversicherungsbeiträge zahlen, das Beste bekommen, dann muss man sagen: Das, was Sie liefern, ist genau das Gegenteil. (Beifall bei den NEOS.)
14.21
Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Elisabeth Götze. – Bitte.
Abgeordnete Dr. Elisabeth Götze (Grüne): Frau Vorsitzende! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Leider: Die Pandemie ist nicht vorbei. Kinder, Jugendliche, auch viele Unternehmen, unter anderem Kleinstunternehmen, leiden noch darunter.
Die Lockerungen sind zwar schon spürbar, aber wir wissen nicht genau, wie es im Herbst weitergeht. Gleichzeitig wissen wir, dass die Impfung schützt, und zwar dann, wenn die Durchimpfungsrate hoch genug ist. Es ist die Rede von 90 Prozent als Zielwert, dann funktioniert das gesellschaftlich. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)
Daher wurde im letzten Plenum ein Antrag für ein Gesetz zur Erhöhung der Inanspruchnahme von Impfungen eingebracht. Unter den Titeln „Impflotterie“, „Impfkampagne“ und „Impfprämie“ sollten Anreize entwickelt werden. Das wurde auch im Gesundheitsausschuss diskutiert. Der Antrag wurde von der Koalition, also von Volkspartei und Grünen, sowie der SPÖ eingebracht und im Gesundheitsausschuss diskutiert.
Medial war zu vernehmen, die Impflotterie sei so nicht umsetzbar, leider auch nicht die Impfprämie. Da muss ich leider in Richtung Sozialdemokratie schauen. Es ist so, dass die Impfprämie eine Verfassungsmehrheit zur Voraussetzung hätte (Ruf: Stimmt ja gar nicht!), sagen die Juristinnen und Juristen. Die ist derzeit nicht darstellbar. Ich finde das sehr schade, weil sie die Anstrengungen, die viele Gemeinden wirklich unternehmen, mit, wenn man so will, Zweckzuschüssen, die die Gemeinden gut brauchen können, kombiniert hätte. Also das, was die Gemeinden sowieso tun, hätten wir damit quasi belohnen können. Das ist derzeit in der Finanzverfassung noch nicht vorgesehen. Aus Betrieben kennen wir das schon.
Das, was wir heute immerhin bekommen, sind Gelder für Impfkampagnen in den Gemeinden: 75 Millionen Euro. Das ist schon ganz schön viel. Die Gemeinden können das gut brauchen, weil sie damit zielgerichtet das anbieten können, was vor Ort Sinn macht, wie beispielsweise Broschüren, Social-Media-Kampagnen, Printmedien, aber auch Veranstaltungen, zum Beispiel mit dem örtlichen Gemeindearzt oder der Gemeindeärztin. Also das, was vor Ort sozusagen passend ist, können Bürgermeisterinnen, Bürgermeister anbieten und machen. Das finde ich sehr sinnvoll.
Übrigens wird das Geld im April automatisch ausgeschüttet. Dann können die Gemeinden damit tun, was auch immer sie tun wollen. Sollten sie es aus irgendwelchen Gründen nicht in Anspruch nehmen wollen, dann wird Ende des Jahres mit den Ertragsanteilen rückverrechnet.
Ich möchte Ihnen noch ein Beispiel nennen: In Laab im Walde, meiner Heimatregion im Wienerwald, gibt es ein sehr gutes, ambitioniertes Gemeindeteam, das schon ganz viel macht, wobei man zugegebenermaßen sagen muss, der Bürgermeister ist zufälligerweise auch Arzt. Er hat sehr früh mit persönlichen Informationskampagnen begonnen beziehungsweise hat er die Leute angeredet. Er hat es Communityeffekt genannt, und er hat so eine riesige, also eine wirklich sehr beachtenswerte Impfquote erreicht.
Das ist das, was wir glaube ich brauchen: dieses persönliche Engagement vor Ort. Das wollen wir unterstützen, und dafür bitte ich auch hier um Unterstützung. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)
14.25
Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich Herr Bundesminister Mückstein zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Minister.
14.25
Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Dr. Wolfgang Mückstein: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte noch kurz zu dem Antrag der Freiheitlichen Partei, Spenden zu verbieten, Stellung nehmen.
Ich möchte kurz berichten: Erstens ist es in Österreich nur dann erlaubt, Impfstoffe zu spenden, wenn in Österreich der Bedarf gedeckt ist. Wir haben seit Juli Impfstoffe gespendet: 4,8 Millionen Dosen. Welche Impfstoffe haben wir gespendet und in welchem Rahmen? – Wir haben 1 Million Dosen Impfstoff von Johnson & Johnson gespendet, und zwar Anfang November, zu einem Zeitpunkt, als die Nachfrage nach Johnson & Johnson in Österreich nicht mehr gegeben war. Wir haben an Astra-Zeneca-Impfstoff im Wesentlichen Bosnien-Herzegowina eine halbe Million Dosen gespendet, und dem Iran haben wir auch in mehreren Tranchen Astra-Zeneca-Impfstoff gespendet. Das heißt, wir haben Impfstoff gespendet, der in Österreich nicht mehr gebraucht worden ist. Es muss jedem klar sein, dass die Pandemie erst dann vorbei ist, wenn sie überall vorbei ist.
Wir haben zusätzlich 5 Millionen Stück Impfbesteck bestellt, weil wir wissen, dass in manchen Ländern – vor allem in Afrika –, wo die Impfquote nur 10 Prozent beträgt, gar nicht die Möglichkeit besteht, die Menschen mit reinen Ampullen zu impfen. Die brauchen eben auch Kolben und Nadeln dazu.
Insgesamt sind circa 1,5 Millionen Dosen über den internationalen Verteilmechanismus Covax gespendet worden, 3,3 Millionen Dosen bilateral.
Solidarität ist, glaube ich, wichtig, weil wir wissen, dass wir – und das zeigt die Pandemie ganz genau – nur gemeinsam vorgehen können.
Die Europäische Kommission hat Ende des Jahres Hera, eine EU-Behörde für die Krisenvorsorge und -reaktion, eingerichtet. Was macht Hera? – Im Fall einer Gesundheitsnotlage wird gemeinsam eingekauft: Impfstoffe, Hilfsmittel, Therapeutika. Wir profitieren gerade davon, dass es die EU gibt, weil wir Impfstoffe in dem Ausmaß, in dem wir sie brauchen, bekommen. Gerade eben bekommen wir Medikamente, um die es ebenfalls eine europäische Bemühung gegeben hat. Das heißt, auch da gibt es einen Solidaritätsgedanken, von dem wir selber profitieren.
Noch eine Stufe darüber: Die WHO verfolgt den One-Health-Ansatz. Da geht es darum, dass die Gesundheit von Menschen mit der Tiergesundheit, aber auch der Umwelt zusammenhängt. Denken wir an die Antibiotikaresistenzen: Es ist, glaube ich, egal, ob eine Antibiotikaresistenz in Afrika, in Asien oder in Amerika entsteht: Wenn ein Antibiotikum nicht mehr wirkt, dann hat es auch bei einem selbst keine Wirkung mehr. Das heißt, die EU verfolgt sehr konsequent, auch mit Unterstützung der Weltgesundheitsorganisation, den Ansatz des Wissens- und Technologietransfers in den globalen Süden.
Zum Impfpflichtgesetz: Sie haben vor wenigen Wochen in diesem Haus das COVID-19-Impfpflichtgesetz beschlossen. Wir haben einen breiten Begutachtungsprozess mit der Integration von vielen Expertinnen und Experten hinter uns gebracht. Wir haben die Zivilgesellschaft integriert. Warum brauchen wir das? – Ich glaube, Omikron zeigt uns am allerbesten, warum wir das Impfen brauchen. Wir waren Anfang Dezember mit Delta in einer Situation, in der wir durch die vierte Welle, aber auch durch die Impfungen eine sehr hohe Immunität in der Bevölkerung gehabt haben. Damit wären wir voraussichtlich ganz gut durch den Winter gekommen. Dann ist Omikron gekommen, eine wesentlich ansteckendere Variante, und hat sich innerhalb weniger Wochen in ganz Europa ausgebreitet – Gott sei Dank mit nicht so dramatischen Auswirkungen auf das Spitalswesen wie Delta. Da ist einmal ordentlich umgerührt worden und die Karten sind neu gemischt worden.
Ich habe beim EU-GesundheitsministerInnentreffen auch mit Karl Lauterbach, dem deutschen Gesundheitsminister, der selber Epidemiologe ist, geredet. Er sagt, es ist nicht gesagt, dass wir nicht eine neue Variante kriegen, die nicht virulenter, stärker krank machend ist. Das heißt, wir müssen uns jetzt im Frühjahr, im Sommer gut auf den Herbst, auf eine mögliche neue Virusvariante vorbereiten. Ich warne vor der Vorstellung, dass im April, nachdem Omikron vorbei ist, die Durchseuchung stattgefunden hat – ein hässlicher Ausdruck –, viele Menschen Omikron gehabt haben werden, wir jedenfalls in eine endemische Phase gehen. Das ist nicht gesagt. Wir brauchen eine hohe Durchimpfungsrate. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Das Gesetz wurde ganz bewusst als flexibles Rahmengesetz gestaltet, um auch auf aktuelle Bedürfnisse und Erkenntnisse eingehen zu können. Genau diese expliziten und genau bestimmten Verordnungsermächtigungen, die einerseits die Bundesregierung betreffen, andererseits mich als Gesundheitsminister betreffen, sollen dazu dienen, neue Erkenntnisse, den aktuellen Stand der Wissenschaft in die Entscheidungen mit einzubinden.
Aktuell bereiten wir uns im Rahmen des ursprünglichen Zeitplans auf die Umsetzung der Impfpflicht vor. Zu diesem Zweck wollen wir das COVID-19-Impfpflichtgesetz um neue Anregungen ergänzen. Unter anderem sollen Personen, die einen Ausnahmegrund geltend gemacht haben, ein digitales Zertifikat zur Verfügung gestellt bekommen, so wie wir das ja jetzt schon bei den Genesungs- und Impfnachweisen kennen. In Anlehnung an die EU-konformen Zertifikate des grünen Passes soll es auch möglich sein, einen allfälligen Ausnahmegrund digital nachzuweisen. Die datenschutzrechtlichen Voraussetzungen hierfür werden jetzt in diesem vorliegenden Abänderungsantrag geschaffen.
Meine Damen und Herren, Sie haben es von mir schon oft gehört, und heute sage ich es wieder: Die Coronaschutzimpfung ist sicher, sie ist wirksam (Zwischenruf des Abg. Wurm) und sie ist der beste und sicherste Weg aus der Pandemie, denn nur mit einer hohen Durchimpfungsrate sind wir auch im Herbst gut vor einer neuen Welle mit neuen Varianten eventuell geschützt.
Lassen Sie uns diesen Weg gemeinsam gehen und hierfür das COVID-19-Impfpflichtgesetz noch benutzerfreundlicher gestalten! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Wurm: Eine Frage, Herr Minister, ...!)
14.32
Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Frau Abgeordnete Verena Nussbaum zu Wort. – Bitte.
Abgeordnete Mag. Verena Nussbaum (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen im Hohen Haus! Ich werde zu den ursprünglich vorgesehenen Maßnahmen zur Erhöhung der Inanspruchnahme der Covid-Impfung reden, zu TOP 6.
Nach zwei Jahren Pandemie sind wir an die Chaospolitik der Bundesregierung ja schon fast gewöhnt, aber immer wieder gibt es dann doch noch Überraschungen. Daher wundert es uns nicht mehr, dass die Menschen in unserem Land extrem verunsichert geworden sind.
Das sehen wir auch an der Durchimpfungsrate, die weiterhin sehr niedrig ist. Letztes Wochenende zum Beispiel haben in Oberösterreich nur 27 Menschen eine Erstimpfung erhalten. Es geht nichts mehr weiter, immer weniger Leute holen sich die Impfung. Das ist auch kein Wunder, denn vonseiten der ÖVP werden Stimmen aus den Ländern bis zum Bundeskanzler gegen die Impfpflicht laut. Die Impfpflicht wird infrage gestellt, obwohl erst die Impfkommission, also dieses Expertengremium, eingesetzt wurde und diese Empfehlungen noch nicht vorhanden sind.
Jetzt haben wir vor einem Monat Impfanreize gesetzt, wobei auch wir als SPÖ auf dem Entschließungsantrag draufgestanden sind. Da ist es darum gegangen, eine Impflotterie einzusetzen. Ich möchte hiermit ganz klar sagen: Vonseiten der SPÖ war es nie die Idee, eine Lotterie zu machen. (Beifall bei der SPÖ. – Heiterkeit und Zwischenrufe der Abgeordneten Meinl-Reisinger, Wurm und Loacker.) Wir wollten immer Impfgutscheine, und zu dieser Forderung stehen wir auch heute noch.
Die ÖVP schafft es gemeinsam mit den Grünen nicht, diese Impflotterie zustande zu bringen. Was passiert? – Wir bekommen eine halbe Stunde vor der letzten Sitzung des Gesundheitsausschusses eine Abänderung: Die individuellen Impfanreize werden ersatzlos gestrichen. Wir brauchen offensichtlich keine Impfanreize für die Bevölkerung.
Was ist noch übrig geblieben? – Die Gemeindemaßnahmen, auf die die ÖVP sehr großen Wert gelegt hat. Da ist es insgesamt um 525 Millionen Euro gegangen. Wenn Impfquoten in den Gemeinden erreicht würden, würden diese Gelder ausbezahlt werden. Plötzlich, für uns unerklärlich, ist eine Verfassungsbestimmung notwendig geworden. Im Ausschuss konnte uns nicht erklärt werden, wieso plötzlich eine Verfassungsbestimmung notwendig ist. Es wurde uns versprochen, dass wir noch informiert würden, dass man mit uns noch sprechen würde. – Nichts ist passiert, es wurde mit uns absolut nicht gesprochen.
Jetzt finde ich es halt lustig, wenn man heute Vormittag während der Sitzung in den Medien liest, dass die ÖVP rausgeht und sagt, dass wir, die SPÖ, das jetzt verhindern wollen. Wir sind sowieso immer schuld, wenn die Regierung etwas nicht auf die Reihe kriegt. Nur weil wir einer Verfassungsbestimmung nicht zustimmen, sind jetzt wir schuld daran, dass auch diese 525 Millionen Euro nicht kommen. – Man hat den Eindruck, die Regierungsparteien wollen absolut keine Impfanreize mehr setzen. (Beifall bei der SPÖ.) Das ist ein eindeutiges Abgeben von Verantwortung, es geht nichts mehr weiter.
Herr Bundesminister, es bleiben so viele Fragen offen! Sie sagen hier relativ emotionslos: Es ist wichtig, dass die Menschen zur Impfung gehen, nur so können wir zukünftige Wellen und den Herbst und dann den Winter gut überstehen. – Glauben Sie wirklich, dass, nur weil Sie das hier so sagen, die Menschen jetzt zur Impfung laufen und sich diese holen? Wo bleiben Impfanreize? Es gibt keine Vorschläge mehr, keine konkreten Maßnahmen, die Sie setzen wollen. Glauben Sie wirklich, dass es die Impfquote erhöht, wenn in den Gemeinden ein paar Zettel aufgehängt werden?
Ich kann Ihnen aber sagen, ich bringe jetzt einen Entschließungsantrag ein. (Abg. Ries: ...zittern wir wieder!) – Da brauchen Sie nicht zu zittern. Das wird schön, wenn Sie sagen, wir greifen die Ideen der Sozialdemokratie auf. (Ruf bei der FPÖ: Nein, danke!) Es geht um unseren 500-Euro-Gutschein.
Ich bringe folgenden Antrag ein:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Kucher, Kolleginnen und Kollegen betreffend „individuelle Impfanreize für eine möglichst rasche Durchimpfung“, eingebracht im Zuge der Debatte zum Antrag 2235/A
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung wird aufgefordert, umgehend eine Impfprämie in Höhe von 500 Euro in Form von Gutscheinen, die bei österreichischen Betrieben eingelöst werden können aufzulegen. Die Gutscheine sollen dabei für alle Menschen, die eine Impfserie abgeschlossen haben und sobald eine Impfquote von 90% erreicht wird, gewährt werden.“
*****
Danke schön. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Belakowitsch: Aber was ist eine Impfprämie?)
14.37
Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Kucher,
Genossinnen und Genossen
betreffend individuelle Impfanreize für eine möglichst rasche Durchimpfung
eingebracht im Zuge der Debatte zum Antrag 2235/A der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz zur Erhöhung der Inanspruchnahme von Impfungen gegen COVID-19 (1352 d.B.)
Die Anzahl der aktuell täglich verabreichten Impfdosen ist im Keller. Am 17. Februar wurden österreichweit lediglich 8.651 Impfdosen verabreicht, welche sich auf 748 Erststiche, 2.746 Zweitstiche und 5.157 Drittstiche aufteilen.
Diese Zahlen sind angesichts der seit 7. Februar 2022 geltenden Impfpflicht mehr als nur alarmierend. So wird eine Durchimpfungsrate von über 90 Prozent, die für eine Immunisierung der österreichischen Bevölkerung und damit dem Schutz vor weiteren extremen Einschränkungen und Eingriffen in die Grundrechte unserer Bürger*innen, die möglicherweise im kommenden Herbst und Winter wieder drohen, nicht erreicht werden.
Dazu kommt das Verwirrspiel dieser Bundesregierung zur Impfpflicht, denn kaum in Kraft, wird sie auch schon wieder vor allem von hochrangigen ÖVP-Politikern – inklusive Bundeskanzler – in Zweifel gezogen.
Diese türkis/grüne Regierung versagt auf ganzer Linie. So auch bei den versprochenen Impfanreizen, welche die Bürger und Bürgerinnen unseres Landes motivieren sollten, sich impfen zu lassen.
Die vereinbarte Impflotterie wurde vom Bundeskanzler einfach abgesagt, weil die Regierung es nicht schafft eine solche umzusetzen. Andere Vorschläge für individuelle Impfanreize werden einfach ignoriert.
Die SPÖ hat bereits vor Monaten vorgeschlagen, dass alle Menschen in Österreich, die eine Impfserie abgeschlossen haben, einen Gutschein in Höhe von 500 Euro erhalten. Diese Gutscheine sollen bei allen Unternehmen, die den Firmensitz in Österreich haben, in Österreich steuerpflichtig sind, tatsächlich Steuern bezahlt haben und zu den besonders betroffenen Branchen zählen, eingelöst werden können. Die Gutscheine werden allen Betroffenen ausgefolgt, sobald eine Impfquote von 90% erreicht wird.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachstehenden
Entschließungsantrag
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung wird aufgefordert, umgehend eine Impfprämie in Höhe von 500 Euro in Form von Gutscheinen, die bei österreichischen Betrieben eingelöst werden können aufzulegen. Die Gutscheine sollen dabei für alle Menschen, die eine Impfserie abgeschlossen haben und sobald eine Impfquote von 90% erreicht wird, gewährt werden.“
*****
Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.
Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Martina Diesner-Wais. – Ich erteile es Ihnen.
Abgeordnete Martina Diesner-Wais (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren im Hohen Haus! Liebe Fernsehzuseher! Frau Kollegin Heinisch-Hosek und Herr Kollege Wurm, wenn Sie bekritteln, dass wir das Impfpflichtgesetz abändern, so hat uns die Pandemie, glaube ich, gelehrt, dass es ständig neue Herausforderungen und Situationen gibt. (Heiterkeit der Abg. Belakowitsch.) Daher sind Abänderungen, glaube ich, wichtig.
Wir haben dieses Gesetz so gemacht, dass es auf viele Fragen Antworten gibt, und so bedarf es auch heute dieser Abänderung. Wie Sie wissen, können seit Montag jene Leute, die eine Impfbefreiung brauchen oder wollen, sich auf Plattformen der jeweiligen Bundesländer entsprechend anmelden. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Da braucht es einfach noch technische Anpassungen, nämlich – der Herr Minister hat es schon angesprochen – konkrete Formulierungen (Abg. Wurm: ...Datenschutz!), was den Datenschutz und die Datenplattform betrifft. So ist das, glaube ich, eine gute Sache. (Abg. Belakowitsch: Sie glauben oder Sie wissen, dass es eine gute Sache ist? Sie glauben es nur!)
Ich möchte jetzt aber auch noch zum Antrag betreffend die Impfkampagne sprechen. Es geht darum, die Pandemie so schnell wie möglich zu bewältigen, und das ist etwas, das wir alle wollen. Wie es meine Kollegin vorhin schon angesprochen hat, braucht es da einen Mix an Impfmotivationen, der gewünscht worden ist. Ein Teil dieser Motivation wäre natürlich auch die Gemeindeprämie gewesen, damit man zu einer höheren Impfquote kommt. Dafür braucht es aber eine verfassungsrechtliche Mehrheit, und da diese heute nicht gefunden werden kann, können die 525 Millionen Euro an die Gemeinden momentan eben noch nicht ausgeschüttet werden.
Ich verstehe da die Fraktion der SPÖ nicht, dass Sie heute hier nicht mitstimmen und es blockieren, denn auch dieses Gesetz wäre eine Möglichkeit, wie Sie es selbst gerade vorhin gesagt haben, zur Bekämpfung der Pandemie.
Ein Abänderungsantrag soll nun aber sicherstellen, dass wir die Impfkampagnen in den Gemeinden hier auch gesetzlich verankern können; danach sollen die 75 Millionen Euro den Gemeinden eben für die verschiedenen Dinge ausbezahlt werden: für Gedrucktes, für Onlinekampagnen, Informationen durch Ärzte, Vereine und andere Dinge. (Abg. Belakowitsch: Für Umfragen! – Abg. Wurm: Umfragen auch! Umfragen!)
Wie schon von meiner Kollegin angesprochen, soll es von der Administration her natürlich relativ einfach sein: Es bedarf lediglich einer widmungsgemäßen Verwendung. Dies gilt bis zum 31. Dezember 2022.
So möchte ich mich bei all den Gemeinden bedanken, die diesbezüglich wirklich schon viel Engagement an den Tag gelegt und auch großen Einsatz bei der Bekämpfung der Pandemie gezeigt haben, und darf nun folgenden Antrag einbringen:
Abänderungsantrag
der Abgeordneten Martina Diesner-Wais, Dr. Elisabeth Götze, Kolleginnen und Kollegen zum Bericht des Gesundheitsausschusses (1352 d.B.) betreffend ein Bundesgesetz zur Erhöhung der Inanspruchnahme von Impfungen gegen COVID-19, 2235/A
Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:
Der im Titel bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:
1. § 1 Abs. 3 lautet:
„(3) Der Zuschuss ist von der Gemeinde für gemeindeeigene Aktionen ab dem 1. Februar 2022 zu verwenden, und zwar insbesondere für folgende Maßnahmen:
1. Kreation, Produktion sowie Verteilung von Printmaßnahmen, insbesondere von Inseraten, Plakaten, Flyern oder Broschüren, oder
2. Kreation, Produktion sowie Bewerbung von Onlinemaßnahmen, insbesondere von Social-Media-Content oder Webseiten, oder“ – (Abg. Wurm: Und Umfragen!) –
„3. Planung und Durchführung von persönlichen Informationsmaßnahmen, insbesondere von Veranstaltungen oder Informationsständen.
Bei allen Maßnahmen iSd Absatzes ist von der Gemeinde in geeigneter Form ein Hinweis zu platzieren, dass diese Maßnahme aus Mitteln der kommunalen Impfkampagne finanziert wurde. Diese Kennzeichnungspflicht gilt nur für Produkte, deren Herstellung nach dem 5. April 2022 beauftragt wird.“
2. § 2 samt Überschrift entfällt.
3. In § 3 entfallen Abs. 3 und Abs. 6, der ursprüngliche Absatz 4 erhält die Absatzbezeichnung „(3)“ und der ursprüngliche Absatz 5 die Absatzbezeichnung „(4)“.
*****
Danke. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)
14.43
Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:
Abänderungsantrag
der Abgeordneten Martina Diesner-Wais, Dr. Elisabeth Götze,
Kolleginnen und Kollegen
zum Bericht des Gesundheitsausschusses (1352 d.B.) betreffend ein Bundesgesetz zur Erhöhung der Inanspruchnahme von Impfungen gegen COVID-19, 2235/A
Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:
Der im Titel bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:
1. § 1 Abs. 3 lautet:
„(3) Der Zuschuss ist von der Gemeinde für gemeindeeigene Aktionen ab dem 1. Februar 2022 zu verwenden, und zwar insbesondere für folgende Maßnahmen:
1. Kreation, Produktion sowie Verteilung von Printmaßnahmen, insbesondere von Inseraten, Plakaten, Flyern oder Broschüren, oder
2. Kreation, Produktion sowie Bewerbung von Onlinemaßnahmen, insbesondere von Social-Media-Content oder Webseiten, oder
3. Planung und Durchführung von persönlichen Informationsmaßnahmen, insbesondere von Veranstaltungen oder Informationsständen.
Bei allen Maßnahmen iSd Absatzes ist von der Gemeinde in geeigneter Form ein Hinweis zu platzieren, dass diese Maßnahme aus Mitteln der kommunalen Impfkampagne finanziert wurde. Diese Kennzeichnungspflicht gilt nur für Produkte, deren Herstellung nach dem 5. April 2022 beauftragt wird.“
2. § 2 samt Überschrift entfällt.
3. In § 3 entfallen Abs. 3 und Abs. 6, der ursprüngliche Absatz 4 erhält die Absatzbezeichnung „(3)“ und der ursprüngliche Absatz 5 die Absatzbezeichnung „(4)“.
Begründung
Zu Z. 1 (§ 1 Abs.3):
Um den Spielraum der Gemeinden bei der Gestaltung gemeindeeigener Aktionen zur Erhöhung der Inanspruchnahme von Impfungen gegen COVID-19 zu vergrößern, wird statt des bisherigen Textes „und zwar für folgende Maßnahmen“ nunmehr die Wortfolge „und zwar insbesondere für folgende Maßnahmen“ verwendet, sodass die Aufzählung der Maßnahmen nicht mehr eine taxative, sondern eine demonstrative ist.
Mit dem neuen letzten Satz in § 1 Abs. 3 soll im Sinne der Transparenz jedenfalls auf allen Print- und Online-Produkten sowie Einladungen zu persönlichen Informationsmaßnahmen ein Hinweis platziert werden, dass diese Maßnahme aus Mitteln der kommunalen Impfkampagne finanziert wurde (beispielsweise mit dem Vermerk „Kommunale Impfkampagne“). Auch bei Maßnahmen, die in den Z 1 bis 3 aufgezählt sind, ist die Kennzeichnungspflicht in geeigneter Form umzusetzen..Da bereits gemeindeeigene Aktionen ab dem 1. Februar 2022 bezuschusst werden und die Gemeinden diese Verpflichtung nicht rückwirkend umsetzen können, gilt sie erst für Produkte, deren Herstellung nach der Überweisung der Bundesmittel (welche bis 5. April 2022 erfolgt) beauftragt wird. Bei Produkten, die von der Gemeinde selbst hergestellt werden, wird auf den gemeindeinternen Auftrag abzustellen sein. Dieses Datum 5. April 2022 eröffnet die Möglichkeit, die Gemeinden im Begleitschreiben zur Überweisung der Mittel ausdrücklich auf diese Verpflichtung hinzuweisen.
Zu Z. 2 und 3 (§2):
In § 2 war vorgesehen, Geldmittel des Bundes in Höhe von insgesamt 525 Mio € als Prämien an Gemeinden auszuzahlen, die eine hohe Impfquote von 80%, 85% oder 90% erreichen und dadurch in besonderer Weise zur Bekämpfung der Pandemie beitragen. Für diesen Teil des Gesetzes wäre im Hinblick auf die damit vorgeschlagene Abweichung vom Finanz-Verfassungsgesetz eine 2/3-Mehrheit erforderlich gewesen. Die Abstimmung im Ausschuss und die bisherigen Aussagen der Oppositionsparteien, dass sie diesem Vorhaben nicht zustimmen würden, haben aber leider erkennen lassen, dass die für die Beschlussfassung über diese Prämien an Gemeinden im Gesamtumfang von 525 Mio € erforderliche qualifizierte Mehrheit nicht zustande kommt. Daher muss § 2 samt Inkrafttretensbestimmung und Vollzugsklausel gestrichen, damit wenigsten die in § 1 vorgesehenen Mittel an Gemeinden gültig beschlossen werden können.
*****
Präsidentin Doris Bures: Der Abänderungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher mit in Verhandlung.
Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Alois Stöger zu Wort gemeldet. – Bitte.
Abgeordneter Alois Stöger, diplômé (SPÖ): Frau Abgeordnete Diesner-Wais hat in ihrer Rede behauptet, das Zweckzuschussgesetz brauche eine Verfassungsbestimmung. Das ist unrichtig.
Der richtige Sachverhalt lautet: § 13 des Finanz-Verfassungsgesetzes lässt es zu, dass die Bundesregierung einfachgesetzlich Zweckzuschüsse an die Gebietskörperschaften gewährt. (Zwischenruf der Abg. Steinacker.) Sie können das auch überprüfen, Frau Abgeordnete: Beim Kommunalinvestitionsgesetz haben wir auch keine Verfassungsbestimmung gebraucht. (Abg. Steinacker: Tatsächliche Berichtigung, bitte!)
Warum Sie eine Verfassungsbestimmung brauchen, ist ganz einfach (Abg. Steinacker: Tatsächliche Berichtigung!): Sie wollen den Grünen nicht die Chance geben, hier eine Lösung zu bringen, und wollen die SPÖ schuldig werden lassen, damit Sie nicht zustimmen müssen. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Das war keine tatsächliche Berichtigung!)
14.44
Präsidentin Doris Bures: Zum Schluss sind wir schon in die Nähe einer Wortmeldung gekommen (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch), aber sonst war es eine richtige und auch geschäftsordnungsgemäße tatsächliche Berichtigung.
Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Rosa Ecker. – Bitte.
Abgeordnete Rosa Ecker, MBA (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werter Herr Minister! Also ich hoffe ja, er kommt noch während meiner Rede. Geschätzte Damen und Herren hier im Saal und zu Hause! Zwei freiheitliche Anträge haben es heute ins Plenum geschafft, weil beide abgelehnt wurden: zu TOP 4 der Antrag betreffend Verschenken von Medizinprodukten und zu TOP 9 jener betreffend Maßnahmen für die Komplementärmedizin, beide von Kollegen Kaniak.
Ich möchte da schon noch einmal auf die Meldung des Kollegen Reimon zurückkommen: Er hat festgestellt, dass er sich nicht vorstellen kann, dass es noch zu toppen wäre, dass jemand gegen das Verschenken von Medizinprodukten ist. – Da kann ich weiterhelfen: Das kann man absolut toppen, indem man nämlich diese Medizinprodukte – sprich: diese Impfungen – so verschenkt, dass sie in den Ländern, in denen sie ankommen, nicht verimpft werden können beziehungsweise nicht so schnell verimpft werden können, dass das Ablaufdatum nicht vorher überschritten wird – und da reden wir von doch einigen Dosen, zum Beispiel von einer halben Million Dosen Astra Zeneca, die nach Bosnien geliefert wurden und dort dann vernichtet werden müssen. Also es geht absolut!
Alle anderen Oppositionsanträge wurden wieder vertagt. Die Hauptarbeit des Gesundheitsausschusses mit türkis-grüner Mehrheit ist vertagen, vertagen, vertagen, und das mit mehr als fadenscheinigen Begründungen. Long-Covid-Strategie, ärztliche Versorgung im ländlichen Raum, Facharztausbildung für Kieferorthopäden, Bundesgenossenschaft für Pflege und Betreuung, finanzielle Anerkennung der häuslichen Pflege, Pflegekräftemangel: alles vertagt.
Ich wollte den Herrn Minister fragen, ob er aus seiner Arztpraxis die Probleme, die Sorgen und die Nöte der Menschen nicht kennt oder ob er einfach wegschaut oder ob er einfach nicht zuhört – so wie jetzt auch wieder –, denn der Herr Minister müsste uns schon längst einmal reinen Wein einschenken, wie es mit der versprochenen und lange überfälligen Pflegereform ausschaut. Das Vertrösten auf den Sankt-Nimmerleins-Tag hilft niemandem: nicht denen, die die Pflege brauchen, nicht denen, die die Pflege leisten, und schon gar nicht denjenigen, die sich zu Hause um Angehörige kümmern.
Die Pflegereform wird verschlafen, und der Herr Minister schmückt sich mit fremden Federn. Von den 500 Communitynurses kommen 192, und in Wahrheit ist das ein Teil des Aufbau- und Resilienzprogramms der Europäischen Union.
80 Prozent der Pflege wird zu Hause geleistet – von Angehörigen, Eltern, Lebenspartnern, Söhnen, Töchtern; ja, meist Frauen –, und diese Menschen entlasten unser öffentliches Pflegesystem, anderenfalls wäre unser Pflegesystem ohnehin schon längst kollabiert.
Es wäre schlimm, wenn sich bei der Pflegeversorgung die Grünen in der Regierung durchsetzten, denn die Grünen sind der Ansicht, dass man die häusliche Pflege nicht unterstützen muss. Ihre Aussagen im Ausschuss belegen, dass sie nur die professionelle Pflege fördern wollen.
Sehr geehrte Damen und Herren, fragen Sie einmal die Grünen: Wie soll denn das funktionieren? – Es gibt bereits jetzt einen eklatanten Personalmangel. Die Menschen in diesem Beruf überlegen zu wechseln, sie denken nicht daran, Stunden aufzustocken, und der Andrang im Pflegeberuf ist mehr als überschaubar – ganz abgesehen von den Errichtungskosten und von den Erhaltungskosten, die diese Plätze verursachen. Das sind grüne Träumereien, es sind Traumtänzer, die an der Realität komplett vorbeigehen. In Wahrheit bedarf es eines Warnhinweises: Grüne Pflegepolitik kann Ihre Gesundheit gefährden. (Beifall bei der FPÖ.)
Die Sorge der Grünen um die Frauen, die zu Hause Pflege leisten, ist heuchlerisch. Sie sagen: Pflege zu Hause ist eine berufliche Einbahnstraße, und Geld löst das Problem nicht. – Was spricht dagegen, endlich das Pflegegeld dahin gehend anzupassen, dass mehr mobile Hilfe zugekauft werden kann? Was spricht dagegen, die Pflegearbeit endlich auch mit Versicherungszeiten, die sich in der Folge dann auch auf die Pensionen auswirken, zu honorieren? – Wir alle wissen, dass die Menschen, die Pflege brauchen, so lange wie möglich in ihrem persönlichen Umfeld bleiben wollen und zu Hause gepflegt werden möchten. Ist Ihnen das alles egal?
Für pflegende Angehörige ist es körperlich anstrengend, es gibt keinen Urlaub und wenig bis gar keine Unterstützung, aber die Pflege dort wird aus Überzeugung, aus Liebe, aus Dankbarkeit gemacht, verantwortungsvoll und eigentlich auch sehr professionell. Geben wir diesen Menschen, die sich um ihre pflegebedürftigen Angehörigen kümmern, endlich die entsprechende Wertschätzung, finanziell und auch für die Pension! Sie werden sehen, diese Frauen werden sich auch danach zum überwiegenden Teil dafür entscheiden (Abg. Schallmeiner: Aber nur die Frauen, oder? Nur die Frauen?), auch weiter in der Pflege tätig zu sein.
Wir müssen den Pflegeschlüssel für das stationäre Personal unbedingt anheben, und wir müssen die Anzahl der Stunden, die für das Pflegegeld angerechnet werden, auf mindestens 30 erhöhen. Die Zeit drängt, die Betten sind leer, weil kein Personal verfügbar ist – ganz zu schweigen von dem Druck, unter dem das Pflegepersonal steht: alles ist eng besetzt, und die nötigen Rahmenbedingungen fehlen.
Die Grünen reden sich auf die Länder aus. (Ruf bei der ÖVP: Redezeit!) Das ist äußerst billig. Wir brauchen eine Bundesregelung, ein großes Gesamtes, Ganzes.
Was ich auch vermisse: Was ist mit der ÖVP mit ihrem christlich-sozialen, familiär verankerten Bild in puncto Pflegemisere? (Zwischenruf der Abg. Salzmann.)
Es muss rasch etwas weitergehen, denn sonst, liebe Grüne, könnt ihr euch darauf einstellen, dass es, falls ihr je auf Pflege angewiesen seid, womöglich niemanden mehr gibt, der diese Pflege leistet. Dann müssen wir uns vielleicht alle womöglich mit dem Zustand warm, satt, sauber abfinden – ein Armutszeugnis für Österreich. (Beifall bei der FPÖ.)
14.51
Präsidentin Doris Bures: Frau Abgeordnete Ecker, für den Ausdruck „heuchlerisch“ erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf.
*****
Nun erteile ich Frau Abgeordneter Eva Blimlinger das Wort. – Bitte.
14.51
Abgeordnete Mag. Eva Blimlinger (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen! Bevor ich etwas zum Thema Medizin sage, möchte ich der Bevölkerung in der Ukraine unsere Solidarität aussprechen. Ich habe auch einen Wunsch, nämlich dass die FIS ihre Weltcuprennen, die am Wochenende in Russland stattfinden sollen, absagt, nicht durchführt. Russland führt gerade einen Angriffskrieg, und dort Skirennen zu veranstalten und so zu tun, als wäre alles in Ordnung, erachte ich für absolut daneben, um das so auszudrücken. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie der Abg. Doppelbauer.)
Ich darf vielleicht damit beginnen, dass ich grundsätzlich davon ausgehe, dass es nur eine Medizin gibt. Es gibt keine Komplementärmedizin, wie die FPÖ in ihren Anträgen, die auch ein gewisses retardierendes Moment haben, immer zu behaupten versucht. Es gibt keine Komplementärmathematik oder -physik – und es gibt keine auch Komplementärmedizin. Es gibt eine Medizin.
Wenn man – Sie wissen mittlerweile, ich bin Historikerin – einen Blick in die Geschichte wirft, weiß man, der Begriff Mediziner der Schule tauchte 1832 genau in diesem Zusammenhang auf, nämlich von Hahnemann, dem Begründer der Homöopathie, der die Vertreter der traditionellen Medizin, wenn man das so sagen will, die damals natürlich auch mit sehr viel Naturmedizin verbunden war, als Mediziner der Schule bezeichnet hat; wiewohl er dann selber, und das ist die Absurdität, eine Schule gegründet hat – eine Schule, die 200 Jahre unverändert geblieben ist und genau genommen der Theorie, dass die Erde eine Scheibe ist, ähnlich ist. Es gibt keine wissenschaftliche Evidenz. Es gibt einen Placeboeffekt, das weiß man, und den kann man auch nützen.
Mir ist wichtig, dass die FPÖ endlich einmal sieht, dass diese Unterscheidung eine ist, die natürlich ihre Tradition und auch ihre Besonderheit im Nationalsozialismus hat, weil dort immer wieder von der verjudeten Schulmedizin gesprochen wurde, in Abgrenzung zur Homöopathie und zu allen anderen seltsamen sogenannten medizinischen Methoden, die selbstverständlich keine sind. Man sprach auch von der marxistischen Schulmedizin.
Zum Abschluss: Es gibt nur eine Medizin, nämlich diejenige, die auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basiert. Es ist natürlich völlig richtig, dass die Universitäten Komplementärmedizin nicht mehr unterrichten. Es war zwar ein Fachhochschul-Studienlehrgang geplant – Sie haben den Leiter in Ihrem Antrag auch als Unterstützer zitiert –, diesen wird es Gott sei Dank nicht geben, weil genau diese Wissensbasiertheit und Wissenschaftlichkeit dieses Fachs nicht gegeben ist.
Im Übrigen bin ich der Meinung, dass die Windisch-Kaserne in Richard-Wadani-Kaserne umbenannt werden muss. (Beifall bei Abgeordneten von Grünen und ÖVP.)
14.55
Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Alexandra Tanda. – Bitte.
Abgeordnete Ing. Mag. (FH) Alexandra Tanda (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Zuseherinnen und Zuseher zu Hause! Wir debattieren heute – und ich fasse mich kurz, weil wir es schon mehrmals gehört haben – auch die Förderung von Impfkampagnen. Generell gilt eigentlich immer: Je mehr wir wissen, je informierter wir sind, desto leichter treffen wir Entscheidungen. Das gilt natürlich auch im Zusammenhang mit dieser unsäglichen Debatte um die Impfpflicht. Bevor ich genauer auf den Antrag eingehe: Impfen schützt. Ich möchte das immer wieder
sagen: Impfen schützt. Das wissen wir aus unzähligen Studien, die weltweit durchgeführt wurden. (In Richtung Abg. Wurm:) Jawohl, Herr Kollege, auch wenn wir im gleichen Zugabteil sitzen.
Seit Verfügbarkeit der Impfstoffe melden sich ExpertInnen zu Wort. Aufgrund der Wandelbarkeit des Virus, wie ich heute schon angesprochen habe, ändern sich die Erkenntnisse natürlich laufend. Daher ist es wichtig, dem Informationsbedürfnis der Bevölkerung ständig, aktualisiert und fundiert Rechnung zu tragen. Der Bund unterstützt daher die Impfkampagnen in den Gemeinden mit dem Zweckzuschuss in der Höhe von 75 Millionen Euro, eben mit dem Ziel, die Durchimpfungsrate auf Gemeindeebene weiter voranzutreiben.
Der Anteil der Menschen, die die Impfung vehement ablehnen, ist gering, geringer als es oft medial oder von der Opposition dargestellt wird. Oft ist es Unsicherheit, Sorge und auch der Bedarf an weiteren Informationen, um sich mit gutem Gefühl impfen lassen zu können. Die Zweckbindung der Gelder umfasst daher insbesondere Aufwendungen für solche Informationskampagnen, worüber meine Kollegin Martina Diesner-Wais bereits ausführlich gesprochen hat, weshalb ich mir jetzt eine Wiederholung erspare. Es geht primär um Informationskampagnen, die lokal durchgeführt werden, in Printmedien, durch persönliche Gespräche, vor allem auch mit Personen in den Gemeinden, zu denen die Bevölkerung Vertrauen hat.
Ein weiterer Baustein wäre – und da betone ich wirklich: wäre –, wie wir heute schon gehört haben, die kommunale Impfprämie für Gemeinden gewesen. Diese kann ja leider nicht umgesetzt werden, denn wir benötigen dazu eine Zweidrittelmehrheit, und die kommt heute nicht zustande, da sich die SPÖ dagegen entschieden hat. (Abg. Heinisch-Hosek: Wir brauchen sie nicht!) So wird den Gemeinden ein Zweckzuschuss in Höhe von diesen schon mehrfach angesprochenen 525 Millionen Euro vorenthalten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ, Sie waren es, die sich mehr Anreize gewünscht haben – diesen Anreiz offensichtlich nicht. Mir ist dieser Widerwille gegen diesen Anreiz von Ihrer Seite nicht ganz erklärlich. Ich kann mich noch gut daran erinnern, als 1974 der Mutter-Kind-Pass mit dem Ziel, die Säuglings- und Müttersterblichkeit zu senken, eingeführt wurde. In Zeiten also, in denen die SPÖ in der Regierung war, haben Sie weitreichende Anreizsysteme geschaffen, die geholfen haben – und nun ist das Anreizsystem zur Erreichung einer Durchimpfungsrate auf einmal nicht mehr ausreichend, nicht mehr opportun? Das ist mir nicht ganz verständlich. (Präsident Sobotka übernimmt den Vorsitz.)
Abschließend möchte ich aber abseits dieser Impfdebatte noch ganz kurz etwas zur Ukraine-Krise sagen, weil es mir wirklich ein Anliegen ist. Ich bin Tochter eines Flüchtlings, der 1956 aus Ungarn gekommen ist. Ich habe diese Geschichten alle gehört, ich habe von meinem Vater gehört, wie das ist, an der Grenze zu stehen, wenn Panzer auffahren. Er war 17, seine Schulkollegen sind hinterher alle erschossen worden, sie haben es nicht mehr geschafft. Mein Herz ist heute nicht nur bei dieser Debatte zur Tagesordnung, sondern auch bei den Menschen dort vor Ort. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)
14.59
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf nun die Verhandlungen zum Tagesordnungspunkt 9 unterbrechen.
Kurze Debatte: „Bestellung des ehemaligen Außenministers Dr. Michael Linhart zum Botschafter in Berlin“
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen jetzt zur kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung des Bundesministers für europäische und internationale Angelegenheiten mit der Ordnungszahl 8887/AB.
Die erwähnte Anfragebeantwortung ist bereits verteilt worden, sodass sich eine Verlesung durch den Schriftführer erübrigt. (Abg. Matznetter: Wo ist der Herr Bundesminister?) – Ich frage gerade nach, wo er ist. (Abg. Matznetter: Vielleicht könnten Sie unterbrechen, bis der Herr Bundesminister zu uns kommt!) – Das ist ein guter Hinweis. Ich werde das auch tun.
Ich unterbreche die Sitzung, bis der Herr Bundesminister anwesend ist.
(Die Sitzung wird um 15.01 Uhr unterbrochen und um 15.02 Uhr wieder aufgenommen.)
*****
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.
Ich darf Herrn Bundesminister Schallenberg und auch den Herrn Bundesminister für Gesundheit bei uns begrüßen.
Wir gehen gleich in die Debatte ein.
Als Erster zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Kassegger. – Bitte sehr.
Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Für die Zuschauer vor den Fernsehgeräten: Worum geht es hier? – Es geht um eine Angelegenheit, die ja auch in den Medien war, nämlich um – ich sage einmal – den Fall Botschafter Michael Linhart, der zum Botschafter in Berlin bestellt wurde, ohne sich jemals dafür beworben zu haben. – Punkt eins.
Punkt zwei: Es hat ein Bewerbungsverfahren gegeben. Da haben sich fristgerecht 14 qualifizierte – hochqualifizierte! –, als geeignet beurteilte Kandidaten beworben, die einfach übergangen wurden.
Herr Minister Schallenberg hat dann versucht, das in der „ZIB 2“ noch irgendwie zu rechtfertigen, hat es dann aber eingesehen und gesagt – und ich zitiere Sie jetzt, Herr Minister –: „Wir haben uns jetzt die Rechtslage angeschaut, noch einmal genauer, und ich muss ganz offen sagen, das war ein Fehler, den ich wahnsinnig bedaure, und das ist nicht konform.“
Er hat dann angeordnet, ich zitiere weiter: „Das heißt, wir werden morgen selbstverständlich eine neue Ausschreibung in die Wege leiten“, und glaubt jetzt, dass damit die Sache erledigt sei.
Für uns Freiheitliche ist die Sache damit nicht erledigt, sondern es ist nur ein Flashlight sozusagen eines Systems – und es besteht der dringende Verdacht, dass es sich da um ein System handelt, nämlich das System ÖVP –, das sich wesentliche Funktionen im Staat krallt und ein schwarzes, zwischenzeitlich türkises, jetzt wieder schwarzes, Netzwerk aufbaut. Wir kennen auch die Vehikel, die man dazu zur Verfügung hat: Das nennt man dann Reorganisation eines Ministeriums, die ganz dringend notwendig ist. Der Kundige weiß, das ist verbunden mit Postenbesetzungen, Neuausschreibungen et cetera, und dann werden halt die Personen diese Sektionsleiterposten oder was auch immer bekommen, die genehm sind. Dann gibt es noch das Vehikel, und da bin ich bei Ihnen,
Herr Außenminister, der innovativen, sage ich einmal, Auswahlverfahren. Ganz offensichtlich ist das hier der Fall.
Das ist ja das Thema in Wahrheit, und es wird gesagt, das sei ein Einzelfall. Es besteht aber der dringende Verdacht, dass das eben kein Einzelfall ist, sondern System hat, insbesondere innerhalb der ÖVP. Nicht umsonst gibt es jetzt einen eigenen Untersuchungsausschuss des Parlaments mit dem Titel ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss. Da wird schon etwas dran sein, jedenfalls besteht ein dringender Verdacht.
Warum stört uns Freiheitliche das? – Weil das grundsätzlich ein strukturelles Riesenproblem in unserer Republik ist. Ein grundsätzliches Problem, das sich nicht nur in den Ministerien zeigt, sondern das zeigt sich auch in den Schulen, das zeigt sich in den Hochschulen, das zeigt sich in allen Unternehmen, an denen der Staat beteiligt ist. Berühmtes Beispiel: Thomas Schmid, der sich die Stellenbeschreibung und die Ausschreibung gleich selbst schreibt und jetzt natürlich nicht als Auskunftsperson dem Untersuchungsausschuss zur Verfügung steht, weil er seinen Wohnsitz nach Amsterdam verlegt hat. Das nenne ich auch einmal Verantwortung übernehmen und an der Aufklärung kritischer Sachverhalte mitarbeiten!
Was hat das für einen grundsätzlichen Effekt? – Selbstverständlich hat das den Effekt, dass sich niemand, der etwas kann, der etwas taugt, aber nicht bei der ÖVP ist oder zumindest von ihr geduldet wird, dort bewerben wird. Und es hat den weiteren Effekt, dass wir mehr oder weniger einen Closed Shop haben, und der hat natürlich den Zusatzeffekt, dass sich die Qualität über die Zeit nach unten nivelliert.
Wir haben jetzt im Außenministerium nicht nur einen Closed Shop, sondern sogar einen Double Closed Shop, einen doppelten Closed Shop. Zum einen sind die Voraussetzungen, überhaupt Botschafter zu werden, sehr, sehr eng gesetzt – auch ein Thema, dass die Freiheitlichen schon seit Jahren nicht nur ansprechen, sondern auch fordern, dass man da den Pfad weiter aufmacht, denn das ist ein sehr enger Pfad: Man muss ein Studium haben, man muss die Diplomatische Akademie durchschreiten, man muss das Préalable haben. Das ist der Filter eins, das schließt schon sehr viele Personen, die unseres Erachtens durchaus absolut hoch geeignet wären, die Republik Österreich als Botschafter zu vertreten, aus.
Dann gibt es – ich sage es jetzt ein bisschen flapsig – den Graf-Schalli-Filter-zwei. Und der Graf-Schalli-Filter-zwei lautet: Es wird der, den ich will. Ich pfeife auf die Ausschreibung, es wird der, den ich will. Eine Ausschreibung ist für mich nicht relevant.
Die Frage ist jetzt: Ist das offensichtlich nicht nur im Innenministerium oder im Verteidigungsministerium so, sondern ist das auch im Außenministerium so? Das ist der Gegenstand einer weiteren Folgeanfrage, die ich an den Herrn Bundesminister stellen werde. Ist Minister – Minister stimmt sogar –, ist Minister Linhart jetzt wieder Botschafter oder nicht? Das weiß man nicht so genau. Es gibt ein neues Verfahren, und da frage ich mich: Wie erklären Sie das den 14 qualifizierten Kandidaten, dass Sie jetzt noch einmal neu ausschreiben wollen oder das tun? Warum nehmen Sie nicht einen von den 14 bereits als geeignet beurteilten Kandidaten? Sie empfehlen ja, dass sich Dr. Linhart noch einmal bewirbt. Das hat ja eine desaströse Optik – also wird er es, oder wird er es nicht? Das Volk spricht: Er wird es. Wozu also diese ganze Ausschreibung? Da rede ich noch gar nicht von den Kosten, die sind in dem Fall vielleicht sogar vernachlässigbar.
Das ist aber offensichtlich kein Einzelfall. Es gibt natürlich auch – und das ist Gegenstand meiner Folgeanfrage – die eine oder andere Person, Persönlichkeit, die in dieser Sitzung des Ministerrats vom 15. Dezember zum Botschafter oder zur Botschafterin bestellt wurde, etwa Dr. Berchtold. Ich sage, das kommt mir irgendwie komisch vor. Er war Pressesprecher von Sebastian Kurz. Hat er sich beworben, hat er sich nicht beworben? Darauf hätte ich gerne eine Antwort. Er ist 35 Jahre alt und wird jetzt Botschafter in Abu
Dhabi. Seine Berufserfahrung besteht aus zwei Jahren in Brüssel und sonst nur im Inland. Da stelle ich mir wirklich die Frage, und ich formuliere sie jetzt flapsig: Habt ihr keine Leute im BMEIA? Das kann ich mir nicht vorstellen. Gibt es da keine geeigneten Kandidaten, dass man jemanden bestellt, der sicher gut ist, aber 35 Jahre alt ist und protzige zwei Jahre Auslandserfahrung hat?
Ich bin der Meinung – und als außenpolitischer Sprecher komme ich viel herum –, ich bin nicht nur der Meinung, sondern ich weiß es, Sie haben exzellente Leute im BMEIA, Sie haben exzellente Gesandte/Erstzugeteilte, Sie haben exzellente Botschafter und Botschafterinnen mit zehnmal so viel Berufserfahrung wie dieser neue Botschafter.
Also das sind die Fragen, die wir uns stellen – die werden wir auch in einer weiteren Anfrage stellen –, die schon die Vermutung nahelegen, dass Sie ein strukturelles Problem in Bezug auf hochinnovative Schallenberg-Auswahlverfahren im BMEIA haben und dass das eben kein Einzelfall ist.
Eine spannende Frage wird auch sein, um auf die Bestellung von Dr. Linhart zurückzukommen – das war ja offensichtlich ein einstimmiger Beschluss des Ministerrates –, und das würde mich ganz besonders interessieren: Haben Sie Ihre Ministerkollegen am 15. Dezember darüber informiert, dass unter diesen 28 Botschaftern, die da in cumulo bestellt wurden, der eine oder andere dabei ist, der überhaupt nicht am Ausschreibungsverfahren teilgenommen hat und sich gar nicht beworben hat? Haben Sie Ihre Kolleginnen und Kollegen im Ministerrat darüber in Kenntnis gesetzt oder nicht? Das ist natürlich auch eine recht spannende Frage.
Wir haben also viele Fragen, Fragen über Fragen, und ich bin schon sehr gespannt auf Ihre Antworten, sehr geehrter Herr Bundesminister. (Beifall bei der FPÖ.)
15.11
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Schallenberg. – Bitte sehr, Herr Bundesminister.
Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Alexander Schallenberg, LL.M.: Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Abgeordnete! Hohes Haus! Zum Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über meine schriftliche Anfragebeantwortung 8887/AB betreffend „die Bestellung des ehemaligen Außenministers Dr. Michael Linhart zum Botschafter in Berlin“ kann ich Folgendes sagen:
Wie ich in meiner Anfragebeantwortung ausgeführt habe, steht seit vielen Jahren routinemäßig in jeder Ausschreibung des BMEIA für die Neubesetzung von Leitungsfunktionen im Ausland, dass auch Mitarbeiter für Leitungsfunktionen vorgeschlagen werden können, für die sie sich nicht beworben haben. Ich habe mich im guten Glauben auf diese Regelung berufen und daher Botschafter Michael Linhart vorgeschlagen, der aufgrund seiner Qualifikation und vielfältigen Erfahrungen zweifellos am besten geeignet ist, die österreichischen Interessen in Berlin zu vertreten. Immerhin war er Botschafter in Paris, Athen, Damaskus, Geschäftsführer der Austrian Development Agency, Sektionsleiter, Generalsekretär und zuletzt eben auch Bundesminister. Dieser Einschätzung sind auch die Personalvertretung und die Bundesregierung gefolgt, weshalb mein Vorschlag im Ministerrat Mitte Dezember einstimmig angenommen wurde.
Im Zuge der formellen Umsetzung der für die Entsendung notwendigen Schritte erfolgte die Überprüfung des Passus. Zuvor war dieser Passus in den letzten Jahren und Jahrzehnten nie zur Anwendung gekommen und wurde daher im Ministerium – und das ist zugegebenermaßen ein Fehler – auch nicht weiter hinterfragt. Bei dieser Prüfung haben wir nämlich festgestellt, dass er mit der heutigen Rechtslage, mit dem Ausschreibungsgesetz nicht kompatibel ist. Das ist dann natürlich nicht möglich, und Sie können sich
vorstellen, dass ich und die beteiligten Mitarbeiter des Außenministeriums diesen Fehler sehr bedauern, insbesondere natürlich im Hinblick auf die unumstrittenen Qualifikationen von Michael Linhart, die über jeden Zweifel erhaben sind.
Ich habe daher letzte Woche veranlasst, dass die Leitung der österreichischen Botschaft in Berlin umgehend neu ausgeschrieben werden muss. Der Ausschreibungsprozess wurde bereits gestartet. Wir haben also diesen Fehler erkannt und auch sofort behoben. Mit Botschafter Peter Huber ist derzeit ein äußerst erfahrener, qualifizierter und versierter Kollege an der Botschaft in Berlin und wird dort die Tätigkeiten weiterhin ausführen, wofür ich ihm sehr danke. – Danke sehr. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)
15.13
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Lopatka. Ab nun ist die Redezeit 5 Minuten. – Bitte.
Abgeordneter Dr. Reinhold Lopatka (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Da wir ein normales Gesprächsverhältnis haben, habe ich Kollegen Kassegger jetzt schon direkt fragen müssen, ob das an einem Tag wie heute notwendig ist (Beifall bei der ÖVP), hier politisches Kleingeld sammeln zu wollen. (Zwischenruf des Abg. Angerer.) Er hat gemeint, es ist notwendig, das ist das Recht der Opposition. Ich habe da eine völlig andere Sicht der Dinge. (Zwischenruf des Abg. Rauch. – Abg. Ries: Deswegen haben wir den Ausschuss!)
Warum? – In einem hat die FPÖ recht. Gott sei Dank haben wir ein Préalable und andere Zugangsbeschränkungen im Außenamt, denn ich möchte nicht wissen, was die von Ihnen nominierte Ministerin Kneissl in ihrer Zeit sonst noch angestellt hätte, wenn wir nicht diese Zugangsbeschränkungen hätten, denn in so einem Fall greifen Sie dann in einem ordentlichen Ausmaß zu. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Das haben wir in anderen Ministerien gesehen, wo es diese Beschränkungen nicht gibt und diese Qualifikationsmerkmale nicht notwendig sind. (Beifall bei der ÖVP.)
Ich sage Ihnen: Unser Außenamt gehört zum Besten, was die Republik hat. Daher haben Sie nur in einem recht: Wann immer ein Botschafterposten ausgeschrieben wird, haben wir mindestens ein Dutzend hoch qualifizierter Persönlichkeiten. (Zwischenruf bei der SPÖ.)
Letzte Woche war ich in der Botschaft in Paris. Da habe ich eine junge Kollegin gefragt, die dort auf Stage ist, also am Beginn ihrer diplomatischen Karriere: Wie war das? – Von 240 Bewerbern, alle hoch qualifiziert, sind zehn zum Zug gekommen. Nur damit Sie sehen, wie begehrt nach wie vor ein Posten im Außenamt ist und was junge Österreicherinnen und Österreicher auch auf sich nehmen, gar nicht so gut bezahlt, um sich in den Dienst der Republik zu stellen.
Zweiter Punkt: Klarer, als es der Außenminister gemacht hat, kann man einen Fehler nicht eingestehen – und Fehler passieren. Er ist sofort gutgemacht worden, die Republik hat überhaupt keinen Schaden genommen. (Zwischenruf der Abg. Fürst.) Wir haben einen hoch qualifizierten Botschafter, Peter Huber, in Berlin, der dort seinen Dienst versieht. Ich kenne ihn persönlich sehr gut, weil er in der Zeit, als ich Staatssekretär war, mein Kabinett geleitet hat. Niemand nimmt dadurch einen Schaden. (Abg. Kassegger: Quod erat demonstrandum!)
Jetzt komme ich zum Betroffenen, der hier quasi an den Pranger gestellt wird: Das ist unser ehemaliger Außenminister Michael Linhart (Zwischenruf des Abg. Deimek), jemand, der sein Leben lang der Republik gedient hat, der zu dem Zeitpunkt, zu dem er als Außenminister bestellt worden ist, vom „Standard“ beschieden bekommen hat: „Ein
Profi“ folgt dem anderen Profi; der andere Profi war übrigens unser jetziger Außenminister. Die „Kleine Zeitung“ hat damals geschrieben: „Mit Michael Linhart übernimmt“ – wieder das Wort – „ein erfahrener Profi das Außenamt“; die „Presse“: „Der fachlich hochqualifizierte Karrierediplomat“ wird nun als Außenminister angelobt. (Zwischenruf des Abg. Ries.) Und auch der Herr Bundespräsident, der ja sonst immer vor der Amtseinführung Gespräche mit den Kandidaten führt, hat gesagt: Da kann er auf ein solches Gespräch verzichten.
Also: Michael Linhart ist in jeder Hinsicht hoch qualifiziert, ein Spitzendiplomat (Beifall bei der ÖVP), der sein Leben lang der Republik treu gedient hat, wirklich treu gedient hat, dreimal als Botschafter, als Generalsekretär im Außenamt und auch in der kurzen Zeit als Außenminister. Gestern war ich mit Oppositionsabgeordneten von SPÖ-Seite unterwegs, wo gesagt worden ist: Großartig, dass es solche Diplomaten wie Michael Linhart gibt! – Das wird heute hier bei der Besprechung dieser Anfragebeantwortung zum Thema gemacht. Ich finde das traurig, ich hätte mir von der FPÖ hier wirklich mehr Niveau erwartet. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Deimek: Also auch im Außenministerium keine Ausschreibung ...!)
15.18
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort kommt nun Abgeordneter Matznetter. – Bitte sehr.
Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Herr Präsident! Herren Bundesminister! Dieter Segert, Professor an der Universität Wien, schreibt heute in einem Gastkommentar des „Standard“ zu Recht: Wenn wir den Krieg auf unserem Kontinent beenden wollen, der uns heute so furchtbar vor Augen geführt wird, brauchen wir eigentlich eine zweite Helsinki-Konferenz. Wir brauchen den Einsatz der besten Diplomaten dieser Welt, um eine friedliche Lösung dieses Konflikts auf Dauer erreichen zu können.
Diese Rolle konnte die österreichische Diplomatie, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Außenministeriums, über Jahrzehnte einnehmen und hat es auch erfolgreich getan. Darunter fällt auch und ganz sicher Michael Linhart, der einer unserer Spitzendiplomaten ist. Aber eine Frage muss ich meinem Vorredner Reinhold Lopatka schon stellen: Ist es denn diese Anfrage, die ihn desavouiert? – Die Antwort ist: Nein. Es ist die Art des Umganges, resultierend aus Problemen einer Bundesregierung, die man offensichtlich nur noch als Pleiten-, Pech- und Pannendienst bezeichnen kann – eines nach dem anderen. (Beifall bei der SPÖ, bei Abgeordneten der FPÖ sowie des Abg. Loacker.)
Ist das notwendig gewesen, eine Drehtür-Bundeskanzler-und-Minister-Geschichte zu veranstalten, dafür, dass man jetzt endlich Sebastian Kurz bei Palantir, dessen Eigner ein EU-Gegner ist, als Lobbyist untergebracht hat? Dafür, dass Gernot Blümel dann bei einem – wie nennt man das? – Heuschreckenfonds landet? Dafür, dass Melchior jetzt bei einem Großspender der ÖVP arbeitet? Nur um dieses Radl in Gang zu halten, hatten wir einen Bundeskanzler für wie viele Tage – 53, 54 Tage –, der dann wieder in sein Amt zurückkehrt? (Widerspruch bei der ÖVP.) Dann – hollodaro! – setzen wir Michael Linhart, der brav und dienstbeflissen eingesprungen ist, schnell wohin! (Zwischenruf des Abg. Hörl.) Ehrlich, Freunde, die Desavouierung guter Spitzendiplomaten ist die Nichtfähigkeit der Regierungspartei ÖVP, ihrer Rolle als Regierungspartei nachzukommen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der FPÖ.)
Aber doch nicht unsere Diplomaten, die wir bräuchten, wie ich eingangs erläutert habe, die wir deswegen bräuchten, weil österreichische Neutralität heißt: Neutralität, übrigens nicht nur militärisch, aber unter genauer Wahrung der Werte wie Menschenrechte, wie Völkerrecht. All das ist notwendig. Dafür brauchen wir jene Spitzendiplomaten, die nicht
persönlich beschädigt werden. Am Ende des Tages, jetzt, ist ein möglicherweise hervorragender Botschafter, der in eines der wichtigsten Länder entsandt werden soll, von vornherein beschädigt. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Super gemacht! Gratuliere dazu.
Im Gesetz nachschauen kann man nicht, bevor man einen Vorschlag im Ministerrat bringt? Das ist ja schon ähnlich, Herr Bundesminister, wie die fehlenden Nullen des Gernot Blümel. (Zwischenruf der Abg. Kirchbaumer.) Das mag ja jetzt beim Spekulationsfonds gehen, aber nicht als Finanzminister. Das Nichthineinschauen in die entsprechenden Rechtsvorschriften mag ja woanders gehen, aber nicht bei einem Bundesminister. – Vielleicht wäre es günstig, wenn die Grünen zu so etwas applaudieren würden, auch wenn ich weiß, dass sie eine Leonore Gewessler stellen, die auch nicht immer zuerst ins Gesetz schaut, bevor sie Maßnahmen ergreift, wie in der Frage der Lobauautobahn – vielleicht! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der FPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)
Noch einmal darauf zurückkommend: So kann und darf es in der Republik nicht gehen! Die Vorschriften sind einzuhalten, es ist ordnungsgemäß abzuwickeln und es darf nicht dazu kommen, dass hervorragende Beschäftigte, die wir im öffentlichen Dienst haben, persönlich beschädigt werden, weil man es oben nicht zusammenbringt oder gerade ein Ringelspiel in der Regierung veranstaltet. Ehrlich nicht, meine Damen und Herren!
Gleich an dieser Stelle: Ich schätze Alexander Schallenberg als Diplomat. Nur: Manche Aussagen machen mir wirklich Sorgen, wenn ich dann wieder etwas höre, von dem ich gehofft hatte, dass es mit der unseligen Diskussion um die Vergangenheit des früheren Bundespräsidenten Kurt Waldheim zu Ende war, wenn man die Frage, ob Österreich ein Opfer war, im Jahr 2022 wieder aufs Tapet bringt. (Abg. Blimlinger: Das hat er doch nicht gemacht!) Die Erkenntnis ging quer durch die Familien: Wir hatten viele Täter in diesem Lande, und ein Opfer ist nicht daran erkenntlich, dass es beim Einmarsch der Truppen die Grenzbalken hochmacht. Dazu sollte man stehen, auch zu unserer Verantwortung. In diesem Sinne, Herr Bundesminister: Schwächen Sie künftig nicht Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, hervorragendes Personal, und überlegen Sie sich selber, wie Sie sich äußern!
Kleiner Nachsatz: Eine aktive Rolle, um als neutrales Land wieder für Frieden auf diesem Kontinent zu sorgen, werden wir nicht bekommen, wenn wir einseitig für eine Seite Wort ergreifen. Das wird nicht funktionieren. Ein ehrlicher Makler wird sich beide Seiten anhören müssen und wird vernünftige Vorschläge machen können. Österreich hat zum Frieden in der Ukraine viel beigetragen. Auch unsere Diplomaten haben am Minsker Abkommen intensiv mitgewirkt. Nur da drinnen stand auch, dass eine Autonomie der minderheitenbesiedelten Gebiete herzustellen ist. Und? Was ist geschehen? – Ein Gesetz, in dem man verbietet, die Muttersprache zu verwenden. (Zwischenruf der Abg. Pfurtscheller.)
Wir als Österreicher mussten es lernen! Im Staatsvertrag, der unsere Unabhängigkeit bedeutete, wurden wir verpflichtet, die Minderheitenrechte samt Sprache einzuhalten. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Pfurtscheller.) Wir haben uns schwer genug damit getan, wenn ich nur an den Ortstafelkonflikt erinnern darf. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Wir haben die Lektion gelernt, und es wird Aufgabe eines ehrlichen Maklers sein, auch unserer Spitzendiplomaten, Vereinbarungen zustande zu bringen, in denen Menschenrechte als westliche Werte auch von allen Alliierten eingehalten werden. Das könnte unser Personal erreichen, würde es nicht durch Fehlentscheidungen, die aus dem Chaos der Bundesregierung kommen, beschädigt werden. Pleiten-, Pech- und Pannendienst: Es tut mir leid für das Land, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Belakowitsch: Das sind jetzt schon 6 Minuten!)
15.24
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Graf. – Bitte.
15.24
Abgeordneter Mag. Dr. Martin Graf (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen im Hohen Haus! Beim Kollegen Lopatka hätte es mich auch gewundert, wenn er nicht schon wieder unzufrieden gewesen wäre, dass die Opposition eine Initiative hier im Hohen Haus setzt, und das vielleicht zu einem unpassenden Zeitpunkt. Es geht ja nicht um die Person des Botschafters, mit dem der Posten besetzt wurde, und das hat Kollege Kassegger auch betont; es gibt überaus qualifizierte und sehr gute Botschafter und Botschafterinnen und das Personal ist sehr gut. Da geht es um die politische Verantwortung bei einer Postenbesetzung, die rechtswidrig durchgeführt wurde, und dafür trägt der Herr Bundesminister nun einmal die Verantwortung, ob wir das jetzt für gut empfinden oder nicht – aber diskutieren werden wir das wohl schon noch dürfen!
Es stimmt ja nicht, so wie Kollege Lopatka gesagt hat, dass der Fehler sofort repariert wurde, der da offensichtlich als Eintagsfliege erstmalig vorgekommen ist. Nein, mitnichten! In der Anfragebeantwortung, hätte sie Lopatka je gelesen, steht nämlich überhaupt nichts davon, dass man die missglückte Bewerbung beziehungsweise Ausschreibung oder letztlich Bestellung reparieren möchte. Die Anfragebeantwortung, von der ersten bis zur letzten Beantwortung, versucht, das einzuzementieren und zu begründen, dass die Personalentscheidung richtig und rechtens gewesen ist. Da steht nicht, dass die Neuausschreibung erfolgt, wobei ich mich frage, Herr Bundesminister: Warum Neuausschreibung? Es gab ja eine Ausschreibung. Sie haben selber in der Anfragebeantwortung geschrieben, dass es 14 geeignete Bewerber und Bewerberinnen gegeben hat. Wozu brauchen wir da eine neue Ausschreibung? Sie brauchen nur zu bestellen, nämlich die Richtigen, die sich korrekt, gesetzeskonform beworben haben und qualifiziert sind. Da gibt es sehr, sehr viele gute Kandidaten. So lange ausschreiben zu lassen, bis die richtige Person rauskommt: Das ist genau das, was wir in dieser Republik nicht wollen.
Es ist ein Alarmsignal, wenn Sie noch in die Anfragebeantwortung hineinschreiben: Sie waren der Meinung, dass die allgemeine Formulierung in der Ausschreibung drinnen gewesen wäre, dass man bei der Neubesetzung von Leitungsfunktionen im Ausland entsprechend dem Mobilitätsprinzip des Bundesministeriums auch jemanden benennen kann, der sich nicht für eine Funktion beworben hat. Sie waren der Meinung, das steht immer drin. – Na hoffentlich steht das in Zukunft nicht drinnen, denn das wäre ja der Blankoscheck, jenseits einer Ausschreibung etwas vorzunehmen. Genau das wollen wir eben nicht!
Diese Anfragebeantwortung ist fast ein Alarmsignal. Sie sind erst klüger geworden, nachdem die Medien aufgesprungen sind und Sie, der schon ertappt gewesen ist, dann mehrfach darauf angesprochen haben. Erst dann haben Sie gesagt: Wir werden es reparieren. – Sie reparieren einen Fall, den Sie gar nicht zu reparieren brauchen, denn es ist nichts kaputtgegangen. Es haben sich 14 qualifizierte Leute beworben, die Sie nicht bestellen wollen, gesetzwidrig, würde ich jetzt einmal sagen. Sie sind nicht nur Außenminister, sondern waren einmal Kanzler dieser Republik. Da erwarten wir uns als Österreicher und Volksvertreter schon, dass man sich an die Gesetze hält.
Dann haben Sie in der Öffentlichkeit noch etwas Falsches gesagt. Das ist auch ein Grund, warum man das hier bespricht. Sie haben gesagt, es war ein einzelner verirrter Fall. (Abg. Rauch: ... in seinem Leben!) Herr Bundesminister, Sie sind offensichtlich der einzige verirrte Fall in dieser Bundesregierung, der das glaubt; aber in diesem Land glaubt das niemand. Kollege Kassegger hat es gesagt, Sie werden die Anfrage auch noch kriegen: Der damalige Büro- und Pressesprecher von Herrn Bundeskanzler Kurz, der immer noch im Bundeskanzleramt arbeitet, hat sich auch nicht beworben und ist am 15. Dezember ohne Bewerbung zum Botschafter ernannt worden – ein zweiter einzelner
verirrter Fall, alle aus dem Dunstkreis des Ministeriums, von Herrn Kurz und seinen Leuten. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg Rauch.)
Darum geht es letztlich. Es geht nicht darum, ob Kollege Linhart qualifiziert ist oder nicht, sondern es geht darum, ob sich der Herr Minister an Gesetze hält oder nicht. Das relevieren wir hier, und hier ist auch der richtige Platz, das zu besprechen.
Die Grünen haben ja mitgewirkt. In der Vorbesprechung zum Ministerrat haben Sie es durchgewunken und im Ministerrat haben Sie es noch mitbeschlossen. Die ehemals sich immer an die Fahnen heftenden Antikorruption...
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist vorbei! Die 5 Minuten sind vorbei! (Zwischenruf des Abg. Rauch.)
Abgeordneter Mag. Dr. Martin Graf (fortsetzend): Ich bringe noch den Antrag ein, dass diese Anfragebeantwortung nicht zur Kenntnis genommen wird; er ist auch schriftlich gestellt worden.
Herr Präsident, ich ersuche, diesen Antrag auf Nichtkenntnisnahme zur Abstimmung zu bringen. (Beifall bei der FPÖ.)
15.30
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der soeben eingebrachte Antrag steht am Ende der Debatte über die Anfragebeantwortung zur Abstimmung.
Wir kommen zur nächsten Rednerin, das ist Frau Abgeordnete Blimlinger. – Bitte sehr.
Abgeordnete Mag. Eva Blimlinger (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Vielleicht darf ich am Anfang sagen, dass ich wirklich wahnsinnig froh und glücklich bin, dass die von Ihnen (in Richtung FPÖ) nominierte Frau Kneissl nicht mehr Außenministerin ist. (Beifall bei Grünen und ÖVP.) Das wäre in der derzeitigen Situation wohl das Schlimmste, was uns passieren könnte (heftiger Widerspruch bei der FPÖ) – eine Reise zu Putin, die Vorstandstätigkeit in Putins Firmen (Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen), wo sie ja immer noch ist. Wir wissen also, mit wem wir es zu tun haben.
Lassen Sie mich ein paar Worte zu der Botschafterbesetzung sagen: Dass Fehler bei der Ausschreibung passiert sind, hat Bundesminister Schallenberg auch eingestanden. Wir wissen, es passiert im Bundesdienst immer wieder, dass Personen, die sich nicht auf eine Ausschreibung beworben haben, nominiert werden. Es war Vizekanzler Kogler – er hat das gestern auch gesagt –, der das nicht freigegeben hat. Deswegen wird noch einmal ausgeschrieben, und nicht weil, wie Graf sagt, man keinen der 14 Bewerber ernennen wollte, sondern weil das ganze Verfahren sozusagen neu aufgesetzt wird. Das ist ein aus meiner Sicht wichtiger Punkt.
Aus meiner Sicht, Kollege Matznetter, ist Michael Linhart natürlich überhaupt nicht beschädigt, er ist ein ausgezeichneter Diplomat. Er ist sozusagen genau jener, der im besten Sinne des Wortes immer dem Land gedient hat, und er wird, wenn er sich für einen guten Botschafterposten bewirbt, diesen – und da bin ich fest überzeugt – auch bekommen, weil er diese ausgezeichnete Qualifikation hat.
Diese Qualifikation, die angesprochen worden ist, nämlich das Préalable, ist ganz zentral und darf aus meiner Sicht keinesfalls gelockert werden. An der Diplomatischen Akademie kann ja mittlerweile ein, wie man so schön sagt, grundständiger Masterabschluss gemacht werden. Wir haben das erst voriges Jahr novelliert. Das ist eine der besten Ausbildungen.
Erlauben Sie mir als Bridgespielerin eine Fußnote: Ich bedauere es, dass Bridge nicht mehr Pflicht im Préalable ist, das wäre etwas, was ich sehr bevorzugen würde. Da England oder eigentlich Großbritannien nicht mehr in der EU ist, ist es vielleicht nicht mehr so wichtig. Es wäre mir dennoch ein Anliegen, das vielleicht wieder aufzunehmen.
Ich komme zum Schluss und möchte noch einen Punkt erwähnen, auch in Richtung Kollegen Matznetter, weil das ein ganz bewusstes Missverständnis ist – er wendet mir zwar den Rücken zu, aber er hört mich hoffentlich –: Sie können doch nicht ernsthaft annehmen, dass der österreichische Außenminister Schallenberg in dieser Situation nur 1 Sekunde den Opfermythos bemüht. Wenn du genau zugehört hättest, hättest du gewusst, dass er gesagt hat, aus völkerrechtlicher Sicht – und das war der Vergleich, das Wort Opfer ist nicht gefallen – wurde Österreich sozusagen alleingelassen. (Abg. Deimek: ... Außenminister verteidigen müssen ...!) Wir wissen genau, worauf sich das bezogen hat: Das hat sich völkerrechtlich darauf bezogen, dass Mexiko das einzige Land der Welt war, das protestiert hat. (Zwischenruf des Abg. Matznetter.) Darauf hat es sich bezogen, und das hat mit der Opfertheorie genau Nüsse zu tun. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)
Es hat nichts damit zu tun. Es hat damit zu tun, dass wir jetzt völkerrechtlich aufstehen und dagegen protestieren müssen und die Ukraine völkerrechtlich in keinster Weise alleinlassen dürfen. Wir müssen völkerrechtlich klarstellen, dass da eine Verletzung des Völkerrechts stattfindet. Wir müssen dagegen protestieren und die ukrainische Bevölkerung unterstützen, und so weiter.
Ich verbürge mich zu 100 Prozent für den Herrn Außenminister, auch wenn das aus grüner Perspektive vielleicht etwas eigen sein mag, wenn ich sage, dieser Minister redet der Opferthese nicht das Wort. Genau in diesem Sinne bin ich der Meinung, dass die Windisch-Kaserne in Richard-Wadani-Kaserne umbenannt werden muss. (Beifall bei den Grünen sowie Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP.)
15.35
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Brandstätter. – Bitte sehr, Herr Abgeordneter.
Abgeordneter Dr. Helmut Brandstätter (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrte Herren Bundesminister! Herr Präsident, Sie haben heute gesagt, dass der ukrainische Botschafter bei uns, beim Treffen der parlamentarischen Freundschaftsgruppe war. Wenn Sie mir gestatten, nur zwei Sätze dazu zu sagen: Erstens vielen Dank an die Kolleginnen und Kollegen, die dabei waren. Ich glaube, es war beeindruckend, als er erzählt hat, unter welchem Druck dieses Land, das mitten im Krieg ist, jetzt steht. Vor wenigen Minuten habe ich gelesen, dass Kiew neuerlich bombardiert wird und die Menschen versuchen, in die U-Bahn zu flüchten. In Österreich leben noch Menschen, die wissen, was das bedeutet. Wir können uns vorstellen, dass das ganz schrecklich ist.
Der Botschafter hat sich für die Solidarität in diesem Haus bedankt und er wünscht sich natürlich Hilfe, humanitäre Hilfe, finanzielle Hilfe, wirtschaftliche Hilfe, das hat er sehr klar gesagt, aber auch symbolische Hilfe, also zum Beispiel auch das Hissen blau-gelber Fahnen. Wir haben es gestern gesehen, das Brandenburger Tor schaut auch in Blau-Gelb ganz schön aus. Ich habe gesagt, in Niederösterreich ist das relativ einfach, aber es werden sich woanders vielleicht auch blau-gelbe Fahnen finden. Ich glaube, auch symbolisch ein Stück Solidarität zu zeigen, ist jetzt wichtig.
Zum wesentlichen Thema – ob das heute passt, ist eine andere Frage –: Es ist mehrfach gesagt worden und ich möchte das auch betonen, niemand zweifelt an den Fähigkeiten des Michael Linhart, ein hervorragender Botschafter in der Bundesrepublik Deutschland zu sein. – Erstens.
Zweitens ist das natürlich ein Anlass, einmal über die Besetzungspolitik im Außenministerium zu sprechen. Herr Bundesminister, das betrifft ja leider das Außenministerium nicht alleine. Ich weiß, es gibt Institutionen, staatsnahe Institutionen in Österreich, wo man jungen Menschen sagt: Du musst zu der oder der Partei gehen, wenn du etwas werden willst! Ich habe das ja auch erlebt.
Das ist für mich der wesentliche Punkt: Es ist so beleidigend, dass wir hervorragend ausgebildeten jungen Leuten sagen, du musst dich irgendwo anbiedern, sonst kannst du hier nichts werden. Diese Leute gehen dann halt leider oft ins Ausland, weil sie sich das nicht gefallen lassen. Wir haben, Herr Bundesminister, mehrfach gesagt, dass es andere Methoden geben muss, wie man im Außenministerium – ein ganz wesentliches Ministerium – bessere Leute bekommt. Eine Begutachtungskommission gibt es ja, da sind aber ausschließlich ÖVP-nahe Personen drinnen. Ich weiß selbst von Leuten, die das Außenministerium verlassen haben, weil sie gesagt haben, sie wollen sich nicht einer Partei anschließen. Wir haben deswegen, und das ist ja inzwischen in allen modernen Unternehmen so, ein Human-Resources-Management vorgeschlagen. Man kann so etwas viel besser machen: nicht nur öffentlich ausschreiben, ehrlich ausschreiben, dann auch ernsthafte Kommissionen einsetzen und natürlich auch mit denen reden. Eine schriftliche Bewerbung alleine reicht nicht, natürlich muss es auch Hearings geben, wo die entscheidenden Persönlichkeiten drinnen sitzen, diese Fragen stellen und dann entscheiden, wer die beste Frau oder der beste Mann dafür ist.
Ein Punkt noch, wenn ich das noch anmerken darf, wir haben es gemerkt: Es ist ja wirklich völlig jenseits einer vernünftigen Verwaltung – Thomas Wieser hat es vor Kurzem im „Standard“ beschrieben –, wenn in Kabinetten 30 Leute sitzen und Kabinettsmitglieder gleichzeitig Teil der Verwaltung sind und sich dort dann noch pragmatisieren lassen. Sie haben die österreichische Verwaltung auf mehreren Ebenen durcheinandergebracht. Viele Fachleute, die sich gut auskennen, haben das auch schon mehrfach gesagt. Bitte, hören Sie mit dem System Kurz auf! Er hat so viel ruiniert, lassen Sie ihn das nicht auch noch ruinieren! (Beifall bei NEOS und SPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Geh bitte!) Kommen wir zurück zu einer anständigen Besetzung von Posten, zur öffentlichen Ausschreibung, zu einer ernsthaften Besetzung von Posten, und lassen Sie diese Haberei der Familie, das hat genug kaputt gemacht! – Danke schön. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)
15.39
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die Rednerliste zu dieser Debatte ist erschöpft. Die Debatte ist beendet.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Graf, Kolleginnen und Kollegen, die Anfragebeantwortung nicht zur Kenntnis zu nehmen.
SPÖ – geht das? SPÖ? Grüne? – Jawohl, dann kommen wir zur Abstimmung: Wer für den Antrag, dass diese Anfragebeantwortung nicht zur Kenntnis genommen wird, ist, den bitte ich um ein dementsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit, daher ist er nicht angenommen worden.
Ich danke dem Herrn Bundesminister für seine Anwesenheit.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zurück zu den Verhandlungen über die Tagesordnungspunkte 5 bis 9.
Wir hatten zu diesen Tagesordnungspunkten noch zwei Rednerinnen ausständig. Ich darf Abgeordneter Belakowitsch das Wort erteilen. – Bitte, Frau Abgeordnete, Sie gelangen zu Wort. (Oh-Rufe bei der ÖVP.)
Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Nach diesem Ausflug und dem Einblick in das System ÖVP – das sehe ich ein bisschen anders als Kollege Brandstätter, das ist kein reines System Kurz gewesen,
das war oder ist ein System ÖVP, Postenbesetzungen so freihändig zu vergeben – kommen wir zurück zur Debatte über Materien des Gesundheitsausschusses.
Wir haben gerade über das Impfpflichtgesetz debattiert, das heute repariert werden muss. Meine Vorrednerin vor dieser kurzen Debatte, vor diesem Einschub war Frau Kollegin Tanda. Ich habe mitgeschrieben, sie hat nämlich gesagt: „Je mehr wir wissen“, je besser wir informiert sind, umso besser können wir Entscheidungen treffen. – Mit diesem Satz hat sie mit Sicherheit recht, dem ist nichts hinzuzufügen. Genau aus diesem Grund möchte ich noch einmal ein bisschen informieren.
Da gibt es einmal die Geschichte: Die Impfung wirkt! Ich habe es bereits gestern hier herinnen erwähnt – es kam da ein bisschen ein Widerspruch –, es gibt einen Bericht der Gecko-Kommission, das ist der „Executive Report der Kommission zur gesamtstaatlichen COVID-Krisenkoordination“, also Gecko, vom 18. Februar 2022, abzurufen auf der Homepage des Bundeskanzleramts. Dort steht auf der Seite 7 – ich wiederhole das noch einmal – geschrieben: „Nach allen bisherigen wissenschaftlichen Ergebnissen schützt weder eine oder mehrere durchgemachte Infektionen noch einer der Impfstoffe auch nach mehrmaliger Verabreichung eine bestimmte, einzelne Person zuverlässig und langfristig gegen Infektion und Transmission des Virus.“
Also die Impfung bietet eben keinen Schutz. Es erscheint auch zum gegen- - (Heiterkeit bei der ÖVP.) – Warum fangen Sie zu lachen an? (Abg. Michael Hammer: Ja, weil’s lächerlich ist!) – Das müssen Sie der Gecko sagen, dass das lächerlich ist. Das geht noch weiter, ich könnte Ihnen den Text noch ein bisschen weiter vorlesen. Offensichtlich sind Sie noch nicht in der Lage, das wirklich so richtig sinnerfassend zu begreifen: „zum gegenwärtigen Zeitpunkt sehr unwahrscheinlich“ ist, „dass eine transmissionsrelevante Immunität auf Dauer erzielbar ist“ – das schreibt die Gecko, das ist alles aus dem Bericht der Gecko vorgelesen – und „damit durch einen kollektiven Schutz es auch tatsächlich gelingen könnte, die Infektion zu eliminieren. Eine echte Eliminationsstrategie wäre hingegen nur bei“ der „Entwicklung von Impfstoffen möglich, die primär durch Antikörper gegen hochkonservierte Strukturen des SARS-CoV-2 Virus wirken“, und so weiter und so fort. Das heißt: Diese Impfungen wirken eben nicht dauerhaft.
Auf der Seite 8 geht die Geschichte weiter. Da steht dann auch noch, dass eine Covid-Infektion „zum Immunitätsaufbau ähnlich beiträgt wie eine Teilimpfung“ – da geht es jetzt um die Infektionen –, und dann wird darüber geschrieben, wie das denn mit den Auffrischungen ausschaut: „Setzt man“ die „Auffrischung zeitlich klug“, also „Ende September“ bis „spätestens [...] Mitte Oktober“ – da geht es dann um den vierten Stich im Herbst –, dann „erreicht man einen passageren Nebeneffekt: Für einige Wochen postvakzinal wird durch die besonders hohen Antikörperspiegel auch bei weniger empfindlichen Varianten vorübergehend auch ein partieller“ – ein partieller! – „Transmissionsschutz und Infektionsschutz erreicht.“ – Vorübergehend! – „Dieser Effekt könnte zumindest helfen“ – könnte! –, „die Herbstwellen im November/Dezember deutlich stärker zu dämpfen.“ – Er könnte helfen, im November und Dezember zu dämpfen. – „Im Jänner/Februar“ ist „dieser Effekt nach gegenwärtigem Kenntnisstand“ nicht „mehr wirksam“. – Das sagt die Gecko.
Also was heißt denn das? – Sie reden jetzt von einer Impfpflicht: Die brauchen wir für den Herbst! – Wir wissen gar nicht, kommt überhaupt im Herbst noch etwas? Nur, weil es Herr Lauterbach sagt und weil Sie mit Herrn Lauterbach konferieren, heißt das ja noch gar nichts.
Ich möchte jetzt weiter informieren, warum wir so vehement gegen diesen Impfzwang sind. Ich sage Ihnen eines: Die Wahrheit kommt ans Tageslicht, und es kommt immer mehr.
In Deutschland gibt es eine Krankenkasse, eine Betriebskrankenkasse, die hat sich ihre zehn Millionen Versicherten angeschaut, und ist zu der Erkenntnis, zu dem Schluss gekommen: „Gemäß unserer Berechnungen“, schreiben die dort, „halten wir“ bei „400.000 Arztbesuche unserer Versicherten“ – also dieser zehn Millionen Versicherten in Deutschland – „wegen Impfkomplikationen bis zum heutigen Tag“.
Die haben 7,5 Monate hergenommen und haben sich angeschaut, wie viele ihrer Versicherten wegen Impfkomplikationen zum Arzt mussten – nicht irgendwelche Impfreaktionen, Herr Minister, Impfkomplikationen, die tatsächlich die Intervention eines Arztes benötigt haben.
Der Leiter dieser BKK, ein gewisser Andreas Schöfbeck, schreibt dann weiter: „Heftiges Warnsignal bei codierten Impfnebenwirkungen nach der Corona Impfung“. „Der Verfasser erklärt darin, man sehe die Zahlen ,als erhebliches Alarmsignal an, das unbedingt beim weiteren Einsatz der Impfstoffe berücksichtigt werden muss‘.“ – Das schreibt Herr Schöfbeck, der Chef der BKK. – Ich „erwarte schnelle Antworten“ – also die erwartet er vom Paul-Ehrlich-Institut in Deutschland – „weil eine ‚Gefahr für das Leben von Menschen‘ nicht ausgeschlossen werden könne“.
Herr Bundesminister, es ist schön, dass Sie gerade ins Telefon tippen. Da geht es darum, dass diese Impfung massivste Nebenwirkungen hat. Sie haben sich heute wieder hierhergestellt und haben gesagt: Die Impfung ist sicher! Wir haben vor wenigen Tagen ein 12-jähriges Kind in Tirol verloren, das drei Tage nach der Impfung an einem Multiorganversagen verstorben ist – ein vollkommen gesundes Kind, drei Tage nach der Impfung tot. Wir wissen von einem 17-Jährigen, der aufgrund der Impfung verstorben ist. In Deutschland, in Bayern, ist ein 17-jähriges Mädchen verstorben, und Sie haben nichts Besseres zu tun, als sich hierherzustellen und zu sagen: Die Impfung ist sicher! Impfen, impfen, impfen! Wir halten daran fest! (Ruf bei den Grünen: Ja, natürlich!) Und wenn ich Ihnen das vorlese, was in Deutschland ein engagierter Leiter einer Krankenkasse ausgearbeitet hat, dann gehen Sie her und tippen am Handy!
Schämen Sie sich, hören Sie auf, die Menschen an der Nase herumzuführen! Informieren Sie endlich umfassend und hören Sie mit dieser Impfpflicht für ein Virus auf, das es überhaupt nicht mehr gibt! (Heiterkeit und Zwischenrufe bei den Grünen.) – Na ja gut, was soll man da sagen? Diese Impfung, meine Damen und Herren der Grünen, wurde für ein Wuhanvirus entwickelt, das seit über einem Jahr nicht mehr zirkuliert. Informieren Sie sich besser, bevor Sie dämlich lachen! (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Offensichtlich sind Ihnen die Impfopfer, offensichtlich ist Ihnen ein 12-jähriges totes Kind egal. – Ja, Frau Maurer, greifen Sie sich an den Kopf! Die Verantwortung tragen auch Sie! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)
15.47
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Scheucher-Pichler. – Bitte.
Abgeordnete Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Gesundheitsminister! Sehr geehrter Herr Arbeitsminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren hier im Plenum, aber auch zu Hause! Es ist traurig, wenn eine ausgebildete Ärztin ständig Studien falsch zitiert. Frau Dr. Belakowitsch, Sie wissen ganz genau, dass in diesen Studien steht, dass die Impfung gegen einen schweren Verlauf der Krankheit schützt. Es gibt derzeit keine einzige Person in Österreich, die dreifach geimpft ist und intubiert auf einer Intensivstation liegt. Darum geht es: Die Impfung schützt vor einem schweren Verlauf. (Beifall bei ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS. – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)
Ihre Aussagen sind ja mittlerweile in Österreich bekannt und ich möchte sie jetzt gar nicht weiter kommentieren (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Belakowitsch), möchte aber doch noch auf Kollegin Rosa Ecker von der FPÖ kurz eingehen, die vorhin gemeint hat, die Grünen und auch wir von der ÖVP wären nur für professionelle Pflege. Das ist zwar nicht das Thema, aber ich muss es trotzdem sagen: Ja, natürlich sind wir für professionelle Pflege. Auch für zu Hause, als Unterstützung der pflegenden Angehörigen, gibt es natürlich mobile Dienste und Vereine, die zu 33 Prozent pflegende Angehörige unterstützen.
Frau Kollegin Ecker, Sie wissen ganz genau – wir haben das ja mehrmals diskutiert –, dass wir, dass diese Regierung die Pflege daheim stärken will, leistbar lassen will und ausbauen will, dass wir die pflegenden Angehörigen noch stärker unterstützen wollen, dass wir den Ausbau der Pflegeausbildung forcieren – ein Danke auch an Herrn Minister Kocher, da gibt es ja schon gute Initiativen – und dass wir insgesamt alles tun wollen, um die Pflege auf neue Beine zu stellen und auch menschlich und finanzierbar für die Betroffenen weiterhin umzusetzen. Das ist unser Ziel.
Ich hätte mir eigentlich gedacht, dass an so einem Tag wie heute, an dem wir alle doch in aller Früh schon mit sehr traurigen und schmerzlichen Informationen konfrontiert wurden, die Diskussionen vielleicht ein bisschen konstruktiver stattfinden, denn ich glaube, wenn man weiß, was jetzt in der Ukraine stattfindet, relativiert das alles. Meine Gedanken sind bei den Menschen dort. Ich denke auch – so wie mein Kollege Dr. Smolle – an meinen Großvater, der zwei Weltkriege aktiv miterlebt hat, an meinen Vater, der neun Jahre eingerückt war und dann im Krieg in Gefangenschaft in Afrika war, die immer wieder vom Krieg erzählt haben.
Das Credo dieser Generation – und da spreche ich für viele Seniorinnen und Senioren, die das heute schmerzlich erleben – war: Nie wieder Krieg in Europa, Frieden in Europa. Das muss unser Ziel sein, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall ÖVP und Grünen.)
Ich komme jetzt zurück zur Tagesordnung. Ich mache es kurz, es geht um die Verlängerung des Fernrezeptes. Ich glaube, dazu stehen wir alle. Das ist wichtig, wenn auch kritisiert wurde, dass es da noch Softwareprobleme gibt und noch Abgleichungen möglich sind. Ich glaube aber, es ist ein richtiger Schritt, dass wir das elektronische Rezept letztlich dann im Sommer in Elga einfließen lassen, weil ich einfach glaube, dass es wichtig ist, dass wir damit Doppelverschreibungen verhindern können und Informationen für die Ärzte bereitstellen, gerade für die ältere Generation, die sich vielleicht oft nicht merkt, wie das Medikament geheißen hat. So geht es mir zum Beispiel auch sehr oft. Ich glaube, dass das der richtige Weg ist, solche unerwünschten Wechselwirkungen zu verhindern, und dass wir wirklich froh sein sollten, diese digitalen Möglichkeiten zu haben.
Ich muss aber auch sagen: Die Coronakrise hat ja die Digitalisierung sehr stark vorangetrieben, es wurde heute schon einmal angesprochen. Es darf nicht sein, Herr Bundesminister (in Richtung Bundesminister Mückstein), dass schon wieder Briefe mit Informationen verschickt werden – wahrscheinlich auch von den Ländern –, in denen nur ein QR-Code und eine angeführte Website zu finden ist. – Das geht nicht! Auch wenn wir jetzt schauen, dass wir die elektronischen Voraussetzungen in Bezug auf die Ausnahmegenehmigungen schaffen, so muss es bitte auch eine Servicehotline für Seniorinnen und für Senioren geben, bei der man anrufen kann, eine Informationsstelle, wo man sich informieren kann.
Es ist da wirklich viel passiert, da bedanke ich mich auch bei den Seniorenorganisationen. Gerade auch unter den älteren Menschen ist die Digitalisierung enorm fortgeschritten. Trotzdem schaffen das viele nicht. Viele sind dann irritiert, viele sind verunsichert.
Das darf bitte nicht sein. Wir brauchen diesbezüglich unbedingt auch die Möglichkeit einer telefonischen Information oder auch entsprechende Hilfestellungen in den Ämtern.
Ja, die Senioren sind in Bezug auf die Impfung vorbildlich: Die 75- bis 84-Jährigen sind zu 89 Prozent geimpft. Das ist eine gute Impfquote, die wir uns für die Gesamtbevölkerung wünschen würden. Es wurde jetzt schon viel gesagt. Wir müssen alles tun, um die Impfbereitschaft zu erhöhen. Ich appelliere wirklich, dass wir weiter zusammenhalten, dass wir zusammenstehen. Die ältere Generation ist hier vorbildlich! Auch die Jugend wünscht sich das, die Familien wünschen sich das, wir alle wünschen uns, dass wir wieder in Richtung Normalität gehen, aber wir, die ältere Generation, haben nicht mehr Jahrzehnte, die wir warten können. Wir müssen jetzt schauen, dass wir wieder ins normale Leben kommen, dass wir wieder reisen können, unsere Enkel sehen können, unser ehrenamtliches Engagement wieder aufnehmen können. Gerade das wünschen sich die Senioren ganz besonders.
Daher stehen wir doch bitte, gerade an einem Tag wie heute, zusammen, helfen wir zusammen, diskutieren wir doch konstruktiv, tun wir alles, damit wir gut aus dieser Pandemie kommen! Ich wünsche Ihnen: Bleiben Sie gesund! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)
15.53
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist damit geschlossen. – Ich sehe gerade, Frau Abgeordnete Rosa Ecker hat sich noch zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet. – Bitte.
Abgeordnete Rosa Ecker, MBA (FPÖ): Herr Präsident! Kollegin Scheucher-Pichler hat hier am Podium festgestellt, ich hätte behauptet, die Grünen und die ÖVP wären ausschließlich für professionelle Pflege. Ich berichtige tatsächlich, ich habe wortwörtlich gesagt:
„[...] denn die Grünen sind der Ansicht, dass [...] die häusliche Pflege nicht“ unterstützt werden muss. „Ihre Aussagen im Ausschuss belegen, dass [...] nur die professionelle Pflege“ gefördert werden soll.
Die ÖVP habe ich nicht so geschimpft, weil ich da ja noch Hoffnung habe. (Beifall bei der FPÖ.)
15.53
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Das ist keine tatsächliche Berichtigung, sondern eine politische Feststellung. (Abg. Rosa Ecker: Habe ich ... gesagt! – Ruf bei der FPÖ: Herr Präsident! ...! – Abg. Rauch: Die Geschäftsordnung ...! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich komme jetzt zu den verlegten Abstimmungen. – SPÖ? Grüne? FPÖ? – Gut, dann kommen wir zu den verlegten Abstimmungen, die wir wie immer getrennt vornehmen.
Tagesordnungspunkt 2: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das COVID-19-Zweckzuschussgesetz geändert wird, samt Titel und Eingang in 1350 der Beilagen.
Wer dafür ist, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit.
Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.
Wer auch in der dritten Lesung die Zustimmung erteilt, den bitte ich wieder um ein Zeichen. – Das ist ebenfalls die Mehrheit. Somit ist der Gesetzentwurf auch in der dritten Lesung angenommen.
Tagesordnungspunkt 3: Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 geändert wird, in 1353 der Beilagen.
Hierzu haben die Abgeordneten Schwarz, Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag eingebracht.
Wir stimmen zuerst über den Zusatz- und Abänderungsantrag und dann über die restlichen Teile ab.
Also: Abstimmung über den Zusatz- und Abänderungsantrag betreffend Einfügung einer neuen Ziffer 2, die daraus resultierenden Umnummerierungen sowie Änderungen der neuen Ziffern 4 und 5.
Wer dafür ist, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit.
Wir kommen daher zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes.
Wer dafür ist, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist ebenfalls mit Mehrheit angenommen.
Wir kommen zur dritten Lesung.
Wer auch in dritter Lesung zustimmt, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Auch das ist mehrheitlich angenommen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Kucher, Kolleginnen und Kollegen betreffend „wirksame Teststrategie“.
Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, daher abgelehnt.
Tagesordnungspunkt 4: Antrag des Gesundheitsausschusses, seinen Bericht 1356 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.
Wer dies tut, möge das mit einem Zeichen bejahen. – Das ist die Mehrheit, daher angenommen.
Tagesordnungspunkt 5: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das COVID-19-Impfpflichtgesetz geändert wird, in 1351 der Beilagen.
Dazu gibt es wieder einen Abänderungsantrag der Kollegen Schwarz und Schallmeiner.
Wir stimmen zuerst wieder über den Abänderungsantrag ab, und zwar über einen Zusatz betreffend Änderung der Ziffern 1 und 2 und Neunummerierung der Ziffern 4 bis 13 sowie Einfügungen neuer Ziffern.
Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit und daher angenommen.
Wir kommen zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes.
Wer dafür ist, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Auch das gleiche Stimmverhalten.
In dritter Lesung ebenfalls das gleiche Stimmverhalten. Damit ist der Gesetzentwurf auch in dritter Lesung angenommen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Tagesordnungspunkt 6: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz zur Erhöhung der Inanspruchnahme von Impfungen gegen COVID-19 in 1352 der Beilagen.
Diesbezüglich haben die Abgeordneten Diesner-Wais, Götze, Kolleginnen und Kollegen einen Abänderungsantrag eingebracht.
Da der vorliegende Gesetzentwurf Verfassungsbestimmungen enthält, darf ich zuerst im Sinne des § 82 Abs. 2 Z 1 der Geschäftsordnung die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der verfassungsmäßig vorgesehenen Anzahl der Abgeordneten feststellen.
Ich werde zunächst über die vom erwähnten Abänderungsantrag betroffenen Teile und schließlich über den Rest der noch nicht abgestimmten Teile abstimmen lassen.
Die Abgeordneten Diesner-Wais, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungsantrag betreffend Änderungen in den §§ 1 und 3 sowie Entfall des § 2 samt Überschrift eingebracht.
Wer dafür ist, den ersuche ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.
Wir kommen zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes.
Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit und daher angenommen.
Wir kommen zur dritten Lesung.
Wer auch in der dritten Lesung dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist das gleiche Stimmverhalten. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Kucher, Kolleginnen und Kollegen betreffend „individuelle Impfanreize für eine möglichst rasche Durchimpfung“.
Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit und daher abgelehnt.
Tagesordnungspunkt 7: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden, in 1354 der Beilagen.
Auch dazu gibt es einen Abänderungsantrag der Abgeordneten Schwarz und Schallmeiner.
Ich lasse wie gehabt über den Abänderungsantrag abstimmen. Die Abgeordneten Schwarz und Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag betreffend Einfügung neuer Ziffern 1a bis 1c sowie Änderung der Ziffer 4 eingebracht.
Wer dafür ist, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit, das ist damit angenommen.
Wir kommen zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes.
Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist das gleiche Stimmverhalten.
Dritte Lesung: Gleiches - - Nein, nicht das gleiche Stimmverhalten. Da stimmen die NEOS nicht mit. Der Gesetzentwurf wird trotzdem mit Mehrheit angenommen.
Tagesordnungspunkt 9: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gesundheitstelematikgesetz geändert wird, samt Titel und Eingang in 1355 der Beilagen.
Ich ersuche die Damen und Herren, die dafür sind, um entsprechende Zustimmung. (Rufe bei der ÖVP: Acht!) – Tagesordnungspunkt 8: Gesundheitstelematikgesetz. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)
Wer dafür ist, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit.
Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.
Wer den Gesetzentwurf auch in dritter Lesung annimmt, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist das gleiche Stimmverhalten. Daher ist der Gesetzentwurf auch in dritter Lesung angenommen.
Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 9: Antrag des Gesundheitsausschusses, seinen Bericht 1357 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.
Wer dies tut, möge dies mit einem Zeichen der Bejahung unterstreichen. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.
Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (1290 d.B.): Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Einrichtung eines Hospiz- und Palliativfonds und über die Gewährung von Zweckzuschüssen an die Länder zur finanziellen Unterstützung der Hospiz- und Palliativversorgung ab dem Jahr 2022 (Hospiz- und Palliativfondsgesetz – HosPalFG) erlassen sowie das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden sowie über den Antrag 1484/A(E) der Abgeordneten Mag. Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausbau der Hospiz- und Palliativversorgung in Österreich (1332 d.B.)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich komme zu Tagesordnungspunkt 10.
Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.
Ich darf auf der Galerie einige Damen begrüßen, die heute hier anwesend sind: Landeshauptfrau außer Dienst Waltraud Klasnic, Präsidentin des Dachverbandes Hospiz Österreich, Abgeordnete außer Dienst Dr.in Elisabeth Pittermann, Präsidentin des Hospiz- und Palliativforums, Abgeordnete außer Dienst Mag. Gertrude Aubauer, die der Enquete-Kommission „Würde am Ende des Lebens“ vorsaß, und Mag. Leena Pelttari, Geschäftsführerin des Dachverbandes Hospiz Österreich und Sprecherin des Steuerungsgremiums Universitätslehrgang Palliative Care. Ich darf mich bei den vier Protagonistinnen und ihren vielen, vielen Unterstützern recht herzlich bedanken. Sie haben mit ihrer Dialogbereitschaft und ihrem Engagement sehr viel dazu beigetragen, dass wir heute dieses Gesetz beschließen können. – Herzlichen Dank und seien Sie herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)
Abgeordneter Kassegger hat sich zur Geschäftsbehandlung zu Wort gemeldet. – Bitte sehr.
Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (FPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Ich habe eine Frage zur Geschäftsbehandlung, den Tagesordnungspunkt 6 betreffend. Nach dem Croquis enthält der vorliegende Gesetzentwurf Verfassungsbestimmungen im Sinne des § 82 Abs. 2 Z 1. Sie haben auch die verfassungsmäßig vorgesehene Anzahl der Abgeordneten festgestellt. Das weitere Croquis stimmt aber meiner Erfahrung nach nicht mit der Vorgehensweise bei solchen Gesetzen, die eine verfassungsmäßige Mehrheit brauchen, überein. Sie hätten die verfassungsmäßige Mehrheit feststellen müssen. Das war da nicht der Fall, Sie haben nur die Mehrheit festgestellt.
Nach meiner persönlichen Wahrnehmung kann ich mir, da die Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ nicht zugestimmt haben und sitzen geblieben sind, nicht vorstellen, dass da eine verfassungsmäßige Mehrheit zustande gekommen ist. Ich würde Sie ersuchen, das zu überprüfen. (Beifall bei der FPÖ.)
16.03
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die Herausstreichung der verfassungsmäßigen Bestimmung braucht keine verfassungsmäßige Mehrheit, nur die Anwesenheit.
Zur Geschäftsbehandlung erteile ich Klubobmann Wöginger das Wort. – Bitte.
Abgeordneter August Wöginger (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Vielleicht kann man das aufklären. Wir haben ja beim Abänderungsantrag diesen Teil, der einer verfassungsmäßigen Mehrheit bedurft hätte, sozusagen aus dem Gesetz herausgenommen. Da wir ja die SPÖ nicht dazu bewegen konnten, dass wir diese Gemeindeunterstützung zustande bringen, haben wir uns darauf verständigt, das herauszunehmen (Zwischenruf des Abg. Köchl), und daher war es nicht mehr erforderlich, eine Zweidrittelmehrheit zu haben. Das restliche Gesetz tritt somit in Kraft.
16.04
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Kassegger, zur Geschäftsbehandlung. – Bitte.
Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (FPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Vielen Dank, Kollege Wöginger, für die Erklärung. Dann ergibt aber – und das ist vielleicht auch die Ursache für meine Verwirrung – der Satz, dass der vorliegende Gesetzentwurf Verfassungsbestimmungen enthält, keinen Sinn, weil Kollege Wöginger gerade erklärt hat, er enthält keine Verfassungsbestimmungen.
16.04
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Im Grundsätzlichen war ja die Verfassungsbestimmung zuerst drinnen. Mit dem Abänderungsantrag wird sie herausgenommen. Daher ergibt das natürlich Sinn.
Ich verlasse mich da auf die Parlamentsdirektion, die das immer sehr, sehr ordnungsgemäß macht, so würde ich das sagen. Wir überprüfen das aber noch einmal, damit es da keine Unsicherheit gibt, und geben dann den Klubs noch einmal die Information, wenn das gewünscht ist. (Beifall bei der FPÖ.)
Ich nehme den Applaus für die Parlamentsdirektion entgegen. (Heiterkeit und Beifall bei ÖVP und Grünen sowie des Abg. Loacker.)
*****
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir fahren jetzt mit Tagesordnungspunkt 10 in der Tagesordnung fort.
Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Gerald Loacker. – Bitte sehr.
Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Geschätzte Herren Minister! Hohes Haus! Die Hospiz- und Palliativversorgung ist schon viele Jahre ein politisches Stiefkind, das immer wieder vergessen wurde. Vorhin wurde zu Recht die frühere
Kollegin Aubauer begrüßt. In den Jahren 2013 und 2014 hat die Enquete-Kommission „Würde am Ende Lebens“ getagt und eigentlich viele kluge Dinge beschlossen, die bis heute ihrer Umsetzung harren.
Wenn wir uns den vorliegenden Gesetzentwurf anschauen, dann ist dieser natürlich besser als das, was bisher war. Das möchte ich jedenfalls anerkennen. Ich möchte aber ausführen, warum wir gegen diese Gesetzesvorlage stimmen: weil es da noch einen langen Weg zu gehen gilt.
Zuerst einmal ist eine zweijährige Übergangsfrist vorgesehen. Das heißt, wir müssen jedenfalls noch einmal zwei Jahre warten, bis das System in die Gänge kommt. Von einer Regelfinanzierung, wie sie im Regierungsprogramm steht, kann überhaupt keine Rede sein. Es wird ein gemeinsamer Fördertopf mit einer geplanten Drittelfinanzierung eingerichtet: Bund, Länder, Sozialversicherung. Es gibt für diesen Fördertopf aber keine Qualitätskriterien, es gibt keine Zielgrößen, keine Tarife, nach denen abgerechnet wird. Das wird alles erst im Nachgang erarbeitet, sodass wieder einmal eine leere Hülle dasteht.
Dann komme ich zu einem ganz entscheidenden Punkt, an dem auch das Positive dieses Gesetzes noch scheitern könnte – das wird ja gerne verschwiegen. Wenn Sie die Stellungnahmen aus der Begutachtung gelesen haben, dann wissen Sie, dass die Sozialversicherung eine negative Stellungnahme eingereicht hat, verbunden mit einem verfassungsrechtlichen Gutachten, weil die Sozialversicherung der Ansicht ist, dass da ein Verfassungsbruch vorliegt, weil der Gesetzgeber zu Unrecht in die Finanzhoheit der Sozialversicherung eingreift, weil man es offensichtlich nicht für notwendig befunden hat, betreffend Drittelfinanzierung vielleicht auch mit der Sozialversicherung zu reden und sie vielleicht mit ins Boot zu holen. Das ist nämlich die Art, wie da Politik gemacht wird, und da unterscheiden sich die Grünen von den Schwarzen leider gar nicht.
Die Sozialversicherung bemängelt in ihrer Stellungnahme auch, dass die Zielsteuerung fehlt. Es gibt auch keine saubere Abgrenzung und in der Folge ist die Zusammenarbeit ungeklärt: Was macht die Hospiz- und Palliativversorgung im Krankenhausbereich, im Pflegebereich und was machen private Dienste? Das ist auch in jedem Bundesland anders organisiert. Die Abgrenzung, was in den Bereich Soziales fällt, was in den Bereich Pflege und was in den Bereich Gesundheit, ist in jedem Bundesland anders geregelt. Wir haben keine einheitliche Logik zustande gebracht. Das wird in weiterer Folge sehr übersichtliche Berichte aus den Ländern zur Folge haben, sodass man dann gar nicht sagen kann, was eigentlich jedes Bundesland konkret mit dem Geld aus diesem gemeinsamen Topf finanziert hat.
Mehr Geld für Hospiz- und Palliativversorgung ist notwendig, aber dass man nach so vielen Jahren so ein schwaches Gesetz liefert, ist ein Armutszeugnis für das Ministerium. Damit das besser wird, bringe ich nachstehenden Entschließungsantrag ein:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen
betreffend „Finanzierung des Hospizausbaus“
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wird aufgefordert, dem Nationalrat schnellstmöglich eine Regierungsvorlage vorzulegen, die einheitliche Finanzierungsströme sowie nachvollziehbare Planungs-, Abrechnungs- und Umsetzungspläne für einen qualitätsvollen und langfristigen Ausbau der Hospiz- und
Palliativangebote unter Berücksichtigung aller involvierten Parteien vorsieht und nicht auf kurzfristigen Verordnungsermächtigungen basiert.“
*****
Da möchte ich noch einen Satz anhängen: Dieses Gesetz gibt es ja nur, weil der Verfassungsgerichtshof dafür gesorgt hat, dass der assistierte Suizid zugelassen wird, sonst gäbe es das bis heute nicht. Sie haben den assistierten Suizid so restriktiv geregelt, dass er für die Menschen in der Praxis nach wie vor nicht zugänglich ist. Das war leider absehbar und ist eine Zumutung für die Betroffenen. (Beifall bei den NEOS.)
16.10
Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen
betreffend Finanzierung des Hospizausbaus
eingebracht im Zuge der Debatte in der 143. Sitzung des Nationalrats über den Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (1290 d.B.): Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Einrichtung eines Hospiz- und Palliativfonds und über die Gewährung von Zweckzuschüssen an die Länder zur finanziellen Unterstützung der Hospiz- und Palliativversorgung ab dem Jahr 2022 (Hospiz- und Palliativfondsgesetz – HosPalFG) erlassen sowie das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden sowie über den Antrag 1484/A(E) der Abgeordneten Mag. Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausbau der Hospiz- und Palliativversorgung in Österreich (1332 d.B.) – TOP 10
Auf Basis des Urteils des Verfassungsgerichtshofes zur Hilfeleistung bei der Selbsttötung(1) wurde das Sterbeverfügungsgesetz gerade noch rechtzeitig im Parlament beschlossen. Damit ein derartiges Gesetz überhaupt erst zur Anwendung kommen kann, ist ein Ausbau der Hospiz- und Palliativversorgung nötig, der mit dem Hospizausbaugesetz Rechnung getragen werden soll. Theoretisch stellt durch die gemeinsame Mittelbereitstellung die Gesetzesvorlage zwar eine Annäherung an eine Regelfinanzierung dar und erfüllt einige der notwendigen Anforderungen, die von der GÖG erarbeitet wurden (2). In der Praxis wird damit aber lediglich ein weiterer Fördertopf geschaffen, mit dem unter sich durch Verordnungen ändernden Bedingungen keine langfristige Verbesserung des Systems geschaffen wird. So müssen beispielsweise die Qualitätskriterien für die Genehmigung der Zweckzuschüsse seitens des Ministeriums erst bis Ende des Jahres erarbeitet werden, die Tarife erst bis Ende des Jahres 2023. Das Gesetz ist damit wieder eine reine Ansammlung von Verordnungsermächtigungen, die einerseits noch lange nicht erarbeitet werden müssen und von denen andererseits nicht zu erwarten ist, dass dies in absehbarer Zeit geschieht. So sind die ersten zwei Jahre als Übergangsfrist vorgesehen, was bedeutet, das keine tatsächlichen Veränderungen der Angebote zu erwarten sind.
Anstelle derartiger Scheinmaßnahmen ist aber ein echter Ausbau und eine klare Vereinheitlichung der Zuständigkeiten nötig. So wird nach wie vor nichts an den unterschiedlichen Kompetenzen in den Bundesländern geändert, die Abteilungen Soziales und Gesundheit werden in allen Bundesländern weiterhin keine einheitliche Vorgabe zur Zusammenarbeit haben, wie Überschneidungen zwischen krankenhausstationären Angeboten, Pflegeleistungen und privaten Diensten abgerechnet und voneinander getrennt
werden, ist eher unklar und es ist anzunehmen, dass die Abrechnung der verschiedenen Angebote zu unübersichtlichen Berichten und individuellen Gewichtungen in verschiedenen Bundesländern führen werden. Dem einzelnen Patienten wird damit aber einerseits nicht unbedingt geholfen sein, wenn es keine klaren Vorgaben für das Planungswesen und dessen Abstimmung mit Sozial-/ Pflegeangeboten sowie stationären Angeboten im RSG gibt.
Des Weiteren ist mit dem aktuellen Gesetzesvorschlag kein tatsächlicher Ausbau oder eine Verfügbarkeit der Zuschüsse garantiert, da die Bundesmittel nur im Falle der Bereitstellung durch alle Parteien (Träger der Sozialversicherungen und der Bundesländer) garantiert wird und diese beteiligten Parteien nicht unbedingt im Entstehungsprozess des Gesetzes involviert waren beziehungsweise dessen Verfassungsmäßigkeit stark anzweifeln. Insofern ist nicht davon auszugehen, dass mit dem vorliegenden Entwurf ein tatsächlicher Ausbau der Hospiz- und Palliativversorgung erfolgen kann oder wird.
(1) https://www.vfgh.gv.at/medien/Toetung_auf_Verlangen_Mithilfe_am_Suizid.php
(2) https://goeg.at/sites/goeg.at/files/inline-files/HOS_PAL_Regelfinanzierung_Kurzfassung__bf.pdf
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden
Entschließungsantrag
Der Nationalrat wolle beschließen:
"Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wird aufgefordert, dem Nationalrat schnellstmöglich eine Regierungsvorlage vorzulegen, die einheitliche Finanzierungsströme sowie nachvollziehbare Planungs-, Abrechnungs- und Umsetzungspläne für einen qualitätsvollen und langfristigen Ausbau der Hospiz- und Palliativangebote unter Berücksichtigung aller involvierten Parteien vorsieht und nicht auf kurzfristigen Verordnungsermächtigungen basiert."
*****
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht somit mit in Verhandlung.
Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Sirkka Prammer. – Bitte sehr, Frau Abgeordnete.
Abgeordnete Mag. Agnes Sirkka Prammer (Grüne): Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Es ist jetzt ungefähr 13 Jahre her, als bei meiner Mama festgestellt wurde, dass eine Behandlung an und für sich nicht mehr zu einer Heilung führen könne und dass es notwendig sein werde, sie noch so lange sehr, sehr gut zu pflegen, bis die Krankheit, an der sie litt, zu ihrem Tode führen würde.
Vor 13 Jahren war es so, dass uns damals im Krankenhaus die Ärztinnen und Ärzte empfohlen haben, doch zu versuchen, einen Platz auf einer Palliativstation zu finden. Das ist dann auch geschehen. Sie wurde dann auf dieser Palliativstation aufgenommen und dort sehr, sehr gut gepflegt und betreut. Sie hatte professionelle Pflege, sie hatte die allerallerbeste medizinische Versorgung, es wurde ständig nach ihr geschaut, sie wurde mit der besten Medikation versorgt. Die Ärztinnen und Ärzte dort haben wirklich dafür gesorgt, dass sie in diesen letzten Tagen, die ihr und uns noch gemeinsam geblieben sind, extrem gut aufgehoben war.
Wir hatten die Möglichkeit, ständig bei ihr zu sein. Die gesamte Verwandtschaft, alle Freunde und Freundinnen, die noch Abschied nehmen wollten, konnten dorthin kommen, wurden dort empfangen, wurden dort aufgenommen. Wir wurden unterstützt und wir konnten uns nur ihr und uns und unseren letzten gemeinsamen Tagen widmen. Wir mussten nicht besorgt sein, wie wir ihr helfen müssen, wie wir sie unterstützen müssen, denn das wurde uns alles abgenommen. Das alles haben die Pflegerinnen und Pfleger, die Ärztinnen und Ärzte übernommen.
Als es dann so weit war, dass meine Mama gestorben ist, wurde uns dort alle Zeit gegeben, die wir brauchten, damit wir von ihr Abschied nehmen konnten, damit wir alle noch bei ihr bleiben konnten, und es wurde uns jede Form der Unterstützung angeboten. Das war so wichtig für uns! Ich bin so dankbar für diese Unterstützung, die wir dort gehabt haben, und für diese Pflege, die meine Mama dort gehabt hat.
Was mir damals nicht klar war, war, welches Privileg es war, dass genau in dem Moment, zu dem Zeitpunkt, als wir, als meine Mama diesen Platz benötigt hat, er aufgrund eines Zufalles auch tatsächlich frei war und sie so vom Krankenhaus direkt auf diese Palliativstation verlegt werden konnte. Es war mir nicht klar, dass das nicht immer möglich ist. Ich beschäftige mich auch erst seit damals mit diesem Thema, aber seither – und es ist mittlerweile 13 Jahre her – beschäftige ich mich damit.
Ja, es ist richtig, dieses Gesetz ist ein Anfang, und zwar deshalb ein Anfang, weil es das ist, was wir als Bundesgesetzgeber machen können. Das ist es, was wir als Bundesgesetzgeber in der Hand haben, wie wir als Bundesgesetzgeber alleine diese Frage lösen können. Deshalb ist dieses Gesetz ein Anfang, und es ist ein sehr, sehr guter Anfang, denn mit diesem Gesetz werden wir in mehreren Ausbaustufen bis zum Jahr 2024 wirklich überall eine bestmöglich verfügbare Hospiz- und Palliativversorgung aufbauen, nicht nur im stationären Bereich, sondern vor allem – und das ist ganz besonders wichtig – auch im mobilen Bereich. Mobile Hospizteams, mobile Palliativdienste sind etwas, was es wirklich, wirklich dringend braucht. So kommt man auch in die Regionen, so kommt man von den Krankenhäusern weg, und so bringt man die Versorgung zu den Menschen. Das ist sehr, sehr wichtig.
In mehreren Ausbaustufen – mit 150 Millionen Euro pro Jahr bis zum Jahr 2024 – werden wir wirklich einen guten Ausbau der Palliativ- und Hospizversorgung bewerkstelligen. Diese Finanzierung wird zu je einem Drittel von Bund, Ländern und Sozialversicherungsträgern gestemmt. Dazu ist es auch notwendig, dass sich diese abstimmen.
Aus diesem Grund möchte ich zu diesem Punkt einen Abänderungsantrag der Abgeordneten Wöginger, Koza, Kolleginnen und Kollegen zum Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales (1332 d.B.) einbringen. Er ist verteilt worden.
Er ist deshalb notwendig, weil noch einige formale Fehler zu berichtigen sind, und vor allem auch, weil die Regierungsvorlage vorsieht, dass diese Vereinbarung über die Aufteilung der Mittel zwischen Bund, Ländern und Sozialversicherungsträgern jeweils bis März erfolgt und auch der Bericht dann jeweils bis März jedes Jahres erfolgt. Das ist natürlich für das Jahr 2022 etwas knapp bemessen, deshalb ist für 2022 diese Frist auf September verlegt worden.
*****
Nun ganz kurz zu meinem Vorredner: Ja, es gibt diese Stellungnahme der Sozialversicherung. Natürlich muss sich die Sozialversicherung absichern, es ist aber natürlich alles gut überprüft worden. Es wird auch die Zielsteuerungsvereinbarungen in den Zielsteuerungsgruppen geben, damit wirklich vorgesorgt wird, dass diese Mittel, die wir in die
Hand nehmen, auch dafür verwendet werden, wofür sie gebraucht werden, nämlich für einen flächendeckenden Ausbau der Palliativ- und Hospizversorgung.
Zu einer anderen Frage, die auch noch im Begutachtungsverfahren aufgekommen ist, zum Rechtsanspruch: Sie werden wissen, als Juristin bin ich immer dafür, dass es Rechtsansprüche gibt, die im behördlichen Verfahren auch durchsetzbar sind. In diesem Falle ist es aber anders. Wir wissen, dass pflegerische Entscheidungen, dass Entscheidungen im medizinischen Bereich, dass Entscheidungen darüber, was für den jeweiligen Patienten, die jeweilige Patientin die optimale Versorgung ist, Ärztinnen und Ärzte zu treffen haben. Deshalb haben wir die Entscheidungen den Ärztinnen und Ärzten überlassen. Wäre es eine Entscheidung in einem Verwaltungsverfahren, müsste man erst recht wieder einen Gutachter, eine Gutachterin bestellen. In der Zwischenzeit vergehen aber wertvollste Tage und wertvollste Wochen für die Menschen, die es betrifft, und das wollten wir auf keinen Fall so haben.
Bitte stimmen Sie diesem Gesetz zu! Es ist ein erster Schritt, es ist ein erster großer, großer Schritt für ein wichtiges Projekt. Ich freue mich, dass ich beteiligt sein konnte, das jetzt umzusetzen. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)
16.17
Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:
Abänderungsantrag
der Abgeordneten August Wöginger, Markus Koza
und Kolleginnen und Kollegen
zum Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales (1332 d.B.) betreffend die Regierungsvorlage, mit dem ein Bundesgesetz über die Einrichtung eines Hospiz- und Palliativfonds und über die Gewährung von Zweckzuschüssen an die Länder zur finanziellen Unterstützung der Hospiz- und Palliativversorgung ab dem Jahr 2022 (Hospiz- und Palliativfondsgesetz – HosPalFG) erlassen sowie das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern- Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden (1290 d.B.) (TOP 10)
Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:
Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:
Art. 1 (Hospiz- und Palliativfondsgesetz – HosPalFG) wird wie folgt geändert:
1. In § 1 Abs. 2, § 2 Z 1, Z 2, Z 5, Z 6, Z 8, Z 9, Z 10, Z 11 und Z 12 sowie in § 9 Abs. 2 Z 8 wird die Wortfolge „Palliativpatienten und patientinnen“ durch die Wort- und Zeichenfolge „Palliativpatienten und -patientinnen“ ersetzt.
2. In § 2 Z 4 wird die Wort- und Zeichenfolge „Fachärzte und -innen“ durch die Wort- und Zeichenfolge „Fachärzte und -ärztinnen“ ersetzt.
3. § 13 Abs. 1 lautet:
»§ 13. (1) Die Länder haben um die Zweckzuschüsse jährlich längstens bis zum 31. März des jeweiligen Kalenderjahres der Inanspruchnahme beim Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz anzusuchen und im Zuge dessen eine Verpflichtungserklärung zur widmungsgemäßen Verwendung im Sinne des § 4 und zur Einhaltung der in § 5 festgelegten Bedingungen abzugeben. Im Jahr 2022 hat dies bis längstens 30. September zu erfolgen. Darüber hinaus ist jährlich ab dem Jahr 2023 längstens bis zum 31. März des jeweiligen Kalenderjahres der Inanspruchnahme eine Erklärung der über die zwischen Bund, Ländern und Trägern der Sozialversicherung im Rahmen der nach § 3 Abs. 2 getroffenen Vereinbarung über die auf
Landesebene erfolgte Abstimmung über die in § 5 genannten Bedingungen anzuschließen. Im Jahr 2022 hat dies bis längstens 30. September zu erfolgen.«
4. In § 13 Abs. 2 letzter Satz wird der Ausdruck „ab“ durch den Ausdruck „Ab“ ersetzt.
5. § 13 Abs. 3 Z 1 lautet:
»1. in den Jahren 2022 und 2023 nach Vorlage der beiden in Abs. 1 genannten Erklärungen als Vorleistung für das jeweils laufende Kalenderjahr und gelangt längstens bis November 2022 und im Mai 2023 zur Anweisung,«
Art. 2 (Änderung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes) wird wie folgt geändert:
Die Z 2 lautet:
»2. Nach § 762 wird folgender § 763 samt Überschrift angefügt:
„Schlussbestimmung zu Art. 2 des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xx/2022
§ 763. § 117 Z 2 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xx/2022 tritt mit 1. Jänner 2022 in Kraft.“«
Art. 3 (Änderung des Gewerblichen Sozialversicherungsgesetzes) wird wie folgt geändert:
Die Z 2 lautet:
»2. Nach § 394 wird folgender § 395 samt Überschrift angefügt:
„Schlussbestimmung zu Art. 3 des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xx/2022
§ 395. § 90 Abs. 1 lit. a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xx/2022 tritt mit 1. Jänner 2022 in Kraft.“«
Art. 4 (Änderung des Bauern-Sozialversicherungsgesetzes) wird wie folgt geändert:
Die Z 2 lautet:
»2. Nach § 388 wird folgender § 389 samt Überschrift angefügt:
„Schlussbestimmung zu Art. 4 des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xx/2022
§ 389. § 75 Z 2 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xx/2022 tritt mit 1. Jänner 2022 in Kraft.“«
Art. 5 (Änderung des Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetzes) wird wie folgt geändert:
Die Z 2 lautet:
»2. Nach § 273 wird folgender § 274 samt Überschrift eingefügt:
„Schlussbestimmung zu Art. 5 des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xx/2022
§ 274. § 52 Z 2 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xx/2022 tritt mit 1. Jänner 2022 in Kraft.“«
Begründung
Zu Art. 1 Z 1 (§ 1 Abs. 2, § 2 Z 1, Z 2, Z 5, Z 6, Z 8, Z 9, Z 10, Z 11 und Z 12 sowie § 9 Abs. 2 Z 8 HosPalFG):
Mit den redaktionellen Änderungen sollen insoferne Korrekturen vorgenommen werden, als dem Ausdruck „patientinnen“ jeweils ein Bindestrich vorangestellt wird.
Zu Art. 1 Z 2 (§ 2 Z 4 HosPalFG):
Die redaktionelle Änderung ist einem korrekten geschlechtergerechten Sprachgebrauch geschuldet.
Zu Art. 1 Z 3 bis 5 (§ 13 Abs. 1 bis 3 HosPalFG):
Die Regierungsvorlage sieht für das Jahr 2022 vor, dass die Bundesmittel gemäß § 13 Abs. 1 längstens bis zum 31. März 2022 von den Ländern beantragt werden müssen. Außerdem wäre das Einvernehmen gemäß § 3 Abs. 2 zwischen Bund, Land und Trägern der Sozialverischerung ebenfalls bis 31. März 2022 herzustellen. Da sich gezeigt hat, dass diese Fristen zu kurz gegriffen sind, sollen sie für das Jahr 2022 längstens bis zum 30. September 2022 verlängert werden.
In Abs. 2 letzter Satz soll eine redaktionelle Änderung vorgenommen werden, da das erste Wort „ab“ einer Großschreibung unterliegt.
Aufgrund der in Abs. 1 vorgesehenen Fristverlängerung soll die in Abs. 3 Z 1 für das Jahr 2022 geregelte Auszahlung des Zweckzuschusses unter Vorlage der in Abs. 1 angeführten Erklärungen anstatt im Mai 2022 längstens bis November 2022 erfolgen. Hiermit soll zum Ausdruck gebracht werden, dass eine Auszahlung des Zweckzuschusses vor dem November 2022 möglich sein soll, so die in Abs. 1 festgelegten Bedingungen vom jeweiligen Land erfüllt werden.
Zu Art. 2 bis 5:
Die Schlussbestimmungen zu den Sozialversicherungsgesetzen werden redaktionell berichtigt.
*****
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht somit mit in Verhandlung. Er wurde schon verteilt.
Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Nussbaum. – Bitte sehr.
Abgeordnete Mag. Verena Nussbaum (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Geschätzte Kolleginnen auf der Galerie! Kollege Loacker hat schon ausgeführt, warum wir heute diese Hospiz- und Palliativversorgung beschließen werden: Da der Verfassungsgerichtshof das Verbot der Sterbehilfe gekippt hat und die Sterbehilfe neu geregelt wurde – sehr eng geregelt wurde –, wird jetzt die Hospiz- und Palliativversorgung ausgebaut und auch in eine Regelfinanzierung überführt werden. Wir werden diesem Gesetzentwurf zustimmen und auch den Antrag der NEOS befürworten.
Dieser Hospiz- und Palliativfonds ist beim Sozialministerium angesiedelt. Wir haben schon gehört, es gibt eine Drittelfinanzierung von Bund, Ländern und Sozialversicherung. Zur sozialversicherungsrechtlichen Perspektive wird mein Kollege dann noch etwas sagen.
Da Sie als Sozialminister auch Pflegeminister sind: Es ist sehr wichtig, dass man jetzt endlich die Pflegereform angeht! Die Hospiz- und Palliativpflege ist sicher ein wesentlicher Punkt, aber sie ist die letzte Station der Pflege. Ich hoffe, dass es noch viele Stationen vor der Palliativ- und Hospizpflege gibt und dass man dafür jetzt einmal ins Tun kommt. Herr Minister, wann wird denn endlich etwas von der schon seit langer Zeit angekündigten Pflegereform präsentiert?
Es besteht in der Zwischenzeit Gefahr im Verzug. Es gab gestern wieder einen großen Hilferuf aus der Steiermark. Es gibt geschlossene Stationen in Pflegeheimen, wegen Personalmangel nicht belegte Betten. Es flüchten die Beschäftigen aus dem Pflege- und Gesundheitsbereich in andere Bereiche. Die, die noch bleiben, erleiden ein Burnout,
schaffen es nicht mehr, weil sie so wenige sind. Da muss etwas getan werden – und nicht erst in zwei Jahren oder irgendwann! Wenn man die demografische Entwicklung im Auge hat, ist das zwar natürlich ein wichtiges Thema für die Zukunft, aber der Hut brennt bereits jetzt. (Beifall bei der SPÖ.)
Wir als SPÖ haben unser Pflegekonzept, unsere Ideen schon vorgestellt. Wir haben sie auch im letzten Ausschuss wieder auf der Tagesordnung gehabt, sie wurden wieder vertagt.
Ich möchte nur ganz kurz unsere drei wichtigsten Punkte wiederholen: Es geht uns um ein bundeseinheitliches Pflegesystem, nicht um neun unterschiedliche Systeme. Das würde Transparenz in den Leistungen und auch gleichwertige Angebote ersichtlich machen.
Finanziert soll dies alles über einen Pflegegarantiefonds werden. Ich verstehe meine Vorrednerin nicht, die gemeint hat, dass das nur beim Hospiz- und Palliativfonds geht. Das geht sehr wohl auch bei einem einheitlichen Pflegegarantiefonds. Wir haben ihn deshalb Garantiefonds genannt, damit alle Menschen die notwendigen Pflegeleistungen kostenlos erhalten können.
Und – das ist wesentlich und das ist auch keine Neuigkeit mehr –: Wir brauchen mehr Personal. Wir brauchen eine Ausbildungsoffensive. Wir wissen natürlich, eine Ausbildungsoffensive macht das, was derzeit einfach nicht da ist, nicht sofort wett, weil das zwei, drei Jahre braucht. Wir haben aus Kärnten gehört, dass das Land beginnt, Kursgebühren zu übernehmen, es plant ein Ausbildungsgeld. Es bewegt sich also schön langsam etwas, es wäre aber schön, wenn die Verbesserung der Arbeitsbedingungen bundeseinheitlich wäre.
Es gibt so viel zu tun, Herr Minister, gehen Sie es endlich an! (Beifall bei der SPÖ.)
16.21
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ragger. – Bitte.
Abgeordneter Mag. Christian Ragger (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Gesundheitsminister! Geschätzter Herr Arbeitsminister! „Gehen Sie es endlich an!“, war der letzte Satz des Redebeitrags der Frau Kollegin, und ich glaube, da ist jetzt einmal ein erster Schritt gesetzt. Mit den Damen, die heute auf der Galerie Platz genommen haben, hat sich auch gezeigt, dass wir dieses Thema nicht erst seit gestern haben, sondern es über viele Jahre hinweg eine Leidenschaft von vielen Politikern aller Couleur gewesen ist.
Ich kann mich daran erinnern, als ich selbst vor zwölf Jahren das erste Mal im Bundesland Kärnten geschaut habe, was man da organisieren kann. Interessanterweise war Deutschland relativ weit voran und hat damals seine ersten Hospizzentren für Kinder entwickelt. Wir haben uns das damals in Köln angesehen. Das war tief beeindruckend, aber natürlich auch emotional sehr mitnehmend, weil man sich erst in diesem Rahmen bewusst geworden ist, wie viele Aspekte eine Hospiz- und Palliativversorgung hat und welch unterschiedliche Strukturen dafür notwendig sind.
Es geht nicht nur um den körperlichen Bereich und auch nicht nur um den geistigen Bereich, sondern es fließen viele spirituelle und emotionale Punkte mit ein, wobei die Familie mitzunehmen ist. Ich glaube daher, dass es ganz wichtig ist – und dafür gilt dem Minister heute auch mein Dank –, dass dieser erste Schritt gesetzt worden ist, dass wir einen ersten Ansatz haben. Ich hätte mir aber – eine Nuance im Unterschied zu den Grünen – erwartet, daraus einen klaren Rechtsanspruch abzuleiten.
Ich bin daher auch bei meinem Kollegen Loacker, dass wir in einer zweiten Phase natürlich vertieft dafür eintreten müssen, denn wenn wir eine Wartezeit von zwei Jahren haben, dann müssen wir schon jetzt schauen, dass wir eine Regelung finden! Das heißt, wir wollen konstruktiv mit dabei sein und deswegen haben wir auch einen zweiten Entschließungsantrag vorbereitet, da wir uns gefragt haben, wohin denn diese Personen jetzt in dieser Übergangsphase kommen.
Das gilt ja nicht nur für den Hospizbereich als besonderen Teil der Pflege, sondern vielfach brauchen wir das auch für die Regelversorgung der älteren Menschen. Daher ist es, glaube ich, notwendig, in dieser Phase auch eine Förderung für die Übergangspflege einzuführen. Dem wollen wir mit diesem Entschließungsantrag Ausdruck verleihen.
Ich darf dementsprechend den folgenden Antrag einbringen und verlesen:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Rosa Ecker, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Förderung der Übergangspflege“
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage für ein ‚Übergangspflege-Förderungsgesetz‘ zuzuleiten, die folgende gesetzliche Regelungen umfasst:
- Rechtsanspruch auf eine rehabilitative Pflege und Betreuung von bis zu 12 Wochen (84 Tage) pro Kalenderjahr als Überbrückungshilfe nach der Akutbehandlung in einem Krankenhaus und vor der Entlassung nach Hause.
- Finanzierung durch den jeweiligen Sozialversicherungsträger, bei dem der Anspruchsberechtigte sozialversichert ist.
- Inkrafttreten der Regelung bis 31.12.2022“
*****
Das ist nicht eine Erfindung von uns, sondern das haben bereits mehrere Bundesländer umgesetzt. Wir haben uns als Vorbild die niederösterreichische Landesregierung genommen und uns das von dort entliehen, weil es auch wichtig ist, dass genau in dieser Phase, in der dieser Umbruch stattfindet und in der dieser Fonds entwickelt und etabliert wird, der Versorgungsauftrag von der öffentlichen Hand klar wahrgenommen wird. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der FPÖ.)
16.25
Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Rosa Ecker, Mag. Christian Ragger
und weiterer Abgeordneter
betreffend Förderung der Übergangspflege
eingebracht im Zuge der Debatte zu Top 10) Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (1290 d.B.): Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Einrichtung eines Hospiz- und Palliativfonds und über die Gewährung von Zweckzuschüssen an die Länder zur finanziellen Unterstützung der Hospiz- und
Palliativversorgung ab dem Jahr 2022 (Hospiz- und Palliativfondsgesetz – HosPalFG) erlassen sowie das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden sowie über den Antrag 1484/A(E) der Abgeordneten Mag. Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausbau der Hospiz- und Palliativversorgung in Österreich (1332 d.B.) in der 143. Sitzung des Nationalrats am 24. Februar 2022.
Mit der Palliativ- und Hospizversorgung stehen alle anderen Pflegeversorgungsformen in einem engen Zusammenhang. Bei schweren Krankheitsverläufen gewinnt insbesondere die Übergangspflege nach einer medizinischen Behandlung im Krankenhaus eine immer größere Bedeutung.
Modelle der Übergangspflege werden in einzelnen Bundesländern, etwa Niederösterreich angeboten:
„Übergangspflege ist eine rehabilitative Pflege und Betreuung von bis zu 12 Wochen (84 Tage) pro Kalenderjahr als Überbrückungshilfe nach der Akutbehandlung in einem Krankenhaus und vor der Entlassung nach Hause. Bei dieser Leistung steht die Therapie und Rehabilitation und weniger die Medizin im Vordergrund. Dadurch soll wieder ein selbstständiges Leben zu Hause (mit oder ohne Betreuung) ermöglicht werden.“
Übergangspflege für Hilfe suchende Personen kann in allen bewilligten stationären Pflegeeinrichtungen nach § 49 i.V.m. § 47 NÖ Sozialhilfegesetz 2000 angeboten werden. Ein Zuschuss zur Übergangspflege wird pro Anlassfall max. für 12 Wochen gewährt. Innerhalb eines Kalenderjahres ist ein weiterer Zuschuss nicht möglich. Die Zeiten eines Krankenhausaufenthaltes werden auf die 12 Wochen angerechnet und führen zu keiner Verlängerung. Ein Krankenhausaufenthalt mit einer Dauer von mehr als ca. 7 Tagen beendet die förderbare Übergangspflege.
Für die Inanspruchnahme von Übergangspflege muss die Hilfe suchende Person aus ihrem Einkommen 1/30 von 80% ihres monatlichen Einkommens sowie 1/30 von 100% der pflegebezogenen Geldleistungen (z.B. Pflegegeld) als Eigenleistung für jeden Tag bezahlen. Kommt es während des Aufenthalts zu einer Erhöhung des Pflegegeldes ist der gesamte Zeitraum mit der tatsächlichen Einstufung abzurechnen. Jänner 2021 Unter Einkommen ist das monatliche Nettoeinkommen zu verstehen. Einkommen ist grundsätzlich jede regelmäßig zufließende Geldleistung (z.B. Rente, Pension, Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Mieteinnahmen, Pacht...). Nicht zum Einkommen zählen Geldleistungen Sonderzahlungen, Familienbeihilfen, Studienbeihilfen. Das Einkommen von unterhaltspflichtigen Angehörigen bzw. das Vermögen der Hilfe suchende Person wird für die Berechnung der Eigenleistung nicht berücksichtigt. Bestehende Unterhaltspflichten und laufende Zahlungsverpflichtungen werden bei der Bemessung der Eigenleistung nicht berücksichtigt.
Quelle: Richtlinie Übergangspflege (gemäß § 19 NÖ Sozialhilfegesetz 2000)
In unserem Nachbarland Deutschland haben Versicherte Anspruch auf Übergangspflege im Krankenhaus
Übergangspflege im Krankenhaus nach § 39e SGB V
Versicherte der Gesetzlichen Krankenversicherung haben einen Anspruch auf eine „Übergangspflege im Krankenhaus“. Dies Leistung wurde mit dem Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz (GVWG), welches am 20.07.2021 in Kraft getreten ist, neu in den Leistungskatalog aufgenommen. Die Rechtsgrundlage für die Übergangspflege im Krankenhaus ist § 39e Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V).
Der Anspruch auf Übergangspflege im Krankenhaus
Ein Anspruch auf die Übergangspflege im Krankenhaus besteht für Versicherte, für die im unmittelbaren Anschluss an eine Krankenhausbehandlung die erforderlichen Leistungen der
• Häuslichen Krankenpflege,
• Kurzzeitpflege,
• Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder
• Pflegeleistungen nach dem SGB XI
• nicht oder nur unter erheblichem Aufwand erbracht werden können.
Die Übergangspflege wird in dem Krankenhaus erbracht, in dem die stationäre Krankenhausbehandlung durchgeführt wurde.
Leistungsumfang
Der Anspruch auf die Übergangspflege im Krankenhaus besteht für längstens zehn Tage je Krankenhausbehandlung.
Im Rahmen des Leistungsanspruchs auf die „Übergangspflege im Krankenhaus“ werden die erforderliche
• ärztliche Behandlung,
• die Versorgung mit Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln,
• die Aktivierung der Versicherten,
• die Grund- und Behandlungspflege und
• die Unterkunft und Verpflegung
• übernommen.
• Ebenfalls beinhaltet die Leistung das Entlassmanagement.
Zuzahlung
Wie für nahezu alle Leistungen der Gesetzlich Krankenversicherung ist auch für die Übergangspflege im Krankenhaus eine Zuzahlung vorgesehen. Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, müssen nach § 39e Abs. 2 SGB V vom Beginn der Übergangspflege an innerhalb eines Kalenderjahres für längstens 28 Tage den sich nach § 61 Satz 2 SGB ergebenden Betrag je Kalendertag an Zuzahlung leisten. Das bedeutet, dass je Tag 10,00 Euro zu zahlen sind. Der Zuzahlungsbetrag ist an das Krankenhaus zu entrichten.
Um hier allen Betroffenen in Österreich einen entsprechenden Zugang zu einem solchen Fördermodell zu ermöglichen, sollte eine bundeseinheitliche Regelung angestrebt werden. Aufbauend auf dem NÖ Modell sollte eine bundeseinheitliche Regelung Platz greifen. Zentrale Forderung ist ein Rechtsanspruch auf diese Übergangspflege und eine zeitnahe Umsetzung bis zum 31.12.2022.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden
Entschließungsantrag
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage für ein „Übergangspflege-Förderungsgesetz“ zuzuleiten, die folgende gesetzliche Regelungen umfasst:
-Rechtsanspruch auf eine rehabilitative Pflege und Betreuung von bis zu 12 Wochen (84 Tage) pro Kalenderjahr als Überbrückungshilfe nach der Akutbehandlung in einem Krankenhaus und vor der Entlassung nach Hause.
-Finanzierung durch den jeweiligen Sozialversicherungsträger, bei dem der Anspruchsberechtigte sozialversichert ist.
-Inkrafttreten der Regelung bis 31.12.2022
*****
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht somit mit in Verhandlung.
Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Kugler. – Bitte sehr.
Abgeordnete Dr. Gudrun Kugler (ÖVP): Sehr geehrter Herr Minister! Hohes Haus! Auch wenn es der Opposition nicht ganz bewusst ist: Wir beschließen heute ein Jahrhundertgesetz mit einer Tragweite für viele Generationen. Jeder von uns wird davon positiv betroffen sein, sei es selbst oder als Angehöriger.
Es geht bei diesem Gesetz nicht um den Tod, sondern es geht um das Leben, weil nämlich der Sterbeprozess und die letzten Lebensmonate zum Leben dazugehören und weil von uns auch da Lebensqualität großgeschrieben wird. Regelfinanzierung bedeutet darum flächendeckenden und leistbaren Zugang zu Hospizen und Palliativversorgung für jeden Menschen, der ihn braucht. Wenn jemand weiß, dass er nicht alleine gelassen wird, dann ist er getröstet und kann in Ruhe leben, bis zuletzt.
Was sind die Prinzipien dieses Gesetzes? – Was im Bereich Hospiz- und Palliativversorgung bereits besteht, das bleibt bestehen. In der Grundversorgung – da spreche ich von Altenheimen, Pflegeheimen, Krankenhäusern, niedergelassenen Ärzten – finanzieren wir Zusatzangebote und Zusatzkompetenzen, damit man dort diese letzte Unterstützung bekommen kann.
Im spezialisierten Bereich – da spreche ich von stationären Hospizen, Tageshospizen, mobilen Palliativteamdiensten, aber auch von speziellen Angeboten für betroffene Kinder – wird zuerst einmal finanziert – heute ist vieles auf Spenden angewiesen –, aber in einem zweiten Schritt wird ausgebaut und aufgebaut.
Wie funktioniert das? – Die Länder schauen, was gebraucht wird, sie sehen klar, wie es bei ihnen aussieht, sie legen das dem Bund vor und dann fließt die Finanzierung dafür. Herr Kollege Loacker, das ist nicht unübersichtlich, sondern regional und föderal. Nur so können wir den echten Bedarf finden und ihn dann auch decken. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)
Zweites Prinzip in der spezialisierten Unterstützung: Wir stellen die Leistbarkeit sicher. Heute werden oft hohe Tagessätze verrechnet. Das wird in Zukunft nicht mehr so sein. 80 Prozent der Menschen wünschen sich, dass sie zu Hause gepflegt werden und sterben können. Für diese gibt es Palliativdienste, die mobil sind und zu ihnen nach Hause kommen. Vieles davon ist Ehrenamt. Was da geleistet wird, ist großartig. Wir werden helfen, dass diese ehrenamtlichen Dienste gut ausgebildet sind, gut koordiniert werden und dass für diese Koordination auch das Geld vorhanden ist.
Ich verstehe nicht, warum hier mehrfach gesagt wurde, dass das Gesetz ein erster Schritt ist. Es ist viel mehr als ein erster Schritt. Dieses Gesetz beinhaltet Stufen, ja, aber dann eine volle Finanzierung, und das langfristig und sogar indexiert. Das ist etwas, das nicht in jeder anderen Gesetzesmaterie vorkommt. Warum gibt es Stufen? – Nicht weil
der Staat da geizig sein will, sondern weil selbstvertändlich das Angebot, das finanziert wird, zuerst einmal geschaffen werden muss. Das ist ja nicht morgen alles vorhanden.
Dafür haben wir jetzt einen Zwei-, Dreijahresplan, und dann haben wir in Österreich eine hundertprozentige, flächendeckende und leistbare Versorgung, abgestuft, je nachdem, was jemand braucht. In diesem Sinn verstehe ich die Haltung der NEOS nicht, denn einerseits für die Ausweitung der Möglichkeiten, sich selbst zu töten, einzutreten, nicht aber für die Unterstützung der Möglichkeit, im Leben zu sein – das, bitte schön, ist nicht unsere Politik. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Loacker: ... kein Vergleich! ...!)
Frau Kollegin Nussbaum kann ich beruhigen: Die Pflegereform hat Priorität. Sie ist in Arbeit und sie kommt.
Ganz wichtig ist mir noch zu sagen: Die letzten Lebensmonate wird man mit dem Gesetz, das wir heute beschließen, nicht nur irgendwie aushalten können, sondern es geht um Lebensqualität und in Wirklichkeit um Lebensgewinn. Ich darf Ihnen dazu ein Zitat vorlesen. Die Tochter des berühmten Kulturjournalisten Karl Löbl, den Sie sicher alle kennen, hat in der „Presse“ im Jahr 2020 über ihre Erfahrung mit dem Sterben ihrer Eltern geschrieben.
Sie schreibt: „Aus dem Wunsch, gemeinsam zu gehen, wurde ein Kampf um das Leben.“ „Es wurde weitergelebt, um jede kostbare Minute gekämpft und es taten sich Welten auf, welche keiner von uns […] vorher auch nur im Ansatz vermutet hätte.“ Die Pflege „war von einer derartigen Hingabe und Aufopferung, dass Außenstehende sich daneben winzig fühlten.“ Als Karl Löbl dann selbst auf die Palliativstation kam, sagte er – Zitat von seiner Tochter –: „Da bleib ich jetzt, hier gefällt es mir.“
Dass in den letzten Lebensmonaten Lebensgewinn entstehen kann, ist Tausenden Menschen zu verdanken, die als Ehrenamtliche, als Hauptamtliche und als Angehörige für die Menschen da sind. Diesen Menschen sei allerherzlichst gedankt. (Beifall bei der ÖVP.) Eines kann ich heute versprechen: Ja, vor ihrer Arbeit wird man winzig; aber mit dem heutigen Gesetz lassen wir sie dabei nicht alleine. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)
16.31
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist der Herr Bundesminister. Ich darf ihm das Wort erteilen. – Herr Bundesminister Mückstein, bitte sehr.
Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Dr. Wolfgang Mückstein: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Sehr geehrte Gäste auf der Galerie! Wie viele von uns aus Erfahrungen aus dem nächsten Umfeld wissen, ist die Konfrontation mit dem nahen Sterben für schwer kranke Menschen oft mit der Sorge um Abhängigkeit und mit der Angst vor Schmerzen behaftet. Sterbende, aber auch Angehörige brauchen gerade in dieser Lebensphase Beratungs- und Begleitungsangebote, sie brauchen ein gut ausgebautes Hospiz- und Palliativversorgungssystem.
Wir werden mit dem vorliegenden Gesetzentwurf den flächendeckenden Aus- und Aufbau der Hospiz- und Palliativversorgung in Österreich sowie deren Finanzierung ab 2022 auf sichere Beine stellen. Ziel ist es, dass schwer kranken Menschen in einer enorm vulnerablen Lebensphase unabhängig von ihren persönlichen und finanziellen Möglichkeiten und unabhängig von ihrer familiären Lage Unterstützung zuteilwird. Wir brauchen österreichweit eine wohnortnahe, öffentlich finanzierte und gut zugängliche Hospiz- und Palliativversorgung. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)
Das Angebot und der Ausbau der Hospiz- und Palliativversorgung ist natürlich auch als Begleitmaßnahme zur Beschlussfassung des assistierten Suizids zu sehen und ist
diesbezüglich von größter Bedeutung. Darüber besteht auch in diesem Haus über die Parteigrenzen hinweg große Übereinstimmung.
Wie wird das abgewickelt werden? – Den Ländern wird jährlich ein Zweckzuschuss aus Budgetmitteln zur Verfügung gestellt. Für die Jahre 2022 bis 2024 sind das – aufsteigend – im Jahr 2022 21 Millionen Euro, 2023 36 Millionen Euro und 2024 51 Millionen Euro. Angedacht ist dabei eine Drittelfinanzierung zwischen dem Bund, den Ländern und den Sozialversicherungsträgern. Das heißt, es werden im Jahr 2024 bis zu 153 Millionen Euro – im Vergleich zu 18 Millionen Euro derzeit – für den Aus- und Aufbau der Hospiz- und Palliativbetreuung in Österreich zur Verfügung stehen. Dieser Zweckzuschuss soll in bedarfsgerechte Angebote im Bereich der Hospiz- und Palliativbetreuung für Erwachsene und Kinder fließen. Es sollen mobile Palliativteams, Hospizteams, Palliativkonsiliardienste, stationäre Hospize, aber auch Tageshospize auf- und ausgebaut werden.
Die Freiwilligenarbeit bleibt dabei sowohl für die Betroffenen als auch für das gesamte System der Hospiz- und Palliativversorgung eine wertvolle Stütze und soll daher jedenfalls auch weiter gefördert werden. Wichtig ist, dass Unterstützungsleistungen für Betroffene und ihre An- und Zugehörigen erreichbar, leistbar und wohnortnahe sind. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)
16.34
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Silvan. – Bitte sehr.
Abgeordneter Rudolf Silvan (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen auf der Galerie! Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen! Ich möchte hier von dieser Stelle aus die Gelegenheit nutzen, mich bei den zahlreichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die schon jahrelang und meistens ehrenamtlich in der Palliativ- und Hospizpflege tätig sind, herzlich für ihre Leistungen zu bedanken. Herzlichen Dank! (Beifall bei der SPÖ.)
Zu meiner Vorrednerin, Kollegin Kugler: Sie haben soeben die Pflegereform wieder in Aussicht gestellt. Ich möchte nur daran erinnern – und ich meine das gar nicht böse –: Das hat Sebastian Kurz schon 2017 gemacht, und wir warten immer noch.
Wir befürworten dieses Hospiz- und Palliativfondsgesetz. Wir befürworten es deswegen, weil nun nach jahrelanger Diskussion ein österreichweiter bedarfsgerechter und flächendeckender Aus- und Aufbau der Hospiz- und Palliativversorgung geleistet werden soll. Das ist natürlich positiv – keine Frage –, genauso wie die Einführung von Qualitätskriterien für ganz Österreich.
Wo wir seitens der Sozialdemokratie Bedenken haben – meine Vorredner haben das teilweise schon angemerkt –, das ist die Finanzierung, die Mittelaufbringung. Die vorgesehene Drittelfinanzierung, bei der auch die Sozialversicherung mit dabei ist, ist nämlich aus unserer Sicht nicht nur systemwidrig, sondern auch verfassungsrechtlich problematisch. Hospiz- und Palliativpflege sind grundsätzlich keine Aufgaben der Sozialversicherung. Die gesetzliche Übertragung von versicherungsfremden Aufgaben – noch dazu ohne Mitteldeckung – stellt nämlich einen unzulässigen Eingriff in die Finanzautonomie der Sozialversicherungsträger, in ihre Selbstverwaltung dar. Da sehen wir die größten Probleme bei diesem Gesetzentwurf.
Ganz ehrlich, man könnte nun sagen, grundsätzlich ist das egal, weil sowohl die Sozialversicherung als auch die Steuermittel der Republik Österreich hauptsächlich von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sowie von PensionistInnen finanziert werden. Daher könnte man sagen: Eigentlich ist es egal, aus wessen Topf das kommt. – Wir sehen aber auch, dass erstens vor allem die ÖGK aufgrund der Pandemie finanziell nicht
gerade gut dasteht, und ich glaube auch, dass gerade auf die ÖGK noch sehr viele Herausforderungen zukommen werden – Stichwort: Long-Covid-Patientinnen und Patienten.
Eines ist noch anzumerken – und ich meine das gar nicht zynisch –: Ich denke, das Geld – nämlich knapp 1 Milliarde Euro –, das man durch die Senkung der Körperschaftsteuer den großen Unternehmen geschenkt hat, wäre in diesem Bereich wesentlich besser investiert. Das sind doch 800 Millionen Euro bis 1 Milliarde Euro. Wir unterstützen zwar diesen Gesetzentwurf, sehen ihn aufgrund der Finanzierung aber sehr kritisch.
Zu dem Antrag zum Thema Rechtsanspruch auf Übergangspflege, der, glaube ich, von den Freiheitlichen noch eingebracht wird: Natürlich sind wir generell für einen Rechtsanspruch auf Pflege jeglicher Art, aber auch da soll wieder die Sozialversicherung bei der Finanzierung mit dabei sein; deswegen werden wir den Antrag der Freiheitlichen nicht unterstützen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)
16.38
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Sieber. – Bitte.
Abgeordneter Norbert Sieber (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Geschätzte Zuhörerinnen und Zuhörer! Für mich – und ich denke, auch für viele von Ihnen – wäre der heutige Tag mit dem Beschluss dieses Gesetzes durchaus ein Freudentag. Ich weiß aber nicht, wie es Ihnen geht. Es ist etwas unwirklich, denn während wir hier Palliativ- und Hospizversorgung debattieren – die möglichst gut organisierte Begleitung von Menschen zum Sterben hin –, sterben gerade jetzt, weniger weit entfernt, als ich von diesem Standort hier wohne und lebe, Menschen im Kugelhagel oder im Bombenterror.
Dennoch, meine Damen und Herren, freuen wir uns, dass es nach all den Bemühungen, den Bemühungen vieler Jahre, nach dem Festschreiben in vielen Regierungsprogrammen, nach dem Abhalten von Enqueten im Parlament und nach gemeinsam beschlossenen Entschließungsanträgen – dem letzten vor zwei Jahren, hier beschlossen, von allen miteinander – heute so weit ist.
Mit dem vorliegenden Entwurf zum Hospiz- und Palliativfondsgesetz wird in ganz Österreich ein bedarfsgerechter und flächendeckender Ausbau der Hospiz- und Palliativversorgung ermöglicht. Stufenweise aufbauend werden in einer Drittelaufteilung von Bund, Ländern und Sozialversicherungen im Jahr 2022 63 Millionen Euro, im Jahr 2023 dann 108 Millionen Euro und ab 2024 153 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, und zwar wertgesichert.
Nicht erwähnt wurde bisher, dass wir ja abgesehen von diesen frischen Geldmitteln nicht bei null beginnen müssen. Jene Mittel, die unter die Leistungsorientierte Krankenanstaltenfinanzierung, die LKF, fallen, bleiben selbstverständlich bestehen. Wenn man das nun zusammenrechnet: Mit dieser LKF-Finanzierung sind das bisher in etwa 145 Millionen Euro; wenn man die zusätzlichen Mittel dazurechnet, können wir davon ausgehen, dass ab dem Jahr 2024 rund 300 Millionen Euro für die Finanzierung der Hospiz- und Palliativversorgung zur Verfügung stehen. Meine Damen und Herren, das nenne ich doch wirklich ein Jahrhundertgesetz! (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Prammer.)
Dieses Geld, meine Damen und Herren, brauchen wir in allen Bereichen, ob das nun die Palliativstationen sind, die Betten für die Palliativstationen, die stationären Hospize, Tageshospize, Palliativkonsiliardienste, mobile Palliativteams, Hospizteams und vieles andere – dafür wird dieses Geld verwendet werden. Die zugrunde liegenden Zahlen stammen aus einer von der GÖG durchgeführten Studie und einem Bericht des Dachverbands Hospiz Österreich.
Wichtig ist, dass in diesem Gesetz auch für die notwendigen Ausbildungen der Pflegekräfte Sorge getragen wird sowie auf die Betreuung pflegender Angehöriger Rücksicht genommen und darauf eingegangen wird.
Meine Damen und Herren, mir ist es auch wichtig, an dieser Stelle einigen Personen ganz herzlich zu danken. Das sind zum einen die Verhandler des Regierungsteams, unser Klubobmann August Wöginger – der sich aktuell gerade wieder in wichtigen Gesprächen befindet – und aufseiten der Grünen meine Kollegin Mag. Sirkka Prammer, die da wirklich eingehend und mit viel Herz verhandelt haben.
Ihnen, Herr Minister Mückstein, und Ihrem Haus möchte ich ebenfalls danken. Ganz besonders – ich habe gehofft, dass er heute hier ist – geht dieser Dank an Ihren Sektionschef Dr. Pallinger. Ich möchte fast sagen, Dr. Pallinger hat etwas, das auch für ihn ein Lebenswerk ist, in einen Gesetzentwurf gegossen, der für viele Menschen in diesem Land segensreich wirken wird. Seine Handschrift ist da deutlich lesbar, und ich möchte ihm ganz besonders danken. Ich hoffe, dass Sie ihm und seinem Team das ausrichten. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Prammer und Stöger.)
Besonders danken möchte ich aber auch den verantwortlichen Politikerinnen und Politikern, die schon vor uns für diese Regelung gekämpft haben. Das ist zum einen eine liebe Kollegin von mir, die jetzt hier auf der Galerie sitzt, Nationalratsabgeordnete außer Dienst Gertrude Aubauer. Sie war Vorsitzende der Enquete-Kommission „Würde am Ende des Lebens“ und konnte dort wirklich vieles bewegen – danke, Gertrude!
Ich danke auch der Geschäftsführerin des Dachverbandes Hospiz, Leena Pelttari, die seit 20 Jahren an diesem Thema arbeitet und es anschiebt.
Ich danke der Nationalratsabgeordneten außer Dienst und langjährigen Stadträtin von Wien sowie Vorsitzenden des Hospiz- und Palliativforums, Frau Dr. Elisabeth Pittermann, die sich ebenfalls seit vielen Jahren mit viel Herzblut für dieses Thema engagiert.
Ich danke auch unserer Landeshauptfrau außer Dienst und Präsidentin des Dachverbandes Hospiz Österreich, Waltraud Klasnic, die ebenfalls mit viel Engagement und Herzblut bei diesem Thema involviert ist. Sie hat zu uns gesagt, für sie gehe damit fast ein Lebenstraum in Erfüllung, es sei für sie so wichtig. Ich möchte dir, liebe Waltraud, und Ihnen allen ganz herzlich für Ihr besonderes Engagement danken! (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS.)
Besonders möchte ich aber jenen danken, die dieses Gesetz eigentlich unterstützen und ihnen helfen soll. Es sind dies alle Pflegenden, die ehrenamtlichen und die hauptamtlichen Pflegekräfte, aber auch – oft unbedankt und unbemerkt – die pflegenden Angehörigen: danke für Ihren Dienst!
Ich danke Ihnen allen für die Unterstützung; vielleicht überlegen sich die NEOS noch ihre Zustimmung zu diesem wunderbaren Gesetzentwurf. – Danke sehr. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)
16.44
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist nun Abgeordnete Scheucher-Pichler. – Bitte sehr, 4 Minuten.
Abgeordnete Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler (ÖVP): Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste auf der Galerie! Mit dem Ausbau der Hospiz- und Palliativversorgung und der Übernahme in die Regelfinanzierung – das wurde ja schon ausgeführt – setzen wir wirklich einen Meilenstein, einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung.
Es ist auch im Rahmen der Pflegereform ein wichtiger Schritt, für Erwachsene, aber erfreulicherweise auch für Kinder und Jugendliche, das war uns ja auch im Familienausschuss so wichtig. Es ist aber natürlich vor allem für die ältere Generation, für unsere Seniorinnen und Senioren von großer Bedeutung. Mit zunehmendem Alter beschäftigt man sich nämlich immer mehr mit der Frage: Wie werden meine letzten Wochen, meine letzten Tage, meine letzten Stunden sein? – Ich denke, solche Gedanken hat jeder irgendwann einmal, und mit zunehmendem Alter denkt man natürlich stärker darüber nach. Da fragt man sich: Wie wird es sein? Wird jemand da sein, wird mich jemand begleiten? Wird mich jemand in den Armen halten, wird jemand meine Hand halten?
Für uns in der ÖVP und im Seniorenbund, aber auch darüber hinaus, etwa im Dachverband Hospiz Österreich, in dem Waltraud Klasnic, Elisabeth Pittermann und viele andere wirkliche Pionierarbeit geleistet haben, war es so wichtig, dieses Thema voranzutreiben, unabhängig davon, dass es ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes zur Sterbehilfe gegeben hat. Wir haben das schon in den Jahren davor getan. Es wurde etwa schon die ehemalige Abgeordnete Gertrude Aubauer genannt, die mit mir auch Teil des Bundesvorstands des Seniorenbundes ist. Sie hat mit ihrer Enquete-Kommission breite Aufmerksamkeit für dieses Thema geschaffen und wirklich wichtige Arbeit geleistet.
Ich meine, das war wirklich echte Pionierarbeit, die Sie alle zusammen mit den vielen hauptberuflichen, aber auch ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern geleistet haben. Da sind auch sehr, sehr viele Ehrenamtliche dabei, die in Österreich in der Hospizarbeit tätig sind, und ihnen allen gebührt unser großer Respekt und unser großes Dankeschön für ihre Arbeit.
Es ist eine Pionierarbeit. Österreich steht heute in diesem Bereich wirklich an der Weltspitze, das hat mir auch Waltraud Klasnic schon einmal bestätigt. Wir stehen bei der Hospiz- und Palliativversorgung wirklich an der Weltspitze, und ich denke, das sollten wir auch entsprechend würdigen. – Das ist auch Ihre Leistung, die Leistung von Ihnen allen! (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Disoski und Prammer.)
Meine Damen und Herren, der Begriff Hospiz, aus dem Lateinischen kommend, bedeutet ja so etwas wie Herberge oder Raststätte. Palliativ, ebenfalls aus dem Lateinischen kommend, bedeutet so etwas wie Mantel. Ich finde, das sind beides sehr schöne Symbole: ein Mantel, den man um jemanden legt, der ihn braucht, der Betreuung braucht.
Überraschenderweise wurde erst im Jahr 1961 in einem Vorort von London die erste Klinik für Sterbende und ihre Angehörigen gegründet, in der das erste Mal auch Akzente im medizinischen und psychologischen Bereich gesetzt wurden. Dort wurde ein ganzheitlicher Ansatz gewählt, auch die Angehörigen wurden miteinbezogen. Das war auch der Beginn der medikamentösen Behandlung für Menschen am Ende ihres Lebens und der Beginn der Schmerztherapie. Heute sagt die Weltgesundheitsorganisation, dass jeder ein Recht auf Schmerzfreiheit hat. Das ist nicht immer möglich, aber doch weitgehend. Ich glaube, das war ein ganz, ganz wichtiger Schritt, das Tabuthema Tod und Sterben ist damit in den Blick der Öffentlichkeit gerückt. Auch durch Publikationen wie jene der Schweizer Ärztin Kübler-Ross ist da wirklich viel geschehen, die moderne Hospizbewegung ist damit in den Sechziger-, Siebzigerjahren entstanden.
Mit der Etablierung des Hospizgedankens im Gesundheits- und Pflegesystem wird alles getan, um ein menschenwürdiges und würdevolles Leben bis zuletzt zu gewährleisten. Wichtig ist, dass das sowohl für die mobilen Dienste als auch für das Tageshospiz und alle stationären Einrichtungen gilt. Ich meine, dass jeder seinen Platz hat und stets die individuelle Situation ausschlaggebend dafür ist, was die richtige Möglichkeit ist. Hospice care drückt so schön aus, worum es geht: Menschen nicht allein zu lassen und Menschen zu begleiten, sodass sie bis zum Tod selbstbestimmt und beschwerdefrei ein bewusstes Leben führen können.
Palliativ- und Hospizarbeit braucht aber auch sehr, sehr hohe Standards, meine Damen und Herren, sie braucht regelmäßige Helferkonferenzen und Supervision – darauf müssen wir achten – und sie braucht neben guter Ausbildung auch regelmäßige Weiterbildung.
Wie gesagt, ich glaube, wir sind da am richtigen Weg. Ich möchte noch betonen, dass in Kärnten – ich bin Kärntnerin – seit 2005 ein Landesverband von Hospiz- und Palliativeinrichtungen besteht und speziell die Caritas, die Diakonie und das Rote Kreuz Pionierarbeit geleistet haben. Auch das möchte ich einmal betonen, nämlich dass da sehr, sehr viele Organisationen mitgearbeitet haben.
Meine Damen und Herren, zum Schluss kommend: Der letzte Lebensabschnitt ist immer eine Ausnahmesituation für alle Beteiligten. Es entsteht ein besonderer Leidensdruck, es entstehen Fragen, die mit Überforderung, mit Wut, mit Angst, mit Trauer, mit Hoffnungslosigkeit, aber auch mit der Suche nach Frieden und mit Abschiednehmen und Trauer zu tun haben. Das ist eine Ausnahmesituation, und daher ist es auch so wichtig, die richtige Begleitung zu organisieren.
Ein französischer Arzt aus dem 16. Jahrhundert hat sinngemäß gemeint: Wenn es nichts mehr zu tun gibt, ist viel zu tun: Heilen – manchmal, lindern – oft, trösten – immer. Das ist auch das Leitmotiv der internationalen Palliative-Care-Bewegung. Ich denke, das ist ein sehr, sehr schönes Leitmotiv. Ich danke allen, die heute diesem Meilenstein für die Hospiz- und Palliativversorgung in Österreich zustimmen. Und noch einmal ein großes Dankeschön allen, die mit dazu beigetragen haben, dass wir heute diesen Beschluss fassen können. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)
16.51
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.
Wünscht die Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das scheint auch nicht der Fall zu sein.
Wie vereinbart verlegen wir die Abstimmung an den Schluss der Verhandlungen über die Vorlagen des Ausschusses für Arbeit und Soziales.
Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 2192/A der Abgeordneten Peter Haubner, Dipl.-Ing. Olga Voglauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (1333 d.B.)
12. Punkt
Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 2214/A der Abgeordneten August Wöginger, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden (1334 d.B.)
13. Punkt
Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 2217/A der Abgeordneten Mag. Romana Deckenbacher, Mag. Eva Blimlinger, Kolleginnen
und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Pensionsgesetz 1965 und das Bundesbahn-Pensionsgesetz geändert werden (1335 d.B.)
14. Punkt
Bericht und Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz und das Bundesgesetz zur Bekämpfung pandemiebedingter Armutsfolgen (COVID-19-Gesetz-Armut) geändert werden (1336 d.B.)
15. Punkt
Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 2216/A der Abgeordneten Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller, Barbara Neßler, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Mutterschutzgesetz 1979 geändert wird (1337 d.B.)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zu den Punkten 11 bis 15 der Tagesordnung, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.
Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.
Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Heinisch-Hosek. Bei ihr steht das Wort. – Bitte, Frau Abgeordnete.
Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Wenn man den Liveticker auf orf.at verfolgt, steigt die Beklemmung, was die Situation in der Ukraine anlangt, unglaublich. Herr Bundesminister, gestern in der Früh haben wir noch darüber geredet, dass Sie in Bezug auf die Arbeitslosenzahlen gesagt hatten, dass Sie die Unwägbarkeit durch die Krise nicht abschätzen können. Die direkte oder indirekte Betroffenheit, die auch nach Österreich herüberschwappen wird, ist auch noch nicht abzusehen.
Worüber ich jetzt sprechen möchte, ist der von der Regierung initiierte und sehr wichtige Teuerungsausgleich von 150 Euro: 150 Euro für Ausgleichzulagenbezieher und -bezieherinnen, für Krankengeldbezieher und -bezieherinnen, für Rehabilitationsgeldbezieher und -bezieherinnen; dazugekommen sind jetzt zum Glück aufgrund eines §-27-Geschäftsordnungsantrages im Ausschuss, als wir zusammengekommen sind, auch noch die KrankengeldbezieherInnen, die aus der Arbeitslosigkeit heraus krank geworden sind. Die sind vorher vergessen worden.
So, das ist jetzt die Gruppe, die diesen Teuerungsausgleich besonders nötig hat. Ein bisschen der Haken an der Sache ist der Auszahlungstermin. Ich verstehe schon, dass sich das technisch mit dem Beginn der Auszahlung nicht von heute auf morgen ausgehen kann, das ist ganz klar, wir halten aber die Auszahlung Ende April, Anfang Mai für sehr, sehr spät angesetzt, und wir glauben, dass man es mit Kraftanstrengung auch Ende März zusammenbringen könnte, dass wir diese sehr vulnerable Gruppe unserer Bevölkerung unterstützen, wenn ich das so sagen darf.
Ich wiederhole nicht nur mich selber, sondern auch andere Rednerinnen und Redner: Diese Teuerungswelle rollt nicht nur heran, sie ist schon da, und wir wissen nicht, was uns die kriegerischen Handlungen in der Ukraine auch hier in Österreich noch direkt oder indirekt bescheren werden. Es geht um die Energie, es geht um das Wohnen, es geht um die Kleidung, es geht um das Essen. Halten wir uns noch einmal vor Augen, dass
die Mieten in den letzten zehn Jahren um 44 Prozent gestiegen sind; 44 Prozent mehr Miete als noch vor zehn Jahren!
Daher haben wir zwei Abänderungsanträge für alle Menschen, die das betrifft, einzubringen, die ich jetzt einbringen möchte. Entschuldigen Sie, ich muss das vorlesen. Ich werde versuchen, das schnell zu tun. Es geht darum, dass die Auszahlung einen Monat früher beginnen könnte oder stattfinden könnte. Vielleicht können Sie sich dem mit Bezug auf die ganz spezielle Situation, in der wir uns befinden, heute anschließen.
Abänderungsantrag
der Abgeordneten Alois Stöger, diplômé, Kolleginnen und Kollegen zu 1334 der Beilagen
Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:
Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:
I. Art. 1 (Änderung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes) wird wie folgt geändert:
In Z 2 wird der Ausdruck „29. April 2022“ durch den Ausdruck „31. März 2022“ ersetzt.
II. Art. 2 (Änderung des Gewerblichen Sozialversicherungsgesetzes) wird wie folgt geändert:
In Z 1a wird der Ausdruck „29. April 2022“ durch den Ausdruck „31. März 2022“ ersetzt.
III. Art. 3 (Änderung des Bauern-Sozialversicherungsgesetzes) wird wie folgt geändert:
In Z 1a wird der Ausdruck „29. April 2022“ durch den Ausdruck „31. März 2022“ ersetzt.
*****
Und der zweite Abänderungsantrag betrifft den Rest dieser Personengruppe.
Abänderungsantrag
der Abgeordneten Alois Stöger, diplômé, Kolleginnen und Kollegen zu 1335 der Beilagen
Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:
Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:
I. Art. 1 (Änderung des Pensionsgesetzes 1965) wird wie folgt geändert:
In Z 2 wird der Ausdruck „Mai 2022“ durch den Ausdruck „März 2022“ ersetzt.
II. Art. 2 (Änderung des Bundesbahn-Pensionsgesetzes) wird wie folgt geändert:
In § 60 Abs. 17 wird der Ausdruck „Mai 2022“ durch den Ausdruck „März 2022“ ersetzt.
*****
Angesichts der Tatsachen, die uns jetzt stündlich, ja fast im Minutentakt erschüttern, würde ich Sie dringend ersuchen, dieser vulnerablen Gruppe dieses Zugeständnis einer früheren Auszahlung zukommen zu lassen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)
16.57
Die Anträge haben folgenden Gesamtwortlaut:
Abänderungsantrag
der Abgeordneten Stöger,
Genossinnen und Genossen
zum Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 2214/A der Abgeordneten August Wöginger, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden (1334 d.B.)
Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:
Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:
I. Art. 1 (Änderung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes) wird wie folgt geändert:
In Z 2 wird der Ausdruck „29. April 2022“ durch den Ausdruck „31. März 2022“ ersetzt.
II. Art. 2 (Änderung des Gewerblichen Sozialversicherungsgesetzes) wird wie folgt geändert:
In Z 1a wird der Ausdruck „29. April 2022“ durch den Ausdruck „31. März 2022“ ersetzt.
III. Art. 3 (Änderung des Bauern-Sozialversicherungsgesetzes) wird wie folgt geändert:
In Z 1a wird der Ausdruck „29. April 2022“ durch den Ausdruck „31. März 2022“ ersetzt.
Begründung
Durch Österreich rollt eine exorbitante Teuerungswelle. Die Inflation ist so hoch wie seit zehn Jahren nicht. Energie, Heizen und Wohnen, aber auch Lebensmittel und Güter für den täglichen Bedarf sind die starken Preistreiber. Die Mieten sind von 2010 bis 2020 um 44 Prozent gestiegen. Heizöl ist im Vergleich zu 2020 um über 40 Prozent teurer geworden. Und die Preise für Brot werden im Vergleich zum Vorjahr laut Prognosen um 15 Prozent in die Höhe schießen.
Die erfolgte Pensionsanpassung ist zu niedrig und der von der Regierung vorgelegte Teuerungsausgleich soll erst Ende April zur Auszahlung gelangen. Das ist eindeutig zu spät. Der Teuerungsausgleich soll zumindest Ende März zur Auszahlung gelangen.
*****
Abänderungsantrag
der Abgeordneten Stöger,
Genossinnen und Genossen
zum Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 2217/A der Abgeordneten Mag. Romana Deckenbacher, Mag. Eva Blimlinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Pensionsgesetz 1965 und das Bundesbahn-Pensionsgesetz geändert werden (1335 d.B.)
Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:
Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:
I. Art. 1 (Änderung des Pensionsgesetzes 1965) wird wie folgt geändert:
In Z 2 wird der Ausdruck „Mai 2022“ durch den Ausdruck „März 2022“ ersetzt.
II. Art. 2 (Änderung des Bundesbahn-Pensionsgesetzes) wird wie folgt geändert:
In § 60 Abs. 17 wird der Ausdruck „Mai 2022“ durch den Ausdruck „März 2022“ ersetzt.
Begründung
Durch Österreich rollt eine exorbitante Teuerungswelle. Die Inflation ist so hoch wie seit zehn Jahren nicht. Energie, Heizen und Wohnen, aber auch Lebensmittel und Güter für den täglichen Bedarf sind die starken Preistreiber. Die Mieten sind von 2010 bis 2020 um 44 Prozent gestiegen. Heizöl ist im Vergleich zu 2020 um über 40 Prozent teurer geworden. Und die Preise für Brot werden im Vergleich zum Vorjahr laut Prognosen um 15 Prozent in die Höhe schießen.
Die erfolgte Pensionsanpassung ist zu niedrig und der von der Regierung vorgelegte Teuerungsausgleich soll erst Ende April zur Auszahlung gelangen. Das ist eindeutig zu spät. Der Teuerungsausgleich soll zumindest Ende März zur Auszahlung gelangen.
*****
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Danke schön.
Die zwei Anträge sind ausreichend unterstützt und ordnungsgemäß eingebracht und stehen damit mit in Verhandlung.
Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Stammler. – Bitte.
Abgeordneter Clemens Stammler (Grüne): Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Kolleginnen und Kollegen! Es geht um das fiktive Ausgedinge. Das fiktive Ausgedinge beziehungsweise die Senkung des fiktiven Ausgedinges folgt eigentlich der ökosozialen Steuerreform. Wir haben ja für die aktiven Bäuerinnen und Bauern bereits die Krankenversicherungsbeiträge gesenkt, und zwar in 21 Stufen bis zu einem Einkommen von 2 900 Euro. Dies stellt durchaus einen Paradigmenwechsel dar, weil wir diesmal nicht mit der Gießkanne für alle Krankenversicherungsbeiträge eine Erleichterung schaffen, sondern genau dort, wo es gebraucht wird.
Warum wird es dort gebraucht? – Dazu möchte ich kurz eine Gegenüberstellung machen: Die Einkünfte aus der Land- und Forstwirtschaft sind von 2020 auf 2021 vor Abzug der Sozialversicherung bei Betrieben bis 40 Hektar um 3 Prozent gesunken, bei Betrieben über 100 Hektar sind sie um 8 Prozent gestiegen; nach Abzug der Sozialversicherung sind sie bis 40 Hektar jedoch um 6 Prozent gesunken und bei Betrieben über 100 Hektar um 11 Prozent gestiegen. Das heißt, die Sozialversicherungsbeiträge belasten kleinere Betriebe überdimensional stark.
Das fiktive Ausgedinge ist der Versuch, abzubilden, was Altbäuerinnen und -bauern an Sachleistungen von ihren ÜbernehmerInnen erhalten. Da steht in alten Übergabeverträgen: ein Bündel Holz, ein Liter Milch, ein halbes Kilo Fleisch. Dieser Sachbezug wird von der Ausgleichszulage abgezogen. Die Absenkung des fiktiven Ausgedinges trifft also genau dort, wo wir die Mindestpensionsbezieherinnen und -bezieher haben. Das sind 8 Millionen Euro mehr in den Geldbörsen für rund 30 000 Mindestpensionsbezieherinnen und Mindestpensionsbezieher. Ich glaube, das ist ein weiterer Schritt, nicht Groß gegen Klein oder Klein gegen Groß auszuspielen, sondern ganz einfach der realen Lage gerecht zu werden und der überdimensionalen Abgabenlast gerade von kleineren Betrieben, aber auch MindestpensionsbezieherInnen entgegenzuwirken. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)
Erlauben Sie mir bitte noch einen Satz. Normalerweise kommen im Juni ukrainische Erntehelferinnen und Erntehelfer nach Österreich, um bei uns am Gurkerlflieger zu liegen. Derzeit wird ihr Leben allerdings von russischen Kampfflugzeugen bedroht. – Wir sind in Gedanken bei euch! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
17.02
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Loacker. – Bitte.
Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ein ganzes Paket von verschiedenen Maßnahmen wird jetzt behandelt. – Das bäuerliche Ausgedinge kann man natürlich in ganz vielen kleinen Schritten senken, statt ein für alle Mal beseitigen, denn dann können die Bauernbündler einfach alle paar Monate einmal zu ihren Leuten gehen und sagen: Mah, ich habe wieder etwas Tolles für euch herausgeholt! – Macht es doch bitte einmal gescheit! Das wäre ein Vorschlag von unserer Seite.
Zu den 150 Euro: Also da scheint es jetzt so, dass es der Regierung einmal gelingt, für eine bestimmte Gruppe eine Überweisung hinzubekommen. Ob es die gescheiteste Variante ist, bin ich nicht einmal sicher, denn wenn jetzt beispielsweise jemand nicht um die Mindestsicherung ansucht, aber wenig verdient, weil diese Person sagt: Ich brauche diese Sozialleistung nicht, ich schaffe es so!, aber die 150 Euro Teuerungsausgleich doch möchte, so geht das nicht. Man muss die Sozialleistung in Anspruch nehmen, damit man auch die 150 Euro bekommt. Das hätte man auch anders lösen und die Zahlung über das Finanzamt machen können, statt das eine über die Arbeitslosenversicherung und das andere über die Pensionsversicherung. – Was weiß ich.
Es wird aber auch diese Einmalzahlung den Leuten nicht helfen, weil die Preise oben bleiben und nicht wieder zurückgehen werden. Man sollte sich überlegen, wie man zu einer dauerhaften Entlastung der Menschen kommt.
Mein – unter Anführungszeichen – „Lieblingsgesetz“ bei den Punkten, die hier verhandelt werden, ist ja das letzte, nämlich die Verlängerung der Regelung, dass ungeimpfte Schwangere vorzeitig in Mutterschutz gehen können, wenn sie in Kontaktberufen tätig sind. Das heißt: Die ungeimpfte schwangere Friseurin geht nach der 14. Woche in Mutterschutz und die geimpfte arbeitet weiter. Das ist erstens ein Fehlanreiz und es ist zweitens gesundheitspolitisch bedenklich. Wenn man nämlich schaut, wie viele Kinder unter 15 wegen Covid auf der Intensivstation waren, dann waren das in den ersten zehn Monaten des Jahres 2021 in Summe 32 Fälle, aber davon waren mehr als die Hälfte Neugeborene von ungeimpften Schwangeren – also von einem Jahr bis 15 Jahre etwas weniger als die Hälfte und mit null Lebensjahren mehr als die Hälfte – weil Sie eine Politik machen, mit der Sie Anreize setzen, dass sich die Menschen nicht impfen lassen. Das ist zum Schaden der Kinder.
Warum Sie diese Regelung jetzt noch einmal verlängern, das können Sie rational nicht mehr erklären. Das war noch okay zu einem Zeitpunkt, als der Impfstoff knapp war und man sich nicht aussuchen konnte, wann man dran ist. Aber jetzt, wo wirklich jeder und jede die Gelegenheit gehabt hat, sich impfen zu lassen, noch ein soziales Goodie für die Ungeimpften hinauszupfeffern, das ist nicht das richtige Signal. (Beifall bei den NEOS.)
17.05
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Schmiedlechner. – Bitte.